Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar: Band 1 Einleitung, §§ 1 bis 31 [10. völlig neu bearb. Aufl. Reprint 2013] 9783111337357, 9783110105568


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German Pages 1029 [1032] Year 1985

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Table of contents :
Vorwort zur 10. Auflage
Verzeichnis der Bearbeiter der 10. Auflage
Inhaltsübersicht
Verzeichnis
Erscheinungsdaten der Kommentierungen (zeitlich)
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
ALLGEMEINER TEIL. Erster Abschnitt. Das Strafgesetz
ERSTER ABSCHNITT. Das Strafgesetz
Erster Titel. Geltungsbereich. §§ 1–10
Zweiter Titel. Sprachgebrauch. §§11–12
ZWEITER ABSCHNITT. Die Tat
ERSTER TITEL. Grundlagen der Strafbarkeit. §§13–21
ZWEITER TITEL. Versuch. §§ 22–24
DRITTER TITEL. Täterschaft und Teilnahme. §§ 25–31
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Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar: Band 1 Einleitung, §§ 1 bis 31 [10. völlig neu bearb. Aufl. Reprint 2013]
 9783111337357, 9783110105568

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Großkommentare der Praxis

w DE

G

Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar Großkommentar Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage herausgegeben von

Hans-Heinrich Jescheck Wolfgang Ruß Günther Willms

Erster Band Einleitung, §§ 1 bis 31

w DE

1985

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Zitierweise: ζ. Β. Tröndle LK 10. Aufl. § 3 Rdn. 5

CIP-Kurztitelauf nähme der Deutschen Bibliothek Strafgesetzbuch: Leipziger Kommentar; Großkommentar / hrsg. von Hans-Heinrich Jescheck . . . — Berlin; New York: de Gruyter (Großkommentare der Praxis) Früher mit d. Angabe: Begr. von Ludwig Ebermeyer... — Teilw. hrsg. von Paulheinz Baldus u. Günther Willms NE: Ebermayer, Ludwig [Begr.]; Baldus, Paulheinz [Hrsg.]; Jescheck, Hans-Heinrich [Hrsg.] Bd. 1. Einleitung, §§ 1 bis 31. — 10., völlig neu bearb. Aufl. — 1985. ISBN 3-11-010556-X

Hinweis Um in der Erscheinungsweise nicht festgelegt zu sein und auf diese Weise Bedürfnissen der Praxis besser gerecht werden zu können, wurde darauf verzichtet, die Bände durchgehend zu paginieren. Durch Verwendung der Randnummern sind Seitenzahlen — vor allem für das Zitieren — entbehrlich. Der Verlag

© C o p y r i g h t 1 9 7 8 / 1 9 7 9 / 1 9 8 0 / 1 9 8 3 by Walter de G r u y t e r & Co., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung u n d V e r b r e i t u n g sowie d e r Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des W e r k e s darf in i r g e n d e i n e r F o r m ( d u r c h Fotokopie, M i k r o f i l m oder ein a n d e r e s V e r f a h r e n ) o h n e schriftliche G e n e h m i g u n g des Verlages r e p r o d u z i e r t oder u n t e r V e r w e n d u n g e l e k t r o n i s c h e r Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in G e r m a n y . Satz u n d D r u c k : H. H e e n e m a n n G m b H & Co, Berlin 42 B i n d e a r b e i t e n : L ü d e r i t z & Bauer, Buchgewerbe G m b H , Berlin 61

Vorwort zur 10. Auflage

Schon 1974, drei Jahre vor dem Erscheinen des dritten Bandes der 9. Auflage des Leipziger Kommentars haben die Vorarbeiten für die 10. Auflage eingesetzt. Die rasche Inangriffnahme der Neuauflage war trotz der damit verbundenen starken Belastung für den Verlag, die Mitarbeiter und die Herausgeber dringend notwendig, weil die im Laufe der Entstehung der 9. Auflage eintretenden Gesetzesänderungen nur bis zum Zwölften Strafrechtsänderungsgesetz in den Kommentar eingebracht werden konnten, so daß vor allem das Einführungsgesetz vom 2. 3. 1974 und die Neufassung des Strafgesetzbuchs vom 2.1. 1975 fehlten. Die Tatsache, daß die 9. Auflage während ihres Erscheinens von so überaus wichtigen Neuerungen der Gesetzgebung überholt worden war, machte selbstverständlich die alsbaldige Ausarbeitung einer 10. Auflage erforderlich, die das Werk auf den neuesten Stand bringen und damit den traditionellen wissenschaftlichen Rang des Leipziger Kommentars bewahren sollte. Trotz der damit gegebenen engen Zeitfolge der beiden Auflagen hat sich die personelle Zusammensetzung der Mitarbeiter von der einen zur anderen erheblich verändert. Von vornherein mußte nach dem Tode von Paulheinz Baldus der Kreis der Herausgeber ergänzt werden. Herbert Tröndle, der ursprünglich dazugehörte, schied im Jahre 1978 wieder aus, nachdem er von der 38. Auflage an die Fortführung des Kommentars von Eduard Dreher übernommen hatte. Von den zwanzig Bearbeitern der 9. Auflage hat nur noch die Hälfte an der 10. Auflage mitwirken können. Sechzehn neue Autoren sind hinzugetreten, so daß sich die Gesamtzahl auf sechsundzwanzig erhöht hat. Wärend der Arbeit an seinem Manuskript ist Georg Schwalm am 2. September 1979 plötzlich verstorben, am 2. März 1975 bereits Dietrich Lang-Hinrichsen, der seine Mitarbeit auch für die 10. Auflage zugesagt hatte. Verlag und Herausgeber werden den langjährigen hochgeschätzten Gefährten ein dauerndes und ehrendes Andenken bewahren. Die Einheitlichkeit des äußeren Bildes der Kommentierung wurde durch eingehende Richtlinien des Verlages angestrebt, um deren Einhaltung die Herausgeber bei der Durchsicht der von ihnen betreuten Manuskripte bemüht waren. Neu an der formalen Gestaltung der Erläuterungen in der 10. Auflage ist vor allem die Einführung von Fußnoten, die die Masse des wissenschaftlichen Apparats aufnehmen und dadurch den Text entlasten sollten. Nach der Tradition des Leipziger Kommentars ist auch in der 10. Auflage eine Einheitlichkeit des Standpunkts bei der Kommentierung der verschiedenen Vorschriften nicht angestrebt worden. Jeder Bearbeiter trägt die wissenschaftliche Verantwortung für den Inhalt seiner Erläuterungen selbst. Abweichende Meinungen sind im Text erwähnt und werden dem Leser durch Literatur- und Rechtsprechungszitate sowie durch Querverweisungen zugänglich gemacht. Die Herausgeber (V)

Vorwort wissen, daß auf diese Weise Unterschiede, ja Widersprüche zwischen der Kommentierung der einzelnen Vorschriften möglich gemacht werden, die aber nicht unbedingt einen Mangel darstellen müssen und jedenfalls im Interesse der wissenschaftlichen Freiheit der Autoren hinzunehmen sind. Auch das Erscheinen der 10. Auflage hat nicht mit der vom Verlag und den Herausgebern gewünschten und intensiv angestrebten Beschleunigung stattfinden können. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die Richter und Staatsanwälte unter den Autoren können, soweit sie nicht schon im Ruhestand leben, ihre Manuskripte bei stärkster dienstlicher Belastung nur nebenberuflich ausarbeiten. Aber auch die Professoren im Kreise der Bearbeiter sind durch die ihnen auferlegte „Überlast" an Studenten, die zu vielen Hunderten die Vorlesungen und Übungen füllen, mit Lehrund Prüfungspflichten so überhäuft, daß die wissenschaftliche Produktion in den letzten Jahren auch bei ihnen an den Rand des Arbeitstages gedrängt worden ist. Wichtige Änderungen im Text des Strafgesetzbuchs, die während des Laufs der Arbeiten an der 10. Auflage eintraten, machten ferner umfangreiche Neu- und Umdispositionen erforderlich. Hingewiesen sei auf die Einfügung des § 57 a (mit Änderung bei den §§ 57 und 56 f) durch das 20. StRÄndG vom 8. Dezember 1981; auf die Schaffung des Subventionsbetrugs (§ 264) und des Kreditbetrugs (§ 265 b) sowie die Rückführung der Konkursdelikte in das Strafgesetzbuch (§§ 283—283 d) durch das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29. Juli 1976; auf die Einfügung des Umweltstrafrechts (§§ 324—330 d) bei gleichzeitiger Umnumerierung der früheren §§ 321—330 c durch das 18. StRÄndG vom 28. März 1980 in die jetzigen §§ 318—323 c. Soweit die entsprechenden Kommentierungen vor diesen Änderungen bereits erschienen waren, wurden die Änderungen durch Ergänzungen bzw. Ersatz der betroffenen Passagen eingearbeitet. Die Herausgeber glauben, mit Stolz auf das Werk blicken zu können, das sie hiermit der Öffentlichkeit vorlegen. Der Leipziger Kommentar bleibt auch in der 10. Auflage in der Vollständigkeit und wissenschaftlichen Qualität der Material Verarbeitung in Deutschland führend und er wird zugleich den hohen Rang des deutschen Strafrechts im Ausland behaupten helfen, wo es vergleichbare Erläuterungswerke nicht gibt und die deutsche Kommentarliteratur deswegen besonders geschätzt wird.

Freiburg/Karlsruhe/Ettlingen im Januar 1985

Hans-Heinrich Jescheck Wolfgang Ruß Günther Willms

(VI)

Verzeichnis der Bearbeiter der 10. Auflage Dr. Eckhart von Bubnoff, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe Dr. Karlhans Dippel, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt Dr. Ernst-Walter Hanack, o. Professor an der Universität Mainz Gerhard Herdegen, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Hans Joachim Hirsch, o. Professor an der Universität zu Köln Dr. Günter E. Hirsch, Oberregierungsrat im Bayer. Staatsministerium der Justiz Hartmuth Horstkotte, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Engelbert Hübner, Senatspräsident beim Bundesgerichtshof a. D. Dr. Burkhard Jähnke, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Dr. h. c. Hans-Heinrich Jescheck, em. o. Professor an der Universität Freiburg, em. Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe a. D. Dr. Karl Lackner, o. Professor an der Universität Heidelberg Dr. Richard Lange, em. o. Professor an der Universität zu Köln Heinrich Wilhelm Laufhätte, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Dr. h. c. Claus Roxin, o. Professor an der Universität München Karl Rüth, Oberstaatsanwalt beim Bayerischen Obersten Landesgericht, München Dr. Wolfgang Ruß, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Karl Schäfer, Senatspräsident a. D. in Frankfurt a. M. Dr. Friedrich-Christian Schroeder, o. Professor an der Universität Regensburg Dr. Günter Spendel, o. Professor an der Universität Würzburg Dr. Joachim Steindorf, Richter am OLG Koblenz Dr. Dr. h. c. Klaus Tiedemann, o. Professor an der Universität Freiburg Ernst Träger, Richter am Bundesverfassungsgericht Professor Dr. Herbert Tröndle, Präsident des Landgerichts Waldshut-Tiengen a. D. Dr. Theo Vogler, o. Professor an der Universität Gießen Professor Dr. Günther Willms, Richter am Bundesgerichtshof a. D. Hagen Wolff, Richter am Oberlandesgericht Celle

Die Aufteilung der Kommentierung unter die Bearbeiter ergibt sich (neben den Hinweisen in den rechten Kopfzeilen über dem Text) aus der jeweiligen Inhaltsübersicht, die einem jeden Band vorangestellt ist. Aus ihr geht auch hervor, zu welchem Zeitpunkt die Kommentierung veröffentlicht worden ist. (VII)

Inhaltsübersicht

Band 1 Erschienen Einleitung

8/1979

Bearbeiter Jescheck

ALLGEMEINER TEIL Erster Abschnitt. Das Strafgesetz Erster Titel. Geltungsbereich §§ 1 - 1 0

2/1978

Tröndle

Zweiter Titel. Sprachgebrauch §§11,12

2/1978

Tröndle

Zweiter Abschnitt. Die Tat Erster Titel. Grundlagen der Strafbarkeit Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff § 13 § 14 Vorbemerkungen zu den §§ 15 ff §§ 1 5 - 1 8 §§ 1 9 - 2 1 Zweiter Titel. Versuch Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff §§ 2 2 - 2 4 Dritter Titel. Täterschaft und Teilnahme Vorbemerkungen zu den §§ 25 ff § 25 Vorbemerkungen zu §§ 26, 27 §§ 2 6 - 2 9 §§30,31

(IX)

8/1979 8/1979 8/1979 2/1980 2/1980 9/1978

Jescheck Jescheck Roxin Schroeder Schroeder Lange

10/1983 10/1983

Vogler Vogler

2/1978 2/1978 2/1978 2/1978 8/1979

Roxin Roxin Roxin Roxin Roxin

Band 2 Vierter Titel. Notwehr und Notstand Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff §§ 32, 33 §§ 34, 35

12/1984 9/1982 12/1984

H. J. Hirsch Spendel H. J. Hirsch

Fünfter Titel. Straflosigkeit parlamentarischer Äußerungen und Berichte §§36,37 2/1978 Tröndle Dritter Abschnitt. Rechtsfolgen der Tat Erster Titel. Strafen — Freiheitsstrafe — Vorbemerkungen zu den §§ 38 ff §§ 38, 39 — Geldstrafe — Vorbemerkungen zu den §§ 40 ff §§ 4 0 - 4 3 — Nebenstrafe — §44 — Nebenfolgen — Vorbemerkungen zu den §§ 45—45 b §§ 4 5 - 4 5 b Zweiter Titel. Strafbemessung Vorbemerkung zu den §§ 46 ff §§ 4 6 - 5 0 §51

2/1978 2/1978

Tröndle Tröndle

2/1978 2/1978

Tröndle Tröndle

2/1978

Schäfer

2/1978 2/1978

Tröndle Tröndle

8/1979 8/1979 8/1979

G. Hirsch G.Hirsch Tröndle

Dritter Titel. Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen Vorbemerkungen zu den §§ 52 ff 9/1978 Vogler §§ 5 2 - 5 5 9/1978 Vogler Vierter Titel. Strafaussetzung zur Bewährung Vorbemerkungen zu den §§ 56 ff 3/1981 §§ 5 6 - 5 6 e 3/1981 § 56 f 3/1985 §§ 56 g—57 3/1981 § 57 a 3/1985 § 58 3/1981

Ruß Ruß Ruß Ruß Ruß Ruß

Fünfter Titel. Verwarnung mit Strafvorbehalt. Absehen von Strafe Vorbemerkungen zu den §§ 59 ff 3/1981 Ruß §§ 5 9 - 5 9 c 3/1981 Ruß § 60 9/1982 G. Hirsch

(X)

Band 3 Sechster Titel. Maßregeln der Besserung und Sicherung Vorbemerkungen zu den §§ 61 ff 9/1978 §§61,62 9/1978 — Freiheitsentziehende Maßregeln — §§ 6 3 - 6 7 9/1978 §§ 67 a—67 g 11/1983 — Führungsaufsicht — Vorbemerkungen zu den §§ 68 ff 9/1978 §§ 6 8 - 6 8 g 9/1978 — Entziehung der Fahrerlaubnis — §§ 6 9 - 6 9 b 9/1978 — Berufsverbot — §§ 7 0 - 7 0 b 9/1982 — Gemeinsame Vorschriften — §§ 71,72 9/1982 Siebenter Titel. Verfall und Einziehung Vorbemerkungen zu den §§ 73 ff §§ 7 3 - 7 5 — Gemeinsame Vorschriften — §§76,76 a

Hanack Hanack Hanack Horstkotte Hanack Hanack Rüth Hanack Hanack

12/1979 12/1979

Schäfer Schäfer

12/1979

Schäfer

Vierter Abschnitt. Strafantrag, Ermächtigung, Strafverlangen Vorbemerkungen zu den §§ 77 ff §§ 7 7 - 7 7 e

2/1985 2/1985

Jähnke Jähnke

Fünfter Abschnitt. Verjährung Erster Titel. Verfolgungsverjährung Vorbemerkungen zu den §§ 78 ff §§ 7 8 - 7 8 c

2/1985 2/1985

Jähnke Jähnke

Zweiter Titel. Vollstreckungsverjährung §§ 7 9 - 7 9 b

2/1985

Jähnke

(XI)

Verzeichnis derjenigen Werke, die während des Erscheinens der 10. Auflage des Leipziger Kommentars in mehreren Auflagen erschienen, daher auch in den einzelnen Teilen mit verschiedenen Auflagen zitiert sind. Welche Auflage jeweils zitiert ist, ergibt sich aus dem Verzeichnis über die Erscheinungsdaten der Lieferungen (S. XVII f.) Baumann AT Blei AT, BT

Bockelmann AT, BT

Brunner

Dreher Dreher-Tröndle

Eser

(XIII)

Baumann, Strafrecht, Allgemeiner Teil 7. Aufl. (1976) 8. Aufl. (1977) Blei, Strafrecht Allgemeiner Teil 17. Aufl. (1977) 18. Aufl. (1983) Besonderer Teil 10. Aufl. (1976) 11. Aufl. (1978) 12. Aufl. (1983) Bockelmann, Strafrecht Allgemeiner Teil 2. Aufl. (1975) 3. Aufl. (1979) Besonderer Teil Band 1 : 1. Aufl. (1976) 2. Aufl. (1982) Band 2: 1. Aufl. (1977) Band 3: 1. Aufl. (1980) Brunner, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar 5. Aufl. (1978) 6. Aufl. (1981) 7. Aufl. (1983) Dreher, Strafgesetzbuch, Kurzkommentar 37. Aufl. (1977) Dreher-Tröndle, Strafgesetzbuch, Kurzkommentar 38. Aufl. (1978) 39. Aufl. (1979) 40. Aufl. (1981) 41. Aufl. (1982) 42. Aufl. (1985) Eser, Strafrecht, Studienkurs Band 1 : 2. Aufl. (1976)

Verzeichnis

Göhler

Göppinger Krim

Jagusch

Jagusch-Hentschel

Jaeger KO

Jescheck

Kleinknecht

Kleinknecht-Meyer

Lackner

3. Aufl. (1980) Band 2: 2. Aufl. (1976) 3. Aufl. (1980) Band 3: 1. Aufl. (1976) 2. Aufl. (1981) Band 4: 2. Aufl. (1976) 3. Aufl. (1979) 4. Aufl. (1983) Göhler, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kurzkommentar 5. Aufl. (1977) 6. Aufl. (1980) 7. Aufl. (1984) Göppinger Kriminologie 3. Aufl. (1976) 4. Aufl. (1980) Jagusch, Straßenverkehrsrecht, Kurzkommentar 23. Aufl. (1977) 24. Aufl. (1978) 25. Aufl. (1980) 26. Aufl. (1981) Jagusch-Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kurzkommentar 27. Aufl. (1983) Jaeger, Konkursordnung mit Nebengesetzen, Großkommentar, begründet von Ernst Jaeger 8. Aufl. (1958-1973) 9. Aufl. §§ 1 - 2 8 (1977 ff) Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil 2. Aufl. (1972) 3. Aufl. (1978) Kleinknecht, Strafprozeßordnung mit GVG und Nebengesetzen, Kurzkommentar 33. Aufl. (1977) 34. Aufl. (1979) 35. Aufl. (1981) Kleinknecht-Meyer, Strafprozeßordnung mit GVG und Nebengesetzen, Kurzkommentar 36. Aufl. (1983) Lackner, Strafgesetzbuch, Kommentar 11. Aufl. (1977) 12. Aufl. (1978) 13. Aufl. (1980) 14. Aufl. (1981) 15. Aufl. (1983) (XIV)

Verzeichnis

Löwe-Rosenberg (-Bearbeiter)

Maurach AT, BT

Maurach-Gössel-Zipf

Maurach-Schroeder

von Münch GG

Otto, Grundkurs AT, BT

Palandt

(XV)

Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, Großkommentar 23. Aufl. (1976-1980) 24. Aufl. §§ 1 - 4 7 , 112-136 a, 198-243 (1984); §§ 4 8 - 7 1 , 244-248, 333-358, 374-406 d (1985) Maurach, Strafrecht Allgemeiner Teil 4. Aufl. (1974) Besonderer Teil 5. Aufl. (1969) Maurach-Gössel-Zipf, Strafrecht, Allgemeiner Teil Band 1 : 5. Aufl. (1976) 6. Aufl. (1983) Band 2: 5. Aufl. (1976) 6. Aufl. (1984) Maurach-Schroeder, Strafrecht, Besonderer Teil Band 1 : 6. Aufl. (1976) 7. Aufl. (1984) Band 2: 6. Aufl. (1981) von Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar Band 1 (Art. 1 - 2 0 ) : 1. Aufl. (1975) 2. Aufl. (1982) Band 2 (Art. 2 1 - 6 9 ) : 1. Aufl. (1976) 2. Aufl. (1983) Band 3 (Art. 70-146): 1. Aufl. (1978) 2. Aufl. (1983) Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, 1. Aufl. (1976) 2. Aufl. (1982) Die einzelnen Delikte, 1. Aufl. (1977) 2. Aufl. (1984) Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kurzkommentar 37. Aufl. (1978) 38. Aufl. (1979) 39. Aufl. (1980) 40. Aufl. (1981) 41. Aufl. (1982)

Verzeichnis

Roxin

Roxin

Samson

Schönke-Schröder (-Bearbeiter)

SK (-Bearbeiter)

Wessels AT, BT

42. Aufl. (1983) 43. Aufl. (1984) 44. Aufl. (1985) Roxin, Strafverfahrensrecht, Kurzlehrbuch 14. Aufl. (1976) 15. Aufl. (1978) 16. Aufl. (1980) 17. Aufl. (1982) Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft 3. Aufl. (1975) 4. Aufl. (1984) Samson, Strafrecht Band 1 : 3. Aufl. (1978) 4. Aufl. (1980) 5. Aufl. (1983) Band 2: 2. Aufl. (1978) 3. Aufl. (1980) 4. Aufl. (1983) Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar 19. Aufl. (1978) 20. Aufl. (1980) 21. Aufl. (1982) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Band 1 (§§ 1 - 7 9 b): 2. Aufl. (1977) 3. Aufl., Loseblatt, (1982) Band 2 (§§ 80-358), Loseblatt, (1975 ff) Wessels, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (1978) 9. Aufl. (1979) 10. Aufl. (1980) 11. Aufl. (1981) 12. Aufl. (1982) Besonderer Teil, Band 1 : 2. Aufl. (1978) 3. Aufl. (1979) 4. Aufl. (1980) 5. Aufl. (1981) 6. Aufl. (1982) Band 2: 2. Aufl. (1978) 3. Aufl. (1979) 4. Aufl. (1980) 5. Aufl. (1981) 6. Aufl. (1983) (XVI)

Erscheinungsdaten der Kommentierungen (zeitlich) 1978 Februar September Oktober 1979 Januar August Oktober Dezember 1980 Februar Juli 1981 März April 1982 Juni September Dezember 1983 Oktober November 1984 Dezember 1985 Februar März April Juni

§§ 1 - 1 2 , 2 5 - 2 9 , 3 6 - 4 5 b §§ 19-21, 5 2 - 5 5 , 6 1 - 6 7 , 6 8 - 6 9 b, 110-122 §§ 125-141, 303-311 c, 312-317 §§ 1 4 2 - 1 6 5 , 1 2 3 - 1 2 4 Einleitung, §§ 13-14, 4 6 - 5 1 , 3 0 - 3 1 , 234-238 §§263-266 §§ 7 3 - 7 6 a, 284-302 §§15-18,211-217 §§ 8 0 - 9 2 , 356 §§ 5 6 - 5 6 e, 56 g - 5 7 , 5 8 - 5 9 c, 221-233 §§ 102-109 k §§ 331-358 §§ 267-282, 3 2 - 3 3 , 60, 7 0 - 7 2 §§ 249-262 §§ 2 2 - 2 4 , 2 1 8 - 2 2 0 §§ 67 a—67 g Vor § 32, §§ 3 4 - 3 5 , 174-184 b, 166-168, 283-283 d §§ 7 7 - 7 9 b, 169-173 §§ 56 f, 57 a §§ 242-248 c, 311 d—311 e, 324-330 d §§ 9 3 - 1 0 1 a, 185-205, 239-241, 318-323 c Erscheinungsdaten der Kommentierungen (systematisch)

Einleitung §§1-12 §§ 1 3 - 1 4 §§ 1 5 - 1 8 §§ 1 9 - 2 1 §§ 2 2 - 2 4 §§ 2 5 - 2 9 §§ 3 0 - 3 1 Vor § 32 §§ 3 2 - 3 3 (XVII)

August 1979 Februar 1978 August 1979 Februar 1980 September 1978 Oktober 1983 Februar 1978 August 1979 Dezember 1984 September 1982

§§ 3 4 - 3 5 §§ 3 6 - 4 5 b §§46-51 §§ 5 2 - 5 5 §§ 5 6 - 5 6 e §§ 56 g - 5 7 §§ 5 8 - 5 9 c §§ 56 f, 57 a § 60

§§61-67

Dezember 1984 Februar 1978 August 1979 September 1978 März 1981 März 1981 März 1981 März 1985 September 1982 September 1978

Erscheinungsdaten der Kommentierungen

§§ 67 a - 6 7 g §§ 6 8 -•69 b §§ 7 0 -•72 §§ 7 3 -•76 a §§ 7 7 -•79 b §§ 8 0 -•92 §§ 9 3 -•101 a §§ 102- 109 k § § 1 1 0 -•122 §§ 123-•124 §§ 125- 141 §§ 142- 165 §§ 1 6 6 - 168 §§ 169- 173 §§ 174- 184 b §§ 185 —205 §§ 2 0 6 - 210 § § 2 1 1 - 217

November 1983 September 1978 September 1982 Dezember 1979 März 1985 Juli 1980 Juni 1985 April 1981 September 1978 Januar 1979 Oktober 1978 Januar 1979 Dezember 1984 Mai 1985 Dezember 1984 Juni 1985 weggefallen Februar 1980

§ § 2 1 8 -•220 §§ 2 2 1 -•233 §§ 2 3 4 -•238 §§ 2 3 9 -•241 §§ 2 4 2 -•248 c §§ 2 4 9 -•262 §§ 2 6 3 --266 §§ 2 6 7 -•282 §§ 283-•283 d §§ 2 8 4 -•302 §§ 303-•311 c §§ 311(1,311 e §§312--317 §§318--323 c §§ 324--330 d §§ 331--355 § 356 §§ 357--358

Oktober 1983 März 1981 August 1979 Juni 1985 Juni 1985 Dezember 1982 Oktober 1979 September 1982 Dezember 1984 Dezember 1979 Oktober 1978 Juni 1985 Oktober 1978 Juni 1985 April 1985 Juni 1982 Juli 1980 Juni 1982

(XV1JI)

Abkürzungsverzeichnis* Abg. AbgO AB1KR abl. ABl. AcP AE ÄndG a. F. AG AGBG AGGewVerbrG AHK AktG

AktO

Allfeld Alsb.E

amtl. Begr. AnwBl. AöR AO 1977 AOStrÄndG

ArchKrim. Arch PR Arzt-Weber

Abgeordneter Reichsabgabenordnung vom 13. 12. 1919 i. d. F. vom 22.5. 1931 (RGBl. IS. 161) Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (Nr. 1. 1945-19.1948) ablehnend Amtsblatt Archiv für die zivilistische Praxis Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, 1966 ff Änderungsgesetz alte Fassung Amtsgericht; in Verbindung mit einem Gesetz: Ausführungsgesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allg. Geschäftsbed. vom 9. 12. 1976 (BGBl. I S. 3317) Ausführungsgesetz zum Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. 11.1933 (RGBl. I S. 1000) Alliierte Hohe Kommission Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 6. 9.1965 (BGBl. I S. 1089) Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften (Aktenordnung) Allfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 9. Aufl., Allgemeiner Teil. 1934 Die strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Alsberg und Friedrich (1927), 3 Bände amtliche Begründung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Abgabenordnung vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 613) Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 10. 8. 1967 (BGBl. I S. 877) Archiv für Kriminologie Archiv für Presserecht (Beilage zum „Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag") Arzt-Weber, Strafrecht, Besonderer Teil. Band 1 :

* Diejenigen Werke — Kommentare, Lehrbücher, Monographien —, die während des Erscheinens der 10. Auflage des LK in unterschiedlichen Auflagen benutzt und zitiert wurden, sind in diesem Verzeichnis nicht enthalten; für sie wurde ein gesondertes Verzeichnis (S. XIII f.) erstellt. (XIX)

Abkürzungsverzeichnis

AT AtomG

AusfVO AuslG AusnVO

AV AWG BÄO BAG BAnz. BaWü. Bay. BayBS BayObLG BayObLGSt. BayVerf. BayVerfGHE BayVerwBl. BayVGHE

BayZ BB BBG BDH BDO Begr. Bek.

2. Aufl. (1982); Band 2 (1983); Band 3 (1978); Band 4 (1980); Band 5 (1982) Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23. 12. 1959 (BGBl. I S. 814) Ausführungsverordnung Ausländergesetz vom 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353) Ausnahme-(Not) Verordnung (1) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. 12. 1930 (RGBl. I S. 517) (2) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.10.1931 (RGBl. I S. 537, 563) (3) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens vom 8. 12. 1931 (RGBl. I S. 743) (4) VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechtspflege und Verwaltung vom 14. 6. 1932 (RGBl. I S. 285) Allgemeine Verfügung Außenwirtschaftsgesetz vom 28.4.1961 (BGBl. I S. 481) Bundesärzteordnung vom 2.10. 1961 i. d. F. vom 4. 2. 1970 (BGBl. I S. 237) Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Baden-Württemberg Bayern, bayerisch Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (1802 bis 1956) Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. 12. 1946 (BayBS I 3) s. BayVGHE Bayerische Verwaltungsblätter Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905—34) Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz vom 14. 7. 1953 i. d. F. vom 3.1.1977 (BGBl. IS. 1) Bundesdisziplinarhof (jetzt Bundesverwaltungsgericht) Bundesdisziplinarordnung vom 28. 11. 1952 i. d. F. vom 20. 7. 1967 (BGBl. I S. 751, ber. BGBl. I S. 984) Begründung Bekanntmachung (XX)

Abkürzungsverzeichnis

Beling BeurkG BFH BGB BGBl. I, II, III BGH BGHGrS BGHSt. BGHZ Binding, Grundriß Binding, Handb Binding, Lehrb Binding, Nonnen BinnSchiffG

BJagdG BKrimAG

Bln. Bln.GVBl.Sb. Blutalkohol Bockelmann-Festschr. Bonn.Komm. BMI BR BRAGebO Brandstetter BranntWMonG BRAO BRDrucks. BReg. Brem. BRProt. Bruns-Festschr. Bruns Strafzum. (XXI)

Beling, Die Lehre vom Verbrechen (1906) Beurkundungsgesetz vom 24. 8. 1969 (BGBl. I S. 1513) Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8. 1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Großer Senat (hier in Strafsachen) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Binding, Grundriß des Deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil (1913) Binding, Handbuch des Strafrechts (1885) Binding, Lehrbuch des gemeinen Deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, 2. Aufl. 1 1902, II 1904/5 Binding, Die Normen und ihre Übertretung, 2. Aufl., 4 Bände 1890-1919 Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz) vom 15. 6.1895 (RGBl. S. 301) i. d. F. vom 15. 6.1898 (RGBl. S. 868) Bundesjagdgesetz i. d. F. vom 30. 3.1961 (BGBl. I S. 304) Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) vom 8.3. 1951 (BGBl. I S. 165) Berlin Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts, Sonderband I (1806 bis 1945) und II (1945 bis 1967) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag (1979) Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Loseblattausgabe Bundesminister(-ium) des Inneren Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 861) Brandstetter, Straffreiheitsgesetz, Kommentar (1956) Branntweinmonopolgesetz vom 8.4.1922 (RGBl. I S. 405; BGBl. III 6 1 2 - 7 ) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. 8. 1959 (BGBl. I S. 565) Drucksachen des Bundesrats Bundesregierung Bremen Protokolle des Bundesrates Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (1978) Bruns, Strafzumessungsrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1974

Abkürzungsverzeichnis

BS BSG BStBl. BT BTag BTDrucks. BtMG BTProt. BTRAussch. BTVerh. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWaffenG BZRG

ChE

Cramer DAG

Dahm Dalcke Daliinger-Lackner DAR DB DDevR DDR Die Justiz Die Polizei Diss. Ditzen DJ DJT DJZ

Sammlung des bereinigten Landesrechts Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Besonderer Teil des Strafgesetzbuches Bundestag Drucksachen des Bundestags Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) vom 28. 7.1981 (BGBl. I S. 681) s. BTVerh. Rechtsausschuß des Deutschen Bundestags Verhandlungen des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3. 1951 (BGBl. I S. 243) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Waffengesetz vom 19. 12. 1972 (BGBl. I S. 1797) Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz) vom 18.3.1971 (BGBl. I S. 243) i. d. F. vom 22.7. 1976 (BGBl. I S. 2005) Chiemsee-Entwurf (Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der Westlichen Besatzungszonen. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. 8.1948) (1948) Cramer, Straßenverkehrsrecht StVO-StGB, Kommentar (1971) Deutsches Auslieferungsgesetz vom 23. 12.1929 (RGBl. I S. 239), aufgehoben durch IRG vom 23. 12.1982 (BGBl. I S. 2071) Georg Dahm, Völkerrecht B a n d i (1958), B a n d i i (1961), Band 111(1961) Dalcke-Fuhrmann-Schäfer, Strafrecht und Strafverfahren, Kommentar, 37. Aufl. (1961) Dallinger-Lackner, Jugendgerichtsgesetz und ergänzende Vorschriften, Kommentar, 2. Aufl. (1965) Deutsches Autorecht Der Betrieb Deutsche Devisen-Rundschau (1951—59) Deutsche Demokratische Republik Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums BadenWürttemberg Die Polizei (seit 1955 : Die Polizei — Polizeipraxis) Dissertation Ditzen, Dreierlei Beweis im Strafverfahren (1926) Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik (1933-45) Deutscher Juristentag (s. auch VerhDJT) Deutsche Juristenzeitung (1896—1936) (XXII)

Abkürzungsverzeichnis

DOV DOGE

Die Öffentliche Verwaltung Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Dohna Graf zu Dohna, Der Aufbau der Verbrechenslehre, 4. Aufl. (1950) DR Deutsches Recht (1931 bis 1945) DRechtsw. Deutsche Rechtswissenschaft (1936—43) Drees-Kuckuck-Wemy Drees-Kuckuck-Wemy; Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. (1972) Dreher-Festschr. Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag (1977) Dreher-Lackner-Schwalm Dreher-Lackner-Schwalm, Wehrstrafgesetz, Kommentar (1958) DRiG Deutsches Richtergesetz vom 8.9. 1961 (BGBl. I 5. 1665) i. d. F. vom 19. 4.1974 (BGBl. I S. 713) DRiZ Deutsche Richterzeitung DRpfl. Deutsche Rechtspflege (1936 bis 1939) DRsp. Deutsche Rechtsprechung, herausgegeben von Feuerhake (Loseblattsammlung) Drucks. Drucksache DRZ Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946 bis 1950) DSteuerR Deutsches Steuerrecht DStR Deutsches Strafrecht (1934 bis 1944) DStrZ Deutsche Strafrechts-Zeitung (1914 bis 1922) Dünnebier-Festschr. Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag (1982) DVB1. Deutsches Verwaltungsblatt DVO Durchführungsverordnung DVollzO Dienst- und Vollzugsordnung vom 1.12.1961 i. d. F. vom 1.1. 1971 (bundeseinheitlich) E Entwurf E 1927 Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung (Reichstagsvorlage) 1927 E 1962 Entwurf eines Strafgesetzbuches mit Begründung 1962 Eb. Schmidt Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Teil I : Die rechtstheoretischen und die rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechts, 2. Aufl. (1964), Teil II: Erläuterungen zur Strafprozeßordnung und zum Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung (1957); Nachträge und Ergänzungen zu Teil II (1967); Nachtragsband II (1970) Teil III: Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zum Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (1960) Eb. Schmidt-Festschr. Festschrift für Eberhard Schmidt (1961) EG Einführungsgesetz EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8.1896 (RGBl. S. 604) (XXIII)

Abkürzungsverzeichnis

EGGVG EGH (Ehren GHE)

EGOWiG EGStGB 1870 EGStGB 1974 EheG EhrenGHE

EJF EmmingerVO Engisch-Festschr. Erbs-Kohlhaas ErgBd. EStG EuGH EuGHE EurGHMR EurKomMR EWG EWGV FAG FamRZ FG FGG FGO FinVerwG FIRGes. Fn. Frank

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 1. 1877 (RGBl. S. 77) Ehrengerichtliche Entscheidungen der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5.1968 (BGBl. I S. 503) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 31.5.1870 (RGBl. S. 195) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. 3.1974 (BGBl. I S. 469) Ehegesetz (Gesetz Nr. 16 des Kontrollrats) v. 20. 3. 1946 (KRABI. 77, ber. 294) Ehrengerichtliche Entscheidungen (der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin) Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht (1951-1969) Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. 1.1924 (RGBl. I S. 23) Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag, 1969 Strafrechtliche Nebengesetze, Kurzkommentar, Loseblattsammlung Ergänzungsband Einkommensteuergesetz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. — Amtliche Sammlung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3.1957 (BGBl. II S. 766) Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 6.4.1892 i. d. F. vom 14.1.1928 (RGBl. I S. 8) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 i. d. F. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 771) Finanzgerichtsordnung vom 6. 10. 1965 (BGBl. I S. 1477) Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6.9.1950 (BGBl. S. 448) i. d. F. vom 30. 8. 1971 (BGBl. I S. 1426). Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 8. 2.1951 (BGBl. I S. 79) Fußnote Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufi. (1931) (XXIV)

Abkürzungsverzeichnis Full-Möhl-Rüth Fußn. G G 10

GA

Gallas-Festschrift GBl. GenG

Gerland Germann-Festschrift GerS GeschlkrG GewO GewVerbrG

GG Giese GjS GKG GmbHG

GMB1. GnO Goldschmidt GoltdA GrS GrSSt. Gruchot GRUR GS GSNW

(XXV)

Full-Möhl-Rüth, Straßenverkehrsrecht, Kommentar (1980) mit Nachtrag 1980/81. Fußnote Gesetz Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) vom 13. 8. 1968 (BGBl. I S. 949) Goltdammer's Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite; (bis 1933: Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, zitiert nach Band und Seite) Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) Gesetzblatt Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.5.1889 i. d. F. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 810) Gerland, Deutsches Reichsstrafrecht, 2. Aufl. (1932) Festschrift für Oscar Adolf Germann (1969) Der Gerichtssaal (1849—1942) Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23. 7. 1953 (BGBl. I S. 700) Gewerbeordnung vom 21. 6.1869 i. d. F. vom 1.1. 1978 (BGBl. I S. 97) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. 11.1933 (RGBl. IS. 995) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5.1949 (BGBl. S. 1) Giese, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. (1970) Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i. d. F. vom 29. 4. 1961 (BGBl. I S. 497) Gerichtskostengesetz vom 18.6.1878 i. d. F. vom 15.12.1975 (BGBl. I S. 3047) Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. 4.1892 i. d. F. vom 20. 5. 1898 (RGBl. S. 846) Gemeinsames Ministerialblatt Gnadenordnung (Landesrecht) Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925) s. GA Großer Senat Großer Senat in Strafsachen Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der Gerichtssaal Sammlung des bereinigten Landesrechts NordrheinWestfalen (1945-1956)

Abkürzungsverzeichnis

GSSchlH GV GVB1. GVB1. II GVG GWB Hamb. HambJVBl. HannRpfl. Hans. HansGZ HansJVBl. HansOLGSt. HansRGZ HansRZ HdR Heinitz-Festschr. Heibich II Henkel-Festschr. v. Hentig-Festschr. Hess. HESt. HGB v. Hippel I, II v. Hippel, Lehrb. Honig-Festschr. HRR i. d. F. IKV IRG JA JahrbÖR JahrbPostw. Jakobs

Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, 2 Bde. (1963) Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) Gesetz- und Verordnungsblatt Sammlung des bereinigten Hessischen Landesrechts Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1. 1877 (RGBl. S. 41) i. d. F. vom 9. 5. 1975 (BGBl. I S. 1077) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 i. d. F. vom 24. 9.1980 (BGBl. I S. 1761) Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hannoversche Rechtspflege Hanseatisch Hanseatische Gerichtszeitung (1880 bis 1927) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (bis 1946/47) Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Strafsachen (1879 bis 1932/33) Hanseatische Rechtsund Gerichtszeitschrift (1928-43), vorher: Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiffahrt und Versicherung, Kolonial- und Auslandsbeziehungen sowie für Hansestädtisches Recht (1918 bis 1927) Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, herausgegeben von Stier-Somlo und Elster (1926 bis 1937) Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag (1972) Heibich, Das neue Strafrecht, II, Vermögensdelikte (1977) Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag (1974) Kriminologische Wegzeichen. Festschrift für Hans von Hentig (1967) Hessen Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948—49) Handelsgesetzbuch vom 10. 5.1897 (RGBl. S. 219) von Hippel, Deutsches Strafrecht Bd. I (1925), Bd. II (1930) von Hippel, Lehrbuch des Strafrechts (1932) Göttinger Festschrift für Richard M. Honig (1970) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928 bis 1942) in der Fassung Internationale Kriminalistische Vereinigung Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. 12. 1982 (BGBl. I S. 2071). Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des Postwesens (1937 bis 1941/42) Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil. Die Grundlagen und die Zurechnungslehre. Lehrbuch (1983) (XXVI)

Abkürzungsverzeichnis

JAVollzO JBeitrO JB1. JBIRhPf. JBlSaar JGG JMB1. JMBINRW JOR JR Jura JurBl. JurJahrb. JuS Justiz JuV JVB1. JVKostO JVollz. JW JWG JZ H. Kaufmann, Krim. KastG Kern-Festschr. KG KGJ

KK-Bearbeiter Klug-Festschr. KMR KO Kohlrausch-Lange KRABI. Krey BT

KrimAbh. (XXVII)

Jugendarrestvollzugsordnung vom 12. 8. 1966 (BGBl. I S. 505) i. d. F. vom 30.11.1976 (BGBl. I S. 3270) Justizbeitreibungsordnung vom 11.3.1937 (RGBl. I S. 298) Justizblatt Justizblatt Rheinland-Pfalz Justizblatt des Saarlandes Jugendgerichtsgesetz vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 751) i. d. F. vom 11.12.1974 (BGBl. I S. 3427) Justizministerialblatt Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westf. Jahrbuch für Ostrecht Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Blätter Juristen-Jahrbuch Juristische-Schulung Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums BadenWürttemberg Justiz und Verwaltung Justizverwaltungsblatt V O über Kosten im Bereich der Justizverwaltung vom 14. 2. 1940 (RGBl. I S. 357) Jugendstrafvollzugsordnung: s. auch JAVollzO Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz i. d. F. vom 6. 8.1970 (BGBl. I S. 1197) Juristen-Zeitung Hilde Kaufmann, Kriminologie, (1971) Gesetz über die freiwillige Kastration vom 15. 8.1969 (BGBl. I S . 1143) Tübinger Festschrift für Eduard Kern (1969) Kammergericht Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881-1922) Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz. Hrsg. von Pfeiffer (1982) Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag (1983) vgl. Müller-Sax Konkursordnung vom 10. 2. 1877 (RGBl. S. 351) i. d. F. vom 20. 5. 1898 (RGBl. S. 612) Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, Kommentar, 43. Aufl. (1961) s. AB1KR Krey, Strafrecht, Besonderer Teil, Teil 1 (BT ohne Teil 2), 4. Aufl. (1979), Teil 2 Vermögensdelikte 4. Aufl. (1978) Kriminalistische Abhandlungen, herausgegeben von Exner

Abkürzungsverzeichnis

Kriminalistik Krimjournal Krumme-Sanders-Mayr k+v Lange-Festschr. Leferenz-Festschr. LegPer. LG v. Liszt Aufsätze v. Liszt-Schmidt AT LM

BT

LMBG

LMG (1936)

Löffier LPG LRE LS LuftVG LuftVVO LVerf. LZ von Mangoldt-Klein Mat.

Maunz-Dürig-HerzogScholz Maurach-Festschr. H. Mayer, StR

Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal Krumme-Sanders-Mayr, Straßenverkehrsrecht, Loseblattausgabe (1970 ff.) Kraftfahrt und Verkehrsrecht, Zeitschrift der Akademie für Verkehrswissenschaft Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag (1976) Kriminologie-Psychiatrie-Strafrecht. Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag (1983) Legislaturperiode Landgericht v. Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge Bd. I, Bd. II (1905, Nachdruck 1970) v. Liszt-Schmidt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts. Allgemeiner Teil, 26. Aufl. (1932) Besonderer Teil, 25. Aufl. (1927) Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (Loseblattsammlung), herausgegeben von Lindenmaier, Möhring u. a. Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) vom 15. 8.1974 (BGBl. I S. 1945) Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) vom 5. 7.1927 1. d. F. vom 17. 1.1936 (RGBl. I S. 17) Löffier, Presserecht, 2. Aufl., Bd. I Allgemeines Presserecht (1969), Bd. II Landespressegesetze (1968) Landespressegesetz Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen Leitsatz Luftverkehrsgesetz vom 1.8.1922 i. d. F. vom 14. 1. 1981 (BGBl. IS. 61) Verordnung über den Luftverkehr i. d. F. vom 21.8.1936 (RGBl. IS. 659) Landesverfassung Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907 bis 33) von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. I (1957), Bd. II (1964), Bd. III (1974) Materialien zur Strafrechtsreform Band I : Gutachten der Strafrechtslehrer, Band II: Rechtsvergleichende Arbeiten (Allg. Teil), Band II BT: Rechtsvergleichende Arbeiten (Besonderer Teil) (1954) Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Kommentar, Loseblattausgabe 3 . - 5 . Aufl. (1970ff) Festschrift für Reinhard Maurach zum 70. Geburtstag (1972) H. Mayer, Das Strafrecht des Deutschen Volkes (1936) (XXVIII)

Abkürzungsverzeichnis

H. Mayer AT H. Mayer StudB H. Mayer-Festschr. M. E. Mayer MDR Meyer-Höver

Mezger Mezger-Festschr. Mezger Krim. MittlKV Möhl-Rüth MRG MRK

MschrKrim. MschrKrimBiol MschrKrimPsych MStGO MüllerStVR Müller-Sax

NATO-Truppenstatut

Nds. NdsRpfl. n. F. Niederschriften Nieders.GVBl. Sb. I, II Niethammer (XXIX)

H. Mayer, Strafrecht Allgemeiner Teil (1953) H. Mayer, Strafrecht Allgemeiner Teil (Studienbuch) (1967) Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Hellmuth Mayer (1966) Max Ernst Mayer, Der Allgemeine Teil des Deutschen Strafrechts, 2. Aufl. (1923) Monatsschrift für Deutsches Recht Meyer-Höver, Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, Kommentar, 13. Aufl. (1968) mit Nachtrag (1969) Mezger, Strafrecht. Ein Lehrbuch, 3. Aufl. (1949) Festschrift für Edmund Mezger (1954) Mezger, Kriminologie. Ein Studienbuch (1951) Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889 bis 1914; 1926 bis 1933) Möhl-Rüth, Straßenverkehrsordnung und verkehrsrechtliche Bestimmungen des Strafgesetzbuches (1973) Militärregierungsgesetz Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11.1950; Ges. vom 7.8. 1952 (BGBl. II S. 685, 953), Bek. vom 15. 12. 1953 (BGBl. 1954 II S. 14) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/05 bis 1936) Militärstrafgerichtsordnung i. d. F. vom 29. 9. 1936 (RGBl. I S. 755) Müller, Straßenverkehrsrecht, bearbeitet von FullMöhl-Rüth, 22. Aufl. Bd. I (1969), Bd. II (1969), Bd. III (1973) Müller-Sax, Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungs- und Ordnungswidrigkeitengesetz, 6. Aufl., Loseblatt, (1966 ff) Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19.6. 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190), Bek. vom 16.6.1963 (BGBl. II S. 745) Niedersachsen Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Sonderband I und II, Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts Niethammer, Lehrbuch des Besonderen Teils des Strafrechts (1950)

Abkürzungsverzeichnis

Nipperdey-Scheuner NJ NJW NotVO Nowakowski NPA NStZ NVwZ NRW NZWehrr ÖstJZ ÖV OG OGDDR OGHSt. OHG OLGSt. Olshausen

OVG OWiG PartG PatG PAuswG Peters-Festschr. Peters-Festschr. II

Pfeiffer-Maul-Schulte Polizei PonsoldLb PostG PostO PotrykusJGG Pr.

Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte. 4 Bände (1954 ff) Neue Justiz (DDR) Neue Juristische Wochenschrift s. Ausn. VO Nowakowski, Das österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen (1955) Neues Polizei-Archiv Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Wehrrecht Österreichische Juristen-Zeitung s. DÖV Oberstes Gericht der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen (1949/50) Offene Handelsgesellschaft Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht von Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl. von Freiesleben, Hörchner, Kirchner, Niethammer (bis §246) (1942ff); ab § 247 ist zitiert die 11. Aufl. von Lorenz, Freiesleben, Niethammer, Kirchner, Gutjahr (1927) Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I S. 481) i. d. F. vom 21.1. 1975 (BGBl. I S. 80) Parteiengesetz vom 24. 7. 1976 (BGBl. I S. 773) Patentgesetz vom 5.5.1936 (RGBl. II S. 117) i. d. F. v. 16. 12.1980 (BGBl. 19811 S. 1) Gesetz über Personalausweise vom 19.12. 1950 (BGBl. S. 807) Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag (1974) Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren. Festgabe für Karl Peters aus Anlaß seines 80. Geburtstages (1984) Pfeiffer-Maul-Schulte, Kommentar zum Strafgesetzbuch (1969) s. Die Polizei Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, 3. Aufl. (1967) Gesetz über das Postwesen vom 28. 7. 1969 (BGBl. I S. 1006) Postordnung vom 16. 5.1963 (BGBl. I S. 341) Potrykus, Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 4. Aufl. (1955) Preußen (XXX)

Abkürzungsverzeichnis

Preisendanz PrGS PrG Prot. PrPVG PrZeugnVerwG

RAbgO Radbruch-GedSchr. RAHG RAussch. RBerG RdErl. RdK Rdn. RDStH RDStO Rebmann-RothHerrmann Recht Reg. RegBl. RG RGBl., RGBl. I, II RGRspr. RGSt. RGZ RHG RhPf. RiAA RiJGG RiOWiG

RiStBV

Rittler I, II

(XXXI)

Preisendanz, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 29. Aufi. (1974) Preußische Gesetzessammlung (1810—1945) Pressegesetz Protokolle über die Sitzungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform Preußisches Polizei Verwaltungsgesetz vom 1.6. 1931 Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25.7.1975 (BGBl. I S. 1973) Reichsabgabenordnung vom 13.12. 1919, aufgehoben durch AO vom 16. 3.1976. Gedächtnisschrift für Gustav Radbruch (1968) s. RHG Rechtsausschuß Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13. 12. 1935 (RGBl. I S. 1478) Runderlaß Das Recht des Kraftfahrers (1926-43, 1949-55) Randnummer Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs (1939—41) Reichsdienststrafordnung vom 26. 1.1937 (RGBl. I S. 71) Rebmann-Roth-Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Loseblattkommentar (1968) Das Recht, begründet von Soergel (1897 bis 1944) Regierung Regierungsblatt Reichsgericht Reichsgesetzblatt, von 1922 bis 1945 Teil I und II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879 bis 1888) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechnungshofgesetz Rheinland-Pfalz Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts — Richtlinien gem. § 177 Abs. 2 Satz 2 BRAO vom 21. 6. 1973 Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz Gemeinsame Anordnung über die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und über die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1. 12.1970 (BAnz. Nr. 17/1971), i. d. F. vom 1. 7. 1980, bundeseinheitlich Rittler, Lehrbuch des Österreichischen Strafrechts, I Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1954), II Besonderer Teil, 2. Aufl. (1962)

Abkürzungsverzeichnis

Rittler-Festschr.

Festschrift für Theodor Rittler zum 80. Geburtstag (1957) RiVASt. Richtlinien für den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten vom 15.1. 1959, i. d. F. vom 1.10. 1978, bundeseinheitlich Reichskriegsgericht (Entscheidungen des RKG) RKG(E) Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche RMB1. Reich (1923-45) Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts RMilGE Rotberg, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 5. Aufl. Rotberg neubearbeitet von Kleinwefers, Boujong und Wilts (1975) ROW Recht in Ost und West. Zeitschrift für Rechtsvergleichung und interzonale Rechtsprobleme Der Deutsche Rechtspfleger Rpfleger RpflG Rechtspflegergesetz vom 5. 11. 1969 (BGBl. I S. 2065) Rspr. Rechtsprechung RT Reichstag Drucksachen des Reichstags RTDrucks. Verhandlungen des Reichstags RTVerh. s. WeimVerf. RVerf. Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911 i. d. F. RVO vom 15. 12. 1924 (RGBl. I S. 779) SaarRZ Saarländische Rechts- und Steuerzeitschrift SaBremR Sammlung des bremischen Rechts (1964) SächsArch. Sächsisches Archiv für Rechtspflege, seit 1924 (bis 1941/42). Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts zu DresSächsOLG den (1880 bis 1920) Sarstedt- Festschr. Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag (1981) Sauer AT Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl. (1955) Sauer, System des Strafrechts, Besonderer Teil (1954) Sauer BT Sauer, Kriminologie (1950) SauerKrim Sauer, Kriminalsoziologie (1933) SauerKriminalsoz. s. Dalcke Schäfer-Dalcke Festschrift für Karl Schäfer zum 80. Geburtstag (1980) Schäfer-Festschr. Schiedsmannszeitung (1926 bis 1945), seit 1950 Der SchiedsmZ Schiedsmann SchlH Schleswig- Holstein SchlHA Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schmidhäuser Schmidhäuser, Strafrecht, AllgemeinerTeil, 2. Aufl. ( 1976) Schmidt, Eberhard s. Eb. Schmidt Schmidt-Leichner-Festschr. Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag (1977) Schmidt-Räntsch Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 2. Aufl. (1973) Schultz-Festschr. Lebendiges Strafrecht. Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz (1977) (XXXII)

Abkürzungsverzeichnis

SchwJZ SchwZStr. SeemG SeuffBl. SGG SGV.NW

SJZ Sonderausschuß

SortenSchG

SprengG SprengstG

StaatsGH StaatsschStrafsG

StAG StAZ Stein Stein-Jonas

Sten Β Stenglein StengleinLehrb. StGB Stock-Festschr. StPO StRÄndG

(XXXIII)

Schweizerische Juristenzeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht Seemannsgesetz vom 26. 7. 1957 (BGBl. II 713) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (1836—1913) Sozialgerichtsgesetz vom 3.9.1953 i. d. F. vom 23. 9. 1975, (BGBl. I S. 2525) Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblatts für das Land Nordrhein-Westfalen (Loseblattsammlung) Süddeutsche Juristenzeitung (1946—50), dann Juristenzeitung Sonderausschuß des Bundestages für die Strafrechtsreform, Niederschriften zitiert nach Wahlperiode und Sitzung Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz) vom 20. 5.1968 (BGBl. I S. 429), i. d. F. vom 4. 1. 1977 (BGBl. I S. 105) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 13. 9.1976 (BGBl. I S. 2737) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 25.8.1969 (BGBl. I S. 1358, ber. BGBl. 1970 I S. 224), aufgehoben durch SprengG vom 13. 9.1976. Staatsgerichtshof Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. 9. 1969 (BGBl. I S. 1582) s. StRÄndG Das Standesamt Stein, Das private Wissen des Richters (1893) Stein-Jonas, Zivilprozeßordnung, bearbeitet seit 1953 von Pohle, seit 1967 fortgeführt von Grunsky, Leipold, Münzberg, Schlosser, Schumann; 20. Aufl., (1977ff) Stenographischer Bericht Stenglein, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 3. Aufl. (1898) Stenglein, Lehrbuch des Strafprozeßrechts (1878) Strafgesetzbuch vom 15. 5. 1871 i. d. F. der Bekanntmachung vom 2. 1.1975 (BGBl. I S. 1) Studien zur Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Ulrich Stock zum 70. Geburtstag (1966) Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 (RGBl. S. 253) i. d. F. vom 7. 1.1975 (BGBl. I S. 129) Strafrechtsänderungsgesetz 1. - vom 30. 8.1951 (BGBl. I S. 739) 2. - vom 6. 3. 1953 (BGBl. I S. 42) 3. - vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 735) 4. - vom 11. 6.1957 (BGBl. I S. 597) 5. - vom 24. 6.1960 (BGBl. I S. 477) 6. - vom 30. 6. 1960 (BGBl. I S. 478)

Abkürzungsverzeichnis

7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

StrafrAbh. Straßen VSichG

Stratenwerth StREG

StrEG StrFG

StrRG

stRspr. StrVert. StVG StVO StVollstrO

StVollzG

-

vom 1. 6. 1964 (BGBl. I S. 337) vom 25. 6. 1968 (BGBl. I S. 741) vom 4. 8. 1969 (BGBl. I S. 1065) vom 7. 4. 1970 (BGBl. I S. 313) vom 16. 12. 1971 (BGBl. I S. 1977) vom 16. 12. 1971 (BGBl. I S. 1779) vom 13. 6. 1975 (BGBl. I S. 1349) vom 22. 4.1976 (BGBl. I S. 1056) vom 18. 5. 1976 (BGBl. I S. 1213) vom 16. 7. 1979 (BGBl. I S. 1078) vom 21. 12. 1979 (BGBl. I S. 2324) vom 28. 3. 1980 (BGBl. I S. 379) - Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 19. - vom 7. 8. 1981 (BGBl. I S. 808) 20. - vom 8. 12. 1981 (BGBl. I S. 1329) Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack 1. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (Straßenverkehrssicherungsgesetz) vom 19. 12. 1952 (BGBl. I S. 832) 2. Zweites - vom 26. 11. 1964 (BGBl. I S. 921) Stratenwerth, Strafrecht, Allemeiner Teil, 2. Aufl (1976) Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum 5. StrRG (Strafrechtsreformergänzungsgesetz) vom 28.8. 1975 (BGBl. I S. 2289) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. 3.1971 (BGBl. I S. 157) Straffreiheitsgesetz - 1949 vom 31. 12. 1949 (BGBl. I S. 37) - 1954 vom 17. 7. 1954 (BGBl. I S. 203) - 1968 vom 9. 7. 1968 (BGBl. I S. 773) - 1970 vom 20. 5. 1970 (BGBl. I S. 509) Gesetz zur Reform des Strafrechts 1. - vom 25. 6. 1969 (BGBl. I S. 645) 2. - vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) 3. - vom 20. 5. 1970 (BGBl. I S. 505) 4. - vom 23. 11. 1973 (BGBl. I S. 1725) 5. - vom 18. 6. 1974 (BGBl. I S. 1297) ständige Rechtsprechung Der Strafverteidiger (Zeitschrift) Straßenverkehrsgesetz vom 3. 5.1909 i. d. F. vom 19. 12. 1952 (BGBl. I S. 837) Straßenverkehrsordnung vom 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565, ber. 1971 S. 38) Strafvollstreckungsordnung vom 15.2.1956 (BAnz. Nr. 42) i. d. F. vom 1. 2. 1980 (BAnz. Nr. 7); bundeseinheitlich Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung — Strafvollzugsgesetz — vom 16.3. 1976 (BGBl. I S. 581) (XXXIV)

Abkürzungsverzeichnis StVollzK 1. StVRG 1. StVRErgG StVZO TierschG ÜF UrhG UWG UZwG VAE VDA VDB VerbringungsverbG VereinfVO

VereinhG

VereinsG VerfGH Verh. VerkMitt. VersG VersR VG VGH VglO (XXXV)

Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zur Zeitschrift „Der Vollzugsdienst") Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9.12. 1974 (BGBl. I S. 3393) Erstes Gesetz zur Ergänzung des 1. StVRG vom 20. 12. 1974 (BGBl. I S. 3686) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13. 11.1937 i. d. F. vom 15. 11. 1974 (BGBl. I S. 3193) Tierschutzgesetz vom 24. 7. 1972 (BGBl. I S. 1277) Übergangsfassung Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9 . 9 . 1965 (BGBl. I S. 1273) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. 6. 1909 (RGBl. S. 499) Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 10. 3. 1961 (BGBl. I S. 165) Verkehrsrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen Vergleichende Darstellung des Strafrechts, Allgemeiner Teil, Bd. 1 bis 6 Vergleichende Darstellung des Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 1 bis 9 Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. 5. 1961 (BGBl. I S. 607) Vereinfachungsverordnung 1. —, VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Rechtspflege vom 1. 9. 1939 (RGBl. I S. 1658) 2. —, VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13. 8.1942 (RGBl. I S. 508) 3. —, Dritte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 29. 5. 1943 (RGBl. I S. 342) 4. —, Vierte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13. 12.1944 (RGBl. I S. 339) Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. 9 . 1 9 5 0 (BGBl. I S. 455) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5. 8.1964 (BGBl. I S. 593) Verfassungsgerichtshof Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages ( D J T ) usw. Verkehrsrechtliche Mitteilungen Versammlungsgesetz vom 24. 7. 1953 (BGBl. I S. 684) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergleichsordnung vom 26. 2. 1935 (RGBl. I S. 321)

Abkürzungsverzeichnis

Vhdlgen VO VOB1. VRS VwGO VwZG Warn. WDO v. Weber v. Weber-Festschr. v. WeberKrim. Wegner WeimVerf. WeinG

Welzel Welzel-Festschr. Wessels WiStG

Wistra WStG WZG Würtenberger-Festschr. ZAkDR ZfZ ZollG ZfStrVo ZPO ZRP ZStW zust. ZustErgG

s. Verh. Verordnung; s. auch AusnVO Verordnungsblatt Verkehrsrechts-Sammlung Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1.1960 (BGBl. I S. 17) Verwaltungszustellungsgesetz vom 3. 7. 1952 (BGBl. I S. 379) Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgerichts, herausgegeben von Warneyer Wehrdisziplinarordnung vom 15. 3. 1957 i. d. F. vom 9. 6. 1961 (BGBl. I S. 697) von Weber, Grundriß des deutschen Strafrechts, 2. Aufl. (1948) Festschrift für Hellmuth von Weber (1963) von Weber, Kriminalsoziologische Einzelforschungen (1939) Wegner, Strafrecht, Allgemeiner Teil (1951) Weimarer Verfassung, Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. 8.1919 (RGBl. S. 1383) Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz) vom 14. 1. 1971 (BGBl. I S. 893) Welzel, Das deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969) Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag (1974) Wessels, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (1974) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) vom 9. 7. 1954 i. d. F. vom 3. 6. 1975 (BGBl. I S. 1313) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuern, Strafrecht. Wehrstrafgesetz vom 30. 3.1957 i. d. F. vom 24. 5. 1974 (BGBl. I S. 1213) Warenzeichengesetz vom 5.5. 1936 i. d. F. vom 2.1.1968 (BGBl. I S . 29) Kultur, Kriminalität, Strafrecht. Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (1977) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934-44) Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zollgesetz vom 14. 6. 1961 i. d. F. vom 18. 5. 1970 (BGBl. I S. 529) Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe Zivilprozeßordnung vom 30. 1.1877 i. d. F. vom 12. 9. 1950 (BGBl. I S. 533) Zeitschrift für Rechtpolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und (XXXVI)

Abkürzungsverzeichnis

ZustG

ZustVO

ZVG

ZWehrR ZZP

(XXXVII)

des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) vom 7. 8.1952 (BGBl. I S. 407) Gesetz über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderung der Gerichtseinteilung vom 6. 12.1933 (RGBl. I S. 1037) Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21. 2. 1940 (RGBl. I S. 405) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) vom 24. 3.1897 i. d. F. vom 20. 5.1898 (RGBl. S. 369,713) Zeitschrift für Wehrrecht (1936/37-44) Zeitschrift für Zivilprozeß

Einl

Einleitung (Jescheck)

Einleitung Übersicht Rdn. I. Begriff und Aufgabe des Strafrechls 1. Das Strafrecht als Teil des Gesamtsystems der „sozialen Kontrolle" . . . 1 2. Die Verbrechenskontrolle als Aufgabe des Strafrechts 2 3. Die Strafnorm als „ultima ratio" der Staatsgewalt 3 4. Kriterien der Strafwürdigkeit einer Tat 4 II. Die Gliederung des Strafrechts und seine Stellung im Rechtssystem 1. Das Strafrecht als öffentliches Recht . 5 a) Materielles Strafrecht 6 b) Strafverfahrensrecht (einschließlich des Strafgerichtsverfassungsrechts) 7 c) Strafvollstreckungsrecht und Strafvollzugsrecht 8 2. Strafrecht und Grundgesetz 9 3. Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht 10 a) Die Unterscheidung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten 11 b) Das Ordnungswidrigkeitenrecht als selbständiger Rechtszweig . . 12 III. Die Rangordnung der Strafrechtsquellen 1. Kodifiziertes und nicht-kodifiziertes Bundesstrafrecht 13 2. Bundesstrafrecht und Landesstrafrecht 14 a) Der Vorrang des Allgemeinen Teils des StGB 15 b) Die Einschränkung der Sanktionsbefugnis der Länder 16 c) Der Vorrang des Besonderen Teils des StGB 17 d) Die Zuständigkeit der Länder kraft Sachzusammenhangs . . . . 18 e) Die Ausführungsvorschriften zur Anpassung des Landesrechts . . . 19 3. Gesetz und Verordnung als Rechtsf o r m e n des Strafrechts 20 IV. Die G r u n d b e g r i f f e des Strafrechts 1. Das Verbrechen 21 2. Die Strafe 22 a) Begriff, Aufgabe und Rechtfertigung der Strafe 23 b) Vergeltung oder Vorbeugung als Sinn der Strafe 24 (1)

Rdn. Die Generalprävention . . 25 Die Speziai- oder Individualprävention 26 cc) Vorbeugung durch gerechte Vergeltung 27 c) Die Straftheorien 28 aa) Absolute Theorien 29 bb) Relative Theorien 30 cc) Vereinigungstheorien. . . . 31 d) Die Vereinigungstheorie als Grundlage des geltenden Rechts . 32 aa) im StGB 33 bb) in der Rechtsprechung . . . 34 3. Die Maßregel (Zweispurigkeit) . . . . 35 a) Die Entwicklung des Maßregelsystems 36 b) Verbesserungen des Maßregelsystems im neuen Recht 37 c) Die Krisis der Zweispurigkeit . . 38 d) Die Rechtfertigung der Maßregeln 39 4. Die bedingte Verurteilung 40 a) Das vorläufige Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage 41 b) Die „probation" 42 c) Die Strafaussetzung zur Bewährung 43 V. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs 1. Die Entstehungsgeschichte des RStGB von 1871 44 a) Das ALR II. Teil, 20. Titel (1794); das StGB für die Preußischen Staaten (1851) 45 b) Das StGB f ü r den Norddeutschen Bund (1870) 46 c) Das StGB f ü r das Deutsche Reich (1871) 47 2. Die Novellen zum StGB aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg 48 3. Das kriminalpolitische Reformwerk der Weimarer Republik 49 4. Die Strafgesetzgebung von 1933 bis zur Begründung der Bundesrepublik . 50 a) Die Strafgesetzgebung und Kriminalpolitik des Nationalsozialismus 51 b) Die Reaktion der Besatzungsmächte 52 5. Die Strafgesetzgebung der Bundesreaa) bb)

Einl

Einleitung

Rdn. publik bis zur großen R e f o r m von 1969 53 a) G r u n d l e g e n d e Vorschriften im Grundgesetz 54 b) Rechtsstaat und m o d e r n e Kriminalpolitik im S t G B 55 c) Die E i n f ü h r u n g des O r d n u n g s widrigkeitenrechts 56 d) Die Fortentwicklung des Jugendkriminalrechts 57 VI. Die S t r a f r e c h t s e n t w ü r f e 1. Die große S t r a f r e c h t s r e f o r m 58 a) Die Reformbedürftigkeit des R S t G B von 1871 59 b) Die Z u s a m m e n a r b e i t der Strafrechtsschulen 60 c) Die Strafrechtsvergleichung als Hilfsmittel der R e f o r m 61 2. Die E n t w ü r f e vor dem ersten Weltkrieg 62 a) D e r Vorentwurf von 1909 63 b) D e r G e g e n e n t w u r f von 1911 . . . 64 c) Der Kommissionsentwurf von 1913 65 3. Die E n t w ü r f e der W e i m a r e r Zeit . . . 66 a) D e r Entwurf 1919 67 b) D e r Entwurf G u s t a v R a d b r u c h (1922) 68 c) Die E n t w ü r f e 1925, 1927, 1930 . . 69 4. Der Entwurf 1936 70 5. Die E n t w ü r f e der Gegenwart 71 a) Der Entwurf 1962 72 b) Der Alternativ-Entwurf (1966) . . 73 VII. Entstehung, A u f b a u und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs 1. Die Entstehungsgeschichte 74 2. Das internationale Strafrecht 75 3. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit im Allgemeinen Teil 76 a) Die G r u n d l a g e n der Strafbarkeit 77 b) Der Versuch 78 c) T ä t e r s c h a f t und T e i l n a h m e . . . . 79 d) D e r Notstand 80

Rdn. Die Neuregelung des Sanktionensystems 81 a) Das Strafensystem 82 b) Die Strafaussetzung zur Bewährung 83 c) Die Maßregeln d e r Besserung und Sicherung 84 5. Die R e f o r m des Besonderen Teils seit 1969 85 a) Ä n d e r u n g e n an verschiedenen Stellen 86 b) Die R e f o r m der § § 2 1 8 ff 87 c) Die B e k ä m p f u n g des T e r r o r i s m u s 88 d) Die B e k ä m p f u n g d e r Wirtschaftskriminalität 89 6. a) Z u s a m m e n f a s s e n d e Würdigung der deutschen S t r a f r e c h t s r e f o r m . 90 b) Zu e r w a r t e n d e weitere Ä n d e r u n gen im Allgemeinen und Besond e r e n Teil 91 VIII. Die S t r a f r e c h t s r e f o r m im Ausland 1. Der Stand der S t r a f r e c h t s r e f o r m in den verschiedenen Rechtskreisen . . 92 a) Mitteleuropäischer Rechtskreis . 93 b) R o m a n i s c h e r Rechtskreis 94 c) Schweden 95 d) Anglo-amerikanischer Rechtskreis 96 e) L a t e i n a m e r i k a 97 f) Sozialistischer Rechtskreis . . . . 98 g) J a p a n 99 h) A f r i k a 100 2. G e m e i n s a m e Züge d e r Strafrechtsref o r m in der Welt 101 a) Die E n t k r i m i n a l i s i e r u n g 102 b) Die B e w ä h r u n g des Verurteilten in überwachter Freiheit 103 c) Die A u s b r e i t u n g der G e l d s t r a f e . 1 0 4 d) Neue S a n k t i o n s f o r m e n 105 e) Die B e k ä m p f u n g der Schwerkriminalität 106 3. Die deutsche S t r a f r e c h t s r e f o r m im internationalen Vergleich 107 4.

I. Begriff und Aufgabe des Strafrechts Schrifttum Hassemer T h e o r i e u n d S o z i o l o g i e d e s V e r b r e c h e n s ( 1 9 7 3 ) ; Henkel E i n f ü h r u n g in d i e R e c h t s p h i l o s o p h i e , 2. A u f l . ( 1 9 7 7 ) ; Kaiser S t r a t e g i e n u n d P r o z e s s e s t r a f r e c h t l i c h e r S o z i a l k o n t r o l l e ( 1 9 7 2 ) ; Kaiser u n d Metzger-Pregizer B e t r i e b s j u s t i z ( 1 9 7 6 ) ; Krauß Erfolgsunwert und H a n d l u n g s u n w e r t i m U n r e c h t , Z S t W 7 6 ( 1 9 6 4 ) S. 1 9 ; M. E. Mayer R e c h t s n o r m e n u n d K u l t u r n o r m e n ( 1 9 0 3 ) ; Merkel K r i m i n a l i s t i s c h e A b h a n d l u n g e n , B d . I ( 1 8 6 7 ) ; Meyer-Cording D i e Vere i n s s t r a f e ( 1 9 5 7 ) ; Noll D i e N o r m a t i v i t ä t a l s r e c h t s a n t h r o p o l o g i s c h e s Grundphänomen, E n g i s c h - F e s t s c h r . ( 1 9 6 9 ) S. 1 2 5 ; Otto S t r a f w ü r d i g k e i t u n d S t r a f b e d ü r f t i g k e i t a l s e i g e n s t ä n d i g e D e l i k t s k a t e g o r i e n ? S c h r ö d e r - G e d ä c h t n i s s c h r . ( 1 9 7 8 ) S. 5 3 ; Schmidhäuser Von den zwei R e c h t s o r d n u n g e n im staatlichen G e m e i n w e s e n (1964); Zip/Kriminalpolitik (1973). (2)

I. Begriff und Aufgabe des Strafrechts (Jescheck)

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1. Das Strafrecht ist die Summe der Rechtsnormen, durch die strafwürdiges Ver- 1 halten in seinen Voraussetzungen gekennzeichnet und mit staatlicher Sanktion in Gestalt von Strafen und Maßnahmen bedroht wird. Es gibt jedoch noch andere Sanktionsnormen, die der „sozialen Kontrolle" des Verhaltens der Rechtsgenossen dienen. Das Strafrecht ist somit nur ein Teil des Gesamtsystems der sozialen Kontrolle (Kaiser Strategien und Prozesse strafrechtlicher Sozialkontrolle [1972]). Die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen in der Gesellschaft beruht primär auf ungeschriebenen Regeln der Sozialethik, die weitgehend ohne staatlichen Zwang auskommen und mit Hilfe immanenter gesellschaftlicher Sanktionen durchgesetzt werden'. Träger des Gesamtsystems der sozialen Kontrolle sind die verschiedensten öffentlichen und privaten Institutionen wie Familie, Schule, Kirche, Betriebe 2 , Gewerkschaften, Verbände, Vereine3. Die Strafrechtlichen Sanktionen sind auch bis zu einem gewissen Grade durch gesellschaftliche ersetzbar, so daß die Organe der Strafrechtspflege mit dem Einsatz ihrer Mittel zurückhaltend sein dürfen, ohne fürchten zu müssen, dadurch schon Sicherheit und Ordnung zu gefährden. Entscheidend ist der funktionale Zusammenhang des Gesamtsystems der sozialen Kontrolle. 2. Aufgabe des Strafrechts ist die Verbrechenskontrolle. Das Strafrecht dient der 2 Ahndung und damit letztlich auch der Verhütung von strafbaren Handlungen. Ohne Strafrecht kann kein Staat bestehen. Der Schutz des Zusammenlebens der Menschen in der Gemeinschaft ist eine fundamentale Aufgabe des Staates, deren Erfüllung die Vorbedingung jeden menschenwürdigen Daseins in Frieden und Sicherheit ist. Deshalb gehört die Notwendigkeit des Strafzwangs zu den ältesten Erfahrungen der Menschheit und ist die Bestrafung von Verbrechen in allen Kulturen immer eine selbstverständliche Aufgabe des Staates gewesen. Die Volksmeinung erblickt im Strafrecht noch heute das Recht schlechthin, obwohl es natürlich nur ein Teil der Rechtsordnung neben dem viel umfangreicheren Privat-, Verfassungs-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialrecht ist. Das Strafrecht sichert die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung durch staatlichen Zwang. Auch das bürgerliche und das öffentliche Recht kennen die Anwendung von Zwang. Für das Strafrecht aber steht die Androhung und Anwendung von Zwang im Mittelpunkt. Es zeigt dem Bürger, wo die Grenzen der allgemeinen Freiheit verlaufen. Es ahndet die Überschreitung dieser Grenzen mit dem schärfsten Machtmittel, über das die Rechtsordnung verfügt, mit der öffentlichen Strafe. Die Verfolgung von Rechtsverletzungen, die bereits stattgefunden haben, dient jedoch immer zugleich der Verhütung von Rechtsverletzungen in der Zukunft ( Jescheck AT § 1 I). 3. Die Strafgewalt des Staates darf zum Schutze des Zusammenlebens der Men- 3 sehen in der Gemeinschaft nicht in beliebiger Weise und auch nicht in beliebigem Umfang eingesetzt werden. Auch das Strafrecht ist vielmehr Ausdruck der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung", als welche sich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland versteht (BVerfGE 2 1, 12 f). Es darf deswegen nur dann eingesetzt werden, wenn dies zum Schutze der Gesellschaft unvermeidlich ist. „Die 1

M. E. Mayer Rechtsnormen und Kulturnormen S. 16 ff; Henkel Einführung in die Rechtsphilosophie S. 228 ff; Noll Engisch-Festschr. S. 129; Schmidhäuser Von den zwei Rechtsordnungen S. 12; AT 1/7. 2 Kaiser und Metzger-Pregizer Betriebsjustiz (1976). 3 Meyer-Cording Die Vereinsstrafe (1957). (3)

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Einleitung

Strafnorm stellt gewissermaßen die ,ultima ratio' im Instrumentarium des Gesetzgebers dar" (BVerfGE 39 1, 47). Die Frage jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung von Rechtsnormen strafwürdig ist, läßt sich nicht leicht beantworten, weil dabei Überlieferungen, Volksüberzeugungen und gesetzliche Festlegungen mitspielen, die rational nicht voll erklärbar sind. Erst in jüngster Zeit (ζ. B. bei der Einschränkung des Sexualstrafrechts durch das 4. StrRG von 1973) hat man damit begonnen, empirische Untersuchungen über die nachteiligen Wirkungen von Zuwiderhandlungen in diesem Bereich auf einzelne und die Allgemeinheit durchzuführen. Allgemein läßt sich sagen, daß kriminelles Verhalten von anderen Zuwiderhandlungen gegen Rechtsnormen nur quantitativ unterschieden werden kann: wegen des gesteigerten Unrechts- und Schuldgehalts der Tat erscheint die öffentliche Strafe dem Gesetzgeber als das einzige geeignete Mittel, um die Gemeinschaftsordnung gegen Angriffe der betreffenden Art hinreichend zu schützen (materieller Verbrechensbegriff) 4 . 4

4. Für die Strafwiirdigkeit einer Tat lassen sich jedoch bestimmte Kriterien angeben. Die Strafwürdigkeit bestimmt sich einmal nach dem Wert des Rechtsguts, gegen das die Straftat gerichtet ist ( Jescheck LK Rdn. 6 vor § 13). Höherwertige Rechtsgüter werden stärker und umfassender geschützt als geringere. So verlangt die Sachbeschädigung Vorsatz (§ 303), während die Körperverletzung auch bei Fahrlässigkeit mit Strafe bedroht ist (§ 230), und ist die Strafdrohung gegen den Abbruch der Schwangerschaft (§218) wesentlich milder als die gegen den Totschlag (§ 212). Die Strafwürdigkeit hängt ferner davon ab, ob der Täter die Tat vollendet oder nur versucht oder gar nur vorbereitet hat: der Versuch einer Tat ist bei Vergehen nur strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1), die Vorbereitung überhaupt nur in Ausnahmefällen (z. B. §§ 83, 149, 265, 316 Abs. 3). In der Verletzung oder Gefährdung des Handlungsobjekts, in dem sich das durch die Tat angegriffene Rechtsgut verkörpert, liegt der für die Strafwürdigkeit einer Tat wesentliche Erfolgsunwert (Jescheck LK Rdn. 11 vor § 13). Die bloße Gefährdung des Handlungsobjekts ist jedoch in geringerem Maße strafwürdig als die Verletzung. So ist die vorsätzliche Tötung immer mit Strafe bedroht (§ 212), die vorsätzliche Gefährdung fremden Lebens jedoch nur unter besonderen Umständen (§ 221). Wesentlich für die Strafwürdigkeit einer Tat ist weiter die Begehungsweise, insbesondere die Gefährlichkeit des Angriffs auf das Handlungsobjekt. So ist die vorsätzliche Schädigung fremden Vermögens nicht in allen Fällen mit Strafe bedroht, sondern nur dann, wenn sie durch Täuschung (§ 263), Zwang (§ 253) oder unter Verletzung eines Treueverhältnisses (§ 266) stattfindet. In der durch die Strafvorschrift gekennzeichneten Gefährlichkeit der Art und Weise des Angriffs auf das Handlungsobjekt (ζ. B. in der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs für die Körperverletzung [§ 223 a]) liegt der Handlungsunwert der Tat (Jescheck LK Rdn. 11 vor § 13). Hinzukommen muß endlich ein besonderer Grad von Verwerflichkeit der Tätergesinnung, weil die Tat nur dann den schweren Tadel durch die öffentliche Strafe verdient, wenn sie auch in hohem Maße sittenwidrig ist. Der Ge-

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Grundlegend dazu Merkel Kriminalistische Abhandlungen Bd. I (1867) S. 4 ff; Binding Die Normen und ihre Übertretung Bd. I, 3. Aufl. (1916) S. 237 ff; Gallas Beiträge S. 6 ff. Vgl. ferner Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens S. 198 ff; Jescheck AT § 7 I 1; Krauß Z S t W 7 6 (1964) S. 65 ff; H. Mayer AT § 9 I; Otto Schröder-Gedächtnisschr. S. 57; Rudolphi SK Rdn. 1 vor § 1 ; Schmidhäuser AT 2 / 1 4 ; Wessels AT § 1 I 5; Zip/Kriminalpolitik S. 66 ff. (4)

II. Die Gliederung des Strafrechts und seine Stellung im Rechtssystem (Jescheck)

sinnungsunwert liegt im Vorsatz oder, soweit fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht ist (§ 15), in der Fahrlässigkeit sowie gegebenenfalls in besonderen Schuldmerkmalen, die in einzelnen Strafvorschriften vorgesehen sind, wie die Rücksichtslosigkeit in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 (Jescheck kl § 42 II). II.

Die Gliederung des Strafrechts und seine Stellung im Rechtssystem

Schrifttum Cramer Grundbegriffe des Rechts der Ordnungswidrigkeiten (1971); Dreher Was ist Strafrecht i. S. des Art. 74 Nr. 1 G G ? NJW 1952 1282; Eckhardt Die verfassungskonforme Auslegung (1964); Eilsberger Rechtstechnische Aspekte der verfassungskonformen Strafrechtsanwendung, JuS 1970 321; Engisch Einführung in das juristische Denken, 5. Aufl. (1971); Engisch Methoden der Strafrechtswissenschaft, in: Enzyklopädie der geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden (1972); Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. (1972); Jescheck Pressefreiheit und militärisches Staatsgeheimnis (1964); Kaiser-Kemer-Schöch Strafvollzug, 2. Aufl. (1977); Lang-Hinrichsen „Verbandsunrecht", H. Mayer-Festschr. (1966) S. 49; Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. (1975); Mattes Zur Problematik der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten, ZStW 82 (1970) S. 25; Mattes Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten (1977); Schmitt Ordnungswidrigkeitenrecht, dargestellt für den Bereich der Wirtschaft (1970); Schiiler-Springorum Strafvollzugsrecht, in: Recht, hrsg. von Badura, Deutsch, Roxin (1971); Tiedemann Die Gesetzgebungskompetenz für Ordnungswidrigkeiten, AöR 89 (1964) S. 56; Tiedemann Verwaltungsstrafrecht und Rechtsstaat, ÖJZ 1972 285 ; Zippeiius Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen, BVerfG-Festg. Bd. II (1976) S. 108.

1. Das Strafrecht ist ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts, da es unmittelbar den 5 Zwecken der Gesamtheit dient, bindende Sanktionsnormen aufstellt und nach dem Prinzip der Über- und Unterordnung angewendet wird. Das Strafrecht im weiteren Sinne gliedert sich in drei Rechtsgebiete: das materielle Strafrecht, das Strafverfahrensrecht und das Strafvollstreckungsrecht 5 . a) Das materielle Strafrecht regelt die allgemeinen Voraussetzungen der Straf- 6 barkeit, die im Allgemeinen Teil des StGB enthalten sind, und beschreibt ferner im Besonderen Teil des StGB und zahlreichen Einzelgesetzen die verschiedenen Deliktsarten, ζ. B. Mord, Totschlag, Brandstiftung, Fahnenflucht, Fahren ohne Führerschein. Es legt ferner die Rechtsfolgen der Straftat in Gestalt von Strafen, Maßregeln der Besserung und Sicherung, sonstigen Maßnahmen und Nebenfolgen fest, gibt die Grundsätze der Strafzumessung an und bestimmt die Grenzen der staatlichen Strafgewalt im Verhältnis zum Ausland (internationales Strafrecht). Geregelt ist das materielle Strafrecht im StGB, in mehreren strafrechtlichen Hauptgesetzen (JGG, WStG, WiStG, StVG) und in zahlreichen Nebengesetzen. b) Das Strafverfahrensrecht (einschließlich des Strafgerichtsverfassungsrechts) 7 dient der Verwirklichung der sich aus dem materiellen Strafrecht ergebenden Rechtsfolgen durch staatliche Strafrechtspflegeorgane (Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Strafgerichte, Bewährungshelfer, Aufsichtsstellen). Es regelt die Zuständigkeiten und Eingriffsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden, bestimmt die Rechtsstellung des Beschuldigten und seines Verteidigers im Prozeß und zielt mittels einer den Konfliktsfall abschließenden Entscheidung auf Wiederherstellung 5

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Kaiser-Kerner-Schöch Strafvollzug § 2 1.2; Maurach-Zipf Strafvollzugsrecht S. 245 f.

AT § 2 II;

Schüler-Springorum

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Einleitung

und Bestätigung des gestörten Rechtsfriedens. Geregelt ist das Strafverfahrensrecht in der StPO, im GVG und in einigen anderen Gesetzen. Zum Strafverfahrensrecht im weiteren Sinne zählt auch das Entschädigungsrecht. Die Entschädigung des Beschuldigten für Urteilsfolgen und andere Strafverfolgungsmaßnahmen bei Wegfall der Verurteilung oder Freispruch ist geregelt in dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. 3. 1971 (BGBl. I S. 157), die Entschädigung für Opfer von bestimmten schweren Straftaten im Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11.5. 1976 (BGBl. I S. 1181). 8

c) Das Strafvollstreckungsrecht regelt die Durchführung und Überwachung der rechtskräftig angeordneten Strafen (§§ 38—44), Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) und Nebenfolgen (§ 45) durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO). Es ist enthalten in den §§ 449 ff StPO, in der zwischen dem Bundesminister der Justiz und den Landesjustizverwaltungen vereinbarten Strafvollstreckungsordnung i. d. F. vom 1. 1. 1978, in der in gleicher Weise vereinbarten Einforderungsund Beitreibungsordnung (AV vom 25. 11. 1974) und in anderen Vorschriften. Systematisch zum Strafvollstreckungsrecht gehört als besonderer und von jenem zu unterscheidender Teil das Strafvollzugsrecht. Es regelt die Art und Weise der Durchführung der Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln in den Justizvollzugsanstalten von der Aufnahme des Gefangenen bis zu seiner Entlassung. Wichtigste Rechtsgrundlage des Strafvollzugs ist das Strafvollzugsgesetz vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 581). Der Strafvollzug im weiteren Sinne umfaßt auch den Vollzug der Untersuchungshaft nach der von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich vereinbarten Untersuchungshaftvollzugsordnung i. d. F. vom 1.1. 1978. Ein Bestandteil des Strafvollstreckungsrechts im weiteren Sinne ist endlich das Strafregisterrecht. Es regelt die Eintragung und Tilgung von rechtskräftigen Verurteilungen im Bundeszentralregister, Erziehungsregister und Verkehrszentralregister und die Erteilung von Auskünften durch die Registerbehörden. Die Bestimmungen über das Zentral- und das Erziehungsregister sind enthalten im Bundeszentralregistergesetz vom 18. 3. 1971 (BGBl. I S. 243), diejenigen über das Verkehrszentralregister in den §§ 2 8 - 3 0 StVG und in §§ 1 3 - 1 3 d StVZO.

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2. Das Verhältnis des Strafrechts zum Grundgesetz wird im Ausgangspunkt dadurch bestimmt, daß zur Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung auch das Strafrecht gehört (Art. 74 Nr. 1 GG) Dreher NJW 1952 1282). Die Kompetenz des Bundes im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ist zwar an eine „Bedürfnisklausel" (Art. 72 Abs. 2 GG) geknüpft, doch hat sich diese für die Strafgesetzgebung nicht als hinderlich erwiesen, weil Bund und Länder darin übereinstimmen, daß das Strafrecht grundsätzlich Bundesrecht sein sollte und daß nur besondere regionale Gegebenheiten (ζ. B. der Schutz der Seedeiche, des Weinbaus oder der Skipisten) die Schaffung von Landesstrafrecht rechtfertigen· können, da sonst das Grundrecht der Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt wäre (BGHSt. 4 396, 402)6. Im Bereich der herkömmlich im StGB geregelten Materien kann der Bundesgesetzgeber Strafvorschriften erlassen, ohne an die ihm sonst durch die Zuständigkeitskataloge der Art. 73—75 GG gezogenen Grenzen gebunden zu sein (BVerfGE 23 113). Das 6 Das Vorliegen der Voraussetzungen der Bedürfnisklausel wird als Sache des gesetzgeberischen Ermessens angesehen, das richterlicher Nachprüfung entzogen ist (BVerfGE 2 213, 224 f; 4 115, 127 f; 13 230, 233). Bedenken dagegen bei Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Grundgesetz, Art. 72 Rdn. 15. (6)

II. Die Gliederung des Strafrechts und seine Stellung im Rechtssystem (Jescheck)

Fini 11,1111

Grundgesetz beschränkt einerseits den Strafgesetzgeber, andererseits entfalten strafrechtliche Verbotsnormen, soweit sie nicht selbst grundgesetzwidrig sind, auch eine allgemeine Sperrwirkung gegenüber jeglicher Grundrechtsausübung, ohne daß dabei das formelle Benennungsgebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG eine Rolle spielte (vgl. aber unten die Wechselwirkungslehre)7. Jedoch werden auch Pönalisierungsgebote aus dem Grundgesetz abgeleitet, wie dies das Bundesverfassungsgericht bei der Ablehnung der „Fristenlösung" als Grundlage für die Pflicht zur Beibehaltung der grundsätzlichen Strafbarkeit der Schwangerschaftsunterbrechung getan hat (BVerfGE 39 1, 47 ff). Fundamentale Strafrechtsnormen sind im Grundgesetz selbst verankert, so die Abschaffung der Todesstrafe in Art. 102 GG, das Gesetzlichkeitsprinzip („nullum crimen, nulla poena sine lege") in Art. 103 Abs. 2 GG mit seinen vier Konsequenzen (Verbot gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung und Strafschärfung, Analogieverbot „in malam partem", Rückwirkungsverbot strafbegründender und strafschärfender Gesetze, Bestimmtheitsgebot)8, die Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung in Art. 104 GG. Aus dem Grundgesetz wird weiter das Schuldprinzip abgeleitet (Jescheck LK Rdn. 63 vor § 13), ferner das Verbot unmenschlicher und erniedrigender Strafen (BverfGE 1 332, 348)9, das in Art. 3 MRK positiv ausgesprochen ist, endlich auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Strafen und Maßnahmen (BVerfGE 6 389, 439), der jetzt in §§ 62, 74 b Ausdruck gefunden hat. Bei der dem Richter aufgegebenen Auslegung des Gesetzes nach seinem Sinn und Zweck müssen immer die Wertentscheidungen des Grundgesetzes im Auge behalten werden (verfassungskonforme Auslegung) (Tröndle LK § 1 Rdn. 51). Der Richter darf dabei zwar die Grenzen des Gesetzessinns nicht überschreiten, muß aber in diesem Rahmen bemüht sein, mit den Normen des Grundgesetzes im Einklang zu bleiben (BVerfGE 2 266, 282; 32 98, 109 ff; BGHSt 19 325, 329 f; 22 146, 153)'°. Soweit die verfassungskonforme Auslegung jedoch zu einer mit dem erkennbaren Gesetzessinn nicht mehr zu vereinbarenden Rechtsfortbildung führen würde, muß der Richter nach Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Das Strafrecht gehört zu den allgemeinen Gesetzen, die das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG einschränken. Damit jedoch das Strafrecht dem Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt Abbruch tun kann, ist es im Wege einer „praktischen Konkordanz" wiederum durch das Grundrecht zu begrenzen. Auf diese Weise findet eine „ Wechselwirkung" zwischen dem Grundrecht und dem allgemeinen Gesetz statt, mit der Folge, daß dieses im Hinblick auf den Vorrang der Wertmaßstäbe der Verfassung durch das Grundrecht beschränkt w i r d " . 3. Nach 1945 ist im deutschen Recht neben die Verbrechen und Vergehen (§ 12) 10 eine weitere Kategorie von Zuwiderhandlungen getreten, die mit repressiver staatli8

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Maunz-Üürig-Herzog-Scholz Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 76, 79. Tröndle LK § 1 Rdn. 12, 26, 28, 30 ff; Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rdn. 107 ff; Maurach-Zipf AT § 10; Stratenwerth AT I Nr. 63 ff. Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Grundgesetz, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 31. Eckart Verfassungskonforme Gesetzesauslegung S. 37 ff ; Engisch Methoden S. 52 ff; Lorenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft S. 329 ff ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26 vor § 1; Zippelius BVerfG-Festg. II S. 108 ff. Ferner die Nachweise bei Engisch Einführung S. 222 Fußnote 82 b. BVerfGE 7 198, 207 ff; 12 120, 124 ff; Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland S. 132 ff; Jescheck Pressefreiheit und militärisches Staatsgeheimnis S. 10 ff; Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Grundgesetz Art. 5 Rdn. 248 ff.

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Einleitung

cher S a n k t i o n b e d r o h t s i n d : die O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n 1 2 . D a m i t erhebt sich die Frage n a c h d e m Verhältnis von Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht. 11

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a) Die G e s e t z g e b u n g s k o m p e t e n z des B u n d e s f ü r d a s Strafrecht n a c h Art. 74 N r . 1 G G ( o b e n R d n . 9) u m f a ß t nicht n u r d a s Strafrecht, s o n d e r n a u c h d a s O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n r e c h t ( B V e r f G E 27 18, 32 f ; Tiedemann A ö R 89 [1964] S. 56). Die Unterscheidung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wird v o m Gesetzgeber a n sich rein formal d a n a c h v o r g e n o m m e n , o b als S a n k t i o n f ü r ein bestimmtes Verhalten eine Strafe o d e r eine G e l d b u ß e a n g e d r o h t ist. E i n e O r d n u n g s w i d r i g k e i t ist n a c h § 1 Abs. 1 O W i G „eine rechtswidrige u n d v o r w e r f b a r e H a n d l u n g , die d e n T a t b e s t a n d eines Gesetzes verwirklicht, d a s die A h n d u n g mit einer G e l d b u ß e z u l ä ß t " . Materiell lassen sich S t r a f t a t e n u n d O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n a b e r ebenfalls u n t e r s c h e i d e n , w e n n auch nicht, wie m a n f r ü h e r a n g e n o m m e n hat, n a c h qualitativen, s o n d e r n n u r n a c h q u a n t i t a t i v e n M e r k m a l e n 1 3 . D e r Z w e c k des O r d n u n g s w i d rigkeitenrechts ist j e d e n f a l l s e b e n s o wie d e r des S t r a f r e c h t s der Schutz v o n Rechtsg ü t e r n , zu d e n e n im Hinblick auf die Lebenswichtigkeit der A u f g a b e der Daseinsvorsorge auch d a s o r d n u n g s g e m ä ß e F u n k t i o n i e r e n der staatlichen Verwaltungstätigkeit g e h ö r t 1 4 . D i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t weist wie die Straftat einen so erheblichen G r a d a n G e f ä h r l i c h k e i t des A n g r i f f s auf d a s geschützte Rechtsgut a u f , d a ß d e m Gesetzgeber n u r eine repressive S a n k t i o n des Staates z u m Schutze der ö f f e n t l i c h e n O r d n u n g als a u s r e i c h e n d erscheint. D e r G e f ä h r l i c h k e i t s g r a d der O r d n u n g s w i d r i g keit ist j e d o c h wesentlich geringer als der d e r Straftat. E i n m a l h a n d e l t es sich in d e r Regel n u r u m a b s t r a k t e G e f ä h r d u n g s d e l i k t e . Ist die O r d n u n g s w i d r i g k e i t a u s n a h m s weise ein Erfolgsdelikt (ζ. Β. § 1 Abs. 2 StVO), so ist d o c h der G r a d der Beeinträchtigung des geschützten H a n d l u n g s o b j e k t s meist geringfügig. A u ß e r d e m fehlt der O r d n u n g s w i d r i g k e i t der h o h e G r a d a n Verwerflichkeit der T ä t e r g e s i n n u n g , d e r allein d a s schwere sozialethische U n w e r t u r t e i l d e r K r i m i n a l s t r a f e zu rechtfertigen v e r m a g (Jescheck A T § 7 V 3 b). D i e G e l d b u ß e ist d a r u m auch keine K r i m i n a l s t r a f e , s o n d e r n eine mit einem f ü h l b a r e n G e l d o p f e r v e r b u n d e n e strenge P f l i c h t e n m a h n u n g , die dazu b e s t i m m t ist, die R e c h t s o r d n u n g a u c h im Vorfeld des eigentlichen Kriminalstrafrechts einzuschärfen und durchzusetzen15. b) D a s O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n r e c h t ist ein selbständiger Rechtszweig, dessen R e g e l u n g d u r c h die n e u e r e G e s e t z g e b u n g z u m A b s c h l u ß gebracht w o r d e n ist. D a s 2. S t r R G hat die Ü b e r t r e t u n g e n beseitigt. D i e f r ü h e r e n Ü b e r t r e t u n g e n des Bundesrechts w u r d e n d u r c h d a s E G S t G B e n t w e d e r in O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n o d e r in Verg e h e n s t a t b e s t ä n d e u m g e w a n d e l t o d e r gestrichen. I m L a n d e s r e c h t ist die A n p a s s u n g an d a s 2. S t r R G u n d das E G S t G B d u r c h b e s o n d e r e Gesetze v o r g e n o m m e n w o r d e n . 12

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Zur Geschichte Mattes Untersuchungen S. 5 ff; Göhler OWiG Einl. S. 1 ff; Jescheck AT §7 V I . So jetzt die ganz h. M.: Baumann AT § 4 I 2 b; Bockelmann ZStW 82 (1970) S. 110; Göhler OWiG Vorbem. 2 A b vor § 1 ; Jescheck AT § 7 V 3 b; Lackner ZStW 82 (1970) S. 112; Mattes ZStW 82 (1970) S. 27 f; Lang-Hinrichsen H. Mayer-Festschr. S. 57 ff; MaurachZipf AT § 1 III Β 1 ; Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 1 Rdn. 2; Rotberg OWiG, 5. Aufl. (1975) Einführung B; Schmitt Ordnungswidrigkeitenrecht S. 14 ff; Tiedemann ÖJZ 1972 290; Tröndle LK § 12 Rdn. 31 ; Welze! Lb § 4 I 1 ; zur Rechtsvergleichung Mattes Untersuchungen S. 183 ff. Cramer Grundbegriffe S. 17; Jescheck AT § 7 V 3 a; Tiedemann ÖJZ 1972 290. BVerfGE 22 78, 81; 27 18, 33; BayObLG NJW 1971 630; Göhler OWiG Vorbem. 3 vor § 1 ; Stratenwerth ZStW 82 (1970) S. 111 ; Tiedemann ÖJZ 1972 290; Tröndle LK Rdn. 64 vor § 38. (8)

III. Die R a n g o r d n u n g der Strafrechtsquellen (Jescheck)

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Der Aufbau der Zuwiderhandlung im OWiG 1968 lehnt sich eng an den Aufbau des Verbrechensbegriffs im Strafrecht an (§§ 8 — 16 OWiG), doch gibt es auch Abweichungen wie die Einheitstäterlösung für die Regelung von Täterschaft und Teilnahme (§ 14 OWiG) (unten Rdn. 79). In der Gestaltung des Verfahrensrechts geht das OWiG 1968 von der Anwendbarkeit der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren aus (§ 46 Abs. 1 OWiG). Es regelt nur die Abweichungen, die in einer wesentlichen Vereinfachung des Verfahrens für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten bestehen, ohne daß damit die Einheit des Verfahrensrechts preisgegeben würde.

III. Die Rangordnung der Straf rechtsquellen Schrifttum Bopp Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs i. S. des G r u n d r e c h t s „Nulla poena, nullum crimen sine lege", Diss. Freiburg i. Br. (1966); Finger Reichs- u n d Landesstrafrecht im Lichte der Rechtsprechung des Reichsgerichts, RG-Festg. Bd. V (1929) S. 93; Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); Kääb-Rösch Bayerisches Landesstraf- u n d V^rordnungsgesetz, 2. Aufl. (1967); Starck Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes (1977); Tiedemann A n m e r k u n g zu O L G Köln vom 12. 5. 1965, J Z 1966 75.

1. Das Bundesstrafrecht ist teils kodifiziertes, teils nicht-kodifiziertes Recht. Eine 13 Kodifikation stellt das StGB ebenso wie das BGB dar. Unter einer Kodifikation versteht man die zusammenfassende Regelung eines ganzen Rechtsgebiets in einem systematisch geordneten Gesetzeswerk (codex bedeutet Buch, insbesondere Gesetzbuch' 6 ). Außerhalb des StGB gibt es jedoch ein dieses an Stoffülle bei weitem übertreffendes nicht-kodifiziertes Strafrecht. Dabei handelt es sich einmal um Strafrecht für bestimmte Personengruppen, z. B. das WStG für die Soldaten der Bundeswehr (§ 1 Abs. 1 WStG), weiter um Strafrecht für abgegrenzte Sachgebiete, z. B. das StVG als Grundordnung für den Straßenverkehr, endlich um Strafrecht, das sich nur durch Bezugnahme auf außerstrafrechtliche Normenkomplexe regeln läßt (das eigentliche Nebenstrafrecht, z. B. das Betäubungsmittelgesetz von 1972). Man unterscheidet strafrechtliche Haupt- und Nebengesetze (oben Rdn. 6) 17 . Das StGB und das nicht-kodifizierte Bundesstrafrecht haben an sich den gleichen Rang. So bleiben die Strafvorschriften des nicht im StGB enthaltenen Bundesrechts nach Art. 4 Abs. 1 EGStGB durch die Vorschriften des Besonderen Teils des StGB unberührt. Eine wichtige abweichende Regelung gilt jedoch für den Allgemeinen Teil des StGB. Die innere Einheit des nicht-kodifizierten Bundesstrafrechts und seine Beziehung zum StGB werden nämlich dadurch hergestellt, daß Art. 1 Abs. 1 EGStGB die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB für sämtliches Bundesrecht gelten läßt, das beim Inkrafttreten des StGB am 1. 1. 1975 bestanden hat oder zukünftig eingeführt wird, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt 1 8 . Damit ist die früher 16

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Die wörtliche Bedeutung ist eigentlich „Stamm eines Baumes". Die übertragene Bedeutung erklärt sich daraus, d a ß die R ö m e r ursprünglich auf hölzerne Tafeln schrieben, die mit W a c h s überzogen waren. Jescheck AT § 12 II, I I I ; Maurach-Zipf A T § 8 IV A. M a n wird diese Regel entgegen Fincke D a s Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts S. 11 auch d a n n a n z u w e n d e n h a b e n , wenn es sich um allgemeine Lehren handelt, die durch Rechtsprechung u n d Schrifttum entwickelt worden sind, wie z. B. die Behandlung der Gesetzeskonkurrenz.

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Einleitung

umstrittene Frage der Geltung des Allgemeinen Teils des StGB für das übrige Bundesstrafrecht zutreffend im Sinne seiner Allgemeinverbindlichkeit gelöst, so daß ζ. B. aufgrund von Strafvorschriften, die fahrlässiges Verhalten nicht ausdrücklich unter Strafe stellen, nur noch vorsätzliches Verhalten bestraft werden kann (§ 15). Eine im Gesetz vorgesehene Ausnahme zugunsten einer vom Allgemeinen Teil abweichenden Sonderregelung enthält z. B. § 8 Abs. 4 Satz 1 WiStG. Danach tritt die Abführung des Mehrerlöses an die Stelle des in §§ 73 ff StGB vorgesehenen Verfalls. Die Anpassung der im nicht-kodifizierten Bundesstrafrecht angedrohten Strafen und Maßnahmen an den neuen Allgemeinen Teil ist in Art. 10—17 EGStGB generell vorgenommen worden. Eine Ausnahme hat man in Art. 10 Abs. 2 EGStGB für das WStG und das Z D G gemacht, weil man im Interesse der Wahrung der Disziplin in diesem Bereich Sondervorschriften für unumgänglich hielt (BT-Drucksache VII/550 S. 204). So legt § 9 Abs. 1 WStG das Mindestmaß des Strafarrests entgegen Art. 11 EGStGB auf zwei Wochen fest und fehlt in beiden Gesetzen die sonst vorgeschriebene wahlweise Androhung der Geldstrafe für alle Strafvorschriften, in denen Freiheitsstrafe ohne besonderes Mindestmaß vorgesehen ist. 14

2. Das Verhältnis von Bundesstrafrecht und Landesstrafrecht wird durch Art. 31 und Art. 74 G G bestimmt. Nach Art. 31 GG gilt der Vorrang des Bundesrechts: „Bundesrecht bricht Landesrecht". Nach Art. 74 Nr. 1 hat der Bund auf dem Gebiet des Strafrechts die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis (oben Rdn. 9). Zur Ausführung der Vorschriften über die Rangordnung der Strafrechtsquellen im Grundgesetz (BVerfGE 7 29, 43 f) bestimmt das EGStGB folgendes:

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a) Der Allgemeine Teil des StGB gilt nach Art. 1 Abs. 2 EGStGB auch für das bestehende und künftige Landesrecht. Ausnahmen müssen durch das Bundesrecht besonders zugelassen werden. Zwei solche Vorbehalte zugunsten des Landesrechts enthält Art. 2. Die Länder dürfen danach bei einzelnen Straftatbeständen — also nicht allgemein — den räumlichen Geltungsbereich abweichend von den §§3—7 regeln (Nr. 1), sie dürfen ferner unter besonderen Voraussetzungen Straflosigkeit vorsehen (Nr. 2). Gedacht ist dabei an das Bedürfnis nach Sonderregelungen (BTDrucksache VII/550 S. 198), das im ersten Fall bei Staatsverträgen, im zweiten Fall bei besonderen örtlichen Rechtstraditionen bestehen kann.

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b) Eingeschränkt wurde wie schon im früheren Recht die Sanktionsbefugnis des Landesgesetzgebers durch Art. 3. Angedroht werden dürfen im Landesrecht nur Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und wahlweise Geldstrafe bis zu dem nach § 40 zulässigen Höchstmaß sowie die Einziehung von Gegenständen (Abs. 1). Zwecks Anpassung der Strafdrohungen an das Bundesrecht darf das Landesrecht ferner Freiheitsstrafe und Geldstrafe nicht für sich allein und bei der Freiheitsstrafe auch kein anderes Mindestmaß als das gesetzliche von einem Monat (§ 38 Abs. 2) und kein niedrigeres Höchstmaß als sechs Monate androhen (Abs. 2). 17 c) Im Bereich des Besonderen Teils gilt zunächst nach Art. 4 Abs. 2 EGStGB der allgemeine Grundsatz, daß die Strafvorschriften des Landesrechts unberührt bleiben, soweit sie nicht eine Materie zum Gegenstand haben, die im StGB abschließend geregelt ist (RGSt. 42 100; 56 65) (ζ. B. die Familien- oder die Sexualdelikte). Ist ein Rechtsstoff in dieser Weise durch Bundesrecht erschöpfend erfaßt, ist Landesstrafrecht auch als ergänzende, interpretierende oder wiederholende Norm ausgeschlossen, es sei denn, daß der Landesgesetzgeber lediglich auf Bundesrecht verweist, was aus Gründen der Klarheit zweckmäßig sein kann (Kääb-Rösch Bayer. Landesstraf- und Verordnungsges. Einf. Rdn. 22). Aus dem Schweigen des Bundes(10)

III. Die Rangordnung der Strafrechtsquellen (Jescheck)

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rechts wird regelmäßig zu schließen sein, d a ß die bei der R e g e l u n g einer M a t e r i e ü b e r g a n g e n e n Fälle straffrei bleiben sollten („stillschweigend negative Regel u n g " ) ' 9 . So weit eine b u n d e s r e c h t l i c h geregelte M a t e r i e reicht, sind auch landesrechtliche B u ß g e l d b e s t i m m u n g e n ausgeschlossen (Art. 4 Abs. 2 E G S t G B ; B V e r f G E 31 141, 144). A u s d r ü c k l i c h vorbehalten sind f ü r die L ä n d e r e i n m a l a b g a b e n r e c h t l i che Straf- u n d B u ß g e l d v o r s c h r i f t e n , die B e s t i m m u n g e n d e r A O f ü r a n w e n d b a r erklären o d e r w i e d e r h o l e n (Art. 4 Abs. 3 E G S t G B ) . Z u m a n d e r e n besteht n o c h der h e r k ö m m l i c h e V o r b e h a l t z u g u n s t e n d e s L a n d e s r e c h t s auf d e m G e b i e t des Feld- u n d Forstschutzes, j e d o c h ist er stark eingeschränkt. Erstens d ü r f e n die L ä n d e r auf diesen G e b i e t e n u n b e d e u t e n d e Fälle von Diebstahl, Hehlerei u n d Begünstigung f ü r nicht s t r a f b a r o d e r nicht v e r f o l g b a r erklären (Art. 4 Abs. 4 E G S t G B ) . Zweitens dürfen sie z u m Schutze von Feld u n d Forst die T a t b e s t ä n d e des H a u s f r i e d e n s b r u c h s , der S a c h b e s c h ä d i g u n g u n d der U r k u n d e n f ä l s c h u n g als O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n einstufen sowie geringfügige Fälle f ü r straflos o d e r nicht v e r f o l g b a r erklären o d e r zu A n t r a g s d e l i k t e n ausgestalten (Art. 4 Abs. 5 E G S t G B ) . d) Schließlich ergibt sich a u ß e r h a l b des Art. 4 E G S t G B eine strafrechtliche 1 8 Regelungsgewalt der L ä n d e r a u f g r u n d ihrer v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n Gesetzgebungsk o m p e t e n z auf d e n j e n i g e n Sachgebieten, auf d e n e n sie e n t w e d e r ausschließlich o d e r k o n k u r r i e r e n d z u s t ä n d i g sind, im letzteren Falle freilich n u r d a n n , w e n n nicht d e r B u n d die b e t r e f f e n d e M a t e r i e a b s c h l i e ß e n d geregelt hat (Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs) 2 0 . So verbleibt die Befugnis zu einer von §§ 68 ff a b w e i c h e n den R e g e l u n g d e r V e r j ä h r u n g f ü r Pressedelikte d e n L ä n d e r n , weil d a s Presserecht h e r k ö m m l i c h e r w e i s e k r a f t S a c h z u s a m m e n h a n g s auch die V e r j ä h r u n g einschließt ( B V e r f G E 7 36, 41). D e r B u n d k a n n j e d o c h B l a n k e t t s t r a f d r o h u n g e n auf d e n d e n L ä n d e r n v o r b e h a l t e n e n Sachgebieten erlassen, so d a ß in diesem Falle f ü r d e n L a n desgesetzgeber n u r die A u s f ü l l u n g s n o r m übrig bleibt. e) Die Ausführungsvorschriften zu d e n v o r s t e h e n d e n B e s t i m m u n g e n ü b e r d a s 1 9 Verhältnis v o n Bundes- u n d L a n d e s s t r a f r e c h t e n t h a l t e n die Art. 288—292 E G S t G B . D a n a c h sind S t r a f v o r s c h r i f t e n , die eine a u f g r u n d von Art. 3 E G S t G B unzulässige S a n k t i o n a n d r o h e n ( o b e n R d n . 16) nicht m e h r a n z u w e n d e n (Art. 289 E G S t G B ) . D a s gleiche gilt f ü r Straf- u n d B u ß g e l d v o r s c h r i f t e n , die eine d u r c h d a s B u n d e s r e c h t a b s c h l i e ß e n d geregelte M a t e r i e z u m G e g e n s t a n d h a b e n (Art. 292 E G S t G B ) . Art. 290 E G S t G B b e s t i m m t f e r n e r die A n p a s s u n g der G e l d s t r a f d r o h u n g e n des L a n d e s r e c h t s an d a s Bundesrecht. Art. 292 schließlich hebt landesrechtliche Vorschriften ü b e r die R ü c k n a h m e des S t r a f a n t r a g s u n d die Z u e r k e n n u n g einer B u ß e auf. 3. Als Quelle des Strafrechts k o m m t gegenwärtig n u r das förmliche Gesetz in 2 0 Betracht. N a c h Art. 103 Abs. 2 G G k a n n eine T a t n u r d a n n bestraft w e r d e n , w e n n die S t r a f b a r k e i t „gesetzlich " b e s t i m m t w a r , b e v o r die T a t b e g a n g e n w u r d e . Gesetze im S i n n e dieser Vorschrift sind z w a r a n sich nicht n u r f ö r m l i c h e Gesetze, s o n d e r n auch Rechtsverordnungerfii. A n d e r s als n a c h Art. 103 Abs. 2 G G , der diese M ö g lichkeit nicht ausschließt, k a n n j e d o c h die Freiheit einer Person n a c h Art. 104 Abs. 1 Satz 1 G G n u r a u f g r u n d eines f ö r m l i c h e n Gesetzes b e s c h r ä n k t w e r d e n . D a es

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Jescheck AT § 13 I 2 b (1); Maurach-Zipf AT §8 III Β 2; Schmidhäuser AT 5/3; Sch.Schröder-Eser Rdn. 37 vor § 1. Dreher NJW 1952 1282; Maurach-Zipf AT § 8 III Β 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48 ff vor § 1 ; Tiedemann JZ 1966 75 f. Dreher-Tröndle § 1 Rdn. 2; Jescheck AT § 13 II 1 ; Tröndle LK § 1 Rdn. 11.

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Einleitung

aber im Bundesrecht keine Strafgesetze mehr gibt, die nicht auch Freiheitsstrafe androhten und da diese Regelung nach Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 G G auch für die Länder verbindlich ist (oben Rdn. 16), ist gegenwärtig als Grundlage des Strafrechts nur das förmliche Gesetz möglich. Immerhin hat die Rechtsprechung eingeräumt, daß dem Verordnungsgesetzgeber „die Spezifizierung des Straftatbestandes" überlassen werden darf. Nur müssen „die Voraussetzungen selbst, unter denen der Eingriff als solcher überhaupt zulässig ist und die Natur des Eingriffs . . . in dem förmlichen Gesetz selbst bestimmt sein" ( B G H Z 15 61, 64). Erforderlich ist also, abgesehen von der Beschreibung des Verbotsinhalts, auch die Festlegung des Strafrahmens in dem förmlichen Gesetz (BVerfGE 41 174, 187).

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts Schrifttum Ancel La défense sociale nouvelle, 2. Aufl. (1966); Andenaes Punishment and Deterrence (1974); Andenaes General Prevention Revisited usw., The Journal of Criminal Law and Criminology 66 (1975) S. 338; Baumann Minima non curat praetor, Peters-Festschr. (1974) S. 3; Blau Die Kriminalpolitik der deutschen Strafrechtsreformgesetze, ZStW 89 (1977) S. 511; Bockelmann Das Problem der Kriminalstrafe in der deutschen Dichtung (1967); Bruns Die Maßregeln der Besserung und Sicherung im StGB-Entwurf 1956, ZStW 71 (1959) S. 210; Bruns Alte Grundfragen und neue Entwicklungstendenzen im modernen Strafzumessungsrecht, Welzel-Festschr. (1974) S. 739; Cramer Das Strafensystem des StGB nach dem 1.4. 1970, JurA 1970 183; Dencker Strafrechtsreform im EG? JZ 1973 144; Dreher Über die gerechte Strafe (1947); Dreher Die Vereinheitlichung von Strafen und sichernden Maßregeln, ZStW 65 (1953) S. 481; Dreher Die Behandlung der Bagatellkriminalität, Welzel-Festschr. (1974) S. 917; Dünnebier Die Durchführung der Zweispurigkeit bei den freiheitsentziehenden Maßregeln im E 1962, ZStW 72 (1960) S. 32; Frey Das Verhältnis von Strafe und Maßnahme, SchwZStr 66 (1951) S. 295; Göppinger Kriminologie, 2. Aufl. (1973); Gramatica Principi di difesa sociale (1961); Haddenbrock Die Maßregel der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt oder in einer Bewahrungsanstalt nach § 86 des StGB-Entwurfs in psychiatrischer Sicht, NJW 1959 1565; Hanack Das juristische Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt und der sonstigen Maßregeln im neuen Strafrecht der Bundesrepublik, Krim. Gegenwartsfragen, Heft 10 (1972) S. 68; Hanack Das Legalitätsprinzip und die Strafrechtsreform, GallasFestschr. (1973) S. 339; Heinitz Strafzumessung und Persönlichkeit, ZStW 63 (1951) S. 57; Heinitz Die Entwicklung des Allgemeinen Teils des StGB vom kriminalpolitischen Standpunkt aus, ZStW 70 (1958) S. 1 ; Heinitz Die Individualisierung der Strafen und Maßnahmen in der Reform des Strafrechts und des Strafprozesses (1960); Henkel Die „richtige" Strafe (1969); Reinhard von Hippel Reform der Strafrechtsreform (1976); Hoerster Zur Generalprävention als Zweck staatlichen Strafens, G A 1970 272; Horn Neuerungen der Kriminalpolitik im deutschen StGB 1975, ZStW 89 (1977) S. 547; Horstkotte Der Allgemeine Teil des StGB nach dem 1. 9. 1969, NJW 1969 1601 ; Horstkotte Die Vorschriften des 1. StrRG über die Strafbemessung, JZ 1970 122; Hünerfeld Kleinkriminalität und Strafverfahren, ZStW 90 (1978) S. 905; Jakobs Schuld und Prävention (1976); Jescheck Der Einfluß des schweizerischen Strafrechts auf das deutsche, SchwZStr 73 (1958) S. 184; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland, SchwZStr 91 (1975) S. 1 ; Jescheck-Grebing Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht (1978); Kaiser Möglichkeiten der Bekämpfung von Bagatellkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 90 (1978) S. 877; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, 2. Aufl. (1976); Hilde Kaufmann Kriminologie Bd. III (1977); Klose „Ius puniendi" und Grundgesetz, ZStW 86 (1974) S. 33; Krebs Freiheitsentzug (1978); Kunert Kurze Freiheitsstrafe und Strafaussetzung zur Bewährung usw., MDR 1969 709; Kunert Der zweite Abschnitt der Strafrechtsreform, NJW 1970 537; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger- Willer, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I, Teil A (1972) S. 3; ν. Liszt E. F. (12)

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts (Jescheck)

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Klein und die unbestimmte Verurteilung, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge, Bd. II (1905) S. 133; Marquardt Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Naucke Tendenzen in der Strafrechtsentwicklung (1975); Nohl Vom Sinn der Strafe, Die Erziehung 1 (1926) S. 29; Noll Schuld und Prävention, H. Mayer-Festschr. (1966) S. 219; Nowakowski Vom Schuld- zum Maßnahmerecht, Krim. Gegenwartsfragen, Heft 10 (1972) S. 1; Peters Gedanken zur Kriminalstrafe, Stimmen der Zeit 1956/57 12; Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts (1974); Remmelink Een belangrijk handboek, Delikt en Delinkwent 1974 113; Roxin Sinn und Grenzen staatlicher Strafe, JuS 1966 377; Roxin „Schuld" und „Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien, HenkelFestschr. (1974) S. 171; Roxin Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, Schultz-Festschr. (1977) S. 463; Roxin Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht, Bockelmann-Festschr. (1978) S. 279; Roxin Prävention und Strafzumessung, Bruns-Festschr. (1978) S. 183; Roxin-Stree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975); Schaffstein Spielraum-Theorie, Schuldbegriff und Strafzumessung nach den Strafrechtsreformgesetzen, Gallas-Festschr. (1973) S. 99; Schmidhäuser Vom Sinn der Strafe, 2. Aufl. (1971); Schmidhäuser, Einführung in das Strafrecht (1972); Schmidhäuser Freikaufverfahren mit Strafcharakter im Strafprozeß? JZ 1973 529; Eb. Schmidt Vergeltung, Sühne und Spezialprävention, ZStW 67 (1955) S. 177; Eb. Schmidt Kriminalpolitische und strafrechtsdogmatische Probleme in der deutschen Strafrechtsreform, ZStW 69 (1957) S. 359; Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. (1965); Eb. Schmidt Strafrechtliche Vorbeugungsmittel im Preußischen ALR von 1794, ZStW 86 (1974) S. 621; Schultz Das Erbe Franz v. Liszts und die gegenwärtige Reformsituation in der Schweiz, ZStW 81 (1969) S. 787; Schultz Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. II, 3. Aufl. (1977); Sieverts Würde sich für ein neues StGB die Einführung der unbestimmten Verurteilung empfehlen und in welchem Umfange? Materialien Bd. I (1954) S. 107; Sieverts Kriminalpolitik, HWB Krim. Bd. II, 2. Aufl. (1967/68) S. 1 ; Stooß Strafe und sichernde Maßnahme, SchwZStr 18 (1905) S. 1; Stooß Zur Natur der sichernden Maßnahmen, SchwZStr 44 (1930) S. 262; Strahl Svensk Juristtidning 1978, 462; Stratenwerth Zur Rechtsstaatlichkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Strafrecht, SchwZStr 82 (1966) S. 338; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960); Volk Der Begriff der Strafe in der Rechtsprechung des BVerfG, ZStW 83 (1971) S.405; Weigend Anklagepflicht und Ermessen (1978); Würtenberger Die unbestimmte Verurteilung, Materialien Bd. I (1954) S. 89; Zip/Kriminalpolitische Überlegungen zum Legalitätsprinzip, Peters-Festschr. (1974) S. 487; Zipf Kriminalpolitik (1973); Zipf Oie „Verteidigung der Rechtsordnung", Bruns-Festschr. (1978) S. 205. 1. D a s Verbrechen ( S t r a f t a t , s t r a f b a r e H a n d l u n g ) ist strafwürdiges Unrecht ( o b e n 2 1 R d n . 4). D e r Begriff d e s V e r b r e c h e n s ist d u r c h d i e S t r a f r e c h t s w i s s e n s c h a f t in einz e l n e M e r k m a l e a u f g e g l i e d e r t w o r d e n , u m d e n S i n n d e s G a n z e n t h e o r e t i s c h besser e r f a s s e n zu k ö n n e n . H e r r s c h e n d ist in D e u t s c h l a n d d e r viergliedrige V e r b r e c h e n s b e g r i f f d e r tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung (Jescheck L K R d n . 3 v o r § 13), d e r sich in d e r D o g m e n g e s c h i c h t e seit ü b e r 100 J a h r e n in m e h r e r e n S t u f e n e n t w i c k e l t h a t u n d m i t d e r Zeit i m m e r m e h r v e r f e i n e r t w o r d e n ist (Jescheck L k R d n . 12 ff v o r § 13). O h n e d i e G l i e d e r u n g des V e r b r e c h e n s b e g r i f f s in die M e r k m a l e der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit u n d Schuld u n d die A u f s c h l ü s s e l u n g dieser K a t e g o r i e n d u r c h w e i t e r e U n t e r s c h e i d u n g e n b l i e b e d i e L ö s u n g eines S t r a f r e c h t s f a l l e s u n s i c h e r u n d v o n G e f ü h l s e r w ä g u n g e n a b h ä n g i g . D i e Dogmatik des Verbrechensbegriffs mit seinen systematisch verknüpften Teilstücken e r m ö g l i c h t d a g e g e n eine r a t i o n a l e , s a c h g e b u n d e n e u n d g l e i c h m ä ß i g e R e c h t s p r e c h u n g ; sie trägt d a d u r c h wesentlich z u r G e w ä h r l e i s t u n g d e r R e c h t s s i c h e r h e i t b e i 2 2 . 22

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Der praktische Wert der Strafrechtsdogmatik wird auch in Ländern, in denen die Verbrechensdogmatik im Interesse der Strafrechtler traditionell hinter der Kriminalpolitik zurücktritt, zunehmend erkannt; vgl. die Besprechungen des Lehrbuchs von Jescheck durch Strahl Svensk Juristtidning 1978 462 und Remmelink Delikt en Delinkwent 1974 113.

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Einleitung

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2. Das wichtigste Sanktionsmittel, das die Strafrechtsordnung kennt, ist die Strafe (über das System der Strafen im geltenden Recht Tröndle LK Rdn. 13 ff vor §38). 23 a) Die Strafe ist nach ihrem Begriff ein Übel, das als gerechter Ausgleich für eine verbotene und vom Gesetz mit Strafe bedrohte Handlung auferlegt wird und die öffentliche Mißbilligung der Tat zum Ausdruck bringt 2 3 . Die Aufgabe der Strafe besteht darin, die Schuld des Täters zu vergelten, die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu erweisen, das Rechtsbewußsein der Allgemeinheit zu stärken und andere von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Die Rechtfertigung der Strafe liegt allein darin, daß sie zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung notwendig ist, weil diese ohne den Rückhalt der Strafe aufhören würde, eine erzwingbare Ordnung zu sein 2 4 . Als Ausdruck des Rechtszwangs gehört die Strafe zu jeder auf Rechtsnormen aufgebauten Gemeinschaft (oben Rdn. 2). In einem auf Freiheit gegründeten Staatswesen kann die Strafe auch nicht durch wertneutrale Maßregeln ersetzt werden, wie es die Leugner des Strafrechts fordern 2 ^, weil nur das in der schuldangemessenen Strafe liegende ethische Maßprinzip bei der Allgemeinheit die erforderliche erzieherische Wirkung entfaltet und auch vom Täter nur die gerechte Strafe verstanden wird 2 6 . Die Rechtfertigung der Strafe wird ferner auch darin erblickt, daß sie den durch das Gesetz anerkannten Weg der Sühne als einer durch den Schuldigen in eigener Person zu erbringenden Leistung eröffnet, mag auch den meisten Straftätern die Einsicht versagt bleiben, daß sie durch die Strafe mit sich selbst und der Gesellschaft wieder ins reine gebracht werden sollen 2 7 . 24

b) Der Sinn der Strafe kann sowohl in der Vergeltung als auch in der Vorbeugung gesehen werden. Entweder blickt die Strafe in die Vergangenheit (auf die begangene Tat) und soll durch die gewollte Zufügung eines Übels den im Sinne der Gerechtigkeit notwendigen Ausgleich für die schuldhafte Rechtsverletzung herbeiführen. Oder die Strafe blickt in die Zukunft (auf die Gefahr der VerÜbung neuer Straftaten durch den Täter selbst oder durch andere) und soll auf ihn und die Allgemeinheit zum Zwecke der Verbrechensvorbeugung einwirken 2 8 . Die vorbeugende Wirkung der Strafe kann sich in zweifacher Richtung entfalten:

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Else Koffka LK 9 Rdn. 4 vor § 13 ; Schmidhäuser AT 2 / 7 ; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 2 f vor § 38; Stratenwerth AT I Nr. 25 ff (mit kritischen Anmerkungen); Tröndle LK Rdn. 8 vor §38. Jescheck AT § 8 I 2 a; Maurach-Zipf AT § 6 I A; Schmidhäuser Vom Sinn der Strafe S. 26; AT 3/19. So Gramatica Principi di difesa sociale (1961); Klose ZStW 86 (1974) S. 64 ff; Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts (1974). Dazu Hanack LK Rdn. 3 vor § 61 ; Naucke Tendenzen S. 22. Dreher Über die gerechte Strafe S. 28 ff. Zur Sühnefunktion der Strafe Bockelmann Das Problem der Kriminalstrafe S. 23 f ; Jescheck AT § 8 I 2 a; Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 274; Else Koffka LK 9 Rdn. 4 vor § 13; Eb. Schmidt ZStW 67 (1955) S. 187. Kritisch dazu Stratenwerth AT I Nr. 32; Schmidhäuser AT 3 / 1 8 ; Henkel Die „richtige Strafe" S. 12. Über die Voraussetzungen und Konsequenzen der beiden Möglichkeiten der Sinngebung für die Strafe Jescheck AT § 8 II. (14)

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts (Jescheck)

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aa) Die Wirkung der Verbrechensvorbeugung, die durch die Strafe bei der 25 Gesamtheit der Rechtsgenossen eintreten soll, heißt Generalprävention29. Durch die Strafdrohung im Gesetz und die Verurteilung des Schuldigen, die der Allgemeinheit anzeigt, daß der Staat mit der Strafdrohung ernst macht, soll verhindert werden, daß das Verbrechen sich offen behaupten kann. Zugleich soll im Bewußtsein aller Rechtsgenossen jene moralische Abneigung gegen die Kriminalität begründet und erhalten werden, die notwendig ist, damit die latent vorhandene Neigung zu Rechtsverletzungen unter Kontrolle bleibt. Der Staat bezweckt aber nicht nur die Abschreckung potentieller Täter durch Androhung von Strafzwang, sondern will die Gesamtheit auch durch gerechte Strafgesetze und deren maßvolle, sachliche und gleichmäßige Anwendung in ihrer Rechtstreue bestärken und zu freiwilligem Rechtsgehorsam erziehen. bb) Während die Generalprävention auf Verbrechensvorbeugung bei der 26 Gesamtheit der Rechtsgenossen abzielt, erstrebt die Speziai- oder Individualprävention Verbrechensvorbeugung in der Person des Verurteilten selbst. Die Strafe soll ihn durch das in ihr liegende Übel abschrecken, durch physischen Zwang an der Begehung weiterer Straftaten hindern oder, wenn möglich, die seelisch-charakterlichen Anlagen aufheben oder abschwächen, die ihn auf den Weg des Verbrechens geführt haben. So nennt das Strafvollzugsgesetz in § 2 Abs. 1 S. 1 als Vollzugsziel, daß der Gefangene fähig werden soll, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen". Zugleich wird aber die andere Seite der Spezialprävention betont: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten" (§ 2 Abs. 1 S. 2 StVollzG). cc) Vergeltung und Vorbeugung sind jedoch keine unversöhnlichen Gegen- 27 sätze 30 . Eine Verbindung beider ist durch den Gedanken möglich, daß die Strafe nicht zum Schuldausgleich um seiner selbst willen, sondern zum Schutze der Gesellschaft vor künftigen Straftaten angedroht und ausgesprochen wird, aber doch so, daß sie den Vorbeugungserfolg auf gerechte Weise, d. h. durch ein angemessenes Verhältnis zu Unrecht und Schuld, zu erreichen sucht. Der Sinn der Strafe liegt danach in der „Vorbeugung durch gerechte Vergeltung". Nach dieser sozialethisch verstandenen Konzeption wirkt die gerechte Strafe auf die Allgemeinheit als „sittenbildende Kraft" (H. Mayer) und zugleich auch warnend und erzieherisch auf den Verurteilten selbst durch den Appell an sein Verantwortungsgefühl. Präventionsziele, die durch gerechte Strafe nicht erreicht werden können, bleiben den Maßregeln vorbehalten (unten Rdn. 35). Schädliche Folgen des Vollzugs der Freiheitsstrafe können durch Strafaussetzung zur Bewährung und rechtzeitige Aussetzung des Strafrestes vermieden oder aufgefangen werden (unten Rdn. 43).

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Die maßgebliche Bedeutung der Generalprävention bei der Sinngebung der Strafe wird in der neueren Literatur stark betont: Andenaes Punishment S. 34 ff; Journal of Criminal Law 66 (1975) S. 338 ff; Baumann AT § 3 II 2 a Bockelmann AT § 2 II 2; Hoerster G A 1970 272; Jescheck SchwZStr91 (1975) S. 18 f; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit S. 22; Schmidhäuser AT 3 / 1 6 ; Vom Sinn der Strafe S. 53 ff; Einführung S. 49 ff; Sieverts HWB Krim. Bd. II S. 4 ff. Über'das Verhältnis von Repression und Prävention Dreher Über die gerechte Strafe S. 127 ff; Jakobs Schuld und Prävention S. 8 ff ; Noll H. Mayer-Festschr. S. 220; Roxin Henkel-Festschr. S. 181 ff; Bruns-Festschr. S. 192 ff; Bockelmann-Festschr. S. 295 ff; Schmidhäuser AT 3 / 1 8 f.

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Einleitung

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c) Seit es eine Geschichte des Strafrechts gibt, ist auch über Wesen, Rechtfertigung, Sinn und Zweck der Strafe nachgedacht worden. Die verschiedenen Lehrmeinungen, die dazu entwickelt worden sind, nennt man Straftheorien ( Jescheck AT § 8 III-V mit Nachw.): 29 aa) Die absoluten Theorien sehen Rechtsgrund und Sinn der Strafe allein in der Vergeltung, durch die dem Schuldigen Gerechtigkeit wegen seiner Tat widerfahren und das verletzte Recht wiedergestellt werden soll. Die Strafe ist losgelöst von allen Zweckerwägungen („poena absoluta ab effectu") und wird als reines Gebot der Gerechtigkeit verstanden (Strafe als „kategorischer Imperativ"}. Die ausschließliche Anknüpfung der Strafe an die Tat und die Schuld des Täters hat durch die Philosophie des Idealismus (Kant, Hegel) auf die deutsche Strafrechtslehre des 19. Jahrhunderts starken Einfluß gehabt, und auch in der Rechtsüberzeugung der Gegenwart ist dieser Grundgedanke, wenn auch verbunden mit anderen Erwägungen, lebendig geblieben (unten Rdn. 31 ff). Zur Kritik der absoluten Theorien ist anzuführen, daß die Verwirklichung der absoluten Gerechtigkeit auf Erden nicht Aufgabe des Staates ist und nach seinen Zwecken und Machtmitteln auch nicht sein kann. Viel mehr Unrecht als bestraft wird, bleibt bekanntlich unbestraft. Bei der Anwendung der Strafe kann es immer nur darum gehen, das Zusammenleben der Menschen in Frieden und Sicherheit zu ermöglichen und zu schützen. Deshalb wird die Strafe auch keineswegs überall eingesetzt, wo Gerechtigkeit not täte, sondern immer nur in den Fällen, in denen dies im Interesse des Gesellschaftsschutzes unvermeidlich erscheint. Die dauernde Wahrheit der absoluten Theorien besteht auf der anderen Seite darin, daß Verbrechensvorbeugung durch Strafe immer nur auf gerechte (d. h. schuldangemessene) Weise angestrebt werden darf. 30

bb) Gegen die absoluten Theorien werden die relativen Straftheorien ins Feld geführt, die die Strafe allein auf den rationalen Zweck der Verbrechensverhütung gründen wollen. Der einzige Sinn der Strafe liegt danach in ihrer Aufgabe, strafbare Handlungen in der Zukunft zu verhindern („poena relata ad effectum"). Der Gedanke, daß die Strafe der Besserung des Verurteilten und damit auch dem öffentlichen Nutzen dienen soll, trat in Anknüpfung an erste Anfänge in der Antike (Plato, Protagoras) besonders in der Naturrechtslehre hervor (Grotius, Pufendorf, Thomasius) und erlangte durch die Aufklärungsliteratur (Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Beccaria, Bentham) große Bedeutung für die praktische Ausgestaltung der Kriminalpolitik in einzelnen europäischen Ländern. Die Generalprävention als Sinn der Strafe hat in der Theorie vom „psychologischen Zwang" bei Feuerbach den folgerichtigsten und prägnantesten Ausdruck gefunden. Die spezialpräventive Betrachtung der Strafe gewann im aufgeklärten Absolutismus des ausgehenden 18. Jahrhunderts Eingang in die Gesetzgebung, unter anderem auch in Preußen 3 1 . Den Siegeszug der Spezialprävention im Gegenschlag gegen die absolute Straftheorie des deutschen Idealismus hat jedoch erst Franz v. Liszt eingeleitet. Er hat dem von ihm gewissermaßen neu entdeckten und wissenschaftlich durch die Lehren des Positivismus bereicherten Gedanken durch die Gründung der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung, die die Forderungen der modernen Schule mit großem Erfolg vertrat, weltweite Bedeutung gegeben. Seine Ideen wirken heute nach in der „Société Internationale de Défense Sociale" (Marc Ancelß2. 3

' Zu Stiibel, v. Grolman, Klein und Kleinschrod, Eb. Schmidt Einführung S. 225 ff ; ferner v. Liszt Aufsätze und Vorträge, Bd. II S. 133 f sowie Eb. Schmidt ZStW 86 (1974) S. 621 ff. 32 Zur Geschichte und gegenwärtigen Bedeutung der „Défense sociale" Jescheck AT § 70 I. Vgl. ferner Ance! La défense sociale nouvelle, 2. Aufl. (1966). (16)

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts (Jescheck)

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cc) Die Vereinigungstheorien versuchen zwischen den absoluten und den relati- 31 ven Straftheorien durch die praktische Überlegung zu vermitteln, daß die Strafe in der Wirklichkeit ihrer Anwendung gegenüber dem Verurteilten, seiner Umgebung und der Gesellschaft immer die Gesamtheit ihrer Funktionen entfaltet oder jedenfalls entfalten kann, so daß es darauf ankommt, sämtliche Strafzwecke durch den Strafbemessungsakt in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen 3 3 . Dabei muß freilich, wenn sich die Strafzwecke im Einzelfall als unvereinbar erweisen, dem einen oder dem anderen Prinzip der Vorzug gegeben werden, und hier ist der Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Das Problem der „Antinomie der Strafzwecke" spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen die Vereinigungstheorie. Diese ist folgendermaßen zu verstehen: In der „richtigen" Strafe verbinden sich Generalprävention und gerechte Vergeltung, weil nur eine der Schuld entsprechende Sanktion Rechtsbewußtsein und Rechtsgehorsam der Gesamtheit bildet und vom Täter als Antwort des Staates auf die Tat angenommen wird. Die gerechte Strafe wird auch niemals bloß als Demütigung des Verurteilten verhängt, sondern stellt einen möglichst schonenden Eingriff dar, der den Täter durch maßvollen Ausgleich seiner Schuld mit der Gemeinschaft wieder versöhnen soll. Jede Strafe soll endlich, soweit möglich und nötig, resozialisierend wirken. Zu diesem Zweck können von der schuldangemessenen Strafe auch Abstriche gemacht werden, wodurch die Strafe freilich ihren Zusammenhang mit der Schuld nicht verlieren darf 3 4 . d) Die Vereinigungstheorie ist seit langem die Grundlage des geltenden Rechts. 32 Schon das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 folgte der Devise „Generalprävention durch gerechte Vergeltung". Durch die Aufnahme der Maßregeln in den Sanktionenkatalog des alten StGB im Jahre 1933 (unten Rdn. 36) wurde der an der Vergeltung orientierte Sinn der Strafe noch unterstrichen, denn die Strafe wurde damit von jeder spezialpräventiven Zwecksetzung entlastet, soweit dieses Ziel nicht im Rahmen ihrer Schuldangemessenheit erfüllt werden konnte. Das Grundgesetz hat mit der Betonung der Menschenwürde, der Verantwortlichkeit des einzelnen, aber auch der Fürsorgepflicht des Staates für die Bürger dem mehrdimensionalen Strafbegriff eine breite Grundlage gegeben (BVerfGE 28 264, 278; 32 98, 109; 45 187, 227 ff) 3 5 . aa) Demgemäß ist auch der Standpunkt des neuen StGB deutlich durch die Verei- 3 3 nigungstheorie mit Vorrang des Schuldprinzips geprägt. Der neue § 46 Abs. 1 bringt dies zum Ausdruck, indem Satz 1 das Schuldprinzip zur Grundlage der Strafzumessung macht, während Satz 2 — scheinbar gleichrangig — die Berücksichtigung der Wirkungen verlangt, die von der Strafe für das zukünftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind 3 6 . Da das Schuldprinzip aber als „verfassungsrechtlicher Grundsatz" verstanden wird (Jescheck LK Rdn. 65 vor § 13), kann es in kei-

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Nohl Die Erziehung 1 (1926) S. 29 ff; Roxin JuS 1966 387. Zum Ganzen mit manchen Nuancen Bruns Strafzumessungsrecht S. 217 ff, 323; WelzelFestschr. S. 745 ff ; Dreher-Festschr. S. 251 ff; Roxin Schultz-Festg. S. 469 ff ; Schaffstein Gallas-Festschr. S. 105 ff; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 18 a vor § 38. Maunz-Dürig-Herzog-Scholz Grundgesetz, Art. 1 Abs. 1 Rdn. 31, 32. Bruns Strafzumessungsrecht S. 320 spricht hier von „Schwerpunktverlagerung auf die Ebene der Spezialprävention"; Horstkotte JZ 1970 123 mißt der Spezialprävention gegenüber den Zielen des Schuldausgleichs sogar „besonderes Gewicht" bei. Henkel Die „richtige Strafe" S. 19 will dagegen allen legitimen Strafzwecken „grundsätzlich gleichen Rang zugestehen".

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Einleitung

nem Falle hinter dem Resozialisierungsziel zurückstehen und genießt somit, wenn sich bei der Strafzumessung eine Antinomie der Strafzwecke ergibt, den Vorrang 3 7 . Keine ausdrückliche Erwähnung im neuen Recht hat die Generalprävention gefunden, wenn man davon absieht, daß die „Verteidigung der Rechtsordnung" in den §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 3, 59 Abs. 1 Nr. 3 als Grenze für bestimmte spezialpräventive Abstriche von der eigentlich verdienten Strafe eingeführt worden ist. Dieser Begriff enthält jedoch nur einen „Teilaspekt der Generalprävention" 3 8 , dem der Bundesgerichtshof obendrein eine stark restriktive Auslegung gegeben hat (BGHSt. 24 40, 43 ff). Daraus folgt, daß der Gesetzgeber im übrigen die Bewährung der Rechtsordnung durch die schuldangemessene Strafe stillschweigend als gesichert ansieht und daß er die Abschreckungswirkung gerechter Strafen sowohl für den Verurteilten selbst als auch für die Allgemeinheit ausreichen läßt. Unbeschadet des Vorrangs des Schuldprinzips hat der Gesetzgeber aber auch die spezialpräventive Tendenz im neuen StGB stark betont. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe (§ 38), die Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe (§ 47), die Erhöhung der Mindeststrafe bei Rückfall (§ 48), die großzügige Ausgestaltung der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56 ff) und der Aussetzung des Strafrestes (§ 57) (unten Rdn. 83) sowie die Abschaffung der Ehrenstrafen bis auf den geringen Rest der Nebenfolgen (§§ 45 ff). An die Stelle der Freiheitsstrafe ist in weitestem Umfang die Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem (§§ 40 ff) getreten (unten Rdn. 82) 39 , die durch die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§§ 59 ff) zusätzlich einen spezialpräventiven Akzent erhalten hat. Das Bild wird abgerundet durch die Neuordnung der Maßregeln (unten Rdn. 84). Das ganze System ist getragen von dem deutlichen Willen zu einem ausgewogenen Verhältnis von Schuldausgleich, Generalprävention und Spezialprävention 4 0 . 34

bb) Auch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte folgt seit langem der Vereinigungstheorie. Die Kriminalstrafe „ist — unbeschadet ihrer Aufgabe abzuschrekken und zu resozialisieren — Vergeltung für begangenes Unrecht" (BVerfGE 21 391, 404)41. Das Schuldprinzip ist dabei Grund und Grenze der Bestrafung: „Grundlage für die Zumessung der Strafe unter Berücksichtigung ihrer verschiedenen Funktionen ist die Schuld des Täters. Von der Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten inhaltlich

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Dreher-Tröndle § 46 Rdn. 3, 9 stützen den Vorrang des Schuldprinzips im Rahmen des „komplexen Begriffs" der Strafe auf die besondere Wirksamkeit der Schuldstrafe für die allgemeine Generalprävention. So Horstkotte NJW 1969 1603 f; JZ 1970 127; Jescheck AT § 79 I 4 b; Else Koffka LK 9 § 14 Rdn. 13; Kunert MDR 1969 709; NJW 1970 539; Zz>/Bruns-Festschr. S. 217. Weitergehend Cramer JurA 1970 203; Dreher-Tröndle § 46 Rdn. 6; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 20 vor § 38. Albrecht Statistische Angaben in: Jescheck-Grebing Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht S. 167 ff. So die h. L.: Baumann AT § 3 II 2 a ß; Bockelmann AT § 2 II 4; Bruns Strafzumessungsrecht S. 311 ff ; Dreher- Tröndle § 46 Rdn. 3 ; Else Koffka LK 9 § 13 Rdn.5 ff; Lackner § 46 Anm. 1; Gallas-Festschr. S. 123 ff; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit S. 13; Maurach-Zipf AT § 7 IV A 1 e; Preisendanz § 46 Anm. 1, 2; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 7, 10, 12, 15 vor §38. Zur Strafe in der Rechtsprechung des BVerfG Volk ZStW 83 (1971) S. 405 ff. (18)

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts (Jescheck)

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lösen" (BGHSt. 40 132, 133 f) 4 2 · Die Bestrafung soll aber „nicht nur sühnen, sondern auch künftigen Strafverstößen vorbeugen" (BGHSt. 19 201, 206). Schuldausgleich um seiner selbst willen kann nicht der Sinn einer rational verstandenen Strafe sein; dem neuen Recht liegt vielmehr der Gedanke zugrunde, daß Strafe „nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich zugleich als notwendiges Mittel zur Erfüllung der präventiven Schutzaufgabe des Strafrechts erweist" (BGHSt. 24 40, 42). Präventionsziele, die mit der schuldangemessenen Strafe nicht erreicht werden können, bleiben den Maßregeln vorbehalten: „Der Präventionszweck darf nicht dazu führen, die gerechte Strafe zu überschreiten" (BGHSt. 20 264, 267). Das Spektrum des mehrdimensionalen Strafbegriffs ist durch diese Entscheidungen nach allen Seiten ausgeleuchtet. Die Abwägung der verschiedenen Strafzwecke im Einzelfall ist Sache des richterlichen Ermessens im Rahmen des „sozialen Gestaltungsakts" (Dreher) der Strafzumessung. 3. Die Strafe, die nach heute fast einhelliger Ansicht an das Maß der Schuld 35 jedenfalls in dem Sinne gebunden ist, daß sie die Schuldobergrenze aus spezialpräventiven Gründen nicht überschreiten darf (oben Rdn. 33), kann der verbrechensvorbeugenden Aufgabe des Strafrechts nicht immer gerecht werden 4 3 . Einmal kann es sein, daß die Dauer der Freiheitsstrafe nicht ausreicht, um die Sicherung gegenüber dem gefährlichen Täter oder die Resozialisierung einer erziehungsbedürftigen und erziehungsfähigen Persönlichkeit zu gewährleisten. Zvm anderen wird vielfach eine besondere pädagogische und therapeutische Behandlung des Verurteilten erforderlich sein, wie sie in der sozialtherapeutischen Anstalt vorgesehen ist (§ 65 Abs. 3), aber im gewöhnlichen Strafvollzug nach den dort herrschenden Umständen und Bedingungen nicht gewährt werden kann. Die Strafe muß daher durch Maßregeln ergänzt werden, die anders als jene ausschließlich den Zweck haben, der in der Tat und im Charakter des Täters hervorgetretenen Gefährlichkeit seiner Person durch erzieherische, heilende oder sichernde Eingriffe und Vorkehrungen zu begegnen. Gegenüber schuldunfähigen Tätern tritt die Maßregel an die Stelle der Strafe. Strafen und Maßregeln dienen zwar beide dem Schutz der Rechtsordnung gegen das Verbrechen. Für die Strafe ist jedoch die Schuld die unabdingbare Voraussetzung und Grenze, während die Maßregel von der Schuld des Täters unabhängig ist und nur seiner Gefährlichkeit entgegenwirken soll. Die Strafe enthält immer ein sozialethisches Unwerturteil über Tat und Täter. Die Maßregel nimmt dagegen zur Frage der Vorwerfbarkeit der Tat nicht Stellung, sondern hat allein den Schutz der Allgemeinheit und die Neutralisierung der Gefährlichkeit des Täters im Auge. Die Strafe ist repressiver Natur, mag sie mit der Vergeltung der Schuld auch präventive Fernziele verfolgen. Die Maßregel dient dagegen rein präventiven Zwecken. Während die Strafe an das Schuldprinzip gebunden ist (§ 46 Abs. 1 S. 1), ist die Grenze der Maßregel nur der allgemeine rechtsstaatliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62). Man nennt das System, das als Sanktionen der Straftat Strafen und 42

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Daß eine í/níerschreitung der nach dem Schuldmaß verdienten Strafe zulässig sein soll, wird jedoch vielfach angenommen: so Horstkotte JZ 1970 124; Lackner § 46 Anm. 3 b; Gallas-Festschr. S. 127; Roxin Schultz-Festg. S. 473 ff; Bruns-Festschr. S. 184, 197; Rudolph! ZStW 86 (1974) S. 80. Auch Schultz Einführung II S. 63 tritt für diese Möglichkeit ein, verneint sie aber nach geltendem schweizerischen Recht. Hanack LK Rdn. 1 vor § 61 ; Jescheck AT § 8 I 1 ; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit S. 24 ff; Marquardt Vikariieren S. 28 ; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 1 vor § 61 ; Tröndle LK Rdn. 8 vor § 38.

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Einleitung

Maßregeln nebeneinander vorsieht, die Zweispurigkeit, im Unterschied zum System der Einspurigkeit, das entweder nur Strafen oder nur Maßregeln kennt und diesen jeweils die Gesamtaufgabe der Repression wie der Prävention des Strafrechts überträgt. 36

a) Die Entwicklung des Maßregelsystems reicht in das 19. Jahrhundert zurück. Der Gedanke, den Katalog der Strafen durch präventive Reaktionsmittel ohne StrafCharakter zu ergänzen, stammt von Carl Stooß, der in seinem Vorentwurf zu einem schweizerischen StGB von 1893 zum erstenmal den Strafen sichernde Maßnahmen an die Seite gestellt hat 4 4 . Als Kompromißlösung im Schulenstreit (Eb. Schmidt Einführung S. 386 ff) wurde das System der Zweispurigkeit in alle Entwürfe für ein neues deutsches Strafgesetzbuch übernommen (unten Rdn. 62 ff) und zu einem Zeitpunkt, als der kriminalpolitischen Sachdiskussion durch die Machtübernahme des Nationalsozialismus bereits der Boden entzogen war, mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 (RGBl. I S. 995) eingeführt. Auch nach dem zweiten Weltkrieg blieb die Zweispurigkeit als Regelungsmodell des deutschen Sanktionensystems erhalten, jedoch wurde die Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom Jahre 1946 beseitigt. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die im Jahre 1952 wieder aufgenommene Strafrechtsreform konnten sich die prinzipiellen Bedenken gegen das doppelgleisige System und die Vorschläge für eine einspurige Lösung auf der Grundlage der unbestimmten Verurteilung 4 5 nicht durchsetzen. Die überwiegende Meinung im Schrifttum verteidigte die Zweispurigkeit als einen vertretbaren und auch in der Gegenwart noch tragfähigen Kompromiß, wobei nicht so sehr die theoretische Trennung als vielmehr die Wechselwirkung von Strafen und Maßregeln betont wurde 4 6 . Der neue Allgemeine Teil des StGB hat die Maßregeln beibehalten (§61), aber das bestehende System wesentlich verbessert (unten Rdn. 37). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde an der Spitze der Maßregelvorschriften im Gesetz verankert (§ 62). Als Folge des Verhältnismäßigkeitsprinzips wurde die Unterbringung im Arbeitshaus (§ 42 a Nr. 3 a. F.) gestrichen, da eine über das Schuldmaß hinausgehende unbestimmte Freiheitsentziehung gegenüber Kleinkriminellen unverhältnismäßig erschien. Das neue Recht weist jedoch eine schmerzliche Lücke auf. Das Kernstück des Maßregelsystems, die sozialtherapeutische Anstalt (§65), ist noch nicht eingeführt, sondern wurde durch ein Ges. vom 22. 12. 1977

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Stooß SchwZStr 18 (1905) S. 1 ff; SchwZStr44 (1930) S. 262; Schultz Z S t W 8 1 (1969) S. 790 ff; Jescheck SchwZStr 73 (1958) S. 189 ff. Über den internationalen Erfolg dieser Idee Jescheck AT § 9 I 1 Fußnote 2. Dreher ZStW 65 (1953) S. 486 f; Frey SchwZStr 66 (1951) S.295; Dünnebier ZStW 72 (1960) S. 32 ff; Haddenbrock NJW 1959 1565; Heinitz ZStW 63 (1951) S. 76 ff; ZStW 70 (1958) S. 6; Individualisierung S. 25 f; Jescheck Niederschriften Bd. 1 S. 61; Peters Stimmen der Zeit 1956/57 S. 12; Eb. Schmidt ZStW 69 (1957) S. 392 ff; Niederschriften Bd. I S. 51 ff; Sieverts Materialien Bd. I S. 109 ff; Niederschriften Bd. III S. 34 ff; Würtenberger Materialien Bd. I S. 89. Baumann AT §44 I 1; Bockelmann AT § 2 113; Bruns Strafzumessungsrecht S. 221 ff; Jescheck AT § 9 I; Lackner § 61 Anm. 2; Lang-Hinrichsen LK 9 Rdn. 3 vor § 42 a; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit S. 24 ff; Maurach-Zipf AT § 7 IV B; Preisendanz Vorbem. 1 ff vor §61; Schmidhäuser AT 3/30 ff; Einführung S. 223 ff ; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 1 ff vor § 61 ; Tröndle LK Rdn. 10 vor § 38; Zipf, in: Roxin u. a., Einführung S. 88 f; Kriminalpolitik S. 102. (20)

IV. Die Grundbegriffe des Strafrechts (Jescheck)

Einl

(BGBl. I S. 3104) bis zum 1. 1. 1985 hinausgeschoben (zu den Gründen Hanack LK § 65 Rdn. 30 ff). Es gibt zwar in den Bundesländern einzelne Modellanstalten 4 7 , die wegen der Möglichkeit der administrativen Verlegung von Gefangenen während des Strafvollzugs (§ 9 StVollzG) auch praktische Bedeutung haben, doch ist es nicht sicher, ob die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt durch Richterspruch nach § 65 StGB erhalten bleiben oder ob man sich entschließen wird, der „Vollzugslösung" im Endergebnis den Vorzug zu geben (Hanack LK § 65 Rdn. 36 ff). b) Zu den Verbesserungen des Maßregelsystems im neuen Recht zählt einmal die 37 präzisere Fassung der Voraussetzungen ihrer Anordnung, die in dem Bestreben erfolgt ist, nur diejenigen Personen zu treffen, bei denen der Eingriff nach seinem Zweck gerechtfertigt ist (unten Rdn. 38). So sind jetzt die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung (§ 66) wegen ihrer unbestimmten Dauer und wegen der notwendigen Beschränkung auf wirklich gefährliche Täter so hoch angesetzt, daß die Anzahl der Verurteilungen pro Jahr relativ gering geworden ist (Jescheck AT § 5 V 2). Ferner ist die strenge Trennung von Strafen und freiheitsentziehenden Maßregeln auf der Stufe der Anordnung durch ein System der Koordination und des Austausche auf der Ebene des Vollzugs ergänzt worden. Nach § 67 Abs. 1 wird die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, in der Entziehungsanstalt und in der sozialtherapeutischen Anstalt grundsätzlich vor der gleichzeitig verhängten Strafe vollzogen (Vikariierenj 48 . Entscheidend ist dabei die Bestimmung, daß die Zeit des Maßregelvollzugs kraft Gesetzes voll auf die Strafe angerechnet wird (§ 67 Abs. 4) und daß der nach der Anrechnung verbleibende Rest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, auch wenn noch nicht zwei Drittel der verhängten Strafe durch die Anrechnung ausgeglichen sind (§§ 67 Abs. 5 S. 1, 57 Abs. 1). Weiter ist die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel durch Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vorgesehen (§ 67 a). Neu eingeführt sind weiter zwei Möglichkeiten der Aussetzung von Maßregeln zur Bewährung, einmal schon für das erkennende Gericht (§ 67 b Abs. 1), zum andern für die Strafvollstreckungskammer bei Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe, d. h. insbesondere bei der Sicherungsverwahrung (§ 67 c Abs. 1). Endlich kann die Strafvollstreckungskammer die Frage der Aussetzung der Unterbringung als Bewährungschance jederzeit prüfen (§ 67 e Abs. 1) und muß diese Prüfung innerhalb abgestufter Fristen von Amts wegen vornehmen (§ 67 e Abs. 2), so daß sichergestellt ist, daß eine freiheitsentziehende Maßregel nicht länger vollzogen wird, als zur Erreichung des therapeutischen oder Sicherungszweckes unbedingt erforderlich erscheint. Das gegenwärtige System erweist sich damit im ganzen, insbesondere wenn man die spezialpräventiven Modifikationen der Schuldstrafe in die Betrachtung einbezieht, als eine ausgewogene Lösung, die „in erster Linie auf die kriminalpolitisch sachgerechte Einwirkung zielt" 49 . c) Trotz der unbestreitbaren Verbesserungen des Maßregelsystems im neuen 38 Recht gibt es eine Krisis der Zweispurigkeit. Dies ist auch die Erklärung dafür, daß das Ausland dem zweispurigen System vielfach mit Mißtrauen und Kritik begegnet

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Blau ZStW 89 (1977) S. 543 ff; Hilde Kaufmann Kriminologie Bd. III S. 170 ff. Dazu Horn ZStW 89 (1977) S. 554; Marquardt Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens (1972). Hanack Das juristische Konzept S. 70 ff; LK Rdn. 11 vor § 61 ; Jescheck AT § 70 III.

Fini

Einleitung 5Ü

(Jescheck A T § 9 II 3) . Einmal wird die T r e n n u n g von Strafen u n d Maßregeln als doktrinär u n d unpraktisch hingestellt, da es auf die Vollzugs Wirkung u n d nicht auf den theoretischen Sinn der A n o r d n u n g a n k o m m e ; bei den freiheitsentziehenden Maßregeln k ö n n e es aber unter den bestehenden Bedingungen des Strafvollzugs keine ins Gewicht fallenden Unterschiede gegenüber der Freiheitsstrafe geben. Von Kohlrausch (ZStW 44 [1924] S. 33) stammt das b e k a n n t e Wort vom „Etikettenschwindel". Weiter wird die Preisgabe des Schuldprinzips f ü r den Maßregelbereich getadelt, weil der Angeklagte d a d u r c h schwersten Eingriffen in seine Freiheit u n d Persönlichkeit nach dem Ermessen des Gerichts ausgesetzt werde, gegen die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keinen ausreichenden Schutz biete. Endlich wird auf die prozessualen Schwierigkeiten hingewiesen. Der deutsche Strafprozeß sei als reines Tatermittlungsverfahren auf die Persönlichkeitserforschung, die man zur Entscheidung über eine freiheitsentziehende Maßregel braucht, nicht zugeschnitten. A u ß e r d e m lasse sich die erforderliche Begutachtung seiner Persönlichkeit in der H a u p t v e r h a n d l u n g wegen der damit unvermeidlich v e r b u n d e n e n Verfahrensverzögerung u n d auch wegen der Verletzung der Intimsphäre eines noch nicht schuldig gesprochenen Menschen nur in schwerwiegenden Fällen rechtfertigen. Hinzukommen die Schwierigkeiten einer verläßlichen Prognose (dazu Hanack LK Rdn. 101 ff vor § 61). Trotz dieser G e g e n g r ü n d e hat m a n in der deutschen Strafrechtsreform an den Maßregeln mit Freiheitsentzug festgehalten. 39

d) Die Maßregeln b e d ü r f e n j e d o c h ebenso wie die Strafen jedenfalls einer Rechtfertigung. Diese liegt, allgemein gesehen, in ihrem Zweck: die Maßregeln sind notwendige Mittel der Verbrechensvorbeugung^. D a r ü b e r hinaus bedürfen aber auch die einzelnen Maßregeln jede f ü r sich einer Begründung, da sich diese nicht konkret genug aus dem allgemeinen G e d a n k e n ihrer Notwendigkeit ergibt (Jescheck AT § 9 II 1). Die Rechtfertigung ist einfach bei der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) u n d dem Berufsverbot (§ 70). Rechte, die an sich j e d e r m a n n zustehen, dürfen, wenn ihr Träger durch einschlägige Straftaten beweist, d a ß er die zu ihrer Ausü b u n g erforderlichen geistigen, fachlichen, technischen oder charakterlichen Voraussetzungen nicht besitzt, bei erheblicher G e f ä h r d u n g der Allgemeinheit entzogen werden (Gedanke der Verwirkung). Bei den Maßregeln pflegerischer Art wie der Unterbringung im psychiatrischen K r a n k e n h a u s (§ 63) u n d in der Entziehungsanstalt (§ 64) liegt die spezifische Rechtfertigung in der Pflicht des Staates, körperlich oder seelisch kranken Personen, von denen eine kriminelle G e f a h r f ü r die öffentliche Sicherheit ausgeht, eine medizinische oder auch n u r bewahrende Behandlung angedeihen zu lassen, die ihren Zustand bessert, lindert oder wenigstens entschärft (Gedanke der Heilfiirsorge). Mit Rücksicht auf den eindeutigen Vorrang der sozialtherapeutischen Behandlung ( H a n a c k LK § 65 Rdn. 14 ff) gegenüber der reinen Sicherung wird auch die sozialtherapeutische Anstalt (§ 65) mit dem G e d a n k e n der Heilfürsorge zu begründen sein. Die Führungsaufsicht (§ 68) hat zwar eine Doppelfunktion (unten Rdn. 84) ( H a n a c k LK R d n . 3 vor § 68), doch wird man sie wegen der starken Betonung der sozialen K o m p o n e n t e zusammen mit der Bewährungshilfe in die staatliche Aufgabe der Sozialhilfe einordnen können. Problema50

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Hanack LK Rdn. 13 vor § 61 ; Reinhard von Hippel Reform S. 35 ff; Horn SK Rdn. 7; H. Mayer StudB S. 30, 185 (speziell gegen die Sicherungsverwahrung); Nowakowski Vom Schuld- zum Maßnahmerecht S. 1 ff. Hanack LK Rdn. 20 vor § 6 1 ; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit S. 185 ff; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 2 vor § 6 1 ; Stratenwerth SchwZStr 82 (1966) S. 337 ff; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz S. 217 ff. (22)

IV. Die G r u n d b e g r i f f e des Strafrechts (Jescheck)

Einl

tisch bleibt die Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung. Man hat versucht, hier den Gedanken der notwendigen Korrelation von äußerer und innerer Freiheit zum Tragen zu bringen 5 2 , doch hat sich dagegen auch beachtlicher Widerspruch erhoben 5 3 . Wer diesen Gedanken nicht für überzeugend hält, muß sich mit dem allgemeinen Gesichtspunkt begnügen, daß die Sicherungsverwahrung unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 66 nach dem freilich nur begrenzten kriminologischen Erfahrungswissen unserer Zeit 5 4 für die öffentliche Sicherheit nicht entbehrt werden kann. 4. Die bedingte Verurteilung ist die dritte Säule, auf der die moderne Kriminal- 40 politik ruht (Jescheck AT § 8 VI). Das Ziel der bedingten Verurteilung ist es, die begangene Straftat aus general- wie spezialpräventiven Gründen nicht ohne staatliche Reaktion zu lassen, aber den Täter entweder schon mit der Durchführung des Strafverfahrens oder mit dem Strafausspruch oder wenigstens mit der Strafvollstreckung zu verschonen. Verschiedene Möglichkeiten der bedingten Verurteilung kommen danach in Betracht: a) Das vorläufige Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 153 a StPO) 41 bedeutet, daß das Strafverfahren wegen eines Vergehens zwar eingeleitet, jedoch zunächst nicht weitergeführt wird, wenn bestimmte Auflagen und Weisungen (Schadenswiedergutmachung, Zahlung eines Geldbetrages, sonstige gemeinnützige Leistungen, Erfüllung von Unterhaltspflichten) geeignet sind, bei geringer Schuld des Täters das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen 55 . Die quasi-richterliche Entscheidung liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft. Erfüllt der Beschuldigte diese Pflichten, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Der Beschuldigte und das Gericht müssen zustimmen; der Zustimmung des Gerichts bedarf es jedoch nicht bei Vermögensdelikten ohne erhöhte Mindeststrafe, insbesondere also nicht bei einfachem Diebstahl 5 6 . b) Die zweite Möglichkeit, die nach dem Vorbild des anglo-amerikanischen 42 Rechts „probation" genannt wird, besteht darin, daß sich der Richter zunächst auf den bloßen Schuldspruch („conviction") beschränkt, den Strafausspruch („sentence") aber zurückstellt. Dem Verurteilten werden bestimmte Pflichten auferlegt und er wird vor allem der Betreuung und Leitung durch einen „probation-officer" unterstellt, der das Urbild des deutschen Bewährungshelfers ist. Bewährt sich der Verurteilte in der durch den Richter festgesetzten Bewährungszeit, so bleibt es beim Schuldspruch. Die „probation" gibt es in Deutschland nur in der Form der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 27 ff JGG). Eine ihr nahekommende Einrichtung ist die neu eingeführte Verwarnung mit Strafvorbehalt (§§ 59 ff). 52

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So Bruns ZStW 71 (1959) S. 211 f; Bockelmann Niederschriften Bd. I S. 56, 247; Gallas Niederschriften Bd. IV S. 55; Jescheck AT § 9 II 1; Lang-Hinrichsen L K 9 Rdn. 13 f vor § 42 a ; Welzel Lb. § 3 2 III. Hanack LK Rdn. 31 vor § 61 ; Stratenwerth AT I Nr. 51. Göppinger Kriminologie Nr. 4352. Kritik an der neuen Vorschrift bei Baumann Peters-Festschr. S. 3 ff ; Dencker J Z 1973 149 f ; Hanack Gallas-Festschr. S. 339 f f ; Schmidhäuser J Z 1973 529 ff. Mit Recht verteidigt sie Dreher Welzel-Festschr. S. 934 f f ; vgl. ferner Jescheck AT § 8 VI 1 u n d § 81 1 4 ; Kaiser ZStW 90 (1978) S. 898; Hünerfeld ZStW 90 (1978) S. 915 ff. Die von Roxin Strafverfahrensrecht, 15. Aufl. (1979) § 14 Β II 2 b sowie von Zipf PetersFestschr. S. 500 geforderte Festlegung der Ermessenskriterien versucht Weigend Anklagepflicht und Ermessen S. 167 ff vorzunehmen.

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Einleitung

c) Die dritte Möglichkeit der bedingten Verurteilung ist die Strafaussetzung zur Bewährung, bei der nicht nur die Schuld festgestellt, sondern auch die Strafe ausgesprochen wird, aber ihre Vollstreckung für die Dauer der Bewährungszeit unterbleibt. Der Sinn der Strafaussetzung liegt vor allem darin, die Vollstreckung kurzer und mittelfristiger Freiheitsstrafen wegen der damit verbundenen sozialen Schäden für den Verurteilten und seine Familie zu vermeiden, während die generalpräventive Wirkung des Urteils durch den Schuld- und Strafausspruch, der durch Auflagen fühlbarer gemacht werden kann, gewahrt bleibt. Durch die Aussicht auf gänzlichen Erlaß der Strafe verbunden mit geeigneten Weisungen, insbesondere durch Beiordnung eines Bewährungshelfers, werden ferner die positiven Kräfte des Verurteilten mobilisiert und für seine eigene Resozialisierung eingesetzt. In Deutschland ist die Strafaussetzung zur Bewährung erst im Jahre 1953 eingeführt worden, hat aber seither einen mächtigen Aufschwung genommen (Jescheck AT § 5 V I ) . Das neue Recht hat im Zeichen seiner spezialpräventiven Komponente die Strafaussetzung zur Bewährung wesentlich erweitert und die Rolle der Bewährungshilfe verstärkt (§§ 56—56 g) (Zahlen zur Entwicklung der Bewährungshilfe bei Jescheck AT § 79 I 5 d Fußnote 38). Eine Parallele zur Strafaussetzung ist die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 57) (unten Rdn. 83).

V. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs Schrifttum Dreher Das dritte Strafrechtsänderungsgesetz — Materielles Strafrecht — JZ 1953 421 ; Jescheck-Grebing Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht (1978); Lackner Die Strafaussetzung zur Bewährung und die bedingte Entlassung, JZ 1953 428; Lange Das dritte Strafrechtsänderungsgesetz, NJW 1953 1161; Lekschas-Renneberg Strafrecht, Allgemeiner Teil, Lehrbuch (1976); Schaffstein Jugendstrafrecht, 6. Aufl. (1977); Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. (1965); Seidl Der Streit um den Strafzweck zur Zeit der Weimarer Republik (1974); Strauß Zum Andenken an den Preußischen Geheimen Ober-Justizrat Friedrich Wilhelm August Bischoff, JZ 1957 517.

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1. Die Entstehungsgeschichte des Reichsstrafgesetzbuchs von 1871 steht in der Tradition des preußischen Strafrechts (v. Hippel I S. 341 ff; Eb. Schmidt Einführung S. 343 ff) und erfordert deshalb einen Rückblick auf die Gesetze, die in diesem Lande die Vorläufer des RStGB gewesen sind.

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a) Als Musterbeispiel des Gesetzgebungsstils des aufgeklärten Absolutismus hatten Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein den strafrechtlichen Teil des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 (II. Teil, 20. Titel) geschaffen (oben Rdn. 30). An der Reform des Strafrechts des ALR wurde im preußischen Gesetzgebungsministerium seit dem Jahre 1826, zuletzt unter der Leitung v. Savignys als Justizminister, gearbeitet (Eb. Schmidt Einführung S. 251, 314 ff). Das Ergebnis war das dem liberalen Zeitgeist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besser entsprechende Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten von 1851 57 .

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b) Im Gebiet des Norddeutschen Bundes galten nach der Neuordnung der politischen Verhältnisse im Jahre 1867 zunächst acht verschiedene Strafrechtssysteme, 57

Über den Anteil des Geheimen Ober-Justizrats Friedrich Bischoff am Zustandekommen des Reformwerks Walter Strauß JZ 1957 517. (24)

V. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs (Jescheck)

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darunter in Mecklenburg, Bremen und Schaumburg-Lippe noch gemeines Recht auf der Grundlage der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532. Das Bedürfnis nach Rechtseinheit wurde in jener der Reichsgründung vorangehenden Epoche der nationalen Bewegung stark empfunden, und so war schon im Jahre 1849 im preußischen Justizministerium der Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs ausgearbeitet worden. Nachdem im Jahre 1867 auf einen Antrag Laskers die Gesetzgebungskompetenz des Norddeutschen Bundes auf das Strafrecht ausgedehnt worden war, ersuchte Bismarck als Bundeskanzler den preußischen Justizminister Dr. Leonhard um die Vorlage des Entwurfs für ein gemeinsames StGB. Die Leitung der Arbeiten im preußischen Justizministerium übernahm der Geheime Ober-Justizrat Dr. Friedberg, der sich das preußische StGB von 1851 zum Vorbild wählte 5 8 . Der abschließende Entwurf für das norddeutsche StGB wurde im Jahre 1870 dem Reichstag des Norddeutschen Bundes zur Beschlußfassung vorgelegt. Die Vollendung des Gesetzeswerks wäre aber fast noch an dem Meinungsstreit über die Todesstrafe gescheitert, die vom Reichstag in zweiter Lesung mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, während sie der Bundesrat als absolut notwendig erachtete. Es bedurfte des zweimaligen Eingreifens Bismarcks in die Debatte, um in der dritten Lesung schließlich eine knappe Mehrheit für die Todesstrafe zustande zu bringen 5 9 . Am 31.5. 1870 wurde sodann das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund verkündet (BGBl. S. 195). c) Nach dem Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund durch 47 die Novemberverträge von 1870 in Versailles wurde das StGB des Norddeutschen Bundes durch das Gesetz über die Reichsverfassung vom 16. 4. 1871 (BGBl. S. 63) zum Reichsgesetz erklärt (§ 2 Abs. 2). Ein Reichsgesetz vom 15. 5. 1871 (RGBl. S. 127) gab ihm die Bezeichnung Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich und die durch die Änderung der staatsrechtlichen Verhältnisse erforderlich gewordene Form. 2. Die Novellen zum StGB aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg waren durch 48 politische und wirtschaftliche Ereignisse und Krisen bedingt 6 0 . Der Kulturkampf brachte die Einführung des Kanzelparagraphen (§ 130 a a. F.), das Angebot des Belgiers Duchesne an den Erzbischof von Paris zur Ermordung Bismarcks den § 49 a a. F., der Konflikt Bismarcks mit dem früheren deutschen Botschafter in Paris Graf Harry Arnim den § 353 a a. F. über den Vertrauensbruch im Auswärtigen Dienst, die Gründerzeit das Wucherstrafrecht (§§ 302 a—e a. F.), die entstehende Großstadtprostitution den Zuhälterparagraphen (§ 181 a a. F.). Einen sozialen Zug hatte die letzte Strafrechtsnovelle des Kaiserreichs vom 19. 6. 1912 (RGBl. S. 395). Sie führte für einige geringere Vergehen Geldstrafe anstelle von Gefängnis ein, schuf die nicht rückfallbegründenden Notdelikte (§§ 248 a, 264 a a. F.) und erweiterte den Anwendungsbereich des Mundraubs (§ 370 Nr. 5 a. F.). 3. Das kriminalpolitische Reformwerk der Weimarer Republik entstand aus den 49 geistigen Auseinandersetzungen der wenigen Jahre, die der deutschen Demokratie vor der Katastrophe von 1933 vergönnt waren. Die politische Umgruppierung nach 58 59

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Vgl. die Begründung des Entwurfs eines StGB für den Norddeutschen Bund (1870) S. 28. Vgl. die Reden Bismarcks zur Todesstrafe, Stenograph. Berichte über die Verh. des Reichstages des Nordd. Bundes (1870) Bd. I S. 129, 131; Bd. II S. 1122. Vgl. näher v. Hippel I S. 346 ff; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 23.

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Einleitung

dem verlorenen Weltkrieg ließ neue parlamentarische Kräfteverhältnisse entstehen, das Bemühen um die Verbesserung der Sozialpolitik förderte das Verständnis auch f ü r die Kriminalpolitik, der wachsende E i n f l u ß der m o d e r n e n Strafrechtsschule auf die öffentliche Meinung u n d der Eintritt f ü h r e n d e r Strafrechtslehrer aus beiden Lagern 6 1 (Gustav Radbruch, Wilhelm Kahl) in die aktive Politik führten zu einem U m d e n k u n g s p r o z e ß in der Einstellung der Politiker u n d weiter Kreise der Bevölkerung zur Kriminalität und zur Behandlung von Kriminellen 6 2 . Das Straftilgungsgesetz von 1920 (RGBl. S. 507) tat den ersten Schritt auf dem Wege der Rehabilitierung verurteilter Straftäter 6 3 . Die Geldstrafengesetze von 1921 — 1924 brachten, n a c h d e m sich das Häufigkeitsverhältnis zwischen Freiheits- u n d Geldstrafe immer mehr zugunsten der letzteren verschoben h a t t e 6 4 , die erste Geldstrafenreform. Eingeführt wurden eine allgemeine Umwandlungsvorschrift bei Freiheitsstrafe unter drei M o n a t e n (§ 27 b a. F.), die der Vorläufer des heutigen § 47 gewesen ist, die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bei der Bemessung der Geldstrafe (§ 27 c a. F.) u n d die Möglichkeit der E i n r ä u m u n g von Zahlungserleichterungen (§ 28 a. F.). Das Jugendgerichtsgesetz von 1923 (RGBl. I S. 315) verwirklichte die ersten Forderungen der Jugendrechtsbewegung. Die Strafmündigkeitsgrenze wurde von 12 auf 14 J a h r e heraufgesetzt, die Strafe durch Erziehungsm a ß n a h m e n ergänzt u n d die Strafaussetzung zur Bewährung eingeführt. A u ß e r d e m wurden die schon seit dem J a h r e 1908 durch die Geschäftsverteilungspraxis geschaffenen Jugendgerichte legalisiert u n d das Jugendstrafverfahren den pädagogischen Erfordernissen angepaßt. Als Ersatz f ü r die in Deutschland erst 1953 eingeführte Strafaussetzung zur Bewährung f ü r Erwachsene wurde die seit 1907 besteh e n d e bedingte Begnadigung im Jahre 1920 den erkennenden Gerichten übertragen (ζ. B. in Preußen u n d Bayern). Die auf Initiative von Gustav Radbruch als Reichsjustizminister von den Landesregierungen vereinbarten „Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen" von 1923 (RGBl. II S. 263) leiteten die Reform des Strafvollzugs ein. Das Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933 (RGBl. I S. 995) schloß mit der E i n f ü h r u n g der Zweispurigkeit (oben R d n . 36) die Entwicklungslinie der Strafrechtsentwürfe ab, gehörte aber bereits einer Zeit an, die binnen kurzem den „ Z u s a m m e n b r u c h der deutschen Strafrechtspflege" (Eb. Schmidt) zur Folge haben sollte. 50

4. Die Strafgesetzgebung der Zeit von 1933 bis zur Begründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 brachte zunächst die Eingriffe des totalitären Regimes, das den liberalen Rechtsstaat der Weimarer Republik alsbald zerstört u n d die hoffnungsvollen A n f ä n g e einer m o d e r n e n Kriminalpolitik erstickt hat, d a n a c h als Reaktion der Besatzungsmächte die Beseitigung der schlimmsten Auswüchse der

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Die moderne Schule, nach Franz v. Liszts Tode (1919) durch Eduard Kohlrausch angeführt, fand ihren organisatorischen Zusammenschluß in der deutschen Landesgruppe der IKV, die trotz der Auflösung des internationalen Verbandes als Folge des Krieges nach 1920 bis 1932 bestehen blieb. Die klassische Schule, die nach Bindings Tode (1920) von Friedrich Oetker und August Finger geführt wurde, Schloß sich in der Deutschen strafrechtlichen Gesellschaft zusammen. Eb. Schmidt Einführung S. 405 ff ; Seidl Der Streit um den Strafzweck zur Zeit der Weimarer Republik (1974). Zur Strafgesetzgebung der Weimarer Zeit Eb. Schmidt Einführung S. 408 ff ; HeimannTrosien LK 9 Einleitung Rdn. 23. Jescheck-Grebing Die Geldstrafe S. 32. (26)

V. Entstehung und Reform des Strafgesetzbuchs (Jescheck)

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NS-Zeit, aber auch die unglückselige Teilung Deutschlands in die Bundesrepublik und die D D R , wobei der Verlust der nationalen Einheit unvermeidlich auch mit dem Verlust der Rechtseinheit verbunden war 6 5 . a) Die Änderungen des StGB durch die Gesetzgebung des Nationalsozialismus 51 sind nur zum kleinsten Teil von Bestand geblieben. Bei den Neuerungen, die überlebt haben, handelt es sich einmal um die Verwirklichung von Reformen aus dem kriminalpolitischen Gedankengut der Weimarer Zeit, weiter um die Übernahme bewährter österreichischer Rechtseinrichtungen nach 1938, endlich um den mit Eifer betriebenen Ausbau des Jugendrechts. Das übrige ist nur in negativem Sinne der Erwähnung wert. Die Sondergesetzgebung, die mit der Vorbereitung des zweiten Weltkriegs einsetzte, zeigte offen den Übergang zum politischen Terror durch hemmungslose Ausdehnung der Todesstrafe als Mittel zur Durchsetzung der Ziele der Machthaber 6 6 . Außerhalb der Strafjustiz, von einzelnen Richtern und Staatsanwälten aber nach Kräften behindert, vollzog sich die Verbrechensbekämpfung durch die „Entfesselung polizeilicher Gewalt" (Eb. Schmidt). Vernichtungshaft im Konzentrationslager für politische Gegner und Gewohnheitsverbrecher, polizeiliche Vorbeugungshaft für Rückfällige, Jugend„schutz"-Lager für jugendliche Straftäter, Erschießung von besonders mißliebigen Personen bei „Fluchtversuchen" waren die Mittel eines Systems, das je länger, je mehr dem totalen Untergang entgegentrieb, aber zuvor noch möglichst viele Opfer in diesen hineinziehen wollte. Abgesehen vom Gewohnheitsverbrechergesetz von 1933, das außer den Maßregeln der Sicherung und Besserung die Strafmilderung für vermindert Zurechnungsfähige (§ 51 Abs. 2 a. F.) und die Strafvorschrift gegen den Vollrausch (§ 330 a) gebracht hat, sind als Zeugnisse aus der Zeit von 1933—1945 im Allgemeinen Teil die limitierte Akzessorietät der Teilnahme (heute §§ 26—29) und die Umwandlung der obligatorischen in eine fakultative Strafmilderung beim Versuch (heute § 23 Abs. 2) zu nennen, im Besonderen Teil die Umgestaltung der Tötungsverbrechen und die Einführung der Strafvorschrift gegen die Unfallflucht 6 7 . Bemerkenswert war vor allem die Fortentwicklung des Jugendkriminalrechts. Das J G G von 1943 (RGBl. I S. 635) trennte das Sanktionensystem für Jugendliche ganz vom Erwachsenenstrafrecht ab, gliederte die Rechtsfolgen der Jugendstraftat in Erziehungsmaßnahmen, Zuchtmittel (Jugendarrest!) und Jugendgefängnis (auch von relativ unbestimmter Dauer) und schuf als Maßnahme der Rehabilitierung die „Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch". b) Die Reaktion der Besatzungsmächte auf die Herrschaft des Nationalsozialis- 52 mus bestand auf dem Gebiet der Strafgesetzgebung im Allgemeinen Teil in der Beseitigung der Analogievorschrift und der Wahlfeststellung (§§ 2, 2 b a. F.) sowie der Maßregel der Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher (§ 42 k a. F.), ferner in der Aufhebung zahlreicher Straftatbestände des Besonderen Teils durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 von 1946 (Kontrollrats-Amtsblatt S. 55). Die Teilung Deutschlands führte alsbald zu einer ausgedehnten Strafgesetzgebung der D D R nach dem Muster der sozialistischen Ideologie sowjetischer Prägung, sie gipfelte im Erlaß des StGB der Deutschen Demokratischen Republik von 1968 (GBl. D D R S. 1), das eine Konsolidierung des Strafrechts im anderen Teile Deutschlands, aber 65 66 67

(27)

Zur Entwicklung des Strafrechts in der D D R Jescheck AT 2 § 9. Eb. Schmidt Einführung S. 432 ff. Übersicht über die Gesetzgebung des Nationalsozialismus bei Heimann-Trosien leitung Rdn. 24.

LK 9 Ein-

Einl

Einleitung

auch die strikte Abkehr von den Prinzipien des westeuropäischen wußtseins gebracht hat 6 8 .

Rechtsbe-

53

5. Die Strafgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland hat zur Vorbereitung der großen Reform die Grundlagen des liberalen Rechtsstaats und einer modernen Kriminalpolitik wiederhergestellt. Erreicht wurden zunächst die Bereinigung des Textes des StGB, die Beseitigung der Überreste aus der Zeit des totalitären Herrschaftssystems, die Korrektur zu weit gegangener Eingriffe der Besatzungsmächte, die Anpassung des Strafrechts an die Anforderungen des Grundgesetzes und die Wiederherstellung der Rechtseinheit innerhalb der Bundesrepublik 6 9 .

54

a) Grundlegende für den Geist des neuen Rechts charakteristische Vorschriften enthielt bereits das Grundgesetz von 1949 mit der Garantie der Menschenwürde als Basis der gesamten Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik (Art. 1), mit der Abschaffung der Todesstrafe (Art. 2) und der Aufnahme des Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 103 Abs. 2) sowie der Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung (Art. 104) in die Verfassung (oben Rdn. 9).

55

b) Im StGB wurden die Grundlagen des liberalen Rechtsstaats und einer sowohl humanen als auch effizienten Kriminalpolitik erneuert. Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 15.7. 1951 (BGBl. I S. 458) schuf aus aktuellem Anlaß den § 234 a über die Verschleppung und den § 241 a über die politische Verdächtigung. Das StrÄndG vom 30. 5. 1951 (BGBl. I S. 739) brachte das erste, noch von den tiefen Spannungen mit der D D R geprägte politische Strafrecht der Bundesrepublik. Das 1. Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. 12. 1952 (BGBl. I S. 832) führte als neue Maßregel die Entziehung der Fahrerlaubnis ein. Eine durchgreifende Neuordnung des Strafrechts als Vorstufe der großen Strafrechtsreform war dem 3. StrÄndG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 735) zu danken 7 0 . Das Kernstück des neuen Rechtsfolgensystems war die Einführung der Strafaussetzung zur Bewährung und der bedingten Entlassung (§§ 23—26 a. F.). Weiter wurde das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 G G in § 2 Abs. 1 a. F. wörtlich übernommen, das Verbot rückwirkender Strafschärfung ausdrücklich ausgesprochen (§ 2 Abs. 2 S. 1 a. F.), die obligatorische Rückwirkung des milderen Gesetzes wiederhergestellt (§ 2 Abs. 2 S. 2 a. F.), die Strafbarkeit der erfolglosen Beihilfe (früher § 49 a Abs. 3) beseitigt und bei den erfolgsqualifizierten Delikten das Schuldprinzip verwirklicht (§ 56 a. F.). Seit der Neufassung des StGB durch die Bekanntmachung vom 15. 8. 1953 (BGBl. I S. 1083) trägt das Gesetz die schlichte Bezeichnung „Strafgesetzbuch"; der Zusatz „für das Deutsche Reich" ist gefallen, weil es ein Deutsches Reich, für das die Bundesrepublik Gesetze erlassen könnte, nicht mehr gibt. Das 4. StrÄndG vom 11. 6. 1957 (BGBl. I S. 597) regelte den Schutz der Landesverteidigung und die Erstreckung einzelner Strafvorschriften auf den Schutz der Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts. Das 6. StrÄndG vom 30. 6. 1960 (BGBl. I S. 478) bedrohte die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit Strafe (§ 96 a a. F.) und verschärfte § 130 über die Volksverhetzung sowie § 189 über die Beschimpfung des Andenkens Verstorbener zum Zwecke der wirksameren Bekämpfung des Neonazismus. Das 7. StrÄndG vom 1.6. 1964 (BGBl. I S. 337) 68

Zum StGB der D D R Jescheck AT 2 § 9 IV; Lekschas-Renneberg Lehrbuch (1976). Übersicht über die Gesetzgebung der Bundesrepublik bei Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 25. 70 Dreher JZ 1953 421; Lackner JZ 1953 428; Lange NJW 1953 1161.

69

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VI. Die Strafrechtsentwürfe (Jescheck)

Einl

erweiterte die Sprengstofftatbestände (§§ 311—311 c a. F.). Das 2. Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. 11. 1964 (BGBl. I S. 921) führte das Fahrverbot als Nebenstrafe für Straftaten bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers ein und verschärfte die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis. Zum Schutz der Vertraulichkeit des Wortes schuf das Ges. vom 22. 12. 1967 die §§ 298, 353 d a. F. Das EGOWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I S. 503) regelte in den §§ 4 0 - 4 2 a. F. das Recht der Einziehung und Unbrauchbarmachung, führte in § 50 Abs. 2 a. F. die obligatorische Versuchsmilderung für den Extraneus bei strafbegründenden persönlichen Merkmalen ein und brachte in § 50 a a. F. eine neue Strafbestimmung über das „Handeln für einen andern". Das 8. StrÄndG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I S. 751) reformierte das politische Strafrecht im liberalen Sinne. Die große Strafrechtsreform wurde durch die beiden Reformgesetze von 1969 zu einem vorläufigen Abschluß gebracht (vgl. unten Rdn. 74). c) Einen wichtigen Schritt zur Entkriminalisierung des Bagatellstrafrechts hat 56 die Bundesrepublik mit der Einführung des Ordnungswidrigkeitenrechts (oben Rdn. 10—12) getan. Die Neuordnung dieses Rechtsgebiets ist durch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I S. 481) abgeschlossen worden. d) Die Fortentwicklung des Jugendkriminalrechts im Anschluß an die Jugendge- 57 richtsgesetze von 1923 (oben Rdn. 49) und 1943 (oben Rdn. 51) hat durch das J G G vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 751) stattgefunden. Verbessert wurde insbesondere die Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung und der Bewährungshilfe. Neu eingeführt wurde die Einbeziehung der „Heranwachsenden" bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres in das Jugendstrafrecht, sofern bestimmte Voraussetzungen gegeben sind (§ 105 JGG). Insgesamt hat „der westdeutsche Gesetzgeber mit dem J G G 1953 besonders sorgfältige und wertvolle Arbeit geleistet" 71 .

VI. Die Strafrechtsentwürfe Schrifttum Aschrott-v. Liszt Die Reform des RStGB, Bd. I, II (1910); Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform (1963); Baumann Von den Möglichkeiten einer Laufzeitgeldstrafe, JZ 1963 733; Baumann Konsequenzen aus einer Reformarbeit usw., Radbruch-Gedächtnisschr. (1968) S. 337; Gallas Der dogmatische Teil des AE, ZStW 80 (1968) S. 1 ; Göppinger Kriminologie, 2. Aufl. (1973); Grünwald Das Rechtsfolgensystem des AE, ZStW 80 (1968) S. 89; Gärtner Das kommende deutsche Strafrecht. Allg. Teil, 1. Aufl. (1934), 2. Aufl. (1935); HeinitzWiirtenberger-Peters Gedanken zur Strafrechtsreform (1965); v. Hippel Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen in den Entwürfen, ZStW 42 (1921) S. 404, 525; Jescheck Entwicklung, Aufgaben und Methoden der Strafrechtsvergleichung (1955); Jescheck Die weltanschaulichen und politischen Grundlagen des E 1962, ZStW 75 (1963) S. 1 ; Jescheck Die kriminalpolitische Konzeption des AE, ZStW 80 (1968) S. 54; Jescheck Rechtsvergleichung als Grundlage der Strafprozeßreform, ZStW 86 (1974) S. 761 ; Armin Kaufmann Die Dogmatik im AE, ZStW 80 (1968) S. 34; Kohlrausch Fortschritte und Rückschritte in den kriminalpolitischen Bestimmungen des neuesten Strafgesetzentwurfs, MittlKV 3 (1928) S. 5; Krebs Freiheitsentzug (1978); Lang-Hinrichsen Die rechtsvergleichenden Vorarbeiten für die große Strafrechtsreform, ZStW 66 (1954) S. 483; H. Mayer Strafrechtsreform für heute und morgen (1962); Müller-Emmert

71

(29)

Schaffstein Jugendstrafrecht § 5 III.

Einl

Einleitung

Die Chancen für ein zukunftsweisendes fortschrittliches Strafrecht, NJW 1966 711; Nowakowski Der Beitrag des deutschen Juristentages zur gesamtdeutschen Strafrechtsreform, DJTFestschr. Bd. I (1960) S. 55; Peters und Lang-Hinrichsen Grundfragen der Strafrechtsreform (1959); Radbruch Regierungsvorlage 1922 und Reichsratsvorlage 1924, ZStW 45 (1925) S. 417; Eb. Schmidt Die Reform des Strafrechts im Rückblick auf Berliner Impulse usw., Verh. des 41. DJT, Bd. II (1956) S. 2; Eb. Schmidt Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. (1965); Schultz Kriminalpolitische Bemerkungen zum Entwurf eines StGB, JZ 1966 113.

58

1. Die große Strafrechtsreform ist nicht allein das Werk unserer Generation gewesen, sondern m u ß als Abschluß eines langen historischen Prozesses verstanden werden, der das Zeitalter von der J a h r h u n d e r t w e n d e bis zur Gegenwart u m f a ß t . Der äußere Ausdruck dieser Entwicklung sind die a u f e i n a n d e r folgenden Entwürfe f ü r ein neues StGB gewesen, die das einschlägige G e d a n k e n g u t mehrerer Epochen der deutschen Geistesgeschichte in sich a u f g e n o m m e n haben u n d in ihrem Schicksal auch die neuere politische Geschichte Deutschlands in ihren Blütezeiten u n d Katastrophen widerspiegeln.

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a) Am Ausgangspunkt stand die Erkenntnis von der Reformbediirftigkeit des deutschen Strafrechts. Das R S t G B von 1871, das noch von dem autoritären Geist des C o d e pénal von 1810 u n d der strengen Vergeltungsidee der Philosophie Kants u n d Hegels (oben R d n . 29) bestimmt war, k o n n t e weder den A n f o r d e r u n g e n des in schneller Entwicklung begriffenen Industriezeitalters an ein soziales Strafrecht genügen, noch die Fortschritte, die die Strafrechtswissenschaft inzwischen gemacht hatte, in sich a u f n e h m e n , noch die Erkenntnisse der entstehenden Kriminologie in zeitgerechte Strafrechtssätze umformen 7 2 . Was not tat, waren in der Kriminalpolitik die Einschränkung der Freiheitsstrafe, die im Jahre 1882 bei Vergehen mit 7 5 % aller Verurteilungen die Geldstrafe an Häufigkeit noch um das Dreifache übertraf, eine den Tätertypen angepaßte B e k ä m p f u n g der Rückfallkriminalität, M a ß n a h m e n gegen das Gewohnheits- u n d Berufsverbrechertum, ein den pädagogischen Erfordernissen angepaßtes Jugendstrafrecht, die Möglichkeit medizinischer, insbesondere psychotherapeutischer Behandlung von Tätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Erforderlich waren weiter die Ausgliederung der Bagatelldelikte aus dem kriminellen Strafrecht u n d die Reform des Strafvollzugs an H a u p t u n d Glied e r n ^ . Auch in der Strafrechtsdogmatik hatten sich die Akzente verschoben ( Jescheck LK R d n . 12—21 vor § 13). Die f ü r den Liberalismus des 19. J a h r h u n d e r t s eigentümliche Gleichsetzung der Straftat mit der Verletzung des geschützten H a n d lungsobjekts u n d die damit v e r b u n d e n e Überbewertung des Taterfolgs hatte zu einem streng objektivistischen, auf den vom Täter verursachten Schaden ausgerichteten Konzept der Voraussetzungen der Strafbarkeit geführt. Demgegenüber verlangte das sozialethische Verständnis der Straftat die Berücksichtigung des Willens u n d der Motive des Täters u n d führte zu einer Hervorhebung der subjektiven M o m e n t e unter den Voraussetzungen der deliktischen Handlung. Die Strafrechtswissenschaft gelangte damit zur A n e r k e n n u n g subjektiver Unrechtsmerkmale, zum A u f b a u der normativen Schuldlehre mit allen Konsequenzen für die Irrtumsproble-

72

Nach einem Worte Franz v. Liszts Verhandlungen des 26. DJT (1902) Bd. I S. 262 war das RStGB „bei seiner Geburt bereits veraltet". Vgl. ferner E 1962 Begründung S. 93: „ein Werk, das mehr eine vorausgegangene Entwicklung bedeutungsvoll abschloß, als eine künftige Entwicklung eröffnete". Zu den „Pionieren des Gefängniswesens" Krebs Freiheitsentzug S. 33 ff. (30)

VI. Die Strafrechtsentwürfe (Jescheck)

Einl

matik, zur Neuordnung der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe und schließlich zu einem objektiv-subjektiven Unrechtsbegriff. In der Kriminologie entstanden an mehreren Stellen die Ansätze eines neuen Bildes der Kriminalität und der Mittel ihrer Bekämpfung. Zu nennen sind die Lehren des italienischen Positivismus (Lombroso, Ferri, Garofalo) und der französischen Kriminalsoziologie (Lacassagne, Tarde), die Ergebnisse der Kriminalstatistik (Quetelet, Guerry, v. Mayr) und die Anfänge der Kriminalpsychiatrie (Kraft-Ebing, Kraepelin, Wilmanns, AschafjenburgP4 Alle diese Impulse haben in der „gesamten Strafrechtswissenschaft" Franz v. Liszts Aufnahme gefunden und erforderten angemessene Berücksichtigung in der Gesetzgebung zur Reform des Strafrechts. b) Die Strafrechtsreform wurde ermöglicht durch die Zusammenarbeit der Straf- 60 rechtsschulen, soweit es sich nicht um Vertreter extremer oder doktrinärer Positionen handelte, die sich selbst abseits stellten. Das Startzeichen für die Reformarbeiten gab im Jahre 1902 der 26. Deutsche Juristentag in Berlin durch die Entschließung: „Die Revision des deutschen StGB vom 15. Mai 1871 ist eine dringende Aufgabe der Reichsgesetzgebung" 75 . Die Führer der beiden Strafrechtsschulen, Franz v. Liszt und Wilhelm Kahl, vereinigten sich in einer gemeinsamen Erklärung, die ihre Zusammenarbeit einleitete 76 . Der gemeinsame Nenner dieses Konsenses bestand in der Vereinigungstheorie (oben Rdn. 31), in der Zweispurigkeit (oben Rdn. 36) und im Bekenntnis zum liberalen Rechtsstaat. c) Zu einem wichtigen Hilfsmittel für die Reformarbeiten wurde die Strafrechts- 61 vergleichung. Nachdem diese schon im 19. Jahrhundert bedeutsame Anregungen zur Strafprozeßreform 7 7 und zur Gestaltung des preußischen und des norddeutschen StGB beigetragen hatte 7 8 , schlug der Staatssekretär im Reichsjustizamt Dr. Nieberding im Jahre 1902 in einem Schreiben an führende deutsche Strafrechtslehrer die Bildung eines freien wissenschaftlichen Komitees vor, das als Grundlage für den Entwurf des neuen StGB eine umfassende rechtsvergleichende Untersuchung einleiten sollte. Diese Vorarbeit wurde geleistet durch die sechzehnbändige „Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts" (1905—1909), an der fast alle deutschen Strafrechtslehrer mitgewirkt haben. Man konnte sich dabei stützen auf das zweibändige Handbuch von v. Liszt-Crusen „Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung", das wenige Jahre zuvor erschienen war (1894, 1899). Zu der „Vergleichenden Darstellung" traten später weitere rechtsvergleichende Vorarbeiten, so „Die Behandlung wichtiger Fragen der Strafrechtsreform in der ausländischen Gesetzgebung" von Mittermaier, Hegler und Kohlrausch sowie die rechtsvergleichende Untersuchung von Hegler „Feindliche Handlungen gegen fremde Staaten" (Deutsches Reich, IV. Wahlperiode, 21. Ausschuß, Drucksache Nr. 289). Auch die große Strafrechtsreform der Jahre 1954—1969 ist durch zahlreiche rechtsvergleichende Arbeiten in systematischer Ordnung vorbereitet worden, die in dem Freiburger Institut für ausländisches

74

Zur Geschichte der Kriminologie Göppinger Kriminologie 3.13. Verh. 26. DJT (1902) Bd. II S. 681. Über den Beitrag des deutschen Juristentages zur gemeindeutschen Strafrechtsreform Nowakowski DJT-Festschr. S. 55 ff. 76 W. Kahl und F. v. Liszt DJZ 1902 301, 303. Vgl. dazu Eb. Schmidt Berliner Impulse S. 2 ff. 77 Jescheck ZStW 86 (1974) S. 761 ff. 7 8 Jescheck Entwicklung S. 10 ff. 75

(31)

Einl und internationales Strafrecht, Namens, entstanden sind 7 9 .

Einleitung

dem

heutigen

Max-Planck-Institut

gleichen

62

2. Die Entwürfe vor dem ersten Weltkrieg gingen vom Gedankengut der klassischen Schule aus, schlugen aber allmählich den Weg zu Kompromißlösungen ein, die unter Preisgabe doktrinärer Vorurteile und extremer Positionen zu einer sachgerechten Kriminalpolitik hinführten. Daß dem Reformwerk kein Erfolg beschieden war, ist allein auf die Ungunst der politischen Verhältnisse zurückzuführen.

63

a) Im Jahre 1906 trat im Reichsjustizamt eine Kommission von Praktikern unter der Leitung des preußischen Ministerialdirektors Dr. Lucas zusammen, die im Jahre 1909 den „Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch" vorlegte. Der Text mit Begründung wurde der Öffentlichkeit übergeben. Der Entwurf verbesserte das System der Freiheitsstrafen, führte in besonders leichten Fällen den Verweis ein, paßte die Geldstrafe den finanziellen Verhältnissen des Täters an, tat den Schritt zur bedingten Strafaussetzung und zu den sichernden Maßregeln, enthielt Vorschriften über die Rehabilitation des Verurteilten, stellte bei der Strafe gegenüber Jugendlichen den Erziehungsgedanken in den Vordergrund und regelte die Entschädigung des Verletzten. Die kriminalpolitische Grundrichtung des Vorentwurfs fand eine günstige Aufnahme in Wissenschaft und Praxis sowohl bei der klassischen als auch bei der modernen Richtung 8 0 .

64

b) Ebenfalls im Spielraum des Kompromisses, aber schon stärker auf der Linie der modernen Schule lag der von den Professoren Goldschmidt, Kahl, v. Lilienthal und v. Liszt ausgearbeitete „Gegenentwurf" von 1911. Der Entwurf führte die Schutzaufsicht als Vorläuferin der Bewährungshilfe ein, beseitigte die zeitliche Überschneidung von Zuchthaus- und Gefängnisstrafe, enthielt Vorschriften über den unterschiedlichen Vollzug der verschiedenen Strafarten, erklärte die Gewerbsund Gewohnheitsmäßigkeit zu einem allgemeinen Strafschärfungsgrund, baute das zweispurige System der sichernden Maßregeln aus und schuf die Straftilgung zur Rehabilitation des Verurteilten. Die Übertretungen wurden vom Hauptteil des Strafgesetzbuchs abgetrennt und mit einem eigenen Allgemeinen Teil versehen 8 !.

65

c) Die beiden Entwürfe hatten eine lebhafte öffentliche Diskussion ausgelöst. Auf dieser Grundlage sollten die Reformarbeiten fortgesetzt werden. Im Jahre 1911 trat im Reichsjustizamt eine neue Kommission zunächst mit Ministerialdirektor Dr. Lucas als Vorsitzendem, später unter der Leitung von Wilhelm Kahl zusammen, der außer diesem aus dem Kreise der Professoren noch Reinhard Frank und Robert v. Hippel angehörten. Aufgabe der Kommission war die Ausarbeitung eines Regierungsentwurfs. Das Ergebnis ihrer Arbeiten war der „Kommissionsentwurf" von 1913. Er führte einen besonderen Abschnitt über die Maßregeln der Besserung und Sicherung mit der Sicherungsverwahrung als Kernstück ein und sah die Schutzaufsicht für Jugendliche vor. Die Vorlage des Entwurfs an den Reichstag wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs und den politischen Umsturz im November 1918 verhindert 8 2 . 79

80

81 82

Rechtsvergleichende Arbeiten, Teil I (Allgemeiner Teil), Mat. Bd. II (1954); Teil II (Besonderer Teil), Mat. Bd. II (1955). Dazu Lang-Hinrichsen ZStW 66 (1954) S. 483 ff und die Würdigung von Schafheutie ZStW 76 (1964) S. 510 ff. Zum Vorentwurf Aschrott-v. Liszt, Reform des RStGB, Bd. I, II (1910); Eb. Schmidt Einführung S. 395 f; v. Hippel I S. 360 ff. Zum Gegenentwurf Eb. Schmidt Einführung S. 396 f. Zum Kommissionsentwurf und zur weiteren Entwicklung v. Hippel I S. 364 ff. (32)

VI. Die Strafrechtsentwürfe (Jescheck)

Einl

3. Die Entwürfe der Weimarer Zeit sind Ausdruck des starken Erneuerungswil- 66 lens, der Parlament, Justizministerien und Strafrechtswissenschaft in jenem kurzen Jahrzehnt beseelte. Die Entwicklung führte im Jahre 1922 mit dem Entwurf Gustav Radbruchs — ähnliches gilt in Italien für das „Progetto preliminare" (1921) von Enrico Ferri — zu einem wahren Höhepunkt im Sinne der Forderungen der modernen Schule, um dann wieder mehr in das traditionelle Fahrwasser der Kriminalpolitik der Kompromisse zurückzukehren, bis mit dem Jahre 1933 der Geist des liberalen Rechtsstaats und damit auch die Chance einer humanitären Strafrechtsreform versank. a) Noch im Frühjahr 1918 wurde der Kommissionsentwurf im Reichsjustizamt 67 überarbeitet und nach dem Umsturz den veränderten staatlichen Verhältnissen des Reiches und der Länder angepaßt. Auf diese Weise entstand der „Entwurf 1919", der im Jahre 1920 zusammen mit dem Kommissionsentwurf von 1913 und einer Denkschrift veröffentlicht wurde 8 3 . Der Entwurf führte den Gedanken der Abscheidung der Übertretungen aus dem Strafrecht weiter, indem er für diese nur Geldstrafe vorsah und Maßregeln der Besserung und Sicherung ausschloß. Ferner wurde zwecks Vermeidung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen die bedingte Strafaussetzung erheblich erweitert und eine Prioritätsregel zugunsten der Geldstrafe bei wahlweiser Androhung von Freiheits- und Geldstrafe vorgesehen. Das Jugendstrafrecht wurde in einen besonderen Abschnitt des StGB verwiesen, was eine Vorstufe zu der selbständigen Regelung im J G G von 1923 darstellte (oben Rdn. 49). Der E 1919 fand auch in Österreich ein lebhaftes Echo. Ein österreichischer Gegenentwurf wurde aufgestellt und damit die deutsch-österreichische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafrechtsreform eingeleitet, die mit dem gleichzeitigen Inkrafttreten der beiden zwar nicht gleichen, aber doch in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Strafgesetzbücher beider Länder im Jahre 1975 ihre späte Erfüllung gefunden hat. b) Der Entwurf 1922, dessen Begründung Gustav Radbruch als Reichsjustizmini- 68 ster persönlich niedergeschrieben hat, tat die entscheidenden Schritte in die Zukunft. Die großen Reformideen Radbruchs, die an Franz v. Liszt und die IKV anknüpften, haben sich zwar in der Weimarer Republik letztlich nicht durchsetzen können, sie haben jedoch in der Strafrechtsreform von 1969 ihre volle Verwirklichung gefunden. Der E 1922 beseitigte die Todesstrafe als einen „Fremdkörper" in einem „auf Geldstrafe und Freiheitsentziehung aufgebauten Strafensystem", ersetzte die Zuchthausstrafe durch „strenges Gefängnis" als ersten Schritt zur Einheitsfreiheitsstrafe, schaffte alle Ehrenstrafen a b 8 4 und erweiterte die Prioritätsklausel zugunsten der Geldstrafe durch die Bestimmung, daß bei Vergehen, wenn mildernde Umstände vorliegen, die Freiheitsstrafe immer durch Geldstrafe ersetzt werden kann. Die Zweispurigkeit milderte der Entwurf durch Einführung des „Vikariierens". Dagegen hat Radbruch die „unbestimmte Freiheitsstrafe" nicht übernommen, so sehr sich die deutsche Landesgruppe der IKV, der Radbruch angehört hat, dafür ausgesprochen hatte 8 5 . Auch in diesem Punkte sollte er jedoch recht behalten 8 6 . Die unbestimmte Verurteilung ist auch in der Endphase der deutschen Straf83

Zum Entwurf 1919 v. Hippel ZStW 42 (1921) S. 404 ff, 525 ff. In der Begründung S. 53 findet sich das berühmte Wort Radbruchs·. „Nicht als ein Entehrter, sondern als ein Entsühnter soll der Bestrafte in die Gesellschaft zurückkehren". 8 5 Vgl. MittlKV 1 (1922) S. 131, 147. 86 Zum Ganzen Eb. Schmidt Einleitung, in: Gustav Radbruchs Entwurf eines Allgemeinen deutschen Strafgesetzbuchs (1952) S. VII ff. 84

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Einleitung

rechtsreform nicht eingeführt worden und erfährt heute in den USA und Schweden gleichfalls starke Kritik (unten Rdn. 95 0 · Die Ausscheidung der „Ordnungswidrigkeiten" aus dem Strafrecht ist in der Begründung des E 1922 bereits als Fernziel genannt. 69

c) Nach 1922 befand sich die deutsche Strafrechtsreform, wenn man den Geist Radbruchs als Maßstab des Fortschritts nimmt, auf dem Abstieg 87 . Der Entwurf 1925, der im Hinblick auf die deutsch-österreichische Zusammenarbeit für ein gemeinsames Strafgesetzbuch der beiden Länder die Bezeichnung „Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs" trug, wurde von der Reichsregierung dem Reichsrat vorgelegt und erfuhr dort durch die Vertreter der Länder bereits erhebliche Abstriche 88 . Die geforderten Veränderungen waren so erheblich, daß ein neuer Entwurf ausgearbeitet werden mußte, der als „Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1927" dem Reichstag vorgelegt wurde. Wie weitgehend die Grundlinie der Reform damals schon verlassen war, zeigte sich an der Einschränkung des bedingten Straferlasses auf Freiheitsstrafen bis zu 6 Monaten sowie daran, daß die Zweispurigkeit zwar beibehalten, dem Richter aber, abgesehen von der Sicherungsverwahrung, die Anordnung der Maßregeln entzogen wurde; er sollte lediglich die Zulässigkeit aussprechen dürfen, alle weiteren Entscheidungen sollten in der Hand der Verwaltungsbehörde liegen. Im Jahre 1927 legte die Reichsregierung dem Reichstag außerdem den Amtlichen Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes, im Jahre 1928 auch den Entwurf des Einfuhrungsgesetzes zu dem zukünftigen StGB vor. Das Reformwerk stand damit kurz vor dem Abschluß, doch verhinderte die unglückliche innenpolitische Entwicklung den Erfolg. Im Juli 1930 wurde der Reichstag aufgelöst. Der Entwurf wurde zwar als „Entwurf Kahl" nochmals eingebracht, doch hatten die radikalen Parteien, denen an der Strafrechtsreform im Sinne Franz v. Liszts, Gustav Radbruchs und Wilhelm Kahls nichts gelegen war, durch das Ergebnis der Septemberwahlen von 1930 eine beherrschende Stellung im Reichstag gewonnen. Die erneuten Reichstagsauflösungen im Jahre 1932 und die Machtübernahme durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933 vernichteten alle Hoffnungen. Die Strafrechtsreform der Weimarer Republik war mit dieser selbst untergegangen.

70

4. Die Zeichen der Zeit hatten sich gründlich geändert, als das Reichsjustizministerium im Herbst 1933 die Reformarbeiten am StGB wieder aufnahm. Die rechtsstaatliche, freiheitliche und humane Kriminalpolitik der Weimarer Republik wurde nunmehr aufs schärfste abgelehnt. Man forderte statt dessen ein auf völkische Treupflichten und nationalsozialistische Weltanschauung aufgebautes Strafrecht von äußerster generalpräventiver Härte, das mittels schrankenloser staatlicher Machtentfaltung durchgesetzt werden sollte. Die neugebildete amtliche Strafrechtskommission stand unter der Leitung des Reichsjustizministers Dr. Gürtner. Ihr gehörten aus dem Kreise der Strafrechtslehrer mit Kohlrausch, Mezger und Nagler Mitglieder von höchster Sachkunde an, die bei den Kommissionsarbeiten auch Standfestigkeit bewiesen haben. Jedenfalls entsprach der Entwurf 1936 nicht den Erwartungen der Machthaber 8 9 . Die Reichsregierung hat ihn, als er ihr im Jahre 87

Dazu Radbruch ZStW 45 (1925) S. 417 ff sowie aus späterer Sicht Baumann RadbruchGed.Schr. S. 339 ff. 88 Dazu die Kritik Kohlrauschs MittlKV 3 (1928) S. 5 ff. 89 Der Entwurf 1936 ist nicht veröffentlicht. Zum Inhalt Gürtner Das kommende deutsche Strafrecht. Allg. Teil, 1. Aufl. (1934), 2. Aufl. (1935). (34)

VI. Die Strafrechtsentwürfe (Jescheck)

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1938 zur Beschlußfassung vorgelegt wurde, nicht gebilligt. Das politische Schicksal Deutschlands war damals bereits in die Gewalt der radikalen Kräfte gelangt, die nicht daran dachten, sich auf einem für den Machtbesitz so wesentlichen Gebiet wie dem Strafrecht durch ein immer noch auf dem Boden des Rechts stehendes Gesetzbuch die Hände binden zu lassen. Die Arbeit an dem Entwurf wurde mit dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs eingestellt. 5. Als die Strafrechtsreform im Jahre 1953 durch Bundesjustizminister Dr. Deh- 71 1er wieder aufgenommen wurde, gab es eine einheitliche Konzeption für die neu zu beginnende Entwurfsarbeit zunächst noch nicht. Eine erste Grundlage legten die „Gutachten der Strafrechtslehrer" zu den wichtigsten dogmatischen und kriminalpolitischen Fragen 9 0 und die rechtsvergleichenden Vorarbeiten (oben Rdn. 61 a. E.). Die Entwürfe der Gegenwart sind Ausdruck der großen Grundströmungen, die sich vor allem auf dem Gebiet der Kriminalpolitik mit stark gegensätzlichen Vorstellungen gegenüberstanden, während es in der Dogmatik mehr um theoretisch-wissenschaftliche Standpunkte und Kontroversen ging. a) Die Große Strafrechtskommission hat unter dem Vorsitz von Bundesjustizmi- 72 nister Dr. Neumayer und unter ständiger persönlicher Mitarbeit von Staatssekretär Dr. Strauß in den Jahren 1954 bis 1959 einen Entwurf ausgearbeitet, der nach den Beratungen einer Länderkommission als Entwurf 1962 dem Bundestag vorgelegt wurde. Der E 1962 gründet sich auf das Schuldprinzip und einen Strafbegriff, der in erster Linie als Vergeltung von Unrecht und Schuld verstanden wurde. Die Zuchthausstrafe wurde beibehalten. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde nur bis zu 9 Monaten Gefängnis vorgesehen und sollte ausgeschlossen sein, wenn die Schuld des Verurteilten oder die Generalprävention die Vollstreckung der Strafe geboten. Die kurzfristige Freiheitsstrafe wurde nicht eingeschränkt, sondern durch die Einführung der Strafhaft (von einer Woche bis zu sechs Monaten) sogar als besondere Strafart im Entwurf verankert. Die Geldstrafe wurde zwar nach dem skandinavischen Tagesbußensystem ausgestaltet, aber nicht als Surrogat der Freiheitsstrafe verstanden. Spezialprävention wurde vor allem durch ein reichhaltiges System von Maßregeln der Besserung und Sicherung mit der Möglichkeit des Vikariierens bei freiheitsentziehenden Maßregeln (abgesehen von der Sicherungsverwahrung), durch die Strafaussetzung zur Bewährung und die allgemeine Rückfallschärfung angestrebt. Die erste Lesung des E 1962 im Bundestag fand im März 1963 statt. In der IV. Wahlperiode hat der Sonderausschuß „Strafrecht" des Bundestages den Entwurf beraten und einige wesentliche Fortschritte im Sinne der modernen Kriminalpolitik, insbesondere die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe, beschlossen. Anfang 1966 wurde der E 1962 im Bundestag der V. Wahlperiode erneut eingebracht und bis Mitte 1969 von dem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform beraten. Das Ergebnis dieser Arbeiten ist die Neufassung des Allgemeinen Teils und die Reform einiger Partien des Besonderen Teils, wobei die neuen Vorschriften teils durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I S. 655) am 1. 9. 1969 bzw. 1. 4. 1970, teils durch das 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) am 1. 1. 1975 in Kraft getreten sind. In der dogmatischen Konzeption lehnt sich das neue Recht an den E 1962 an, in der Kriminalpolitik hat sich dagegen weitgehend die Konzeption des AE durchgesetzt 9 !. 90 91

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Mat. Bd. I, Gutachten der Strafrechtslehrer (1954). Zum E 1962 Jescheck ZStW 75 (1963) S. 1 ff; Peters und Lang-Hinrichsen der Strafrechtsreform (1959); Schultz JZ 1966 113 ff.

Grundfragen

Eînl 73

Einleitung

b) Das Reformwerk der Großen Strafrechtskommission knüpfte noch weitgehend an Ideen aus der Zeit vor 1933 an, blieb aber demgemäß hinter den Forderungen der modernen Kriminalpolitik erheblich zurück. Im Grunde vertraute man weiter auf die repressive Wirkung der Freiheitsstrafe in der Hoffnung auf die Wunder, die von einem reformierten Strafvollzug ausgehen sollten, und war von der großen Wende in der Einstellung zur Kriminalität und den Mitteln ihrer Bekämpfung, die seit der Mitte der fünfziger Jahre eingetreten war, unberührt geblieben. Die entscheidenden Anregungen im Sinne einer gegenwartsnahen Kriminalpolitik verdankt die deutsche Strafrechtsreform dem „Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches", der bis zum Jahre 1966 von 14 deutschen und schweizerischen Strafrechtslehrern und Kriminologen ausgearbeitet worden ist und die vielstimmige Kritik an dem E 1962 92 auf einen einheitlichen Nenner und in die Fassung eines formulierten Gesetzesvorschlags gebracht hat. Der AE hielt am Schuldprinzip und an der Zweispurigkeit fest und besaß dadurch eine gemeinsame Grundlage mit dem E 1962, doch ist der AE in beiden Richtungen erheblich über die Positionen des älteren Entwurfs hinausgegangen. So wird das Schuldprinzip als eine aus rechtsstaatlichen Gründen erforderliche Beschränkung, nicht aber als Grundlage der Strafe verstanden, und innerhalb dieser Grenze soll die Strafe allein nach präventiven Gesichtspunkten zugemessen werden. In den Mittelpunkt der freiheitsentziehenden Maßregeln wurde die sozialtherapeutische Anstalt gestellt als Zentrum der Anwendung moderner Behandlungsmethoden auf wiederholt rückfällige Täter. Der AE übernahm ferner die Einheitsfreiheitsstrafe und schaffte die kurzfristige Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten radikal ab. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde bis auf zwei Jahre Freiheitsstrafe ausgedehnt, die Möglichkeit der Aussetzung des Restes einer vollstreckten Freiheitsstrafe wurde erweitert. Die Geldstrafe wurde nach dem Vorschlag Baumanns93 als „Laufzeitstrafe" ausgestaltet. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt sollte für Ersttäter prinzipiell an die Stelle einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr treten. Der AE wurde im Jahre 1968 von der Fraktion der FDP im Bundestag eingebracht und anschließend zusammen mit dem E 1962 vom Sonderausschuß beraten 9 4 .

VII. Entstehung, Aufbau und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs Schrifttum Blau Die Kriminalpolitik der deutschen Strafrechtsreformgesetze, ZStW 89 (1977) S. 511; Dreher Das 3. StrRG und seine Probleme, NJW 1970 1153; Dreher Die Neuregelung des Sexualstrafrechts eine geglückte Reform? JR 1974 45; Göhler Das Einführungsgesetz zum StGB, NJW 1974 825; Hanack Die Reform des Sexualstrafrechts und der Familiendelikte, NJW 1974 1; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland. Allgemeiner Teil, SchwZStr 91 (1975) S. 1; Jescheck Deutsche und österreichische Strafrechtsreform, Lange-Festschr. (1976) S. 365; Jescheck-Triffterer Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig? (1978); Jescheck-Grebing Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht (1978); Kienapfel Die

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Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform (1965); Heinitz-Würtenberger-Peters Gedanken zur Strafrechtsreform (1965); H. Mayer Strafrechtsreform S. 119 ff; MüllerEmmen NJW 1966 711 ff; Schultz JZ 1966 113 f. Baumann JZ 1963 733. Zum AE Gallas. Armin Kaufmann. Jescheck. Grünwald ZStW 80 (1968) S. 1 ff. (36)

VII. Entstehung, Aufbau und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs (Jescheck)

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Einheitstäterregelung der §§ 12 ff und 32 ff StGB, JB1. 1974 113; Lackner Die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, NJW 1976 1233; Lenckner Der rechtfertigende Notstand (1965); J. Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit, ZStW 87 (1975) S. 598; Müller-Emmerl und B. Maier Das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1976 1657; Roxin Der Anfang des beendeten Versuchs, Maurach-Festschr. (1972) S. 213; Roxin-Slree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975); Rudolphi Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus, JA 1979 1 ; Sturm Grundlinien der neueren Strafrechtsreform, Dreher-Festschr. (1977), S. 513; Sturm Zur Bekämpfung terroristischer Vereinigungen, MDR 1977 6; Tiedemann Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, ZStW 87 (1975) S. 253; Tiedemann Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität und Möglichkeiten ihrer strafrechtlichen Bekämpfung, ZStW 88 (1976) S. 213; Welp Der Einheitstäter im Ordnungswidrigkeitenrecht, VOR 1972 299.

1. Die Entstehungsgeschichte der großen Strafrechtsreform beginnt, wie die vor- 74 hergehenden Abschnitte V und VI gezeigt haben, schon lange vor den beiden Strafrechtsreformgesetzen von 1969, durch die vor allem die Neugestaltung des Allgemeinen Teils des StGB vorgenommen worden ist. Die entscheidenden Schritte der Reform wurden jedoch erst durch diese beiden Gesetze getan. Das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I S. 645) enthält diejenigen Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber nicht bis zum Inkrafttreten des 2. StrRG warten wollte, da dieser Zeitpunkt mit Rücksicht auf die notwendige Anpassung des Landesrechts und andere Vorbereitungen der Länder zuerst auf den 1. 10. 1973, später sogar auf den 1. 1. 1975 hinausgerückt werden mußte 9 5 . Das, was an dringendster Reform sofort verwirklicht werden sollte, wurde bereits zum 1. 9. 1969 bzw. zum 1. 4. 1970 eingeführt. Die vorweg in Kraft gesetzten Vorschriften brachten im Allgemeinen Teil vor allem die Einheitsfreiheitsstrafe, die Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe zugunsten der Geldstrafe, die Neuregelung der Strafzumessung, den Ausbau der Strafaussetzung und der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung, die Abschaffung der Ehrenstrafen, die Anhebung der Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung und die Abschaffung des Arbeitshauses. Im Besonderen Teil wurden alsbald in Kraft gesetzt die neugefaßten Strafbestimmungen über den Schutz des religiösen und weltanschaulichen Friedens, die Vorschriften über die Abschaffung der Strafbarkeit des Ehebruchs, der einfachen Homosexualität und der Unzucht mit Tieren, die Herabsetzung der Strafdrohung für die Abtreibung, die Neuregelung der Entführungstatbestände und des Diebstahls sowie die neue Strafvorschrift gegen die Fälschung technischer Aufzeichnungen. Der Schwerpunkt der Reform des Allgemeinen Teils lag jedoch erst in dem 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717). Mit diesem Gesetz wurde unter Einbeziehung der bereits durchgeführten Änderungen zum 1.1. 1975 ein vollständig neuer „Allgemeiner Teil" geschaffen, der zum erstenmal auch als solcher im Gesetz selbst bezeichnet ist 96 . Der Text des StGB wurde durch die Bekanntmachung vom 2. 1. 1975 (BGBl. I S. 1) neu verkündet. Die Reform des Allgemeinen Teils führte dazu, daß dieser auch in der Anordnung und Zählung der Paragraphen vollständig umgestaltet wurde. Der Besondere Teil erhielt ebenfalls allmählich ein neues Gesicht (unten Rdn. 85 ff), doch wurde hier die bisherige Reihenfolge der Materien und die Ziffernfolge der Paragraphen im wesentlichen beibehalten, um die Arbeit der Praxis mit dem neuen Recht nicht unnötig zu erschweren. 95

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Dazu Erster schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucksache V/4094 S. 68. Zum Allgemeinen Teil eingehend Jescheck SchwZStr 91 (1975) S. 1 ; Lange-Festschr. S. 365 ff; Roxin-Stree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975); Sturm Dreher-Festschr. S. 513 ff.

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Einleitung

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2. Neugeregelt wurde in den §§ 3—7 die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts bei Handlungen, die einen internationalen Einschlag aufweisen (internationales Strafrecht). Es handelt sich dabei um die Frage, ob ein Sachverhalt, der wegen des ausländischen Tatorts, der ausländischen Staatsangehörigkeit des Täters oder der Zugehörigkeit des durch die Tat betroffenen Rechtsguts zu einer ausländischen Ordnung fremde Interessen berührt, gleichwohl der innerstaatlichen Strafgewalt unterliegt (Tröndle LK Rdn. 1 vor § 3). Aus der deutschen Strafgewalt folgt weiter nach dem gegenwärtigen deutschen Recht, da dieses das Fremdrechtsprinzip nicht kennt, auch die Anwendung des materiellen deutschen Strafrechts, doch war dies nicht immer so und muß auch nicht so sein (Tröndle LK Rdn. 2 vor § 3). Infolgedessen ist das internationale Strafrecht der §§ 3—7 zugleich auch Strafrechts-Anwendungsrecht. Durch die Rückkehr vom Personalitäts- zum Territorialitätsprinzip (§ 3) beschränkt das neue Recht die deutsche Strafgewalt grundsätzlich auf im eigenen Staatsgebiet begangene Taten 9 7 . Demgemäß wird für die Bestrafung von Auslandstaten ein die innerstaatliche Strafgewalt legitimierender Anknüpfungspunkt verlangt, wie er etwa in dem Bedürfnis nach Schutz gewisser inländischer (§ 5) oder internationaler Rechtsgüter (§ 6) gegeben ist. Ergänzt werden die Bestimmungen des StGB durch § 1 a des WStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.5. 1974 (BGBl. I S. 1213) für Straftaten, die von deutschen Soldaten im Ausland begangen werden.

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3. Der neue Allgemeine Teil bringt in seinem Zweiten Abschnitt über „Die Tat" (Überblick bei Jescheck LK Rdn. l f vor § 13) mit der Regelung der Voraussetzungen der Strafbarkeit keine grundstürzenden Neuerungen gegenüber dem früheren Recht, sondern in Anlehnung an den E 1962 und in geringerem Maße auch an den AE im wesentlichen nur eine Kodifikation der allgemeinen Lehren, wie sie sich unter dem Einfluß der modernen Dogmatik (Jescheck LK Rdn. 18 — 21 vor § 13) in Rechtsprechung und Lehre des letzten halben Jahrhunderts herausgebildet haben. Gleichwohl bedeutet die gesetzliche Regelung der bisher nur gewohnheitsrechtlich entwickelten Rechtssätze einen nicht zu unterschätzenden Gewinn an Rechtsstaatlichkeit.

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a) Eröffnet wird der erste Titel des Zweiten Abschnitts über die „Grundlagen der Strafbarkeit" mit einer neuen Vorschrift über das Begehen durch Unterlassen (§ 13). Sie regelt die Voraussetzungen des unechten Unterlassungsdelikts, die früher ausschließlich Rechtsprechung und Lehre anheimgestellt waren (Jescheck LK § 13 Rdn. 1). Zwar konnten durch den Gesetzgeber nicht alle auftretenden Fragen erschöpfend beantwortet werden. Die neue Vorschrift ergibt aber immerhin, daß strafrechtlich auch verantwortlich gemacht werden kann, wer den zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörenden Erfolg lediglich nicht abwendet, und daß es ferner eine rechtliche (nicht bloß sittliche) Pflicht sein muß, die das Handlungsgebot im konkreten Fall enthält. Große praktische Bedeutung haben ferner die beiden Irrtumsvorschriften, von denen die erste (§ 16) den Irrtum über die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes ebenso regelt wie das frühere Recht (Tatbestandsirrtum), während die zweite (§ 17) die Rechtsprechung zum Irrtum über die Rechtswidrigkeit (BGHSt. 2 194) kodifiziert und demgemäß bei unvermeidbarem Irrtum die Schuld verneint, bei vermeidbarem Irrtum den Schuldvorwurf mildert (Verbotsirr97

Zu dem Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in der Frage der Strafgewalt und der Anwendung des Strafrechts (interlokales Strafrecht) Tröndle LK Rdn. 95 ff vor § 3 ; Jescheck AT § 20 III. (38)

VII. Entstehung, Aufbau und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs (Jescheck)

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tum). Bei der Regelung der Schuldfähigkeit ist vor allem die Anerkennung der konstitutionsbedingten, nicht krankhaften seelischen Störungen (schwere Fälle von Psychopathien, Neurosen und Triebanomalien) bedeutsam, die ebenfalls im Anschluß an die neuere Rechtsprechung (BGHSt. 14 30) erfolgt ist (zu der wechselvollen Entstehungsgeschichte Lange LK §§ 20, 21). b) Der Versuch hat im zweiten Titel des Zweiten Abschnitts nur in wenigen 78 Punkten eine Neuregelung, im übrigen nur eine freilich nicht durchweg geglückte Neufassung erfahren 9 8 . In der Frage der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch stellt das neue Recht ab auf das „unmittelbare Ansetzen zur Tat" und erteilt damit der überwiegend vertretenen rein subjektiven Theorie der bisherigen Rechtsprechung (BGHSt. 6 302; OLG Karlsruhe JR 1973 425) eine A b s a g e " . Den untauglichen Versuch hat das neue Recht, wie sich aus der Fassung des § 22 und der Regelung für den groben Unverstand (§ 23 Abs. 3) ergibt, ausdrücklich unter Strafe stellen wollen. Eine Neuerung für den Rücktritt enthält § 24 Abs. 1 S. 1, indem jetzt auch beim beendeten Versuch Freiwilligkeit des Zurücktretenden verlangt wird. Die Anerkennung des freiwilligen und ernsthaften Bemühens um die Erfolgsverhinderung (§ 24 Abs. 1 S. 2) stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung überein (BGHSt. 11 324). Der Rücktritt von der Beteiligung ist gegenüber dem früheren Recht insofern erschwert, als das zusätzliche Erfordernis aufgestellt wird, daß der Teilnehmer sich auch dann freiwillig und ernsthaft bemüht haben muß, die Vollendung zu verhindern, wenn es ihm gelingt, seinen eigenen Tatbeitrag vollständig zurückzunehmen (§ 24 Abs. 2). c) Das neue Recht enthält eine teilweise Neuregelung der Bestimmungen über 79 Täterschaft und Teilnahme. Erstmals ist in § 25 eine Vorschrift über die Täterschaft (Alleintäterschaft, mittelbare Täterschaft, Mittäterschaft) aufgenommen worden. Die Dreigliederung des Täterbegriffs in Verbindung mit der anschließenden Regelung der Anstiftung (§ 26) und Beihilfe (§ 27), die deutlich als Strafausdehnungsgründe konzipiert sind, zeigt, daß sich der Gesetzgeber im Strafrecht gegen die Einheitstäterlösung entschieden hat (Roxin LK Rdn. 3 ff vor § 25) 1 0 0 . Aus der Definition der unmittelbaren Täterschaft in § 25 Abs. 1 folgt ferner, daß anders als nach der vorherrschenden Auffassung der bisherigen Rechtsprechung (RGSt. 74 84; BGHSt. 18 87) die eigenhändige, vollverantwortliche Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale einer Strafvorschrift stets Täterschaft begründet (ebenso, aber weniger dezidiert hinsichtlich der Stellungnahme des Gesetzgebers Roxin LK § 25 Rdn. 2, 26—28). Im Bereich der Teilnahme hat das neue Recht vor allem klargestellt, daß die Haupttat vorsätzlich begangen sein muß (§§ 26, 27). Beteiligung an fahrlässiger Tat kann aber als mittelbare Täterschaft oder Nebentäterschaft erfaßt werden. Bei der Beihilfe ist § 27 Abs. 2 S. 2 ferner zu der bis 1939 geltenden obligatorischen Strafmilderung zurückgekehrt. d) Neu sind auch die Bestimmungen über den Notstand. Die Vorschrift des § 34 80 übernimmt den bisherigen „übergesetzlichen Notstand" (Hirsch LK 9 Rdn. 51 f vor §51) als rechtfertigenden Notstand ins positive Recht (vgl. auch § 16 OWiG) 1 0 1 . § 34 98 Dazu J. Meyer ZStW 87 (1975) S. 598 ff. 99 Zur notwendigen Modifikation der neuen Formel in den Fällen des Unterlassungsdelikts, der mittelbaren Täterschaft und des beendeten Versuchs Roxin Einführung S. 16; Maurach-Festschr. S. 213 ff. 100 Zum Einheitstäterbegriff im § 14 OWiG Welp VOR 1972 299 ff. Zur Einheitstäterlösung im neuen österreichischen StGB (§ 12) Kienapfel JB1. 1974 133 ff. 101 Dazu Lenckner Der rechtfertigende Notstand S. 63 ff. (39)

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Einleitung

knüpft zwar an das überlieferte Gewohnheitsrecht an, enthält aber insofern eine wichtige Klarstellung, als nunmehr über das bloße Güterwertverhältnis hinaus ausdrücklich eine umfassende Interessenabwägung verlangt wird (Hirsch LK 9 Rdn. 53 vor §51). Die neue Vorschrift führt ferner in Satz 2 eine Angemessenheitsklausel ein, bei der freilich umstritten ist, ob es sich um eine selbständige Wertungsstufe handelt 1 0 2 oder ob sie nur eine Kontrollfunktion ohne Eigenbedeutung besitzt 103 . Nicht geregelt ist in § 34 die rechtfertigende Pflichtenkollision, wenn auch Anhaltspunkte für die Lösung der dabei auftretenden Fragen aus § 34 zu entnehmen sind (Hirsch LK 9 Rdn. 87 vor § 51). Die Vorschrift des § 35 über den entschuldigenden Notstand faßt die früher getrennt geregelten Fälle des Nötigungs- und Gefahrnotstandes zusammen und fügt zu Leib und Leben als notstandsfähigen Rechtsgütern noch die persönliche Freiheit hinzu. Außerdem ist die entschuldigende Nothilfe über den Kreis der Angehörigen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1) auf „andere dem Täter nahestehende Personen" ausgedehnt worden. Die Einschränkungen des Notstandes, die in der bisherigen Rechtsprechung entwickelt worden waren, sind in einer Zumutbarkeitsklausel zusammengefaßt (§ 35 Abs. 1 S. 2). Neu ist endlich die Regelung des Irrtums über die Voraussetzungen des Notstands in § 35 Abs. 2. Die bei vermeidbarem Irrtum vorgesehene Lösung durch Anwendung des Vorsatztatbestandes ist strenger als das bisherige Recht, da die Rechtsprechung den Schuldgehalt des vermeidbaren Irrtums über die Notstandsvoraussetzungen früher lediglich durch den Fahrlässigkeitstatbestand erfaßt hatte (RGSt. 66 222, 227; BGHSt. 18 311, 312). 81

4. Nicht jedoch bei der Dogmatik, sondern bei der Neuregelung des Sanktionensystems im Dritten Abschnitt des StGB liegt der Schwerpunkt der Reform des Allgemeinen Teils. Die „Rechtsfolgen der Straftat", wie die Abschnittsüberschrift gefaßt wurde, um alle strafrechtlichen Sanktionen einzubeziehen, gliedern sich in Strafen und Maßnahmen ( Tröndle LK Rdn. 2 ff vor § 38). Die Maßnahmen umfassen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§61), den Verfall (§ 73), die Einziehung (§ 74) und die Unbrauchbarmachung (§ 74 d). Strafen und Maßregeln zeigen, vornehmlich unter dem Einfluß des AE, ein stark verändertes Bild. Die allgemeine Tendenz der Reform der strafrechtlichen Sanktionen läßt sich durch zwei Schlagworte kennzeichnen: „Einschränkung der Freiheitsstrafe" ist das eine; „so wenig Strafe wie möglich, so viel Sozialhilfe wie nötig" ist das andere.

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a) Das Strafensystem des neuen Rechts ist einfach und hat die im ausländischen Recht entwickelten Surrogate der Freiheitsstrafe (ζ. B. Verwarnung in den nordischen Ländern, Rechtsverluste in Frankreich, „community service" in England, „inhabilitación" in Lateinamerika) (unten Rdn. 105) vorläufig noch nicht übernommen. Die Hauptstrafen des geltenden Rechts sind Freiheitsstrafe (§§ 38 f ) 1 0 4 und Geldstrafe (§§ 40 ff). Die einzige Nebenstrafe des StGB ist das Fahrverbot (§ 44), das im Nebenstrafrecht durch das Verbot der Jagdausübung (§ 41 a BJagdG) ergänzt wird. Die Freiheitsstrafe ist auch im neuen Recht das Rückgrat des Strafensystems geblieben (Tröndle LK Rdn. 22 vor §38). Zahlenmäßig überwiegt freilich

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So Bockelmann AT § 15 Β II 3 c; Dreher-Tröndle § 34 Rdn. 12; Jescheck AT § 33 IV 3 d; Lackner § 34 Anm. 3 e; Preisendanz § 34 Anm. 3 c; Stratenwerth AT I Nr. 454 f; Wessels AT § 8 IV 3; wohl auch BGH NJW 1976 680, 681. 103 So Baumann AT § 22 II 1 c; Hirsch LK 9 Rdn. 81 vor § 51; Maurach-ZipfLK § 27 III 6; Sch.-Schröder-Lenckner § 34 Rdn. 46; Stree, in: Roxin u. a. Einführung S. 43. 104 Zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe BVerfGE 45 187 sowie Jescheck-Triffterer Ist die lebenslange Freiheitsstrafe verfassungswidrig? (1978). (40)

VII. Entstehung, Aufbau und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs (Jescheck)

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mit etwa 84 % aller gegen Erwachsene gerichtlich ausgesprochenen Strafen die Geldstrafe bei weitem. Die wichtigsten Neuerungen auf dem Gebiet der Freiheitsstrafe sind die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe (§ 38) 1 0 5 und die Einschränkung der kurzfristigen Freiheitsstrafe durch die „ultima ratio"-Klausel (§ 47) Neben der Neuregelung der Freiheitsstrafe stellt die Umgestaltung der Geldstrafe angesichts ihrer überragenden praktischen Bedeutung für die moderne Kriminalpolitik den zweiten Schwerpunkt der Reform dar 1 0 7 . Mit der Einführung des Tagessatzsystems nach dem Vorbild von Dänemark, Finnland und Schweden hat der Gesetzgeber Neuland betreten. Der Sinn der Neuordnung liegt darin, die Geldstrafe durch Anknüpfung der Anzahl der Tagessätze an Unrecht und Schuld (§ 46) und durch Bestimmung der Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters (§ 40 Abs. 2 S. 1) sowohl im Sinne der Opfergleichheit gerechter als auch verständlicher und wirkungsvoller zu machen ( Tröndle LK Rdn. 11 ff vor § 40). An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt wie bisher die Ersatzfreiheitsstrafe, wobei ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe entspricht (§ 43). Die Neuregelung der Geldstrafe scheint sich in Deutschland zu bewähren, wie der Anstieg ihres Anteils an der Gesamtzahl der gerichtlich ausgesprochenen Verurteilungen in wenigen Jahren von 63 % auf 84 % anzeigt. Freilich bedarf es in 12,6 % der Fälle erst der Ladung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe, ehe der Verurteilte die Geldstrafe bezahlt. Jedoch muß nur in 3 % der Fälle die Ersatzfreiheitsstrafe wirklich vollstreckt werden. In weiteren 1,7 % ist eine Teilvollstreckung notwendig' 0 8 . b) Ein Kernstück des modernen strafrechtlichen Sanktionensystems ist neben 83 den Strafen und Maßregeln (dazu unten Rdn. 84) als dritte Säule der Kriminalpolitik (oben Rdn. 40 ff) die Strafaussetzung zur Bewährung (Tröndle LK Rdn. 29 vor § 38). Sie ist im neuen Recht in drei Stufen aufgebaut (§ 56). Freiheitsstrafen unter sechs Monaten werden, falls das Gericht sie nach § 47 ausnahmsweise ausspricht, bei günstiger sozialer Prognose immer ausgesetzt, Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr ebenfalls, wenn nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet. Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren werden ausnahmsweise ausgesetzt, wenn besondere Umstände in der Tat und in der Person des Täters (also auch die Rücksicht auf Unrecht und Schuld) diese Vergünstigung rechtfertigen. Die Aussetzung eines Strafrestes ist in zwei Stufen vorgesehen (§ 57). Sie ist bei entsprechender sozialer Prognose nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe zulässig, ausnahmsweise aber schon nach der Hälfte, wenn wiederum besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters vorliegen. Als Neuerung für die Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen ist die der anglo-amerikanischen „probation" (oben Rdn. 42) nahekommende Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59) eingeführt worden, von der aber in der Praxis wenig Gebrauch gemacht wird, weil die in Betracht kommenden Fälle durch die bedingte Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO aufgefangen werden. c) Das neue Recht hat, wie gezeigt, an der Zweispurigkeit festgehalten (oben 84 Rdn. 36), das System der Maßregeln der Besserung und Sicherung aber durchgrei105

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Tröndle LK Rdn. 23 vor § 38. Außerhalb des StGB gibt es im Wehrstrafrecht den Strafarrest (Tröndle LK Rdn. 56 vor §38), im Jugendstrafrecht die Jugendstrafe (Tröndle LK Rdn. 60 vor § 38). Jescheck AT § 84 I; Tröndle LK Rdn. 24 ff vor § 38. Grebing, in: Jescheck-Grebing Die Geldstrafe S. 39 ff. Albrecht, in: Jescheck-Grebing Die Geldstrafe S. 172 ff.

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Einleitung

fend verbessert (oben Rdn. 37), so daß auch die Maßregeln als ein Schwerpunkt der Reform betrachtet werden können. Freiheitsentziehende Maßregeln (§61 Nr. 1—4) sind die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (zum Schutz vor geistig-seelisch abnormen Tätern, die infolge ihres Zustandes für die Allgemeinheit gefährlich sind), die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (zum Schutz gegen kriminell gefährliche, aber besserungsfähige Alkoholiker und Rauschgiftsüchtige), die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt (zur Behandlung von Tätern mit erheblichen Persönlichkeitsstörungen aus dem Bereich der schweren und gefährlichen Kriminalität) und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (zum Schutz vor dem für die Allgemeinheit gefährlichen Hangverbrecher aus dem Bereich der Schwerkriminalität). Die Einführung der sozialtherapeutischen Anstalt, die eigentlich das Kernstück der Maßregelreform bilden sollte, ist allerdings bis zum 1. 1. 1985 aufgeschoben worden (oben Rdn. 36 a. E.). Maßregeln ohne Freiheitsentzug (§ 61 Nr. 5—7) sind die neugeschaffene Führungsaufsicht (zur Überwachung und Betreuung von gefährlichen oder gefährdeten Tätern nach der Entlassung aus dem Strafvollzug), die Entziehung der Fahrerlaubnis (zum Schutz der Allgemeinheit vor Tätern, die zur Führung von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind) und das Berufsverbot (zum Schutz der Allgemeinheit gegen die spezifischen Gefahren krimineller Berufsausübung). Besonders wichtig ist die neue Führungsaufsicht, die nicht nur Sicherungscharakter haben, sondern den Schutz der Allgemeinheit mit einer gut organisierten und wirksamen Sozialhilfe verbinden soll. Die Führungsaufsicht hat wegen dieser Doppelnatur vielfach Kritik gefunden (Hanack LK Rdn. 25 vor § 68), doch hat bisher niemand eine bessere Lösung für die Aufgabe der „ambulanten" Behandlung gefährlicher Krimineller vorzuschlagen gewußt, deren Notwendigkeit und Dringlichkeit an sich nicht zu bestreiten ist 1 0 9 . Die Einhaltung der nach § 68 Abs. 1 gerichtlich ausgesprochenen Weisungen durch den Probanden ist mittels einer Strafvorschrift (§ 145 a) gesichert worden, gegen die jedoch nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (dazu Hanack LK § 68 b Rdn. 17 f), sondern die auch kriminalpolitisch verfehlt ist, weil der Bewährungshelfer, der das Vertrauen des Probanden erwerben und behalten soll, als möglicher Anzeigeerstatter eine ständige Gefahr für diesen darstellt und weil die praktisch allein mögliche Sanktion für den Weisungsverstoß gerade die zu vermeidende und für den Täterkreis auch nicht abschreckende kurze Freiheitsstrafe ist. 85

5. Auch der Besondere Teil des StGB bietet, obwohl seine Reform nicht in einem Zuge, sondern in mehreren Schritten vorgenommen wird, bereits ein stark verändertes Bild. Nach der Umgestaltung des Allgemeinen Teils im Jahre 1969 ist die Erneuerung des Besonderen Teils durch eine Vielzahl von Reform- und Änderungsgesetzen weitergeführt worden.

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a) Nachdem schon das 1. StrRG an verschiedenen Stellen des Besonderen Teils die dringendsten Änderungen vorgenommen hatte (oben Rdn. 74), wurden durch das 3. StrRG vom 20. 5. 1970 (BGBl. I S. 506), um der Meinungsäußerung oppositioneller Gruppen in der Öffentlichkeit mehr Raum zu geben, die sog. Demonstrationsstraftaten wesentlich eingeschränkt! 1 0 . Insbesondere wurde der Landfriedensbruch (§ 125) fast ganz auf Täterschaft und Teilnahme an Gewalttätigkeiten und an 109

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Nach Blau ZStW 89 (1977) S. 522 zeichnet sich in der praktischen Handhabung „ein deutliches Übergewicht der helfenden und stützenden Maßnahmen über die bloßen Kontrollmechanismen ab". Kritisch dazu Dreher NJW 1970 1153 ff. (42)

VII. Entstehung, Aufbau und Inhalt des neuen Strafgesetzbuchs (Jescheck)

Einl

der Bedrohung mit solchen beschränkt. Aktuelle Ereignisse führten zu neuen Strafvorschriften über Angriffe auf den Luftverkehr (§ 316 c) sowie über erpresserischen Menschenraub (§ 239 a) und Geiselnahme (§ 239 b) (11. und 12. StrÄndG vom 16. 12. 1971, BGBl. I S. 1977, 1979). Die starke Veränderung grundlegender Begriffe und Vorstellungen auf dem Gebiet von Ehe, Familie und geschlechtlicher Sittlichkeit zeigte sich schon an den tiefen Eingriffen, die das 1. StrRG von 1969 vorgenommen hat. Diese Entwicklung wurde durch das 4. StrRG vom 23.11. 1973 (BGBl. I S. 1725) weitergeführt 111 . Eine weitgehende Reform des Besonderen Teils an verschiedenen Stellen hat ferner das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) vorgenommen 112 . Die Strafdrohungen wurden vereinheitlicht, die Übertretungen beseitigt bzw. durch Ordnungswidrigkeiten ersetzt (z. B. der „grobe Unfug" durch §118 OWiG), einzelne Strafvorschriften wurden aufgehoben oder geändert und ganze Tatbestandsgruppen in Anlehnung an den E 1962 neu geregelt (z. B. §§ 120, 121, 146 ff; 201 ff; 250, 251; 257 ff; 331 ff). Weiter hat das 13. StrÄndG vom 13. 6. 1975 (BGBl. I S. 1349) den § 142 neu gefaßt, um Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen. b) Den bisher tiefsten Eingriff in die überlieferte Substanz des Besonderen Teils 87 hat die Reform der Strafvorschriften Uber den Abbruch der Schwangerschaft (§§218 ff) gebracht. Das 5. StrRG vom 18.6.1974 (BGBl. I S. 1297) wollte in Anlehnung an die §§ 105, 106 AE (Straftaten gegen die Person) die sog. Fristenlösung einführen, die den Schutz des werdenden Lebens in den ersten drei Monaten nach der Konzeption aufhebt. Dieses Gesetz wurde durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. 2. 1975 (BVerfGE 39 1) für verfassungswidrig erklärt und ist deswegen nicht in Kraft getreten (BGBl. I S. 625). Dadurch wurde eine Neuregelung erforderlich, die das 15. StrÄndG vom 18. 5. 1976 (BGBl. I S. 1213) durch eine weitgefaßte Zulassung von Indikationen für den Abbruch der Schwangerschaft ersetzt hat 1 1 3 . Da das neue Gesetz den Schutz des ungeborenen Lebens gleichwohl stark einschränkt, ist eine Beilegung der tiefen weltanschaulichen Gegensätze, die bei der Gesetzgebung zu § 218 immer hervorgetreten sind, nicht erreicht worden. c) Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus114 enthält zum Teil Ein- 88 schränkungen der Rechte des Beschuldigten und seines Verteidigers im Strafverfahren, hat aber auch neue Vorschriften im materiellen Strafrecht gebracht. Nach den schon erwähnten Tatbeständen über Angriffe auf den Luftverkehr (§316 c), erpresserischen Menschenraub (§ 239 a) und Geiselnahme (§ 239 b) hat das 14. StrÄndG vom 22. 4. 1976 (BGBl. I S. 1056) neue Strafbestimmungen eingeführt, die Taten im Vorfeld des Terrorismus erfassen sollen. Mit Strafe bedroht wurde die öffentliche Befürwortung bestimmter schwerer Straftaten (z. B. Mord, Menschenraub, Geiselnahme, Raub) in verfassungsfeindlicher Absicht (§ 88 a), die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung derartiger Straftaten (§ 126) sowie die schriftliche Anleitung dazu (§ 130 a). Außerdem wurde ein Straftatbestand gegen die Belohnung und öffentliche Billigung derartiger Straftaten eingeführt (§ 140). Im Mittelpunkt des Kampfes gegen die terroristischen Vereinigungen steht das sog. Antiterroristengesetz vom 18.8. 1976 (BGBl. I S. 2181). Der neue Tatbestand des § 129 a bedroht mit Strafe die Gründung einer terroristischen Vereinigung, die Mitglied111 112 113 114

(43)

Kritisch dazu Dreher JR 1974 45 ff; vgl. ferner Hanack Dazu Göhler NJW 1974 825 ff. Dazu Lackner NJW 1976 1233 ff. Dazu Rudolphi JA 1979 1; Sturm M D R 1977 6.

NJW 1974 1 ff.

EinI

Einleitung

schaft in ihr, aber auch schon das Werben für sie und die Unterstützung ohne eigene Mitgliedschaft. Die Strafbarkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138) wurde auf § 129 a und schon vorher auf den erpresserischen Menschenraub, die Geiselnahme und Angriffe auf den Luftverkehr ausgedehnt. 89

d) Beondere Aufmerksamkeit widmet der Gesetzgeber neuerdings der Wirtschaftskriminalität' l5 . Das l . G e s . zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29. 7. 1976 (BGBl. I S. 2034) hat mit der Einführung der neuen Strafvorschriften über den Subventionsbetrug (§ 264) und den Kreditbetrug (§ 265 a) vorerst zwei typische Formen des modernen „White-collar-crime" durch neue Gefährdungstatbestände erfaßt, bei denen schon falsche Angaben zur Strafbarkeit genügen und der Eintritt eines Vermögensschadens einschließlich des darauf gerichteten Vorsatzes nicht nachgewiesen werden muß. Weiter wurden die Konkursdelikte aus der Konkursordnung wieder in den 24. Abschnitt des StGB (§§ 283 — 283 d) überführt und zugleich nach den kriminalpolitischen Bedürfnissen bei der Bekämpfung des betrügerischen Bankrotts umgestaltet sowie den Anforderungen des Schuldprinzips besser angepaßt. Endlich wurden im 25. Abschnitt die Wucherdelikte (§§ 302 a—f a. F.) durch eine einzige umfassende Strafvorschrift gegen den Wucher (§ 302 a) ersetzt, die außer dem ausdrücklich genannten Miet- und Kreditwucher auch die wucherische Übervorteilung bei sonstigen Leistungen einschließt.

90

6. a) Nach einem Jahrhundert der Geltung des Reichsstrafgesetzbuchs von 1871 (oben Rdn. 47) zeigt das neue Strafgesetzbuch, wie es aus der großen Strafrechtsreform hervorgegangen ist, ein durchgreifend verändertes Gesicht. Der mit der Reform erreichte Stand des deutschen Strafrechts bedeutet in unserer Geschichte einen viel tieferen Einschnitt als seinerzeit die Gesetzgebung bei der Begründung des Kaiserrreichs, die im wesentlichen der Vergangenheit zugewandt blieb und von der neuen Zeit, die inzwischen angebrochen war, noch nichts wußte. Eine zusammenfassende Würdigung der deutschen Strafrechtsreform ergibt, daß unser Strafrecht in wenigen Jahren außerordentliche Fortschritte gemacht hat. Die Erneuerung des dogmatischen Teils des StGB beschränkt sich zwar auf eine Kodifizierung der wichtigsten Ergebnisse der bisherigen Rechtsprechung und Lehre, doch weist der Gesetzestext einen so hoch entwickelten Stand auf, daß er alle früheren Fassungen an Klarheit und theoretischer Durchbildung übertrifft. In der Neuregelung des Sanktionensystems steht das gegenwärtige Recht mit dem Übergang von der Freiheitsstrafe zur Geldstrafe als weitaus häufigster Strafart an einem ähnlich bedeutsamen Wendepunkt, wie es einst der Übergang von den Leibes- und Lebensstrafen des Mittelalters zur Freiheitsstrafe der Aufklärungszeit gewesen ist. Die Reform des Besonderen Teils entspricht im wesentlichen den Bedürfnissen einer gewandelten Welt, wenn hier auch naturgemäß die politischen und weltanschaulichen Streitpunkte nicht erledigt sind.

91

b) An weiteren Änderungen im Allgemeinen Teil ist die Einführung der Strafaussetzung zur Bewährung auch für die lebenslange Freiheitsstrafe nach den Richtlinien des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 45 187, 242) sowie vielleicht die Aufhebung der Verjährung für Mord zu erwarten. Im Besonderen Teil sollen die wichtigsten Tatbestände des Umweltschutzes in das StGB überführt und durch ein

115

Dazu Müller-Emmert und G. Maier NJW 1976 1657; Tiedemann ZStW 87 (1975) S. 253; ZStW 88 (1976) S. 231. (44)

Vili. Die Strafrechtsreform im Ausland (Jescheck)

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2. Ges. zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität weitere Strafvorschriften geschaffen werden. Endlich soll das Gebiet der Transplantation und Sektion strafrechtlich geregelt werden.

VIII. Die Strafrechtsreform im Ausland Schrifttum Bacigalupo Cuadernos de Politica Criminal 1977 Nr. 2, S. 1 ; Bacigalupo Schuld und Prävention in der Begründung des spanischen und lateinamerikanischen Strafrechts, ZStW 91 (1979) Heft 4; Barbero Santos Kriminalpolitische Grundlagen des Sanktionensystems des spanischen Strafrechts seit 1848, ZStW 87 (1975) S. 397; Barbero Santos Politica y derecho penal en España (1977); Bavcon Dilemmas und Entwicklungstendenzen des jugoslawischen Strafrechts, ZStW 89 (1977) S.489; Johanna Bosch Strafrechtsreform in Italien, ZStW 88 (1976) S. 488; Bassiouni Substantive Criminal Law (1978); Cieslak Der materielle Verbrechensbegriff im polnischen Strafrecht, ZStW 90 (1978) S. 504; Cross The English Sentencing System, 2. Aufl. (1975); Driendl Wege zur Behandlung der Bagatellkriminalität in Österreich und der Schweiz, ZStW 90 (1978) S. 1017; Fragoso Grundzüge des brasilianischen Straf- und Strafprozeßrechts, ZStW 91 (1979) S. 441 ; Gassin Die Strafrechtsreform in Frankreich, ZStW 91 (1979) S. 163; Hall Williams Zwanzig Jahre Strafrechtsreform in England und Wales, SchwZStr. 84 (1967) S. 1; Honig Entwurf eines amerikanischen Musterstrafgesetzbuches vom 4. Mai 1962 (Model Penal Code) (1965); Barbara Huber Strafrechtsdualismus und Strafgerichtsbarkeit in Nigeria, in: Verfassung und Recht in Übersee, 1976, Heft 2, S. 223; Hiinerfeld Kleinkriminalität und Strafverfahren, ZStW 90 (1978) S. 905; Jescheck Strafen und Maßregeln des Musterstrafgesetzbuchs für Lateinamerika im Vergleich mit dem deutschen Recht, Heinitz-Festschr. (1972) S. 717; Jescheck Die Kriminalpolitik der deutschen Strafrechtsreformgesetze im Vergleich mit der österreichischen Regierungsvorlage 1971, Gallas-Festschr. (1973) S. 27; Jescheck Das neue deutsche Strafrecht im internationalen Zusammenhang, Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft 1975 49; Jescheck Deutsche und österreichische Strafrechtsreform, Lange-Festschr. (1976) S. 365; Jescheck Das neue deutsche Strafrecht im Vergleich mit dem polnischen Recht, ZStW 88 (1976) S. 467; Jescheck Der Einfluß der neueren schwedischen Kriminalpolitik auf die deutsche Strafrechtsreform, ZStW 90 (1978) S. 777; Jescheck-Grebing Die Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht (1978); Jescheck-Löffler Quellen und Schrifttum des Strafrechts, Bd. I: Europa (1972); Bd. II: Außereuropäische Staaten (ab 1973); Kaiser Möglichkeiten der Bekämpfung von Bagatellkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 90 (1978) S. 877; Kaiser- Vogler Strafrecht, Strafrechtsvergleichung (1975); Madlener-Papenfuß-Schöne (Hrsg.) Strafrecht und Strafrechtsreform (1974); Miyazawa Traditionelles und Modernes im japanischen Strafrecht, ZStW 88 (1976) S. 813; Nuvolone La riforma del diritto penale italiano, SchwZStr. 92 (1976) S. 1; Irene Sageì-Grande Die Änderungen im Bereich der Rechtsfolgen strafbaren Handelns im Strafrecht der DDR, ZStW 87 (1975) S. 762; Schroeder Grundsätze der Strafgesetzgebung, Staatsschutz- und Militärstrafrecht der UdSSR (1975); Schultz Schweizer Strafrecht, ZStW 83 (1971) S. 1045; Schultz Dreißig Jahre schweizerisches StGB, ZStW 88 (1972) S. 1 ; Serini Das neue österreichische StGB, SchwZStr. 90 (1974) S. 1 ; Spotowski Das neue polnische StGB, ZStW 87 (1975) S. 742; Teufel Reformen zur Ersetzung der kurzfristigen Freiheitsstrafe in Frankreich, Diss. Freiburg i. Br. (1979); Vogler Möglichkeiten und Wege einer Entkriminalisierung, ZStW90 (1978) S. 132; Weigend Entwicklungen und Tendenzen der Kriminalpolitik in den USA, ZStW 90 (1978) S. 1083; Zlataric Die bevorstehende Strafrechtsreform in Jugoslawien, ZStW 89 (1977) S. 479.

1. Das deutsche Reformwerk steht im Gesamtzusammenhang einer großen inter- 92 nationalen Bewegung zur Modernisierung, Liberalisierung und Humanisierung des Strafrechts, die Mitte der fünfziger Jahre eingesetzt und auch dem deutschen Gesetzgeber bedeutende Anregungen vermittelt hat. Der Stand der Strafrechtsreform in den verschiedenen Rechtskreisen war Anfang 1979 folgender: (45)

Einl

Einleitung

93

a) Im mitteleuropäischen Rechtskreis haben sich Deutschland und Österreich neue Strafgesetzbücher gegeben, die beide am 1. Januar 1975 in Kraft getreten s i n d " 6 . Die Schweiz folgt schrittweise durch Teilrevisionen, die zwar nicht so tief in den überlieferten Bestand des Strafrechts eingreifen wie die Reform der beiden Nachbarländer, aber den Erneuerungswillen doch deutlich widerspiegeln 1 1 7 .

94

b) Im romanischen Rechtskreis hat Frankreich gleichfalls wichtige Teilreformen durch Einführung der Bewährungshilfe und des Vollstreckungsrichters im Jahre 1958 und Zurückdrängung der Freiheitsstrafe mittels neuartiger Sanktionen im Jahre 1975 durchgeführt 1 1 8 . Außerdem wurde im Jahre 1976 der vorläufige, im Jahre 1978 der endgültige Entwurf des Allgemeinen Teils für einen neuen Code pénal veröffentlicht 1 1 9 , der sich inhaltlich weit von den überlieferten Positionen des französischen Strafrechts entfernt. Auch in Italien wird die Notwendigkeit der Reform stark empfunden, die unter besseren politischen Bedingungen schon weiter fortgeschritten wäre 1 2 0 . Der an sich schon allzu vorsichtige italienische Reformentwurf von 1962 hat bisher nur eine Teilverwirklichung erfahren. Doch wird in der Strafrechtswissenschaft mit Nachdruck eine durchgreifende Gesamtreform gefordert und auch in manchen Kreisen vorbereitet. Was fehlt, ist vorläufig das politische Klima für eine umfassende Erneuerung. Es gibt in Italien aber ein neues Strafvollzugsgesetz von 1975, das mit der Möglichkeit, Gefangene mit günstiger Sozialprognose nach einer Beobachtungsphase in die ambulante Betreuung des Sozialdienstes zu überweisen, immerhin einen Schritt zur Einschränkung der Freiheitsstrafe getan hat. In Spanien ist nach der Wiederherstellung der Demokratie eine der ersten Forderungen die Beseitigung des Strafrechts der Diktatur und die Einführung einer humanen, liberalen und rechtsstaatlichen Ordnung gewesen, die in der Wissenschaft schon lange angestrebt worden ist 1 2 1 . Bei der Vorbereitung der Reform blickt man vor allem nach Deutschland und fragt nach den bei uns gemachten Erfahrungen. Auch in Portugal sind nach dem politischen Umbruch die Arbeiten an der Strafrechtsreform im Zeichen eines liberalen, für die Forderungen der modernen Kriminalpolitik aufgeschlossenen Geistes wieder aufgenommen worden. In beiden Ländern sind Kommissionen mit der Aufstellung von Entwürfen beschäftigt 1 2 2 und ist die Erneuerung des Strafrechts inzwischen durch Einzelgesetze in Gang gekommen.

95

c) Am weitesten fortgeschritten ist in Europa das Reformwerk in Schweden durch das Kriminalgesetzbuch von 1962, am deutlichsten ist hier aber auch die Krise, in die die moderne Kriminalpolitik mit der Überbetonung der Spezialprävention geraten ist 1 2 3 . 116

Senni SchwZStr 9« (1974) S. 1 ff; Jescheck Gallas-Festschr. S. 27 ff; Lange-Festschr. S. 365 ff. 117 Schultz ZStW 83 (1971) S. 1045 ff; SchwZStr 88 (1972) S. 1 ff. 1,8 Gassin ZStW 91 (1979) S. 163 ff. 119 Avant-Projet définitif du Code pénal. Livre I. Dispositions générales (1978). 120 Nuvolone SchwZStr 92 (1976) S. 1 ff; Johanna Bosch ZStW 88 (1976) S. 488 ff. 121 Barbero Santos ZStW 87 (1975) S. 397 ff; Politica y derecho penal en España S. 119 ff. 122 In Spanien existiert ein noch unveröffentlichter Entwurf einer aus Strafrechtslehrern und Praktikern zusammengesetzten Kommission. In Portugal ist der Nationalversammlung der Entwurf des Allgemeinen Teils zugeleitet worden (Proposta de lei N ° . 117/1 „Revisäo do Codigo penal. Parte geral" von 1977). Zur Vorgeschichte Correia, in: Madlener-Papenfuß-Schöne Strafrecht und Strafrechtsreform S. 107 ff. 123 Jescheck ZStW 90 (1978) S. 777 ff. (46)

Vili. Die Strafrechtsreform im Ausland (Jescheck)

EinI

d) Eindrucksvoll ist das Reformwerk ferner im anglo-amerikanischen Rechts- 96 kreis. England hat durch eine ganze Serie von Reformgesetzen seine Kriminalpolitik auf eine neue Grundlage gestellt 1 2 4 und bemüht sich darum, zum erstenmal in seiner Geschichte eine Kodifikation des in das C o m m o n law und viele Einzelgesetze zersplitterten Strafrechts durchzuführen. Ob es dazu kommen wird, ist freilich sehr die Frage. Die Beschäftigung mit dem Gedanken der Kodifikation hat jedoch zu grundsätzlichen Erwägungen über die richtige Gestaltung des modernen Strafrechts und damit auch zu intensiver Rechtsvergleichung geführt. In den USA haben sich die meisten Einzelstaaten auf der Grundlage des Model Penal Code von 1962 1 2 5 , eines in zehnjähriger Arbeit geschaffenen Privatentwurfs des American Law Institute, neue Strafgesetzbücher gegeben 1 2 6 . Der Entwurf des neuen Federal Criminal Code ist vom Senat angenommen worden und wird gegenwärtig im Repräsentantenhaus beraten. Ebenso wie in Schweden ist jedoch auch in den USA ein Umdenkungsprozeß im Gange, der von einer Umkehr zur reinen Tatvergeltung bis zur Empfehlung äußerster Zurückhaltung bei dem strafrechtlichen Eingriff („radical non-intervention") reicht 1 2 7 . e) In Lateinamerika ist im Jahre 1971 der Allgemeine Teil eines Musterstrafge- 97 setzbuchs veröffentlicht w o r d e n 1 2 8 , der zwar keine durchgreifenden Neuerungen aufweist, aber als Dokument gemeinsamen Reformwillens und gemeinschaftlicher Arbeit der Strafrechtswissenschaft eines ganzen Kontinents große symbolische Bedeutung besitzt. Einige Staaten haben ihre Strafgesetzbücher bereits entsprechend umgestaltet. Brasilien hat sich im Jahre 1969 ein neues Strafgesetzbuch gegeben, das aber noch nicht in Kraft getreten ist. Als G r u n d der Verzögerung wird der noch fehlende Gleichstand mit der ebenfalls betriebenen Strafprozeßreform genannt. Der letzte Aufschub erfolgte „sine die", so daß wohl jetzt mit dem Scheitern des ganzen Reformwerks gerechnet werden m u ß 1 2 9 . In Argentinien ist die Strafrechtsreform durch den Wechsel der politischen Machtverhältnisse in eine andere Richtung gedrängt worden 1 30. Der stärker an die deutsche Reform angelehnte Entwurf eines neuen StGB von 1974/75 mit dem Schuldprinzip als Kernstück wurde verlassen; ein neuer Entwurf ist in Vorbereitung. Das endgültige Gesicht des Strafrechts ist ebenso wie das endgültige politische Schicksal dieses zweitgrößten Landes Lateinamerikas noch ungewiß. f) Die Strafrechtsreformbewegung ist indessen nicht auf die Länder westlicher 98 Tradition und Prägung beschränkt geblieben, sondern hat auch den sozialistischen Rechtskreis ergriffen. Neue Strafgesetzbücher sind in der Sowjetunion von den meisten Republiken auf der Grundlage der im Jahre 1958 von den Zentralorganen erlassenen neuen Grundsätze für die Strafgesetzgebung 1 3 1 geschaffen worden. Eine 124

Hall Williams SchwZStr 84 (1967) S. 1 ff; Cross The English Sentencing System, 2. Aufl. (1975). 125 Honig (Übers.) Entwurf eines amerikanischen Musterstrafgesetzbuches vom 4. Mai 1962 (1965). 126 Bassiouni Substantive Criminal Law S. 70 ff; Herrmann, in: Kaiser-Vogler Strafrecht und Strafrechtsvergleichung S. 25 ff. 127 Weigend ZStW 90 (1978) S. 1102 ff. 128 Jescheck Heinitz-Festschr. S. 717 ff; Bacigalupo, in: Madlener-Papenfuß-Schöne Strafrecht und Strafrechtsreform S. 129 ff. 129 Fragoso ZStW 91 (1979) S. 444. 130 Bacigalupo Cuadernos de Politica Criminal 1977, Nr. 2, S. 1 ff; ZStW 91 (1979) Heft 4. 131 Schroeder Grundsätze der Strafgesetzgebung, Staatsschutz- und Militärstrafrecht der UdSSR (1975). (47)

Einl

Einleitung

Fortentwicklung dieser Grundsätze im Sinne größerer Humanisierung und Liberalisierung des Strafrechts wurde im Jahre 1977 eingeleitet. Alle sozialistischen Staaten in Europa haben sich angeschlossen, so die Tschechoslowakei und Ungarn 1961, die DDR132, Bulgarien und Rumänien 1968, im Jahre 1969 auch Po/en 1 3 3 , das jedoch manche Züge seines liberalen Strafgesetzbuchs von 1932 beibehalten hat, wie Polen überhaupt eine Brücke zwischen der lateinischen Kultur und der sozialistischen Welt darstellt. Jugoslawien134 hat sein Strafrecht im Jahre 1978 entsprechend der föderalistischen Struktur des Staates vollständig umgestaltet. 99

g) In Japan ist nach jahrzehntelangen Vorarbeiten im Jahre 1974 der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs zustande gekommen, der die deutschen, österreichischen, schwedischen und sowjetischen Reformarbeiten berücksichtigt^ 3 5 . Ähnlich wie in Deutschland hat sich ein Alternativkreis von Strafrechtslehrern gebildet, der eine von der Öffentlichkeit stark beachtete Kritik des zu sehr dem geltenden Recht verhafteten und zu wenig fortschrittlichen Entwurfs vorgelegt hat.

100

h) In den neuen Staaten des schwarzen Afrika sind entweder die Strafgesetze der früheren Kolonialmächte noch in Geltung oder sie sind modifiziert oder durch neue Kodifikationen ersetzt w o r d e n 1 3 6 . Eine gewaltige Strafrechtsreform ist auch dort im Gange, doch sind die Verhältnisse infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der starken Gegensätze zwischen Stadt und Land und des mächtigen Drucks der Tradition voller kaum lösbarer Probleme. Die schwarzafrikanischen Staaten orientieren sich meist noch an dem Recht und der Justizorganisation der früheren Kolonialmächte und entsenden auch ihre Rechtsstudenten gern in die alten Zentren der europäischen Rechtslehre. Aber die Selbständigkeit u n d geistige Unabhängigkeit Afrikas wächst.

101

2. Die Frage, ob man auch in der Sache von einer internationalen Strafrechtsreformbewegung sprechen kann, mag zweifelhaft sein und eine verschiedene Antwort erfordern, je nach dem, ob man mehr das Gemeinsame oder mehr die Unterschiede betont. Naturgemäß hängt jede Strafrechtsreform auch wesentlich ab von den sie bedingenden ideologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, von dem gesamten Entwicklungsstand des Landes, von dem historischen und philosophischen Hintergrund der Rechtsordnung, vom Stil des betreffenden Strafrechts und von dem Geist des herrschenden politischen Systems. So gesehen bleibt die Strafrechtsreform immer eine nationale Erscheinung mit charakteristischer Eigenart und scharf geprägter individueller Gestalt. Gleichwohl gibt es auch bedeutende gemeinsame Züge der Strafrechtsreform in der Welt.

132 133 134 135

136

Irene Sagel-Grande ZStW 87 (1975) S. 762 ff. Spotowski ZStW 87 (1975) S. 742 ff; Jescheck ZStW 88 (1976) S. 467 ff; Cieslak ZStW 90 (1978) S. 504 ff. Zlataric ZStW 89 (1977) S. 479 ff; Bavcon ZStW 89 (1977) S. 489 ff. Nishihara, in: Madlener-Papenfuß-Schöne Strafrecht und Strafrechtsreform S. 171 ff; Naito ebenda S. 179 ff; Miyazawa ZStW 88 (1976) S. 813 ff. Der letzte Stand der Gesetzgebung ist verzeichnet in: Jescheck-Löffler Quellen und Schrifttum des Strafrechts, Bd. II (Außereuropäische Staaten), 3. Lieferung: Afrika (ohne Nordafrika); vgl. ferner Barbara Huber Strafrechtsdualismus und Strafgerichtsbarkeit in Nigeria, in: Verfassung und Recht in Übersee 1976, Heft 2, S. 223 ff. Die Ergebnisse einer Forschungsarbeit des Freiburger Max-Planck-Instituts über die Strafrechtspflege in Kamerun werden 1980 veröffentlicht werden. (48)

V i l i . D i e Strafrechtsreform im A u s l a n d (Jescheck)

Einl

a) Ein großes Ziel der Reform in vielen Ländern ist die Entkriminalisierung 137 . 102 Es gibt d a f ü r juristisch verschiedene Möglichkeiten. Ein Weg ist die Umwandlung von Straftaten in Ordnungswidrigkeiten, die nicht mit krimineller Strafe, sondern mit Geldbußen disziplinären Charakters geahndet werden (Bundesrepublik Deutschland, Italien, Schweiz, D D R ) (oben Rdn. 10 ff). Zu nennen ist als zweiter Weg der Entkriminalisierung die prozessuale Lösung durch Anwendung des Opportunitätsprinzips, das der Anklagebehörde die Möglichkeit gibt, in Bagatellfällen das Verfahren vor Anklageerhebung, möglicherweise unter bestimmten Voraussetzungen und Auflagen, bedingt einzustellen. England, Frankreich, J a p a n , USA, die Niederlande und viele andere Länder gehen diesen Weg der in der Öffentlichkeit fast unbemerkten Entkriminalisierung. Im deutschen Recht ist neu die Übertragung einer eigenen Sanktionskompetenz auf die Staatsanwaltschaft im Vorverfahren (oben Rdn. 41). Endlich wird neuerdings auch dem Gericht zunehmend die Möglichkeit eingeräumt, nach dem Schuldspruch die Entscheidung über den Strafausspruch zu vertagen, um dem Angeklagten die Chance zu geben, den durch die Tat angerichteten Schaden auszugleichen und auf den Weg des Rechts zurückzukehren, z. B. in Deutschland (oben Rdn. 82 a. E.), Frankreich, England, Kanada. Gelingt die Bewährung, so unterbleibt der Strafausspruch. Daneben gibt es auch das Absehen von Strafe ohne Bedingungen oder Auflagen in leichten Fällen, z. B. in England, K a n a d a und Schweden. Eine ähnliche Funktion hat die Einstellung des Strafverfahrens bei geringer Sozialgefährlichkeit der Tat in Polen und anderen sozialistischen Ländern. b) Ein besonders wichtiger gemeinsamer Zug der internationalen Strafrechtsre- 1 0 3 formbewegung ist ferner die Ersetzung der Freiheitsstrafe und teilweise auch der Geldstrafe durch die Bewährung des Verurteilten in überwachter Freiheit. Fast alle Länder haben in ihrer Reform den großen rechtspolitischen Gedanken aufgegriffen, der in der bedingten Verurteilung liegt: die begangene Straftat aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht ohne staatliche Antwort zu lassen, den Täter aber mit der Strafe oder doch wenigstens mit deren Vollstreckung zu verschonen, um das damit verbundene soziale Übel möglichst klein zu halten, und die dem Verurteilten gewährten sozialen Hilfen so einzusetzen, daß möglichst auch die eigenen positiven Kräfte aktiviert werden. Auch zu dem Ziel der Bewährung des Verurteilten in überwachter Freiheit gibt es juristisch verschiedene Wege (oben Rdn. 40 ff). Das vorläufige Absehen von der Erhebung der Klage durch die Staatsanwaltschaft als mildeste Form wurde schon bei den Mitteln der Entkriminalisierung erwähnt (oben Rdn. 102), da es hierbei nicht einmal zu einem Schuldspruch kommt. Dieser zuerst wohl von Belgien beschrittene Weg ist neuerdings in den USA als „diversion" und als „pre-trial probation" stark ausgebaut worden. Die nächste, ebenfalls schon erwähnte Stufe ist das vorläufige Absehen vom Strafausspruch durch das Gericht (oben Rdn. 102), ein Verfahren, bei dem zwar ein Schuldspruch ergeht, die Tat aber im Falle der Bewährung des Verurteilten ohne Sanktion bleibt. Einen Schritt weiter geht die „probation" des anglo-amerikanischen Rechts, die in England, den USA und allen Commonwealth-Ländern die Hauptform der bedingten Verurteilung darstellt (oben Rdn. 42). Diese Form hat auch in Kontinentaleuropa Einzug gehalten. Wir finden sie z. B. in Belgien, in der D D R und in Schweden. In Deutschland wurde die „probation" aus Sorge um die Generalprävention nicht eingeführt sowie 137

(49)

Vogler Z S t W 9 0 (1978) S. 132 ff. A l l g e m e i n zur B e k ä m p f u n g der Bagatellkriminalität Kaiser Z S t W 9 0 (1978) S. 877 ff; zum Strafverfahren Hünerfeld ebenda S. 9 0 5 ff; zur S c h w e i z und zu Österreich Driendl ebenda S. 1017 ff.

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Einleitung

auch deswegen, weil man füchtete, daß im Falle des Versagens des Verurteilten in der Bewährungszeit der Strafausspruch diesen Umstand einbeziehen würde und daß dadurch das Tatschuldprinzip verlorengehen könnte. Die Bewährungshilfe ist jedoch auch in den Ländern heimisch geworden, die die bedingte Verurteilung nicht in der Form der „probation", sondern nach dem belgisch-französischen System des „sursis" übernommen haben, wie Deutschland, Frankreich, Italien oder die Schweiz (oben Rdn. 43). In den sozialistischen Ländern tritt an die Stelle des individuellen Bewährungshelfers vielfach die Bürgschaft durch das Kollektiv, dem der Verurteilte angehört, ζ. B. durch den Betrieb, einen Verein oder ein Wohnviertel. Das Bedenken hiergegen besteht in der zu starken Belastung der Privatsphäre durch den Druck der Öffentlichkeit und der halbstaatlichen Organisationen. 104

c) Die Ausbreitung der Geldstrafe als Surrogat der kurzfristigen Freiheitsstrafe ist ein weiterer gemeinsamer Zug der Strafrechtsreform in vielen Ländern 1 3 8 . Doch deutet sich in der Einschätzung der kurzen Freiheitsstrafe neuerdings eine differenzierte Beurteilung an, so ζ. B. im französischen Entwurf von 1978, der die Haftstrafe bis zu 15 Tagen als kurze, wirksame Schockstrafe beibehalten hat und deren schädliche Auswirkungen durch den Wochenendvollzug vermeiden will. Auch der Strafarrest im militärischen Bereich und das Gebiet der Wirtschaftskriminalität sind zu nennen. Allgemein gibt es Länder mit kurzfristiger Freiheitsstrafe als Kernstück des Sanktionensystems sogar noch häufiger als Länder, die die Geldstrafe in den Mittelpunkt stellen. Doch geht die Tendenz eher in Richtung zur Geldstrafe, weil man sich von der Freiheitsstrafe nichts für die Integration des Verurteilten verspricht und sie auch im mittleren Kriminalitätsbereich möglichst vermeiden möchte. Länder mit besonders hoher Geldstrafenquote sind Deutschland, Österreich und Japan. Das Gegenstück sind etwa Belgien, Frankreich, die Niederlande und die Schweiz, wo die kurzfristige Freiheitsstrafe noch immer einen beträchtlichen Anteil an der Gesamtzahl der Verurteilungen ausmacht und der Ausgleich in der Strafaussetzung zur Bewährung gesucht wird, die dann eine entsprechend höhere Erfolgsrate aufweist, weil es sich qualitativ um einen anderen Personenkreis handelt als ζ. B. in Deutschland, wo die Freiheitsstrafe die „ultima ratio" ist und bei Aussetzung in etwa der Hälfte der Fälle die Bewährung mißlingt. Das Tagessatzsystem als Regelungsmodell für die Geldstrafe (oben Rdn. 82) ist nach dem Vorbild von Finnland, Schweden und Dänemark in Mitteleuropa aufgenommen worden durch Deutschland und Österreich, weiter durch mehrere Länder Lateinamerikas 1 3 9 . Verworfen wurde es dagegen bei den Reformarbeiten in England, Frankreich, Japan und den Niederlanden. Wenig beachtet wird es in Italien und der Schweiz. Einen großen internationalen Erfolg hat das Tagessatzsystem also nicht errungen. Es kann aber sein, daß sich mit der Zeit die günstigen deutschen Erfahrungen auf die Geldstrafenreform im Ausland auswirken.

105

d) Über die klassischen Hauptstrafen hinaus haben sich in der internationalen Strafrechtsreformbewegung neue Sanktionsformen entwickelt, die weder Freiheitsstrafe noch Geldstrafe sind, sondern den Zweck fühlbarer staatlicher Reaktion auf andere Weise zu erreichen suchen und damit auch positive soziale Wirkungen wie Opferentschädigung oder Arbeit für die Gemeinschaft verbinden wollen. So gibt es in den sozialistischen Ländern den öffentlichen Tadel, in den nordischen Ländern die Verwarnung, in England ein praktisch häufiges polizeiliches Mittel, die Grebing. Grebing.

i n : Jescheck-Grebing i n : Jescheck-Grebing

D i e G e l d s t r a f e S. 1198 ff. Die G e l d s t r a f e S. 1258 ff. (50)

V i l i . Die Strafrechtsreform im Ausland (Jescheck)

Einl

„caution", die das Strafverfahren in leichteren Fällen abschließt. Die Auflage der alsbaldigen und vollständigen Opferentschädigung als einzige Sanktion ist selten, kommt aber ebenfalls vor, so in Mexiko und der Sowjetunion. Eine bedeutsame Entwicklung ist in Frankreich zu verzeichnen, wo seit dem Reformgesetz von 1975 Neben- und Zusatzstrafen sowie Maßregeln, vor allem Berufs- und Tätigkeitsverbote, Einziehung des Kraftfahrzeugs und Verlust der Fahrerlaubnis als Hauptstrafen mit dem Zweck der Vermeidung von Freiheitsstrafe verhängt werden können 1 4 0 . Auch in den lateinamerikanischen Ländern stellt die als Hauptstrafe verwendbare „inhabilitación" in Gestalt von Berufsverboten oder der Entziehung von Rechten und Befugnissen eine Alternative zur Freiheits- und Geldstrafe dar. Die Möglichkeit, durch gemeinnützige Arbeit eine Art von Wiedergutmachung auch gegenüber der Gesellschaft zu leisten, hat es bisher schon bei den Auflagen im Rahmen der bedingten Verurteilung vielfach und als Alternative der Ersatzfreiheitsstrafe in einigen Ländern, z. B. in Deutschland und der Schweiz (übrigens ohne großen Erfolg), gegeben. Neu ist die Einführung des „community service" als Hauptstrafe in England. Die Sanktion besteht hier in der Verpflichtung zur Ableistung einer bestimmten Stundenzahl unbezahlter, gemeinnütziger Arbeit in der Freizeit zugunsten von bedürftigen Personen oder für Zwecke der Gemeinschaft, z. B. in Krankenhäusern, Volksküchen, Kinderhorten, Altersheimen, Tagespflegestätten, die sonst von staatlichen, kirchlichen oder caritativen Organisationen erfüllt werden. Der Ministerrat des Europarats hat kürzlich eine Empfehlung zugunsten der gemeinnützigen Arbeit ausgesprochen. Ihre Einführung in das Strafrecht wird in verschiedenen europäischen Ländern erwogen. Eine neuartige Sanktion ist endlich die Freiheitsbeschränkungsstrafe in Polen, die mit Arbeitspflicht, Bindung an den Aufenthaltsort, Wiedergutmachungsauflagen, Lohnkürzung und anderen empfindlichen Eingriffen verbunden sein kann. Darüber hinaus ist die Besserungsarbeit ohne Freiheitsentziehung nach sowjetischem Vorbild in den meisten Ländern des sozialistischen Rechtskreises bekannt. Bei dieser gewöhnlich am normalen Arbeitsplatz vollzogenen Strafe spielt vor allem der Gedanke der erzieherischen Einwirkung des Kollektivs auf den Verurteilten eine Rolle. e) Der Bekämpfung der Schwerkriminalität dient auch im Ausland weiterhin die 106 Freiheitsstrafe, und dies kann nicht anders sein, da die Generalprävention bei schweren Straftaten empfindliche Freiheitsstrafen verlangt. Aber auch die Notwendigkeit der Sicherung der Allgemeinheit gegen gefährliche Kriminelle hat in der modernen Kriminalpolitik ihre volle Berechtigung behalten. Dieser Zweck kann auf verschiedenen Wegen verwirklicht werden. Wir finden einmal die zur Freiheitsstrafe kumulativ hinzutretende Sicherungsverwahrung, z. B. in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien; doch ist die im strengen Sinne zweispurige Lösung des Problems des gefährlichen Gewohnheitstäters auf dem Rückzug begriffen. Es gibt ferner die einspurige Internierung, welche Strafe und Maßregel in sich vereinigt, z. B. in Belgien und Schweden. Eine dritte Möglichkeit ist die über die Schuld hinaus verlängerte Freiheitsstrafe („extended sentence"), die den Sicherungszweck mit übernimmt, z. B. in England, den USA und den sozialistischen Ländern, die meist keine Maßregeln kennen. Zusätzlich kommt noch eine Sicherungsverwahrung in Betracht, die sich an die verlängerte Sicherungsstrafe anschließt, z. B. in Polen die Unterbringung in einem Zentrum der sozialen Anpassung.

14,1

(51)

Teufel Reformen zur Ersetzung der kurzfristigen Freiheitsstrafe in Frankreich, Diss. Freiburg i. Br. (1979).

Einl

Einleitung

In vielen Ländern gibt es ferner noch die unbestimmte Freiheitsstrafe, die einst das große Postulat der modernen Schule gewesen ist, ζ. B. in Argentinien, Brasilien, Kanada, in den USA und im japanischen Entwurf von 1974. Neuerdings werden jedoch in den USA und auch sonst gegen die unbestimmte Freiheitsstrafe schwere Bedenken erhobenl 4 1 , da sie das Schicksal des Gefangenen von seiner Anpassung an das Gefängnismilieu und von dem unbeschränkten Ermessen der Entlassungsgremien abhängig macht und weder mit dem Schuldprinzip noch mit rechtsstaatlichen Anforderungen in Einklang gebracht werden kann. Das sind auch die Gründe, die in Deutschland der Einführung der unbestimmten Freiheitsstrafe stets entgegengestanden haben. Endlich besteht die Möglichkeit der Verschärfung des Strafvollzugs zum Zwecke der Abschreckung des Verurteilten, in der Regel verbunden mit einer verlängerten oder unbestimmten Freiheitsstrafe, so ζ. B. in einigen sozialistischen Ländern. Doch ist dieser Weg mit dem Gedanken der Humanität als Grundlage des Strafvollzugs unvereinbar. 107

3. Eine Würdigung der deutschen Strafrechtsreform im internationalen Vergleich ergibt, daß die deutsche Kriminalpolitik einen Mittelweg eingeschlagen hat 1 4 2 . Die Beschränkung des Strafrechts auf das absolut notwendige Maß des Gesellschaftsschutzes, die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe, die Zurückdrängung der Freiheitsstrafe im Bereich der leichten und mittleren Kriminalität, der Ausbau der Strafaussetzung zur Bewährung mit wirkungsvoller Bewährungshilfe, die Entwicklung der Geldstrafe zu einer die Freiheitsstrafe weithin ersetzenden Sanktion sind Wesenszüge der deutschen Kriminalpolitik, die mit den großen internationalen Tendenzen übereinstimmen. Deutschland ist damit wieder zur Spitzengruppe der internationalen Strafrechtsreformbewegung aufgerückt. Die deutsche Kriminalpolitik unterscheidet sich jedoch von der Tendenz, die in den meisten Ländern vorherrscht, durch die starke Betonung des Schuldprinzips, wonach die Strafe das Maß von Unrecht und Schuld jedenfalls nicht üftmchreiten darf. Das Schuldprinzip ist durch das Grundgesetz vorgegeben, das jeden Bürger als freien zur Verantwortung fähigen und berufenen Menschen ansieht. Es stellt auch einen wichtigen Schutz des Beschuldigten gegen jedes Übermaß der kriminalrechtlichen Reaktion des Staates dar. Die Zweispurigkeit von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehenden Maßregeln, die aus dem Schuldprinzip folgt (oben Rdn. 35), ist im Vollzug durch ein flexibles System des Austausche und der Koordination der verschiedenen Sanktionen an die Einspurigkeit stark angenähert worden und widerspricht damit nicht der internationalen Entwicklung. Auch die Strafvollzugsreform befindet sich im Prinzip auf dem richtigen Wege. Aber richtig ist es auch, daß man in Deutschland nicht auf die resozialisierende Wirkung der Freiheitsstrafe vertraut, sondern sie nach Möglichkeit zu vermeiden sucht.

1

^ I Weigend ZStW 90 ( 1978) S. 1115 ff. Jescheck Jahrbuch der MPG 1975 49 ff; AT § 70 III.

142

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Strafgesetzbuch (StGB) In der Fassung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I S. 1)

Allgemeiner Teil ERSTER A B S C H N I T T Das Strafgesetz ERSTER TITEL Geltungsbereich

§1 Keine Strafe ohne Gesetz Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Schrifttum Allgemeines zum Gesetzlichkeitsprinzip. Beling Methodik der Strafgesetzgebung, 1922; Binding Handbuch des Strafrechts, 1885; Bockelmann Richter und Gesetz, Smend-Festschrift (1952) 23 ; Bopp Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs im Sinne des Grundrechts „nulla poena sine lege", 1966; Bruns Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, 1938; Engisch Einführung in das juristische Denken, 6. Aufl. 1975; Engisch Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. 1968; Exner Gerechtigkeit und Richteramt, 1922; von Feuerbach Lehrbuch des gemeinen und in Deutschland gültigen peinlichen Rechts, 1801; Gallwas Strafnormen als Grundrechtsprobleme, M D R 1969 892; Grünhut Begriffsbildung und Rechtsanwendung im Strafrecht, 1926; Grünhut Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, Frank-Festschrift I, S. 1 ; Heimberger Freiheit und Gebundenheit des Richters, 1928; Isay Rechtsnorm und Entscheidung, 1929; Kantorowicz Tat und Schuld, 1933; Kleinhey er Vom Wesen der Strafgesetze in der neuen Rechtsentwicklung, 1968; Maihofer Rechtsstaat und Menschenwürde, 1968; Liermann Die Bindung des Richters an den Gesetzgeber, DRiZ 1964 308 ; Kohlmann Der Begriff des Staatsgeheimnisses und das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften, 1969; Mezger Vom Wesen strafrechtlicher Tatbestände, Traeger-Festschrift (1926) 187; Noll Zur Gesetzestechnik im Entwurf eines StGB, JZ 1963 297 ; Hans Peter Schneider Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, 1969; Stree Deliktfolgen und Grundgesetz, 1960; Zippelius Rechtsnorm und richterliche Entscheidungsfreiheit, JZ 1970 241. Bestimmtheitsgebot, Gewohnheitsrecht, Analogie, Auslegung. Ackermann Das Analogieverbot im geltenden und künftigen Strafrecht, Strafr. Abh. 348 (1934); Adolf Arndt Demokratische Rechtsauslegung am Beispiel des Begriffs „Staatsgeheimnis", NJW 1963 24; Adolf Arndt Landesverrat 1966; de Asua Nullum crimen, nulla poena sine lege ZStW 63 (1951) 166; Bau(i)

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

mann Die natürliche Wortbedeutung als Auslegungsgrenze im Strafrecht, M D R 1958 394; Bender Inhalt u n d Grenzen des Gebots der verfassungskonformen Auslegung, M D R 1959 441; Bender Zur Methode der Rechtsfindung bei der Auslegung u n d Fortbildung des gesetzten Rechts, J Z 1957 593; Bindokat Teleologie u n d Analogie im Strafrecht, J Z 1969 541; Bohne Die Magna Charta u n d das strafgesetzliche Analogieverbot, H. Lehmann-Festschrift (1937) 71 ; Bringewat Scheckkartenmißbrauch u n d nullum crimen sine lege, G A 1973 353; Claß Generalklausel im Strafrecht, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) 122; Dahm Beibehaltung oder Abschaffung des Grundsatzes „nulla poena sine lege", Deutsche Landesreferate zum II. Int. Kongreß für Rechtsvergleichung im Haag (1937) 514; Eckhardt Die verfassungskonforme Auslegung, 1964; Eilsberger Rechtstechnische Aspekte der verfassungskonformen Auslegung, JuS 1970 321; Elvers Die Bedeutung des Satzes nulla p o e n a sine lege, Diss. Göttingen 1910; Engisch Der Begriff der Rechtslücke, W. Sauer-Festschrift (1949) 85; Engisch Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 2. Aufl. 1960; Esser Vorverständnis u n d Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970; Geerds Zur Problematik der strafrechtlichen Deliktstypen, EngischFestschrift, (1969) S. 406; Gerland Art. 116. Nulla poena sine lege, in: Grundrechte u n d Grundpflichten in der Reichsverfassung (1929) I, 383; Germann Auslegung u n d freie Rechtsfindung, SchweizZStR Bd. 55 134; Germann Zum sogenannten Analogieverbot nach schweizerischem StGB, SchweizZStR Bd. 61 119; Germann Probleme u n d Methoden der Rechtsfindung, 1965; Gomard Auslegung u n d Analogie bei der Anwendung dänischer Wirtschaftsstrafgesetze, ZStW 83 (1971) 331; Grünwald Bedeutung u n d Begründung des Satzes „nulla poena sine lege" ZStW 76 (1964) 1 ; Haft Generalklauseln u n d unbestimmte Begriffe im Strafrecht, JuS 1975 477; Hafter Lücken im Strafgesetz, Lückenausfüllung, SchweizZStR Bd. 62 133; Hanack Zur verfassungsmäßigen Bestimmtheit u n d strafrechtlichen Auslegung des Begriffs „unzüchtige Schrift" (§ 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB, Art. 103 Abs. 2 GG), J Z 1970 41; Heinitz Zur Verfassungsmäßigkeit der Strafbestimmung gegen den groben Unfug, E. HirschFestschrift (1968) 47; Hennings Die Entstehungsgeschichte des Satzes nulla poena sine lege, Diss. Göttingen 1933; Jost Zum Analogieverbot im Strafrecht, SchweizZStR Bd. 65 358; Arthur Kaufmann Analogie u n d „ N a t u r der Sache", 1965; Klug Juristische Logik, 3. Aufl. 1966; Kohlmann Der Begriff des Staatsgeheimnisses u n d das verfahrensrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften, 1969; Krey Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht, 1977; Kratzsch § 53 StGB u n d der Grundsatz nullum crimen sine lege, G A 1971 65; Kunst Rechtsquellen u n d Rechtsanwendung, Verhandlungen des 5. Österreichischen Juristentages in Wien (1973) B a n d i i 1. Teil ; Lange-Fuchs Der Verfassungsgrundsatz der Tatbestandsbestimmtheit u n d die Unbestimmtheit des § 1 StVO, N J W 1967 1843; Lemmel Unbestimmte Strafbarkeitsvoraussetzungen im Besonderen Teil des Strafrechts u n d der Grundsatz nullum crimen sine lege, 1970; Lenckner Wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht u n d der Satz nullum crimen sine lege, JuS 1968 249, 304; Mangakis Über die Wirksamkeit des Satzes „nulla poena sine lege", ZStW 81 (969) 997 ; Hellmuth Mayer Das Analogieverbot im gegenwärtigen deutschen Strafrecht, SJZ 1947 12; Hellmuth Mayer Die gesetzliche Bestimmtheit der Tatbestände, Mat. I, 259; Mayer-Ladewig Der Satz „nulla poena sine lege" in dogmatischer Sicht, M D R 1962 262; Dieter Meyer Gedanken zum Problem der Auslegung von Strafgesetzen zugunsten der besseren Beweisbarkeit, SchlHA 1947 117; Michel Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 269 ; Mittermaier Über Analogie im Strafrecht, SchweizZStR 63 408 ; Naucke Über Generalklausel u n d Rechtsanwendung, 1973; Naucke Der Nutzen der subjektiven Auslegung im Strafrecht, Englisch-Festschrift (1969) 274; Nickel Die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte im Hinblick auf den Grundsatz „nullum crimen sine lege" (Artikel 103 Abs. 2 GG), 1972; Nowakowski Die Bedeutung von Entwürfen und Regierungsvorlagen für die Auslegung des geltenden Rechts, Österreichische Richterzeitung 1973 2; Riedel Irrtum der Gesetzgebung u n d Gesetzesauslegung, J R 1955 374; Rittler Gesetztes u n d nichtgesetztes Strafrecht, ZStW 49 (1925) 451; Sax Das strafrechtliche „Analogieverbot", 1953; Sax Grundsätze der Strafrechtspflege, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte I I I / 2 , 909; Schack Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 269; Schänke Auslegung, Analogie und Gewohnheitsrecht im Strafrecht, M D R 1947 85; Schottlaender Die geschichtliche Entwicklung des Satzes „nulla poena sine lege", Straf.Abh. 132 (1911); Schreiber Gesetz u n d Richter, Zur geschichtlichen Entwicklung des Prinzips nullum crimen, nulla poena sine

(2)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

lege, 1975; F. C. Schroeder Die Bestimmtheit von Strafgesetzen am Beispiel des groben Unfugs, JZ 1969 755; Schwalm Der objektivierte Wille des Gesetzgebers, Heinitz-Festschrift (1972) 47; Schwinge Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht, 1930; See/Unbestimmte und normative Tatbestandsmerkmale und der Grundsatz nullum crimen sine lege, Diss. München 1965; Spies Gesetzeswortlaut und Gesetzesauslegung, DRiZ 1956 168; Stern Interpretation und existentielle Aufgabe der Jurisprudenz, NJW 1958 695; Stockei Bekämpfung der Gesetzesumgehung mit Mitteln des Strafrechts, ZRP 1977 134; Stratenwerth Zum Streit der Auslegungstheorien, Germann-Festschrift (1969) 257; Stree Die Ersatzhehlerei als Auslegungsproblem, JuS 1961 50; Tiedemann Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969; Voller Lohnte die Einführung des § 2 n. F. StGB die Preisgabe der Rechtssicherheit? Diss. München 1949; Waiblinger Die Bedeutung des Grundsatzes: „nullum crimen sine lege", Festgabe für den Schweiz. Juristenverein (1955) 212; von Weber Zur Geschichte der Analogie im Strafrecht, ZStW 56 (1937) 653; Welzel Auf welche Bestandteile einer Strafvorschrift bezieht sich der Satz: nulla poena sine lege? JZ 1952 617; Woesner Generalklausel und Garantiefunktionen der Strafgesetze, NJW 1963 273 ; Zimmermann Mehrstufige Rechtsfindung als Verbindung von subjektiver und objektiver Auslegungsmethode, NJW 1954 1628; Zimmermann Der Wortlaut des Gesetzes im Spiegel höchstrichterlicher Rechtsprechung, NJW 1956 1262; Zimmermann Struktur- und Einzelfragen der Gesetzesauslegung im Spiegel der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, GA 1955 336; Weitere Schrifttumshinweise bei Rdn. 51 und vor den Erläuterungen zu § 2 und dort bei Rdn. 16.

Entstehungsgeschichte Die Fassung entspricht wörtlich dem Art. 103 Abs. 2 GG und dem bisherigen § 2 Abs. 1, der durch das 3. StrÄndG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 735) eingefügt worden war. Im StGB 1871 hatte die entsprechende Vorschrift die Bezeichnung § 2 Abs. 1 und von 1935 (G v. 28.6. 1935, RGBl. I S. 839) bis 1953 die Bezeichnung § 2 a Abs. 1. Gesetzesmaterialien zu § 1 und 2. E 1962 § 1, 2; Niederschriften d. Gr.StrafRKomm. Bd. 3 S. 288 ff, 293 ff, 416 ff, Bd. 4 S. 101 f, 222 ff, 460 f, Bd. 12 S. 423, 440, 538 ff, 571 ; Prot. d. Sonderausschusses 5. Wahlp. S. 5, 17 ff, 67 ff, 2344, 2619, 3118, 3128. - 2. Schriftl.Ber. BT-Drucks. V/4095 S. 4. E-EGStGB BT-Drucks. 7/550, S. 206, 459. Übersicht Rdn. I. Gesetzlichkeitsprinzip ] 1. Allgemeines 2 2. Historische Ursprünge 3 II. Verfassungsrechtliches G r u n d p r i n z i p . . . . 9 1. Gesetzlich b e s t i m m t 10 a) Gesetz 11 b) Straftatbestände 12 Schwierigkeiten bei d e r Bestimmtheit . 13 F ü r u n b e d e n k l i c h gehaltene Tatbestände 14 N o r m a t i v e Tatbestände 15 c) Tatfolgen 17 Regelbeispieltechnik 18 Unzulässige S t r a f r a h m e n 19 2. G e w o h n h e i t s r e c h t 20 Begriffliches 22 a) G e w o h n h e i t s r e c h t l i c h e Einengung von Tatbeständen 23 b)desuetud o 24 c) A u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e Begriffe und Vorstellungen gewohnheitsrechtlicher Art im Strafrecht 25 d) S t r a f b e g r ü n d e n d e s u n d strafschärfendes G e w o h n h e i t s r e c h t 26 (3)

Rdn. Allgemeine Lehren des Strafrechls und Gewohnheitsrechts

27

3. Verbot der R ü c k w i r k u n g von Strafgesetzen 28 4. Analogieverbot a) G r e n z e zwischen erlaubter teleologischer Auslegung u n d verbotener Analogie b) Erlaubte a u s d e h n e n d e Auslegung . . . c) Keine S t r a f s c h ä r f u n g d u r c h ausdehn e n d e Auslegung d) Regelbeispieltechnik steht Analogie nicht entgegen e) Zulässige Analogie f) Vor allem im sachlichen Recht g) G e f a h r e n durch die Analogie? 5. Gesetzesauslegung a) Wortauslegung b) Geschichtliche Auslegung c) Logisch-systematische M e t h o d e . . . . d) Teleologische M e t h o d e e) Einzelfragen aa) Verselbständigter Gesetzessinn .

30

31 33 35 36 37 38 40 41 42 44 45 46 47

§ 1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

bb)

cc) dd) ee) ff)

Rdn. Rechtspolitisch gewollte Fristen und Altersgrenzen, Gesetzes48 lücken Keine Unterbewertung des Ge49 setzestextes Überbewertung des Wortlauts . . 50 Verfassungskonforme Auslegung 51 Keine Anwendung „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten" . . . 52

Rdn. Auslegungsgrenzen aus dem Schutzgegenstand 53 hh) Auslegungsgrenzen aus dem Strafrahmen 54 Normative Straftatbestände . . . 55 ü) kk) Strafgesetzentwürfe 56 Verkündete, aber noch nicht in 11) Kraft getretene Gesetze 57 mm) Normenkontrolle 58 gg)

1

I. Die Vorschrift umschreibt am Beginn der Normen des Strafgesetzbuchs den fundamentalen Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz". Er hat Verfassungsrang und steht in Art. 103 Abs. 2 gleichlautend im Grundgesetz. Er begründet die Garantiefunktion des Strafgesetzes und unterstreicht die Gesetzesbindung allen staatlichen Strafens.

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1. Dieses Gesetzlichkeitsprinzip bedeutet ein Mehrfaches: Ohne ein Gesetz, das zur Tatzeit gilt, liegt eine Straftat nicht vor (nullum crimen sine lege). Ferner: Eine Strafe, die für die Tat gesetzlich nicht vorgesehen ist, darf nicht verhängt werden (nulla poena sine lege). Das Gesetzlichkeitsprinzip übt seine Garantiewirkung in vierfacher Weise aus: Es setzt geschriebene Strafgesetze voraus und schließt daher eine gewohnheitsrechtliche Begründung oder Verschärfung von Straftatbeständen aus (Ausschluß des Gewohnheitsrechts, nulla poena sine lege scripta, Rdn. 20). Diese Strafgesetze müssen hinreichend bestimmt sein (Bestimmtheitsgebot, nulla poena sine lege certa, Rdn. IO)1. Sie müssen ferner zur Tatzeit gültig und anwendbar sein, woraus sich das Verbot für den Richter ergibt, zum Nachteil des Angeklagten Gesetze rückwirkend anzuwenden, und für den Gesetzgeber, rückwirkend benachteiligende Gesetze zu erlassen (Rückwirkungsverbot, nulla poena sine lege praevia, Rdn. 28). Schließlich ist aufgrund des Gesetzlichkeitsprinzips strafbegründende und strafverschärfende Gesetzesanalogie und Rechtsanalogie 2 unzulässig (Analogieverbot, nulla poena sine lege strida, Rdn. 30). Erlaubt bleibt hingegen die ergänzende und erklärende Gesetzesauslegung und die Analogie zugunsten des Angeklagten sowie die Analogie außerhalb des sachlichen Rechts.

3

2. Das Gesetzlichkeitsprinzip hat dieselben historischen Ursprünge wie die Menschen- und Freiheitsrechte überhaupt. Sie reichen in die Anfänge der Neuzeit zurück 3 . Aber erst durch die geistigen Strömungen der Aufklärung gewann das Gesetzlichkeitsprinzip konkrete Gestalt als Reaktion auf die Willkürmöglichkeiten der Handhabung der Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert (Kabinettsjustiz). Rückwirkungsverbote finden sich in den nordamerikanischen Verfassungen von 1776 (Virgi1

2

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BVerfGE 25 289 = N J W 1969 1060f; Jesc h eck A T § 15 III 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12. Maurach-Zipf A T Teilb. 1 § 8 V A 4 möchte diese weitere (4.) Funktion des Gesetzlichkeitsprinzips nicht gesondert gelten lassen, sondern meint, daß sich dies schon aus dem G e b o t eines geschriebenen Strafgesetzes ergebe. Hierüber Maurach A T (4. Aufl.) § 10 II Β 3 b ; krit. hierzu und teilw. a . A. Maurach-Zipf A T Teilb. 1 (5. Aufl.) § 10 II Β 3; vgl. Krey Studien S. 2 7 f f . Hinweise bei Jescheck§ 15 II 1; Maurach-Zipf A T Teilb. 1 § 10 II Β ; Welzel § 5 I und Blei A T § 10 II; vgl. ferner Dürig in Maunz-Dürig-Herzog, G G Art. 103 Rdn. 103 Fn. 1 ; Haft JuS 1975 477; Pieroth JuS 1977 395. Zur Auslegung des Art. 103 Abs. 2 G G aus der Geschichte Kohlmann S. 167 ff. (4)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

nia und Maryland) und in der französischen Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, Analogieverbote in der Josephina von 1787 und im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 17974. Diese Gedanken setzten sich in den neueren Strafgesetzen fast allgemein durch. Man bemühte sich, das strafwürdige Unrecht in lükkenlos gedachten Tatbeständen abschließend zu umschreiben (z. B. im französischen Code pénal von 1810) und führte gesetzliche Verfahrensformen und -garantien ein, an die der Richter gebunden war. Dies verhinderte nicht nur richterliche Willkür. Diese Garantien dienten der Rechtssicherheit, der Berechenbarkeit des Strafrechts und bürgerlicher „Freiheit vom Staate" und damit dem Schutz des Bürgers gegen politisch mißbrauchte staatliche Strafgewalt. Feuerbach5 umschrieb das Gesetzlichkeitsprinzip erstmals mit der berühmten Formulierung „nulla poena sine lege"6 (Keine Strafe ohne Gesetz). Von dort ging dieses Analogie- und Rückwirkungsverbot als Kernsatz rechtsstaatlichen Strafens in spätere Strafgesetze und in die Verfassung über. Liberales Denken betonte hieraus folgend die fragmentarische Natur des Strafrechts, den „limitativen Charakter der gesetzlichen Tatbestandformulierungen" (Nagler). Auch das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 hat das Gesetzlichkeitsprinzip über das 4 preußische StGB von 1851 aus dem Code pénal von 1810 (Art. 4) übernommen. Die Vorschrift (§2 Abs. 1) lautete ursprünglich: „Eine Handlung kann nur dann mit Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde". In der Weimarer Verfassung (Art. 116) gewann das Gesetzlichkeitsprinzip Verfassungsrang. In seinem Wortlaut sprach dieser Verfassungsartikel jedoch von der gesetzlichen Bestimmtheit der „Strafbarkeit", nicht (wie § 2 Abs. 1 StGB) von der der „Strafe". Dies gab zu der unrichtigen Auslegung Anlaß 7 , daß nach der Weimarer Verfassung nur das Gesetzlichkeitsprinzip des „Ob" und nicht das des „Wie" Verfassungsrang habe. Diese Unklarheit und Abweichung in den Fassungen hatte im Dritten Reich verhängnisvolle Folgen 8 . Die Errungenschaften und die Garantien rechtsstaatlichen Strafrechts, nament- 5 lieh das Analogie- und Rückwirkungsverbot stand dem Nationalsozialismus im Wege. Das Gesetz zur Änderung des StGB vom 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 839) — in Kraft ab 1. 9. 1935 — gab dem bisherigen § 2 StGB folgende Fassung: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanken auf sie am besten zutrifft." 4 5 6

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8

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Einzelnachweise bei Jescheck § 15 II 1. Lehrbuch, l.Aufl. 1801 §23. Die Formel stammt in dieser Fassung nicht aus dem römischen Recht (vgl. Welzel § 5 I 2, der darauf hinweist, daß der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit angesichts der weitgefaßten Deliktsbegriffe im römischen Recht (ζ. B. des stellionatus) fremd gewesen ist. Gleichwohl ist dieser Rechtsgedanke im Ansatz bei Ulpian (Dig. 5, 16, 131) nachweisbar: Poena non irrogatur, nisi quae quaque lege vel quo alio iure specialiter huic delicto imposita est (Eine Strafe wird nur dann verhängt, wenn sie durch ein Gesetz oder einen anderen Rechtsgrund speziell für dieses Vergehen vorausgesehen ist). Stratenwerth (AT I Rdn. 64) weist darauf hin, daß dieser Grundsatz schon bei Cicero (In verrem, II 42) auftauche. Anschütz Die Verfassung des Deutschen Reiches 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 116 Anm. 1; hierzu auch Pieroth JuS 1977 395. Hierzu Jescheck § 15 II 3 Fn. 13; vgl. ferner Dreher ZStW 82 (1970) 851.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Damit war der rechtsstaatliche Grundsatz „nullum crimen sine lege" in sein Gegenteil verkehrt: „nullum crimen sine poena" (Kein Verbrechen ohne Strafe). Auf diese Weise war der Weg frei für übersteigerte Strafen und ungehemmte Pönalisierung, ein Bedürfnis, das dem Nationalsozialismus eigen war und das er mit allen totalitären Systemen teilt. Freilich wurde dieser Entwicklung zum einen dadurch der Boden bereitet, daß das Schrifttum und vereinzelt auch das Reichsgericht Unbehagen an der strengen Gesetzesbindung zum Ausdruck brachte 9 , zum andern wurde sie vor allem dadurch gefordert, daß das Analogieverbot im Verein mit enger Buchstabenauslegung (vgl. Rdn. 38) Strafbarkeitslücken schuf, die eine moderne sinn- und zweckbezogene Auslegung (Rdn. 46) zu vermeiden gewußt hätte. 6 § 2 StGB 1935 ersetzte somit das Verbot der Gesetzesanalogie durch ein Analogiegebot beschränkten Umfangs. Die Rechtsanalogie indessen blieb verboten. Auf dem Gebiet des allgemeinen Strafrechts machte indessen die Rechtsprechung von der Möglichkeit entsprechender Gesetzesanwendung nach § 2 StGB 1935 nur verhältnismäßig zurückhaltend Gebrauch (vgl. RGSt. 72 146, 75 61) 10 . Verschiedentlich hat die Rechtsprechung eine rechtsähnliche Auslegung sogar in Fällen abgelehnt, die in späterer Zeit durch ausdehnende Auslegung in den Bereich des Strafbaren einbezogen worden sind. Man darf daher insoweit das praktische Gewicht dieser theoretisch einschneidenden Gesetzesänderung des Jahres 1935 nicht überschätzen. Rechtswillkür und Rechtselend der damaligen Zeit rühren in erster Linie von der rücksichtslosen Anwendung politisch und rassisch diffamierender Gesetze her, dem Mißbrauch normativer Gesetzesbestandteile und der Einführung uferloser Strafdrohungen. 7

Die Besatzungsmächte haben durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 (Kontr.RABl. S. 55) vom 30. 1. 1946 (Art. I) den § 2 StGB 1935 aufgehoben, ohne die frühere Fassung wieder in Kraft zu setzen (Art. IV). Die Lücke wurde zunächst durch Besatzungsrecht ausgefüllt: „Strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht nur für rechtlich als strafbar erklärte Handlungen" (KRProkl. 3 II Nr. 2); „Kein Gericht darf irgendeine Handlung aufgrund der ,Analogie' oder im Hinblick auf das sogenannte gesunde Volksempfinden' für strafbar erklären" (Nr. 3); „Strafen, die das Gesetz nicht vorsieht, dürfen nicht verhängt werden" (Nr. 4); ähnlich MilRegGes. Nr. 1 (MilRegAmtsbl. Nr. 3) Art. IV Nr. 7. Damit war das Gesetzlichkeitsprinzip wieder hergestellt. Das hatte aber die Besatzungsmächte, worauf Jescheck (Lehrbuch AT § 14 II, § 15 II 3) mit Recht hinweist, nicht daran gehindert, im Londoner Abkommen vom 8.8.1945 und im Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KontrRABl. S. 50) vom 20. 12. 1945 selbst teilweise rückwirkende Strafvorschriften zu erlassen.

8

Neben und später an die Stelle dieses Besatzungsrechts trat seit dem 23. 5. 1949 Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes. Er kehrte zum alten Rechtszustand zurück und verbot auch den Erlaß rückwirkender Strafgesetze. Durch das 3. StRÄndG ist der § 2 StGB 1953 eingeführt und auch das StGB in der Sache wieder auf den früheren Stand gebracht worden. Das Gesetzlichkeitsprinzip fand auch in völkerrechtlichen Verträgen international Anerkennung: Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 bestimmt: „Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die 9

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Vgl. Nachweise bei Jescheck § 1 5 I I 3 F n . 14; Niethammer in Olshausen 12. Aufl. § 2 Anm. 1. Schmidhäuser AT 5 / 2 4 ; Übersicht bei LK, 6. Aufl. S. 80; bei Niethammer in Olshausen 12. Aufl. § 2 Anm. 9. (6)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden". Diese Norm hat auch innerstaatliche Geltung (Gesetz vom 7. 8. 1952, BGBl. II S. 685, BGBl. 1954 II S. 14), wirkt aber nur wie ein einfaches Bundesgesetz (BayVerfGH NJW 1961 1619)1 II. Das durch Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 verwirklichte Gesetzlichkeitsprinzip 9 reicht zufolge seines Verfassungsrangs über das Strafrecht hinaus. Es bezieht seine Werthaftigkeit aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und letztlich aus den persönlichen Freiheitsrechten und der Würde des Menschen (Art. 2 und Art. 1 Abs. 1 GG) 12 . Art. 103 Abs. 2 GG gewährt ein subjektives öffentliches Recht und einen negativen Abwehranspruch gegen die staatliche Gewalt. Durch diese Grundrechtsvorschrift nimmt § 1 an der verfassungsrechtlichen Bestandsgarantie teil. Es enthält unabdingbar zwingendes Recht13. Sachlich entspricht diesem § 1 auch Art. 7 der MenschRechtskonv., der deutsches Recht geworden ist (G v. 7. 8. 1952, BGBl. II S. 689), jedoch nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat 14 . 1. Gesetzlich bestimmt muß die Strafbarkeit sein. Das setzt ein ordnungsgemäß 10 zustandegekommenes Gesetz (Rdn. 11) voraus, das an ein hinreichend bestimmtes Verhalten (Rdn. 12) eine der Art nach abgegrenzte, gesetzlich vorgesehene Tatfolge (Rdn. 17) knüpft (nulla poena sine lege certa). Das Ordnungswidrigkeitenrecht enthält für die Ahndbarkeit von Ordnungswidrigkeiten eine entsprechende Vorschrift in §3 Abs. 1 OWiG· 5 . Art. 103 Abs. 2 G G gilt auch für Ordnungsgeld und Ordnungshafilü sowie für Disziplinarmaßnahmen17; nicht jedoch für Beugemittel und Bewährungsauflagen 18 . a) „Gesetz" in diesem Sinne ist jede geschriebene Rechtsnorm, dies sind also nicht 11 nur förmliche Strafgesetze19, sondern auch Rechtsverordnungen, soweit sie durch eine Ermächtigung (Art. 80 GG) gedeckt sind. An die inhaltliche Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm werden strenge Anforderungen gestellt (BVerfGE 14 174)20. Geht es indessen um Freiheitsstrafen, so ist aufgrund des Art. 104 Abs. 1 GG stets ein förmliches Gesetz erforderlich 21 . Lediglich die „Spezifizierung des Straftatbe" Vgl. hierzu im einzelnen Dürig in Maunz-Dürig-Herzog Art. 103 Rdn. 121; Münch JZ 1961 153; weitere Beispiele aus dem Völkerstrafrecht Jescheck § 15 II 4. 12 Dürig in Maunz-Dürig-Herzog, Art. 103 Rdn. 103, 104; Grünwald ZStW 76 (1964) 1. 13 Dürig a. a. O. Art. 103 Rdn. 98, 100, 105 jeweils m. weit. Nachw. 14 BVerfGE 10 274 = NJW 1960 1244. 15 Göhler, OWiG, 5. Aufl. Anm. zu § 3; vgl. LK § 2 Rdn. 33. 16 OLG Neustadt NJW 1957 1155; Dürig in Maunz-Dürig-Herzog Art. 103 GG Rdn. 114 m. weit. Nachw. 17 Dürig (wie Fußn. 16) Rdn. 116. 18 Dürig (wie Fußn. 16) Rdn. 115 und 118. 19 So auch Kohlrausch-Lange § 2 Anm. I; Holtkotten Bonner Komm. Art. 103 II 3 c; Sax in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte III/2 S. 1001 f. 20 = BVerfG NJW 1962 1339, 1563 m. weit. Nachw.; ferner BVerfGE 14 251, 257 = NJW 1962 1563, BVerfGE 22 25 = NJW 1967 1221, BVerfGE 25 285 = NJW 1969 1059, BVerfGE 32 346 = NJW 1972 860, 1856 (Anm. Geitmann); RGSt. 44 35; OLG Karlsruhe OLGSt. § 2 a. F. S. 15 ; Dreher Rdn. 2; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 II A; Jescheck § 13 II 2. 21 Wie Fußn. 20; ferner Dürig in Maunz-Dürig-Herzog Art. 104 Rdn. 14. Anders, aber überholt: OLG Düsseldorf NJW 1961 1831 m. Anm. Dürig; OLG Köln NJW 1962 1214. (7)

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

standes" (so BVerfGE 14 187)22 darf der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber überlassen, wenn er Art und Maß der Strafe hinreichend deutlich festgelegt hat und damit der Gesetzgebung die Verantwortung für Eingriffe in die persönliche Freiheit des Staatsbürgers trägt (Maurach AT § 10 II A). Auch Völkerstrafrecht, dem nach Art. 25 GG Verfassungsrang nicht.zukommt 23, vermag ein „Gesetz" im Sinne dieser Vorschrift nicht zu ersetzen (Dreher Rdn. 2). „Gesetz" im Sinne des § 1 meint die einzelne Gesetzesvorschrift, nicht das Gesetzeswerk im ganzen. 12

b) Die Straftatbestände müssen so durch Merkmale ausgeformt sein, daß sie eine „zuverlässige und feste Grundlage" für die Rechtsprechung bilden (Sch.-SchröderEser Rdn. 28). Der Gesetzgeber muß bestimmen, was strafbar ist. Er darf dies nicht dem Richter überlassen. Der einzelne muß nicht nur von vornherein wissen, was strafrechtlich verboten ist, sondern auch, welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen ein Verbot droht 24 . Gänzlich unbestimmte Tatbestände sind daher unwirksam, so z. B. „Wer gegen die öffentliche Ordnung verstößt, wird . . . bestraft" oder „Wer gegen die Interessen der Alliierten Streitkräfte oder eines ihrer Mitglieder handelt, wird . . . bestraft" 25 . 13 Das Verfassungsgebot der inhaltlichen Bestimmtheit der Strafgesetze büßt durch die Einsicht, daß der Gesetzgeber ihm zwar stets nach Kräften zu folgen hat, es aber nie vollkommen erreichen kann, nichts von seiner Bedeutung ein 26 . Ob die einzelnen Tatbestände diesem Gebot entsprechen, kann daher da und dort zweifelhaft sein und ist nicht selten umstritten. Es handelt sich um eine Maßfrage. Die Rechtsprechung gibt hierbei auch rechts- und kriminalpolitischen Erwägungen Raum. Der Inhalt eines Tatbestandes liegt daher nicht stets auf der Hand. Es genügt, wenn Sinn und Umfang des Tatbestandes durch Auslegung ermittelt werden können 27 . Das Gebot der Bestimmtheit der Tatbestände darf nämlich nicht übersteigert werden, sonst würden die Gesetze zu starr und kasuistisch und könnten dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit der Fälle nicht mehr gerecht werden (BGHSt. 18 362) 28 . Daher ist gegen wertausfüllungsbedürftige (normative) Tatbestandsmerkmale nicht etwa von vornherein etwas einzuwenden, zumal auch die beschreibenden (deskriptiven) Merkmale oft um einen (klaren) Begriffskern herum „unscharfe Ränder" aufweisen und sich insoweit von den normativen nicht grundsätzlich unterscheiden 29 . „Das Strafrecht kann nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig und allgemein gültig umschrieben werden können und die an die richterliche Auslegung besondere Anforderungen stellen. Ohne die Verwendung solcher flüssiger Begriffe wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden. Sie sind unentbehrlich und ihre Verwendung ist in gewissen Grenzen legitim" (so BVerfGE 22

= BVerfG NJW 1962 1340. Maunz in Maunz-Dürig-Herzog Art. 25 Rdn. 22 ff. 24 BVerfGE 25 284 = NJW 1969 1060, BVerfGE 32 346 = NJW 1972 862; BayVerfGHE 1951 201; BGHSt. 23 171; Grünwald Z S t W 7 6 (1964) 12; Lenckner JuS 1968 304. 25 BayVerfGHE 1951 190, BayVerfGH BayGVBl. 1953 75; weitere Beispiele bei Jescheck AT § 15 I 3, Haft JuS 1975 479 und Schmidhäuser AT 5/23. 26 Über Prinzipien der Tatbestandsbestimmtheit: Haft JuS 1975 483. 27 BGHSt. 11 377 (zum BierStG), 18 362 (zu Art. 7 Abs. 1 S. 1 StVO), OLG Oldenburg NJW 1972 697 (zu § 366 Nr. 1 a. F.); vgl. zur Frage der Gesetzesbestimmtheit von Besatzungsvorschriften (Art. I MilRegG 53): BGHSt. 13 191. 28 Auch BVerfGE 14 245 = NJW 1962 1564; zum ganzen auch Krey Studien S. 83 ff. 29 Lenckner JuS 1968 256; Kohlmann S. 236, 256 f; hierzu auch Haft JuS 1975 480, 481. 23

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Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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4 357)3°. Freilich hat der moderne Gesetzgeber in der Vorschrift über den Wucher (§ 302 a i. d. Fass. d. Art. 1 Nr. 6 des 1. WiKG v. 29. 7. 1976, BGBl. I S. 2034) eine Fülle normativer Merkmale angehäuft, die erst in ihrem Zusammenwirken zu einer restriktiven Auslegung des Gesamttatbestandes führen (vgl. auch Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 II A 2). Auf der andern Seite darf auch nicht übersehen werden, daß deskriptive Kasuistik innerhalb eines Straftatbestandes die Tatbestandsbestimmtheit dann noch nicht verbürgt, wenn die Zielrichtung der Norm im einzelnen aus deren Ausformung nicht voll deutlich wird (vgl. hierzu Haft JuS 1975 483). Das Maß der gebotenen (und möglichen) Tatbestandsumschreibung kann unterschiedlich sein. Es kommt auch auf die Fallgestaltung im einzelnen, auf die Deliktsfigur und den Deliktsaufbau an (vgl. hierzu unten Rdn. 14). Es wird abzuwägen sein, ob die geringere Bestimmtheit des Tatbestandes für die Rechtssicherheit Gefahren in sich birgt oder der Verzicht auf einen solchen Tatbestand einen Verlust an Gerechtigkeit oder ein Defizit an gesetzlicher Regelung31. Je schwerer die angedrohte Strafe ist, desto präziser muß das Gesetz die Strafbarkeitsvoraussetzungen bestimmen (BVerfGE 14 251) 32 . Auch werden die Anforderungen an die Bestimmtheit der Tatbestandsumschreibung höher sein, wenn der Tatbestandskern selbst normativ umschrieben ist, also wenn es sich hierbei um Merkmale an den „Tatbestandsgrenzen" handelt. Ferner sind wertausfüllungsbedürftige Wendungen bei der Umschreibung von Rechtfertigungsgründen eher hinnehmbar als im Tatbestand selbst (im einzelnen Lenckner JuS 1968 305). Art. 103 Abs. 2 GG schließt sogar eine summarische Zusammenfassung mehrerer Erscheinungsformen des leichten Unrechts in einen einzigen Unrechtstatbestand nicht aus. Dies hat das BVerfG für den Bereich der (früheren) Übertretungstatbestände beim „groben Unfug" (§ 360 Abs. 1 Nr. 11 a. F.) ausgesprochen 33 . Wo es indessen bei den (früheren) Übertretungstatbeständen an einer ausdrücklichen Vorschrift über die Schuldform fehlte, war davon auszugehen, daß der Gesetzgeber nur vorsätzliches Handeln bestraft wissen wollte (Rdn. 50 a. E.) 34 . Nach ganz überwiegender Meinung sind die folgenden unbestimmten, weitaus- 14 füllungsbedürftigen Begriffe verfassungsrechtlich unbedenklich·, „im politischen Leben des Volkes stehend" in § 187 a (BVerfGE 4 352 = NJW 1956 99), die „Verwerflichkeitsklausel" in § 240 Abs. 2 und § 253 Abs. 2 3 5 , „ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff in § 315b Abs. 1 Nr. 3 (BGHSt. 22 366)36, „ z u schnelles Fahren" in § 315c 30

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= BVerfG NJW 1956 100; ferner BVerfGE 11 237; hiergegen F. C. SchroetterÌZ 1969 775 im Zusammenhang mit einer ablehnenden Stellungnahme zu BVerfGE 26 41 = NJW 1969 1759 (ergangen zu §360 Abs. 1 Nr. 11 a. F.); Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß Bd. 2 S. 302. Hierzu insbesondere Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (1969) S. 137f; vgl. ferner Lenckner JuS 1968 305; BVerfGE 26 41 = NJW 1969 1759. = NJW 1962 1563, BVerfGE 26 41 = NJW 1969 1759. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 30; vgl. Kohlmann S. 252. BVerfGE 26 41 = NJW 1969 1759; KG JR 1965 392; OLG Hamm NJW 1966 2420; OLG Karlsruhe NJW 1970 64; hiergegen eingehend F. C. Schroeder JZ 1969 775 ff und Sch.Schröder-Eser Rdn. 28; vgl. Krey Studien S. 89. BGHSt. 23 171; vgl. § 15, § 10 OWiG; überholt BGHSt. 6 131. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 29; Woesner NJW 1963 275; Lenckner JuS 1968 307 Fußn. 104 m. weit. Nachw. Anders Isenbeck NJW 1969 174; vgl. Solbach DRiZ 1975 216 m. weit. Nachw.; Krey Studien S. 223.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Abs. 1 Nr. 2d oder „verdorben" in § 4 Nr. 2 in LebMG 37 . Dasselbe gilt von der gesetzlichen Umschreibung der Garantenstellung („rechtlich dafür einstehen") und der „Entsprechensklausel" in § 1338 sowie der „Abwägungs"- und der „Angemessenheitsklausel" in § 39 39 . 15 Die Rechtsprechung beanstandet aber auch solche wertausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale und Generalklauseln nicht, die starke sozialethische Bezüge aufweisen, unter Umständen schwer bestimmbar sind und in einer pluralistischen Gesellschaft für den Richter besondere Auslegungsprobleme mit sich bringen 40 , so geht BGHSt. 4 88, 91 auf die Frage, ob in § 226 a der Begriff der „guten Sitten" tatbestandlich hinreichend bestimmt ist, nicht einmal ein 41 . Soweit der Gesetzgeber durch solche Begriffe auf außerrechtliche Normen verweist, hat er auf eine eigene legislatorische Entscheidung verzichtet. Der Richter ist allerdings dann nicht legitimiert, ohne weiteres seine eigene ethische Überzeugung der Entscheidung zugrunde zu legen 41 a . Er darf das Vorliegen einer beachtenswerten abweichenden Überzeugung daher nicht ignorieren (so Sch.-Schröder-Eser Rdn. 31). Das kann indessen nicht bedeuten, daß er Werte, die in der Gesellschaft lebendig sind und etwas gelten, hintanstellen darf, nur weil sie von wenigen geringgeachtet werden. Denn die Rechtsprechung darf ihre Hand nicht dazu bieten, überwiegend herrschenden Wertvorstellungen entgegenzuwirken. 16 Auch eine Reihe anderer normativer- Tatbestandsmerkmale aus früheren Gesetzesfassungen ließ die Rechtsprechung verfassungsrechtlich unbeanstandet: So „die Gefährdung des körperlichen oder sittlichen Wohls eines Kindes" in § 170d a. F. 42 , „unzüchtig" in § 184 a. F. 43 , „in einer Sitte oder Anstand verletzenden Weise" in § 184 Abs. 1 Nr. 3 a a. F. 44 . Beachtliche Stimmen im Schrifttum hielten solche Tatbestandsmerkmale für verfassungswidrig 45 . Eine kritische Übersicht gibt Lenckner JuS 1968 249, 304. Die Einwände des Schrifttums haben immerhin dazu geführt, daß sich der Gesetzgeber im vergangenen Jahrzehnt zusehends um tatbestandsbestimmtere Fassungen bemüht hat, beispielsweise in § 170d oder auch in 37

BayObLG JR 1971 470 m. Anm. Nüse. Dreher § 13 Rdn. 1 ; Lackner § 13 Anm. 7; Jescheck AT § 58 IV 5b, SchweizZStR 91 (1975) 24; Maurach AT (4. Aufl.) § 46 III A 1 b; Roxin JuS 1973 197f jeweils m. weit. Nachw. und Angaben der abweichenden Gegenstimmen, hinsichtlich deren zu unterscheiden ist, ob sie sich gegen die Bestrafung unechter Unterlassungsdelikte vor dem Inkrafttreten des § 13 wenden, oder auf das verfassungsrechtliche Ungenügen des § 13 E 1962 („gleichwertig") oder der geltenden Fassung abheben. Ferner Krey Studien S. 225, Schreiber SK Rdn. 13. 39 Vgl. Lenckner JuS 1968 310. 40 Roxin JuS 1964 373; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 31. 41 Für Verfassungsmäßigkeit auch Dreher § 226 a Rdn. 1 und Hirsch LK § 226 a Rdn. 3 trotz seiner Kritik gegenüber der Fassung. Für Verfassungswidrigkeit: Reinhardt JR 1964 368; Roth-Stielow JR 1965 210; Lenckner JuS 1968 249; vgl. auch Roxin JuS 1964 373; weitere Nachweise bei Hirsch aaO. 41a Hierzu Henkel Schaffstein-Festschrift (1975) 30. 42 BGH NJW 1952 476, BGHSt. 3 257, BayObLG NJW 1952 988. Hierzu Kohlmann S. 264. 43 BGHSt. 23 41, BayObLG JZ 1969 398; hiergegen Hanack JZ 1970 41, Knies NJW 1970 15. 44 BayObLG GA 1953 179, 1955 308. 45 Sch.-Schröder, 17. Aufl. § 2 Rdn. 64, 64 a ; Welzel § 5 1 1 3 ; H. Mayer in Mat. I, 267 ff und AT 1967 § 6 II 2; Maunz-Dürig-Herzog Art. 103 Rdn. 107; Sax in Bettermann-NipperdeyScheuner, Die Grundrechte III/2, 1011 ; Woesner NJW 1963 273 ; Lange-Fuchs NJW 1967 1843. 38

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Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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§118 OWiG, der Nachfolgebestimmung des § 360 Abs. 1 Nr. 11 a. F.*6. Freilich ist die Ersetzung der „unzüchtigen Handlung" (z. B. § 176 a. F.) durch den Terminus „sexuelle Handlung" durch das 4. StrRG unter dem Aspekt der Tatbestandsbestimmtheit kein Fortschritt. Im Gegenteil 47 . Hieran vermag auch die quantitative Eingrenzung „von einiger Erheblichkeit" (§ 184 c Nr. 1) nichts zu ändern. Sie leistet weniger als der Wertbegriff des „Unzüchtigen" bei sachgemäßer Auslegung (vgl. etwa BGHSt. 23 40, 24 318). Es scheint im übrigen Einigkeit zu bestehen 48 , daß die Rechtsprechung zum Begriff der „unzüchtigen Handlung" auch für den neuen Begriff der „sexuellen Handlung von einiger Erheblichkeit" (§ 184c Nr. 1) eine gewisse Bedeutung behalten hat. Dieser neue Begriff hat eher von der Tatbestandsbestimmtheit weggeführt. Wären die verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Begriff der unzüchtigen Handlung je begründet gewesen, so gälten sie gegenüber der begrifflichen Neuschöpfung daher noch mehr. Die bisherigen Kritiker ließen indessen § 184 c Nr. 1 insoweit unbeanstandet. Der moderne Gesetzgeber darf, solange er dem Geist der Zeit entgegenkommt, in der Frage der Tatbestandsbestimmtheit anscheinend mit mehr Nachsicht rechnen. Das wird sich wohl auch bei dem gänzlich unbestimmten Begriff der „Gefahr einer Notlage" in §218a Abs. 2 Nr. 3 (15. StRÄndG 1976) erweisen 483 . Dabei sind begriffliche Unschärfen in neuen strafrechtlichen Tatbeständen verfassungsrechtlich bedenklicher als in den alten, weil sie auch derjenigen Präzisierung entbehren, die eine ständige Rechtsprechung zu bieten vermag. c) Das Gesetzlichkeitsprinzip (Bestimmtheitsgebot) gilt grundsätzlich auch für 17 die Tatfolgen, also für die angedrohten Strafen, Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) und Nebenfolgen. Allerdings sind insoweit die Anforderungen an deren gesetzliche Bestimmtheit geringer als in der Frage der tatbestandlichen Abgrenzung 49 . Es genügt, wenn die Tatfolgen ihrer Art nach bestimmt sind und, soweit sie nach ihrem Wesen auf Zeit angelegt oder sonst nach ihrer Schwere abstufbar sind, ein Mindestund Höchstmaß aufweisen. Insoweit stehen ihre (relative) Unbestimmtheit dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht entgegen. Vielmehr ermöglicht der gesetzlich vorgesehene Ermessensrahmen überhaupt erst staatliches Strafen im Wege richterlicher Strafzumessung im konkreten Fall. Freilich ist die Eingrenzung der gesetzlichen Strafrahmen ein wichtiges rechtspolitisches Anliegen. Zwar ist es unbedenklich und in den meisten Fällen üblich, mehrere Strafarten und daneben auch Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) sowie Nebenfolgen vorzusehen. In der neueren gesetzlichen Entwicklung werden hingegen bei den einzelnen Tatbeständen die Strafrahmen dergestalt begrenzt, daß Freiheitsstrafdrohungen, die (neben der Wahlandrohung von Geldstrafe) beim allgemeinen gesetzlichen Mindestmaß von einem Monat beginnen (§ 38 Abs. 2), bereits bei zwei oder drei, allenfalls bei fünf Jahren enden, und daß solche, die im Höchstmaß fünf, zehn oder 15 Jahre aufweisen, jeweils erst bei drei oder sechs Monaten, in letzteren Fällen bei einem oder zwei Jahren beginnen. Die Gesamtstrafrahmen der einzelnen Tatbestände werden vielfach auch durch „besonders schwere" und „minder schwere Fälle" (hierzu LK § 12 Rdn. 21, 22) unterteilt. 46

Vgl. hierzu Göhler, OWiG 5. Aufl. § 118 Anm. 3. Bockelmann Maurach-Festschrift (1972) 405 ff, Tröndle GA 1976 336, Dreher JR 1974 47, vor § 174 Rdn. 4; vgl. ferner Hanack NJW 1974 8; F. C. Schroeder ZRP 1971 15. 48 Bockelmann aaO (wie Fußn. 47), Sch.-Schröder-Lenckner § 184 c Rdn. 1; Lackner § 184 c Anm. 1 a. 48a sehr krit. zu § 218 a Abs. 1 Nr. 3 freilich Lackner NJW 1976 1239. 49 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 32. Wie hier Günther Verurteilungen im Strafprozeß trotz subsumtionsrelevanter Tatsachenzweifel (1976) 67.

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§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Durch solche „Wertgruppen" innerhalb der gesetzlichen Strafdrohungen erfährt der Richter eine weitere gesetzliche Leitlinie für die Strafzumessung 5 0 . 18

Aus diesem Grunde ist die Regelbeispieltechnik bei den besonders schweren Fällen (LK § 12 Rdn. 21) unter dem Aspekt der Tatbestandsbestimmtheit unbedenklich 5 1 . Das gilt nicht nur dort, wo die umstrittenen Regelbeispiele eingreifen, sondern auch, wo sie lediglich quantitativ den Schweregrad für unbenannte besonders schwere Fälle kennzeichnen. Denn die Regelbeispiele sind nicht dem Bereich des Tatbestandes zuzuordnen, sondern dem der Strafzumessung 5 2 . Dort schaffen sie innerhalb der gesetzlichen Gesamtstrafdrohung eine Unterteilung, die unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Tatfolgen dem Bestimmtheitsgebot entgegenkommt. Freilich kann sich diese Wirkung nur entfalten, wenn der Gesetzgeber darauf Bedacht nimmt, die einzelnen aufgegliederten Strafrahmen innerhalb der Gesamtstrafdrohung nicht in einem solchen Umfange überschneiden zu lassen, wie das bei § 243, der wichtigsten Vorschrift mit Regelbeispieltechnik, der Fall ist 5 ^.

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Nach neuerer und richtiger Auffassung ist jedoch die Androhung „jeder gesetzlich zulässigen Strafe" als nicht hinreichend bestimmt und verfassungswidrig 54 . BGHSt. 13190 hat zwar im Jahre 1959 eine solche Strafdrohung (Art. 1 MilRegG 53) als „noch hinreichend bestimmt" angesehen. Diese Entscheidung muß aber als überholt gelten. Desgleichen sind inzwischen Geldstrafen in unbeschränkter Höhe — auch im Nebenstrafrecht — beseitigt (Art. 12 Abs. 2 EGStGB). Rechtsmeinungen, die zum früheren Recht Geldstrafen in unbeschränkter Höhe für zulässig hielten 5 5 , sind gleichermaßen überholt 5 6 .

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2. Aus dem Gesetzlichkeitsprinzip (Rdn. 10) folgt der Grundsatz, daß Gewohnheitsrecht weder neue Tatbestände schaffen kann, noch auf diese Weise Strafschärfungen eingeführt werden können (nulla poena sine lege scripta). Strafrechtliche Normen mit ihren einschneidenden Folgen für den Rechtsunterworfenen können nur in dem verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Verfahren in Kraft gesetzt werden 5 7 . Auch eine völkerrechtliche Verpflichtung, ein bestimmtes Verhalten zu bestrafen, schafft für sich allein kein strafbegründendes Gewohnheitsrecht.

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Gleichwohl hat auch das Gewohnheitsrecht im Strafrecht nach mancherlei Richtung erhebliche Bedeutung58. So folgt beispielsweise die Anerkennung allgemeiner strafrechtlicher Lehren in der Rechtsprechung aus Gewohnheitsrecht (Rdn. 27), außerstrafrechtlich entwickelte gewohnheitsrechtliche Begriffe nehmen auch auf das Strafrecht Einfluß (Rdn. 25), Auslegungsgrundsätze können gewohnheitsrecht50 51 52

53 54

55 56 57 58

Hiergegen (aber wenig überzeugend) Maurach AT § 62 Β 4. Ebenso Krey Studien S. 237, krit. hierzu Sch.-Schröder-Eser Rdn. 37. Η. M.: BGHSt. 23 254, BGH NJW 1970 2120; Börtzler NJW 1971 682; Corves JZ 1970 157; Schröder JR 1970 388; Wessels Maurach-Festschrift (1972) 299; Bruns Strafzumessungsrecht 2. Aufl. S. 105 m. weit. Nachw.; Maiwald Gallas-Festschrift (1973) 141. Vgl. hierzu Blei Heinitz-Festschrift S. 419ff. So mit Recht Welzel § 5 I 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 32; Grünwald ZStW 76 (1964) 8; Dreher Rdn. 6; Schreiber SK Rdn. 12. Voraufl. § 2 Rdn. 16; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 32. Maurach AT (4. Aufl.) § 62 Β 2. Grünwald ZStW 76 (1964) 13; Jescheck AT § 12 IV, § 15 III 1. Wider das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle im Strafrecht: Kunst Verhandlungen des 5. Österreichischen Juristentags Wien 1973 B a n d i i l.Teil S. 11, 49; vgl. auch Schreiber SK Rdn. 20. (12)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§ 1

lieh verfestigt sein und sich ausnahmsweise sogar gegen den Angeklagten auswirken (Rdn. 26). Schließlich können Tatbestände auch gewohnheitsrechtlich außer Kraft treten (desuetude, Rdn. 24) oder abgemildert und eingeschränkt werden. Gewohnheitsrecht setzt begrifflich voraus, daß sich eine Gewohnheit durch lang 22 dauernde Übung äußerlich betätigt und daß sie auf der ernstlichen gemeinsamen Überzeugung beruht, daß damit Recht geübt werde (RGZ 75 41) 59 . Jellineleitet das Gewohnheitsrecht aus der allgemeinen psychischen Eigenschaft ab, die das sich stets wiederholende Faktische als das Normative ansieht. Im Strafrecht entsteht Gewohnheitsrecht meist durch den Gerichtsgebrauch. Zur ständigen Übung muß indessen die Anerkennung als ÄecA/sanwendung durch die Gemeinschaft hinzutreten (Jescheck AT § 12 IV). Dabei sind auf ifra/rechtlichem Gebiet die Anforderungen an die Bildung von Gewohnheitsrecht hoch gespannt. Es entsteht nicht etwa schon dadurch, daß bestimmte Kreise sich über die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hinwegsetzen (OLG Köln NJW 1951 974). Sich anbahnendes „Gewohnheitsrecht" tritt häufig zunächst als Auslegungsergebnis hervor, daß sich dann durchzusetzen pflegt, wenn es schon als solches für geltendes Recht gehalten wird (Nagier LK 6. Aufl. § 2 Anm. II 4). Erst wenn zeitlich Abstand gewonnen ist, enthüllt sich die selbständige Neubildung. Ob bereits eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung vorliegt oder lediglich von einer herrschenden Auslegung gesprochen werden kann, mag mitunter zweifelhaft sein. Tritt einer bestimmten Gesetzesauslegung jedoch die allgemeine Rechtsüberzeugung bei, so läßt lange Übung sie schließlich als Gewohnheitsrecht erscheinen, das unter dieser Voraussetzung dann auch die Straftatbestände unmittelbar beeinflußt. Im einzelnen gewinnt im Strafrecht das Gewohnheitsrecht in folgenden Fällen 23 Bedeutung: a) Zulässig und möglich ist eine Einengung von Tatbeständen, die zunächst durch Auslegung beginnt und im Laufe der Zeit zum Gewohnheitsrecht erstarkt. So im Falle des § 284, wonach Unterhaltungsspiele um geringwertige Gegenstände nicht als „Glücksspiele" angesehen werden (RGSt. 6 74). Gewohnheitsrechtliche Tatbestandseinengung kann sich auch über die Handhabung von Regeln des Allgemeinen Teils ereignen und zur Strafmilderung oder Strafausschließung führen. So wurde schon vor 1953 die Untreue gegen Angehörige (§ 266) nur auf Antrag verfolgt (RGSt. 70 205, 75 242). Erst das 3. StrÄndG hat diese Praxis legalisiert (§ 266 Abs. 3). Die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung ist gewohnheitsrechtlich entstanden, ebenso wie bestimmte Rechtswidrigkeits- und Schuldausschließungsgründe (RGSt. 59 406) und die Anerkennung eines übergesetzlichen persönlichen Strafausschließungsgrundes (OGHSt. 1 321, 2 120)61. Einem Brauch, dem die höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht, fehlt die Grundlage allgemeiner Rechtsüberzeugung, er hat daher keine gewohnheitsrechtsbildende Kraft (RGSt. 58 9, wo das RG allerdings Zweifel an der strafrechtlichen Wirksamkeit des Gewohnheitsrechts äußert). 59

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(13)

Ferner BVerfGE 22 121 = NJW 1967 2051, BVerfGE 28 28 = NJW 1970 851, BVerfG NJW 1973 698; OGHSt. 2 259; DOG NJW 1950 149 jeweils zu § 22 KriegswirtschaftsVO; OLG Köln NJW 1951 974. Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1921 S. 333; vgl. Ernst Rudolf Huber in Schaffstein-Festschrift (1975) 55, Bockelmann Einführung in das Recht (1975) S. 106 ff. Krit. hierzu Eb. Schmidt SJZ 1949 559; Welzel M D R 1949 374; zust, Karl Peters JR 1949 496; Oehler JR 1951 489; Bockelmann ZStW 62 (1950) 42; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

24

b) Strafvorschriften können auch durch Nichtanwendung aufgrund gemeinsamer Rechtsüberzeugung (desuetude) beseitigt werden, wenn sie veraltet sind, außer Übung gekommen und gegenstandslos geworden sind 6 2 . Dies kommt namentlich im Nebenstrafrecht und im Landesstrafrecht vor. Derogierendes Gewohnheitsrecht wird allgemein auch im Ausland 6 3 anerkannt, wenn es auch die Rechtsprechung — selbst bei Kriegs-, Preis- und Bewirtschaftungsbestimmungen — nur sehr zurückhaltend bejaht (vgl. OGHSt. 1 63, 353, 2 259). So können ζ. B. Preisanordnungen grundsätzlich nur so aufgehoben werden, wie sie erlassen wurden. Daß gewisse Kreise sich über sie hinwegsetzen, schafft noch kein Gewohnheitsrecht (OLG Köln NJW 1951 974). Gewohnheitsrechtliche Aufhebung eines Gesetzes ist ein seltener Ausnahmefall 6 4 . Bloße Zweifel an der Weitergeltung eines Gesetzes, selbst wenn sie zur (vorübergehenden) Nichtanwendung führen, setzen es nicht außer Kraft (BGHSt. 5 23) 6 5.

25

c) Auch außerstrafrechtliche Begriffe und Rechtsvorstellungen können gewohnheitsrechtlich auf das Strafrecht einwirken, so der Begriff des jagdbaren Tiers (RGSt. 46111); die Berechtigung zum Zeichnen unter fremdem Namen (§267), ohne dies ersichtlich zu machen (RGSt. 75 46) 6 6 ; in Betracht kommen ferner Handelsbräuche, auch bestimmte Aufklärungspflichten im Rahmen des § 263 6 7 , ferner die Anerkennung von Volksbräuchen, Fastnachtsscherzen und Studentenstreichen 6 8 . In diesen Fällen können gewohnheitsrechtliche Bildungen in bestimmten Fällen ein Strafgesetz außer Kraft setzen oder dessen Anwendung ausschließen. Entgegen BGHSt. 11 241, 247 ist das Züchtigungsrecht der Volksschullehrer gewohnheitsrechtlich nicht mehr anzuerkennen (offen gelassen BGH NJW 1976 1949, hierzu Schall NJW 1977 113). Man wird nämlich nicht nur derogierendes Gewohnheitsrecht (oben Rdn. 24) anerkennen müssen, sondern auch die Derogation des Gewohnheitsrechts selbst, wenn es, wie das Züchtigungs„recht" der Lehrer, nicht mehr der allgemeinen Rechtsüberzeugung entspricht und den Lehrern beamtenrechtlich Züchtigungen untersagt sind (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23).

26

d) Es gibt indessen auch strafbegründendes und strafschärfendes Gewohnheitsrecht in bedeutendem Umfange. Denn nicht nur außerstrafrechtliche Gewohnheitsbildungen (Rdn. 25), sondern auch das sonstige etwa aus ausdehnender Auslegung allmählich herauswachsende Gewohnheitsrecht kann in beiden Richtungen wirken. Insoweit ist also die strafbegründende Wirkung des Gewohnheitsrechts auch schon auf tatbestandlichem Gebiet anerkannt 6 9 . Freilich zur gewohnheitsrechtlichen Neubildung ganzer Tatbestände oder Strafrahmen kann es nicht kommen, auch nicht zum Verzicht auf ein gesetzliches Strafantragserfordernis (Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 8 V Β 2). 62 63 64 65

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Mattil G A 1965 132. Hinweise bei Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 8 V Β 2b aa. OLG Braunschweig NJW 1955 355 zum MargarineG Auch BGHSt. 8 360, 381 jeweils zur PolVO üb. d. Werbung i. Heilwesen, hiergegen Lange NJW 1954 99. Auch RGSt. 76 126; im einzelnen hierzu Tröndle LK § 267 Rdn. 19 ff, ferner Sch.-Schröder-Eser Rdn. 25. Lackner LK § 263 Rdn. 59 ff. Nachweise bei Jescheck AT § 12 IV 2 Fußn. 11 bis 13. Jescheck AT § 12 IV 2; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26; abwägend und kritisch in verfassungsrechtlicher Sicht Diirig in Maunz-Dürig-Herzog G G Art. 103 Rdn. 112; a. Α.: Stratenwerth AT I Rdn. 84; Schreiber SK Rdn. 20. (14)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

Es beziehen vor allem allgemeine Lehren des Strafrechts ihre Rechtsgeltung aus 27 dem Gewohnheitsrecht. Das gilt insbesondere für die Lehren des Allgemeinen Teils, wo das Gesetz, die Fortentwicklung des Rechts in großem Umfange der höchstrichterlichen Rechtsprechung überlassen hat (bewußte Gesetzeslücken). Gerade gewohnheitsrechtliche Bildungen in diesem Bereich wirken sowohl strafbegründend und -ausdehnend, als auch strafausschließend und -beschränkend ( M a u rach AT § 8 V Β 2 a). So folgen die Lehren vom ursächlichen Zusammenhang aus Gewohnheitsrecht, ferner die von der Abgrenzung der Vorbereitungshandlung vom Versuch, ebenso die Begriffe des Vorsatzes, der Fahrlässigkeit und der Schuld, ferner die Begründung von Pflichten zum Handeln aus vorausgegangenem Tun, sowie der übergesetzliche persönliche Strafausschließungsgrund (OGHSt. 1321, 2 120). Ferner ist hier die Umorientierung der Rechtsprechung auf dem Gebiet des Verbotsirrtums seit dem Beschluß BGHSt. 2 194 GSSt. zu erwähnen, der manche bisher straffreie Handlung als strafbar erfaßt, andere straffrei läßt (BGH LM Nr. 3 zu § 176 Nr. 2) und wieder andere einer anderen Schuldform zuweist (vgl. BGHSt. 5 374). Diese von der Rechtsprechung entwickelte und zum Gewohnheitsrecht verfestigte Lehre vom Verbotsirrtum erfuhr inzwischen positivrechtliche Anerkennung (§ 17). Nichts anderes gilt von der Gleichstellung der unechten Unterlassungsdelikte mit den Begehungsdelikten (§ 13), der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1), dem (bisher) übergesetzlichen Notstand (§ 34). Allerdings bestanden und bestehen über die Grenzen und den Inhalt dieser gewohnheitsrechtlich entstandenen Begriffe und Rechtsinstitute stets Meinungsverschiedenheiten. Die eine oder andere Interpretation dieser Begriffe nimmt daher an der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung nicht teil (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26). Die neuere Reformentwicklung hat sich darum bemüht, im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 G G die gesetzlich nicht umschriebenen Rechtsbegriffe gesetzlich zu bestimmen und scharf abzugrenzen 7 0 . Das hat dem Strafgesetzentwurf 1962 den Vorwurf des Perfektionismus eingetragen 71 . Der Gesetzgeber hat sich indessen im neuen Allgemeinen Teil 1975 mit guten Gründen insoweit Zurückhaltung auferlegt 7 2 . Die forensische Praxis wird daher auch künftig in bedeutendem Umfange Gewohnheitsrecht schaffen. Diese strafbegründende oder straferhöhende Rechtsschöpfung, sei sie nun schon Gewohnheitsrecht oder auch nur herrschende Gesetzesauslegung, enthält ähnlich wie im angelsächsischen judiciary law (Rdn. 40) eine wenig beachtete, aber nicht unwesentliche Einschränkung des Grundsatzes nullum crimen, nulla poena sine lege. Diese Einschränkung ist unvermeidlich, wenn auch im Einzelfall einschneidend, ζ. B. dort, wo sie strafbegründend wirkt. Sie zeigt, daß es im Grunde auf Berechenbarkeit weniger ankommt. Die erstrebte Rechtssicherheit ruht vielmehr auf dem Bestehen des Rückwirkungs- (Rdn. 28) und Analogieverbots (Rdn. 30) an sich und sie nährt sich aus dem Geist, der die Handhabung der Strafrechtsordnung beherrscht. 3. Aus dem Gesetzlichkeitsprinzip folgt ferner das Verbot der Rückwirkung von 28 Strafgesetzen (nulla poena sine lege praeviäfDieses Rückwirkungsverbot beruht 70

71

72 73

(15)

StGB-E 1962 Begr. S. 101 f, entsprechend der unrealistisch zu weit gehenden Forderung Dürigs (Maunz-Dürig-Herzog G G Art. 103 Rdn. 112 a. E.). Statt vieler Arthur Kaufmann ZStW 76 (1964) 544; Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform (1965) S. 208. Vgl. BT-Drucks. V / 4 0 9 4 S. 8. Zur gegenseitigen Bedingtheit des Bestimmungsgebots und des Rückwirkungsverbots: Müller-Dietz Maurach-Festschrift (1972) 46; Groß G A 1971 16 m. weit. Nachw.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

auf dem Gedanken der Rechtssicherheit (Jescheck AT § 15 IV 1). Sein Sinn liegt im Vertrauensschutz für den Bürger74. Es ist ein allgemeines rechtsstaatliches Prinzip, daß Gesetze nicht nachträglich zu Lasten der Rechtsstellung des Bürgers verändert werden dürfen 75 . Freilich gilt dies nur auf dem Gebiet des Strafrechts allgemein und ausnahmslos: Eine Handlung, die im Zeitpunkt ihrer Begehung straffrei war, darf nachträglich nicht für strafbar erklärt oder mit schärferer Strafe bedroht werden. Werden neue oder schärfere Strafgesetze erlassen, so wirkt für frühere Taten das alte Recht nach und das zur Zeit der Hauptverhandlung geltende wirkt insoweit nicht zurück. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes, und zwar hinsichtlich des Ob der Bestrafung aus § 1 (Art. 103 Abs. 2 GG), für das Wie der Bestrafung ergibt sich dies ausdrücklich aus § 2 Abs. 1, 2. Dort ist das Rückwirkungsverbot näher gesetzlich konkretisiert (vgl. hierzu die Erörterungen im einzelnen bei § 2 Rdn. 2 ff)· Das Rückwirkungsverbot gilt nicht nur bei Gesetzesänderungen im Besonderen Teil, sondern auch im Allgemeinen Teil. Es hat allerdings im Maßregelrecht nach § 2 Abs. 6 in bestimmtem Umfange Durchbrechungen erfahren (§ 2 Rdn. 52). 29 Das Rückwirkungsverbot gilt auch im Völkerstrafrecht (Nachweise bei Sch.~ Schröder 17. Aufl. § 2 Rdn. 14). Zur Frage des Rückwirkungsverbots und dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 vgl. OGHSt. 2 380 und zur Fragwürdigkeit dieses Verbots bei der Ablösung einer pervertierten Staatsordnung durch rechtsstaatliche Verhältnisse: Grünwaid ZStW 76 (1964) 6. 30

4. Auf dem Gesetzlichkeitsprinzip beruht das Analogieverbot (nulla poena sine lege strida), das ist das Verbot, durch „entsprechende" Gesetzesanwendung zum Nachteil des Angeklagten im Wege der Rechtsneiechöpfung neue Deliktstatbestände oder Strafen zu „erfinden" oder bestehende Tatbestände zu erweitern oder zu verschärfen. Das Analogieverbot ist eine unentbehrliche Ergänzung des gesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatzes auf der Ebene des Richters (Arzt JuS 1972 515). Dieser ist an die gesetzlichen Straftatbestände gebunden, er kann nicht selbst welche schaffen und kann sie über die zulässige Auslegung hinaus auch nicht ändern (Garantiefunktion des Tatbestandes). Fällt die Handlung zur Begehungszeit nicht unter ein geschriebenes Strafgesetz aus verfassungsrechtlich anerkannter Rechtsquelle (RGSt. 44 35) und läßt sie sich auch nicht durch zulässige Auslegung darunter fassen, so bleibt sie straffrei (OLG Hamburg NJW 1972 1290). Die entsprechende Anwendung des Grundgedankens oder der ratio eines anderen Strafgesetzes ist ausgeschlossen. In diesen Fällen tritt insoweit das Erfordernis einer sachlich gerechten Entscheidung hinter das Prinzip der Rechtssicherheit zurück. Der fragmentarische Charakter des Strafrechts (Binding) verschafft sich in diesem Zusammenhang Geltung. Diese Eigenart einer freiheitlichen Strafrechtsordnung folgt daraus, daß ihr kein umfassendes System des Rechtsgüterschutzes eignet, sondern daß sich das Strafrecht auf Schwerpunkte beschränkt, die unter dem Gesichtspunkt der „Strafwürdigkeit" ausgewählt sind (Jescheck AT § 6 II 1). Nach allem kann beispielsweise der Grundgedanke des Betrugs (§ 263) nicht angewendet werden, wenn die Täuschung einen andern Schaden als einen Vermögensschaden verursacht hat 76 . Auf diese Weise würde ein insoweit klar abgegrenzter Tatbestand unerlaubt 74 75

76

BVerfGE 13 271 = NJW 1962 291. BVerfGE 13 271 = NJW 1962 291, BVerfGE 18 439 = NJW 1965 1269; weitere Nachweise bei F. C. Schroeder JR 1971 380. Weitere Nachweise bei Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 II Β 3 a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 34; vgl. zum ganzen Krey Studien S. 27 ff, 199 ff, 215 ff. (16)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

rechtsschöpferisch ausgeweitet. Das Analogieverbot begrenzt nämlich die teleologische Auslegungsmethode (Grünwald ZStW 76 (1964) 2). a) Freilich ist diese Grenze zwischen (erlaubter) teleologischer Auslegung 31 (Rdn. 46) und zum Nachteil des Angeklagten wirkender (verbotener) Gesetzesanalogie nicht einfach zu bestimmen 77 . Die äußerste begriffliche Grenze des Tatbestandes bildet auch die Grenze der Interpretation 78 . Der klassische Beispielsfall in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des 32 Reichsgerichts, wonach die Entziehung elektrischer Energie nicht als Diebstahl (§ 242) bestraft werden könne, da Elektrizität keine eigentumsfähige „Sache" sei (RGSt. 32 165). Der Gesetzgeber schuf daher ein besonderes Gesetz betr. die Bestrafung der Entziehung elektrischer Arbeit v. 9. 4. 1900 (RGBl. I S. 288; heute § 248 c). Diese Entscheidung hat begeisterte Zustimmung und entschiedene Ablehnung erfahren 79 . Der französische Kassationshof hat nicht gezögert, unter „chose" in Art. 379 Code Pénal auch Elektrizität zu verstehen (Bedeutungswandel) und durch diese Auslegung den Diebstahl elektrischer Kraft zu bestrafen 80 . Das Reichsgericht hat ferner das mißbräuchliche Benutzen von Münzfernsprechern durch falsche Geldstücke weder als Betrug (§ 263), noch als Entziehung elektrischer Energie (G v. 9.4. 1900) noch als Münzfälschung (§ 146) angesehen (RGSt. 68 65). Es wurde daher der neue § 265 a durch G ν. 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 839) geschaffen. b) Die Angriffe gegen das Analogieverbot sind zu einem Teil aus der „engherzi- 33 gen und formalen" ( Welzel § 5 II 2) Buchstabenauslegung deutscher Gerichte vor 1933 zu erklären. Immerhin hatte sich aber auch schon das Reichsgericht in einer Reihe von Fällen aus der Wortenge befreit und der Sinnauslegung den Vorzug gegeben, ζ. B. RGSt. 13 257 (Einkriechen statt Einsteigen), 17 163 (Fischen bedeutet Fangen aller Art von Wassertieren), 67 168 (Inverkehrbringen), 72 193 (Postkarten und Postanweisungen als „Briefe" im Sinne des § 354 a. F.), 73 9 (Einschieichen durch List). Der Bundesgerichtshof dehnt den Bereich zulässiger Auslegung merklich aus 8 1 : BGHSt. 1 1 (verdünnte Salzsäure als Waffe), 1 145 (Gewaltanwendung durch gewaltloses Beibringen eines einschläfernden Mittels), 6 394 (Zuchtmittelverhängung als Verurteilung zur „Strafe" im Sinne des § 42 m a. F.) und recht weitgehend 10 375 (Kraftfahrzeug als „bespanntes Fuhrwerk" im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 PrForstdiebstG), ferner OLG Bremen JZ 1956 256 (Zueignung von Biermarken als Mundraub). Bei der Rechtsprechung zu § 142 a. F. ging die Sinnauslegung des BGH an die Grenze unzulässiger Analogie: So wurde das „Fluchtverbot" des § 142 a. F. in ein Rückkehrgebot umgedeutet, wenn der Unfallbeteiligte erst auf der Weiterfahrt von dem Unfall erfahren hat (BGHSt. 18 119)82. Die Grenze ζμτ (verbotenen) Analogie wurde allerdings in BGHSt. 14 219 überschritten, wo eihe Unfallflucht in einem Fall angenommen worden ist, bei dem der Täter zwar an den 77

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80 81 82 (17)

Hierzu Haft JuS 1975 478, 479; Schreiber SIL Rdn. 24; Schmidhäuser AT 5/42; MaurachZipf AT Teilb. 1 §9 113. Zum Problem der Lückenausfüllung: Zippelius JZ 1970 243 m. weit. Nachw. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 63; vgl. jedoch LK § 1 Rdn. 43. Baumann AT § 13 II 1 spricht von einer „rechtspolitischen Großtat"; zustimmend auch Grünwald ZStW 76 (1964) 15; Maurach BT (5. Aufl.) §26 II A l a ; ablehnend Welzel § 5 II 2 und neuerdings Haft JuS 1975 482 und LK § 1 Rdn. 50. Weitere Hinweise zum angloamerikanischen Recht bei Mezger-Blei AT 12. Aufl. § 10 IV. Vgl. Baumann MDR 1958 395; Grünwald ZStW 76 (1964) 2 ff. Kritisch hierzu Schröder NJW 1966 1001 ; Grünwald ZStW 76 (1964) 3.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Unfallort zurückgekehrt ist, aber dort falsche Angaben gemacht hat. Die ebenso bedenkliche Entscheidung BGHSt. 5 129, wo das Fluchtverbot des § 142 a. F. in ein Meldegebot umgedeutet worden ist, war schon durch BHGSt. 7 117 als dem Grundgedanken des Absatzes 2 widersprechend aufgegeben worden. Diese extensive und zum Teil auch bedenkliche Auslegung ist inzwischen überholt, da der Gesetzgeber durch das 13. StRÄndG 83 den Tatbestand neu gefaßt und den Erfordernissen der Tatbestandsbestimmtheit angepaßt hat. Im übrigen bleibt daran festzuhalten, daß Auslegung des Gesetzes nicht etwa deswegen, weil sie zum Nachteil des Angeklagten wirkt, unter das Analogieverbot fällt (OLG Hamburg GA 1958 248). Denn mag auch zweifelhaft sein, wo die Grenze zwischen noch zulässiger Sinnauslegung und bereits verbotener Gesetzesanalogie liegt, so liegt doch zwischen beiden ein qualitativer Unterschied 84 . Es kann insofern Sax 85 nicht zugestimmt werden, der nur zwischen grundsätzlich nicht verbotener Analogie und unzulässiger freier Rechtsfindung scheiden will. Kritisch und klärend zum Begriff des Analogieverbots: Jescheck AT § 15 III 2a. 35

c) Unzulässig ist auch die Strafschärfung durch entsprechende Gesetzesanwendung. Der gesetzliche Strafrahmen bindet den Richter. Er darf ihm im Wege der Analogie weder über- noch unterschreiten 86 , keinen persönlichen Strafschärfungsgrund einführen und nicht auf eine im Gesetz nicht vorgesehene, zusätzlich belastende strafrechtliche Sanktion erkennen. Maßgeblich ist ausschließlich die gesetzliche Wertung, die sich in der gesetzlichen Gesamtstrafdrohung ausdrückt. In Zeiten, in denen die Geldstrafdrohungen veraltet und unzureichend waren, war in der Rechtsprechung anerkannt, daß das gesetzliche Höchstmaß nicht überschritten werden durfte 87 . Zu einer ebenso unzulässigen Unterschreitung des gesetzlichen Mindestmaßes einer Strafdrohung vgl. unten Rdn. 51. Das Analogieverbot betrifft auch die Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) 88 und die öffentliche Bekanntmachung.

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d) Das Analogieverbot steht in den Fällen der Regelbeispieltechnik (Rdn. 18) der Bejahung eines unbenannten besonders schweren Falles nicht entgegen. Eine analoge Anwendung der Regelbeispiele auf unbenannte besonders schwere Fälle (bei denen der gleiche Schweregrad wie im Beispielsfall vorausgesetzt ist) ist gerade der Sinn der Regelbeispieltechnik (hierzu oben Rdn. 18). Das Analogieverbot auch auf die Regelbeispiele auszudehnen 89 würde die Regelbeispieltechnik in Frage stellen und entwerten 90 und sie mit der unerfreulichen Kasuistik des alten § 243 (vor dem 1. StrRG) belasten.

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e) Das Verbot der entsprechenden Gesetzesanwendung zu Lasten des Angeklagten beschränkt sich auf das sachliche Recht. Im Verfahrensrecht ist sie an sich unbeschränkt zulässig (RGSt. 53 226) 9 ', nicht jedoch bei Vorschriften mit Ausnahme83 84 85 86 87 88 89 90

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v. 13. 6. 1975 (BGBl. I S. 1349). Vgl. BGHSt. 9 372; Baumann AT § 13 II 3. Analogieverbot S. 94ff, 142ff. RGSt. 73 398, 75 42. BGHSt. 3 259; BayObLG N J W 1952 274; O L G Celle N J W 1953 1683. BGHSt. 18 136; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 36 m. weit. Nachw. So Arzt JuS 1972 516 m. weit. Nachw. Im Ergebnis wie hier: Dreher§ 243 Rdn. 3; BindokatlZ 1969 541 ; krit. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 37. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44. (18)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

Charakter, daher keine entsprechende Anwendung des § 232 Abs. 1 (Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung, wenn Strafantrag fehlt) auf Beleidigungen (BGHSt. 7 256)92. 0 Zulässig ist die Analogie auch im sachlichen Recht überall, wo sie nicht strafbe- 38 gründend im Tatbestandssinne und nicht strafschärfend wirkt 93 , etwa als Auslegungsmittel 94 . Insoweit kann sie dem Angeklagten zum Vorteil oder zum Nachteil gereichen. „Der Ausschluß der analogen Methode betrifft nur die Texte, die die Strafdrohungen in sich schließen, die die Strafen bestimmen oder die erschwerenden Umstände vorsehen" 95 . In diesem Zusammenhang spielt auch das gewohnheitsrechtliche Richterrecht eine Rolle (Rdn. 27). Im Bereich des Allgemeinen Teils des StGB und der strafrechtlichen Nebengesetze, soweit er für diese gilt, ist die entsprechende Anwendung von Rechtsgedanken also unbeschränkt zulässig 96 . Als zulässige Fälle von Analogie zugunsten des Angeklagten wurden angesehen : 39 die entsprechende Anwendung des Antragserfordernisses (§§ 247, 263 Abs. 5 a. F.) bei der Untreue gegenüber Angehörigen vor Einführung des § 266 Abs. 3 durch das 3. StRÄndG (1953) 97 ; die Erstreckung der Rechtswohltat des § 24 (§ 46 a. F.) auch auf den Teilnehmer (RGSt. 59 412) und der des § 31 (§ 49a Abs. 3, 4 a. F.) auf § 234 a Abs. 3 9 8 , auf den Rücktritt beim untauglichen Versuch (BGHSt. 11 324) sowie auf §218 Abs. 4 a. F. (Verschaffen von Abtreibungsmitteln). Hingegen hat es die Rechtsprechung abgelehnt, Vorschriften über die tätige Reue (§§31, 83 a, 49 a Abs. 3, 4, § 82 a. F.) auf das (frühere) Unternehmensdelikt der Gefangenenmeuterei (§ 122 Abs. 2 a. F.) anzuwenden (BGHSt. 15199). Auch hat BGHSt. 14 217 den „Grundgedanken der tätigen Reue" auf das „unechte Unternehmensdelikt" (LK § 11 Rdn. 63, 66) des §330c nicht für anwendbar erachtet. Entsprechend §330a Abs. 2, 3 kann auch beim Vollrausch von Strafe abgesehen werden, wenn dies bei der Rauschtat möglich wäre (§ 175 Abs. 2, §§ 199, 233) 99 . Ferner enthielt die frühere spezielle Einziehungsvorschrift des § 295 Abs. 2 (Fassung vor dem EGOWiG 1968) einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auf den durch das 1. StrRG (1969) aufgehobenen § 245 a (BGHSt. 9 96) und auf § 11 SprengstG a. F. (BayObLGSt. 1957 24) entsprechend anwendbar war. Entgegen Jagusch (LK 8. Aufl. § 2 Anm. I 1 b bb) läßt sich jedoch die Rechtswohltat des § 157 auf Anstifter und Gehilfen nicht entsprechend anwenden 100 , da diese Vorschrift nur zugunsten dessen wirken kann, der infolge des Aussagezwangs in der für § 157 vorausgesetzten Zwangslage steht. Dort, wo das Gesetz absichtlich keine Privilegierung schuf, kommt auch Analogie 92 93 94 95

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Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 46. RGSt. 56 168; BGHSt. 7 193, 9 311 ; OG H St. 1 63, 353. RGSt. 58 168, 73 90; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 38 m. weit. Nachw. So der IV. Internationale Strafrechtskongreß der Association internationale de droit pénal (Revue 1937 S. 750). So ausdrücklich Maurach AT (4. Aufl.) § 10 II Β 3; hiergegen jedoch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 43 und einschränkend inzwischen auch Maurach-Zipf AT Teilb. 1 (5. Aufl.) § 10 II Β 3. RGSt. 70 205 (Ehegattenuntreue), 71 323 (Untreue gegen Geschwister), 75 242 (Untreue gegen Angehörige). Vorbereitung der politischen Verschleppung: BGHSt. 6 85, BGH NJW 1956 30; Sch.Schröder-Eser Rdn. 40; Sch.-Schröder-Cramer § 31 Rdn. 11. OLG Stuttgart NJW 1964 414 für § 173 Abs. 5 i. d. Fass, vor 4. StrRG (1973); Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41. BGHSt. 1 23, 2 379, 3 320, 7 5; ebenso Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 II Β 3b, BT § 75 IV A 1 b m. weit. Nachw.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

nicht in Betracht 101 , soweit sie aber zulässig ist, kann sie als Gesetzes- oder als Rechtsanalogie angewendet werden 1 0 1 2 . 40

g) Das Analogieverbot erscheint dem deutschen Rechtsdenken als ein Postulat des Strafrechts (H. Mayer SJZ 1947 12). Gleichwohl erfährt es auch in Rechtsstaaten und auf der Grundlage begrifflich und tatbestandlich aufgebauter Rechtssysteme Kritik 102 . Wie Welzel{§ 5 II 3) und Jescheck (AT § 15 III 3) richtig hervorheben, „droht die eigentliche Gefahr . . . nicht von der Analogie, sondern von unbestimmten Strafgesetzen". Tatsächlich hatte die deutsche „Analogieperiode" zwischen 1935 und 1945 nur verhältnismäßig geringe Bedeutung 103 . § 1 des dänischen StGB von 1866/1930 läßt die analoge Gesetzesanwendung in beschränktem Umfange zu. In ein klareres Licht rückt die mehr grundsätzliche Bedeutung des Analogieverbots auch, hält man sich die im deutschen Recht außerordentliche strafbegründende Bedeutung außergesetzlicher Vorgänge außerhalb des Gebiets des tatbestandlichen vor Augen (Rdn. 27, 38 f). Wichtige Fragen des Allgemeinen Teils hat der Gesetzgeber ganz der Lehre und Rechtsprechung überlassen; damit entscheiden in diesen Fällen die höchsten Gerichte auch über die Strafbarkeit gesetzlich nicht in diesem Sinne umschriebenen Verhaltens. Hier berühren sich kontinentale Tatbestandstechnik und angelsächsisches Recht mit seinem besonderen Verhältnis von Statute, common und judiciary law, das auf Analogie, auf Zuordnung des Ähnlichen zum früher schon Entschiedenen geradezu beruht (Präjudiz). Im Bereich des statute law erwachsen im angelsächsischen Recht allerdings dieselben Grenzprobleme 104 .

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5. Keine Analogie ist die Gesetzesauslegung. Die Auslegung ermittelt Inhalt, Sinn und Tragweite des Gesetzes (hierzu im einzelnen Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 I 1). Dazu bedient sie sich, teilweise nebeneinander, verschiedener Methoden (RGSt. 62 373), die an die Beziehungspunkte der auszulegenden Vorschrift anknüpfen, nämlich der Feststellung des Wortsinns („grammatische" Methode, Wortauslegung, Rdn. 42), der Ermittlung des „Willens" des Gesetzgebers bei der Entstehung des Gesetzes (geschichtliche, historische, „subjektive" Methode, Rdn. 44), der Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der auszulegenden Vorschrift (logisch-systematische Methode, Rdn. 45) und vor allem der Erforschung des Gegenwartssinns des Gesetzes (teleologische, „objektive" Methode, Rdn. 46). Der Vorrang gebührt dabei der Erforschung des Gegenwartssinns der Vorschrift, ihres Zwecks zur Zeit ihrer Anwendung 105 . Es kann dem Richter nicht überlassen sein, beliebig eine der vorgenannten Methoden allein anzuwenden, die Erkenntnisse, die die anderen bieten, zu vernachlässigen oder gar den Gegenwartssinn des Gesetzes unberücksichtigt zu lassen. Der Vorrang der teleologischen Methode gründet sich 101 101a

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BGHSt. 7 190, 9 312, vgl. auch 6 131. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; Baumann AT § 13 II 3; gegen Rechtsanalogie jedoch Maurach AT (4. Aufl.) § 10 II Β 3b; anders jedoch Maurach-Zipf AT Teilb. 1 (5. Aufl.) § 10 II Β 3b. Germann Analogieverbot SchweizZStR 1961 141 ; Hurwitz Revue de science criminelle et de droit pénal comparé 1950 1 ; Sax Das strafrechtliche „Analogieverbot" 1953. Vgl. Maurach AT 2. Aufl. S. 86; Voller aaO. Beispiele und Nachweise in der Voraufl. § 2 Rdn. 11 a. E. und Radbruch Geist des englischen Rechts, 1947. Z.B. BGHZ 2 184; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 §9 II 2b; Welzel §511; Jescheck AT § 17 IV l b ; Schwalm Heinitz-Festschrift S. 49; Schmidhäuser AT 5/31. (20)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

auf ihre Gegenwartsnähe und auf die begrenzte Brauchbarkeit und Reichweite aller übrigen Auslegungsmittel. Im allgemeinen geht die Rechtsprechung (vgl. BGHSt. 5 266) bei der Auslegung so vor, daß sie vom Wortlaut ausgehend über den Systemzusammenhang und die Entstehungsgeschichte zur Prüfung des Gesetzeszwecks vorstößt. Das ist im Regelfall sachgemäß, da auf diese Weise die Stufen der möglichen Argumentation schrittweise durchlaufen werden 1°6. Die verschiedenen Auslegungsmethoden schließen daher einander nicht aus. Sie ergänzen sich vielmehr gegenseitig. Das Auslegungsergebnis führt insoweit über den historischen „Willen" des Gesetzes hinaus zu einem „objektivierten Willen des Gesetzgebers" 107 . a) Die Wortlauslegung108 (grammatische Auslegung) steht zwar am Anfang jeder 42 Gesetzesinterpretation 109 . Sie versagt indessen oft, insbesondere bei allgemeiner gefaßten Rechtsbegriffen („Verteidigung der Rechtsordnung": BGHSt. 24 41) und findet auch sonst ihre Grenze in der sachbedingt häufigen Verschiedenheit der Begriffe der Umgangssprache von denen der Rechtssprache 110 , die das Vieldeutige und Emotionale, das der Umgangssprache Kraft und Farbe gibt, durch technische Begriffsklarheit und mitunter durch zweckbedingte Begriffsverengungen oder -erweiterungen ersetzt. Selbst die Rechtssprache bildet sachgebietsweise eigene Begriffe, an deren Eigenbedeutung sie durchgängig festhält, so daß stellenweise nicht einmal eine einheitliche Rechtssprache bestehen kann. So werden die Rechtsbegriffe der „Sache" (§ 90 BGB) und des „Gegenstandes" im Zivil- und im Strafrecht nicht synonym behandelt. Ferner ging der strafrechtliche Beamtenbegriff im Sinne des § 359 a. F. über den des staatsrechtlichen deutlich hinaus 111 (vgl. jetzt § 11 Abs. 1 Nr. 2). Hinzu tritt im Laufe der Zeit nicht selten auch ein Bedeutungswandel oder eine neuartige technische Entwicklung (BGHZ 18 44). So kann auch der Wortsinn selbst einem Wandel unterworfen sein, der sich mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers nicht deckt. Wortsinn und Zwecksinn liegen in solchen Fällen nahe beieinander 112 . Eine schwierige Frage ist es, ob der unzweifelhafte Wortsinn ζ. B. eines neuen 43 Gesetzes, den der Gesetzgeber verfehlt hat, die abweichende Auslegung nach anderen Methoden, etwa nach der historischen und der teleologischen, von vornherein abschneidet (dazu Rdn. 47)1 '3. Führen jene Methoden zu eindeutigen Ergebnissen, so wird der verfehlte Wortsinn ausnahmsweise nicht entgegenstehen dürfen 1 1 4 . Der 106 107

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Jescheck AT § 17 IV 1 b. BVerfGE 1 312, 11 129 = NJW 1960 1564; KG NJW 1977 818 m. weit. Nachw.; vgl. zum ganzen Schwalm Heinitz-Festschrift S. 48; Heusinger Rechtsfindung und Rechtsfortbildung, (1975) 94. BGHSt. 1 74, 2 101, 319, 3 262, 4 107, 10 51, 12 172, 13 289, 14 118, 18 152, 19 307, 22 236, 23 268; RGSt. 58 314, OLG Oldenburg NJW 1966 1135. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 2 a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48; hiergegen Baumann § 13 I 2 d ; Rudolphi JR 1976 74; zum ganzen Krey Studien S. 45 ff, 127 ff. Beispiele bei Jescheck AT § 17IV 1 a und Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 2 a; Bockelmann AT § 4 II 3 ; vgl. Zippelius JZ 1970 241 ; ferner Haft JuS 1975 481 ; Zur Auslegung von unbestimmten Zahl- und Maßbegriffen (für das österreichische Recht) Kunst ÖsterrJurZ 1975 561. Vgl. ferner uneinheitliche Auslegung des Begriffs „öffentlich" (BGHSt. 10 196), des Begriffs „Haft" in der StPO (a. F.): BGHSt. 4 309, des Begriffs der „Tatzeit": BGHSt. 11 121 ; dazu Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 2a. Hierzu im einzelnen Schwalm Heinitz-Festschrift S. 58. Ferner BGHSt. 4 310; OGHSt. 3 54. So sind ζ. B. trotz des § 462 a Abs. 1 S. 1 StPO die Strafvollstreckungskammern für die Gesamtstrafenbildung nicht zuständig (KG JR 1975 429).

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte 115 hält gegenüber einem sprachlich unzweideutigen Wortlaut eine Auslegung nach Sinn und Zweck des Gesetzes für nicht ausgeschlossen, doch sei bei verfahrensrechtlichen Zuständigkeitsregelungen im Interesse der Rechtssicherheit in besonderem Maße Zurückhaltung geboten, wenn von einem sprachlich klaren Gesetzeswortlaut abgegangen werden soll. So hat der BGH die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Verurteilte, die vor dem 1.1. 1975 bedingt entlassen worden waren, aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gefolgert, selbst wenn im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine andere Lösung in Betracht gezogen worden sein sollte 116 . Immer bleibt daran festzuhalten 1 1 7 , daß der Wortlaut grundsätzlich die Grenze der Auslegung ist. 44

b) Die geschichtliche Auslegung118 ist, obwohl sie in der Rechtsprechung des BGH keine geringe Rolle spielt, ein „Hilfsmittel letzten Ranges" (Maurach AT § 9 Β 2) und von sehr zweifelhaftem Wert 119 . Sie hält sich an die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und an die „Motive" und sucht den Willen des „Gesetzgebers" 1 2 0 zu erforschen. Darunter fällt die amtliche Begründung eines Regierungsentwurfs nur, soweit er im Parlament keinen Widerspruch erfahren hat, obwohl er ihm bei den Beratungen vorlag. Auf Meinungsäußerungen von Referenten und bei der Entstehung des Gesetzes Beteiligten, kommen nur unter dieser Voraussetzung als Auskunftsmittel in Betracht 121 . Entscheidend sind nicht die Zwecke und Absichten der Regierung, sondern nur die des Gesetzgebers, des Parlaments, soweit sie in den Beratungen deutlich hervorgetreten sind (BGHSt. 4 310) und angenommen werden darf, daß sie der Abstimmung der Mehrheit zugrunde gelegen haben. Hier entsteht die weitere Schwierigkeit 122 , daß der „Wille" der Parlamentsmehrheit bei vielen Gesetzen von vornherein nur fiktiv als Nichtwiderspruch gegen von der Regierung und dem Berichterstatter vorgetragenen Gründe ermittelt werden kann 1 2 3 . Die Gründe, weshalb die einzelnen Abgeordneten demselben Text zustimmen, können durchaus entgegengesetzter Art sein; sie scheiden für die gerichtliche Auslegung jedoch aus. Die subjektive Vorstellung der Organe, die am Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren, und einzelner ihrer Mitglieder ist nicht entscheidend 124 . Als Beurteilungsgrundlage können die amtlichen Parlamentsdrucksachen herangezogen werden, jedoch nur unterstützend 125 . Sie sind insbesondere keine „authentische Interpretation des Willens des Gesetzgebers" 126 . Dies widerspräche dem Vorrang der 115

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BGHZ 56 395; BVerwGE 37 371 = NJW 1971 1607; hierzu Schwalm Heinitz-Festschrift S. 49. BGH JR 1975 205 m. Anm. Peters, BGH NJW 1974 1791. So ausdrücklich und wohl ausnahmslos Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48, 63; Baumann M D R 1958 394; ebenso grundsätzlich eng, bei Redaktionsfehlern im Gesetz jedoch differenzierend Jescheck AT § 17 IV 5. Ζ. B. BGHSt. 1 9 , 1 76, 1 161, 2 103, 4 310, 10 51, 157, 11 49, 12 43, 14 118,17 309,18 153, 20 81, 249, 21 274, 22 283, 24 38, 175, 250, 278, 377; BGHZ 3 162, 37 61 ; OGHSt. 3 47; ablehnend BVerfGE 1 312 = NJW 1952 737 L, BVerfG JZ 1954 492. A. A. Naucke Engisch-Festschrift S. 274; Baumann NJW 1969 1280 und das insbesondere bei Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41, 53 nachgewiesene ältere Schrifttum. Hierzu im einzelnen Schwalm Heinitz-Festschrift S. 50 m. weit. Nachw.; Engisch Einführung S. 104; ferner Krey Studien S. 72 ff. BGHSt. 26 160. BGHSt. 1 76, 79; RGSt. 37 333. Vgl. hierzu Schwalm Heinitz-Festschrift S. 50; Glosse NJW 1958 451. So BVerfGE 10 244 = NJW 1960 236. BVerfGE 11 131 = NJW 1960 1564; BGH JZ 1977 238. Zu diesem Begriff Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 1. (22)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

teleologischen Auslegungsmethode (Rdn. 41). Selbst wenn im sachbearbeitenden Rechtsausschuß des Bundestages Einstimmigkeit herrschte und im Plenum kein Widerspruch laut wurde 127 , kann man noch nicht von einer „authentischen Interpretation" sprechen. Die geschichtliche Auslegung läßt das Gesetz erstarren und mumifiziert es bereits beim Inkrafttreten. Sie ist unfähig, einen zeitbedingten Inhaltswandel des Gesetzes anzuerkennen und verliert daher gerade bei älteren Gesetzen weiter an Bedeutung. Das BVerfG 128 beschränkt daher die Bedeutung der historischen Auslegung auf die Fälle, in denen sie den objektivierten Willen des Gesetzgebers 129 , so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, bestätigt oder Zweifel behebt, die sich auf andere Weise nicht beseitigen lassen. Diese Grundsätze sind auch für die Auslegung von Strafgesetzen beachtlich. Denn „kein Gesetz verträgt eine starre Begrenzung seiner Anwendbarkeit auf solche Fälle, die der vom Gesetzgeber ins Auge gefaßten Ausgangslage entsprechen ; denn es ist nicht toter Buchstabe, sondern lebendig sich entwickelnder Geist, der mit den Lebensverhältnissen und ihnen sinnvoll angepaßt weitergelten will, solange dies nicht die Form sprengt, in die er gegossen ist" 130 . c) Die logisch-systematische Methode131 ist wertvoller, aber dann trügerisch, 45 wenn das Rechtsganze oder das einschlägige Gebiet, das vergleichsweise herangezogen wird, selbst nicht systematisch einheitlich durchgebildet ist 132 . Die Auslegung, bevor sie ihr eigentliches Ziel in Angriff nimmt, muß dann zuvor erst die Tragfähigkeit der Prämissen erproben. d) Der Gegenwartsaufgabe des Strafrechts dient daher die teleologische („objek- 46 tive") Methode133. Sie fragt nach dem gegenwärtigen Zweck der auszulegenden Vorschrift. Mit der herrschenden Meinung 134 erkennt sie an, daß sich das Gesetz mit seinem Erlaß verselbständigt 13$ und zum Mittelpunkt selbständiger Gestaltungen und Beziehungen, zur selbständigen Rechtsquelle (RGSt. 37 334) mit der Fähigkeit zur angepaßten Fortentwicklung in den Grenzen der Auslegung wird 127

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A . A . B G H St. 18, 155, hiergegen Hermann D R i Z 1964 308; vgl. ferner Engisch Einführung S. 94. BVerfGE 1 299, 312 = N J W 1952 737 L; vgl. BGHSt. 26 160. Hierzu Schwalm Heinitz-Festschrift S. 47 ff. So BGHSt. 10 159; gegen die historische Auslegungsmethode (subjektive Theorie) ausführlich auch Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 51, 52 m. zahlreichen Nachw.); ferner Engisch Einführung S. 91 f f ; hierzu Krey Studien S. 176 ff. BGHSt. 1 75, 1 161, 1 282, 2 101, 3 245, 4 305, 23 268; RGSt. 62 373; auf einen interessanten Grenzfall zwischen grammatischer u n d logisch-systematischer Auslegung weist F. C. Schroeder (JR 1975 73) zu BGHSt. 25 261 hin. Vgl. Jescheck AT § 17 IV 1 a ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 2 a ; Baumann AT § 13 I 2 c ; Kohlrausch-Lange § 2 Anm. III Β 4; Zippelius JZ 1970 243. BGHSt. 1 75, 1 158, 164, 2 104, 365, 4 148, 305, 6 107, 397, 9 86, 372, 11 49, 13 8, 14 71, 16 35, 273, 17 375, 18 152, 19 159, 20 84, 305, 22 117, 23 42, 176, 24 42, 75, 278, 347. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 II 2 b ; Jescheck AT § 17 IV 1 b ; Welzel § 5 II 2; Blei AT § 9; Schmidthäuser AT 5/31 ; Bockelmann A T § 4 II 2 d m. weit. Nachw.; Zippelius J Z 1970 242, 245; Kohlrausch-Lange § 2 Anm. I l l a , IV Β 3, 4; Schröder N J W 1972 779; Schwinge Grundlagen des Revisionsrechts, 2. Aufl. (1960) 5; Schwalm Heinitz-Festschrift S. 51, 55; Kunst S. 50; vgl. Haft JuS 1975 481, ferner Krey Studien S. 49 ff. BVerfGE 1 312 = N J W 1952 737 L, BVerfG JZ 1954 492. Eingehend Sch.-Schröder-Eser Rdn. 52; Engisch Einführung S. 90ff, 96; Heusinger Rechtsfindung u n d Rechtsfortbildung, (1975) 51.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz 136

(Rdn. 44) . Die Gegenmeinung 137 , wonach die teleologische Theorie dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG widerspreche und das Gesetz „als Befehl souveräner Staatsgewalt" nach dem „wirklichen historischen Willen des Gesetzgebers" (sie!) auszulegen sei, ist ein Musterbeispiel lebens- und praxisfremder Überdehnung verfassungsrechtlicher Normen. Diese Gegenmeinung ist unhaltbar: Was sie vom Gesetzgeber erwartet, ist ebenso unmöglich, wie das, was sie der Rechtsprechung ansinnt 138 . Der Richter ist eben mehr als die „bouche de la loi" (Montesquieu)^9. Er wendet das Gesetz nicht nur an, er verwirklicht damit das Recht und bildet es in jedem konkreten Fall fort (Lorenz NJW 1965 1). Nur auf dem Wege teleologischer Auslegungsarbeit ist es möglich, die gesamte Strafrechtsanwendung auf neuere kriminalpolitische Grundkonzeptionen, etwa die des Resozialisierungsstrafrechts (BGHSt. 24 42) und auf andere Wandlungen in den sittlichen Wertvorstellungen (BGHSt. 23 42) einzustimmen (vgl. hierzu Rdn. 51). Ob jedoch der Gedanke der „besseren Beweisbarkeit" ohne weiteres eine legitime Auslegungshilfe bietet 140 , wird man bezweifeln müssen. In der strafrechtlichen Rechtsprechung des BGH nimmt die teleologische Auslegungsmethode einen beherrschenden Raum ein, daneben spielen aber auch die übrigen Auslegungsmethoden eine nicht unerhebliche Rolle 141 . Nach allem folgt der BGH im ganzen gesehen einer vermittelnden Auslegungsmethode mit einem deutlichen Übergewicht „objektiver" Vorstellungen 142 . e) Einzelfragen 47 aa) Der verselbständigte Gesetzessinn („objektiver Wille des Gesetzgebers", Rdn. 44, 46) braucht nicht immer auf veränderten wirtschaftlichen, technischen oder sozialen Verhältnissen oder auf einem Wandel der allgemeinen Rechtsanschauung zu beruhen, wie oft bei älteren Gesetzen. Auch ein neu erlassenes Gesetz kann sich bei eindeutigem Wortlaut gegenüber irrigen Vorstellungen des Gesetzgebers verselbständigen. So hat BGHSt. 1 74 beim § 12 StraffreiheitsG 1949, wo ausdrücklich alle Steuervergehen von der Straffreiheit ausgeschlossen wurden, den durch den Wortsinn objektivierten Willen des Gesetzes gegenüber einem möglicherweise abweichenden Willen des Gesetzgebers für maßgebend gehalten 143 . Auch BGHSt. 11 53 hält einen Motivirrtum des Gesetzgebers für bedeutungslos 144 . Dasselbe gilt dann, wenn der Gesetzgeber auch dem Wortlaut sich zwingend ergebende Konsequenzen übersehen hat, wie etwa bei der Neufassung des § 50 Abs. 2 (jetzt § 28 Abs. 1) durch das EGOWiG 1968145. 137

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Hellmuth Mayer, Strafrecht 1967 §61112; ähnlich Bindokat JZ 1969 541; Naucke Zur Lehre vom strafbaren Betrüge 1964. Vgl. hierzu ferner Engisch Einführung S. 90; Liermann DRiZ 1964 310; mit begriffsanalytischen Einsichten Haft JuS 1975 481. Esprit des Lois, Œuvres complètes, XI. c. 6, Band 2, 1958, S. 402. So aber D. Meyer SchlHA 1974 117 m. weit. Nachw. im Anschluß an K. Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß Bd. 2 S. 302. Vgl. die Übersichten bei JescheckGA 1954 324, 1955 97, 1958 1, 1959 65 und bei Tröndle GA 1962 225, 1966 2, 1973 291. Vgl. Jescheck AT § 17 IV 2; Schreiber SK Rdn. 23; Schwalm Heinitz-Festschrift S. 52; Zippelius JZ 1970 243 m. weit. Nachw. Hierzu Zimmermann NJW 1952 959 m. weit. Nachw.; ausführlicher zu dieser Entscheidung Jagusch LK 8. Aufl. § 2 Anm. I 3b aa. Vgl. jedoch KG JR 1975 429. Anders im Ergebnis wohl BGHSt. 10 51; hierzu auch Krey Studien S. 168 ff. BGHSt. 22 375 ; zu diesem Fragenkomplex: Baumann NJW 1969 1279; Körting NJW 1969 1392; Stree JuS 1969 406; zusammenfassend Tröndle G A 1973 299 f m. weit. Nachw. (24)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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bb) An rechtspolitisch gewollten Fristen und Altersgrenzen, die der „Not der 48 Grenze" folgend stets nur auf den Durchschnitt der Fälle abheben können, scheitert jede Auslegung, ebenso an bewußt abschließend geregelten Materien (Gesetzesliikken) 146 , soweit damit dem Richter nicht freie Hand gegeben werden sollte 147 . In diesen Fällen darf die Rechtsprechung nur verdeutlichen, nicht erweitern. Jede „ausdehnende" Korrektur des deutlichen Gesetzeswillens, etwa beim gesetzlichen Strafmaß, ist ausgeschlossen 148 . cc) Die richterliche Auslegung darf den Gesetzestext nicht unterbewerten. Im 49 Strafrecht herrscht der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit und Gesetzmäßigkeit (Rdn. 9 ff)· Das Gesetz ist positive Rechtsquelle. Dessen objektivierter Wille (Rdn. 46) ist zu erforschen. Der Richter darf ihn nicht durch einen damit unverträglichen, vermeintlich besseren ersetzen. Vor allen Dingen ist eine freie Rechtsfindung, die dem Geist der Zeit besser zu entsprechen scheint, im Strafrecht nicht erlaubt. Der Richter muß sich stets des fragmentarischen Charakters des Strafrechts (Rdn. 30) 149 bewußt bleiben. Er verfehlt sonst seine Aufgabe. dd) Die Überbewertung des Gesetzeswortlauts bringt indessen andere Gefahren. 50 Auf dém Gebiet der Auslegung führt sie zu einem Übergewicht der grammatischen (Rdn. 42) und geschichtlichen (Rdn. 44) Interpretation und vernachlässigt die auf den Gegenwartssinn (Rdn. 46) gerichtete Gesetzesanwendung. In RGSt. 29 116 und 32 165, 186 (Stromdiebstahl) tritt ζ. B. bei aller Sorgfalt der Begründung eine hinter der wirtschaftlich-technischen Entwicklung zurückbleibende, enge naturwissenschaftliche Begriffsauslegung zutage, die den wirtschaftlichen Sinn, der in RGZ 17 269 bereits zwölf Jahre früher richtig getroffen worden war, bewußt verfehlt und den Gesetzgeber unnötigerweise beschwor (Rdn. 31 ff); ähnlich in bewußter Nichtbeachtung der sozialen Verhältnisse, nur historisch, das RG zur bis zum 1. StrRG (1970) geltenden Fassung des §243 Abs. 1 Nr. 3 (abgeschlossene Wohnung oder Teil davon kein „umschlossener Raum", sondern „Behältnis"), z. B. RGSt. 60 379, 70 360 (verschlossene Bootskajüte), RG HRR 1941 947. Erst BGHSt. 1 158 und ergänzend 2 214 hatten hier Wandel geschaffen. Ein ähnliches — verhältnismäßig weitgehendes - Beispiel (Rdn. 33) liefert BGHSt. 10 375150. Die Streitfrage, ob Strafgesetze stets einengend (restriktiv) auszulegen sind oder auch ausdehnend (extensiv) ausgelegt werden dürfen, besteht indessen für die teleologische Auslegungsmethode (Rdn. 46) nicht 1 5 1 : Es gibt nur eine richtige Auslegung 152 . Sie ist als Sinnermittlung durch wertende Tätigkeit zu finden153. Wo es der Zweck und der Gegenwartssinn der Vorschrift erfordert, ist in diesem Sinne auch ausdehnende Auslegung im Rahmen allgemeiner Auslegungsgrundsätze zulässig und angezeigt 154 . Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden (vgl. § 15), daß aufgrund einer Straf146

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Jescheck AT § 15 III 2b; Zum Problem der „Gesetzeslücke" allgemein: Zippelius JZ 1970 243 m. weit. Nachw.; Kunst S. 29. Beispiele bei LK Nagler 6. Aufl. S. 95 f (geschlossene Tatbestände). RGSt. 73 398, 75 42; vgl. auch Rdn. 38 f u n d 51. Binding Lehrb. BT S. 20; Jescheck AT § 6 II 1 ; Hellmuth Mayer, Strafrecht 1967 § 8 III 2. Kraftwagen als „bespanntes Fuhrwerk" im Sinne des §3 Abs. 1 Nr. 6 PrForstdiebstG, hierzu Jescheck AT § 17 IV 5; ferner Mattil GA 1965 135. Maurach-Zip/ AT Teilb. 1 § 9 I 2. Germann SchweizZStR 55 154; Jescheck AT § 17 IV 4 m. weit. Nachw.; Sch.-SchröderEser Rdn. 42, 59. Blei AT § 9; Schwalm Heinitz-Festschrift S. 58. Vgl. BGHSt 9 390; OLG Hamburg NJW 1958 1246.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Vorschrift, bei der ein Hinweis auf die Schuldform fehlt, auch fahrlässige Begehung strafbar s e i 1 5 5 - 1 5 6 . Auch sonst setzt die Auslegungsarbeit angesichts der schwerwiegenden Folgen strafrechtlicher Tatbestände besondere Sorgfalt voraus 1 5 7 . Bei Merkmalen, die das Gesetz selbst ersichtlich eng begrenzt, sowie bei ausfüllungsbedürftigen (normativen) Begriffen in den Tatbeständen schwerer Verbrechen (Rdn. 55) ist auf jeden Fall eine enge Auslegung geboten. In anderen Fällen hingegen kann eine zu enge Interpretation ein Fehlgriff sein, der Gesetz und Rechtsprechung als unzulänglich hinstellt und auf diese Weise die rechtsstaatliche Ordnung in Mißkredit bringt. ee) Verfassungskonforme Auslegung 51

Schrifttum Bender Inhalt und Grenzen der verfassungskonformen Auslegung M DR 1959 441 ; Eckhardt Die verfassungskonforme Auslegung, 1964; Eilsberger Rechtstechnische Aspekte der verfassungskonformen Auslegung, JuS 1970 321; Michel Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 274; Schack Die verfassungskonforme Auslegung, JuS 1961 269; Seetzen Bindungswirkung und Grenzen der verfassungskonformen Gesetzesauslegung, NJW 1976 1997.

Bei der Erforschung des Gegenwartssinns eines Gesetzes ist vor allem auch auf die Normen der Verfassung und auf die Gesamtheit der gesetzlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen. „Ergibt sich, daß eine früher erlassene Vorschrift mit dem Sinn, den ihre Urheber mit ihr verbunden wissen wollten, mit einer späteren Bestimmung von höherem Rang nicht in Einklang zu bringen ist, erlaubt aber der Wortlaut der früheren Vorschrift, ihr einen Sinn zu geben, der der späteren höherrangigen Norm nicht widerstreitet, ist es zulässig, sie in diesem Sinne auszulegen" (so BGHSt. 13 117). Dieser Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung wird von der Rechtsprechung aller Rechtswege beachtet und gilt für die gesamte Rechtso r d n u n g ' 5 8 . Jedoch darf es sich hierbei immer nur um Auslegung im Rechtssinne handeln. „Verfassungskonforme Rechtsfortbildung" gegen Wortlaut, Sinn oder Ziel eines Gesetzes (Gesetzesberichtigung) ist den Gerichten nicht gestattet 1 5 9 . Für das Strafrecht gilt das in besonderem Maße. Gegen diese Grundsätze verstieß eklatant LG Mannheim (JZ1969437),das die — inzwischen durch das l.StrRG (1969) beseitigte — Mindeststrafdrohung des § 236 a. F. unter Berufung auf die Art. 1, 2, 3, 20 155

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159

Anders aber noch vor dem Inkrafttreten der Strafrechtsreformgesetze für §330a a. F.; BGHSt. 6 131 ; richtig jedoch BGHSt. 23 171 für den durch das 4. StrRG (1973) gestrichenen § 361 Nr. 6. Für die Zulässigkeit ausdehnender Auslegung: Jescheck AT § 17 IV 4 m. zahlr. auch ausi. Nachw.; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 I 2; Engisch Einführung S. lOOf; Welzel § 5 II 2; Lackner Anm. lc. Gegen ausdehnende Auslegung: Baumann M D R 1958 394 und AT § 13 III; Hellmuth Mayer AT 1967 §6111; Bindokat JZ 1969 541; Geerds Engisch-Festschrift S. 420. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59. Maunz-Dürig G G Art. 20 Rdn. 67 Fußn. 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58; Bender MDR 1959 441 ; Schack, MicheUaS 1961 269; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz S. 53, 123; Engisch Einführung S. 222 Fußn. 82b, S. 270 Fußn. 212a; Eckardt Die verfassungskonforme Auslegung 1964 jeweils m. weit. Nachw.; Eilsberger JuS 1970 322; Krey NJW 1970 1908; Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. (1975) § 2 IV 1 (S. 31 f); Prämm JuS 1975 299. BVerfGE 8 28 = NJW 1958 1227 m. Anm. Stern NJW 1958 1435; Eckardt aaO (oben Fußn. 158) S. 71 ; Hesse aaO (Fußn. 158) S. 32; Eilsberger JuS 1970 322; abwegig Ostermeyer ZRP 1970 174. (26)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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Abs. 3 G G unbeachtet gelassen hatte. Diese Entscheidung war unhaltbar und ein Musterbeispiel methodisch verfehlter Rechtsfindung 1 6 0 . Denn es hätte der Bemühung des Grundgesetzes gar nicht bedurft, um eine Strafbarkeit nach § 236 a. F. zu verneinen. Denn nach den Feststellungen wäre allem Anschein nach der Tatbestand des § 236 a. F. bei richtiger (einengender) Auslegung gar nicht erfüllt gewes e n ' 6 1 . Eine verfassungskonforme Auslegung ist immer nur im Rahmen an sich zulässiger Gesetzesauslegung möglich und geboten. Bei Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen gewinnt sie aber besondere Bedeutung 1 6 2 . Spricht das BVerfG aus, daß gewisse an sich mögliche Gesetzesinterpretationen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind, so kann kein anderes Gericht diese Interpretationsmöglichkeiten für verfassungsgemäß halten (BVerfG NJW 1975 1355). ff) Bei der Auslegung findet der Grundsatz „Im Zweifel zugunsten des Angeklag- 52 ten (in dubio pro reo, in dubio mitius) keine Anwendung163. Er betrifft nur Zweifel tatsächlicher Art, die der Richter nicht überwinden kann und zugunsten des Angeklagten werten muß. Im Widerstreit der Äec/iiimeinungen kann nicht die dem Angeklagten günstigere, sondern nur die richtige maßgebend sein. gg) Auslegungsgrenzen können sich aus dem Schutzgegenstand (Rechtsgut) des 53 Gesetzes ergeben 1 6 4 . Eine teleologische Auslegung, die hierauf abhebt, kann sogar innerhalb des StGB demselben Begriff des „Gebäudes" unterschiedlichen Inhalt geben : So ist ζ. B. in § 243 Abs. 1 Nr. 1 ein das Diebesgut „bewahrendes", also komplettes (verschließbares) Gebäude gemeint, während es für die §§ 305 und 308, wo das Gebäude selbst Angriffsgegenstand der Straftat ist, ausreicht, wenn es sich als ein bis auf Türen fertiggestellter Neubau darstellt (BGHSt. 6 107)165. hh) Auslegungsgrenzen schafft auch die im Strafrahmen ausgedrückte objektive 54 Bewertung der Tat, die den Richter bindet, obwohl die Praxis die gegebenen Strafrahmen oft nicht ausschöpft. Dieser Maßstab bestimmt ζ. B. die Güterabwägung beim rechtfertigenden Notstand (§ 34) 1 6 6 . Das Verhältnis der angedrohten Strafen zueinander kann die Auslegung leiten, etwa bei der Frage, ob beim Irrtum über das ausdrückliche und ernstliche Tötungsverlangen § 222 oder § 216 eingreift. Mit Argumenten aus der (früheren) gesetzlichen Strafbemessung in § 213 und § 217 Abs. 2 i. d. Fass, vor dem 3. StRÄndG (1953) hatte BGHSt. 1 235 § 213 auf den Fall der Kindestötung für nicht anwendbar gehalten. ii) Strafgesetze, deren Inhalt besonders durch wertungsbedürftige (normative) 55 Tatbestandsmerkmale gekennzeichnet sind (vgl. Rdn. 13 ff), stellen dem Richter eine besonders schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe. Allgemeinbegriffe wie 160 161 162

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Ebenso Sch.-Schröder-LencknerVorbem. § 1 Rdn. 27, 28 dort weit. Beispiele und Nachw. BGHSt. 21 188, 22 178; vgl. Blei JA 1969 StR S. 179. Eckardt aaO (oben Fußn. 158) S. 71; über die Grenzen der Nachprüfbarkeit durch die Verfassungsgerichte Ostermeyer NJW 1967 1595. BGHSt. 6 133, 394 ausdrücklich 14 73; RGSt. 62 372; OLG Hamburg NJW 1958 1246; OLG Celle NJW 1968 2119; Jescheck AT § 17 III 2; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 9 I 2; Sch- Schröder-Eser Rdn. 61 jeweils m. weit. Nachw.; vgl. auch Baumann § 13 I 2 a ; unrichtig LG Köln M D R 1960 241. Vgl. BGHSt. 14 82; R G S t . 37 2. Vgl. auch OLG Hamm M D R 1949 766 zu § 243 Abs. 1 Nr. 4 a. F.; weitere Hinweise bei Sch.-Schröder-Eser Rdn. 56 und Jescheck AT § 17 IV 3. RGSt. 61 255; OGHSt. 1 333 (zum früheren sog. „übergesetzlichen Notstand" ergangen!); vgl. hierzu auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 57.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

„gute Sitten" (§226a), „niedrige Beweggründe" (§211), „verwerflich" (§ 240) mögen verhältnismäßig anschaulich und volkstümlich scheinen; in Wahrheit sind sie schillernd, lassen sich mit mancherlei Inhalten füllen und taugen daher schlecht, strafbares Verhalten von straflosem abzuscheiden. Gleichwohl sind sie unentbehrlich und rechtsstaatlich unbedenklich (Rdn. 13). Sie bedürfen einer maßvollen und ausgewogenen Rechtsprechung, die sich an den Wertvorstellungen der Grundrechtsordnung orientiert und die dem Wert der Gerechtigkeit im einzelnen Falle verpflichtet bleibt 167 . Aus der Kasuistik der Rechtsprechung kann normativen Merkmalen eine tatbestandliche Bestimmtheit zuwachsen, die der Gesetzeswortlaut für sich allein nicht bieten kann. Für die teleologische Auslegungsmethode und die Bestimmung des Gegenwartssinns enthalten Normen dieser Art Chancen und Risiken zugleich. Um festere Konturen für diese normativen Begriffe hat sich der Gesetzgeber in jüngerer Zeit bemüht, ζ. B. bei § 170d (4. StrRG 1973). Das ist in der Regel nur um den Preis umständlicherer und kasuistischer Gesetzesfassungen, die wieder andere Mängel haben, möglich. Auch der Hinweis von Roxin (JuS 1964 373), bei normativen Tatbeständen die Unrechtsbegründung eines Täterverhaltens nicht aus der Mora/widrigkeit, sondern allein aus der Sozia/widrigkeit abzuleiten, wird nicht immer weiter helfen, zumal jüngere Erfahrungen zeigen, daß über den Inhalt des Begriffs des „Sozialwidrigen" und „Sozialschädlichen" heute weniger Konsens zu bestehen scheint als früher über das, was man unter „moralwidrig" verstand 1673 . 56

kk) Auch der Inhalt von Gesetzentwürfen kann für eine sinngerechte und gegenwartsnahe Auslegung des geltenden Strafgesetzes von erheblicher Bedeutung sein. Wenn ein Gesetzesentwurf vom geltenden Recht allerdings abweicht, ist selbstverständlich das geltende Recht anzuwenden 168 . Auch kommt eine „entwurfskonforme" Auslegung dann nicht in Betracht, wenn das neue Recht von einer anderen Gesetzessystematik ausgeht (BGHSt. 22 237) oder der Gesetzgeber bei einer neueren Gesetzesänderung bewußt von einer entwurfskonformen Regelung abgesehen hat (BGHSt. 24 278); läßt jedoch das geltende Recht Auslegungsmöglichkeiten, tut der Richter gut daran, Regelungen und Klarstellungen des Gesetzesentwurfs, soweit sie mit dem geltenden Recht in Einklang zu bringen sind, bei seiner Auslegungsarbeit mitzuberücksichtigen. Der BGH tat dies schon früher bezogen auf die E 1927/30 16 9, noch mehr zog er die E 1959 bis 1962 heran 1 ™. Auch das Schrifttum 1 7 1 hält Gesetzesentwürfe für ein wertvolles und unentbehrliches Mittel der Auslegung. Kantorowicz171 trat für die Auslegungsregel „im Zweifel für den Entw u r f ein. Der Gegeneinwand Maurachs17la, wonach man sich auf Entwurfsrege167

Hierzu Zippelius JZ 1970 244. Vgl. hierzu Müller-Emmen G A 1976 291. 168 BGHSt. 12 30, sehr starr OLG Celle NJW 1969 519. 169 BGHSt. 1 66, 6 133; Nachweise aus dem österreichsichen Recht: NowakowskiÖsterrRichterzeitung 1973 2. 170 BGHSt. 11 324,13 95, 208, 14 47, 73, 96, 357, 15 324, 16 126, 18 104, 277, 285, 19 126, 133, 20 231, 21 47, 23 361, 24 80; vgl. auch LG Frankenthal NJW 1968 1685; anders wohl OLG Hamburg Blutalkohol 1969 373. 171 Kantorowicz Tat und Schuld, (1933) 306; Mezger Strafrecht 3. Aufl. 1949 S. 86; Kohlrausch-Lange § 2 Anm. III Β 4; Baumann AT § 1 3 1 2 b ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54; Schweizer G A 1968 83; GenBA N J W 1969 1157; differenzierend jedoch Kunst S. 42, 50; Nowakowski ÖsterRichterzeitung 1973 2 ff; vgl. auch Heusinger Rechtsfindung und Rechtsfortbildung (1975) 98. 171a Aufrechterhalten in Maurach-Zipf AT Teilb. 1 (5. Aufl.) § 9 II 2b. 167a

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Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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lungen nur insoweit berufen könne, als sie bereits allgemein anerkanntes und damit geltendes Gewohnheitsrecht (Rdn. 20, 21) seien, liegt neben der Sache. Ähnlich wie bei der verfassungskonformen Auslegung (Rdn. 51) muß eine „entwurfskonforme" Rechtsanwendung natürlich Auslegung im Rechtssinne bleiben. Wo der Entwurf jedoch Streitfragen der Rechtsprechung in einem bestimmten Sinne klärt, kann der Richter im konkreten Falle dies nicht beiseite schieben. Er hat sich bei seiner Rechtsfindung auch sonst mit den Meinungen in der Rechtsprechung und im Schrifttum auseinanderzusetzen. Das folgt daraus, daß er stets den Rechtswerten der Gleichbehandlung aller und der Rechtseinheit verpflichtet ist. Insoweit haben Gesetzesentwürfe für die Gesetzesauslegung sogar ein besonderes Gewicht, weil ihnen meist eine umfassende Berücksichtigung des gesamten Materials und oft eine Beratung in sachverständigen Gremien vorausgegangen war. Binden kann das den Richter zwar niemals. Weist indessen die Rechtsüberzeugung des Richters nicht in eine andere Richtung, so sollte er um der Rechtskontinuität und der Rechtseinheit willen dem Weg folgen, den die Gesetzentwürfe weisen. 11) Aber nicht nur Gesetzesentwürfe sind wertvolle Auslegungshilfen für das gel- 57 tende Recht, sondern in gleicher Weise und mit noch mehr innerer Berechtigung das bereits verkündete, aber noch nicht in Kraft getretene Gesetz (vgl. Vorauf!. § 2 Rdn. 37). Dieser Auslegungshilfe hat sich die Rechtsprechung 172 unter Berücksichtigung des Schrifttums 173 , insbesondere während des verhältnismäßig langen Zeitraums zwischen der Verkündung des 2. StrRG (1969) und dessen Inkrafttreten (1975) immer wieder bedient. Soweit der Wortlaut des geltenden Rechts eine Auslegung im Sinne eines verkündeten, aber noch nicht in Kraft getretenen Gesetzes zuläßt, sind die Rechtsanschauungen des neuen Rechts um der Rechtskontinuität willen mitzuberücksichtigen. mm) Das Verhältnis des Richters zum Gesetz, seine Bindung an das Gesetz, des- 58 sen Nachprüfbarkeit (Normenkontrolle), sowie die Form der Ausübung des Prüfungsrechts sind nicht eigentliche Auslegungsfragen und können hier nicht behandelt werden. Daß die richterliche Gesetzesbindung die kritische Normenkontrolle nicht ausschließt, stand früher schon fest 174 . „Der Richter ist hinsichtlich des Inhalts seiner Entscheidung nur dem Recht verpflichtet, wie er es vor seinem Gewissen zu verstehen hat" (Eb. Schmidt Lehrk. Nr. 386). Das gilt formell wie materiell. Die richterliche Prüfungszuständigkeit ist in Art. 100 GG geordnet. Auf die Ausführungen zur richterlichen Unabhängigkeit und Gesetzesbindung bei Eb. Schmidt175, ferner auf die Erläuterungen zu Art. 100 GG in den Erläuterungsbüchern zum Grundgesetz 176 wird verwiesen.

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Z. B. BGHSt. 22 80, 23 171 f, 207 ; 24 4, 63. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54; Dreher StGB, 34. Aufl. §29 A n m . 2 B ; Dahs ZRP 1970 5; Kaiser ZRP 1970 51 ; Dünnebier JR 1970 242 ; Wessels Maurach-Festschrift S. 305 ; Nowakowski ÖsterrRichterzeitung 1973 4, Kunst S. 42, 50; Tröndle G A 1973 292; a. Α. offenbar Middendorf/ Blutalkohol 1970 262. R G Z 102 164, 197 78, 379, 111 323. Lehrkommentar Bd. 1 Nr. 386 bis 421 a, vor allem 401 ff. Insbesondere Maunz in Maunz-Dürig-Herzog (1971); Stern im Bonner Kommentar „Zweitbearbeitung" 1967.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

ANHANG Sonderproblem: Die Wahlfeststellung Übersicht Rdn.

Rdn. Schrifttum Frühere gesetzliche Regelung 1. Das Problem II. Begriff der Wahlfeststellung 1. Bezeichnung „Wahlfeststellung" 2. Reichweite und Inhalt des Begriffs „Wahlfeststellung" 3. Regelfälle 4. Postpendenzfälle 5. Bloße Tatsachenalternativität, eindeutige Gesetzesverletzung a) Ungewiß, ob die eine oder die andere Straftat begangen ist b) Ungewiß, welche von den begangenen Handlungen die strafbare ist . . III. Entwicklung der Wahlfeststellung . . . . 1. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . 2.§ 2 b i. d. Fass. d. Ges. v. 28. 6. 1935 . . . 3. Rechtsprechung nach A u f h e b u n g des § 2b 4. Ausblick. Ruf nach dem Gesetzgeber . IV. Voraussetzungen der zulässigen Wahlfeststellung 1.Tatidentität nach §§ 155, 264 StPO 2. Unmöglichkeit eindeutiger Verurteilung 3.Gewißheit, daß der Beschuldigte den Tatbestand eines von mehreren Strafgesetzen strafbar verwirklicht hat 4. Sachlichrechtliche Voraussetzung einer Wahlfeststellung nach der Rechtsprechung: „Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit" a) Zulässige Wahlfeststellungen b) Unzulässige Wahlfeststellungen . . . 5. Sonderproblem der „Auffangstrafdrohungen" 6. Kritik an der herrschenden Rechtsprechung (zu 4 und 5)

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VII. VIII. IX. X. IX.

a) Wechselnde Bezeichnung der Wahlfeststellungsformel 96 b) Untauglichkeit dieses Merkmals als Abgrenzungskriterium 97 c) Der Ausweg der Auffangstrafdrohungen 98 d) Fahrlässigkeitstatbestände sind keine Auffangsstrafdrohungen 100 e) Problematik einer Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 101 f) Denkbare Fälle einer Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 102 g) Abgrenzungskriterium der „Identität des Unrechtskerns" 103 Hinwände: aa) Theorie des Mindestschuldvorwurfs 105 bb) Lösungsvorschläge Wolters . . .106 cc) Lösungsvorschlag Rudolphis . . 107 h) G e f a h r e n einer sachwidrigen Einschränkung der Zulässigkeitsvoraussetzungen f ü r die Wahlfeststellung . 109 Bestrafung nach dem mildesten Gesetz . . 1 1 0 Der Schuldspruch bei der Wahlfeststellung 114 1. Regelung des früheren § 2 b, Wahlfeststellung gehört nicht in die Urteilsformel 115 2. Wahlfeststellung und Rückfallsvorschrift 116 3. Wahlfeststellung und Urteilsgründe . .118 Teilnahme 119 Rechtsmittelverfahren 120 Rechtskraft 121 Amnestie 122 W i e d e r a u f n a h m e des Verfahrens 123

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Schrifttum Vor 1935. Grünhut Alternative Tatsachenfeststellung im Strafprozeß, MoKrimPsych. 1934 327; Hahn Die gesamten Materialien zur Strafprozeßordnung, 1. Abt. 2. Aufl. S. 733; Lewy K ö n n e n wahlweise Tatsachenfeststellungen nach dem geltenden deutschen Recht Grundlage eines Strafurteils sein? Jahrbuch der Basler Juristenfakultät 1933 S. 78; Lobe Alternative Tatbestände GS 104 (1934) 161; Lücking Alternative Anklage u n d Verurteilung G A 71 (1927) 161 ; Mannheim Zur wahldeutigen Tatsachenfeststellung ZStW 44 (1924) 440; Niethammer Die Zulässigkeit der Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei D R i Z 1934 167; Niise Das Problem der Zulässigkeit von Alternativschuldfeststellungen, StrAbh. 324 (1933); Oetker 3. Band des Handbuchs des Strafprozesses von Glaser, 1907 S. 275 ff; Ostern Die Alternativität bei strafprocessualen Willenserklärungen 1902; Rubo Über Beantwortung alternativer Fragen, G A 14 (1886) 377; Ä«mp/Schriften des Vereins Recht u n d Wirtschaft, Der Strafrichter, Bd. II Heft 2, 1913; Schaffstein Die Zulässigkeit der alternativen Tatbestandsfeststellung im Strafprozeßrecht, J W 1934 531 ; v. Tippeiskirch Über alternative Fragen u n d tatsächliche Feststellt))

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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lungen im Strafverfahren, G A 15 (1867) 449, 505; Wertheimer Die Mischgesetze des Deutschen Straf-Gesetzbuchs, 1903; Zeiler Verurteilung aufgrund wahldeutiger Tatsachenfeststellung, ZStW 40 (1919) 168, 42 (1921) 665, 43 (1922) 596. 1935 bis 1945. Bruns Die „Bestrafung nach dem mildesten Gesetz" bei wahldeutiger Tatsachenfeststellung (§ 2 b StGB), DStR 1936 277; Dohna Das alternative Strafurteil, ZStW 55 (1936) 576; Gerland Literaturbericht ZStW 54 (1935) 314, 55 (1936) 908; Lobe GS 107 (1936) 130; Niederreuther Zur Anwendung des § 2 b, DJ 1938 634; Oetker Alternative Schuldfeststellungen, GS 106 (1935) 401; Oetker Abtreibungsversuch und Betrug in Wahlfeststellung, GS 107 (1936) 273; Oetker Zur Reform der Strafprozeßordnung, ZAkDR 1936 217; Sauer Juristische Methodenlehre S. 392; v. Schack Die Grenzen der wahldeutigen Feststellung im Strafrecht, StrAbh. 380 (1937); E. Schäfer Nachtrag zu Frank StGB 18. Aufl. S. 191; F. Schwarz, Wahlfeststellungen im Strafverfahren nach geltendem und kommenden Recht, 1936. Nach 1946. Blei Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, NJW 1954 500; Breucker Zulässigkeit der Wahlfeststellung, Diss. Tübingen 1964; Deubner Zum Verhältnis von Abzahlungsbetrug und Unterschlagung, NJW 1962 94; Deubner Die Grenze der Wahlfeststellung (BGHSt 16 184), JuS 1962 21 ; Dreher Entsch. Anm. JZ 1953 424, MDR 1957 179; Dreher Im Irrgarten der Wahlfeststellung M D R 1970 369; Endruweit Die Wahlfeststellung und die Problematik der Überzeugungsbildung, der Identitätsbestimmung, der Urteilssyllogistik sowie der sozialen und personalen Gleichwertigkeit von Straftaten, 1973 (zitiert: Endruweit Wahlfeststellung); Fleck Zum Problem einer Verurteilung aufgrund mehrdeutiger Tatsachenfeststellung (§ 100 Abs. 1 und § 100 a Abs. 2 StGB), GA 1966 334; Fuchs Die Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, Diss. Freiburg 1962; Fuchs Die Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, GA 1964 65 ; Fuchs Wahlfeststellung und Tatidentität, NJW 1966 1110; Fuchs Entsch. Anm. NJW 1967 739, 1968 2341, 1970 1053; Fuchs Die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit bei der Wahlfeststellung, DRiZ 1967 16; Fuchs Zur Wahlfeststellung DRiZ 1968 16; Günther Verurteilungen im Strafprozeß trotz subsumtionsrelevanter Tatsachenzweifel. Ein Beitrag zum Institut der sog.„ungleichartigen Wahlfeststellung", Strafr. Abhandl. N. F. Band27, 1976 (zitiert: Günther Verurteilungen); Günther Wahlfeststellung zwischen Betrug und Unterschlagung, JZ 1976 665; Hardwig Studien zum Vollrauschtatbestand, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) 459; Heinitz Die Grenzen der zulässigen Wahlfeststellung im Strafprozeß, JZ 1952 100; Heinitz Zum Verhältnis der Wahlfeststellung zum Satz „in dubio pro reo", JR 1957, 126; Eike v. Hippel Zum Problem der Wahlfeststellung, NJW 1963 1533; Hruschka Zum Problem der Wahlfeststellungen, M D R 1967 265; Hruschka Zur Logik und Dogmatik von Verurteilungen aufgrund mehrdeutiger Beweisergebnisse im Strafprozeß, JZ 1970 637; Hruschka „Wahlfeststellung" zwischen Diebstahl und sachlicher Begünstigung? NJW 1971 1392; Jacobs Probleme der Wahlfeststellung, GA 1971 257; Küper Probleme der „Postpendenzfeststellung" im Strafverfahren, Richard-Lange-Festschrift (1976) 64; Küper Wahlfeststellung und Anwendung des § 158 StGB bei einander widersprechenden Zeugenaussagen, NJW 1976 1828; Lohr „In dubio pro reo" und Wahlfeststellung — BGHSt. 23 203, JuS 1976 715; Montenbruck Wahlfeststellung und Werttypus in Strafrecht und Strafprozeßrecht. Entwicklung und Erprobung eines neuen Erklärungsmodells, 1976 (zitiert: Montenbruck Wahlfeststellung); Nowakowski Verkappte Wahlfeststellungen, JurBlätter 1958 380; Nüse Die Zulässigkeit von wahlweisen Feststellungen, GA 1953 33; Nüse Entsch. Anm. JR 1956 28, 1958 64, 1959 305; Otto In dubio pro reo und Wahlfeststellung, Peters-Festschrift (1974) 373; Peters Mehrere Schüsse bei einer Tötung, GA 1958 97; Rheinen Zur Praxis der Wahlfeststellungen im Strafprozeß, NJW 1957 942; Röhmel Die Wahlfeststellung, JA 1975 371; Sax Wahlfeststellung bei Wahldeutigkeit mehrerer Taten, JZ 1965 745; Schaffstein Die neuen Voraussetzungen der Wahlfeststellung im Strafverfahren, NJW 1952 725; Eb. Schmidt Entsch.Anm. zu BGHSt. 18 274, JZ 1963 606; O. H. Schmitt Entsch.Anm. NJW 1957 1887; Schneider Wahlfeststellung zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tat? DRiZ 1956 12; Schneidewin Vollrausch und Wahlfeststellung (BGHSt. 9 390) JZ 1957 324; Schänke Wahlfeststellungen im Strafprozeß, DReZ 1947 48; Schorn Die Problematik wahlweiser Feststellungen im Strafprozeß, DRiZ 1964 45; Schröder Entsch.Anm. zu BGHSt. 22 154, JZ 1968 572; Schulz Wahlfeststellung und Tatbestandsreduktion BGHSt. 25 182, JuS 1974 635; Schwarz Rauschtat und Wahlfeststellung NJW 1957 401 ; Tröndle Zur Be(31)

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

gründung der „Wahlfeststellung", JR 1974 133; Waiblinger Der rechtliche Charakter und die Bedeutung der Schulderklärung, Pfenniger-Festschrift (1956) 157; Weber Zur Frage der Zulässigkeit von Wahlfeststellungen im Strafrecht, Diss. Freiburg 1950; Willms Zum Begriff der Wahlfeststellung, JZ 1962 628 ; Wolter Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage im Strafrecht, 1972 (zitiert: Woher Verurteilung); Wolter Verurteilung aus nichttatbestandsmäßiger Nachtat, G A 1974 161; Zeiler Verurteilung aufgrund wahldeutiger Tatsachengrundlage, ZStW 64 (1952) 156, 72 (1960) 4.

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Frühere gesetzliche Regelung. Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. 6.1935 (RGBl. I S. 839) hatte als § 2b folgende Vorschrift in das StGB eingestellt: „Steht fest, daß jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, ist aber eine Tatfeststellung nur wahlweise möglich, so ist der Täter aus dem milderen Gesetz zu bestrafen." Ergänzend hatte das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 844) als § 267 b folgende Vorschrift in die StPO aufgenommen: „Trifft das Gesetz eine Wahlfeststellung (§2b des Strafgesetzbuchs), so ist der Angeklagte in der Formel nur der Verletzung des anzuwendenden Strafgesetzes schuldig zu sprechen. Die Urteilsgründe müssen angeben, welche Gesetze als verletzt in Betracht kommen. Die Tatsachen, die den Verstoß ergeben, sind festzustellen; es ist darzutun, weshalb eine eindeutige Feststellung nicht möglich ist. Sieht das Gericht entgegen einem in der Hauptverhandlung gestellten Antrage von einer Wahlfeststellung ab, so müssen die Gründe dafür dargelegt werden. " Die Vorschrift des § 2b StGB wurde durch Art. I des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 vom 30. 1. 1946 (KontrRABl. S. 55) aufgehoben. Seither bestehen für die Wahlfeststellung keine gesetzlichen Regelungen mehr. Wie bei einer Verurteilung auf zweioder mehrdeutiger Tatsachengrundlage zu verfahren ist, hat daher die Rechtsprechung und die Rechtslehre zu klären.

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I. Das Problem. Da die menschliche Erkenntnisfähigkeit begrenzt ist, kommt es vor, daß sich ein Tatgeschehen zwar nicht vollständig in allen Einzelheiten aufklären läßt, daß immerhin aber nachzuweisen ist, daß ein strafloses Verhalten des Täters ausscheidet und er sich mit Sicherheit in einer oder anderer Richtung strafbar gemacht hat. Das ist einmal der Fall, wenn die in Betracht kommenden Verhaltensweisen in ihrer rechtlichen Beurteilung im „Mehr-Weniger-Verhältnis" stehen, ζ. B. wenn feststeht, daß der Täter gestohlen hat, nicht aber, ob er bei der Tat Nachschlüssel verwendet hat. In diesem Fall ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" zu verfahren und nach dem milderen Strafgesetz zu verurteilen. Dieser Fall interessiert im Bereich der Wahlfeststellung vorwiegend als Abgrenzungsproblem (vgl. BGHSt 22 156, 23 206). Der Fall kann aber auch so liegen, daß die nicht näher aufklärbaren möglichen Verhaltensweisen des Täters in einem „Entweder-Oder-Verhältnis" stehen, ζ. B. wenn nur feststeht, daß der Täter die Sache gestohlen oder gehehlt hat, oder wenn nur festgestellt werden kann, daß der Täter entweder einen anderen wissentlich falsch angeschuldigt oder als Zeuge uneidlich falsch ausgesagt hat. In diesen Fällen taucht die Frage auf, ob trotz Beweismangels aufgrund einer zwei- oder mehrdeutigen Tatsachenfeststellung eine Verurteilung vertretbar ist (Die Frage der Zulässigkeit der sog. Wahlfeststellung). Da in diesen Fällen stets feststeht, (32)

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daß sich der Täter strafbar gemacht hat, wäre es unbefriedigend, ihn freizusprechen. Auf der andern Seite begegnet aber eine Verurteilung, der keine eindeutigen tatsächlichen Feststellungen zugrundeliegen, rechtsstaatlichen Einwendungen. Sie betreffen das sachliche und das Verfahrensrecht: Aus dem zum sachlichen Recht gehörenden Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit (nullum crimen sine lege) folgt, daß eine Verurteilung sich auf ein ganz bestimmtes, mit Strafe bedrohtes Handeln beziehen muß (§ 1, Art. 103 Abs. 2 GG). Das Verfahrensrecht setzt für eine Verurteilung zwingend voraus, daß das Gericht aufgrund „seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" (§ 261 StPO) „die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden", angibt (§ 267 Abs. 1 StPO). Der sachlichrechtliche und der verfahrensrechtliche Aspekt der Wahlfeststellung läßt sich nicht getrennt betrachten1. Die prozessuale (beweisrechtliche) Seite der Wahlfeststellung ist allerdings die bedeutsamere und — für die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens — die problematischere2. Darüber darf die Tatsache, daß die Rechtsprechung und die Lehre überwiegend materiellrechtliche Fragen der Wahlfeststellung (ζ. B. das Problem der „rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" Rdn. 82) in den Mittelpunkt stellt, nicht hinwegtäuschen. Die einen verweisen die Frage der Zulässigkeit der Wahlfeststellung in das materielle Recht3, andere, insbesondere die Große Strafrechtskommission, ins Verfahrensrecht4. Je nachdem, in welchem Umfange die rechtsstaatlichen Bedenken gegen die 62 Wahlfeststellung als begründet angesehen werden, wird sie auf der einen Seite entweder ganz abgelehnt oder nur in ganz engen Grenzen für zulässig gehalten5, andererseits tritt eine Mindermeinung dafür ein, die Wahlfeststellung etwa in einem Umfange gelten zu lassen, wie dies der aufgehobene §2b vorgesehen hatte6. In einem begrenzten noch näher zu erörternden Bereich wird eine Verurteilung auf zwei- oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage von der herrschenden Rechtsprechung und Lehre anerkannt (vgl. Rdn. 82) und für rechtsstaatlich unbedenklich gehalten. Die Entwicklung weist unbeschadet jener — scheinbaren — Einengung in BGHSt. (GS) 9 390 (Rdn. 91 ff) in eine „wahlfeststellungsfreundliche" Richtung. Ihr gibt die Hinwendung vom tatbezogenen Vergeltungsstrafrecht zum täterbezogenen Resozialisierungsstrafrecht weiteren Raum (Schulz JuS 1974 639). Zwar liegen die rechtsstaatlichen Gefahren der Wahlfeststellung auf der Hand. 63 Das eigentliche Sachproblem würde aber verkannt, wenn man annähme, eine 1

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Hierzu Jescheck AT § 116 I 2, vgl. auch Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 6; Endruweit Wahlfeststellung S. 2 8 f f ; Küper Rieh. Lange-Festschrift (1976) 64 unterscheidet bei der Wahlfeststellung drei Problemkreise: Das „rechtsstaatliche Basisproblem" (Frage der Zulässigkeit einer Wahlfeststellung überhaupt), das „Begrenzungs- und Maßstabproblem" (in normativer und prozessualer Hinsicht) und das „Einordnungs- und Klassifizierungsproblem" (kategorialer Aspekt, echte Wahlfeststellung, Tatsachenalternativität, wahlfeststellungsähnliche Fallkonstellationen). Vgl. Peters Strafprozeß 2. Aufl. § 37 IV 2; Tröndle JR 1974 135; Wolter Verurteilung S. 45, 46, hierzu Günther Verurteilungen S. 168, 174 ff. Ζ. B. Nüse G A 1953 41, JR 1958 66. Ndschr. 5. Bd. S. 285 Anm. 5; Dreher M D R 1957 179, 1970 370. Oetker GS 106 (1935) 417, Hellmuth Mayer Strafrecht 1967 § 53 II; Heinitz JZ 1952 100; Eb. Schmidt StPO § 244 Rdn. 17; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 III 2; Schorn D R i Z 1964 49; Schmidhäuser AT 5 / 4 4 ; Endruweit Wahlfeststellung S. 293 ff, 338 ff. Zeiler ZStW 64 (1952) 156, 72 (1960) 4; Nüse G A 1953 33; Eike v. Hippel NJW 1963 1533; weit. Nachw. bei Wolter Verurteilung S. 23 Fußn. 44.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Rechtsprechung sei umso rechtsstaatlicher, je weniger sie für Wahlfeststellungen Raum gäbe. Ein Verbot der Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage schlösse keine geringeren Gefahren für eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege in sich, wie deren uferlose Zulassung 7 . Kein Gesetz könnte den Richter übrigens zwingen, nur „eindeutige" Tatsachen festzustellen 8 . In allen Einzelheiten läßt sich kaum ein Vorgang beweisen. Das ist ohne Belang, wenn die Einzelheiten selbst nicht rechtserheblich sind. Bleiben indessen Zweifel dort, wo es rechtlich darauf ankommt, darf sie der Richter nicht verschweigen. Er darf es auch dann nicht, wenn er erkennt, daß der Angeklagte sich "auf jeden Fall" in dieser oder jener Richtung strafbar gemacht hat. Dem Rechtsstaat ist mehr gedient, wenn im Urteil verbliebene Zweifel offenbart werden, als wenn sie übergangen würden 9 . Ließe man eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage überhaupt nicht oder nur im engsten Bereich der Alternativen eines einzelnen Tatbestandes zu, wäre die Versuchung besonders groß, um eines sachgerechten Ergebnisses willen Zweifel zugunsten eindeutiger Feststellungen zu „überwinden": Unter zwei möglichen strafbaren Verhaltensweisen hätte die „wahrscheinlichere" die größere Chance, „festgestellt" zu werden. Diese braucht aber nicht immer die weniger belastende zu sein 1 0 . So könnte es geschehen, daß der Angeklagte aus dem härteren Gesetz bestraft würde, was bei einer Verurteilung aufgrund wahldeutiger Grundlage gerade vermieden werden sollte 11 . So gesehen ist es bedenklich, wenn Koeniger12 angesichts der Gefahren für den Bestand eines Urteils in der Revision, das sich auf eine wahldeutige Tatsachengrundlage stützt, darauf hinweist, daß „erfahrene Tatrichter" „wohl immer die Entschlußfähigkeit aufbringen" werden, „die Überzeugung von einem eindeutigen Sachverhalt zu gewinnen"(!). Ein weiteres kommt hinzu: Ob eine Wahlfeststellung notwendig wird, hängt nicht immer nur von konkreter Beweislage ab. Es kommt auch auf die Ausgestaltung der Tatbestände an. Je allgemeiner und umgreifender oder je weniger bestimmt sie gefaßt sind, desto weniger wirken sich Zweifel in den Einzelheiten des tatsächlichen Geschehens auf die rechtliche Subsumtion aus. Auch kann der Gesetzgeber Tatbestände von vornherein so ausformen, daß in Bereichen, wo wahldeutige Tatsachenfeststellungen besonders häufig vorzukommen pflegen, gleichwohl eine eindeutige Verurteilung gesichert werden kann, indem er die „Auffangsituation" vertatbestandlicht. Dies geschah nach dem Vorbild des § 351 Abs. 1 E 1962 bei der Neufassung des Vollrauschtatbestandes (§330a) aufgrund des EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) 13 . Die Wahlfeststellungsproblematik tritt im übrigen umso häufiger auf, je differenzierter und aufgegliederter das Handlungsunrecht bei den einzelnen Tatbeständen voneinander abgeschichtet ist. Gerade ein rechtsstaatlich durchgebildetes Tatbestandssystem produziert im Nebeneffekt weitere Wahlfeststellungssituationen 14 . Ihnen ist eigentümlich, daß Rechtssicherheit und mate7 8 9

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Vgl. JescheckAT § 16 III 3, auch Wolter Verurteilung S. 48. So Geier in Löwe-Rosenberg, 21. Aufl., § 267 StPO Anm. 6 c. Hierzu als Gegner der Wahlfeststellung Endruweit Wahlfeststellung S. 131, aber auch S. 303. Zeiler ZStW 72 (1960) 4, Deubner JuS 1962 21, Schulz JuS 1974 638. Deubner NJW 1967 738, JuS 1962 21 Fußn. 9; Schaffstein NJW 1952 729; Schneidewin JZ 1957 326; Daliinger M D R 1967 548. Die Hauptverhandlung in Strafsachen S. 551 ; hierzu Günther Verurteilungen S. 35, 89. Entsprechend auch in § 122 OWiG. Vgl. hierzu auch BGHSt. 9 394, 16 187; Dreher M D R 1970 370; ferner unten Rdn. 92. Hruschka M D R 1967 267; Wolter Verurteilung S. 48, 281; Otto Peters-Festschrift (1974) 388; Schulz JuS 1974 639; vgl. Endruweit Wahlfeststellung S. 19,21; Günther Verurteilungen S. 166. (34)

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rielle Einzelfallgerechtigkeit in ein Spannungsverhältnis tritt. Es taucht also besonders dort auf, wo die Garantiefunktion der Tatbestände betont und ernst genommen wird. Dieses Spannungsverhältnis zu lösen und nicht es zu negieren, ist der Rechtsprechung aufgegeben. Für ein rechtsstaatliches Strafrecht kann daher die Frage nicht sein, ob Verurteilungen auf zwei- oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage zugelassen sind, sondern unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang solche Verurteilungen rechtsstaatlich hingenommen werden können und sachlich geboten sind 1 6 . Seit § 2b aufgehoben worden ist (1946), sind hierzu eine Reihe grundlegender Entscheidungen ergangen. Die Praxis fand im ganzen befriedigende Ergebnisse. Indessen ist es der Rechtsprechung bisher noch nicht gelungen, die Fälle, in denen sie eine Wahlfeststellung für zulässig hält, überzeugend abzugrenzen und ihnen eine tragfähige rechtliche Begründung zu geben (Tröndle JR 1974 133). Der Meinungsstreit im Schrifttum läuft seit langem weitgehend auf eine Wiederholung der alten Argumente hinaus 1 7 . Die Entwicklung ist noch im Flusse. II. Begriff der Wahlfeststellung 1. Die Bezeichnung „Wahlfeststellung" (Verurteilung auf „wahldeutiger" Fest- 64 Stellung) ist schief und ungenau 1 8 . Dem Gericht bleibt, wenn es auf dem Boden doppel- oder mehrdeutiger Beweisgrundlage verurteilen will, keinerlei „Wahl" zwischen verschiedenen Tatbeständen. Es muß vielmehr — die Zulässigkeit einer „Wahlfeststellung" im konkreten Falle vorausgesetzt — nach dem Grundsatz in dubio mitius unbeschadet der Tatsache, daß es die in Betracht kommenden Sachverhalte und Tatbestände alternativ feststellt und bejaht, bei der Verurteilung und der Rechtsfolge von der dem Angeklagten in concreto günstigsten Möglichkeit ausgehen. Die Bezeichnung „Wahlfeststellung" hat sich aber durchgesetzt und wird auch hier der Kürze halber gebraucht. 2. Die Frage, wieweit der Bereich des Rechtsbegriffs der Wahlfeststellung geht, 65 wird nicht einheitlich beantwortet 1 9 : Insbesondere ist die Abgrenzung zu den Fällen des „in dubio pro reo" unklar, verschiedentlich werden auch Tatmodalitäten einzelner Tatbestände als im Sinne einer Wahlfeststellung unbeachtliche Alternativen angesehen 20 , ferner sind die Fälle der Auffangtatbestände (Rdn. 91) umstritten. Neuerdings werden im Schrifttum auch die Fälle der sog. Postpendenzfeststellung (Rdn. 67) aus dem Wahlfeststellungsbereich ausgegliedert. Immer aber kann es sich in diesen Fällen wie bei den Wahlfeststellungen im engeren Sinne nur darum handeln, daß verbliebene richterliche Zweifel die tatsächlichen Grundlagen einer Verurteilung betreffen. Rechtliche Zweifel darüber, ob ein eindeutig festgestellter Sach15 16 17

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Jescheck AT § 16 III 3; Wolter Verurteilung S. 47; vgl. Sch.-Schröder-Eser§ 1 Rdn. 68. Ähnlich Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 5; Wolter Verurteilung S. 46. Schaffstein NJW 1952 726; Heinitz JR 1957 127; Wolter Verurteilung S. 18; Günther Verurteilungen S. 179. Willms JZ 1962 628; Geier in Löwe-Rosenberg, 21. Aufl., § 267 StPO Anm. 6c; Endruweit Wahlfeststellung S. 135; Montenbruck Wahlfestellung S. 33. Hierzu Müller-Sax StPO § 260 Anm. 6 A d. Hruschka M D R 1967 265 subsumiert auch die Fälle des in dubio pro reo (Rdn. 66) und die des Auffangtatbestandes (Rdn. 91) unter den Begriff der „Wahlfeststellung" (hiergegen mit Recht Schulz JuS 1974 636 Fußn. 6; vgl. Otto Peters-Festschrift (1974) 375; ferner Endruweit Wahlfeststellung S. 22 ff., 137 ff; hierzu ferner Küper Richard-Lange-Festschrift (1976) 68. Hierzu Wolter Verurteilung S. 52, 66 Fußn. 33; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 27 f; hierzu Günther Verurteilungen S. 57 ff.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

verhalt den einen oder andern Tatbestand erfüllt, erlauben keine Wahlfeststellung 21 . Solche Zweifel sind durch Auslegungsarbeit zu beseitigen (iura novit curia). Ob eine „sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit" (§ 184c Nr. 1) vorliegt oder (nur) eine Beleidigung (§ 185), muß rechtlich entschieden werden (vgl. RGSt 71 104). Ferner kommt eine Wahlfeststellung zwischen Raub (§ 249) oder räuberischer Erpressung (§ 255) nur in Betracht, wenn nicht feststeht, ob ein Sachverhalt vorliegt, der rechtlich als „Wegnahme" zu charakterisieren ist, oder ob ein (anderer) Tathergang gegeben ist, wonach der Täter den Gewahrsam dadurch erlangt hat, daß er eine Vermögensverfügung des Angegriffenen erzwungen hatte. Ist hingegen der Tathergang eindeutig und ist nur zweifelhaft, ob er rechtlich als Wegnahme oder als Erzwingung einer Vermögensdisposition zu beurteilen ist, kann eine Wahlfeststellung nicht stattfinden (Blei AT § 11 II 1). Aber auch noch nicht jede Unklarheit über den Tathergang und über den Taterfolg wirft die Frage der Zulässigkeit einer Wahlfeststellung auf : Gibt etwa ein Täter in Tötungsabsicht unmittelbar hintereinander zwei Schüsse ab und trifft nur einer tödlich, so ist für eine Wahlfeststellung kein Raum, denn hier läßt ein einheitliches und eindeutiges Tatgeschehen lediglich zwei strafrechtlich gleichwertige (Erfolgs-)Möglichkeiten offen (Deubner JuS 1962 21). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn — unbeschadet eines einheitlichen Gesamtgeschehens — mehrere Schüsse jeweils aufgrund verschiedener Willensentschließungen abgegeben worden sind und nicht zu ermitteln ist, welcher Schuß traf. In diesem Fall ist, wenn nur ein Schuß in (bedingter) Tötungsabsicht abgegeben worden ist, nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" wegen versuchter Tötung zu bestrafen 22 . Wie eingangs erwähnt, taucht die Frage einer Wahlfeststellung auch sonst nicht auf, wenn die beiden in Betracht kommenden Verhaltensweisen in einem sogenannten Stufenverhältnis (Grundtatbestand und Qualifikationstatbestand) stehen 23 . Auch dann ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" das mildere Strafgesetz anzuwenden. Dasselbe gilt auch, wenn Versuch oder Vollendung (RGSt. 41 352) Mittäterschaft oder Alleintäterschaft, sofern diese schwerer wiegt 24 , in Betracht kommt oder wenn nicht feststeht, ob der Angeklagte nur eine Verführung (§ 182) oder eine Vergewaltigung (§ 177) begangen hat (BGHSt. 22 154)25 0 d e r ob nur ein Betrug oder ein Betrug in Tateinheit mit Unterschlagung vorliegt 26 . Wenn nicht feststeht, ob der Angeklagte mit Täter- oer mit Gehilfenvorsatz gehandelt hat 2 7 , ist der Grundsatz „in dubio pro reo" entsprechend anzuwenden (BGHSt. 23 207) 2 8 . Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" ist schließlich die dem Täter günstigste Möglichkeit dann zugrundezulegen, wenn der Sinn einer Handlung nicht festzustellen ist, etwa wenn nicht sicher ist, ob ein Stich nach dem Herzen Tötungsversuch oder Notwehrakt ist. Mit Recht tritt im übrigen Otto29 ganz allgemein für 21

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BGHSt. 14 73, OLG Celle GA 1969 153; Gerland ZStW 54 (1935) 317; Fuchs G A 1964 66; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 6e. BGH NJW 1957 1643 m. abl. Besprechung von Peters GA 1958 97, sowie Fuchs Diss. S. 52 ff, NJW 1966 1823. Wie BGH NJW 1957 1643: Sch.-Schröder-Eser § 1 Rdn. 85; Dreher vor § 1 Rdn. 44. RGSt. 11 104, 31 151, 50 31, 53 275, 65 209, RG DJ 1937 285; BGHSt. 22 156, 23 206. RGSt. 12 351, 36 19, 37 216, 56 35, a. A. RGSt. 63 430; Günther Verurteilungen S. 72. Hiergegen Deubner NJW 1969 147; Schröder JZ 1968 571. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1958 22. Vgl. frühere Fälle RGSt. 48 210, 71 365, RG H R R 1940 1099, RG DStR 1938 55. m. Anm. Schröder JZ 1970 422. Gegen BGHSt. 23 207: Otto Peters-Festschrift (1974) 377; ferner Jakobs GA 1971 264. Peters-Festschrift (1974) 385 m. weit. Nachw.; ebenso Dreher vor § 1 Rdn. 39 und M D R 1970 371 ; Schmidhäuser AT 10/118. (36)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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eine unbefangenere Anwendung dieses Grundsatzes ein. Zum Sonderproblem, ob eine Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit möglich ist und was hierfür gilt, vgl. unten Rdn. 91, 93. 3. Im allgemeinen bezieht sich der Rechtsbegriff der Wahlfeststellung auf solche 66 Sachverhalte, bei denen feststeht, daß der Täter eine von mehreren verschiedenen Handlungen begangen und dadurch gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat. Hierbei ist vorausgesetzt, daß die beiden oder mehreren möglicherweise vorliegenden Verhaltensweisen im Verhältnis der Ausschließbarkeit (exklusive Alternativität) stehen: Den Zweifeln, ob der eine oder andere Sachverhalt gegeben ist, muß die absolute Gewißheit gegenüberstehen, daß im Falle des NichtVorliegens des einen Sachverhalts der alternierende andere Sachverhalt (oder einer der anderen möglicherweise vorliegenden Sachverhalte) gegeben ist 30 . Bei der Wahlfeststellung geht es also regelmäßig zunächst im Bereich des Tatsächlichen um die Ungewißheit darüber, welche von alternierenden (in sich scharf umrissenen) Möglichkeiten vorliegt, und erst hieraus folgt dann eine „Gesetzesalternativität", wenn die in Betracht kommenden Möglichkeiten verschiedene Tatbestände erfüllen. 4. Im Schrifttum werden allerdings im Anschluß an Hruschka31 verschiedentlich 67 die sog. Postpendenzfälle aus dem Bereich der Wahlfeststellung ausgesondert. Es handelt sich hierbei um solche Fälle, bei denen der Sachverhalt einer Nachtat (Unterschlagung, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei) eindeutig feststeht und der Zweifel sich lediglich darauf beschränkt, ob der Täter bereits an der Vortat (ζ. B. als Mittäter) beteiligt gewesen war und gerade von diesem nicht aufklärbaren Sachverhalt der Vortat die rechtliche Wertung der festgestellten Nachtat abhängt. So wenn ζ. B. der Täter mit Sicherheit beim Weiterschaffen des Diebesguts geholfen (also eine Begünstigungstat begangen hat), jedoch nicht auszuschließen ist, daß er selbst Mittäter war (und daher rechtlich nicht Begünstiger sein kann) 3 2 . Küper32 spricht in diesen Fällen von „einseitiger Sachverhaltsungewißheit" und „doppelter Rechtsnormungewißheit" und weist darauf hin, daß die Postpendenz „tatbestandsrelevant" (wenn das Vorliegen der Vortat die Nachtat ausschließt, ζ. B. weil nur die Erstzueignung den Tatbestand des § 246 erfüllen kann, vgl. BGHSt. 14 42) oder „konkurrenzrelevant" (wenn das Vorliegen der Vortat die Nachtat lediglich als "mitbestrafte" erscheinen läßt) sein kann. Beachtliche Stimmen im Schrifttum 33 wollen in diesen Fällen grundsätzlich eindeutig, und zwar wegen der Nachtat, verurteilen, indem sie die nur wahldeutig feststellbare Vortatbeteiligung überhaupt als mögliche Grundlage für einen Schuldspruch ausscheiden. Das sei nämlich möglich, weil nach der Rechtsprechung eine tatbestandsmäßige Zweitzueignung Platz greifen könne, wenn die Vortat im Sinne einer Eigentums- oder Vermögensstraftat „nicht schuldhaft und strafbar" (vgl. BGHSt. 14 45), also „nicht wahlfeststellungsfähig" sei; ferner liege die nach den §§ 257 bis 259 erforderliche Vortat eines anderen vor, 30

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Vgl. BGHSt. 1 129, 12 388; auch FuchsGA 1964 68; Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) 87. JZ 1970 641, NJW 1971 1392; Otto Peters-Festschrift (1974) 374; G ü n t e r Verurteilungen S. 41 f. Otto Peters-Festschrift (1974) 374; Wolter GA 1974 161; Rudolphi SK Anh. zu §55 Rdn. 24; Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) 68, 72f. Hruschka JZ 1970 641, NJW 1971 1393; Wolter Verurteilung S. 126f und GA 1974 161 ff; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 25.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

wenn dieser sie allein oder als Mittäter begangen habe 3 4 . Freilich müssen die Vertreter dieser Auffassung einräumen, daß eine (eindeutige) Verurteilung in solchen Fällen dann nicht möglich ist, wenn lediglich eine allein täterschaftliche Vortat mit nachfolgender „Begünstigung" oder „Hehlerei" in Betracht kommt, denn wer möglicherweise Alleintäter ist, kann nicht „eindeutig" wegen Begünstigung oder Hehlerei verurteilt, sondern muß in einem solchen Fall freigesprochen werden, wenn man den Weg einer Wahlfeststellung für nicht gangbar halten will. Es ist indessen ungereimt, wenn die Entscheidung, ob überhaupt und ob „eindeutig" wegen Begünstigung oder wegen Hehlerei verurteilt wird, letztlich davon abhängen soll, ob die möglicherweise in Betracht kommende Vortatbeteiligung in der Form der Mittäteroder der Alleintäterschaft geschah 3 5 . Mit Recht lassen daher die Rechtsprechung (BGHSt. 23 360)36 u n ( } der wohl überwiegende Teil des Schrifttums 3 7 in solchen Fällen die Grundsätze der Wahlfeststellung eingreifen, so daß im erwähnten Falle wahlweise wegen Diebstahl oder Begünstigung verurteilt wird. Es ist in der Tat nicht einzusehen, daß dort, wo bei zwei Sachverhalten nur einer ungewiß ist, nämlich der der Vortat (Postpendenzfall), gerade aber diese Ungewißheit zu einer „Gesetzesalternativität" führt, etwas anderes gelten soll, als in den übrigen Fällen der Gesetzesalternativität, der eine entsprechende (exklusive) Tatsachenalternativität vorausgeht. Hinzu kommt, daß auch Anhänger der eindeutigen Verurteilung in Postpendenzfällen gleichwohl — in der Sache durchaus zutreffend — die prozeßrechtlichen Voraussetzungen einer Wahlfeststellung entsprechend gewahrt wissen wollen 3 8 . 68

5. Der Rechtsbegriff der Wahlfeststellung schließt im übrigen, sieht man von den Postpendenzfällen (Rdn. 67) ab, stets eine „Tatsachenalternativität" ein. Die „Gesetzesalternativität" ist erst deren (mögliche) Folge. Die Rechtsgrundsätze der Wahlfeststellung (nämlich ihre prozeßrechtlichen Voraussetzungen, Rdn. 79 bis 82) sind daher um der Rechtsstaatlichkeit willen auch in den Fällen bloßer Tatsachenalternativität (sog. gleichartige Wahlfeststellung)39 zu beachten. Die Tatsache, daß in diesen Fällen die (materiellrechtliche) Frage des anzuwendenden Strafgesetzes naturgemäß nur „eindeutig" beantwortet werden kann, darf nicht, wie das mitunter geschieht (Rdn. 80), dazu führen, prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Wahlfeststellung hinsichtlich der Tatalternativen zu vernachlässigen. Das gilt auch 34

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Rudolphi SK Anh. zu § 55, Rdn. 25; Wolter G A 1974 164; eingehend und differenzierend Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) insbesondere S. 84f und zu Wolter insbesondere S. 92 Fußn. 108. Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) 9 0 f , 9 4 f findet hingegen in einer geistreichen Analyse eine differenzierende Lösung der Postpendenzfälle. Neuerdings bringt Günther (Verurteilungen S. 210 ff) eine kritische Würdigung der Auffassung Hruschkas. Anm. Schröder JZ 1971 141, Anm. Hruschka NJW 1971 62; ähnlich BGHSt. 11 27, BGH JR 1959 305. Schröder JZ 1971 142; Ruß LK § 257 Rdn. 42; Kleinknecht StPO § 260 Anm. 5 B; Sch.Schröder 17. Aufl. § 2 b Rdn. 10b, vgl. aber hierzu Günther JZ 1976 666. So ausdrücklich Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 26. In diesem Sinne wird von „gleichartiger Wahlfeststellung" gesprochen bei Jescheck AT § 16 III 2 b ; Dreher vox § 1 Rdn. 40; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 a; Otto Peters-Festschrift (1974) 388; Wolter Verurteilung S. 25. Eine andere Terminologie verwendet Röhmel JA 1975 371; Er versteht unter „gleichartiger Wahlfeststellung" die Fälle, wo die wahlweise festgestellten Sachverhalte gleichwertige Ausführungshandlungen desselben Tatbestands sind (hierzu Rd. 68). Zum Begriff und den Fällen der Tatsachenalternativität: Montenbruck Wahlfeststellung S. 29 ff, 45 ff, 60. (38)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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dort, wo beispielsweise nicht die wahlweise Verurteilung wegen zweier (gleichartiger) Aussagedelikte in Frage steht, sondern es sich um ein eindeutiges Urteil aufgrund alternativer Geschehnisse handelt (vgl. Wolter S. 27 ff). Somit gehören in den Bereich des Rechtsbegriffs der Wahlfeststellung auch die 69 Sachverhalte, bei denen (a) feststeht, daß der Täter eine von mehreren Handlungen begangen und dadurch (auf jeden Fall) gegen ein bestimmtes Strafgesetz verstoßen hat, oder bei denen (b) nicht feststeht, durch welche von zwei (tatsächlich begangenen) völlig selbständigen Handlungen gegen ein bestimmtes Strafgesetz verstoßen wurde 4 0 . Im ersten Fall ist ungewiß, welche der beiden strafbaren Handlungen der Täter begangen hat, im letzteren Fall weiß man nicht, welche der beiden begangenen Taten strafbar ist. Die Zweifel, ob es sich in diesen Fällen um Wahlfeststellungen im Rechtssinne handelt, gehen darauf zurück, daß der 1946 aufgehobene § 2b ausdrücklich eine Gesetzesalternativität vorausgesetzt hatte (vgl. Sax JZ 1965 747). a) Um wirkliche Wahlfeststellungen geht es daher auch, wenn nicht geklärt wer- 70 den kann, ob der Täter den § 1 StVO dadurch verletzt hat, daß er seine Reaktionsfähigkeit oder die Bremsfähigkeit seines Wagens überschätzt hat oder ob er das Bremsen des vorausfahrenden Wagens zu spät erkannt hat 4 1 . Dasselbe gilt, wenn nicht feststeht, ob der Täter widerrechtlich in ein Haus eindrang oder ohne Befugnis darin verweilte (§ 123). Der Fall einer Wahlfeststellung ist ferner gegeben, wenn nicht festgestellt werden kann, ob eine Handlung oder eine fortgesetzte Handlung vorliegt (OLG Hamburg NJW 1955 920). Eine Wahlfeststellungsproblematik kann schließlich auch so liegen, daß das objektive Geschehen feststeht, nicht aber die subjektive Tendenz des Täters, also dessen Vorsatzrichtung: So wenn A gegen Β einen Schuß abgab, jedoch zweifelhaft bleibt, ob er mit Tötungsabsicht (§212) oder mit der Absicht des § 225 gehandelt hat (Schröder JZ 1970 423), oder wenn nicht zweifelhaft ist, daß der Täter die äußeren Tatbestände des Diebstahls und der Hehlerei verwirklicht hat, nicht aber feststeht, welchen der beiden inneren Tatbestände er erfüllt hat (OLG Köln GA 1974 120). b) Ebenso ist der Fall einer Wahlfeststellung gegeben, wenn nicht festzustellen 71 ist, ob der Täter durch die am 4. 1. oder durch die am 15. 1. begangene Handlung eine bestimmte Sache unterschlagen hatte 4 2 , oder wenn bei diametral entgegengesetzten eidlichen Aussagen nicht aufzuklären ist, welche der beschworenen Aussagen falsch ist (Baumann AT § 14 II 1). BGHSt. 2 351 hält hier den Fall „einer echten wahldeutigen Verurteilung" nicht für gegeben 43 . Mit Recht bemerkt aber Sax (JZ 1965 747), daß in· diesen Fällen der Tatsachenbestand ebenso „wahldeutig" sei, wie bei verschiedenen Straftatbeständen 44 . Hinsichtlich des anzuwendenden Strafgesetzes können zwar in diesen Fällen Zweifel nicht auftreten. So gesehen sind die Fälle solcher Tatsachenalternativität (eindeutige Verurteilung aufgrund wahldeutiger Grundlage) unbegrenzt zulässig (Hruschka MDR 1967 268). Ob aber im übrigen 40

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So im Ergebnis auch Sch.-Schröder-Eser § 1 Rdn. 75; Kohlrausch-Lange § 2b Anm. I 5; Schorn DRiZ 1964 45. OLG Neustadt MDR 1956 312 und VRS 23 448; vgl. OLG Koblenz NJW 1965 1927 m. Anm. Möhl; vgl. hierzu ferner BVerfG G A 1969 246, ferner Volk GA 1973 172. OLG Braunschweig JZ 1951 235 m. zust. Anm. Schänke. So auch Eh. Schmidt Lehrkomm. § 244 StPO Rdn. 18; Blei AT § 11 II 3a; anders aber wohl BGH NJW 1957 1643. Zutreffend auch Nüse GA 1953 35 und Küper NJW 1976 1829 gegen BayObLG NJW 1976 860, hierzu ferner Stree JR 1976 471 ; Montenbruck Wahlfeststellung S. 289 ff.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

die Voraussetzungen einer Wahlfeststellung (gegenseitige Ausschließlichkeit der in Betracht kommenden Verhaltensweisen) vorliegen, ist ebenso streng zu prüfen, wie bei den Fällen der Gesetzesaltemativität. Ob eine Tatsachenalternativität auch zur Gesetzesalternativität wird, hängt oft von der Gesetzesfassung oder der Sachverhaltsgestaltung ab, ohne daß sich an der Wahlfeststellungssituation etwas ändert (vgl. schon oben Rdn. 63). Wenn ζ. B. im Falle BGHSt. 2 351, wo es um zwei widersprechende eidliche Aussagen geht, nur eine Aussage eidlich und die andere uneidlich gemacht worden wäre (BGH NJW 1957 1887, BGHSt. 13 70), hätte bereits eine Gesetzesalternativität vorgelegen. Allerdings nimmt in solchen Fällen BGHSt. 13 70 keine Wahlfeststellung an, verfährt nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" und wendet nur § 153 als Grundtatbestand (BGHSt. 8 301) an. So auch Rudolphi45, der hier von einem „begriffslogischen Stufenverhältnis" spricht. Diese Auffassung ist nicht unbedenklich, da zwei verschiedene alternierende Sachverhalte, die in einem echten Wahlfeststellungsverhältnis zueinander stehen, vorliegen. Ähnlich wie in dem — selteneren — Fall einer (echten) Wahlfeststellung zwischen einer Vorsatzund einer Fahrlässigkeitstat, wenn zwei verschiedene zeitlich trennbare Sachverhalte zugrunde liegen (unten Rdn. 102). 72 Ganz aus dem Bereich der Wahlfeststellungsproblematik (auch der bloßen Tatsachenalternativität) haben die Fälle auszuscheiden, in denen zweifelhaft bleibt, wer von mehreren Verdächtigen Täter war (vgl. Rdn. 82). 73

III. Entwicklung der Wahlfeststellung. Den Vätern der Reichsstrafprozeßordnung war die Wahlfeststellung in der uns heute geläufigen Form nicht bekannt. Vielmehr kannte man um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts im sog. reformierten Strafprozeß der deutschen Einzelstaaten nur das Problem der alternativen Fragestellung an die Geschworenen 46 . Dieses prozeßrechtliche Problem hatte gewiß von jeher auch seine rechts- und kriminalpolitische Seite. Der Gesetzgeber ließ 1877 die in der Rechtswissenschaft noch nicht geklärte Frage ganz bewußt offen, um der Rechtsprechung und der Rechtsentwicklung nicht vorzugreifen und die streitige Frage nicht „durch fest formulierte Vorschriften zu entscheiden" 47 . Das entsprach der Zurückhaltung des Gesetzgebers in der damaligen Zeit. Die Forderung, das Problem gesetzgeberisch zu klären, ist jedoch nie verstummt und wird in jüngerer Zeit im Hinblick darauf, daß der Grundsatz „nulla poena sine lege" (§ 1) Verfassungssatz ist (Art. 103 GG), mit Gründen von Gewicht erhoben (Rdn. 78). Ein nimmermüder Vorkämpfer für die allgemeine (und sehr ausgedehnte) gesetzliche Zulassung der Wahlfeststellung war Zeiler48.

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1. Das Reichsgericht übte zunächst starke Zurückhaltung: Es hielt wie das Preußische Obertribunal 49 eine Wahlfeststellung nur innerhalb bestimmter gleichwerti45

SK. Anh. zu § 55 Rdn. 17, vgl. auch Endruweit Wahlfeststellung S. 306. 46 Näheres mit Literaturangaben bei Fuchs Diss. S. 74 ff und DRiZ 1967 17; Niise Strafr.Abh. Heft 234 (1933) 8 ff, 20ff; Heinitz JZ 1952 200; Jescheck AT § 16 III 1 ; Wolter Verurteilung S. 20ff. Zur Entwicklung ferner: Geier in Löwe-Rosenberg, 21. Aufl. §267 StPO Anm. 6 c ; Schorn DRiZ 1964 45 f; Endruweit Wahlfeststellung S. 31 ff; Günther Verurteilungen S. 25 ff; Montenbruck Wahlfeststellung S. 17. 47 Motive zu §§ 250 und 267 Entw. RStPO 1877 und Hahn Mat. ζ. StPO 1 223. 48 ZStW 40 (1919) 168, 42 (1921) 665, 43 (1922) 596 und rechtsvergleichend ZStW 64 (1952) 156; neuerdings auch Wolter Verurteilung S. 279; Röhmel JA 1975 371. 49 GA 15 (1867) 505. (40)

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ger Ausführungsarten desselben Strafgesetzes für zulässig, also in solchen Fällen, die neuerdings im Schrifttum 50 zum Teil als „unmaßgebliche Alternativen" nicht einmal für wahlfeststellungsrelevant angesehen werden. Wahlfeststellungen waren nach der älteren reichsgerichtlichen Rechtsprechung lediglich zulässig bei § 259 (a. F.) zwischen „Wissen und Annehmenmüssen" 5 1, zwischen den einzelnen Anstiftungsmitteln (RGSt. 9 22), zwischen Willenlosigkeit und Geisteskrankheit bei § 176 Abs. 1 S. 2 (a. F.)52, zwischen Täterschaft und Mittäterschaft (RGSt. 12 352). Als unzulässig wurde jedoch eine Wahlfeststellung zwischen den §§ 253 und 255 (RGSt. 11 104) und zwischen Anstiftung und Beihilfe (RGSt. 12 352) angesehen. RGSt. 22 213 und 23 47 ließen Wahlfeststellungen bei verschiedenen Ausführungsarten zu, RGSt. 35 292 jedoch nicht einmal bei allen Ausführungsarten des Qualifikationstatbestandes des § 243 (a. F.) und auch RGSt. 56 36 auch nicht zwischen § 250 Nr. 1 und Nr. 4 (a. F.). RGSt. 55 44, 55 229 hielten jedoch Wahlfeststellungen zwischen den Nrn. 2 und 3 des § 243 (a. F.) für unbedenklich, RGSt. 56 61 auch für das Verheimlichen und das Ansichbringen (§ 259) und RGSt. 58 292 für die persönliche und die sachliche Begünstigung (§ 257 a. F.) 53 . Die Zurückhaltung der im ganzen nicht widerspruchsfreien 54 Rechtsprechung des Reichsgerichts mag auch darin eine Mitursache gehabt haben, daß das Reichsgericht von einem ta ¿bezogenen Vergeltungsstrafrecht ausging (vgl. Schulz JuS 1974 639). Eine wahldeutige Verurteilung zwischen verschiedenen selbständigen Straftatbe- 75 ständen blieb strittig. Das RG verhielt sich trotz des ständigen Drängens der Untergerichte (vgl. Blei AT § 11 III) zunächst in ständiger Rechtsprechung ablehnend 55 . Die Wende brachte die Plenarentscheidung vom 2. 5.1934 (RGSt 68 257). Sie ließ jedoch eine Wahlfeststellung nur zwischen Diebstahl und Hehlerei, dem praktisch wichtigsten Falle, zu und begründete die Entscheidung — nicht in allen Teilen überzeugend — mit Erwägungen der „Zweckmäßigkeit" (RGSt. 68 259/260). Die Vereinigten Strafsenate wiesen hierbei besonders auf den Ausnahmecharakter dieser Entscheidung hin und auf die Bedeutung, die der Sicherheit der Urteilsfindung und der Gerechtigkeit der Urteilswirkung zukomme (RGSt. 68 260, 262) 55a . Den Grundsatz der „rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit" (unten Rdn. 82) der wahlweise festgestellten Tatbestände enthält die Plenarentscheidung noch nicht, wohl aber Ansätze hierzu („verschiedene seelische Verfassung des Täters", „verschiedene sittliche Bewertung", die Tat des Hehlers erfahre „im allgemeinen Rechtsempfinden dieselbe sittliche Mißbilligung wie die des Diebs"). 2. Das Gesetz vom 28.6.1935 (in Kraft ab 1.9. 1935) hat durch § 2b (Rdn. 60) die 76 Wahlfeststellung allgemein zugelassen56. Die fast unbegrenzte gesetzliche Zulassung der Wahlfeststellung hat zur Klärung des eigentlichen Sachproblems nicht beigetragen (Blei AT § 11 III). Nunmehr wurden Wahlfeststellungen für zulässig gehalten 50

Wolter Verurteilung S. 52, 66 Fußn. 33. RG Rspr. 1 777, ferner 3 93. 52 RG Rspr. 4 86. 53 Vgl. hierzu Oetker GS 106 (1935) 408; Lobe GS 104 (1933) 171. 54 Vgl. RGSt. 23 47 und 55 228; Zusammenstellung bei H. Mayer JW 1934 295; ferner Wolter Verurteilung S. 21. 55 RGSt. 53 231, 56 61. 55a hierzu Günther Verurteilungen S. 107 ff. 56 Über die Entwicklung und die Bestrebungen der Rechtsprechung während der Geltung des § 2 b vgl. Schaffstein NJW 1952 725. 51

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

zwischen Abtreibung und Betrug (RGSt. 69 369), zwischen § 173 Abs. 1, § 174 Abs. 1 und § 173 Abs. 2 jeweils a. F. (RGSt. 71 138), zwischen Vollrausch und der Rauschtat (RGSt. 70 42, 85, 326), Meineid durch Bejahung oder Verneinung eines Beischlafs (RGSt. 72 329), zwischen mittelbarer und unmittelbarer Anwendung eines Strafgesetzes (RGSt. 73 341), zwischen Teilnahme am Mord und unterlassener Anzeige des Mordplans (RGSt. 73 52). Der Versuch einer Minderheit (Dohna ZStW 55 (1936) 579), die Anwendung des § 2b auf die Grundsätze der Plenarentscheidung RGSt. 68 257 zu beschränken, wurde von der Rechtsprechung nicht anerkannt (Schorn DRiZ 1964 47). 77

3. Nach der Aufhebung des § 2b durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 vom 30. 1. 1946 (KontrRABl. S. 45) hielt die Rechtsprechung überwiegend eine Wahlfeststellung in den Grenzen der Plenarentscheidung RGSt. 68 257 für zulässig 57 . Der BGH zeigte jedoch bald eine gewisse Tendenz, über die engen Grenzen jener Plenarentscheidung des RG hinauszugehen. Hielt sich insoweit die Zulassung einer Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und Anstiftung zum Diebstahl (BGHSt. 4 128), zwischen Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (BGH GA 1954 242) und zwischen Raub und räuberischer Erpressung (BGHSt. 5 280) noch im bisherigen Rahmen, so hat der 5. Strafsenat des BGH in einer umstrittenen Entscheidung (BGHSt. 4 340) „den praktischen Bedürfnissen" folgend eine Wahlfeststellung zwischen Meineid und fahrlässigem Falscheid zugelassen. Im übrigen hat sich jedoch in der Rechtsprechung als sachliche Zulassungsvoraussetzung einer Wahlfeststellung der Grundsatz der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit (Gleichartigkeit, Vergleichbarkeit)" allgemein durchgesetzt (unten Rdn. 82). Hieran hält der BGH zumindest in den mitgeteilten Begründungen bis in die jüngste Zeit (BGHSt. 25 182) fest. Er hielt daher Wahlfeststellungen zwischen Vollrausch ( § 3 3 0 a a . F.) und der im Zustand des Angetrunkenseins (§ 51 Abs. 2 a. F.) begangenen Straftat für ebenso unzulässig (BGHSt. 9 390) 58 wie zwischen vorsätzlich und fahrlässig begangener Straftat (BGHSt. 17 210). Freilich kommen diese Entscheidungen dadurch, daß sie den (früheren) Vollrauschtatbestand und die Fahrlässigkeitstatbestände als „Auffangtatbestände" betrachten, praktisch zu demselben Ergebnis (vgl. im einzelnen Rdn. 91). Auch sonst ging der BGH über die Grundsätze der Plenarentscheidung RGSt. 68 257 hinaus, indem er auch Wahlfeststellungen zwischen gewerbsmäßiger Hehlerei und Diebstahl (BGHSt. 11 26) zuließ und ferner auch in solchen Fällen, wo nicht nur zwei, sondern mehrere Möglichkeiten des tatsächlichen Vorgangs in Frage standen (BGHSt. 15 63). Schließlich reduzierte er den (neben Unterschlagung) möglicherweise vorliegenden schweren Raub auf den Kerntatbestand und ließ in einem solchen Fall eine wahlweise Verurteilung wegen „Diebstahls oder Unterschlagung" zu (BGHSt. 25 182). Wenn es auch nicht ganz zutrifft, wie Schorn (DRiZ 1964 48) meinte, daß die Rechtsprechung eine Entwicklung genommen habe, die auf die Wiedereinführung des § 2 b hinauslaufe 5 9 , so kann nicht übersehen werden, daß die Rechtsprechung vornehmlich aus kriminalpolitischen 57

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OLG Celle HESt. 1 3, OLG Freiburg DReZ 1947 65, OGHSt. 2 89, LG Tübingen NJW 1947/48 389; BGHSt. 1 327. Dieses Problem ist durch die Neufassung des Vollrauschtatbestandes des §330a durch das EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) gegenstandslos, da das neue Gesetz die „Auffangssituation" vertatbestandlicht hat (vgl. Rdn. 63, 91). So auch Eb. Schmidt Lehrkomm. §244 StPO Rdn. 17; Günther Verurteilungen S. 108 Fußn. 13. (42)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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und praktischen Erwägungen in neuerer Zeit unmittelbar oder auf Umwegen den Anwendungsbereich der Wahlfeststellung erheblich ausgedehnt hat. Diese Entwicklung wird im großen und ganzen auch im Schrifttum überwiegend gebilligt (hierzu im einzelnen Rdn. 95), indessen gehen die Meinungen, wie die Ausdehnung des Bereichs wahldeutiger Verurteilungen zu begründen sind, weit auseinander (unten Rdn. 97). Die Rechtsprechung hat nämlich noch nicht zu einer tragfähigen Begründung gefunden 6 0 . 4. Eine starke Meinung im Schrifttum ist der Auffassung, daß nur der Gesetzge- 78 ber Klarheit in dieses „peinliche Kapitel" (Schneidewin) bringen könne 6 1 . Der Gesetzgeber hat aber in den letzten beiden Jahrzehnten weder die Strafrechtsänderungs- noch die Strafrechtsreformgesetze zum Anlaß genommen, eine gesetzliche Regelung der Wahlfeststellung zu versuchen. Das 3. StRÄndG 1953 hat die Klärung der Frage der Wahlfeststellung ausdrücklich der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen 6 2 . Die Große Strafrechtskommission hat die Frage als prozessuales Problem nicht erörtert 6 3 . Gesetzesvorschläge sind bei Mannheim (ZStW 44 [1924] 442), bei Niise (GA 1953 41, auch prozeßrechtlich) und bei Wolter (S. 282 f) angeführt. Einen rechtsvergleichenden Überblick liefert Günther (Verurteilungen S. 214 ff). IV. Voraussetzungen der zulässigen Wahlfeststellung 1. Tatidentität nach §§ 155, 264 StPO. Eine Wahlfeststellung setzt als erstes — 79 prozessual — voraus, daß für beide (oder die mehreren) in Betracht kommenden Sachverhalte die Zuständigkeit und die Strafgewalt des erkennenden Gerichts sowie die Prozeßvoraussetzungen gegeben sind. Eine Verurteilung auf doppel-(oder mehr-)deutiger Tatsachengrundlage ist daher überhaupt nur möglich, wenn alle in Betracht kommenden Sachverhalte von der Anklage und vom Eröffnungsbeschluß, d. h. von der „Tat" im prozessualen Sinne (§§ 155, 264 StPO) umfaßt sind 6 4 . Tat in diesem Sinne bedeutet — anders als bei der sachlich-rechtlichen Abgrenzung nach den §§ 52, 53 — den vom Eröffnungsbeschluß umfaßten geschichtlichen Vorgang in seiner Gesamtheit, nämlich insoweit, als er nach Auffassung des Lebens eine Einheit bildet 6 4 3 . Das können auch mehrere rechtlich selbständige (§ 53) Handlungen sein, wenn sie in einem solchen Zusammenhang stehen (RGSt. 56 124). Diese sehr wesentliche Frage, ob eine Verurteilung aufgrund mehrdeutiger Tatsachengrundlage überhaupt unter dem Gesichtspunkt des § 264 StPO zulässig ist, kommt im Schrifttum meist zu kurz 6 5 . Dabei ist diese Frage für die Rechtsstaatlichkeit von Verfahren und Verurteilung bei wahldeutiger Tatsachengrundlage zumindest so 60

Tröndle JR 1974 133; Blei JA 1974 383. Insbesondere Zeiler ZStW 64 (1952) 156; Nüse GA 1953 33 und JR 1958 66; Fuchs NJW 1966 U l i , DRiZ 1967 17 und 1968 17; Wolter Verurteilung S. 23, 279; Röhmel JA 1975 371. Hierzu Endruweit Wahlfeststellung S. 325; Günther Verurteilungen S. 28f, 166. 62 BT-Drucks. 1. Wahlp. Nr. 3719 S. 9. 63 Ndschr. 5. Bd. S. 285 Anm. 5. 64 RGSt. 51 182; Zeiler DJ 1934 906; Nüse Strafr.Abh. 324 (1933) 50 und GA 1953 37; Graf Dohna ZStW 55 (1936) 580/581; Schäfer-Dohnanyi, Nachtr. z. 18. Aufl. von Frank StGB S. 193; Olshausen § 2 b Anm. C 13; BGH NJW 1957 1886, BGH GA 1967 184 besprochen bei Daliinger MDR 1967 543. Hierzu Endruweit Wahlfeststellung S. 60ff, 147ff. 643 RGSt. 66 21, 72 340; BGH NJW 1955 1240. 65 Hierauf weist mit Recht Karl Peters Die rechtsgestaltende Kraft des Strafprozesses (1963) S. 6 Fußn. 3 hin. 61

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

wichtig und problematisch wie die sachlichrechtlichen Zulassungsvorausssetzungen. Man könnte sogar sagen, daß eine unbegrenzte Zulassung der Wahlfeststellung im Sinne des früheren § 2b (die zu weit ginge) rechtsstaatlich nicht so bedenklich wäre, wie wenn man das Erfordernis der Tatidentität im Sinne des § 264 StPO gering achten 66 oder gar, wie das das BayObLG (NJW 1965 2211) tat, hierauf verzichten würde 67 . Das ergibt sich aus folgendem: Eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage kann — von den sachlichrechtlichen Voraussetzungen einmal abgesehen — rechtsstaatlich immer nur dann vertreten werden, wenn die Tatsache, daß sich der Angeklagte strafbar gemacht hat, nicht nur absolut gewiß ist (hierzu Rdn. 82), sondern auch die möglichen Tathergänge jeweils nach Ort, Zeit und Umständen so genau „festgestellt" sind, wie dies auch im Falle einer eindeutigen Tatsachenfeststellung erforderlich wäre (vgl. BGH NJW 1954 932). Das „Feststellungsmanko" bei der Wahlfeststellung darf nur in der Alternativität liegen: Was innerhalb der alternativ festgestellten Möglichkeiten geschehen sein kann, muß in den erforderlichen Einzelheiten festgestellt sein, nur nicht welche der (sich gegenseitig ausschließenden) Möglichkeiten. Da bei der Wahlfeststellung Schuld- und Strafausspruch auf zwei oder mehreren Tatsachensäulen ruht, von denen man nicht aufklären konnte, welche „trägt", müssen sich alle Rechts- und Verfahrensgarantien auf die mehrdeutige Tatsachengrundlage in ihrer ganzen Breite erstrecken. Anklage und Eröffnungsbeschluß dürfen sich daher nicht nur auf einen Teil dieser Tatsachengrundlage beziehen 68 . Das ergibt sich auch aus § 266 StPO: Braucht sich der Angeklagte nicht auf einen (weiteren) Schuldvorwurf auf eindeutiger Tatsachengrundlage einzulassen, so ebensowenig auf die (neue) Tatsachenalternative eines bereits erhobenen — nunmehr nachträglich auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage gestellten — Schuldvorwurfs. Wollte man anders entscheiden, so könnte der Angeklagte in seiner Verteidigung beeinträchtigt werden, und das in einem Fall, in dem offensichtlich ist, daß die Beweisgrundlage gerade für den rechtshängig erhobenen Schuldvorwurf notleidend geworden ist. Ergibt sich daher in der Hauptverhandlung die Notwendigkeit einer Wahlfeststellung, ohne daß die Anklage und der Eröffnungsbeschluß in diesem Sinne alternativ gefaßt sind, so ist es, wenn der alternativ in Betracht kommende Sachverhalt nicht ohne weiteres von dem geschichtlichen Gesamtvorgang im Sinne des § 264 StPO umfaßt ist, geboten, Nachtragsanklage (§ 266 StPO) zu erheben (OLG Hamm GA 1974 84). Falls der Angeklagte die erforderliche (§ 266 Abs. 1 StPO) Zustimmung versagt, bleibt nur die Möglichkeit, die Hauptverhandlung auszusetzen, eine weitere selbständige Anklage zu erheben und das neue Verfahren mit dem anhängigen zu verbinden 69 . Die Praxis zeigt immer wieder, daß die große Bedeutung des prozessualen Problems der Tatidentität besonders bei solchen Wahlfeststellungen leicht verkannt wird, die sachlichrechtlich für unbedenklich gehalten werden: Besonders kraß beweist dies BGH G A 1967 184: Dort hatte die Strafkammer einen wegen Bankraub 66 67

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Ζ. B. OLG Celle NJW 1968 2390 m. krit. Anm. Fuchs. Vgl. OLG Hamm GA 1974 84; Tröndle JR 1974 135; hierzu auch Wolter Verurteilung S. 33 f. Auch nach Otto (Peters-Festschrift [1974] 386) handelt es sich bei der Wahlfeststellung um weitgehend prozessuale Probleme. Zur Fassung der Anklageschrift bei der Wahlfeststellung: Kohlhaas JuS 1966 282; vgl. ferner Otto Peters-Festschrift (1974) 389. Hierzu im einzelnen Fuchs NJW 1966 1111, ferner Jakobs GA 1971 266; Wolter Verurteilung S. 36; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 14, vgl. auch Kofflca (JR 1965 430), wo die Möglichkeit einer Wahlfeststellung zwischen zwei Aussagedelikten überhaupt in Frage gestellt wird. Vgl. ferner Montenbruck Wahlfeststellung S. 321 ff. (44)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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angeklagten Täter als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher wahlweise wegen „Diebstahl oder Hehlerei" verurteilt, weil es an einem Nachweis für die Beteiligung des Angeklagten am Bankraub fehlte, aber feststand, daß der bei seiner Festnahme aufgefundene größere Geldbetrag „aus einem anderen Raub, einem Diebstahl oder einer Hehlerei stammen müsse". Der BGH hat das Urteil in diesem Falle nicht nur deswegen aufgehoben, weil die wahldeutige Verurteilung weiterging, als Anklage und Eröffnungsbeschluß reichten, sondern weil es an hinreichenden Feststellungen innerhalb der wahlweise angenommenen Sachverhalte fehlte, das Gericht nicht einmal alle Möglichkeiten strafbaren Verhaltens erwogen und zu allem offenblieb, ob das gefundene Geld aus einer Straftat stammte (zu diesen weiteren prozessualen Voraussetzungen siehe unten Rdn. 81). Der Fall macht klar, daß der Richter, der zum „ N o t b e h e l f 7 0 der Wahlfeststellung greift, sich die Urteilsbegründung nicht erleichtert, sondern erschwert, weil er mehrere Geschehensmöglichkeiten in allen Einzelheiten darlegen und dartun muß, daß andere Möglichkeiten ausscheiden (hierzu unten Rdn. 81). Dieses Gebot der Sachaufklärung und das Problem der Tatidentität gilt vor allem in den Fällen der „bloßen Tatsachenalternativität" (Rdn. 68) 7 l, ¿¡g verschiedentlich — ganz zu Unrecht — nicht einmal als echte Fälle der Wahlfeststellung angesehen werden 72 . Weiß man ζ. B. nicht, welche der widersprechenden beeidigten Aussagen richtig ist und welche nicht, bedürfen die näheren Umstände, unter denen die widersprechenden Aussagen gemacht worden sind, jeweils näherer Aufklärung. Beide Komplexe müssen vom Eröffnungsbeschluß umfaßt sein73 und es kann nie die Gewißheit genügen, daß die eine Aussage objektiv falsch ist, es muß auch festgestellt werden, daß der Täter dies bei der einen oder anderen Aussage erkannt hatte. Insbesondere bei zeitlich weit auseinanderliegenden Vorgängen kann zweifelhaft sein, ob Tatidentität nach § 264 StPO gegeben ist 74 . Es müssen daher in einem solchen Falle beide Vorgänge Gegenstand der Anklage sein 75 . Entgegen der hier vertretenen Auffassung hat das BayObLG (NJW 1965 2211) eine Wahlfeststellung auch zwischen einer angeklagten und einer nichtangeklagten Tat für zulässig gehalten (eidliche und uneidliche Falschaussage im Abstand von eineinhalb Jahren!). Die Entscheidung kann jedoch nicht überzeugen: Der Hinweis auf die Rechtskraft enthält einen Kreisschluß, der Vergleich mit dem Fortsetzungszusammenhang paßt nicht 76 . 2. Unmöglichkeit einer eindeutigen Verurteilung. Das Gericht hat den Sachverhalt 80 mit allen verfügbaren Mitteln von Amts wegen zu erforschen (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Wahlfeststellung leistet unzulänglicher Aufklärung oder mangelhafter Überzeugungsbildung keinen Vorschub 77 . Nur wenn weitere Aufklärung unmöglich ist und 70

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OLG Hamburg NJW 1955 921; Sauer Jur. Methodenlehre S. 392; schon RGSt. 70 327: „Letzter Notweg", Günther Verurteilungen S. 33. Ebenso Jakobs CA 1971 266. Z.B. BGHSt. 2 351, BGH NJW 1957 1887; Eb. Schmidt Lehrkomm. §244 StPO Rdn. 18 a. E. BGH NJW 1957 1887; Ο. H. SchmittNW 1957 1887; RudolphiSK Anh. zu § 55 Rdn. 16. OLG Braunschweig NJW 1959 1145; ferner Nüse G A 1953 28; Schaffstein NJW 1952 728; Zeiler DJ 1934 906; Tröndle JR 1974 135. So richtig: OLG Hamm GA 1974 84. Vgl. die zutreffende Kritik bei Fuchs NJW 1966 1111 ; Sax JZ 1965 745 ; Koffka JR 1965 428; Wolter Verurteilung S. 34; Jakobs G A 1971 266; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 13; Günther Verurteilungen S. 22. RG JW 1936 3457, 1939 221.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

alle Erkenntnisquellen erschöpft sind, ist für eine Wahlfeststellung Raum 7 8 . Es wurde schon darauf hingewiesen (Rdn. 63), daß es nicht angeht, in zweifelhaft gebliebenen Fällen auf Kosten der Verläßlichkeit der Urteilsgrundlage sich zu eindeutigen Urteilsfeststellungen durchzuringen. Zu warnen ist aber auf der anderen Seite auch davor, mitten in der Aufklärung stehen zu bleiben und voreilig auf eine Wahlfeststellung loszusteuern oder einer Entscheidung auszuweichen, bevor man sich um die mögliche Klärung hinreichend bemüht h a t 7 9 . Soweit die Wahlfeststellung aber zulässig ist, ist sie auch geboten (BayObLG NJW 1954 122). In den Urteilsgründen muß jedoch näher dargetan sein, daß und warum eine weitere Aufklärung unmöglich war (OLG Hamburg NJW 1955 920), sonst liegt ein Revisionsgrund vor (OLG München H R R 1936 1594). 81

3. Gewißheit, daß der Beschuldigte den Tatbestand eines von mehreren Strafgesetzen strafbar verwirklicht hat. Bei einer Wahlfeststellung muß stets feststehen, daß ein anderer, strafloser Hergang nach der Überzeugung des Gerichts mit Bestimmtheit ausscheidet und daß Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- oder persönliche Strafaufhebungsgründe nach keiner Tatmodalität vorliegen können. Keinerlei Wahlfeststellung (auch nicht im Sinne einer Tatsachenalternativität) kann in Betracht kommen, wenn bei mehreren Verdächtigen nicht auszuschließen ist, daß einer unbeteiligt war. Läßt sich der Zweifel nicht beheben, so sind alle freizusprechen 8 0 . Alle in Betracht kommenden Geschehensmöglichkeiten sind daher darauf zu untersuchen, ob sie — eindeutig festgestellt — zur Bestrafung führen müßten, und zwar in sachlichrechtlicher wie in verfahrensrechtlicher Hinsicht (bei Fahrlässigkeitsanklagen müssen mehrere mögliche alternierend festgestellte Geschehensabläufe jeder für sich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen (BVerfG GA 1969 246)81. Keine der möglichen Geschehensweisen, aber auch keiner der möglichen Beteiligten darf verfolgungs- oder straffrei sein 8 2 . Schon die Plenarentscheidung RGSt. 68 257 weist nachdrücklich darauf hin, daß im Bereich der Wahlfeststellung die Gefahr tatsächlichen Irrtums größer ist als sonst. Sie ist besonders hoch in den Fällen, in denen eine Verurteilung zulässigerweise 83 nicht nur auf zwei-, sondern auf mehrdeutige Tatsachengrundlage gestützt wird (Hruschka MDR 1967 269). In den Urteilsgründen muß daher ausreichend und einzeln dargelegt sein, welche strafbaren Verhaltensweisen überhaupt vorliegen können und woraus sich ergibt, daß nach der Überzeugung des Gerichts mit Gewißheit auszuschließen ist 8 4 , daß außer den angeführten Begehungsmöglichkeiten ein anderer (etwa strafloser) Hergang nicht in Betracht kommt 8 5 . Fehlt es an Urteilsausführungen hierüber, so kön78

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RGSt. 70 327, 71 341, 365, RG DJ 1937 285; BGH NJW 1954 931, BGH LM § 261 StPO Nr. 16; BGHSt. 12 388, 21 152; BGH NJW 1974 805; OLG Hamburg NJW 1955 921 und JR 1962 229; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 e ; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 9; einschränkend jedoch bei Bagatellfällen in der Revisionsinstanz: OLG Zweibrücken NJW 1966 1829. Vgl. den von Willms DRiZ 1969 248 mitgeteilten Fall; ferner HenkelStrafprozeßrecht § 91 IV 4. OLG Oldenburg NdsRpfl. 1950 44; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 10. Vgl. ferner RGSt. 71 269 (Strafantrag), RG JW 1937 2512 (Straffreiheit). Für das sonstige Verfahren vgl. RGSt. 71 269; vgl. Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7e. BGHSt. 15 64, 16 186. Vgl. hierzu auch die Einwände gegen eine Täter- und Schuldfeststellung im „Negativverfahren": Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß Bd. 3 § 3 II (S. 11/12). Vgl. BGHSt. 12 388, BGH GA 1967 184; Fuchs GA 1964 68. (46)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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nen die Revisionsgerichte nämlich nicht überprüfen, ob eine Wahlfeststellung prozessual überhaupt zulässig war. Nur wenn die Revisionsgerichte insoweit bei strengen Anforderungen bleiben 8 6 , kann den Gefahren der Wahlfeststellung, auf die Schorn (DRiZ 1964 49) hinweist, gewehrt werden. Zugleich werden die Instanzgerichte durch diesen Begründungszwang dazu angehalten, mit großer Sorgfalt die möglichen Tatbegehungen zu erforschen, zu durchdenken und sich ganz darüber klarzuwerden, welches die Gründe sind, die eindeutigen Feststellungen entgegenstehen. Eine Verurteilung auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist nicht etwa der bequemere Weg, sondern der beschwerlichere eines Gerichts, das bei der Feststellung von Tatsachen besonders gewissenhaft verfährt. Am Anfang jeder Wahlfeststellung steht ihre prozessuale Problematik 8 7 . Das darf nicht übersehen werden, auch wenn sich das Schrifttum weit mehr der sachlichrechtlichen Seite der Wahlfeststellung widmet. Mag man sich über die materiellrechtliche Seite der Wahlfeststellung vielleicht nie ganz einigen können ; kein Raum bleibt für diesen Streit jedoch, solange nicht einmal deren prozessuale Voraussetzungen gegeben sind, über die man in einem rechtsstaatlichen Verfahren schwerlich verschiedener Meinung sein kann 8 8 . 4. Sachlichrechtliche Voraussetzungen einer zulässigen Wahlfeststellung nach der 82 Rechtsprechung: „rechtsethische und psychologische Gleichwertigkeit". Die Entwicklung der Wahlfeststellung in der Rechtsprechung und im Schrifttum (oben Rdn. 73 ff) ist durch das Bemühen gekennnzeichnet, neben den allgemeinen prozessualen und formalen Voraussetzungen der Wahlfeststellung auch eine sachlichrechtliche Grenze zu finden, damit eine ungerechte Benachteiligung des Beschuldigten vermieden wird. Ansätze hierfür zeigte schon die Plenarentscheidung RGSt. 68 257, die die Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei freigab. Bereits unter der Geltung des § 2 b (oben Rdn. 76) versuchte Kohlrausch89, die Vorschrift „sinngemäß einzuschränken", indem er „rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der möglichen Verhaltensweisen" voraussetzte. Nach der Aufhebung des § 2b (Rdn. 77) hat die Rechtsprechung und das Schrifttum mit wechselnder Fassung eine Wahlfeststellung davon abhängig gemacht, daß die in Betracht kommenden Tatbestände eine solche innere Verwandtschaft haben und durch die Gleichartigkeit des sittlichen Vorwurfs gekennzeichnet sind 9 0 . Seit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 15. 10. 1956 (BGHSt. 9 390) setzt der BGH grundsätzlich (vgl. jedoch unten Rdn. 91) für jede Wahlfeststellung eine solche „rechtsethische und psychologische Gleichwertigkeit" (Gleichartigkeit, Vergleichbarkeit) der wahldeutig festgestellten Verhaltensweisen ausdrücklich voraus 9 1 . Dem

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Zu wenig streng: OLG Köln GA 1960 221; vgl. BGH VRS 12 213; OLG Hamm VRS 16 353; hierzu Günther Verurteilungen S. 41. Vgl. Otto Peters-Festschrift (1974) 386. Ζ. B. BGH GA 1967 183, 184; vgl. auch BGHSt. 21 152. StGB, 35. Aufl. 1940 § 2 b Anm. II 3. Vgl. BGHSt. 1 129, 276, 304, 327, 5 281 ; OGHSt. 2 89; OLG Celle HESt. 1 3; OLG Freiburg HESt. 1 10; OLG Kassel NJW 1947/48 696; OLG Hamm SJZ 1950 54; BayObLG NJW 1952 395; OLG Braunschweig NJW 1952 38; OLG Neustadt NJW 1953 1443; Niethammer DReZ 1946 11; Olshausen StGB § 2 b Anm. 112; Schaffstein NJW 1952 726. Hierzu Endruweit Wahlfeststellung S. 75 ff. BGHSt. 11 28, 16 187, 20 101, 21 153, 22 12, 156, 23 204, 361, 25 183; BGH NJW 1974 805.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

folgt auch die übrige Rechtsprechung 92 und ein Teil des Schrifttums 93 . Unter „rechtsethischer Gleichwertigkeit" ist nicht nur die annähernd gleiche Schwere der möglichen Schuldvorwürfe zu verstehen. Nach dem allgemeinen Rechtsempfinden muß auch die sittliche und rechtliche Bewertung der möglichen Taten vergleichbar sein. Hierbei sind alle Umstände, die den besonderen Unrechtscharakter der Straftatbestände ausmachen, in Betracht zu ziehen 94 . Für die Gleichwertigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend, daß die gesetzlichen Strafrahmen übereinstimmen 95 . Das Erfordernis der „psychologischen Vergleichbarkeit" setzt eine einigermaßen gleichartige seelische Beziehung des Täters zu den mehreren in Frage stehenden Verhaltensweisen voraus 96 . 83 Grundtatbestände, die von der Rechtsprechung in diesem Sinne als vergleichbar angesehen werden (ζ. B. Diebstahl oder Hehlerei), verlieren ihre „Gleichwertigkeit" allerdings nicht dadurch, daß straferschwerende Umstände hinzutreten, die nur bei dem einen Tatbestand zu einer gesetzlichen Straferhöhung (ζ. B. gewerbsmäßige Hehlerei) führen (BGHSt. 11 28) 97 . Das gilt selbst dann, wenn wahlweise schwerer Raub oder Unterschlagung in Betracht kommt: In einem solchen Falle kommt es lediglich auf die „rechtsethische und psychologische Gleichwertigkeit" des (im schweren Raub mitenthaltenen") Kerntatbestands des Diebstahls und der Unterschlagung an (BGHSt. 25 185)98. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Wahlfeststellung werden in diesen Fällen erst durch eine "Tatbestandsreduktion" geschaffen. Aus demselben Grund steht es auch der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit nicht entgegen, wenn bei wahldeutigen Gesetzesverletzungen nur auf der einen Seite tateinheitliche weitere Gesetzesverletzungen vorliegen, denen beim anderen wahldeutig festgestellten Tatbestand nichts Vergleichbares entgegensteht (Diebstahl in Tateinheit mit Verwahrungsbruch, Untreue und Urkundenfälschung auf der einen, bloße Hehlerei auf der anderen Seite). Diese tateinheitlichen Tatbestände müssen dann bei der Verurteilung nur ausscheiden (BGHSt. 15 266) 99 . Auf prozessualem Wege können indessen solche tateinheitlichen Gesetzesverletzungen von vornherein eliminiert werden (§ 154 a StPO). 84

a) In den folgenden Fällen aus der (vorwiegend) neueren Rechtsprechung wurden Wahlfeststellungen für zulässig gehalten : Zwischen Allein- und Mittäterschaft (BGHSt. 11 18), mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft (BGHSt. 167) und Täterschaft oder Anstiftung zum Diebstahl (BGHSt. 1 127)'00, zwischen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt und Anstiftung dazu 92

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O L G Celle N J W 1957 436 L, BayObLG N J W 1958 560, O L G Oldenburg N J W 1959 832, O L G Koblenz N J W 1965 1928, BayObLG J R 1974 209, O L G H a m m G A 1974 85 u n d N J W 1974 1958, O L G Karlsruhe N J W 1976 902. Sch.-Schröder, 17. Aufl. § 2 b Rdn. 9; Blei N J W 1954 500 u n d AT § 11 I I I ; Fuchs G A 1964 75 u n d D R i Z 1967 17; Baumann § 14 II 2; Sax in Müller-Sax § 260 Anm. 6 A d ; Kleinknecht StPO § 260 StPO Anm. 5 B. BGHSt. 9 394, 20 101; Günther Verurteilungen S. 81. BGHSt. 11 28, BayObLG N J W 1958 560. BGHSt. 9 394, 21 153, O L G Karlsruhe N J W 1976 902; hierzu Schaffstein N J W 1952 727; Deubner JuS 1962 22. Auch BGH N J W 1974 805. A. A. noch BGHSt. 21 152; vgl. hierzu Wolter Verurteilung S. 76. Anm. Busch LM § 267 Abs. 1 StPO Nr. 25 ; a. A. jedoch, da solche „tatbestandliche Abweichungen" zur „Veränderung des Deliktcharakters" f ü h r e n : Sch.-Schröder-Eser §1 Rdn. 81, 82; ähnlich Deubner JuS 1962 22, Maurach AT § 10 III. Anm. „Sehr." LM § 267 StPO Nr. 2; vgl. jedoch hierzu unten Rdn. 90. (48)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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(OLG Düsseldorf NJW 1976 579), ferner innerhalb des Umfangs der Anstiftertätigkeit und der Art der Anstiftungsmittel (RGSt. 37 215,59 240), zwischen Einzeltat und fortgesetzter Handlung (OLG Hamburg NJW 1955 920), zwischen Tun und Unterlassen in Bezug auf dasselbe Rechtsgut 101 . Ferner ausgehend von der Plenarentscheidung RGSt. 68 257: Zwischen Dieb- 85 stahl und Hehlerei102 sowie in den nachfolgenden Varianten, nämlich zwischen § 243 (a. F.) und § 259 (BGH NJW 1952 114) 103 , § 242 und § 260 (BGH NJW 1954 931) 104 . Hingegen hält BGH JR 1959 305 (mit Anm. Nüse) eine Wahlfeststellung zwischen § 242 und § 260 nur für zulässig, wenn der Täter auch die etwaigen Diebstähle in der Absicht verübte, sich durch sie eine dauernde Einnahmequelle zu verschaffen. Ferner wurden in diesem Bereich Wahlfeststellungen für zulässig gehalten zwischen § 244 (a. F.) und § 260 (BGH bei Dallinger MDR 1967 549)'°5, dem (inzwischen aufgehobenen) § 370 Abs. 1 Nr. 5 und § 259 (OLG Neustadt NJW 1953 1443)106( zwischen § 242 und §259 und Beihilfe zum Diebstahl mit anschließender Hehlerei (BGHSt. 15 63), zwischen § 243 (a. F.) und § 260 und § 246 (BGHSt. 16 184) 107 , zwischen § 242 und § 259 selbst in einem Falle, in dem sich § 259 nur auf Gegenstände bezog, die im Wege der Wegnahme nur Objekte eines Mundraubs (früher § 370 Abs. 1 Nr. 5) gewesen wären (BGH bei Dallinger MDR 1968 374) sowie zwischen § 243 und § 257 (BGHSt. 23 360) 108 . Ferner zwischen den einzelnen Fällen des § 243 (a. F.) 1 0 9 , zwischen den einzelnen Tathandlungen des § 259 1 1 0 , zwischen Forstdiebstahl und gemeinem Diebstdhl] 1 zwischen §242 und §246, wenn auch nur der innere Tatbestand offengeblieben ist (OLG Köln GA 1974 121) 112 und ebenso dann, wenn wahlweise sogar schwerer Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 3) in Betracht.kommt, der dann auf den „Grundtatbestand" des § 242 zurückgeführt wird (BGHSt. 25 182)113. Ferner zwischen §242 und dem (früheren) § 350 (BayObLG NJW 1958 560), zwischen § 243, § 246 und § 259 (BGHSt. 16 187), zwischen § 246 und § 266 (OLG Braunschweig MDR 1951 181) 114 , zwischen § 263 und § 266 (BGH G A 1970 24) 11 5, zwischen § 263 und § 259 (BGH NJW 1974 804), zwischen § 263 und §246 (OLG Hamm NJW 1974 1958, hierzu Rdn.67) 11 5a zwischen §263 und 101

Zeiler ZStW 53 (1932) 252, aber nur wenn der Unterlassende „Garant" ist, vgl. BGHSt. 19 167; Günther Verurteilungen S. 72. 102 BGHSt. 1 304, 328, 11 28, 15 65; OGHSt. 2 89. 103 OLG Hamm SJZ 1950 54 und JMB1. NRW 1967 139; OLG Hamburg MDR 1950 57; BGH bei Dallinger MDR 1970 13. 104 Ferner BGHSt. 11 26 m. Anm. Nüse JR 1958 64, vgl. hierzu auch Schulz JuS 1974 638. 105 Vgl. aber BGH MDR 1970 13. 106 Hiergegen Jagusch LK 8. Aufl. nach § 2 Anm. 4 b. 107 Α. A. (nur Unterschlagung) Hruschka MDR 1967 269; hiergegen auch Deubner NJW 1967 738. 108 Anm. Hruschka NJW 1971 1392; hierzu Blei JA 1971 648; Günther Verurteilungen S. 157; vgl. hierzu oben Rdn. 67. 109 RGSt. 55 44; BGH NJW 1955 1566 L. 110 RGRspr. 3 813; RGSt. 51 180, 56 61 ; vgl. jedoch hierzu oben Rdn. 74 und Wolter Verurteilung S. 52, 66 Fußn. 33. 111 BGH bei Herían MDR 1954 531. 112 A. A. Hruschka NJW 1973 1805; vgl. Wolter Verurteilung S. 131. 113 Hierzu Tröndle JR 1974 133; a. A. noch BGHSt. 21 152; vgl. ferner Rdn. 83. 114 Offen gelassen bei BGH GA 1970 25 m. Anm. Schänke JZ 1951 235. 115 OLG Hamburg JR 1958 28 m. Anm. Nüse; BGH v. 14. 5. 1962 - 5 StR 125/62; a. A. Wolter Verurteilung S. 132 Fußn. 446. 115a Ferner OLG Saarbrücken NJW 1976 65. (49)

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

§ 242 (Trickdiebstahl) 11 6, zwischen §266 und §95 Abs. 1 BörsG (BGH GA 1965 147), zwischen §249 und §255 (BGHSt. 5 281), schließlich innerhalb §288 (Veräußern und Beiseiteschaffen: RGSt. 6 100), innerhalb der Schutzgegenstände des § 308 (RGSt. 35 285) sowie innerhalb des § 348 Abs. 2 (Vernichten und Beiseiteschaffen: BGH bei Dallinger MDR 1955 270, ferner RGSt. 57 174). 86 Aus anderen Bereichen wurden Wahlfeststellungen ferner für zulässig gehalten: Zwischen § 164 und § 153 (OLG Braunschweig NJW 1959 1144)117, zwischen § 154 und § 164 (BayObLG v. 10. 3.1977 - RReg. 5 St. 1/77), zwischen § 153 und § 163 (BGHSt. 4 340 118 , inzwischen jedoch überholt, vgl. Rdn.91, 101), zwischen §153 und § 154 (BayObLG NJW 1965 221l) 11 ?, zwischen § 154 und § 756 (OLG Hamm G A 1974 84'20 innerhalb §164 (strafbare Handlung oder Amtspflichtverletzung: RG DStZ 1914 617), zwischen persönlicher und sachlicher Begünstigung (RG LZ 1915 Sp. 111), zwischen § 113 und § 114 (a. F.) und dem (durch das 3. StrRG 1970 aufgehobenen) § 115 (RGSt. 54 223), zwischen Blutschande und Unzucht mit einem Pflegekind (RG DJZ 1936 1126), zwischen Gewaltunzucht und versuchter Unzucht (RG HRR 1938 563), zwischen vollendeter Abtreibung und versuchtem Totschlag einerseits und vollendeter Abtreibung und Totschlag andererseits (BGHSt. 10 294), zwischen Mord aus niederen Beweggründen und zur Ermöglichung einer anderen Straftat (BGHSt. 22 13), zwischen § 357 und dem als Täter selbst begangenen Amtsdelikt (BGH v. 26. 1. 1971 - 5 StR 631/70 - zitiert nach Dreher § 357 Rdn. 7). 87

Im Straßenverkehrs- und sonstigen Nebenstrafrecht wurden Wahlfeststellungen für zulässig gehalten: Zwischen Fahren mit zu hoher Geschwindigkeit bei knapper Sichtweite einerseits (§§ 1, 3 Abs. 1 StVO) und Unaufmerksamkeit beim Fahren oder Nichtanhalten (§ 1 StVO) 121 , auch sonst innerhalb der einzelnen Ausführungsarten des § 1 StVOi22, zwischen § 316 Abs. 2 StGB und § 2 StVZO/§ 21 StVG in der früheren Fassung (OLG Celle NJW 1965 1773) für den Fall, daß man bei zwei alkoholisierten Mitfahrern, die zugleich Mithalter des Fahrzeugs waren, nicht feststellen konnte, wer am Steuer saß oder zwischen § 2 StVZO/§ 21 StVG früherer Fassung (jetzt § 316) und § 24 Abs. 1 Nr. 2 StVG123. Zwischen Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (BGHSt. 4 128) 124 , zwischen Vorteilsbeihilfe und Steuerhinterziehung einerseits und Vorteilsbeihilfe und Steuerhehlerei andererseits (OLG Celle NJW 1957 436 L)!25, zwischen § 239 und § 241 KO (BGH bei Herían GA 1955 365) und zwischen § 1 Abs. 1 Nr. Id und § 9 OpiumG (BayObLG JR 1974 209 mit Anm. Fuhrmann).

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OLG Hamm NJW 1974 1957; a. A. OLG Karlsruhe Die Justiz 1973 57, vgl. aber OLG Karlsruhe NJW 1976 903; offengelassen BGH NJW 1974 805. A. A. Sch.-Schröder-Eser § 1 Rdn. 80. Hiergegen mit Recht Schwarz NJW 1957 401; Heinitz JR 1957 129; Schneidewin JZ 1957 326; Dreher M D R 1957 179; Lange JR 1957 246 und BGHSt. 17 210. Vgl. hierzu jedoch auch oben Rdn. 79. A. A. Blei JA 1974 321. OLG Zweibrücken NJW 1966 1828 hierzu krit. Hruschka M D R 1967 267 Fußn. 7. OLG Neustadt M D R 1956 312, OLG Köln GA 1960 221, OLG Hamm VRS 8 155; Möhl NJW 1965 1927. Möhl NJW 1965 1927, a. A. OLG Koblenz NJW 1965 1927; vgl. OLG Köln GA 1968 24. BGH GA 1954 242, Β FH ZfZ 1952 56; BGH NJW 1974 805; BayObLG 1954 122; vgl. aber OLG Braunschweig GA 1956 298. OLG Bremen ZfZ 1952 219, weit. Rspr. Hinweise insoweit bei Härtung Steuerstrafrecht, 3. Aufl. § 396 AbgO Anm. XIV 2, Franzen-Gast § 398 AbgO Rdn. 56. (50)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

Als Fälle bloßer Tatsachenalternativität (Rdn. 68) sind entschieden: Die Verurtei- 88 lung wegen Meineids, wenn feststeht, daß eine von zwei eidlichen Aussagen falsch ist (BGHSt. 2 351), bei einem Verstoß gegen dasselbe Gesetz (§246), wenn ungewiß bleibt, ob die Tat am 4. 1. in Α-Stadt oder am 10. 2. in B-Stadt begangen wurde (OLG Braunschweig JZ 1951 235 126 , vgl. oben Rdn. 71), ferner wenn ungewiß ist, ob ein Fahruntüchtiger selbst gefahren ist oder die Führung einem anderen Fahruntüchtigen überlassen hat 1 2 7 . b) Unzulässig ist die Wahlfeststellung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung 89 in folgenden Fällen: Zwischen § 332 und § 263(BGHSt. 15 100) 127a , zwischen § 331 und § 164 (jemand zeigt an, er habe einem Beamten Vorteile gewährt) 128 , zwischen § 211 (212) und §§ 27, 223 (BGH GA 1967 182), zwischen §§ 27, 211 und § 73S 129 , zwischen § 263 und §§ 22, 218 (BGH bei Dallinger MDR 1958 739)130, zwischen § 187 und §173 (Mädchen bezichtigt sich des Geschlechtsverkehrs mit ihrem Vater) 1 3 1 , zwischen § 176 und § 7&5132, zwischen §266 und § 259 (BGHSt. 15 267), zwischen §250 und § 259 (BGHSt. 21 152)'^, inzwischen jedoch überholt durch BGHSt. 25 182, oben Rdn. 85), zwischen § 242 und § 253 (BGH DRiZ 1972 30134 jedoch erscheint diese Entscheidung im Hinblick auf BGHSt. 25 182 gleichermaßen als überholt, zwischen § 315c und § 113 (OLG Hamm VRS 20 347), zwischen §§ 94 bis 97 und § 100a Abs. 2 (früher § 100 Abs. 1 und § 100a)135. Auch in folgenden Fällen hält die Rechtsprechung Wahlfeststellungen im eigent- 90 liehen Sinne nicht für zulässig. Indessen tritt Strafbarkeit mit anderer Begründung (Rdn. 91) ein: So wurden Wahlfeststellungen abgelehnt zwischen § 330a (a. F.) und der im Zustand des Angetrunkenseins (§51 Abs. 2 a. F.) begangenen Straftat (BGHSt. 1 275, 328) '36. Das (inzwischen durch eine neue Gesetzesfassung in der Sache erledigte) Problem wurde indessen durch die Annahme eines „Auffangtatbestandes" in BGHSt. 9 390 gelöst (hierzu Rdn. 91 ff, 99 ff). Auf eben dieselbe Weise behandelte die Rechtsprechung die Problematik der (ursprünglich bejahten 137 ) Wahlfeststellung r ^ chen Vorsatz und Fahrlässigkeit (BGHSt. 17 210). Auch hierzu Rdn. 93,100. Für u m Jässig wird ferner die Wahlfeststellung zwischen Täterschaft und Teilnahme gehaltt.-. 'BGHSt. 23 203) 13 *. Während das BayObLG (NJW 1967 361) in diesen Fällen dit Beihilfe zu Unrecht als „Auffangtatbestand" (unten Rdn. 93 a. E.) behandelt hatte, wendet der BGH nunmehr den Grundsatz „in dubio pro reo" entsprechend ar> und komiru auf diesem Wege zur Verurteilung wegen Bei126 127 I27a 128 129 130

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m. Anm. Schänke, vgl. Jagusch LK 8. Aufl. § 2b Anm. 4a. Mühl NJW 1965 1927; s. A. OLG Koblenz NJW 1955 1926. Günther Verurteilungen d. 156. Zeiler ZStW 64 (1952) 181. Anders während der Geltung ues § 2b (Rdn. 76): RGSt. 73 52. So auch Jakobs GA 1971 270 m. w. Nachw.; a. A. Eike von Hippel NJW 1963 1534 und (während der Geltung des § 2 b) RGSt. 69 375. Zeiler ZStW 64 (1952) 181. Anders während der Geltung des § 2 b: RG H RR 1936 1149. Gegen BGHSt. 21 152: Deubner NJW 1967 738; Oellers MDR 1967 506; auch Willms LM § 267 Abs. 1 StPO Nr. 30; jetzt BGHSt. 25 182, hierzu Tröndle JR 1974 133. Wolter G A 1974 161. BGHSt. 20 100, hiergegen Fleck GA 1966 334. Hiergegen Egon Schneider DRiZ 1956 12. RGSt. 41 389, 59 83; BGHSt. 4 340, zustimmend Nüse GA 1954 24. Α. A. früher £GH bei Dallinger MDR 1953 21, RGSt. 71 364; Fuchs NJW 1967 740.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

hilfe (BGHSt. 23 203) '39, wobei er freilich dieses „Stufenverhältnis" nicht mehr begrifflich-logisch, sondern normativ-ethisch begreift und hierdurch in Verkehrung des Wort- und Sachsinnes des „Zweifelsatzes" im Ergebnis eine Analogie zuungunsten des Täters bewirkt (Lohr JuS 1976 716). 91

5. Sondèrproblem der „Auffangsstrafdrohungen". Ist eine eindeutige Tatsachenfeststellung nicht möglich und fehlt es an der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit" der in Betracht kommenden Straftatbestände, so bedeutet das noch nicht, daß freigesprochen werden muß. In bestimmten, praktisch wichtigen Fällen dieser Art ist eine Verurteilung nach der Rechtsprechung auch dann möglich, wenn ein Tatbestand zum andern im Verhältnis einer „Auffangstrafdrohung" steht. 92 Diese Rechtsprechung hat der Große Senat für Strafsachen des BGH am Beispiel des § 330 a (a. F.) entwickelt (BGHSt. 9 390). Dieser Vorschrift hat der BGH Auffangfunktion auch für solche Fälle zugedacht, in denen nicht festgestellt werden konnte, ob durch den verschuldeten Rausch die Zurechnungsfähigkeit des Täters ausgeschlossen .oder nur erheblich vermindert (§ 51 Abs. 2 a. F.) wurde 140 . Allerdings ist diese Entscheidung selbst inzwischen im wesentlichen dadurch überholt, daß Art. 19 Nr. 185 EGStGB 1974 den § 330a neu gefaßt und diese Wahlfeststellungssituation in dem Sinne vertatbestandlicht hat, daß nunmehr auch die „nicht ausschließbare" Schuldunfähigkeit von der Strafdrohung des §330a mitumfaßt wird. Es bleibt also in diesem Falle nur noch eine „bloße Tatsachenalternativität" (hierzu unten Rdn. 99). 93

Die Rechtsgrundsätze aus BGHSt. 9 390 wirkten indessen auf anderen Gebieten weiter: In BGHSt. 17 210 ist entschieden, daß dann, wenn die Feststellungen nur die Möglichkeit offen lassen, daß eine Körperverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist, (nur) wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verurteilen ist. Damit hat der BGH für alle Fälle, in denen nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige Verletzung eines Rechtsguts unter Strafe gestellt ist, den Fahrlässigkeitstatbestand zum „Auffangtatbestand" erklärt (BGHSt. 17 213) und sich hierbei hilfsweise sogar auf RGSt. 41 389 berufen 141 . In Verfolg dieser Rechtsprechung hat das BayObLG (NJW 1967 361) dieselben Rechtsgrundsätze auch im Verhältnis zwischen Täterschaft und Beihilfe angewendet 142. Das BayObLG verkennt hierbei nicht (NJW 1967 363), daß die Strafdrohung für den Gehilfen nicht als „Auffangtatbestand" für den Fall „geschaffen" ist, daß eine Bestrafung wegen Täterschaft nicht möglich ist, es meint aber, daß der Strafdrohung gegen den Gehilfen „jedenfalls in ihrer praktischen Bedeutung die .Funktion' eines Auffangtatbestandes zukomme". Der BGH hatte diese Fälle zunächst ohne nähere Begründung der Wahlfeststellung zugeordnet 143 , inzwischen jedoch dahin entschieden, daß eine Wahl139 140

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Hierzu Dreher M D R 1970 370; Fuchs NJW 1970 1053; Schröder JZ 1970 423. Gegen diese Auslegung des § 330a a. F. Schwarz NJW 1957 402; Schneidewin JZ 1957 327; Heinitz JR 1957 126; Lange JR 1957 242; vgl. hierzu Montenbruck Wahlfeststellung S. 370. Gegen diese Auslegung des Verhältnisses zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit: Fuchs G A 1964 65, 69; Peters Strafprozeß, 2. Aufl. § 37 III S. 248. Hiergegen Fuchs NJW 1967 740; Baumann AT § 14 II 2; G ü n t e r Verurteilungen S. 148; vgl. Endruweit Wahlfeststellung S. 49 f; Montenbruck Wahlfeststellung S. 366. BGH bei Dallinger M D R 1953 21; Fuchs NJW Γ967 740; unentschieden gelassen bei BGHSt. 15 65. (52)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

§1

feststellung nicht zulässig sei, sondern entsprechend dem Grundsatz in dubio pro reo zu verfahren und wegen Beihilfe zu verurteilen sei (BGHSt. 23 207, oben Rdn. 90)144. Vereinzelt hat der BGH - sich auf BGHSt. 17 210 berufend - sogar den § 226 im Verhältnis zu §211 oder §212 als Auffangtatbestand angesehen (BGH v. 6. 9. 1962 - 1 StR 163/62 - zitiert bei BGH GA 1967 183)144a. Wo die Rechtsprechung sogenannte Auffangtatbestände annimmt, handelt es 94 sich in Wahrheit um verdeckte Wahlfeststellungen145. Es ist daher davon auszugehen, daß nach der Rechtsprechung eine wahldeutige Verurteilung praktisch dann zulässig ist, wenn die in Betracht kommenden Straftatbestände „rechtsethisch und psychologisch gleichwertig" sind oder der eine im Verhältnis zum anderen im Sinne dieser Rechtsprechung „Auffangtatbestand" ist 14 6. 6. Kritik an der herrschenden Rechtsprechung (zu Rdn. 82 bis 95). Die Rechtspre- 95 chung kommt im Bereich der Wahlfeststellung zwar in den meisten Fällen zu kriminalpolitisch befriedigenden Endergebnissen. Die Begründung hingegen, deren sie sich hierbei bedient, wird im Schrifttum 147 mit Recht zunehmend kritisiert und als ein „Irrgarten der Wahlfeststellung" (Dreher) mit viel Wildwuchs (Otto) bezeichnet. Insbesondere taugt das Erfordernis der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit" als Zulassungskriterium für die Wahlfeststellung nicht 148 . Dieses Merkmal verhindert sachgerechte Ergebnisse und erschwert deren Begründung 149 . Es sollte daher aufgegeben werden, zumal der BGH es im Grunde nur noch verbal und nicht in der Sache aufrecht erhält 150 . In BGHSt. 25 182 sind gewisse Anzeichen 151 erkennbar, wonach sich eine Änderung der Rechtsprechung anbahnen könnte. a) Die Art und Weise, wie die — ohnehin sachlich schwer abgrenzbare 152 — 96 Formel von der „rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit" gebraucht wird, läßt vermuten, daß von vornherein nicht ganz klar war, was gemeint ist 153 . Die Rechtsprechung verwendet die Formel sprachlich wechselnd: Einmal ist nebeneinander von (rechtsethischer und psychologischer) „Gleichwertigkeit" und/oder 144 144a 145

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Gollwitzer LR § 261 StPO bei Anm. 7c Fußn. 69; Günther Verurteilungen S. 150. hiergegen Günther Verurteilungen S. 147. Schwarz NJW 1957 402; Nüse JR 1958 65; Hruschka MDR 1967 268; Tröndle GA 196« 4; Dreher § 330 a Rdn. 5 und MDR 1957 180,1970 369; vgl. Endruweit Wahlfeststellung S. 54 ff; Über die Anforderungen an die Urteilsbegründung: OLG Hamburg JR 1962 229. Vgl. Willms LM § 267 Abs. 1 StPO Nr. 30. Heinitz JR 1957 128; Dreher MDR 1957 180,197« 371 ; Deubner NJW 1967 738; Hruschka NJW 1973 1804; Otto Peters-Festschrift (1974) 390; vgl. Wolter Verurteilung S. 79, 85; Tröndle JR 1974 133; Günther }Z 1976 667; als Gegner der Wahlfeststellung: Endruweit Wahlfeststellung S. 177 ff. Vgl. Nüse GA 1953 33, 1954 24, JR 1958 65; Henkel Strafprozeßrecht § 91 IV 4 Fußn. 18; Dreher MDR 1970 371 ; Löhr JuS 1976 717. Dreher MDR 1957 180; Otto Peters-Festschrift (1974) 390; Tröndle JR 1974 133. Hruschka NJW 1973 1805 ; Tröndle JR 1974 133. Der BGH spricht davon, daß er „jedenfalls für den vorliegenden Fall" keine Veranlassung sehe, von diesem Erfordernis (Gleichwertigkeitsklausel) abzugehen. Vgl. Schulz JuS 1974 638. Tröndle JR 1974 134; vgl. hierzu Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) 66; MonteHbruck Wahlfeststellung S. 151.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz 154

„Vergleichbarkeit" , dann nur von „Gleichwertigkeit" 1 5 5 u n d an anderer Stelle 1 5 6 wiederum von „rechtsethischer Gleichwertigkeit" und (rechtsethischer und) „psychologischer Gleichartigkeit" die Rede. Gerade so, als ob gleichwertige, vergleichbare oder gleichartige Taten dasselbe wären oder diese Begriffe synonym gebraucht werden könnten 1 5 7 . 97

b) Welche Tatbestände „rechtsethisch und psychologisch gleichwertig" oder „vergleichbar" sind, ergibt sich nicht aus dieser begrifflichen Umschreibung, sondern aus der Kasuistik der Obergerichte 1 5 8 . Bereits beim klassischen Fall einer zulässigen Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei kann füglich bezweifelt werden, ob diese Tatbestände in diesem Sinne vergleichbar oder gleichwertig sind {Dreher M D R 1970 369). Heinitz (JZ1952100) bezeichnet eine solche Annahme als „Schlag ins Gesicht der modernen Verbrechensauffassung". Vollends kann von einer rechtsethischen und psychologischen (!) Gleichwertigkeit zwischen einem Einbruch und dem Behalten von vier gefundenen Flaschen Weins keine Rede sein 1 5 9 . Nichts anderes gilt von der Tat eines Fahrraddiebs und den Taten eines gewerbsmäßigen Hehlers 1 6 0 . Solange man das Gleichwertigkeitserfordernis ernst nimmt, ist es auch bedenklich, bei wahldeutig festgestellten Gesetzesverletzungen straferschwerende Umstände (BGHSt. 11 28), tateinheitlich zusammenfallende weitere Gesetzesverletzungen (BGHSt. 15 266) oder Merkmale eines Qualifikationstatbestandes (BGHSt. 25 182) so lange zu eliminieren, bis die alternierenden Sachverhalte „gleichwertig" („vergleichbar") sind. Hier findet keine konkrete Vergleichung oder Bewertung der Wirklichkeit statt, sondern nur die eines horizontal abgeschichteten Sachverhaltsausschnitts 161 . Wie wenig brauchbar diese Abgrenzungsformel ist, zeigt übrigens die Tatsache, daß bei der Vorlage an den Großen Senat, die zum Beschluß BGHSt. 9 390 (oben Rdn. 92) geführt hatte, der Oberbundesanwalt die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit zwischen Vollrausch und der im Zustand des Angetrunkenseins begangenen Rauschtat im Gegensatz zur späteren Entscheidung des Großen Senats bejaht hatte (BGHSt. 9 399) 162 . Die Formel von der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit kann einerseits die allgemein für zulässig gehaltenen Wahlfeststellungen nicht überzeugend begründen, zum anderen verstellt oder erschwert diese Formel die Möglichkeit, in anderen Fällen 1 6 3 zu kriminalpolitisch unabweisbaren und ehrlich begründeten Wahlfeststellungen zu kommen. 154 155 156 157

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BGHSt. 9 394, 11 28, 22 14, 156, 25 185, BGH DRiZ 1972 30. BGHSt. 16 187, 17 212, 21 153, 23 204, BGH NJW 1974 805. BGHSt. 20 101, 23 360. Hruschka M D R 1967 268 und NJW 1973 1805; Henkel Strafprozeßrecht §91 IV 4 Fußn. 18; Tröndie JR 1974 134. Hierzu auch Endruweit Wahlfeststellung S. 189ff. So treffend Fuchs NJW 1966 1110 und DRiZ 1968 17; ferner Günther Verurteilungen S. 117. So aber BGHSt. 16 184; hiergegen auch Deubner JuS 1962 22. So aber BGH NJW 1954 931, insoweit jedoch konsequent einschränkend BGH JR 1959 305. Tröndie JR 1974 134; Schulz JuS 1974 337; Lohr JuS 1976 718; vgl. Wolter Verurteilung S. 80, 81. Inkonsequenterweise ist die frühere Rechtsprechung (BGHSt. 21 152, BGH DRiZ 1972 30) insoweit auf halbem Wege stehengeblieben und kam zu befremdlichen Ergebnissen (hierzu Dreher M D R 1970 369; Wolter Verurteilung S. 78). So auch Lange in Kohlrausch-Lange StGB 43. Aufl. § 3 3 0 a Anm. VIII 2; vgl. auch Schneidewin JZ 1957 326. BGHSt. 9 390, 17 210, 21 152, 25 182, zusammenfassend Tröndie JR 1974 133; vgl. auch Montenbruck Wahlfeststellung S. 188 ff. (54)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

c) Der Ausweg, den die Rechtsprechung mit den „ Auffängst rafdrohungen" ge- 98 sucht und gefunden hat, rettet zwar das Endergebnis, er ist aber ein Irrweg 1 6 4 , der innere Brüche und weitere Ungereimtheiten in die Begründung trägt, die rechtsstaatlich ernsteren und grundsätzlicheren Einwendungen ausgesetzt ist, als eine gewisse Lockerung der sachlichrechtlichen Voraussetzungen der Wahlfeststellung. So hat man gegen diese Ausdeutung der früheren Fassung des § 330 a als Auf- 99 fangtatbestand im Schrifttum durchgreifende Einwendungen erhoben: Diese Auslegung finde im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze, sie entspreche weder der Entstehungsgeschichte noch dem Sinn des Gesetzes, es werde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, denn die nach den eigenen Grundsätzen des BGH verwehrte Wahlfeststellung werde im Wege — unerlaubter — ausdehnender Auslegung in einen einzigen besonderen Tatbestand hineingelegt und damit gleichbewertet und nebeneinandergestellt, was man im Rahmen der Wahlfeststellung gerade habe verbieten wollen. Hinzu kam für das frühere Recht dann eine besondere Unverträglichkeit, wenn nämlich die Rauschtat eine Übertretung, der „Auffangtatbestand" des (früheren) § 330 a also gegenüber dem Übertretungstatbestand der schwerere war 1 6 5 . Im Schrifttum wurde ferner darauf hingewiesen, daß dann, wenn offen bleibe, ob der eine oder der andere Sachverhalt vorliegt, das Gesetz den Richter nicht ermächtigen könne, so zu tun, als ob der eine feststehe 166 . Gerade das hat allerdings der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 330a durch Art. 19 Nr. 185 EGStGB 1974 getan, wonach wegen Vollrausch bestraft wird, wer sich in einen Rausch versetzt, in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, „weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist. Damit ist die Wahlfeststellungsproblematik in diesem Zusammenhang „vertatbestandlicht", das Problem von BGHSt. 9 390 auf diese Weise im wesentlichen erledigt und durchaus praktikabel gelöst, wobei davon auszugehen ist, daß § 330a (n. F.) nicht nur eingreift, wenn ungewiß ist, ob der Täter rauschbedingt schuldunfähig oder vermindert schuldfähig (§21) ist, sondern auch dann, wenn der Zweifel sich darauf erstreckt, ob der Täter durch den Alkoholgenuß im Sinne des § 21 erheblich vermindert schuldfähig gewesen war (a. A. BGH VRS 50 (1976) 359, OLG Schleswig MDR 1977 247 und für die alte Fassung GA 1967 281) 167 . Denn auch dieser letzte Fall ist vom neuen Wortlaut des § 330a noch gedeckt. Voraussetzung für § 330 a ist nur, daß sich der Täter überhaupt „in einen Rausch versetzt" hat. Davon, daß hierbei der „sichere Bereich des § 21 überschritten" sein muß, steht im Gesetz nichts. Übrigens ist eine solche Feststellung in Fällen, in denen auch nicht ermittelt werden kann, ob der Täter rauschbedingt schuldunfähig war, unter Umständen außerordentlich schwer zu treffen. Die herrschen164

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So auch Otto Peters-Festschrift (1974) 379, der mit dem Begriff des Auffangtatbestandes — historisch gesehen — sogar Assoziationen mit der Verdachtsstrafe verbindet. Hierzu im einzelnen die Vorauflage nach § 2 Rdn. 32, ferner Schwarz NJW 1957 402, Lange JR 1957 246, Günther Verurteilungen S. 145. Aus dem Schrifttum sind zur Gesamtproblematik insbesondere zu erwähnen: Maurach AT § 10 III 2, § 36 II E 2, BT § 56 II A 4; Schwarz NJW 1957 402; Schneidewin JZ 1957 324; Dreher M D R 1957 179 und 1970 369; auch Hruschka M D R 1967 269; Wolter Verurteilung S. 86, 89 m. weit. Nachw.; Otto Peters-Festschrift (1974) 382; hierzu Endruweit Wahlfeststellung S. 323; Günther Verurteilungen S. 139, 149. Ebenso a. A. (im Anschluß an das alte Recht) OLG Schleswig M D R 1977 247, OLG Hamm NJW 1977 344; wie hier Dreher § 330 a Rdn. 5 und wohl auch Montenbruck Wahlfeststellung S. 372.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

de167a revisionsgerichtliche Rechtsprechung führt die tatrichterliche Praxis daher nicht selten in beträchtliche Schwierigkeiten, weil außer der Tatsache einer erheblichen Alkoholbeeinträchtigung und dem Vorliegen einer rechtswidrigen Tat oft nichts mehr feststellbar ist. Schließlich ist der erhoffte rechtsstaatliche Gewinn einer solchen engen Auslegung des § 330a zweifelhaft: Sie könnte, um unverständliche Freisprüche zu vermeiden, die Tatrichter dazu verleiten, Zweifel — wie dies Koenigerin einem anderen Zusammenhang empfahl — zu „überwinden" und den „sicheren Bereich des § 21" festzustellen, oder aber auf eine fahrlässige actio libera in causa a u s z u w e i c h e n 1 ^ ^ w a s j n der Regel den Angeklagten schwerer belastet als der Schuldvorwurf des § 330 a. In den Fällen, in denen die Schuldunfähigkeit im Sinne des § 330 a (n. F.) nicht auszuschließen ist, bleibt aber auch künftig die Rechtssituation einer „bloßen Tatsachenalternativität (oben Rdn. 68), die freilich auf dem prozessualen Bereich meist besondere Probleme nicht aufwirft. Denn der objektive Sachverhalt (das äußere Tatgeschehen) steht regelmäßig fest und die Frage nach der Tatidentität taucht meist nicht auf, mag auch Unrechts- und Schuldvorwurf sich im Falle des § 330 a auf das (vorausgegangene) Sich-in-Rausch-Versetzen erstrecken und in den Fällen, in denen es nicht zum Vollrausch gekommen ist, auf die eigentliche Straftat. Die Neufassung des § 330 a, der Praktikabilität nicht abzusprechen ist, bleibt allerdings dogmatisch eine Krücke, „konstruktiv ist ihr nicht die tiefste Sacheinsicht zu eigen" (Otto) 1 6 8 , da der Gesetzgeber im Grunde ein Beweisproblem in eine Tatbestandsalternative umgedeutet hat 1 6 9 . 100

d) Die rechtlichen Bedenken gegen die Rechtsfigur der Auffangstrafdrohungen bleiben bei der Frage einer Wahlfeststellung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstatbeständen nach wie vor aktuell. Die Entscheidung BGHSt. 17 210, der den Fahrlässigkeitstatbeständen die Rolle von Auffangtatbeständen zuweist, ist dogmatisch nicht haltbar. Sie ist mit der herrschenden Meinung 1 ? 0 , wonach die Fahrlässigkeit gegenüber dem Vorsatz kein Weniger, sondern etwas anderes bedeutet, nicht vereinbar. Reichen die Feststellungen für den Nachweis vorsätzlichen Handelns nicht aus, so spricht dies noch keineswegs dafür, daß diese Feststellungen im Zweifel zumindest einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen 171 . Die Auffassung von der Auffangfunktion der Fahrlässigkeitsdelikte fördert geradezu die irrige Vorstellung, die zu Verurteilungen wegen einer Fahrlässigkeitstat führen kann, ohne daß Fahrlässigkeitsschuld nachgewiesen ist. Die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit müssen vielmehr getrennt beurteilt werden, denn möglicherweise sind für die Wertentscheidung, ob Fahrlässigkeit vorliegt, Umstände von Bedeutung, die bei der Prüfung, ob Vorsatz vorliegt, überhaupt nicht erheblich gewesen wären. Wahlfeststellungen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit scheiden oft schon deswegen aus, weil man dort, 167a

Vgl

F u ß n o t e

167.

167b

Die Hauptverhandlung in Strafsachen S. 551. 167c Dieser Ausweg erschien in OLG Hamm NJW 1977 344 zwar berechtigt, aber die Fälle liegen nicht überall so klar. 168 Peters-Festschrift (1974) 383 Fußn. 40. 169 So mit Recht Roxin Prüfe dein Wissen, Strafprozeßrecht 6. Aufl. (1975) Nr. 327 S. 237. 170 BGHSt. 4 341; Niise GA 1953 36; Fuchs GA 1964 71; Mezger-Blei AT 12. Aufl. (1967) § 66 I; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 10 III 2; Baumann AT § 14 II 2; Peters Strafprozeßrecht § 37 III; Dreher MDR 1970 370; Otto Peters-Festschrift (1974) 379; vgl. Endruweit Wahlfeststellung S. 50ff; Günther Verurteilungen S. 146; Gollwitzer LR §261 StPO Anm. 7c spricht bei Vorsatz und Fahrlässigkeit von einem „ wertlogischen" Stufenverhältnis; ferner Montenbruck Wahlfeststellung S. 351 ff. 171 Mezger-Blei AT, 12. Aufl. (1967) § 66 I. (56)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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wo Vorsatz nicht nachweisbar ist, aber fahrlässiges Handeln in Betracht kommt, in der Regel nach der erforderlichen gesonderten Prüfung zur eindeutigen Festellung kommt, ob die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit gegeben sind oder nicht^ 72 . Fahrlässigkeitstatbestände stehen nicht bereit, damit sie gleich „auffangen" können, was durch den Vorsatztatbestand nicht zu fassen war, sie können nur und erst dann angewendet werden, wenn alle ihre rechtlichen Voraussetzungen neu und selbständig geprüft worden sind. Wie wichtig dies ist, beweist BGH NJW 1957 1643. e) Eine Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ist nämlich nicht 101 (erst) deswegen problematisch, weil es am Erfordernis der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit fehlt. Die Schwierigkeiten setzen bereits bei den begrifflichen Voraussetzungen der Wahlfeststellung ein und liegen darin, daß der Vorsatzbegriff, der der Seins-Ebene angehört, mit dem Begriff der Fahrlässigkeit, einem Begriff der Wertebene, sich im Bereich der Wahlfeststellung nicht ohne weiteres koordinieren läßt 1 7 3 . Es fällt auf, daß die weitaus meisten Fälle, die bisher unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit erörtert worden sind 1 7 4 , sich von den übrigen Wahlfeststellungssituationen grundlegend unterscheiden: Nicht zwei verschiedene tatsächliche, sich gegenseitig ausschließende Vorgänge (siehe oben Rdn. 66) stehen in Frage, sondern ein einziger tatsächlicher Vorgang, von dem lediglich nicht aufzuklären ist, ob die innere Tatseite Vorsatz ist oder ob sie (auch) als Fahrlässigkeit zu werten ist. Der Unterschied dieser Sachverhalte wird ganz deutlich, wenn man sich die Sachlage vorstellt, falls eine vollkommene Sachaufklärung gelungen wäre: Bei den Wahlfeststellungen, denen zwei verschiedene (zeitlich getrennte) Vorgänge als Tatsachenalternativität zugrunde liegen, könnte dann nur der eine Vorgang und damit auch nur der diesem Vorgang entsprechende Straftatbestand erfüllt sein, während dort, wo ein einziger Vorgang die Frage des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit aufwirft, Vorsatz gegeben sein könnte, ohne daß damit schon ohne weiteres tatbestandliche Voraussetzungen der Fahrlässigkeit entfielen. Daß gleichwohl eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit (neben der wegen Vorsatzes) nicht in Betracht kommen kann, hängt in diesen Fällen nicht — wie bei eigentlichen Wahlfeststellungssituationen — damit zusammen, daß der Nachweis des einen Tatbestandes (vorsätzliche Tat) den anderen (fahrlässige Tat) tatsächlich und denkgesetzlich ausschließt, sondern dies folgt aus den Grundsätzen der Konkurrenzlehre, wonach die Verurteilung wegen Fahrlässigkeit ausscheidet, wenn (sogar) Vorsatz nachzuweisen ist. Hieraus erhellt weiter: Zweifel, ob ein Geschehen die Annahme von Vorsatz oder Fahrlässigkeit rechtfertigt, ist kein Fall einer Wahlfeststellung. Ist Vorsatz nicht nachweisbar, so kommt diese Möglichkeit überhaupt (auch alternativ) nicht mehr in Betracht („in dubio pro reo"!) und es kommt nur noch darauf an, ob die (tatbestandlichen und rechtlichen) Voraussetzungen der Fahrlässigkeit eindeutig vorliegen, wenn nicht, ist überhaupt freizusprechen 175 . BGHSt. 4 340 ist somit im Ergebnis richtig entschie172

173 174 175

(57)

Vgl. Niise G A 1953 36; Egon Schneider DRiZ 1956 12; Fuchs G A 1964 73; vgl. auch Deubner JuS 1962 24 Fußn. 38; ferner Walder in Rechtsprobleme des Straßvenverkehrs Bern (1974) S. 45. Fuchs GA 1964 71 ; a. A. Jakobs GA 1971 260; Otto Peters-Festschrift (1974) 378. Ζ. B. auch BGHSt. 4 340, 17 210. So im Ergebnis Heinitz JR 1957 126; Egon Schneider DRiZ 1956 12; Fuchs GA 1964 73; vgl. auch Mezger-Blei AT 12. Aufl. (1967) § 66 I; H. Mayer AT § 53 II 2; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 c ; vgl. auch Blei N J W 1954 500. Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 20f kommt in diesen Fällen zu einer eindeutigen Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage aufgrund eines „normativen Stufenverhältnisses".

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

den. Der Senat ging in den Gründen jenes Urteils auch ausdrücklich von der (erforderlichen) „eindeutigen Feststellung" der Fahrlässigkeitsmerkmale aus. Für Erörterungen einer „Wahlfeststellung" war daher in diesem Fall überhaupt kein Raum. Den Kritikern jener Entscheidung 1 7 6 ist entgegenzuhalten, daß die Bestrafung eines Täters, der eindeutig einer vorwerfbaren Falschaussage überführt ist, nicht der Umstand entgegenstehen kann, daß der Täter insoweit möglicherweise sogar vorsätzlich gehandelt hat. Aus demselben Grunde ist daher auch die Entscheidung BGHSt. 17 210 richtig, in der lediglich der — entbehrliche — Begriff vom „Auffangtatbestand" verwirrend wirkt, da er weder der Sachsituation noch dem Sinn und der Bedeutung der Fahrlässigkeitstatbestände gerecht wird. 102

f) Wahlfeststellungen zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten sind nach allem begrifflich nur in den — verhältnismäßig seltenen — Fällen denkbar, in denen zwei verschiedene, zeitlich getrennte Vorgänge in Frage stehen, von denen der eine ein Vorsatzdelikt enthält, der andere einen Fahrlässigkeitstatbestand erfüllt 1 7 7 und die im tatsächlichen Bereich im Verhältnis gegenseitiger Ausschließlichkeit stehen. Daß Vorsatz und Fahrlässigkeit inkomparabel sind und daher insoweit auch nicht auf derselben Ebene im Sinne gegenseitiger Ausschließlichkeit koordiniert werden können (oben Rdn. 100, 101), stört in diesem Falle für die Zwecke einer Wahlfeststellung nicht, weil es dieses gegenseitigen Ausschließlichkeitsverhältnisses nur im tatsächlichen Bereich bedarf: Es ist also in diesem Fall zu prüfen, ob das Vorsatzdelikt nur dadurch ausgeschlossen sein kann, daß der Sachverhalt gegeben ist, auf den sich das Fahrlässigkeitswerturteil stützt. Dieser Fall zeigt ferner, daß in der: Fällen einer echten Wahlfeststellungssituation zwischen einem Vorsatz- und einem Fahrlässigkeitsdelikt der Gesichtspunkt der Auffangstrafdrohung unter keinen Umständen weiterhelfen kann. Solche Wahlfeststellungen sind — entgegen der herrschenden Auffassung — dann für zulässig zu halten, wenn die beiden „wahlweise" in Betracht kommenden Delikte vom geschützten Rechtsgut oder vom Unrechtskern her gesehen verwandt sind (vgl. unten Rdn. 104).

103

g) Nach allem wird im Schrifttum mit Recht verlangt, vom „erstarrten Dogma" der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit, das der „Gerechtigkeit im Wege steht", abzugehen 1 7 8 . Diese Formel brachte nicht den erhofften Gewinn, sondern in manchen Fällen umgekehrt unergiebige Erschwernisse und Hindernisse auf dem Weg zur gerechten Entscheidung. Insbesondere führte die Überbewertung dieses materiellrechtlichen Gesichtspunktes in der Praxis zur Vernachlässigung der vorgreiflichen (und rechtsstaatlich im Grunde noch wichtigeren) prozessualen Wahlfeststellungsvoraussetzungen in jenen (zahlreichen) Fällen, in denen eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage materiellrechtlich unbedenklich wäre ( Tröndle JR 1974 135, oben Rdn. 79).

104

Angesichts der Untauglichkeit der Formel von der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit ist im Schrifttum die Meinung im Vordringen, wonach für die Zulässigkeit von Wahlfeststellungen die Identität des Unrechtskerns genüge (Deubner, Dreher, Hardwig, Henkel, Hruschka, Jakobs, Otto, Tröndle,)178. Neuer176 177

178

Vgl. die Zusammenstellung bei Fuchs G A 1964 73. Beispiel bei Fuchs G A 1964 73, 74; vgl. Mezger-Blei 12. Aufl. AT § 66 I; wie im Text auch Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 c Fußn. 68; hierzu Montenbruck Wahlfeststellung S. 360. Dreher M D R 1957 180, 1970 371 und in Dreher StGB vor § 1 Rdn. 42; Nüse JR 1958 65; Deubner JuS 1962 23 und NJW 1967 738, 1969 147; Hardwig Eb.-Schmidt-Festschrift S. 484 Fußn. 28; Henkel Strafverfahrensrecht § 91 IV 4 Fußn. 18; Eike v. Hippel NJW 1963 (58)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

dings hebt erstmals auch die Rechtsprechung (BayObLG v. 10. 3. 1977, RReg. 5 St 1/77) bei der Bejahung der Wahlfeststellung zwischen Meineid und falscher Verdächtigung hierauf ab. Mit der „Identität des Unrechtskerns" ist gemeint, daß es ausreiche, daß die alternierenden Tatbestände dasselbe Rechtsgut, gleichartige oder verwandte Rechtsgüter schützen. Auf diesem Wege aus dem Dilemma der Wahlfeststellungsproblematik herauszukommen, liegt vor allem deswegen nahe, weil bei einer Gesamtwürdigung der herrschenden Rechtsprechung letztlich die Identität des Unrechtskerns, also eine Rechtsgutverwandtschaft zwischen den alternierenden Tatbeständen, im Ergebnis als das ausschlaggebende Kriterium erscheint, an dem sich — unausgesprochen— die bisherige Rechtsprechung (wenn auch auf Umwegen oder mit verdeckter Begründung) orientiert hat. Dieses Kriterium liefert insbesondere für solche Fälle der Wahlfeststellung die unmittelbare und ehrliche Begründung 1 7 9 , die bisher nur auf dem Umweg der „Tatbestandsreduktion" (oben Rdn. 82 a. E.) oder des Auffangtatbestandes (oben Rdn. 91) wahlfeststellungsgleich behandelt werden konnten. Auf der anderen Seite grenzt dieses Merkmal den jeweiligen Wahlfeststellungsbereich sachgerecht, nämlich auf die Tatbestände, die nach ihrer Schutzrichtung zusammengehören, ein. Auf diese Weise wird, ohne daß ein klarer Wahlfeststellungssachverhalt in das Prokrustesbett einer (sachverhaltswidrig) eindeutigen Feststellung und Verurteilung gezwängt wird, ein angemessener Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit gefunden. Es läßt sich nämlich in diesen Fällen mit Deubner (JuS 1962 24) bei der (vergleichenden) Umechtsbewertung innerhalb des mehrdeutigen Sachverhalts eine „eindeutige Teilbewertung" vollziehen, indem die Rechtsverletzung in ihrer leichtesten in Frage kommenden Form der Strafzumessung zugrunde gelegt wird. Freilich vermag auch das Kriterium der „Identität des Unrechtskerns" nicht von vornherein für alle Fälle scharfe Abgrenzungsmerkmale zu liefern. Auch ist im Schrifttum die Meinungsbildung noch im Flusse 1 7 9 3 . Im übrigen werden aber, solange man — gleichermaßen indiskutabel — die Wahlfeststellung nicht vollständig verbietet 1 8 0 oder uneingeschränkt zuläßt 1 8 1 , bei jeder Mittellösung Zweifelsfragen bleiben, zu deren Entscheidung die Rechtsprechung berufen ist. Das Kriterium der Identität des Unrechtskerns verdient gegenüber allen anderen Versuchen, die Formel von der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit zu ersetzen, den Vorzug: aa) So kann man nicht, wie Hellmuth Mayer (AT 1967 § 53 II 2), ein Gegner der 105 Wahlfeststellung überhaupt, die „Theorie des Mindestschuldvorwurfs" anwenden, alleWahlfeststellungssachverhalte unter ein Mehr-Weniger-Verhältnis zwängen und

1535; Sax JZ 1965 748; Tröndle GA 1966 4 und JR 1974 133; Fleck GA 1966 336; Hruschka MDR 1967 267; Jescheck AT § 16 III 3; Wolter Verurteilung S. 85; Jakobs GA 1971 270; Otto Peters-Festschrift (1974) 390; Blei JA 1974 383; Lackner § 1 Anm. 3 d ; vgl. Küper Rich.-Lange-Festschrift (1976) 67; Günther Verurteilungen S. 116, 123, insbes. S. 190 ff; Montenbruck Wahlfeststellung S. 144 ff. 179 Hiergegen Woher Verurteilung S. lOOff. I79a Neue Lösungsmöglichkeiten vertreten Günther (Verurteilungen S. 218 ff : „Lehre von der graduellen Unwertverschiedenheit"; hierzu die Bespr. v. Küper NJW 1977 1332) und Montenbruck (Wahlfeststellung S. 384: Bestrafung aus einem gemeinsamen eingeschränkten Grundtatbestand, der disjunktiv aus den zwei gesetzlichen Tatbeständen gebildet wird). Die Arbeiten konnten nur noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. Vgl. auch Lohr JuS 1976 719. 180 Siehe oben Fußn. 5 bei Rdn. 62. 181 Siehe oben Fußn. 6. (59)

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

stets nur nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" verfahren. Dies liefe auf eine Vergewaltigung des Sachverhalts hinaus 182 . Im übrigen trägt ein Verfahren nach der „Identität des Unrechtskerns" bei der Tatfolge dem berechtigten Kern der Theorie des Mindestschuldvorwurfs Rechnung. 106

bb) Auch die Lösungsvorschläge Wolters183 führen nicht zu befriedigenden Ergebnissen: Eine Wahlfeststellung „zwischen sämtlichen Straftatbeständen eines Normenkreises" bringt, wie Wolters selbst sieht, Gefahren. Sachfragen der Wahlfeststellung sollten nicht von der Gesetzestechnik und -systematik, für die andere, auch wahlfeststellungsfremde Gesichtspunkte maßgebend sein können, abhängig gemacht werden. Würden hingegen, wie Wolter vorschlägt, alternative Verurteilungen nur dort zugelassen, wo „man bei Kumulation der Straftatbestände auch den Fortsetzungszusammenhang befürworten könnte" 1 8 4 , blieben wichtige Fälle ungelöst.

107

cc) Die Auffassung Rudolphis^85 vermag nicht zu befriedigen, der Wahlfeststellungen nur zulassen will, „wenn die wahldeutig festgestellten Straftaten sich in ihrem kriminellen Unrechtsgehalt nach Art und Umfang wesentlich gleichen". Diese Formel ist der der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit in der Sache durchaus verwandt, entschärft einige Ungereimtheiten und scheint inhaltlich klarer. Sie ist aber zu eng und führt zum Teil zu denselben Mängeln, wie sie auch der alten Formel anhaften. Insbesondere fällt auf, daß Rudolphi auch mit seiner Formel eine Wahlfeststellung zwischen Betrug und Erpressung mit der Begründung zulassen will, daß diese Tatbestände „neben der gleichgearteten Vermögensbeschädigung und der Bereicherungsabsicht einen Angriff auf die Verfügungsfreiheit, sei es durch Täuschung, sei es durch Nötigung, voraussetzen". Dabei kann schlechterdings keine Rede davon sein, daß ein erpresserischer Angriff auf die Verfügungsfreiheit seinem „kriminellen Unrechtsgehalt" nach einem betrügerischen „wesentlich (!) gleiche". Im übrigen beschreitet auch Rudolphi186, soweit er nicht mit Hilfe von Postpendenzfeststellungen (oben Rdn. 67) zu eindeutiger Verurteilung kommt, in herkömmlicher Art den Umweg von Tatbestandsreduktionen, um Qualifikationstatbestände auf ihren „wahlfeststellungsfähigen" Kern zurückzuführen 187 .

108

Eine geradlinige und offene Lösung des Wahlfeststellungsproblems ist dies nicht. Die Rechtsprechung muß in der Lage gesetzt werden, das der Sachvernunft und der Gerechtigkeit entsprechende Ergebnis ohne theoretische Abstraktionen und Sachverhaltsverbiegungen zu finden und dieses Ergebnis ehrlich zu begründen. Diese Sachgründe, mit denen sich Wahlfeststellungen zwischen Raub und Hehlerei (entgegen BGHSt. 21 152) oder zwischen Diebstahl und Erpressung (entgegen BGH DRiZ 1972 30) rechtfertigen lassen, liegen auf der Hand, und die Gegenmeinung erscheint so befremdlich, daß es einer dogmatischen Hintertüre, mit der das alternierende schwerere Delikt aus bloßen Subsumtionsgründen heruntergespielt wird, nicht bedarf. Solange in Wahlfeststellungsfällen Straftatbestände in Frage stehen, 182

183

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186 187

Hiergegen schon Deubner JuS 1962 24 Fußn. 36; Günther Verurteilungen S. 194 und im einzelnen Montenbruck Wahlfeststellung S. 65 ff. Verurteilung S. 281 f, ferner GA 1974 163, hiergegen Günther Verurteilungen S. 204, 206 ff und Montenbruck Wahlfeststellung S. 170 ff. Verurteilung S. 114f, 281 f; ferner GA 1974 163. SK Anh. zu §55 Rdn. 42 bis 44, so schon Henkel Strafverfahrensrecht 2. Aufl. 1968 §91 IV 4. aaO (Fußn. 185) Rdn. 44. Andere Lösungsmöglichkeiten siehe Endruweit Wahlfeststellung S. 321 ff. (60)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

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die verwandte Rechtsgüter schützen, kann ebensowenig wie dort, wo aufgrund des Zweifelsatzes ein Qualifikationstatbestand trotz fortbestehenden Verdachts ausscheidet, von einer „Bemakelung" des Angeklagten (oder gar einer „Diffamierung", wie man in verbaler Übersteigerung glaubt behaupten zu sollen) schwerlich gesprochen werden 1 8 8 . Eine solche Empfindung erscheint eher von Dogmatikern ersonnen als von Angeklagten erlebt zu sein: Wäre nämlich ein Täter je einer Hehlerei nicht schuldig, mit Gewißheit dann aber eines Raubes, so wird er sich nicht „bemakelt" fühlen, solange insoweit der Schuldspruch offen bleibt und er — wie sonst bei Anwendung des Zweifelssatzes — allein wegen Hehlerei bestraft wird. Eher ist zu fürchten, daß sich ein Angeklagter — nachdem er sich anhand von Entscheidungen (BGHSt. 21 152) und Lehrmeinungen rechtlich darüber belehren lassen hat, daß eine Wahlfeststellung zwischen Raub und Hehlerei „an sich" nicht zulässig ist — genarrt fühlt, wenn er erfährt (und gedanklich nachzuvollziehen in der Lage ist), daß überhaupt erst der Kunstkniff der Umdeutung der (wahlweise) vorgeworfenen schwereren Tat in eine leichtere, also das Herunterspielen eines möglicherweise begangenen Raubes in einen (mit Sicherheit nicht begangenen) Diebstahl, den Weg für seine Bestrafung freigemacht hat. Der gerade Weg wird den Angeklagten eher überzeugen. Er ist auch der der Strafrechtspflege angemessenere. h) Vollends unerträglich wäre es, etwa zwischen Diebstahl und Raub oder Dieb- 109 stahl und Erpressung 1 8 9 und ähnlichen Fällen, wie das zum Teil noch im Schrifttum angenommen wird 1 9 0 , Wahlfeststellungen überhaupt abzulehnen. Der unbefangene Beurteiler kann das nicht begreifen 1 9 1 . Auch nach dem Gleichheitsgrundsatz kann ein Täter, dem eine Hehlerei eindeutig nachgewiesen ist, nicht schlechter gestellt (und bestraft) werden gegenüber einem andern, den in Richtung auf ein vergleichbares Rechtsgut mit Sicherheit keine geringere Schuld trifft, von dem man nur nicht weiß, ob er die Sache nicht sogar durch einen Straßenraub erlangt hat. Wäre diese Auffassung richtig, so böte sich einem schuldigen Täter ein sicherer Weg zum Freispruch an : sich nämlich — unwiderlegbar — einer anderen schwereren Straftat zu berühmen! Solange das Bemühen um ein rechtsstaatliches Verfahren nicht nur ein gedankliches, sondern in pragmatisches Anliegen ist, erscheint das Bedürfnis in Fällen, wie in den eben erwähnten, Wahlfeststellungen zuzulassen, sogar besonders groß. Es sollte nämlich vermieden werden, daß der Tatrichter um eines erträglichen Ergebnisses willen dort, wo entweder schwerer Raub oder Hehlerei in Betracht kommt, zu eindeutigen Verurteilungen etwa wegen Hehlerei oder gar wegen schweren Raubes verleitet werden. Hierdurch würde die „Sicherheit der Urteilsfindung" (so RGSt. 68 257) und ein rechtsstaatliches Verfahren weit mehr gefährdet 1 9 2 . Es ist daher in hohem Maße bedenklich, die Tatrichter zur „Überwindung" von Zweifeln und „zu eindeutigen" Feststellungen zu ermuntern (sofern mehr damit gemeint ist, als der Aufklärungspflicht nachzukommen), wie das Koeniger193 tat und wie das in den Gründen der Entscheidung BGHSt. 21 152 anklingt 1 9 4 . Auch für die „Gerechtigkeit der Urteilswirkung" (so RGSt. 68 257) ist ζ. B. bei einer Wahlfeststellung zwischen Raub und Hehlerei nicht zu fürchten. Die — immer wie188 189 190 191 192 193 194

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A. A. Otto Peters-Festschrift (1974) 387. So aber BGHSt. 21 152, BGH DRiZ 1972 30, aufgegeben seit BGHSt. 25 182. Vgl. Angaben bei Wolter Verurteilung S. 76. Vgl. Hinweise bei Zeiler ZStW 43 (1922) 610f. Deubner NJW 1967 738: „die schlechteste Lösung". Die Hauptverhandlung in Strafsachen S. 551. Hierzu Fuchs DRiZ 1968 17.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

der überbewertete — Gefahr der „Bemakelung" (Rdn. 108) des Angeklagten mit dem „öffentlich bescheinigten Verdacht" ist leicht dadurch zu vermeiden, daß im Schuldspruch zwar die Tatsache einer Wahlfeststellung erkennbar bleibt (vgl. Rdn. 114 bis 116), das schwerere Delikt im Urteilstenor aber nicht ausdrücklich angegeben wird 195 . Hingegen müssen die Urteilsgründe sich mit der möglicherweise begangenen schwereren Straftat auseinandersetzen. Das ist aber hinzunehmen und ist nichts besonderes: Wenn sich in der Anklage erwähnte Qualifikationsmerkmale nicht erweisen lassen und nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" verfahren wird, muß in den Urteilsgründen auch dargetan werden, warum der Erschwerungstatbestand nicht eingreift, und selbst bei einem mangels Beweises Freigesprochenen ist nach dem Gesetz (§ 267 Abs. 5 StPO) ausdrücklich anzugeben, „ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist". 110

V. Bestrafung nach dem mildesten Gesetz. Bei zulässiger Wahlfeststellung ist die Strafe nach dem mildesten Gesetz zu entnehmen 196 . Das folgt daraus, daß nicht auszuschließen ist, daß die leichtere Tat begangen worden ist. Das mildeste Gesetz ist nicht durch Strafrahmenvergleichung zu ermitteln. Es kommt auf die für die Tat verwirkte Strafe und auf das Gesetz an, das die mildeste Strafe zuläßt (konkrete Betrachtungsweise)^1. Das Gericht hat hiernach für jede der wahlweise festgestellten Taten rechnerisch die Strafe ins Auge zu fassen, die bei eindeutiger Verurteilung zu verhängen wäre, und dann die nach Art und Maß niedrigste dieser gedachten Strafen festzusetzen. Die mildeste Strafe läßt das Gesetz mit der mildesten Hauptstrafe zu, bei gleichen Hauptstrafen entscheiden die Nebenstrafen. Im übrigen gelten die unten bei § 2 Rdn. 33 ff dargelegten Grundsätze entsprechend. 111 Nach RGSt. 68 263 198 sind Nebenstrafen oder Nebenfolgen nur dann zulässig, wenn sie nach allen zur Wahl stehenden Straftatbeständen erlaubt sind. Daß der Angeklagte nicht aus dem strengeren Strafgesetz verurteilt wird, steht nicht entgegen. Der Schuldspruch ist wahldeutig und stützt sich daher auch auf das mildere Gesetz nur alternierend. Dessen Rechtsfolgen sind, wo sie den Angeklagten vielleicht zu Unrecht belasten, durch die des an sich strengeren Gesetzes, wenn sie im Einzelfall milder sind, zu berichtigen. Das ist ein allgemeiner Grundsatz, der auch dort gilt, wo die Rechtsprechung mangels eindeutiger Feststellungen nicht zu einer Wahlfeststellung kommt, sondern nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" verfährt oder von „Auffangtatbeständen" (Rdn. 91) ausgeht: So bestimmt BGHSt. 13 7C, wo nicht festgestellt werden konnte, ob die eidliche oder die uneidliche Aussage falsch ist, und deswegen (nur) wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt wurde (hierzu oben Rdn. 71), mit Recht, daß gleichwohl insoweit eine eidliche Falschaussage unterstellt werden müsse, wenn hierdurch eine mildere Bestrafung, ζ. B. wegen Eidesnotstand (§ 157) möglich ist 199 . Einen vergleichbaren Fall bot das frühere Recht, wenn nicht festgestellt werden konnte, ob sich der Täter eines Vergehens nach § 330 a a. F. oder einer im angetrunkenen Zustand (§ 51 Abs. 2 a. F.) begangenen Übertretung schuldig gemacht hat (vgl. Rdn. 99). 195

Deubner NJW 1967 738; Hruschka NJW 1973 1805. RGSt. 68 263, 71 43; BGH bei Daliinger M D R 1957 397. 197 RGSt. 69 373,70 281,72 343; Rudolphi SKAnh.zu §55 Rdn. 46. Hierzu Endruweit Wahlfeststellung S. 87 ff. 198 Schaffstein JW 1934 2053; Graf Dohna ZStW 55 (1936) 582; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 e a. E. 199 Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 46, weit. Nachw. bei Wolter Verurteilung S. 40 Fußn. 144. 196

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Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

Auch bei den Umständen, die für die Strafzumessung im einzelnen von Bedeu- 112 tung sein können, dürfen bei einem wahlweise festgestellten Sachverhalt nur die dem Angeklagten günstigeren zugrundegelegt werden : Hat der Angeklagte im Falle des Diebstahls die ganze Beute, für den Fall der Hehlerei nur einen Teil davon an sich gebracht, so ist für den Umfang der Schuld und insoweit für die Strafzumessung allein dieser Teil maßgebend (BGHSt. 15 266). Grundsätzlich ist die Strafe so zu bemessen, als ob der Täter nur den Tatbestand des milderen Gesetzes verwirklicht hätte. Insbesondere sind straferschwerende Tatumstände, die nur eine der wahlweise festgestellten Tatsachen betreffen, außer Acht zu lassen 200 . Werden an die Tatfeststellungen Maßregeln der Besserung und Sicherung geknüpft, so genügt eine bloße Wahlfeststellung nur, wenn alle alternierenden Strafgesetze dafür die ausreichende Grundlage bieten 201 . Ist bei einer fortgesetzten Handlung zweifelhaft, ob einer ihrer Bestandteile eine andere Straftat erfüllt (ζ. B. gewerbsmäßige Hehlerei ist), so sind miteinander die für die fortgesetzte Handlung anzusetzende Einzelstrafe und die Gesamtstrafe zu vergleichen, die aus ihr und aus der für die sachlich etwa zusammentreffende andere Straftat festzusetzenden Strafe zu bilden wäre (RGSt. 70 281). Würde das Gericht nach jedem der wahlweise anzuwendenden Gesetze dieselbe Strafe aussprechen, so hat es freie Hand, im Schuldspruch wird es sich aber auch dann für das weniger belastende Strafgesetz entscheiden (RGSt. 69 379). Falls die Anklage keinen wahldeutigen Vorwurf enthält, sind grundsätzlich in 113 einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 StPO) nicht nur wahlweise in Betracht kommende Tatbestände aufzunehmen, sondern auch die Tatsache einer wahldeutigen Verurteilung als solche 202 . Allerdings hat der BGH (bei Daliinger MDR 1974 369) es im Falle einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahl und Hehlerei genügen lassen, wenn darauf hingewiesen ist, daß der Angeklagte „auch wegen Hehlerei" bestraft werden könne. Das mag hingehen, weil seit RGSt. 68 257 in der Rechtsprechung nie mehr zweifelhaft gewesen ist, daß zwischen diesen Tatbeständen Wahlfeststellungen möglich sind. In Fällen, in denen Wahlfeststellungen jedoch nicht so unzweifelhaft sind oder Einwänden ausgesetzt sind, ist ein Hinweis auch auf die Tatsache einer Wahlfeststellung selbst im Interesse ausreichender Verteidigungsmöglichkeiten für den Angeklagten geboten. VI. Der Schuldspruch bei der Wahlfeststellung. Wie bei einer Wahlfeststellung 114 der Schuldspruch zu gestalten ist und ob die mehrdeutig festgestellten Tatbestände in die Urteilsformel aufzunehmen sind, wird nicht einheitlich beantwortet. Die Frage ist von gewisser Bedeutung, weil die Mitaufnahme des schwereren Gesetzes in der Urteilsformel einen möglicherweise unbegründeten Verdacht öffentlich bescheinigt. Das gilt insbesondere dann, wenn man wie hier die „Identität des Unrechtskerns" für die Zulässigkeit der Wahlfeststellung genügen läßt (Rdn. 104) und daher die Handlungsunwerte der alternierenden Tatbestände erheblich sein können. Ein wesentlich schwererer Straftatbestand sollte daher im Schuldspruch nicht ausdrücklich erwähnt und dem milderen Tatbestand nur ein Hinweis beigefügt werden, daß der Schuldspruch auf einer Wahlfeststellung beruht (unten Rdn. 117).

200

201 202

(63)

RGSt. 71 44, 72 343, RG DJ 1937 357; BGH bei Daliinger MDR 1957 397; vgl. Dreher vor § 1 Rdn. 45. Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 46. Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7e.

§1

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

115

1. Solange die Wahlfeststellung gesetzlich geregelt war (§ 2b und § 267b StPO i. d. Fass, nach 1935, vgl. oben Rdn. 60) galt der Grundsatz der „eindeutigen Verurteilung". Der damalige § 267 b Abs. 2 StPO bestimmte, daß der Angeklagte in der Urteilsformel nur der Verletzung des anzuwendenden Strafgesetzes schuldig zu sprechen ist. Der Schuldspruch enthielt also nur das „mildeste" der wahlweise angewendeten Gesetze 203 . Von diesem Grundsatz wird man auch ausgehen können, ohne daß das Gesetz hierüber etwas sagt. Zwar schreibt § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO vor, daß die Urteilsformel „die rechtliche Bezeichnung der Tat angeben" müsse, deren „der Angeklagte schuldig gesprochen wird". Diese Vorschrift geht indessen von eindeutigen Verurteilungen aus und paßt für die Wahlfeststellung nicht (BGHSt. 1 304). Da in den Fällen der Wahlfeststellung der Angeklagte in Wirklichkeit nur eine Tat begangen hat, sollte es in der Urteilsformel mit der ausdrücklichen Erwähnung des milderen Strafgesetzes sein Bewenden haben 2 0 4 . Eine solche Fassung belastet den Angeklagten nicht: Entweder sie trifft das Richtige, oder sie verfehlt es zwar, ist aber dann immer noch milder als die Wahrheit.

116

2. Solange es im geltenden Recht lediglich besondere Rückfalltatbestände gab (z. B. §§ 244, 250 Abs. 1 Nr. 5, §§ 261, 264 jeweils i. d. Fass, vordem 1. StrRG 1969) konnte eine Wahlfeststellung regelmäßig nicht riickfallbegründend wirken 205 . Seit der Geltung der allgemeinen Rückfallvorschrift des §48 (§ 17 a. F.) können auch Wahlfeststellungen den Rückfall begründen, wenn das Vorwerfbarkeitsurteil nach § 48 Abs. 1 auf alle wahldeutig festgestellten Tatsachen zutrifft 2 0 6 . Es muß sich also so verhalten, daß Vorverurteilungen, die auf wahldeutig festgestellter Grundlage beruhen, Warneffekte auf den Täter auszuüben in der Lage waren, mag nun der eine oder der andere der wahldeutig festgestellten Sachverhalte vorgelegen haben. Zwischen den abgeurteilten Taten, gleichgültig, welche wahldeutig festgestellte Version man zugrunde legt, und der neuen Tat muß ein „kriminologisch faßbarer Zusammenhang" aufweisbar sein, aus dem sich die Erwartung des Warneffekts er-

203 204

205

206

RGSt. 68 262, 70 281. Im Ergebnis ebenso: RGSt. 68 262, OGHSt. 2 93, OLG Kassel NJW 1947/48 696, OLG Hamburg MDR 1950 57, OLG Neustadt NJW 1953 1444, OLG Zweibrücken NJW 1966 1829; Heinitz JZ 1952 101; Jagusch LK 8. Aufl. § 2 b Anm. 6; Kohlrausch-Lange § 2 b Anm. III; Sch.-Schröder-Eser § 1 Rdn. 89; Maurach-Zipf AT Teilb. I § 10 III 5; Sax in Müller-Sax § 260 StPO Anm. 6 A d (IV); Deubner JuS 1962 23 und NJW 1967 738; Jescheck AT § 16 III 2 c; Hruschka NJW 1973 1805; Günther Verurteilungen S. 222 ff. Beide wahldeutig festgestellten Gesetzesverletzungen wollen in die Urteilsformel aufnehmen: RG JW 1934 300, BGH NJW 1952 114, BGHSt. 8 37, OLG Celle HannRpfl. 1947 78 und JZ 1951 465, OLG Hamm MDR 1950 57, Kleinknecht § 260 StPO Rdn. 31; Dreher vor § 1 Rdn. 45; Kienapfel JuS 1968 524; Koeniger Die Hauptverhandlung in Strafsachen S. 477; Eb. Schmidt Lehrk. § 260 StPO Rdn. 13 (der allerdings Wahlfeststellungen nur in einem sehr engen Bereich für zulässig hält); Otto Peters-Festschrift (1974) 391 ; Endruweit Wahlfeststellung S. 95. Eine dritte Meinung stellt die Fassung der Urteilsformel ins tatrichterliche Ermessen (vgl. §260 Abs. 4 Satz 6 StPO): BGHSt. 1 304, 4 130, BGH NJW 1952 114; Kroschel-Doerner Die Abfassung von Strafurteilen, 22. Aufl. S. 21; vgl. hierzu Montenbruck Wahlfeststellung S. 206 ff. Zeiler ZStW 64 (1952) 188; Niethammer DRiZ 1934 169; Heinitz JZ 1952 101 ; Jagusch LK 8. Aufl. § 2 b Anm. 6. Dreher vor § 1 Rdn. 45; vgl. BGH bei Daliinger MDR 1970 899; Sch.-Schröder-Eser § 1 Rdn. 90. (64)

Keine Strafe ohne Gesetz (Tröndle)

gibt 207 . Soweit die wahldeutig festgestellten Taten, wie die herrschende Rechtsprechung voraussetzt (oben Rdn. 82), rechtsethisch und psychologisch gleichwertig sind und die neue Rückfalltat in Bezug auf die eine oder andere Tatalternative gleichartig ist, wird dieser Warneffekt im allgemeinen zu bejahen sein 208 , anders hingegen, wenn die neue Tat im Vergleich zu den früheren ungleichartig ist. Da nach der allgemeinen Rückfallvorschrift des § 48 jede vorsätzliche Tat rück- 117 fallbegründend wirken kann, im Falle einer Wahlfeststellung hingegen alle wahldeutig festgestellten Vorgänge bei dem Vorwerfbarkeitsurteil nach § 48 Abs. 1 in Betracht gezogen werden müssen, muß die Tatsache einer wahldeutigen Verurteilung aus dem Strafregistervermerk hervorgehen. Im Hinblick auf die nach §§ 20, 4 BZRG mitzuteilenden Verurteilung sollte die Urteilsformel beispielsweise lauten: „Der Angeklagte wird wegen Hehlerei (Wahlfeststellung) zu . . . verurteilt" 209 . Daß hierbei der Kundige erkennt, daß der Angeklagte nicht eindeutig verurteilt worden ist und auf das Vorliegen eines weiteren Tatverdachts schließt, muß der Angeklagte hinnehmen. Stößt ein späterer Tatrichter auf einen solchen Registervermerk, muß er die Vorstrafakten beiziehen, um zu klären, ob alle alternierenden Sachverhalte der Vorverurteilung Warneffekte im Sinne der Rückfallvorschrift haben konnten. Auch hierin liegt keine Belastung für den Angeklagten. Vorstrafakten über einschlägige Vorverurteilungen gehören in einer sorgfältig vorbereiteten Hauptverhandlung ohnehin auf den Richtertisch. 3. In den Urteilsgründen ist jedoch der wahldeutig festgestellte Sachverhalt und 118 dessen exakte rechtliche Begründung eingehend darzulegen. Weder für die Sachverhaltsdarstellung noch für die rechtliche Würdigung gelten geringere Anforderungen als etwa bei eindeutigen Feststellungen. Praktisch ist daher der Begründungsaufwand bei der Wahlfeststellung erheblich größer, da die Sach- und Rechtsdarlegungen zu jeder einzelnen Tatmodulität für sich allein genügen müßten, eine Verurteilung auf eindeutiger Tatsachengrundlage zu tragen (oben Rdn. 82). Ein weiteres kommt hinzu: Da die Wahlfeststellung immer nur ein Notbehelf sein darf, müssen die Urteilsgründe auch die prozessuale Zulässigkeit einer Wahlfeststellung dartun. Es müssen also die Gründe dargelegt werden, weshalb eine eindeutige Tatsachenfeststellung nicht möglich war (oben Rdn. 81) 210 . Das gilt übrigens auch dort, wo die herrschende Rechtsprechung nur eine „Auffangstrafdrohung" (Rdn. 91) annimmt (OLG Hamburg JR 1962 229). Der damalige §267b Abs. 2 StPO (vor Rdn. 60) hat solche Angaben im Urteil ausdrücklich verlangt. Soweit in der Rechtsprechung die Wahlfeststellung anerkannt wird, können die Anforderungen an ihre prozessuale Zulässigkeit nicht geringer sein. VII. Teilnahme. Sind bei einem Vorgang, der nur wahldeutig festgestellt werden 119 kann, mehrere beteiligt, so müssen die Voraussetzungen einer Wahlfeststellung für alle Beteiligten gegeben sein und im einzelnen geprüft werden. Ein Beteiligter kann nicht verurteilt werden, wenn er möglicherweise nur bei einer der in Frage stehen207 208 209

210

(65)

Vgl. Geerds JZ 1969 341 ; Lackner § 48 Anm. 3; Endruweit Wahlfeststellung S. 97. Vgl. Dreher §48 Rdn. 10. So Nüse JR 1956 29, auch Jescheck AT § 16 III 2 c. Die Empfehlung von Jagusch (LK 8. Aufl. § 2 b Anm. 6), in der Formel einen Hinweis „nicht rückfallbegründend" anzubringen, ist mit der Einführung der allgemeinen Rückfallvorschrift (§ 48) in der Sache überholt. München H R R 1936 1594, OLG Hamburg NJW 1955 921; Sch.-Schröder-Eser §1 Rdn. 69; Gollwitzer LR § 261 StPO Anm. 7 g ; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 9.

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

den Sachverhalte mitbeteiligt gewesen sein könnte (vgl. oben Rdn. 82). Für jeden Mitbeteiligten ist auch selbständig zu prüfen, welches Strafgesetz für ihn am günstigsten ist. Falls persönliche Strafverschärfungs- oder -milderungsgründe nur bei einem Beteiligten vorliegen, kann der Schuldspruch bei mehreren Mitbeteiligten möglicherweise unterschiedlich lauten. 120

VIII. Eine Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage kann auch mit der Begründung angefochten werden, der Angeklagte habe eine der Alternativtaten nicht begangen. Wird im Rechtsmittelverfahren festgestellt, daß er die schwerere Tat eindeutig begangen hat, ist bei einem zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel das Verschlechterungsverbot zu beachten 2 1 1 .

121

IX. Die Rechtskraft einer Wahlfeststellung erstreckt sich auf sämtliche wahlweise angenommenen Straftaten 2 1 2 . Der gesamte Komplex der „Tat" (§ 264 StPO) ist durch das Urteil ausgeschöpft 2 1 3 .

122

X. Eine Amnestie für die eine Tat erfaßt im Falle einer Verurteilung auf wahldeutiger Grundlage auch die andere Tat (vgl. RGSt. 71 269, Bruns DStR 1936 287).

123

XI. Für die Wiederaufnahme eines Verfahrens, in dem auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage verurteilt worden ist, gelten die allgemeinen Vorschriften. So ist vor allen Dingen eine Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten möglich, wenn durch neue Tatsachen oder Beweismittel (§ 359 Nr. 5 StPO) der Nachweis gelingt, daß das schwerere der alternativ festgestellten Delikte eindeutig nicht begangen worden ist. Dasselbe gilt aber auch, wenn eines der beiden Delikte durch neue Tatsachen oder Beweismittel ausgeschaltet wird, ohne daß über den Alternativsachverhalt eindeutige Feststellungen möglich wären. In diesem Falle ist die Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren geboten, in jenem ist zugunsten des Verurteilten davon auszugehen, daß eine eindeutige Verurteilung nach dem milderen Straftatbestand im Wiederaufnahmeverfahren zugleich auch die „Anwendung eines milderen Strafgesetzes" im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO bedeutet und in diesem Sinne auch eine „mildere Bestrafung" darstellt 2 1 4 . Die Frage, ob ein glaubwürdiges Geständnis des Verurteilten in Richtung auf das schwerere alternativ festgestellte Delikt die Wiederaufnahme zu Ungunsten des Angeklagten rechtfertigt, wird man verneinen müssen, weil in § 362 Nr. 4 StPO in diesem Zusammenhang nur vom „Freigesprochenen" die Rede ist und eine Wiederaufnahme mit dem bloßen Ziele schwererer Bestrafung nach dem Gesetz somit ausgeschlossen i s t 2 1 5 .

211 212 213 214 215

Wolter Verurteilung S. 275 m. Nachw.; Rudolphi SK Anh. zu § 55 Rdn. 49. OLG Köln GA 1968 24; Schwarz GS 106 (1935) 261 ; Günther Verurteilungen S. 280. Vgl. hierzu BayObLG NJW 1965 2211 ; Fuchs NJW 1966 1111 ; Sax JZ 1965 745. Schwarz GS 106 (1935) 260. So Graf Dohna ZStW 55 (1936) 588; Günther Verurteilungen S. 281. (66)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§ 2

§2 Zeitliche Geltung (1) D i e Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden. (4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. D i e s gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt. (5) Für Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend. (6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. Schrifttum Rückwirkungsverbot, Rückwirkungsgebot bei Gesetzesmilderung, Zeitgesetz. Adolf Arndt Zum Problem der strafrechtlichen Verjährung, JZ 1965 145; Baumann Der Aüfstand des schlechten Gewissens, 1965; Benda Verjährung und Rechtsstaat 1965; Bruns Die Bestrafung aus dem mildesten Gesetz, DStR 1936 277; Calvelli-Adorno Die Verlängerung der Verjährungsfrist, NJW 1965 273; Coing Zur Rückwirkung von Strafgesetzen BB 1954 137; Diefenbach Die verfassungsrechtliche Problematik des § 2 Abs. 4, Diss. Frankfurt 1966; Drost Begründet die Aufhebung von Bewirtschaftungs- und Preisbestimmungen Straflosigkeit der vorausgegangenen Wirtschaftsdelikte? MDR 1949 454; Dünnebier Der Begriff der Aburteilung in § 2 II StGB (a. F.), JZ 1963 726; Groß Rückwirkungsverbot und richterliche Tatbestandsauslegung, Diss. Freiburg 1969; Groß Rückwirkungsverbot GA 1971 13; Grunsky Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, 1970; Grünwald Zur verfassungsrechtlichen Problematik der rückwirkenden Änderung der Verjährungsvorschriften, MDR 1965 521 ; Hardwig Berücksichtigung der Änderung eines Strafgesetzes in der Revisionsinstanz bei Vorliegen eines rechtskräftigen Schuldspruchs, JZ 1961 364; Jantsch Das strafrechtliche Verjährungsproblem, DRiZ 1968 196; Klug Die Verpflichtung des Rechtsstaates zur Verjährungsverlängerung, JZ 1965 149; Mattil Zeit und materielles Strafrecht, GA 1965 129; Mazurek Zum Rückwirkungsgebot gemäß § 2 Abs. 3 StGB, JZ 1976 233 ; Naucke Rückwirkende Senkung der Promillegrenze und Rückwirkungsverbot, NJW 1969 2321 ; Paul Über die Strafbarkeit alter Preisdelikte, NJW 1949 417; Pawlowski Zur Rückwirkung von Gesetzen, NJW 1965 287; Pieroth Der rückwirkende Wegfall des Strafantragserfordernisses, JuS 1977 394; Rittau § 2 und die Kriegsverbrecherprozesse, NJW 1960 1157, 2184; Schöckel Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots bis zur französischen Revolution, 1968; Schreiber Die Zulässigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Verjährungsvorschriften, ZStW 80 (1968) 348; Schreiber Rückwirkungsverbot bei einer Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht, JZ 1973 713; Tiedemann Zeitliche Grenzen des Strafrechts, Karl-Peters-Festschrift (1974) 193; Traeger Die zeitliche Herrschaft des Strafgesetzes, VDA VI S. 317; Tröndle Rückwirkungsverbot bei Rechtsprechungswandel? Dreher-Festschrift (1977) 117; Weitere Schrifttumsnachweise vor den Erläuterungen zu § 1 und dort bei Rdn. 51 und ferner unten Rdn. 16 Entstehungsgeschichte D i e F a s s u n g folgt d e r e n t s p r e c h e n d e n V o r s c h r i f t d e s 2. S t r R G v o m 4. 7. 1969 ( B G B l . I S. 717), j e d o c h h a t d a s E G S t G B v o m 2. 3. 1974 ( B G B l . I S. 469) d e n A b (67)

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

satz 4 neu gefaßt und den Satz 2 des Absatzes 6 gestrichen. Sachlich entspricht die Vorschrift den bisherigen Absätzen 2 bis 4 des § 2, wie er durch das 3. StRÄndG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 735) eingefügt worden war. § 2 Abs. 2 StGB 1871 entsprach dem jetzigen Absatz 3. Von 1935 (G v. 28. 6. 1935, RGBl. I S. 839) bis 1953 hatten die entsprechenden Vorschriften die Bezeichnung § 2 a Abs. 2 bis 4. Die Absätze 2 und 5 des geltenden Textes sind neu und folgen § 2 Abs. 2, 5 des E 1962. Gesetzesmaterialien: s. Entstehungsgeschichte vor § 1. Übersicht I. Konkretisierung des bots

Rdn. Rückwirkungsver1

II. Abs. 1. Allgemeines 1. Gesetz = gesamtes sachliches Recht a) Rechtsanwendungsrecht b) Merkmale aus anderen Normen . . c) Bezugstatbestände d) Blankettstrafgesetze e) Verwertungsverbote, Amnestie . . . 2. nicht verfahrensrechtliche Normen . . a) Strafantragsrecht b) Verjährungsvorschriften aa) Verjährungstheorien bb) Gemischte Theorie cc) Verkürzung der Verjährungsfrist dd) Verjährungsfrist bei natsoz. Mordtaten c) Keine Rückwirkung bei Änderung der Rechtsprechung 3. Gesetz zur Zeit der Tat a) Geltungszeit b) Tatzeit c) Versuchsstrafe, Fortsetzungs-, Dauer-, Zuständsdelikte, gewerbs- und gewohnheitsmäßige Taten

2 3 4 5 6 7 7a 8 9 10 11 12 13 14 16 25 25 26

27

III. Abs. 2. Änderung der Strafdrohung während der Tat 28 IV. Abs. 3. Rückwirkungsgebot bei Gesetzesmilderung -. 29

Rdn. 1. Gegenüberstellung beider Gesetze, „Zwischengesetz" 2. Wegfall des Gesetzes 3. Umwandlung in Ordnungswidrigkeit . 4. Geltung für Ordnungswidrigkeiten und Besatzungs- und Disziplinarrecht . 5. Konkrete Vergleichung a) Täterschaft und Teilnahme b) Gesetzliche Tatbestände und Bezugsstellen c) Straffolgen Strafdrohungen Nebenstrafen und Nebenfolgen . . . d) Teils milder, teils strenger e) Altes und neues Recht gleicher Milderungsgrad 6. Verfahrensrechtliches Revisionsrecht V. Abs. 4. Zeitgesetz 1. Begriff und Wesen des Zeitgesetzes . . 2. Zeitgesetz in der Rechtsprechung . . . Kasuistik a) Zeitgesetze b) Keine Zeitgesetze 3. Mehrere Zeitgesetze VI. Abs. 5. Maßnahmen VII. Abs. 6. Maßregeln der Besserung und Sicherung 1. Nicht verfassungswidrig 2. Von Abs. 6 ausgenommene Maßregeln 3. Unter Abs. 6 fallende Maßregeln . . .

29 30 31 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 47 48 48 49 50 51 52 53 54 55

1

I. Die Vorschrift konkretisiert in den Absätzen 1 und 2 das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen (nulla poena sine lege praevia), das in § 1 im Grundsatz umschrieben ist und gemäß Art. 103 Abs. 2 G G Verfassungsrang hat (§ 1 Rdn. 2, 28), und regelt das Wie der Bestrafung. Außerdem bringt die Vorschrift weitere Einzelheiten über die zeitliche Geltung der Strafgesetze; so enthält Absatz 3 ein Rückwirkungsgebot, falls das Gesetz vor der Entscheidung milder geworden ist, Absatz 4 regelt die Problematik des „Zeitgesetzes", die Absätze 5 und 6 besagen, was für die zeitliche Geltung der Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) gilt.

2

II. Nach Absatz 1 ist für das Wie der Bestrafung das Gesetz maßgebend, das zur Zeit der Tat gilt. Für die Maßregeln der Besserung und Sicherung regelt jedoch Ab(68)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

satz 6 das Nähere. Absatz 1 bezieht sich nur auf Strafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen (Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts, §§ 45 bis 45 b), sowie über den verweisenden Absatz 5 auch auf die strafähnlichen Maßnahmen des Verfalls, der Einziehung und der Unbrauchbarmachung. 1. Unter dem „Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt", ist das gesamte sachliche Recht 3 gemeint. Der Ausdruck Gesetz umfaßt hier die einzelnen Tatbestände mit ihren Strafrahmen, die Vorschriften des Allgemeinen Teils, soweit sie zum sachlichen Recht gehören (Versuch, Täterschaft und Teilnahme, gesetzliche Rechtfertigungsund Entschuldigungsgründe) und auch sonst alles sachliche Recht, das die Strafrechtsfolgen einer begangenen Tat festlegt. „Gesetz" bedeutet also den gesamten sachlichen Rechtszustand, von dem die Zulässigkeit und die Art und Weise der Bestrafung abhängt 1 . Hieraus folgt: a) Auch das Strafrechtsanwendungsrecht (§§ 3 bis 7) ist im wesentlichen sachli- 4 ches Recht in diesem Sinne, da es das Ausmaß und die Geltung des sachlichen Rechts festlegt (BGHSt. 20 25) 2 . b) Zum sachlichen Recht gehören grundsätzlich auch Merkmale, deren recht- 5 liehe Bedeutung und deren Inhalt sich erst aus anderen Normen ergeben: Werden z. B. die Altersgrenzen der Minderjährigkeit geändert, so ändert sich damit auch das Strafgesetz, das Minderjährige schützt. Allerdings müssen diese Merkmale selbst Normcharakter haben: Die Fälschung bestimmter Banknoten bleibt auch strafbar, nachdem sie außer Kurs gesetzt sind 3 , ebenso auch die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, wenn eine solche Verkehrsbeschränkung nachträglich, aber vor der Entscheidung aufgehoben wird 4 . c) Problematisch ist, in welchem Umfange zum „Gesetz" im Sinne des Absat- 6 zes 1 auch Vorschriften (Tatbestände) gehören, auf die sich der anzuwendende Tatbestand bezieht und die mit ihm in einer inneren unlösbaren Abhängigkeit stehen (Bezugstatbestände). In diesen Fällen kommt es darauf an, ob der Schutzzweck der Vorschrift, die verletzt worden ist, unverändert fortbesteht ( Κ . Meyer JR 1975 70). Ist dies der Fall, so kommt es dem Täter nicht zugute, daß seine konkrete Tat wegen des Wegfalls des Bezugstatbestandes nunmehr nicht mehr strafbar ist. § 2 Abs. 3 ist daher nicht anzuwenden, wenn ζ. B. § 145d selbst nicht geändert wurde, wohl aber die „Straftat", auf die sich die Deliktsvortäuschung bezog, in ihren Voraussetzungen enger gefaßt oder später als solche weggefallen ist 5 . Nichts anderes gilt dann, wenn sich die falsche Verdächtigung (§ 164) auf eine Straftat bezieht, die zwischenzeitlich aufgehoben worden ist (a. A. BayObLG JR 1975 68)6, oder auch bei ande1

2

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KG JR 1950 404, OLG Hamm M D R 1974 593; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 II 2; Sch.Schröder-Eser Rdn. 4; Blei AT § 13 2b. Zu den Ausdrücken „gelten" und „anwendbar sein" vgl. F. C. Schroeder NJW 1975 1871. Habscheid M D R 1953 502; a. A. noch Jagusch LK 8. Aufl. Anm. 3 vor § 3 und OlshausenNiethammer Vorbem. 3 vor § 3. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23, Kohlrausch-Lange § 2 Anm. VII; Mezger ZStW Bd. 42 375. OLG Hamm NJW 1954 1735; Maurach AT § 12 III A. A . A . OLG Düsseldorf NJW 1969 1680; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 25; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A; Blei]A 1974 StR S. 139; ebenso die Vorauf! Rdn. 42, diese Auffassung wird nunmehr im Hinblick auf K. Meyer (JR 1975 70) aufgegeben. Α. A. ferner das oben in Fußn. 5 angeführte Schrifttum, hiergegen mit Recht K. Meyer JR 1975 70; Wenner M D R 1975 162; resignierend Blei JA 1974 StR S. 139; gegen Meyer hingegen wiederum Mazurek JZ 1976 237.

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

ren Bezugstatbeständen, etwa beim Versuch der Beteiligung (§ 30) oder bei der Strafvereitelung (§ 258), weil der Schutzzweck, Angriffe gegen die Rechtspflege zu verhindern, auch dann noch fortbesteht, wenn in der strafrechtlichen Beurteilung der Vortat eine Änderung eingetreten ist (a. A. BGHSt. 14 156)7. Offensichtlich ist, daß nach § 211 und nicht nur wegen Totschlags (§212) zu bestrafen ist, wenn die Strafbarkeit der Tat, die ermöglicht oder verdeckt werden sollte, inzwischen aufgehoben worden ist (K. Meyer JR 1975 69, vgl. noch Rdn. 29). 7

d) Hingegen sind bei Blankettstrafgesetzen8 grundsätzlich auch die Ausfüllungsnormen „Gesetz" im Sinne dieser Vorschriften (BGHSt. 20 177)9. Allerdings können deutsche Blankettstrafgesetze nicht mit ausländischen Normen „aufgefüllt werden (BGHSt. 21 279) 10 . Erst durch die Ausfüllungsnorm erhält ein Blankettgesetz Inhalt und Gestalt. Ihre Änderung ändert das Strafgesetz. Die entgegengesetzte Auffassung BGHSt. 7 294 ist aufgegeben und damit überholt, wie die abweichende ständige Rechtsprechung des R G 1 1 , für die es angesichts früherer Gesetzesfassungen auch von Bedeutung war, ob die Rechtsänderung auf eine Änderung der Verhältnisse oder auf eine geläuterte Rechtsanschauung zurückzuführen war 1 2 .

7a

e) Zum sachlichen Recht ist auch ein Verwertungsverbot nach §§ 49, 61 BZRG 1 3 zu zählen, ebenso eine Amnestie, da sie zufolge ihrer Doppelnatur nicht nur ein Verfahrenshindernis, sondern auch einen sachlichrechtlichen Strafaufhebungsgrund darstellt 14 .

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2. Nicht zu den Gesetzen im Sinne des § 2 gehören die verfahrensrechtlichen Normen. Für das Strafverfahren und die Strafvollstreckung ist vielmehr das Recht maßgebend, das bei der Rechtsanwendung in Kraft ist. Prozeßgesetze treten — vorbehaltlich Übergangsbestimmungen (vgl. Art. 308, 309 EGStGB) — mit dem Gesetz, das sie aufstellt, in Kraft und äußern ihre Wirkung auch innerhalb bereits abhängiger Verfahren 1 5 . Neues Verfahrensrecht hat ohne ausdrückliche Anordnung keine rückwirkende Kraft (BGH GA 1971 86). Anhängige Verfahren sind nach neuem Recht weiterzuführen (BGHSt. 22 325). Ob Verfahrensrecht oder sachliches Recht

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= N J W 1960 1164 m. krit. Anm. Dreher, vgl. das oben Fußn. 5 angeführte Schrifttum; ferner Mazurek J Z 1976 235 ff. Zum Begriff des Blankettstrafgesetzes: BGHSt. 6 30, 40. M. Anm. Kohlhaas LM § 2 Abs. 2 Nr. 14, BayObLG 1959 46, 1961 150; O L G Bremen N J W 1964 2261, O L G Schleswig HESt. 2 183, K G J R 1950 404, O L G Kassel SJZ 1949 649; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23. Α. A. Allwang D A R 1964 126 u n d D R i Z 1965 156 für ausländische Verkehrsvorschriften; vgl. hierzu unten vor § 3 Rdn. 38 bis 40. RGSt. 16 171, 20 210, 31 227, 33 186, 46 308, 393, 49 413, 59 125; weitere Nachw. bei Mazurek J Z 1976 233. RGSt. 55 125, 63 71, näher Olshausen-Niethammer § 2 a Anm. 13 a; vgl. hierzu BGHSt. 6 30. BGHSt. 24 378, BayObLG M D R 1972 629. Dreher JZ 1971 32. BVerfGE 1 4 = N J W 1952 20, BVerfGE 11 146 = N J W 1960 1563 L, BVerfGE 24 55 = N J W 1968 1467, BVerfG N J W 1975 1015; BGHSt. 21 369, 26 231; O L G Hamburg J Z 1977 143; RGSt. 77 183. Bedenken hiergegen Jescheck AT § 15 IV 4 u n d Schreiber SK § 1 Rdn. 9; vgl. auch Schmidhäuser AT 5/21 und zum ganzen abwägend und differenzierend: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8; vgl. ferner Grünwald J Z 1976 771. (70)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§ 2

vorliegt, hängt nicht vom Ort der gesetzlichen Regelung, sondern allein von deren Sachcharakter ab. a) Daher gehört das Strafantragsrecht (§§ 77 ff) zum Prozeßrecht 16 . Ein Antrags- 9 delikt kann daher ohne Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot in ein Offizialdelikt umgewandelt werden 17 . Wird das Antragserfordernis eingeführt, so gilt es als Verfahrensrecht mit dem Inkrafttreten, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz (OLG Hamm NJW 1970 578) 18 , es sind jedoch die Sondervorschriften des Art. 308 EGStGB zu beachten. b) Ob die Verjährungsvorschriften (§§ 78 ff) zu den „Gesetzen" im Sinne des § 2 10 zu zählen sind, hängt wesentlich von der Rechtsnatur der Strafverfolgungsverjährung ab. aa) Früher wurde die Verjährung in der Rechtsprechung und von einem Teil des 11 Schrifttums 19 materiellrechtlich als Strafaufhebungs- oder Unrechtsaufhebungsgrund begriffen (materiellrechtliche Verjährungstheorie). Bis vor kurzem meinte die herrschende Auffassung, daß die Verjährungsvorschriften dem Verfahrensrecht zugehörig seien (prozessuale Verjährungstheoriej20. bb) Richtig ist es jedoch, die Verjährung als gemischtes Rechtsinstitut aufzufas- 12 sen, das verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Züge trägt (gemischte Vetjährungstheorie)^. Sie ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund, der verfahrensrechtlich als Prozeßhindernis ausgestaltet ist ( Jescheck AT § 83 I l) 2 2 . Diese gemischte Theorie entspricht allein dem geltenden Recht. Die rein prozessuale Theorie ist nicht mehr haltbar, seit dem der Völkermord (§ 220 a) unverjährbar ist (seit 9. StRÄndG 1969, § 78 Abs. 2) 23 . Auch § 78 Abs. 1, der nicht mehr auf den Ausschluß der Straf-

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BGH St. 6 155, RGSt. 75 311 m. Anm. Bockelmann DR 1941 2182, RGSt. 77 106; OLG Bamberg HESt. 2 215, OLG Saarbrücken NJW 1974 1010; h. M„ Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 II 2; Welzel § 10 V; zweifelnd Jescheck AT § 15 IV 4; ferner Sch.-SchröderEser Rdn. 8; vgl. jedoch Sch.-Schröder-Stree § 77 Rdn. 8. RGSt. 75 310, 76 328, 77 106, 183; vgl. BGHSt. 20 27; OLG Hamm NJW 1961 2030; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 II 2, § 75 II A 2; Sch.-Schröder-Stree § 77 Rdn. 8; Baumann § 12 I 2 b ; a. A. mit beachtlichen Gründen Jescheck AT § 15 IV 4; H. Mayer 1967 § 7 I 2, insbesondere Pieroth JuS 1977 396 m. weit. Nachw. RGSt. 77 183; Dreher Rdn. 7; Meyer LR § 354a StPO Anm. 5. RGSt. 12 436, 40 90, RG GA Bd. 47 159; BelingZStW 39 (1918) 663, insbesondere Lorenz Die Verjährung in der deutschen Strafgesetzgebung, 1955 S. 49 ff m. weit. Nachw. ferner auch bei Jescheck AT § 83 I 1 Fußn. 2. BGHSt. 2 306, 4 384, 8 270, 11 395, 20 27; BGH NJW 1952 271, 1956 110; BVerfGE 1 423 = NJW 1953 177, BVerfGE 25 295 = NJW 1969 1060; RGSt. 75 311, 76 161, 328, 77 183, 201, 206; offengelassen in BGHSt. 21 367. Binding Handbuch S. 823; Kohlrausch-Lange § 67 Anm. I; Maurach-Zipf KT Teilb. 1 § 12 II 2, § 75 II A 2; Mösl LK § 66 Rdn. 6; Mezger-Blei AT §13 2b, §102111; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8; Sch.-Schröder-Stree § 78b Rdn. 6 m. weit. Nachw., ebenso bei Jescheck § 83 I 1 Fußn. 4; Maunz-Därig Art. 103 G G Rdn. 109; Körting NJW 1969 1392. So schon RGSt. 59 199, 66 328. So ferner Rudolphi SK vor § 78 Rdn. 10 a. E.; ferner Welzel § 34 IV l b ; Baumann AT § 30 III; Schultz M D R 1969 19. Dreher Rdn. 3 vor § 78.

§2

I. Abschnitt. Das Strafgesetz

Verfolgung, sondern auf die "Ahndung der Tat" abstellt, spricht mehr für die gemischte Theorie 2 4 . cc) Gleichgültig, welcher Verjährungstheorie man anhängt, wirkt die Verkürzung der Verjährungsfrist allemal zurück (BGHSt. 21 370). Dasselbe gilt, wenn sich nach der Tat die Deliktsart oder die Strafdrohung eines Tatbestandes in verjährungserheblicher Weise ändert. Denn maßgebend können nur die dem anzuwendenden (§ 2 Abs. 3) sachlichen Recht zugeordneten Verjährungsvorschriften sein : Wird eine Ordnungswidrigkeit ein Vergehen, so bleibt es bei der sich aus § 31 Abs. 2 OWiG, § 26 Abs. 3 StVG ergebenden Verjährungsfrist, wird ein Verbrechen Vergehen, so ist grundsätzlich die für das betreffende Vergehen bestimmte (§ 78 Abs. 3) Verjährungsfrist maßgebend (vgl. Art. 309 Abs. 3 EGStGB) 2 5 . Wird eine Übertretung eine Ordnungswidrigkeit, dann verbleibt es bei der kürzeren Verfolgungsverjährung der Übertretung (OLG Saarbrücken NJW 1974 1010). Es ist jedoch zu beachten, daß § 78 c 2 6 den Grundsatz des § 2 Abs. 3 insoweit generell einschränkt, als im Falle einer Verkürzung der Verjährungsfrist während eines Strafverfahrens durch ein Gesetz, etwa durch Herabstufung eines Verbrechens zu einem Vergehen, vor der Rechtsänderung nach altem Recht wirksame Unterbrechungshandlungen wirksam bleiben, selbst wenn zur Zeit der Unterbrechung die Verfolgung nach dem neuen Recht (vgl. § 2 Abs. 3) bereits verjährt gewesen wäre. Abweichend vom früheren Recht (BGHSt. 22 375) kann die mit einer Verkürzung der Verjährungsfrist verbundene Milderung des sachlichen Rechts eine nach altem Recht wirksame Unterbrechung daher nicht mehr gegenstandslos machen 2 7 . Nach Art. 309 Abs. 2 EGStGB gilt das bisherige Recht für Unterbrechungshandlungen, die vor dem 1.1. 1975 vorgenommen wurden (vgl. ferner Art. 309 Abs. 4, 5 EGStGB). 14

dd) Der Streit der Verjährungstheorien (Rdn. lOff) erfuhr Mitte der Sechziger Jahre in der Frage der Verfolgbarkeit und der Verfolgung nationalsozialistischer Mordtaten eine große Bedeutung. Bis dahin war die Meinung herrschend, daß die Verjährung ein Prozeßinstitut sei 2 8 und das Rückwirkungsverbot daher im Falle einer nachträglichen Verlängerung von Verjährungsfristen nicht gelte. Schon im vergangenen Jahrhundert überwogen die Anhänger einer Rückwirkung strengerer Verjährungsvorschriften 2 9 . Der Streit ruhte seit 60 Jahren, bis er im Jahre 1965 in der Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist für nationalsozialistische Mordtaten neu ausbrach 3 0 . Es standen sich nicht nur die Anhänger der prozessualen Theorie denen der materiellen (und gemischten) Verjährungstheorie gegenüber. Es gab auch Stimmen (Adolf Arndt), die eine Fristverlängerung trotz der verfahrensrechtlichen Natur der Verjährung für unzulässig hielten, und andere (Bockelmann), die für eine Verlängerung eintraten, selbst wenn man die Verjährung als materiellrechtliches oder gemischtes Institut ansähe (Näheres bei Bemman JuS 1965 331). Der Pro24 25

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Lackner i n Anm. 1. BGH LM § 2a Nr. 4; BGH bei Daliinger MDR 1954 335; Sch.-Schröder-Stree §78 Rdn. 11 m. weit. Nachw.; Kohlrausch-Lange § 67 Anm. III; a. A. Jagusch LK 8. Aufl. § 67 Anm. 3. Art. 94 des 1. StrRG (1969) und § 68 Abs. 4 StGB i. d. Fass. d. Art. 1 Nr. 3 des 4. StrRG (1973) folgend. WulfiZ 1970 163; Dreher § 78 c Rdn. 23; Lackner § 78 c Anm. 1. Nachweise oben bei Fußn. 20. Hierzu im einzelnen Welzel, 10. Aufl. § 5 II 5; Schreiber ZStW 80 (1968) 352ff; Schocket Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots S. 67. Im ausländischen Schrifttum Graven SchweizZStR Bd. 81 119. (72)

§2

Zeitliche Geltung (Tröndle) 31

blematik der Streitfrage kann hier nicht nachgegangen werden . Sie reicht über die eigentlichen Sachfragen des § 2 (Art. 103 Abs. 2 GG) hinaus 32 . Das Gesetz über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 15 13.4.1965 (BGBl. 1315 - BerechnG - ) hat, um Mordtaten aus dem Zweiten Weltkrieg weiter verfolgen zu können, bestimmt, daß bei Verbrechen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, die Zeit vom 8. 5. 1945 bis zum 31. 12. 1949 für die Berechnung der Verjährungsfrist außer Ansatz bleibt (§ 1 Abs. 1). Inzwischen ist durch das 9. StRÄndG vom 4. 8. 1969 (BGBl. I S. 1065) die weitere Verfolgung der Mordtaten aus dem Zweiten Weltkrieg dadurch ermöglicht worden, daß jede Verjährungsfrist von Völkermord beseitigt (§ 66 Abs. 2 a. F., jetzt § 79 Abs. 2) und die Verjährungsfrist für Verbrechen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder im Höchstmaß mit zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als 10 Jahren bedroht sind, auf 30 und 20 Jahre heraufgesetzt worden ist (§ 67 Abs. 1 Nr. 1, 2 a. F., jetzt § 79 Abs. 3 Nr. 1, 2). Sowohl das BerechnG (§ 1 Abs. 2) als auch das 9. StRÄndG (Art. 3) haben jedoch ausdrücklich bestimmt, daß die Vorschriften für Taten nicht gelten, die beim Inkrafttreten dieser Gesetze bereits verjährt waren (Ablehnung der sog. „großen Rückwirkung"). Der Gesetzgeber hat also lediglich eine nachträgliche Verlängerung solcher Verjährungsfristen mit Art. 103 Abs. 2 GG (§ 2 Abs. 3) für vereinbar gehalten, die noch nicht abgelaufen waren (sog. „kleine Rückwirkung"). Das BVerfG 33 ) hat das BerechnG ausdrücklich für zulässig angesehen, da Art. 103 Abs. 2 GG nur die rückwirkende Strafbegründung und Strafverschärfung verbiete, nichts aber über die Dauer des Zeitraums besage, in dem die Tat verfolgt und geahndet werden darf. c) Keine Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung Schrifttum Bergschneider DAR 1967 45 ; Boers Rückwirkende Anwendung der 1,3-Promillegrenze NJW 1967 1310; Eckert Entsch.Anm. zu OLG Karlsruhe NJW 1968 1390; Groß Über das „Rückwirkungsverbot" in der strafrechtlichen Rechtsprechung, GA 1971 13; Grunsky Grenzen der Rückwirkung bei einer Änderung der Rechtsprechung, 1970; Haffke Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG bei Änderung der Rechtsprechung zum materiellen Recht, Diss. Göttingen 1970; Haffke Pro-mille-Grenze und Rückwirkungsverbot, Blutalkohol 1972 32; Hanack JZ 1967 300; Händel Anwendung des Beweisgrenzwerts von 1,3 %o auf vor dem 9. 12. 1966 begangene Taten, NJW 1967 537; Kisker Die Rückwirkung von Gesetzen (eine Untersuchung zum anglo-amerikanischen und deutschen Recht), Tübingen 1963; Knittel Zum Problem der Rückwirkung bei Änderung der Rechtsprechung, Juristische Studiengesellschaft

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Hierzu Jescheck AT § 8 3 1 1 , 2 ; Schäfer LR Einl. Kap. 10 Β 5b; Stratenwerth AT I Rdn. 69. Für die Zulässigkeit der nachträglichen Verlängerung von Verjährungsfristen: Klug JZ 1965 331 ; Calvelli-Adorno NJW 1965 273, 1952; Bemmann JuS 1965 331 ; Benda Verjährung und Rechtsstaat (1965) S. 24; Frost DRiZ 1965 89; Kirn ZRP 1968 3; Naucke ZRP 1969 8; Maunz-Dürig Art. 103 GG Rdn. 109; Fuhrmann JR 1965 15; Wassermann JR 1965 223. Dagegen: Grünwald MDR 1965 521 ; Ad. Arndt NJW 1961 14, JZ 1965 147; Richard Schmid NJW 1965 1952; Pawlowski NJW 1965 287, 1969 594; Lorenz GA 1968 300; Jescheck AT § 15 IV 4, § 83 I 1, 2; Schreiber ZStW 80 (1968) 348; Jantsch DRiZ 1968 196; Mischnick ZRP 1968 63; Schultz MDR 1969 18; Willms JZ 1969 60. Vgl. auch Baumann AT § 12 I 2 b ; weitere Angaben bei Bemmann JuS 1965 331 und Grünwald MDR 1965 521 ; Haffke Das Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG, Diss. Göttingen (1970) 134. BVerfGE 25 295 = NJW 1969 1059; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8; Sch.-Schröder-Stree § 78 b Rdn. 6; a. A. Grünwald MDR 1965 522; kritisch: Jantsch DRiZ 1968 196, vgl. auch Willms JZ 1969 60; Schultz MDR 1969 906.

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§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Karlsruhe, Schriftenreihe 94, 1970; Kohlmann Der Begriff des Staatsgeheimnisses und das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften, Köln 1969; Mattil Zeit und materielles Strafrecht GA 1965 129; Mayer-Ladewig Der Satz „nulla poena sine lege" in dogmatischer Sicht, MDR 1962 262; Messmer DAR 1967 45; Müller-Dietz Verfassungsbeschwerde und richterliche Tatbestandsauslegung im Strafrecht, Maurach-Festschrift (1972) 41 ; Naucke Entsch.Anm. zu OLG Karlsruhe NJW 1968 758; Naucke Rückwirkende Senkung der Promillegrenze und Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) NJW 1968 2321 ; Radbruch Der Geist des englischen Rechts 4. Aufl. 1958 S. 60; Riese Rückwirkende Senkung der Promillegrenze und Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG), NJW 1969 549; Rudolphi Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums 1969 S. 98, 106; Sarstedt Festschrift für Ernst E. Hirsch S. 171 ; Schreiber Rückwirkungsverbot bei einer Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht, JZ 1973 713; Straßburg Rückwirkungsverbot und Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht, ZStW 82 (1970) 948; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz 1960 S. 80ff; Tröndle Rückwirkungsverbot bei Rechtsprechungswandel? Eine Betrachtung zu einem Scheinproblem der Strafrechtswissenschaft, Dreher-Festschrift (1977) 117. 17

Nicht zu den „Gesetzen" im Sinne des § 2 gehören Auslegungsgrundsätze, mögen sie auch bekannt sein und als höchstrichterliche Rechtsprechung allgemein beachtet werden. D i e richterliche Gesetzesauslegung fällt nach fast einstimmiger Auffassung der Rechtsprechung 3 4 nicht unter das Rückwirkungsverbot. Diese Meinung wird auch im Schrifttum überwiegend vertreten 3 5 , wenn auch in jüngerer Zeit in der Literatur G e g e n m e i n u n g e n 3 6 zunehmen, die allerdings nach dem geltenden Recht unhaltbar sind und für das künftige Lösungen nicht zu bieten vermögen.

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§ 2 und mit ihm Art. 103 Abs. 2 G G heben in der Frage des Rückwirkungsverbots ausdrücklich auf das „Gesetz" ab (und nicht etwa auf „Gesetz und Recht", vgl. Art. 20 Abs. 3 GG). Mag hier unter „Gesetz" auch der gesamte sachliche Rechtszu34

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BGH VRS 32 229, KG VRS 32 264, BGH bei Daliinger MDR 1970 196 und bei Herían GA 1971 37; (aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für nichtstrafrechtliche Rechtsgebiete: BVerfGE 18 240 = NJW 1965 245); ferner KG NJW 1967 1766 L, OLG Karlsruhe NJW 1967 2167, OLG Celle NdsRpfl. 1968 90, OLG Frankfurt NJW 1969 1635, OLG Oldenburg OLGSt. §316 S. 15; weit. Nachweise bei Groß GA 1971 15 Fußn. 15. A. A. nur LG Düsseldorf NJW 1973 1054 krit. dazu Blei JA 1973 133. Jescheck AT § 15 IV 3 Fußn. 33; Maurach AT (4. Aufl.) § 12 II 2; Dreher § 1 Rdn. 11 a. E.; Lackner § 1 Anm. 1 b; Tröndle Vorauf! § 2 Rdn. 53 bis 55 und in Dreher-Festschrift (1977) 117; Schmidhäuser AT 5/39; Preisendanz § 1 Anm. I 2; Möhl-Rüth § 316 StGB Rdn. 13; Cramer StVG § 316 StGB Rdn. 8; Welzel § 67 V 2 Aa; Haffke Diss. S. 139 ff, Blutalkohol 1972 32; Händel NJW 1967 537 NJW 1974 248; Eckert NJW 1968 1390; Sarstedt Festschrift für Ernst E. Hirsch S. 184; Riese NJW 1969 549; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 98, 104f, aber a. A. auf S. 107 f für BGHSt. 21 157 (Rdn. 21); Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz S. 80ff; Bockelmann Niederschriften Bd. 3 S. 289 und AT (1973) §4114; Mayer-Ladewig MDR 1962 264; Heusinger Rechtsfindung und Rechtsfortbildung 1975 S. 102; Radbruch Der Geist des englischen Rechts S. 60; zustimmend vor allem auch Sch.Schröder-Eser Rdn. 9, der jedoch in Rdn. 9 a bei formelhaft festgelegter konformer Rechtsprechung (Promille-Grenze!) das Rückwirkungsverbot anwenden will. Insbesondere, wenn auch in mancherlei Differenzierung: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9, 9 a; ferner Schreiber SK § 1 Rdn. 6; Maunz-Dürig-Herzog Art. 103 GG Rdn. 112 Fußn. 2; Jagusch Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. § 316 StGB Rdn. 14a; Baumann § 12 I 2 a ; Hanack JZ 1967 300, 1970 44; Naucke NJW 1968 758, 2321; Kohlmann Staatsgeheimnis S. 269; Groß Diss. S. 84, GA 1971 18; Grunsky Grenzen der Rückwirkung S. 14; KnittelZum Problem der Rückwirkung S. 55; Schreiber ZStW 80 (1968) 348, JZ 1973 713; Müller-Dietz Maurach-Festschrift S. 41 ; Straßburg ZStW 82 (1970) 948; Mattil GA 1965 140; Messmer und Bergschneider DAR 1967 45; Boers NJW 1967 1310; vgl. ferner Kratzsch G A 1974 192. (74)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

stand zu verstehen sein (Rdn. 4), von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätzen kann hingegen, solange Gesetzgebung und Rechtsprechung funktionsgerecht begriffen werden, ein Rückwirkungsverbot nicht beigelegt werden. Rechtsprechungswandel ist etwas anderes als eine Gesetzesänderung. Diese ändert das genormte Recht für jedermann verbindlich. Das — rechtsstaatlich selbstverständliche — Rückwirkungsverbot für Gesetze läßt sich auf die richterliche Entscheidungstätigkeit nicht übertragen. Der Richter entscheidet immer nur den konkreten Fall im Rahmen der gesetzlichen Normen. Insoweit entscheidet er immer über einen zurückliegenden Fall und erkennt, was im Zeitpunkt der Entscheidung aufgrund der gesetzten Normen rechtens ist. Weicht er von seiner früheren oder von einer bisher herrschenden Rechtsprechung ab, so weniger, weil er neues Recht setzt, sondern weil er im konkreten Fall innerhalb des gesetzten Rechts das richtige Recht findet (ähnlich Radbruch, Bockelmann). Hierauf zu erkennen, ist der Richter verpflichtet. Niemand, auch nicht der Gesetzgeber, kann ihm dies verbieten noch anderes von ihm verlangen. Hier liegt der Lebensnerv des wandelbaren Rechts überhaupt, das nicht in den Präjudizien zementiert werden darf, sondern stets als lebendige Ordnungsmacht in seinem Gegenwartssinn zu verstehen ist (LK § 1 Rdn. 46). Soweit ein Rechtsprechungswandel de facto rückwirkende Kraft auslöst, folgt dies nicht aus einem Normgebot (kein Richter ist per se verpflichtet, einem solchen Wandel zu folgen!)37, sondern aus der stärkeren Überzeugungskraft der richtigen Entscheidung, die sich Geltung verschafft hat und die dann als höchstrichterliche Rechtsprechung größeren Einfluß auf die Instanzgerichte nimmt. Im übrigen wird mit Recht daraufhingewiesen 38 , daß das Rückwirkungsverbot 19 für das Gesetzesrecht nicht ohne weiteres auf das Richterrecht übertragen werden könne, weil der Änderung des Richterrechts sehr viel engere Grenzen gezogen sind als der des Gesetzesrechts. Der Richter muß sich allemal an die durch den Gesetzeswortlauf gezogenen Grenzen halten, im Strafrecht gilt zudem das Analogieverbot. Änderungen in der Rechtsprechung bringen daher weniger etwas grundsätzlich Neues als eine nähere Bestimmung darüber, wie das genormte Recht zu verstehen und auszulegen ist. Was im Gesetz bereits enthalten ist, wird entfaltet und näher konkretisiert. Mögliche Änderungen der Rechtsprechung sind im Gesetz bereits vorgezeichnet. Nun wird zwar entgegengehalten, daß gesetzliche Rechtsschöpfung und richter- 20 liehe Rechtsanwendung stark ineinandergreifen, Rechtsnormen erst durch die richterliche Tätigkeit ihren Inhalt empfangen 39 . Das ist gewiß in dem Umfang so, als der Gesetzgeber bei der Ausformung der Tatbestände richterlichen Ermessensspielraum ließ oder dem Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit nicht vollkommen nachzukommen vermochte (LK § 1 Rdn. 13). Dies kann Anlaß geben, das Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit noch ernster zu nehmen, soweit aber der Gesetzgeber Freiraum für die Rechtsprechung läßt, wird die in diesem Bereich entwickelte Rechtsprechung, auch wenn sie „gefestigt" ist, nicht etwa „Gesetz", sie darf auch nicht gesetzesgleich behandelt werden 39a . Selbst der Gesetzgeber könnte dies nicht dekretieren, weil damit im Ergebnis Gesetzgebung und Rechtsprechung ununter37

Nowtikowski (Gutachten für den 45. Juristentag 1964 S. 8): Richterrecht ist von „geringerer Verbindlichkeit und Konstanz". 38 Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 98, vgl. auch Schmidhäuser AT 5/39. 39 Müller-Dietz Maurach-Festschrift S. 43; Groß G Κ 1971 19; Kohlmann Staatsgeheimnis S. 279; hierzu auch Κ rey Studien S. 90 ff. 39a Vgl. im einzelnen Tröndle Dreher-Festschrift (1977) 135. (75)

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

scheidbar würden, abgesehen davon, daß der Gesetzgeber auf diese Weise seine eigentliche Aufgabe zu Lasten der Rechtsprechung vernachlässigen könnte. 21

Der Streit um die Frage des Rückwirkungsverbots bei Änderung der Rechtsprechung wurde 1966 neu entfacht, als der BGH die Promillegrenze für den Beweis absoluter Fahruntüchtigkeit (§ 315c Abs. 1 Nr. l a , § 316) von l,5%o auf 1,3 %> gesenkt hatte (BGHSt. 21 157) und die Gerichte diese Rechtsprechungsänderung auch rückwirkend anwandten 4 0 . Hier wurde tatsächlich eine seit längerem gefestigte und praktisch ausnahmslos beachtete Auslegungsregel von einem Tag auf den anderen aufgegeben. Die Problematik der Rückwirkung von Richterrecht schien besonders zutage zu treten. Freilich nur bei vordergründiger Beurteilung. Bei der Kontroverse im Schrifttum wurde nämlich übersehen oder vernachlässigt, daß der BGH die Frage der Promillegrenze von jeher 4 1 mit Recht dem formellen Recht zugehörig angesehen hatte 4 2 . Damit können, da das Prozeßrecht dem Rückwirkungsverbot ohnehin nicht unterliegt (Rdn. 8), von vornherein auch die zum formalen Recht gehörende Rechtsprechungsgrundsätze eine solche Wirkung nicht entfalten (so ausführlich Hafjke Blutalkohol 1972 32) 43 . Aber auch wenn man mit Naucke (NJW 1968 2321) die Änderung der Promillegrenze als dem sachlichen Recht zugehörig ansähe, ließe sich ein Rückwirkungsverbot aus dem vielbemühten Vertrauensgrundsatz weder begründen noch rechtfertigen: Denn das Rückwirkungsverbot kommt dort, wo es gilt, selbstverständlich auch demjenigen zugute, der die Gesetzeslage vor ihrer Änderung nicht gekannt hat 4 4 . Außerdem ist, wer sich in relativer Fahruntüchtigkeit — und (inzwischen) unter ordnungswidriger Verhaltensweise (§ 24a StVG i. d. Fass. d. G ν. 20. 7. 1973 (BGBl. I S. 870) - im Bereich des Sicherheitszuschlags an die absolute Fahruntüchtigkeit herantrinkt, nicht schutzwürdig 45 .

22

Unhaltbar ist aber im geltenden Recht die Ausdehnung des Rückwirkungsverbots auf die Rechtsprechung, weil unerklärlich bleibt, wieso allein der Angeklagte, dessen Fall zur Rechtsprechungsänderung Anlaß gegeben und bei dem sie sich erstmals manifestiert hat, die Rückwirkung gegen sich gelten lassen muß, nicht aber andere Angeklagte, die später abgeurteilt werden, ihre Tat aber vor der Rechtsprechungsänderung begangen haben. Die heftigsten Kritiker der Rechtsprechung (ζ. B. Naucke) gehen über diese Ungereimtheiten hinweg. Andere Stimmen wollen dieser stoßenden Ungerechtigkeit dadurch abhelfen, daß ein „neuer Entscheidungsstil" kreiert wird, wonach die veränderte Norminterpretation auf ein obiter dictum beschränkt und für künftige Fälle vorbehalten wird, während der durch Entscheidung anstehende Fall nach herkömmlichen Auslegungsgrundsätzen entschieden wird (sog. prospective overruling, „von-nun-an-Klausel" oder „Änderungswarnung") 4 6 . 40 41 42

43 44

45

46

Nachweise oben bei Fußn. 34. Vgl. BGHSt. 5 170, 10 269, 13 84. Naucke NJW 1968 2321 ; Jagusch Straßenverkehrsrecht § 316 StGB Rdn. 24 behandeln sie als zum sachlichen Recht gehörend. Ähnlich Händel NJW 1967 537; Eckert NJW 1968 1390; Riese NJW 1969 549. Vgl. Schreiber ZStW 80 (1968) 362, auch JZ 1973 717; Grunsky Grenzen der Rückwirkung S. 11 ; vgl. Tröndle Dreher-Festschrift (1977) 121 f. Vgl. näher Vorauf!. Rdn. 55, ferner Hafflce Blutalkohol 1972 40; Tröndle Dreher-Festschrift (1977) 122. Dürig in Maunz-Dürig G G Art. 103 Rdn. 112 Fußn. 2; Baumann AT § 12 I 2 a ; Knittel zum Problem der Rückwirkung S. 59; Kohlmann Staatsgeheimnis S. 289; Straßburg ZStW 82 (1970) 967; Müller-Dietz Maurach-Festschrift S. 44; Grunsky Grenzen der Rückwirkung S. 25. Hiergegen Haffke Promillegrenze und Rückwirkungsverbot S. 139 ff, ferner Blutalkohol 1972 39; Tröndle Dreher-Festschrift (1977) 124f. (76)

Zeitliche G e l t u n g (Tröndle)

§2

Indessen hat Schreiber (JZ 1973 717), selbst ein Anhänger des Rückwirkungsverbots auf die Rechtsprechung, mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Entscheidungsstil sich nach dem geltenden Verfahrens- insbesondere dem Rechtsmittelrecht überhaupt nicht praktizieren lasse. Was sich prozessual aber nicht verwirklichen läßt, kann de lege lata auch nicht richtig sein. Im übrigen steht der großen Aufmerksamkeit, die das Problem der Rückwirkung 23 des Richterrechts rechtssystematisch und dogmatisch beanspruchen darf, eine verhältnismäßig bescheidene praktische Bedeutung gegenüber, jedenfalls insoweit, als nach den (verhältnismäßig wenigen) praktisch bekanntgewordenen Fällen eine Schutzwürdigkeit derer, zu deren Nachteil sich die Rückwirkung des Richterrechts ausgewirkt hätte, kaum zu erkennen ist. So bestand kein rechtsstaatliches Bedürfnis, eine mildere, aber unrichtige Rechtsprechung beispielsweise bei solchen Tätern zurückwirken zu lassen, die einen Betrug bei unsittlichen Geschäften begangen (RGSt. 44 230) 47 , sich innerhalb des Sicherungszuschlags an die alte Promillegrenze herangetrunken (Rdn. 21) oder in der Form eines „Sturztrunks" (BGHSt. 24 200) oder sonst eine Alkoholmenge zu sich genommen haben, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 1,3% führte (BGHSt. 24 246) 48 . Um einen „Vertrauensschutz" 49 konnte es in diesen Fällen ohnehin nicht gehen. Denn die Promillegrenze ist, mag sie liegen, wo sie will, für den Täter, während er trinkt, jedenfalls im kritischen Bereich, regelmäßig nicht genau erkennbar 50 . Außerdem werden von den Anhängern eines Rückwirkungsverbots von Recht- 24 sprechungsänderungen im künftigen Recht die gesetzestechnischen Schwierigkeiten eines prospective overruling ebenso unterschätzt wie die Problematik bei der praktischen Handhabung. Hierauf kann hier nicht näher eingegangen werden 503 . Zu erwägen wäre allenfalls die Einführung einer Art objektiven Verfahrens, das auf Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof mit dem Ziele anzustrengen wäre, unabhängig vom Anlaßverfahren und mit der Wirkung für künftige Fälle eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung einzuleiten (vgl. Schreiber JZ 1973 718). In ausländischen Rechten gibt es vergleichbare Rechtsinstitute 5 !. Freilich auch ein solches Rechtsinstitut könnte an der Tatsache nichts ändern, daß die Gerichte selbst befugt sein müssen, Rechtsprechungsänderungen auch auf zurückliegende Fälle anzuwenden, solange die Richter gehalten sind, für den konkreten Fall auf dem Boden des zur Tatzeit geltenden genormten Rechts die richtige und dem neuesten Stand der Erkenntnis entsprechende Sachentscheidung zu finden. 3. Das Gericht hat das Gesetz anzuwenden, das zur Zeit der Tat gilt (Absatz 1). a) Die Geltungszeit bestimmt sich nach dem In- und Außerkrafttreten des Strafgesetzes. Inkrafttreten bedeutet Wirksamwerden 52 . Es fällt regelmäßig nicht mit 47

Hinweise auf weitere Fälle bei Schreiber JZ 1973 713 Fußn. 7, 8. NJW 1974 246 m. Anm. Händel. 49 Auch in der zivilrechtlichen Rechtsprechung wird insoweit ein Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung nicht gewährt (z. B. BGHZ 60 102). Vgl. Herbert Schneider in: „25 Jahre Bundesgerichtshof" (1975) S. 328. 50 Wie Fußn. 45. 50a Vgl. im einzelnen Tröndle Dreher-Festschrift (1977) 127ff. 51 Ζ. B. in Frankreich: cassation dans l'intérêt de la loi, art. 620, 621 code de procédure pénale. 52 Schmidhäuser AT 5/60, 64; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11. 48

(77)

25

§2

I. Abschnitt. Das Strafgesetz

dem Gesetzerlaß zusammen. Meist besteht ein Zwischenraum. Wann Gesetze in Kraft treten, bestimmt Art. 82 Abs. 2 G G : An dem in ihnen bestimmten Tage, sonst am 14. Tage nach Ablauf des Ausgabetages des Bundesgesetzblattes. Tritt ein Gesetz oder eine Verordnung mit dem Tage der Verkündung in Kraft, so ist streitig, ob der Beginn dieses Tages (so R G Z 91 339), die Verkündungszeit (so RGSt. 57 49, 58 405) oder sein Ende maßgebend ist. Das letztere verdient den Vorzug nach der allgemeinen Verkehrsregel des § 187 Abs. 1 BGB (RGSt. 15 198), nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit der allgemeinen Kenntnisnahme, die RGSt. 56 337 zutreffend betont. Das Gesetz tritt nach Staatsrechtsgrundsätzen außer Kraft mit dem Eintritt des festgesetzten Endtermins, durch Aufhebung oder — ausnahmsweise — durch Gewohnheitsrecht (LK § 1 Rdn. 24). 26

b) Die Tat ist nach § 8 zu der Zeit begangen, zu der der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise im Anschluß an § 7 E 1962 die absolut herrschende M e i n u n g 5 3 kodifiziert. Im Falle des § 3 3 0 a kommt es daher nicht auf die Begehung der Rauschtat, sondern auf den Zeitpunkt des Sich-Berauschens an (LK § 8 Rdn. 2 a. E.) 5 4 . Die Besonderheiten bei Fortsetzungstaten u n d Dauerdelikten sind bei Rdn. 27 erläutert.

27

c) Gilt zur Tat- und Aburteilungszeit dasselbe Strafgesetz, so versteht sich dessen Anwendung von selbst. Das vor der Tat erlassene, bei ihrer Begehung wirksam und auch noch zur Zeit der Aburteilung geltende Gesetz kommt allein in Betracht. Die Versuchsstrafe ist anwendbar, wenn das Strafgesetz beim „unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes" (§22 Abs. 1) schon in Geltung war. Reicht die Tat in die Geltungszeit des Gesetzes hinein, so fällt sie insgesamt darunter (RGSt. 44 277), selbst wenn sie schon vor dem Inkrafttreten rechtlich vollendet, aber nicht beendet war. Bei der Fortsetzungstat und dem Zustands- und Dauerdelikt sind die Tätigkeitsakte, die vor dem strafrechtlichen Verbot begangen wurden oder zur Zeit der Verübung straflos waren, als Teile der Straftat und auch für die Strafzumessung auszuscheiden und nur diejenigen zur Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes zu verwerten, die in die Geltungszeit fallen 5 5 . Der letzte Teilakt entscheidet (RGSt. 56 56, 57 195) 56 . Dasselbe gilt für gewerbs- und gewohnheitsmäßige Vergehen, jedoch können abgeurteilte, verjährte, im Ausland begangene Tätigkeitsakte zum Nachweise d a f ü r dienen, daß eine jetzt abzuurteilende Handlung gewohnheitsoder gewerbsmäßig begangen ist und Handlungen, die vor der Geltungszeit des Gesetzes liegen und die damals noch nicht strafbar waren, als Beweis dafür, daß die in die Geltungszeit fallende Handlung aus Gewohnheit oder Gewerbsmäßigkeit begangen wurde 5 ^.

28

III. Absatz 2 regelt die Änderung der Strafdrohung während der Begehung der Tat: Es ist in Übereinstimmung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtspre53 54

55

Nachweise in der Voraufl. Rdn. 57. Stree JuS 1965 473 m. weit. Nachw.; Lay LK § 330a Rdn. 82, der allerdings übereinstimmend mit OLG Braunschweig (NJW 1966 1878) bei der Strafbegrenzung aus § 330a Abs. 2 auch auf den Zeitpunkt der Rauschtat abstellt. Α. A. OLG Braunschweig NJW 1966 1878 und Voraufl. § 2 Rdn. 57. RGSt 35 288,43 357, 44 278, 47 399, 54 303, 59 262, 62 3 ; OLG Köln MDR 1974 251.

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Jescheck AT § 15 IV 2b; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 II 3b; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12a; Blei AT § 13 2c.

57

So für die Gewerbsmäßigkeit: RGSt. 5 369. (78)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

chung 5 8 das Gesetz maßgebend, daß bei der Beendigung der Tat gilt (ebenso § 4 Abs. 2 OWiG). Ein neu eingeführter Strafschärfungsgrund ist auf eine fortgesetzte Handlung nur anwendbar, wenn wenigstens ein nach dem Inkrafttreten des schärfenden Strafgesetzes liegender Teil qualifiziert ist (RGSt. 57 195, RG H R R 1937 764). Aus der Einheitlichkeit der Fortsetzungs- und Dauerstraftat folgt die Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung. Absatz 2 betrifft nur die Änderungen in der Strafdrohung nicht in der Strafbarkeit überhaupt (E 1962 Begr. S. 106). Setzt die Strafbarkeit erst während der Tat, insbesondere einer fortgesetzten oder Dauerstraftat ein, so greift Absatz 2 nicht ein, vielmehr gilt das Rückwirkungsverbot nach Absatz 1 mit der Folge, daß Teilakte, die zur Zeit der Verübung straflos waren unberücksichtigt bleiben müssen und auch bei der Strafzumessung nicht in Ansatz gebracht werden dürfen 5 9 . Wurde die Strafdrohung verschärft, so dürfen die Teilakte einer Fortsetzungstat, die noch unter der Geltung der milderen Strafdrohung vorgenommen worden waren, nur entsprechend milder bei der Strafzumessung berücksichtigt werden 6 0 . IV. Absatz 3 dekretiert — in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht (§ 2 29 Abs. 2 S. 2) 6 0 a — ein Rückwirkungsgebot bei Gesetzesmilderung. 1. Das Rückwirkungsve/bot (Rdn. 1, 2, LK § 1 Rdn. 28) bleibt auf solche Rechtsänderungen beschränkt, die dem Täter nachteilig sind. Mildere Gesetze sind stets rückwirkend anzuwenden (ebenso § 4 Abs. 3 OWiG). Ob die Gesetzesmilderung auf einer „geläuterten Rechtsauffassung" beruht, ist unerheblich 6 1 . Die Gesetzesmilderung ist aus der Gegenüberstellung beider Gesetze zu ermitteln und nicht etwa allein aus ihren Strafdrohungen (RGSt. 33 190). Ein „Zwischengesetz", das zur Zeit der Tat noch nicht galt und bei der Aburteilung nicht mehr gilt, ist bei der Ermittlung des „mildesten" Gesetzes einzubeziehen 62 . Absatz 3 setzt im übrigen voraus, daß beide Gesetze denselben Gegenstand behandeln 6 3 . Es ist also vor einer Vergleichung der verschiedenen Gesetze zunächst zu prüfen, ob der Unrechtskern der Tat erhalten geblieben oder ein völlig neuer Unrechtstyp geschaffen worden und damit die bisherige Strafvorschrift ersatzlos weggefallen ist 6 4 . Dies gilt auch dann, wenn das neue Gesetz Qualifikationstatbestände des früheren Gesetzes beseitigt und neue eingeführt hat. Der Große Senat hat diese Frage aus Anlaß der Neufassung des § 250 durch das EGStGB 1974 entschieden und die Kontinuität des Unrechtstyps bei einer vor dem 1.1. 1975 begangenen Tat bejaht, die nach altem Recht „Straßenraub" (§ 250 Abs. 1 Nr. 3 a. F.) und nach neuem Recht Raub mit nicht geladenen Waffen (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 n. F.) war. Der Große Senat hat in diesen Modalitäten der Tatverwirklichung den gemeinsamen Unrechtskern in der gewaltsamen Weg58

RGSt. 43 355, 49 356, 50 348, 51 174, 54 318, 56 56, 57 195, 62 5, 68 338, 71 94, 74 133, 77 221; BGH bei Daliinger M DR 1967 12; a. A. noch RGSt. 40 355, 44 278. 59 Vgl. oben Rdn. 27; E 1962 Begr. S. 106; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15; Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 2; Schreiber SK Rdn. 4. 60 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 14; Schreiber SK Rdn. 4. 60a Zur geschichtlichen Entwicklung Mazurek JZ 1976 233. 61 BGHSt. 6 30, 20 181; Die abweichende ältere Rechtsprechung RGSt. 51 154, 60 123; BayObLGSt. 54 3, 61 81 ist überholt. 62 E 1962 Begr. S. 107; Jescheck AT § 15 IV 5; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A a. E.; Welze! § 6 I 2; Blei § 13 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 19; Schreiber SK Rdn. 6. 63 RGSt. 13 253, 47 414, 51 153. 64 BGHSt. 26 172. (79)

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

nähme gesehen, den sonstigen Qualifikationsmerkmalen in diesem Zusammenhang keinen tiefgreifenden Wesensunterschied im Vergleich zu den als Strafzumessungsregeln geltenden besonders schweren Fällen beigemessen (BGHSt. 26 173)65 und die Verurteilung des Täters, da seine Tat auch nach neuem Recht schwerer Raub und nicht milder zu bestrafen ist, nach § 250 Abs. 1 Nr. 3 a. F. gutgeheißen. Entsprechend wurde auch entschieden, bei einer Tat, die zur Tatzeit Raub zur Nachtzeit (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 a. F.) und nach neuem Recht Raub mit einer Scheinwaffe (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 n. F.) war (BGH NJW 1975 2303)66. Von einem ersatzlosen Wegfall des alten Gesetzes wird man auch dann nicht ohne weiteres ausgehen können, wenn sich der Schutzzweck desselben Tatbestandes in einem wesentlichen Bereich geändert hat 67 . 30

2. War eine Tat zur Begehungszeit strafbar, ist das Strafgesetz aber zur Zeit der Aburteilung ersatzlos weggefallen, so unterbleibt eine Bestrafung 68 . Auch das ergibt sich aus Absatz 3. Milder ist das Gesetz, das für den konkreten Fall die mildere Verurteilung zuläßt (BGHSt. 20 22, 75) 69 . Wo jede beliebige Milderung berücksichtigt werden muß, muß dies auch für die äußerste Milderung, die Aufhebung der Strafbarkeit gelten 70 . Sogar das Revisionsgericht (vgl. § 354 a StPO) muß eine Gesetzesmilderung nach der tatrichterlichen Verurteilung berücksichtigen (BGHSt. 20 77) 71 . Vgl. hierzu unten Rdn. 42, 43.

31

3. Absatz 3 ist ferner (entsprechend) anwendbar, wenn eine Straftat in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt wird. Hierüber besteht in der neueren Rechtsprechung 72 und im Schrifttum 73 Einigkeit. Das gilt auch dann, wenn die nunmehrige Geldftw/îdrohung höher ist als die frühere Gelds/ra/drohung, denn die Ordnungswidrigkeit entbehrt des auch einer Übertretung eigenen kriminellen Charakters und sie kann auch nicht, anders als eine Übertretung, nicht mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden 74 .

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Hiergegen mit beachtlichen Gründen TiedemanniZ 1975 693 m. weit. Nachw.; ferner Blei JA 1976 29; MazurekiZ 1976 235; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A; Mohrbotter ZStW 88 (1976) 923. Noch einmal abgedruckt in NJW 1976 248. Hierzu Loos in einer Anmerkung zu OLG Köln JR 1975 274, KG NJW 1976 813; a. A. wohl Tiedemann (Karl-Peters-Festschrift [1974] 204 f), der in diesem Zusammenhang auf die durch die Garantiefunktion des Gesetzes abgedeckte Unrechtstypisierung abstellt. BGH 1 StR 631/54 v. 8.4. 1955. RGSt. 71 43, 75 31 m. Anm. Bockelmann DR 1941 2182, BGH M D R 1964 160; Jescheck AT § 15 IV 5; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20. OLG Celle GA 1953 184, BayObLG NJW 1961 688, 1976 528, OLG Frankfurt NJW 1965 264; Meyer LR § 354a StPO Rdn. 4 m. weit. Nachw.; Tiedemann Karl-Peters-Festschrift S. 194 ff. OLG Saarbrücken NJW 1974 1009; früher abweichend BGHSt. 6 33; BGH NJW 1954 39. BGHSt. 12 154, BayObLGSt. 1952 238, 1953 116, BayObLG NJW 1961 689, 1317, 1969 2296, 1971 1816; OLG Düsseldorf NJW 1969 1221; OLG Hamm NJW 1953 274, OLG Celle GA 1953 184, OLG Koblenz NJW 1971 1067, OLG Saarbrücken OLGSt. § 2 S. 6 und NJW 1974 1009; a. A. aber unrichtig und überholt: OLG Köln NJW 1953 1156. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 22; Dreher Rdn. 10; Lackner Anm. 3 a; Schreiber SK Rdn. 8; Jescheck AT § 15 IV 5 Fußn. 40. BayObLG NJW 1969 2296, OLG Saarbrücken NJW 1974 1009. (80)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

Wird eine Straftat in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt, so ist ein anhängi- 32 ges Verfahren indessen nicht nach § 206 a StPO einzustellen 75 , sondern wie sich im Zusammenhang mit § 82 OWiG ergibt, nunmehr als Ordnungswidrigkeit zu ahnden 7 6 , was zur Anwendung der Verfahrens- und Rechtsmittelvorschriften des OWiG führt 7 7 . 4. Absatz 3 enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im gesamten 33 Ordnungswidrigkeitenrecht gilt, früher aufgrund analoger Anwendung des § 2 Abs. 3 (BayObLGSt. 1961 81), seit 1968 aufgrund ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (jetzt § 4 Abs. 3 OWiG). Dieser Rechtsgrundsatz gilt auch im Verhältnis des Besatzungsrechts zum deutschen Recht (BGHSt. 12 154) und schließlich auch für das Disziplinarrecht, zumindest, soweit der allgemeine gesetzliche Strafrahmen in Betracht kommt (BGHSt. IS 228 zum anwaltlichen Ehrengerichtverfahren). 5. Zwischen dem alten und dem neuen Recht ist eine konkrete Vergleichung 34 durchzuführen. Die Gesetze sind also nicht etwa als ganzes oder in ihren einzelnen Normen abstrakt zu vergleichen 78 . Zu untersuchen ist, welches Gesetz die mildeste Beurteilung des vorliegenden Falles erlaubtDer Fall ist nach dem alten wie nach dem neuen Recht nach allen Richtungen zu prüfen. Das gilt auch bei Änderung der ausfüllenden Norm bei den Blankettgesetzen (Rdn. 7). Beim Vergleich der beiden Strafgesetze sind auch sachlichrechtliche Gesichtspunkte verwertbar 7 9 3 , verfahrensrechtliche Bestimmungen haben beiseite zu bleiben (Rdn. 8). Mit dem In- und Außerkrafttreten wirken sie für und gegen den Angeklagten. Dies gilt vor allem für den Strafantrag (Rdn. 9). Das Antragsdelikt ist im Verhältnis zum sonst gleichliegenden Offizialdelikt nicht das leichtere Gesetz 80 . Zur Frage der Verjährung Rdn. 10 ff. a) Die Prüfung hat für Täter und Teilnehmer selbständig zu geschehen. Unter 35 Umständen kann der Täter nach einem anderen Strafgesetz verurteilt werden als der Gehilfe (RG HRR 1928 1526). Dasjenige Recht ist milder, das die mildere Aburteilung zuläßt 81 . b) Zunächst hat sich die Vergleichung auf den gesetzlichen Tatbestand und auf 36 alle sonstigen Bezugsstellen zu erstrecken, die den Tatbestand begrifflich ergänzen (Rdn. 5, 6). Dabei ist auch der besondere Anwendungsbereich des ergänzenden Begriffs zu berücksichtigen, ζ. B. die später eingetretene Unpfändbarkeit der nach 75

So aber noch für das alte Recht O L G Köln N J W 1953 1156 und BGHSt. 12 154. BayObLG J R 1969 350 m. Anm. Kohlhaas, O L G Oldenburg M D R 1972 346, O L G Koblenz N J W 1971 1067, O L G Saarbrücken N J W 1974 1010 m. weit. Nachw. 77 O L G Karlsruhe M D R 1974 858, O L G Frankfurt M D R 1974 859. 78 Ständ.Rspr., ζ. B. B G H J R 1953 109, B G H N J W 1953 1439, 1955 1406, B G H M D R 1964 160, BGHSt. 20 75; RGSt. 33 190, 43 125, 50 404, 60 125, 61 135, 64 362, 71 42, 75 310; BayObLG M D R 1972 884, O L G Karlsruhe N J W 1970 2072, O L G Koblenz N J W 1973 1761 m. Anm. Hinze N J W 1973 2216, Mazurek J Z 1976 234. 79 O L G H a m m M D R 1974 593 u n d G A 1975 26. 79a So sind die Vorschriften über den strafbefreienden Rücktritt (§ 24 Abs. 1 n. F.) gegenüber dem früheren Recht milder (BGH bei Daliinger M D R 1975 724). 80 RGSt. 75 310, 77 106, R G DJ 1941 1149, R G D R 1940 1671 ; a. A. Jescheck AT § 15 IV 4; RGSt. 46 269. 81 RGSt. 1 191, 33 187, 43 122, 54 170, 57 121, 60 124, 369, 61 135, 64 362, 71 42, R G D R 1941 2180. 76

(81)

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

§ 289 weggenommenen Sache82, das nachträgliche Freiwerden eines Warenzeichens, das nachträgliche Entfallen der Bilanzpflicht für eine Gruppe von Kaufieuten (RGSt. 33 187), das spätere Hinausrücken des Bilanztermins durch § 39 HGB (RGSt. 34 37). 37

c) Der Vergleich ist ferner auf alle Straffolgen zu erstrecken, die die beiden Gesetze vorsehen83. Für die Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt die Sondervorschrift des § 2 Abs. 6 (Rdn. 52). Zivilrechtliche Folgerungen bleiben außer Betracht. 38 Es sind zunächst die Strafdrohungen (Strafart, Strafrahmen und Nebenstrafen) einander gegenüberzustellen, zugleich sind aber auch die allgemeinen Vorschriften über die Rechtsfolgen der Tat (§§ 38 ff) 84 , insbesondere die besonderen gesetzlichen Milderungsgründe und deren etwaiges Zusammentreffen (§§ 49, 50), sowie Strafschärfungs-, Strafmilderungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe zu berücksichtigen. Der Vergleich der beiden Gesetze ist zwar konkret, nach der Rechtsprechung jedoch stets formal vorzunehmen85 : Zunächst sind die Hauptstrafen zu vergleichen, es folgen die Nebenstrafen und dann die Nebenfolgen. Die Entscheidung ist einfach, wenn bei gleicher Strafart der Strafrahmen verändert (BGHSt. 20 121), etwa die Obergrenze bei gleichem Mindestsatz erhöht wird (RGSt. 52 340, 345) oder wenn eine Nebenstrafe hinzutritt. Eine Milderung kann sowohl in der Herabsetzung der Höchststrafe wie auch der der Mindeststrafe liegen (vgl. BGHSt. 20 124) oder wenn anstelle kumulativ angedrohter Strafarten diese alternativ angedroht werden (OLG Koblenz NJW 1973 1761). Für die Freiheitsstrafen alter Art, die seit 1. 4. 1970 durch das 1. StRG beseitigt sind, galt die Reihenfolge Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung, Haft. Art. 86 des 1. StRG gibt Sondervorschriften, was insoweit gilt, als die Tat vor dem Inkrafttreten des 1. StRG (1970) begangen wurde, aber später abgeurteilt wird. In diesen Fällen ist zu beachten, daß nicht nur das neue Strafensystem, sondern auch die neuen gesetzlichen Strafbemessungsgrundsätze (jetzt § 46) konkret zu einer günstigeren Strafmaßentscheidung führen, und das neue Recht aus diesem Grunde milder ist86. Im Vergleich zu der einheitlichen Freiheitsstrafe ist der Strafarrest (§ 9 WStG) milder. Dasselbe gilt im Verhältnis zwischen Jugendstrafe und Jugendarrest. Die Vorschriften über die Strafaussetzung zur Bewährung (jetzt §§ 56ff) enthielten gegenüber dem Recht vor dem 3. StRÄndG 1953 eine sachliche Rechtsänderung87. Ob die allgemeine Rückfallvorschrift (jetzt § 48) gegenüber den früheren speziellen Rückfallvorschriften das mildere Gesetz ist, hängt vom einzelnen Falle ab (OLG Karlsruhe NJW 1970 2072, vgl. hierzu Art. 87 Abs. 1 S. 1 1. StrRG). Sind verschiedene Strafarten angedroht, so entscheidet die im einzelnen Falle verwirkte, nach beiden Gesetzen zu bemessende Strafe. Drohen beide Gesetze Freiheitsstrafe und Geldstrafe an, so ist dasjenige das

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Α. A. RGSt. 27 98, vgl. dazu RGSt. 34 157. Schröder JR 1966 68 und Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26 ff m. weit. Nachw.; Jescheck AT § 15 IV 3. RGSt. 58 317 unter Hinweis auf den § 27 b i. d. Fass, vor dem 1. StrRG 1969 (vgl. jetzt § 47); RGSt. 20 407. RGSt. 16 301, 46 430, 57 122, 59 98; krit. hierzu Schröder JR 1966 68. OLG Köln GA 1971 58; vgl. auch BGH bei Dallinger M D R 1975 723 zu § 13 II. BGH NJW 1954 39, OLG Hamm NJW 1955 1000, OLG Oldenburg M D R 1955 436; Jagusch JZ 1953 688. (82)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

mildere, das die niedrigere Strafuntergrenze der verhängten Strafart aufweist 8 8 . Je nachdem, ob ein minder schwerer oder ein besonders schwerer Fall vorliegt, entscheidet die untere oder die obere Grenze des Strafrahmens (vgl. RGSt. 75 310). Geldstrafe ist nach st.Rspr. stets milder als Freiheitsstrafe 89 . Daran ist auch festzuhalten, wenn eine kurzfristige Freiheitsstrafe zu vergleichen ist mit einer verhältnismäßig hohen Geldstrafe, die je nach den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen wie eine schwerere Strafart wirken kann. Der Grundsatz, daß die Geldstrafe stets milder ist, darf jedoch nicht dahin erweitert werden, daß eine geringere Freiheitsstrafe mit einer höheren Geldstrafe gegenüber höherer Freiheitsstrafe mit einer geringeren Geldstrafe stets milder ist 9 0 ; die Strafen sind dann vielmehr in ihrer Gesamtheit abzuwägen (RGSt. 54 172, 60 125). Damit hängt es auch zusammen, daß es unzulässig ist, die Revision auf eine Geldstrafe zu beschränken, wenn zugleich auf eine Freiheitsstrafe erkannt ist (RGSt. 58 238). Droht das neue Gesetz neben der (bisher einzigen) Geldstrafe noch Freiheitsstrafe an (beide sind dann Hauptstrafen: RGSt. 52 344), so ist das neue Gesetz selbst dann härter, wenn das frühere Gesetz eine höhere Geldstrafe zugelassen hätte (RGSt. 51 329, 59 98). Die durch das 1. StrRG 1970 eingeführte Neuregelung, wonach aus Freiheitsstrafen und Geldstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden kann (jetzt § 53), ist gegenüber dem alten Recht jedenfalls dann härter, wenn aus einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird (BayObLG M D R 1972 884). Das K G hat daher in einem solchen Fall die Gesamtfreiheitsstrafe wieder aufgelöst (JR 1971 254), aber im Hinblick auf § 331 StPO verfügt, daß die der Geldstrafe zugeordnete Ersatzfreiheitsstrafe nur insoweit vollstreckt werden dürfe, als die Vollstreckung nicht zu einer Überschreitung der aufgelösten Gesamtstrafe führt. Nebenstrafen (ζ. B. Fahrverbot, Amtsunfähigkeit) und Nebenfolgen (ζ. B. Urteils- 39 bekanntmachung) sind erst dann heranzuziehen, wenn sich beim Vergleich der Hauptstrafen (zunächst nach der Strafart: Freiheitsstrafe, Geldstrafe, dann nach der Strafhöhe) das mildeste Gesetz nicht ermitteln läßt 9 1 . Sieht die nach diesen Grundsätzen ermittelte mildere Vorschrift Nebenstrafen oder Nebenfolgen (ζ. B. Einziehung) vor, so dürfen sie auch dann angewendet werden, wenn die strengere Vorschrift sie nicht vorgesehen hatte 9 2 . Sieht eine Vorschrift die Nebenfolge der Abführung des Mehrerlöses 9 3 zwingend vor, die andere jedoch mit einer Härteklausel, so ist letztere die mildere Vorschrift (BGH NJW 1955 1406). d) Ist das neue Recht insgesamt teils milder, teils strenger (ζ. B. erhöht es die 40 Strafdrohung, fügt aber Milderungs- oder Strafausschließungsgründe hinzu), so ist es anwendbar, wenn es für den Angeklagten im abzuurteilenden Falle günstiger wirkt (ζ. B. früher bei Annahme mildernder Umstände oder heute eines minder schweren Falles) 94 . Die Aburteilung darf stets nur nach dem einen oder nach dem 88 89 90 91 92

93 94

(83)

BGH 1 StR 594/52 v. 13. 10. .1953. RGSt. 2 205, 46 430, 51 327, 57 122, 198, 59 91, 65 230, BayObLG M D R 1972 884. R G 1 D 836/22 v. 6. 2. 1923, zustimmend Schröder JR 1966 69. Sch.-Schröder-Eser Kdn. 30; DreherRdn. 10; Olshausen-Niethammer § 2 a Anm. l l d . BGH NJW 1965 1723 m. krit. Anm. Schröder JR 1966 68; wie im Text schon OlshausenNiethammer § 2 a Anm. 11 d. Hierzu Blau NJW 1953 322; Jung NJW 1953 653. RGSt. 33 187, 46 307, 47 382, 53 33, 245, 54 170, 56 199, 65 239; OLG Hamm M D R 1974 593, ferner GA 1975 26 (zum Fall des durch das 4. StrRG 1973 geänderten § 177); OLG Koblenz VRS 50 (1976) 183 (zum Fall des § 142 i. d. Fass. d. 13. StRÄndG 1975).

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

anderen Gesetz geschehen, nicht aus beiden 95 . Es gilt also der Grundsatz strenger Alternativität. Es ist nicht zulässig, aus verschiedenen zwischen Tatbegehung und Entscheidung gültigen Gesetzen die für den Täter günstigsten Teile auszuwählen und daraus ein Recht zu bilden, das zu keiner Zeit gegolten hat (BGHSt. 20 30, 24 97). Die Gegenmeinung von Schröder (JR 1966 68 und Sch.-Schröder-Eser Rdn. 30), wonach in diesen Fällen der Vergleich auf jede einzelne Deliktsreaktion der beiden Gesetze zu erstrecken sei, wurde von der Rechtsprechung bisher nicht aufgegriffen. Die Sachproblematik ist übrigens seit dem 1.1. 1975 durch die Einführung des § 2 Abs. 5 entschärft (Rdn. 51). 41

e) Unterscheiden sich altes und neues Recht im Mildegrad nicht, so ist das zur Tatzeit geltende Gesetz maßgebend (BGH JR 1953 109)96.

42

6. Verfahrensrechtlich ist zu beachten, daß ein Rechtsmittel nicht auf das Strafmaß beschränkbar ist, wenn sich ohne Erörterung der Schuldfeststellungen nicht ermitteln läßt, welches Gesetz das mildere ist (BayObLG NJW 1971 392). 43 Auch das Revisionsgericht hat eine Gesetzesmilderung zu beachten, die nach Abschluß des tatrichterlichen Verfahrens eingetreten ist. Das ergibt § 354a StPO. Das ergibt ferner auch § 2 Abs. 3 i. d. Fass. d. 2. StrRG (1975), der im Anschluß an die Gesetzesfassung vor dem 3. StRÄndG (1953) nicht mehr wie zwischenzeitlich von „Aburteilung", sondern wieder von der „Entscheidung" spricht. Daß in der Revisionsinstanz die Gesetzesmilderung zu berücksichtigen ist, war aber auch in der Zwischenzeit ebenso absolut herrschende Meinung wie heute 97 . Freilich setzt dies die Erhebung einer Sachrüge voraus, die Rüge förmlichen Rechts genügt nicht (BGHSt. 26 94, a. A. Küper NJW 1975 1329). Ein Gesetzeswechsel ist im Revisionsverfahren selbst dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldspruch rechtskräftig und nur die Strafdrohung gemildert ist, etwa die ursprüngliche Mindeststrafe ausnahmsweise unterschritten werden darf (BGHSt. 20 121)98 oder die Strafbarkeit überhaupt entfällt (BGHSt. 20 116)99. Tritt jedoch die nachträgliche Gesetzesmilderung nur für die dem Schuldspruch zugrundegelegte Alternative eines Tatbestandes ein, nicht hingegen für eine andere Alternative dieses Tatbestandes, die im teilrechtskräftigen Urteil nicht geprüft worden ist und die nach den Feststellungen jedoch (auch) vorlag, so kommt dem Angeklagten die Vergünstigung des § 2 Abs. 3 nicht zugute, weil 95

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RGSt. 47 382, 58 238, 59 98, 61 77, 325, 65 239, 74 132, 75 57, 77 221 ; BGHSt. 20 30, BGH NJW 1965 1723; OLG Karlsruhe NJW 1970 2072; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A; Schreiber SK Rdn. 10. Auch Baumann AT § 6 IV l b ; a. A. Tiedemann Karl-Peters-Festschrift S. 197, 204 (Recht zur Zeit der Urteilsfindung). BGHSt. 5 208, 6 192, 258, 16 93, 18 18, 20 77 = LM § 2 Abs. 2 StGB m. Anm. Jagusch, BGHSt. 20 120, 24 106; BGH JZ 1953 733, 1954 101, BGH NJW 1953 1800, 1955 1406; BGH LM § 2 StGB 1969 Nr. 3; BayObLG NJW 1961 688, BayObLG MDR 1972 443, 629; KG JR 1950 404; OLG Schleswig SchlHA 1954 24; OLG Hamm MDR 1974 593; OLG Saarbrücken NJW 1974 1009; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 31; Dreher Rdn. 12; Lackner Anm. 3 b ; Schreiber SK Rdn. 7 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A ; Maassen MDR 1954 3; Dünnebier JZ 1953 726; anders noch, aber überholt: BGH NJW 1954 39. = LM § 2 Abs. 2 StGB Nr. 12 und 13 m. Anm. Jagusch; BayObLG NJW 1961 688 m. Anm. Mittelbach JR 1961 351 ; Hardwig JZ 1961 364; Meyer LR § 354a StPO Rdn. 4 m. weit. Nachw., anders noch RGSt. 47 382. Zur Frage der Festsetzung des Tagessatzes im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot: OLG Celle NdsRpfl. 1975 292. (84)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

sie ihm auch sonst bei richtiger Gesetzesanwendung nichts eingebracht hätte (BGHSt. 24 109)99a. V. Das Rückwirkungsgebot des Absatzes 3 gilt für die sog. „Zeitgesetze" nicht 4 4 (Absatz 4). Ein Zeitgesetz ist stets auf alle unter seiner Geltung begangenen Taten anzuwenden, auch wenn es außer Kraft getreten ist (Nachwirkung des Zeitgesetzes). 1. Zeitgesetze sind Gesetze, die nur für eine kalendermäßige oder durch ein be- 4 5 stimmtes künftiges Ereignis begrenzte Zeit gelten sollen (Zeitgesetze im engeren Sinnefi^ oder deren Geltungsdauer nach ihrem Inhalt und Zweck erkennbar nur für besondere Zeitverhältnisse bestimmt ist oder bei denen sonst das Strafbedürfnis aus tatsächlichen Gründen (und nicht wegen eines Wandels der Rechtsüberzeugung) entfällt (Zeitgesetze im weiteren Sinne,)101. Sie treten daher nach Ablauf ihrer vorübergehenden Geltungsdauer — sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Rdn. 47 a. E.) — von selbst außer Kraft 1 0 2 . Der herrschenden Rechtsprechung (Rdn. 48) liegt der Begriff des Zeitgesetzes im weiteren Sinne zugrunde. Ein Gesetz kann nachträglich durch Befristung zum Zeitgesetz werden 1 0 3 . Es kann aber auch durch lange Dauer den Charakter des Zeitgesetzes verlieren (BGHSt. 6 39) 1 0 4 . Die Rückwirkung des milderen Gesetzes kann bei solchen Gesetzen, die ihrem 4 6 Wesen nach auf Zeit angelegt sind und die besonders im Wirtschafts-, Abgabenund Polizeirecht vorkommen, nicht gelten, sonst verlören sie gegen Ende ihrer Geltungsdauer an Wirksamkeit und Autorität, da Täter der Versuchung unterliegen könnten, das Verfahren zu verzögern 1 0 5 . 2. Zeitgesetze sind seit 1935 im Gesetz ausdrücklich erwähnt 1 0 6 . Aber schon 4 7 lange zuvor hat das Reichsgericht eine Rückwirkung milderer Gesetze dann ausgeschlossen, wenn die Gesetzesänderung nicht auf einen Wandel der Rechtsüberzeugung, sondern auf die Veränderung besonderer tatsächlicher Verhältnisse zurückzuführen ist 1 0 7 . Allerdings hat dieses Unterscheidungsmerkmal zu keinen eindeutigen Ergebnissen und zu willkürlich scheinenden Entscheidungen geführt (vgl. Rdn. 48, 49), zumal sich Änderungen der Rechtsanschauung und der tatsächlichen Umstände nicht immer voneinander trennen lassen 1 0 8 . Der E 1962 und ihm folgend das 2. StrRG (§ 2 Abs. 4) hatte daher vorgesehen, von dem engeren Begriff des Zeitgesetzes (Rdn. 45) auszugehen 10 ^ und daher den Ablauf des Zeitgesetzes ausdrücklich auf einen „bestimmten Zeitpunkt" festgelegt. Indessen wurde diese Gesetzesän99a 100 101 102 103 104 105

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Martin LM § 2 StGB 1969 Nr. 2. OGHSt. 2 268. BGH NJW 1952 72, BGHSt. 6 39, OLG Karlsruhe NJW 1968 1581. RGSt. 74 301, BGHSt. 18 12. BayObLGSt. 1961 149; Dreher Rdn. 13. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39. Jescheck AT § 15 IV 6, E 1962 Begr. S. 107; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 34,; Schreiber SK Rdn. 11. Kritisch hierzu Tiedemann Karl-Peters-Festschrift S. 198. § 2a Abs. 3 i. d. Fass. d. G ν. 28. 6. 1935 (RGBl. I S. 839) und § 2 Abs. 3 i. d. Fass. d. 3. StRÄndG (1953). RGSt. 49 389, 50 292, 52 327, 55 125, 58 45; BGH NJW 1952 72; weitere Nachweise und Unterscheidungskriterien bei Mattil G A 1965 136. E 1962 Begr. S. 107; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 IV; Schmidhäuser AT 5/73; Mattil GA 1965 136 f. So auch Tiedemann (Karl-Peters-Festschrift S. 198), der gegen das Institut der „Zeitgesetze" überhaupt Bedenken erhebt (S. 201).

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

derung durch das EGStGB 1974110 wieder rückgängig gemacht, weil man im Bereich der Blankettgesetze (Rdn. 7) unangemessene Ergebnisse befürchtete 111 . Es ist daher auch für das geltende neue Recht die bisherige Rechtsprechung (unten Rdn. 48) von Bedeutung geblieben. Der Gesetzgeber kann die mit Zeitgesetzen nach wie vor verbundene Unklarheit dadurch beheben, daß er, wie es in Satz 2 des Absatzes 4 vorgesehen ist und wie dies in Art. 86 ff 1. StrRG und Art. 298 ff EGStGB geschah, Übergangsregelungen schafft 1 1 2 oder sonst etwas Abweichendes bestimmt. Kasuistik 48 a) Als Zeitgesetze wurden angesehen: Die Gebrauchswarenverordnung vom 21. 1. 1942 und die Vorschriften über Höchstpreise für Textilwaren (BGH NJW 1952 72), die VO vom 27. 8. 1939 (RGBl. I S. 1498), weil sie den Übergang von der Friedens- zur Kriegswirtschaft nur vorläufig regeln wollte (RGSt. 74 301), zeitlich begrenzte Bayer.PolizeiVOen (BayObLG NJW 1962 823), die PreisstrafRVO 113 und Ergänzungen dazu, das Mineralölsteuergesetz 1957/1958 (BGHSt. 20 177) 114 , das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz (OLG Hamm JMB1. NRW 1965 270), § 10 Abs. 1 S. 2, § 30 Abs. 1 S. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes v. 28. 4. 1961 (OLG Karlsruhe NJW 1968 1581)115. 49

b) Keine Zeitgesetze sind nach der Rechtsprechung: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen nach der StVO 116 , die Devisenstrafbestimmungen nach dem MilRegG 53 und dem AHKG 33 117 , das AHKG U 1 1 », das KontrRGes. 10H9, § 15 WiStG 1954 (BGH NJW 1955 1406), der Anhang zum Truppenvertrag 120 , die Tilgungsvorschrift des § 13 a StVZO (OLG Hamm VRS Bd. 47 13). Bei Zeitgesetzen kommt ein nachträglicher Verzicht auf eine zur Tatzeit entstandene Strafberechtigung nicht in Frage 1203 .

50

3. Auch ein Zeitgesetz kann vor seinem natürlichen Ablauf wegfallen oder durch ein anderes ersetzt werden. Dann greift Absatz 3 sinngemäß ein, denn dann lösen 110

Art. 18 Nr. II 1, vgl. Begr. S. 18, BT-Drucks. 7/550 S. 206. Göhler NJW 1974 831. 112 Dreher Rdn. 14 m. weit. Nachw.; Tiedemann Karl-Peters-Festschrift S. 202, 207. 113 BGH NJW 1952 12 = LM § 2a StGB Nr. 1 m. Anm. Geier; BGH NJW 1962 825; OLG Kiel HESt. 2 182, OLG Hamburg MDR 1949 700; Drost MDR 1949 454; a. A. OLG Hessen Senat Kassel MDR 1949 58 m. Anm. von Weber, OGHSt. 2 259, 267; von Weber SJZ 1949 647; Eb. Schmidt SJZ 1949 868; Paul NJW 1949 417. 114 BGHSt. 20 177 = LM § 2 Abs. 2 StGB Nr. 14 m. Anm. Kohlhaas. 115 Weitere Nachweise aus der älteren Rechtsprechung: RGSt. 49 388, 50 291, 401, 52 172, 327, 53 255, 55 172, 194, 56 286, 415, 425, 57 384, 416, 59 197, 61 222, 71 41 ; vgl. ferner bei Mattil GA 1965 136. 116 BGHSt. 6 40; OLG Frankfurt NJW 1954 208, OLG Bremen NJW 1953 1642; a. A. OLG Oldenburg NJW 1953 1642. 117 BGHSt. 18 12 m. Anm. Krumme LM § 2 Abs. 3 Nr. 5; dahingestellt bei BGH LM § 2 Abs. 2 StGB Nr. 7 ; OLG Saarbrücken OLGSt. § 2 StGB S. 5 ; a. A. BayObLGSt. 1962 117. 118 BGH LM §2 Abs. 3 Nr. 4. 119 Seibert NJW 1952 251. 120 BGH MDR 1964 160; BGH LM § 100e StGB Nr. 17 m. Anm. Jagusch; BayObLG bei Wagner GA 1966 75; a. A. BayObLG MDR 1963 1025, OLG Braunschweig bei Wagner GA 1966 76, OLG Bremen NJW 1964 2365. ,20a RGSt. 21 294, 32 112, 55 172, 56 286; vgl. jedoch BGH NJW 1955 1406 für den Fall, daß das Gesetz selbst (§ 15 WiStG 1954) die Anwendung des milderen § 2 Abs. 3 bei Zeitgesetzen ermöglicht. 111

(86)

Zeitliche Geltung (Tröndle)

§2

zwei verschiedene Zeitgesetze einander ab 1 2 1 . Entsprechend sind die durch Kriegszustand oder Notstände zeitbedingten Schärfungs- oder Milderungsgründe zu behandeln. Die zeitweilige Verschärfung oder Milderung gilt nur für die unter diesen Ausnahmeverhältnissen begangenen Handlungen, dies aber auf die Dauer, gleichviel, wann die Tat abgeurteilt wird. VI. Absatz 5 erklärt die Vorschriften über die zeitliche Geltung der Strafgesetze 51 (Absätze 1 bis 4) für die Maßnahmen des Verfalls (§§ 73 bis 73 d), der Einziehung (§§ 74 bis 75) und der Unbrauchbarmachung (§ 74 d Abs. 1 S. 2) für entsprechend anwendbar. Für diese Regelung werden Gründe der Billigkeit und der Rechtsstaatlichkeit geltend gemacht, da die Frage der zeitlichen Geltung für diese strafähnlichen Maßnahmen nicht anders behandelt werden kann wie für Strafen 122 . Überholt ist daher die für das bisherige Recht zum Teil abweichende Rechtsprechung 123 . Die Neuregelung vermeidet auch Spannungen, die sich daraus ergeben, daß nach der herrschenden Meinung (Rdn. 39, 40) bei der Ermittlung des im Sinne des Absatzes 3 milderen Gesetzes im konkreten Falle die beiden Strafdrohungen im gesamten gegenüberzustellen sind und daher nach dem bisherigen Recht auch ein (in den Hauptstrafen) milderes Gesetz zum Zuge kommen konnte, wiewohl es Maßnahmen des Absatzes 5 vorsehen konnte, die für den Angeklagten außerordentlich einschneidend sein können. Absatz 5 ermöglicht es nunmehr, das mildere Gesetz hinsichtlich der Hauptstrafen einerseits und der Maßnahmen des Verfalls der Einziehung und der Unbrauchbarmachung andererseits getrennt zu ermitteln 124 . Für den Verfall bringt Art. 307 EGStGB 1974 eine Übergangsregelung. VII. Absatz 6 hält an dem Grundsatz fest (§ 2 Abs. 4 a. F.)12*, daß für die An- 52 wendung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (§61) das Gesetz zur Zeit der Entscheidung maßgebend ist. Das Rückwirkungsverbot für das härtere (und das Rückwirkungsgebot für das mildere) Gesetz gilt also grundsätzlich nicht. Freilich steht dieser Grundsatz unter einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt: Sondervorschriften des EGStGB unterstellen einschneidende Maßregeln dem Rückwirkungsverbot (Rdn. 53, 54). Dies nimmt den verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Bedenken, die gegen Absatz 6 (und den früheren Absatz 4) erhoben worden sind (Rdn. 54), Erhebliches an sachlichem Gewicht. 1. Absatz 6 ist mit der Verfassung vereinbar (BGHSt. 24 106)126. Der Begriff der 53 121

122 123

124 125 126

(87)

St.Rspr. RGSt. 50 291, 400, 52 325, 55 172, 56 286, 415, 425, 57 209, 61 222, 63 68, 64 399, 65 58; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41. E 1962 Begr. S. 107/108. BGHSt. 16 56 (Unbrauchbarmachung), 19 69, 21 370, 23 64; RGSt. 67 215 (hinsichtlich Einziehung); Lackner Anm. 5. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 III A. BGHSt. 5 179. Für den sachlich gleichlautenden — wenn auch ohne Gesetzesvorbehalt — § 2 Abs. 4 a. F. ergangen, = LM § 2 StGB 1969 m. Anm. Hübner = JR 1971 378 m. krit. Anm. F. C. Schweden ferner BGHSt. 16 55, 19 69; wie BGH: E 1962 Begr. S. 108; Dürig in Maunz-Dürig-Herzog Art. 103 G G Rdn. 117; Sax in Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte I I I / 2 S. 1000; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz S. 33; Dreher Rdn. 15 und § 1 Rdn. 4; Lackner § 1 Anm. 2; Jescheck AT § 15 IV 3 Fußn. 33 a; für verfassungswidrig halten Abs. 6 (§ 2 Abs. 4 a. F.): Diefenbach Die verfassungsrechtliche Problematik des § 2 Abs. 4 StGB (1966) S. 22 m. zahlr. Nachw.; Schorn Der Schutz der Menschenwürde im Strafverfahren (1963) S. 37; Baumann AT § 6 IV 2; Hellmuth Mayer 1967 § 7 I 2; Schreiber SK Rdn. 13; Stratenwerth AT I Rdn. 70; abwägend Sch.-Schröder-Eser Rdn. 43.

§2

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

„Strafbarkeit" (Art. 103 Abs. 2 GG) schließt reine Präventivmaßnahmen nicht ein (Dürig, Lackner). Grundsätzlich müsse vielmehr das Zweckmäßige und zum Schutze der Allgemeinheit Erforderliche sofort geschehen. Das gilt auch hinsichtlich der selbständigen Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 71 ; Art. 306 EGStGB ; BGH bei Daliinger MDR 1975 722). Absatz 6 verstößt ferner auch nicht gegen Art. 7 Abs. 1 S. 2 der MenschRKonv (BGBl. 1952 II S. 685), weil unter „Strafe" („peine" oder „penalty") nicht zugleich Maßregeln der Besserung und Sicherung zu verstehen sind. Denn auch andere Unterzeichnerstaaten unterscheiden wie die vom Grundgesetz vorgefundene Strafrechtsordnung Strafen und Maßregeln. Ein Teil der Maßregeln kann übrigens unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen auch als Verwaltungsmaßnahme angeordnet werden 127 . 54

2. Freilich ist die Rückwirkung der Maßregeln der Besserung und Sicherung angesichts des Zusammenwirkens von Strafen und Maßregeln insbesondere im modernen Resozialisierungsstrafrecht nicht unproblematisch, zum einen haben sie strafähnliche Wirkungen 12&, z u m anderen beruhen nicht alle auf primär therapeutischen Zwecken 129 . Es wird daher insoweit von beachtlicher Seite die Gleichbehandlung von Strafen und Maßregeln verlangt 130 . Aus diesem Grunde hat bereits der E 1962 Sonderregelungen für schwerere, strafähnlich wirkende und die gesamte Lebensführung des Täters beeinträchtigende Maßregeln im Einführungsgesetz in Aussicht genommen 131 . Ihm folgend hat das 2. StrRG in § 2 Abs. 6 S. 2 für die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt und in der Sicherungsverwahrung sowie für die Führungsaufsicht das Rückwirkungsverbot für Strafen für entsprechend anwendbar erklärt 132 . Das EGStGB 1974 hat allerdings diesen Satz 2 in § 2 Abs. 6 gesetzestechnisch wieder wegfallen lassen, in der Sache jedoch ausdrücklich 133 ein Rückwirkungsverbot in den Art. 301 (Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt), Art. 303 (Führungsaufsicht) und Art. 305 (Berufsverbot) dekretiert. Dasselbe tat bereits das 1. StrRG 1969 in Art. 93 hinsichtlich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 134 .

55

3. Im Ergebnis bleiben bei der derzeitigen Gesetzeslage also lediglich die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63), in einer Entziehungsanstalt (§ 64) sowie die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69) vom Rückwirkungsverbot ausgenommen. Auf diese Maßregeln lassen sich die genannten Ausnahmeregelungen des EGStGB nicht etwa entsprechend anwenden. Allerdings bleibt der Gesetzgeber durch den Gesetzesvorbehalt in Absatz 6 aufgerufen, bei Gesetzesänderungen, die sich auf Maßregeln der Besserung und Sicherung beziehen, besonders darauf zu achten, in welchem Umfange der Grundsatz, daß bei Maßregeln das Gesetz zur Zeit der Tat maßgebend ist, aus rechtsstaatlichen Gründen einzuschränken ist. 127 128 129 130

131 132 133 134

So E 1962 Begr. S. 108 mit weiteren Nachweisen Fußn. 7. Maurach AT § 12 III B; C. F. Schroeder JR 1971 379. Schmidhäuser AT 5/20. Gallas ZStW 80 (1968) 11 ; § 3 Abs. 1 AE; Nowakowski Festschrift für H. v. Weber (1963) 118; hierzu Naucke Tendenzen in der Strafrechtsentwicklung 1975 S. 27. E 1962 § 2 Fußn. 1 und Begr. S. 108. Hierzu 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 4. von Schreiber SK Rdn. 13 übersehen! Zur Frage, wie bei einer Nachtragsentscheidung zu verfahren ist, wenn das neue Recht auf eine nach altem angeordnete Sicherungsverwahrung anzuwenden ist: vgl. Köhler NJW 1975 1150 m. weit. Nachw. (88)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7 Internationales Strafrecht

Vor § 3 Schrifttum Baltatzis Der Personalgrundsatz im internationalen Strafrecht 1938; Bergmann Der Begehungsort im internationalen Strafrecht Deutschlands, Englands und der Vereinigten Staaten von Amerika, 1966; Böckenförde Die Teilung Deutschlands und die deutsche Staatsangehörigkeit, Epirrhosis, Festgabe für Carl Schmitt 1968 S. 426 (zitiert: Epirrhosis); Breukelaar/Mulder Das internationale Strafrecht als Mittel zu gerechter Bestrafung, Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 30; Dahm Zur Problematik des Völkerstrafrechts, 1956; Dreher Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz, JZ 1953 421; Drost Prinzipienwandel im internationalen Strafrecht, ZAkDR 1937 392 ; Eder Die Entwicklung der Bestimmungen über das internationale Strafrecht in den Entwürfen, Diss. Freiburg/Br. 1960; Gallas Der dogmatische Teil des Alternativentwurfs ZStW 80 (1968) 12; Gerland Das deutsche Strafrecht der Zukunft und das sog. internationale Strafrecht, Festschrift anläßlich des 25jährigen Bestehens der deutschen Landesgruppe der International Law Association S. 89; Germann Rechtsstaatliche Schranken im internationalen Strafrecht SchweizZStR Bd. 69 237 ; Glatzel Völkerrechtliche Grenzen für den Anwendungsbereich des staatlichen Strafgesetzes, Diss. Tübingen 1936; Granitza Die Dogmengeschichte des internationalen Strafrechts, Diss. Freiburg/Br. 1961; Grützner Staatspolitik und Kriminalpolitik im Auslieferungsrecht ZStW 68 (1956) 501 ; v. Hammerstein Die Wirkung ausländischer Strafurteile im Inland, Diss. Freiburg/Br. 1964; Hegler Prinzipien des internationalen Strafrechts, Strafr.Abh. 67; Jescheck Internationale Rechtshilfe in Strafsachen in Europa, ZStW 66 (1954) 518; Jescheck Zur Reform der Vorschriften des StGB über das internationale Strafrecht, Internationales Recht und Diplomatie 1956 Nr. 1/2; Jescheck Die an Bord von Luftfahrzeugen begangenen Straftaten, Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongreß 1957, Sonderheft ZStW 69 (1957) 193; Jescheck Straftaten gegen das Ausland, Rittler-Festschrift (1957) 275; Jescheck Die Vollstreckung ausländischer Straferkenntnisse, Festschrift für H. von Weber (1963) 325; Jescheck Die internationalen Wirkungen der Strafurteile, ZStW 76 (1964) 172; Jescheck Gegenstand und neueste Entwicklung des internationalen Strafrechts, Maurach-Festschrift (1972) 579; Johannes Das Strafrecht im Bereich der Europäischen Gemeinschaften, Europarecht, (1968) 63; Kaiser Die Verfolgung durchreisender Ausländer in Verkehrsstrafsachen, NJW 1964 1553; Kielwein Zum gegenwärtigen Stand einer internationalen Kriminalpolitik, Rittler-Festschrift (1957) 95; Kielwein Reformfragen im internationalen Strafrecht, GA 1954 211 ; Kitzinger Ort und Zeit der Handlung VDA I S. 137; Kohler Internationales Strafrecht, 1917; Lange Grundfragen des Auslieferungsrechts, 1953; Lange/Mezger Die grundsätzliche Bedeutung der neuen Bestimmungen über den Geltungsbereich des Strafrechts DStR 1941 6; Langrock Der besondere Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 bis 91 StGB), 1972; Linke Zwischenstaatliche Kompetenzkonflikte auf dem Gebiet des Strafrechts, Grützner-Geburtstagsgabe (1970 85; v. Liszt Sind gleiche Grundsätze des internationalen Strafrechts für die europäischen Staaten anzustreben und eventuell welche? (1882) in: Strafrechtliche Vorträge und Aufsätze, I. Band 1905 S. 90; Luther Gegenwartsfragen des internationalen Strafrechts, MSchrKrim 45 (1962) 65; Lüttger Internationale Rechtshilfe in Staatsschutzsachen, G A 1960 33; Makarov Betrachtungen zum internationalen Strafrecht, Festschrift für Kern (1968) 253; Mankiewicz Die Verfolgung der in einem Luftfahrzeug begangenen Straftaten, GA 1961 193; Markees Probleme der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, GA 1958 353; Markees Die Herausgabe von Gegenständen im internationalen Strafrechtshilfeverkehr, Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 92; Matti! Zur Problematik des internationalen Strafrechts, G A 1958 143; Maurach Treupflicht und Schutzgedanke im internationalen Strafrecht, DStR 1938 1; Hellmuth Mayer Völkerrecht und internationales Strafrecht, JZ 1952 609; Mendelssohn-Bartholdy Das räumliche Herrschaftsgebiet des Strafrechts, VDA VI S. 609; Mettgenberg Internationales Strafrecht auf See, ZStW Bd. 52 802; Meyer Der Schutz Deutscher vor Überstellungen an das Ausland nach dem Grundgesetz, JZ 1956 6; Meyer Fortgesetztes Strafver(89)

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

fahren und Immunität, JR 1955 1 ; Nowakowski Zum Problemkreis der Geltungsbereiche, ÖsterrZfÖffR Bd. 6 S. 10; Nowakowski Anwendung des inländischen Strafrechts und außerstrafrechtlicher Rechtssätze, JZ 1971 633 ; Nuvolone Die Kollisionsnormen auf dem Gebiet des Strafrechts in Europa, ZStW 66 (1954) 545; Oehler Internationales Strafrecht 1973 (Standardwerk); Oehler Die Grenzen des aktiven Personalitätsprinzips im internationalen Strafrecht, Mezger-Festschrift (1954) 83; Oehler Anm. zu BGHSt. 21 277: JZ 1968 191; Oehler Deutsches Strafanwendungsrecht, Das Recht der übernationalen Gemeinschaften und die Auslieferung eigener Staatsangehöriger, Grünhut-Erinnerungsgabe (1965) 111; Oehler Theorie des Strafanwendungsrechts, Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 110; Oehler Das Territorialitätsprinzip, Deutsche strafrechtliche Landesreferate zum VIII. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, Pescara 1970, ZStW 1971 Beiheft S. 48 ff; Oehler Das deutsche Strafrecht und die Piratensender, 1970 (zitiert: Piratensender); Oehler Die positiven Auswirkungen ausländischer Strafurteile im Inland und im Rahmen der Vollstreckung, Heinitz-Festschrift (1972) 727; Pabsch Der strafrechtliche Schutz der überstaatlichen Hoheitsgewalt 1965; Pietsch Die Verordnung über den Geltungsbereich des Strafrechts vom 6. 5. 1940, DJ 1940 565; Polzin Das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen in der Praxis, JR 1954 448; Rahn Internationales Strafrecht, Heft 48 der Schriftenfolge Die Verwaltung; Reschke Der Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das Strafrecht, Diss. Freiburg/Br. 1962; Rinck Die Indemnität des Abgeordneten im Bundesstaat des Bonner Grundgesetzes, JZ 1961 248; Roggemann Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Bundesrepublik und DDR, NJW 1974 1841; Roggemann Strafrechtsanwendung und Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten, 1975 (zitiert: Strafrechtsanwendung); Roßwog Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalitätsgrundsatzes mit dem Völkerrecht, 1965; Rudolf Anwendungsbereich und Auslegung von § 5 StGB, NJW 1954 219; Rumpf Land ohne Souveränität, Reihe „Recht-Justiz-Zeitgeschehen" Bd. 5, 1969; Rumpf Inland und Ausland als Rechtsbegriffe in ihrer Bedeutung für Deutschland, Der Staat 1970 289; Rumpf Oie deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundvertrag, Z R P 1974 201; Rumpf Deutschlands Rechtslage seit 1973, Zeitschrift für Politik 1975 111 ; Samson Die öffentliche Aufforderung zur Fahnenflucht von NATO-Soldaten, JZ 1969 258; Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen 1965; Schnorr von Carolsfeld Mitbestrafte Nachtat im internationalen Strafrecht, Heinitz-Festschrift (1972) 765; Schänke Gegenwartsfragen des internationalen Strafrechts, Mezger-Festschrift (1954) 105; Schorn Zweifelsfragen zum räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts (§§ 3 bis 7 StGB), JR 1964 205; Schröder Die Teilnahme im internationalen Strafrecht, ZStW 61 (1949) 57; Schröder Grundlagen und Grenzen des Personalitätsprinzips im internationalen Strafrecht, JZ 1968 241; F. C. Schroeder Der „räumliche Geltungsbereich" der Strafgesetze, GA 1968 353; H.Schultz Das schweizerische Auslieferungsrecht, 1953; H.Schultz Bemerkungen zum Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht im Strafrecht, SchweizJahrblnternR Bd. XIX S. 9; H. Schultz Neue Entwicklungen im sog. internationalen Strafrecht, von-Weber-Festschrift (1963) 305; H. Schultz Neue Probleme des internationalen Strafrechts, SchweizJurZ 1964 81; H. Schultz Zur Regelung des räumlichen Geltungsbereichs durch den E 1962, GA 1966 193; Schwenk Deutsche Gerichtsbarkeit nach dem Überleitungsvertrag, NJW 1960 273 ; Schwenk Die strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts, des Zusatzabkommens und des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen, NJW 1963 1423; Staubach Die Anwendung des ausländischen Strafrechts durch den inländischen Richter, 1964; Sfotter Die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zur sowjetisch besetzten Zone Deutschlands 1960; Vogler Die Tätigkeit des Europarats auf dem Gebiet des Strafrechts, ZStW 79 (1967) 371 ; Vogler Die Europäischen Übereinkommen über die Auslieferung und die sonstige Rechtshilfe in Strafsachen, ZStW 80 (1968) 480; Vogler Geltungsanspruch und Geltungsbereich der Strafgesetze, Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 149; Vogler Entwicklungstendenzen im internationalen Strafrecht, Maurach-Festschrift (1972) 595; von Weber Der Schutz fremdländischer staatlicher Interessen im Strafrecht, Frank-Festgabe II (1930) 269; von Weber Die Strafgewalt der zur Umgehung des Gesetzes im Ausland begangenen Tat, GS Bd. 114 267; von Weber Das passive Personalitätsprinzip, Deutsche Landesreferate zum III. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, (1950) 894; von Weber Internationales Luftstrafrecht, Rittler-Festschrift (1957) 111; von Weber Die Auslieferung bei politischen Delikten, GrünhutErinnerungsgabe (1965) 161; Wegner Über den Geltungsbereich des staatlichen Strafrechts, (90)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

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Frank-Festgabe I (1930) 98; Wengler Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vollstreckung von Strafurteilen nach dem Rechtshilfegesetz, JZ 1961 3; Wiedenbrüg Schutz ausländischer öffentlicher Urkunden nach §§271, 273 StGB, NJW 1973 301 ; Wille Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen 1974 (zitiert: Verfolgung); Wohlfahrt Zur Rechtswirkung besatzungsgerichtlicher Urteile, JZ 1955 526. Weitere H i n w e i s e aus d e m ausländischen u n d fremdsprachlichen Schrifttum bei Jescheck A T § 18. Schrifttumsnachweise zum interlokalen Strafrecht unten Rdn. 83, z u m Verhältnis der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d zur D D R unten Rdn. 95 ; ferner bei § 4 vor Rdn. 1. Gesetzesmaterialien zu §§ 3 bis 9. E 1962 §§ 3 bis 8 mit Begründung, Niederschriften d. Gr.Str.Komm. Bd. 4 S. 12ff, 30ff, 412ff; Schriftl. Bericht d. Sonderausschusses Strafrecht zum 2. StrRG BT-Drucks. V/4095 S.4; Reg.Entwürfe zum EGStGB, BT-Drucks. VI/3150 S. 6, 7/550 S. 207 ff, Schriftl. Bericht d. Sonderausschusses Strafrecht zum EGStGB, BT-Drucks. 7/1261 S. 4, 7/1232, Prot. IV/553, IV/584, IV/591, V/70, VI/2346. Übersicht Rdn. I. Allgemeines 1. Ubersicht 2. Allgemeine Prinzipien des internationalen Strafrechts a) Gebietsgrundsatz (Territorialitätsprinzip) b) Flaggenprinzip c) Schutzgrundsatz ( R e a l p r i n z i p ) . . . aa) Staatsschutzprinzipien bb) Passiver Personalgrundsatz, Individualschutzprinzip . . . . d) A k t i v e r Personalgrundsatz e) Weltrechtspflegegrundsatz f) G r u n d s a t z d e r stellvertretenden Strafrechtspflege g) K o m p e t e n z v e r t e i l u n g s p r i n z i p . . . 3. K o m p e t e n z - K o m p e t e n z der Staaten . II. Die gesetzliche Regelung des internationalen Strafrechts 1. G r u n d l a g e n des geltenden Rechts . . 2. Bisherige Regelung 3. Prinzipien des geltenden Rechts . . . 4. K o n k u r r e n z verschiedener anwendbarer R e c h t s o r d n u n g e n 5. A n w e n d u n g s b e s c h r ä n k u n g e n aus den einzelnen T a t b e s t ä n d e n a) Allgemeines b) Einzelbeispiele Staatsschutzdelikte §§ 113ff §§ 123 ff Rechtspflegedelikte §§ 132a, 170b Urkundendelikte § 304 Steuer- u n d Zolldelikte ausländische staatliche Rechtsgüter Straßenverkehrsdelikte (91)

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Rdn. III. Inland („Räumlicher Geltungsbereich dieses Gesetzes") — Ausland 1. Allgemeines 2. Bisherige R e c h t s p r e c h u n g 3. F u n k t i o n a l e r Inlandsbegriff a) B e g r ü n d u n g u n d herrschende Meinung b) M i n d e r m e i n u n g c) Folgerungen 4.

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Inland a) K ü s t e n m e e r b) Festlandsockel c) Flüsse, Kanäle, Binnenwässer, Buchten, L u f t r a u m d) F l u ß l ä u f e als Staatsgrenze, G r e n z brücken e) Bodensee f) Staatsschiffe g) L u f t f a h r z e u g e h) W e l t r a u m f l u g k ö r p e r Zollstellen a u ß e r h a l b des Bundesgebiets Dienst- u n d W o h n g e b ä u d e der Exterritorialen Ausland

IV. Deutscher — Ausländer 1. Deutscher a) deutsche S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t . . . . b) deutsche Volkszugehörigkeit (Art. 116 Abs. 1 G G ) c) D D R - B ü r g e r 2. Ausländer

41 41 44 45 46 47 49 50 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 68

V. Exterritoriale 69 1. a) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit 69 b) in b e s c h r ä n k t e m U m f a n g e 70 2. Personenkreis der §§ 18 bis 20 G V G . 71 3. I m m u n i t ä t — V e r f a h r e n s h i n d e r n i s . 74

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Rdn. Bedeutung des Verfahrenshindernisses 75 5. Ausländische Streitkräfte 76 a) ausschließliche Strafgerichtsbarkeit 78 b) konkurrierende Strafgerichtsbarkeit 79 VI. Besatzungsgerichtliche Urteile 81 VII. Interlokales (zwischenörtliches) Strafrecht 85 1. Allgemeines a) Abgrenzung zum internationalen Strafrecht b) Anwendungsfälle des interlokalen Strafrecht. 85 2. Keine gesetzliche Regelung 90 a) Tatortrecht 91 4.

Rdn. b) Distanztaten, Fortsetzungs-, Dauer- und Zuständsdelikte . . . . 92 c) Teilnahme 93 d) Amnestie 94 VIII. Sonderproblem. Verhältnis zwischen Bundesrepublik Deutschland und DDR . 95 1. Bedeutung des Grundlagenvertrags a) Regeln des internationalen Strafrechts maßgebend 96 b) Problem der unmittelbaren Anwendung der §§ 3 ff 97 2. Folgerungen aus der unmittelbaren Anwendung der §§ 3 ff 98 3. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen 103 IX. Landesrecht 104

I. Allgemeines 1

1. Die §§ 3 bis 7 regeln das Rechtsgebiet, das gemeinhin als internationales Strafrecht bezeichnet wird. Mitunter spricht man auch vom „persönlichen" und vom „räumlichen Geltungsbereich". Indessen sind alle diese Begriffe ungenau und umstritten1. Insbesondere geht die Bezeichnung „internationales Strafrecht" am wesentlichen Kern der Materie vorbei 2 . Denn es geht hierbei nicht um Völkerstrafrecht, sondern allein um die Frage, ob ein Sachverhalt, der wegen der Nationalität des Täters oder des Verletzten oder wegen des ausländischen Tatorts internationale Bezüge aufweist, gleichwohl der innerstaatlichen Strafgewalt unterliegt 3 . 2 Das sogenannte internationale Strafrecht ist keine Parallelerscheinung des internationalen Privatrechts auf dem Gebiet des Strafrechts. Das internationale Privatrecht enthält für das Zivilrecht die Kollisionsnormen, die bestimmen, welches nationale Recht anzuwenden ist, wenn ein Rechtsverhältnis Anknüpfungspunkte zu beiden (verschiedenen) Rechtsordnungen aufweist. Das internationale Strafrecht ist hingegen innerstaatliches Recht. Es sagt nicht, welche von mehreren Rechtsordnungen maßgebend ist, sondern ob das eigene Strafrecht auf einen Sachverhalt anzuwenden ist, der durch den Täter, den Verletzten oder den Tatort internationale Bezüge aufweist. Jeder Staat gibt sich also selbst die Regeln für sein „internationales Strafrecht", es ist also staatliches und nicht Völkerrecht, auch soweit es sich auf Ausländer und Auslandstaten bezieht 4 . Da jeder Staat sein eigenes „internationales Strafrecht" hat, schließt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nicht aus, daß dieselbe Tat auch nach dem „internationalen Strafrecht" eines anderen Staates strafbar ist und auch verfolgt wird 5 . Bei Inlandstaten eines Ausländers ist das häufig so, bei Auslandstaten ist es die Regel. Die herrschende Meinung begreift im Anschluß an Mezger das sogenannte internationale Strafrecht der §§ 3 bis 7 als Strafrechtsanwendungsrecht, denn es regle den Anwendungsbereich des deutschen sach-

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Maurach-Zipf ATTeilb. 1 § 11 I 1 ; F. C. SchroederGA 1968 353; Baumann AT § 6 II 1. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 I 1; Welzel § 611; Blei AT § 12 I; Samson SK vor § 3 Rdn. 1 ; Schmidhäuser AT 5/85. Für diesen Begriff jedoch: Hellmuth Mayer 1967 § 7 I I I . So Jescheck AT § 18 I. JescheckAT § 1 8 1 2 ; Lackner (Voxhtm. 1 vor § 3): „einseitige Kollisionsnormen". Vgl. Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 1, 63. (92)

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liehen Strafrechts6 und setze das Vorliegen eines deutschen Straftatbestandes voraus 7 . Mit Recht weist jedoch Jescheck8 daraufhin, daß es beim sogenannten internationalen Strafrecht genaugenommen nicht nur um Rechtsanwendungsrecht, sondern schon um das vorgreifliche Problem des Umfangs der innerstaatlichen Strafgewalt geht 9 . Erst wenn diese Frage bejaht ist, tritt die weitere Frage des anzuwendenden Rechts auf. Zwar hält sich die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung in Grenzen, da nach dem geltenden Recht die deutschen Gerichte ausschließlich deutsches Recht anwenden. Aus der deutschen Strafgewalt folgt daher regelmäßig auch die Anwendung des deutschen Strafrechts. Das war indessen nicht stets so 1 0 und braucht auch nicht so zu bleiben. Das schweizerische Strafgesetzbuch verweist ζ. B. in Art. 5 und 6 jeweils in Abs. 1 Satz 2 auf das (mildere) ausländische Strafrecht, falls im Ausland gegen einen Schweizer eine Straftat verübt worden ist oder ein Schweizer im Ausland eine Straftat verübt hat. Auch im deutschen Strafrecht wären Verweisungen auf ausländische Normen dann denkbar, wenn künftig eine Annäherung der europäischen Strafrechtsordnungen 11 gelingen sollte. Im geltenden deutschen Strafrecht kommt es auf das ausländische Strafrecht nur mittelbar, aber seit der Einführung des Territorialitätsprinzips (unten Rdn. 4) vergleichsweise häufig an, wenn es bei Auslandstaten von Inländern um die Frage der Strafbedrohtheit im Ausland als Strafbarkeitsvoraussetzung im Inland geht (vgl. § 7 Abs. 2). 2. Allgemeine Prinzipien des internationalen Strafrechts. Es gibt eine Reihe von 3 Grundsätzen, an denen die Regeln für das sogenannte internationale Strafrecht im einzelnen anknüpfen können. Die Prinzipien können sich an der Wahrung und Aufrechterhaltung der innerstaatlichen Ordnung, an der ubiquitären Bindung der eigenen Staatsangehörigen an die inländische Rechtsordnung, an dem Schutz der inländischen Rechtsgüter, an der Solidarität der internationalen Verbrechensbekämpfung, an der Lückenlosigkeit der staatlichen Strafgewalt diesseits und jenseits der Grenzen oder auch an der größtmöglichen Gerechtigkeit im Einzelfall orientieren 12 . Dieser Grundsätze, die sich in den neueren Rechten herausgebildet haben und die völkerrechtlich anerkannt sind, kann sich die Rechtsordnung nebeneinander oder im Zusammenwirken bedienen. Oehler weist in seinem grundlegenden Werk 13 darauf hin, daß in der Moderne das internationale Strafrecht auf zwei Rechtserscheinungen ruhe und sich hieraus auch die Natur des Strafanwendungsrechts ergebe, nämlich auf dem Selbstschutz des Staates (Territorial-, Schutz-, passives Personalitätsprinzip s. u.) und auf der Solidarität der Staaten (Kompetenzverteilungsprinzip, aktives Personalitätsprinzip, Prinzip der stellvertretenden Strafrechts-

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Welzel § 6 II; Blei AT § 12 I; Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 1 ; Jagusch LK 8. Aufl. vor § 3 Anm. 2; Schmidhäuser AT 5/85; Bockelmann AT § 5 I. OLG Hamm JZ 1960 577. AT § 18 I 1,2 Fußn.6 und in Maurach-Festschrift (1972) 580; ferner Wille Verfolgung S. 17. Ähnlich auch Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 I 1 ; LG Frankfurt NJW 1977 509. Beispiele bei Jescheck AT § 18 I 1 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 I 1. Vgl. der Entwurf eines Europäischen Übereinkommens über die Verfolgung von Verkehrszuwiderhandlungen: Grützner NJW 1961 2186. Jescheck AT § 18 I 5 und in Maurach-Festschrift (1972) 580; Oehler Internationales Strafrecht S. 133 ff. Internationales Strafrecht (1973) 133, so übereinstimmend schon in Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 115; ebenso Schröder JZ 1968 241.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

pflege, Weltrechtspflegeprinzip s. u.)· Internationales Strafrecht ist innerstaatliches Recht, das durch die Grundsätze des Völkerrechts begrenzt wird. 4

a) Der Gebietsgrundsatz (Territorialitätsprinzip)14 besagt, daß das Strafrecht eines Staates für alle Taten gilt, die auf seinem Staatsgebiet, also im Inland, begangen werden, gleichgültig, wer sie begeht und gegen wen sie sich richten. Dieses Prinzip folgt der Erwägung, daß sich die innerstaatliche Rechtsordnung gegenüber jedermann durchsetzen muß, der sich im Inland aufhält. Der Gebietsgrundsatz ist im Völkerrecht unbestritten anerkannt und auch in allen ausländischen Staaten herrschend. Als Anknüpfungspunkt entspricht das Territorialitätsprinzip den Grundsätzen der Gebietshoheit, der Unabhängigkeit und der Gleichheit der souveränen Staaten 15 .

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b) Mit dem Gebietsgrundsatz verwandt ist das Flaggenprinzip16. Es besagt, daß das Strafrecht eines Staates, dessen Flagge ein See- oder Binnenschiff (gleich welcher Art) führt oder bei dem ein Luftfahrzeug registriert ist, auch für solche Taten gilt, die an Bord dieses Schiffes oder Luftfahrzeuges begangen werden. Es kommt hierbei nicht darauf an, welche Staatszugehörigkeit der Täter hat, auf was für einem Hoheitsgebiet die Tat begangen wurde (vgl. hierzu jedoch die Erläuterungen zu § 4) oder ob sie auf oder über der hohen See geschehen ist. Auch das Flaggenprinzip ist völkerrechtlich anerkannt und unbestritten.

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c) Der Schutzgrundsatz (Realprinzip)17 besagt, daß das inländische Strafrecht auch für solche Taten gilt, die inländische Rechtsgüter gefährden oder verletzen, gleichviel, wer sie begeht und wo sie begangen werden. Der Schutzgrundsatz tritt vornehmlich dann hervor, wenn durch Straftaten von Ausländern im Ausland inländische Rechtsgüter angegriffen werden. Die Anwendbarkeit des inländischen Strafrechts folgt bei diesem Grundsatz allein aus seiner Schutzfunktion.

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aa) Geht es um den Schutz der Rechtsgüter des Staates selbst (Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Landesverrat und Straftaten gegen die Landesverteidigung oder die öffentliche Ordnung), so erfährt der Schutzgrundsatz seine innere Berechtigung daraus, daß der Täter selbst eine Beziehung zur Strafgewalt des betroffenen Staates hergestellt hat (Staatsschutzprinzip) und sich dieser Staat nur durch seine eigene Strafgewalt gegen Angriffe von Ausländern aus dem Ausland erwehren kann, da das ausländische Strafrecht das regelmäßig nicht tut. Der Grundsatz der identischen Norm (unten Rdn. 8) kann daher beim Staatsschutzprinzip nicht gelten 18 .

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bb) Geht es um den Schutz anderer inländischer Rechtsgüter als der des Staates, insbesondere um den Schutz der eigenen Staatsangehörigen (passiver Personalitäts14

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Über Herkunft und Entwicklung des Territorialitätsprinzips: Oehler Internationales Strafrecht S. 52 ff, im übrigen grundlegend S. 151 ff und in Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 117; ferner Jescheck AT § 18 II 1. Jescheck AT § 18 II 1 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 151 f. Grundlegend und über das Verhältnis des Strafrechts des Flaggstaates und dem des Küstenstaates: Oehler Internationales Strafrecht S. 318ff.; weitere Nachweise auch bei Jescheck AT § 18 II 2 und in Maurach-Festschrift (1972) 583; Wille Verfolgung S. 40. Hierzu Oehler Inernationales Strafrecht S. 137, 359 sowie in Grützner-Geburtstagsgabe S. 117; Jescheck AT § 18 II 4; für eine Einschränkung des Schutzgrundsatzes: Stratenwerth A T Rdn. 123. Hierzu im einzelnen Jescheck AT § 18 II 4 m. weit. Nachw. (94)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

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grundsatz, Individualschutzprinzip), so erfährt der Schutzgrundsatz eine Einschränkung durch das Erfordernis der identischen Norm, d. h. die Tat muß auch am Tatort mit Strafe bedroht (lex loci) sein 19 (unten § 7 Rdn. 4). Das ist erforderlich, weil der Normadressat nicht eigener Staatsangehöriger, sondern in der Regel ein Ausländer und meist ein Angehöriger des Tatortstaates ist. d) Der aktive Personalitätsgrundsatz läßt sich unterschiedlich rechtfertigen, je 9 nachdem, ob man ihn innerhalb des internationalen Strafrechts als herrschendes Prinzip uneingeschränkt begreift (absolutes aktives Personalitätsprinzip, Staatsangehörigkeitsgrundsatz) oder — wie nunmehr im geltenden Recht — auf dem Boden des Gebietsgrundsatzes (Rdn. 4) als ergänzendes Prinzip (eingeschränktes aktives Personalitätsprinzip). Im ersten Sinne besagt das aktive Personalitätsprinzip, daß das Strafrecht für die 10 Tat eines Inländers gilt, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht 20 . In diesem Sinne folgt dieses Prinzip dem Gedanken, daß ein Staat von seinen eigenen Staatsangehörigen erwartet und fordern kann, daß sie die Gebote und Verbote der eigenen Rechtsordnung beachten, gleichgültig, wo sie sich aufhalten. Es wird hierbei auf die Bindung des einzelnen an das heimatliche Strafrecht und auf die Treupflicht des Bürgers hingewiesen 21 . Der uneingeschränkte aktive Personalitätsgrundsatz kommt autoritärem Staatsdenken entgegen. Er setzt für die Bestrafung eines eigenen Staatsangehörigen wegen einer Auslandstat das Bestehen einer identischen Norm (Rdn. 8) nicht unbedingt voraus. Er kann allerdings von seinen eigenen Staatsangehörigen kein Verhalten erzwingen, das seinerseits den Normen des ausländischen Aufenthaltsortes widerspräche 22 . Der eingeschränkte aktive Personalitätsgrundsatz folgt aus dem Gedanken inter- 11 nationaler Solidarität. Er besagt nur etwas über Auslandstaten von Inländern. Er ergänzt das Territorialitätsprinzip und gewährleistet auch den Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Straftaten von Inländern 23 . Er setzt eine identische Norm am Tatort (lex loci) voraus, es sei denn, der Tatort unterläge keiner Strafgewalt 24 . Eine Abwandlung des aktiven Personalitätsprinzip ist das Domizilprinzip. Es 12 läßt für die Begründung der innerstaatlichen Strafgewalt den inländischen Wohnsitz des Ausländers genügen. e) Der Weltrechtspflegegrundsatz (Universalprinzip)25 besagt, daß das inländi- 13 sehe Strafrecht auch für bestimmte Taten gilt, durch die gemeinsame, in allen Kulturstaaten anerkannte Rechtsgüter verletzt werden, gleichgültig, wer sie begeht oder wo und gegen wen sie begangen werden. Solche übernationale Kulturgüter, an deren Schutz alle Staaten ein gemeinsames Interesse haben, sind ζ. B. die Unterbindung des Rauschgifthandels, des Sklaven- und Mädchenhandels, der Kampf gegen die Falschmünzerei und der Schutz der Überseekabel. Die einzelnen Staaten haben 19

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Oehler Internationales Strafrecht S. 138 und in Grützner-Geburtstagsgabe S. 119; Jescheck AT § 18 II 4 und in Maurach-Festschrift (1972) 581 jeweils m. weit. Nachw. Gegen dieses absolute Personalitätsprinzip: Oehler Internationales Strafrecht S. 437. Lackner Vorbem. 2 vor § 3; hiergegen Schröder JZ 1968 241 und in Sch.-Schröder-Eser§ 3 Rdn. 2; Oehler Internationales Strafrecht S. 144 und in Grützner-Geburtstagsgabe S. 123; vgl. Samson SK vor § 3 Rdn. 9. Jescheck AT § 18 II 3. Vogler Grützner-Geburtstagsgabe S. 157. Oehler Internationales Strafrecht S. 440. Oehler Internationales Strafrecht S. 146 f.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

sich meist durch internationale Abmachungen zu diesem Schutz verpflichtet 26 . Er soll vor allem ermöglichen, daß dasjenige Strafrecht unmittelbar angewendet werden kann, in dessen Geltungsbereich der Täter ergriffen wird. 14

f) Nach dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege27 greift das inländische Strafrecht hilfsweise (subsidiär) und ergänzend für eine ausländische Strafrechtsordnung ein : Er trifft die Fälle, in denen ein Täter im Inland ergriffen wird und der ausländische Staat, der an sich nach dem Gebietsgrundsatz zur Verfolgung berufen wäre, hieran aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen gehindert oder an der Verfolgung nicht interessiert ist. Der inländische Richter tritt für den ausländischen ein, er übt aber gleichwohl die Staatsgewalt des eigenen Staates aus. Der Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege setzt eine identische Norm (Rdn. 8) des Staates voraus, wo die Tat begangen wurde. Dieser Grundsatz erfordert ferner, daß der Staat, der durch den anderen in der Ausübung der Strafrechtspflege vertreten wird, die Entscheidung des Gerichts des verfolgenden Staates anerkennt (sog. Erledigungsprinzip).

15

g) Im modernen internationalen Strafrecht formuliert Oehler28 aus dem Gedanken der Solidarität der Staaten ferner das Kompetenzverteilungsprinzip. Es beruht hauptsächlich auf Vereinbarungen zwischen Staaten mit vergleichbaren Rechtssystemen, es gewinnt zunehmend an Bedeutung und weist in die Zukunft ( Oehler Internationales Strafrecht S. 430). Es ist ein originäres — im Verhältnis zur Auslieferung nicht etwa subsidiäres — Prinzip, das neben die herkömmlichen Grundsätze des internationalen Strafrechts getreten ist. Freilich kommt es nur auf Ersuchen eines der berechtigten Staaten zur Anwendung. Dem Kompetenzverteilungsprinzip liegt der Gedanke zugrunde, daß Staaten die Zuständigkeit zur Aburteilung von Taten aus Zweckmäßigkeitsgründen und um der Gerechtigkeit willen so festlegen, daß die Überschneidung der Geltungsbereiche der Strafrechte möglichst eingeschränkt und eine Doppelbestrafung vermieden wird oder die Vollstreckung eines fremden Urteils vereinbart wird (so Oehler S. 423). Das Kompetenzverteilungsprinzip knüpft nicht mehr grundsätzlich an den Tatort oder an die Staatsangehörigkeit des Täters an, sondern an den Täterwohnsitz im aburteilenden Staat oder an den Staat, in dem die Verurteilung am zweckmäßigsten vorgenommen wird {Oehler S. 141). Ausprägungen des Kompetenzverteilungsprinzips finden sich in den Europäischen Übereinkommen über die Übertragung von Strafverfahren vom 15. 5. 1972, über die internationale Gültigkeit von Strafurteilen vom 28. 5. 1970 und über die Verfolgung von Straßenverkehrssachen vom 30.11.1964 2 9 . Das letzte Übereinkommen ist schon für einige Staaten in Kraft getreten, die übrigen harren noch der Ratifizierung. Es werden dabei zwar das Maß des Fortschritts aber auch die Schwierigkeiten deutlich, denen das Kompetenzver26

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28 29

Einzelheiten bei Oehler Internationales Strafrecht S. 512 ff ; Jescheck Maurach-Festschrift (1972) 582 f. Hierzu m. weit. Nachw. Jescheck AT § 18 II 6 und in Maurach-Festschrift (1972) 580; grundlegend ferner Oehler Internationales Strafrecht S. 145 f, 491 ff und in Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 124. Internationales Strafrecht S. 141, 423 ff, ferner in Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 121. Das letztere Übereinkommen ordnet Jescheck (Maurach-Festschrift [1972] 580) dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege zu. Über den sachlichen Inhalt dieser Übereinkommen unter dem Aspekt des Internationalen Strafrechts im einzelnen: Oehler Internationales Strafrecht S. 424ff. (96)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

teilungsprinzip angesichts der großen Unterschiede der Rechtssysteme der einzelnen Staaten gegenüberstehen. 3. Die Entscheidung über die Grenzen der eigenen Strafgewalt trifft grundsätz- 16 lieh jeder souveräne Staat selbst (Kompetenz-Kompetenz der Staaten). Ob er bei der Regelung des Geltungsbereichs den Gebiets- oder Personalitätsgrundsatz in den Vordergrund rückt und in welchem Umfange er die übrigen Grundsätze wirken läßt, hat praktisch bedeutsame Folgen. Kein Staat kann jedoch insoweit ganz nach Belieben verfahren. Bestimmte völkerrechtliche Regeln, ζ. B. das Interesse anderer Staaten an der Wahrung ihrer Rechtsordnung und am Schutz ihrer Staatsangehörigen, muß jeder Staat beachten. So gilt stets das Verbot des Rechtsmißbrauchs. Auch darf kein Staat das Interesse anderer Staaten an der Wahrung ihrer Rechtsordnung und am Schutz ihrer Staatsangehörigen unberücksichtigt lassen. Da aber jeder Staat seine Regeln für „sein internationales Strafrecht" selbst aufstellt, gehört dieser Teil des Strafrechts zum staatlichen Recht und nicht zum Völkerrecht, obwohl es Normen setzt, die die Anwendbarkeit der eigenen Strafgewalt auf Ausländer und Auslandstaten regeln 3 0 . II. Die gesetzliche Regelung des internationalen Strafrechts 1. Seit dem Inkrafttreten des 2. StrRG (1975) ist im geltenden Recht das interna- 17 tionale Strafrecht wieder auf der Grundlage des Gebietsgrundsatzes (Territorialitätsprinzips, Rdn. 5) geregelt, der schon im Deutschen Reich vor dem Jahre 1940 herrschend war. Diese Umkehr folgte dem Vorschlag aller Entwürfe 3 1 . Sie liegt im Zuge der internationalen Rechtsentwicklung, weil es dem gegenwärtigen Verhältnis der Kulturstaaten zueinander besser entspricht, die eigene Strafgewalt grundsätzlich auf Taten zu beschränken, die im eigenen Gebiet begangen werden 3 2 . 2. Die bisherige Regelung, die der nationalsozialistische Gesetzgeber durch die 18 GeltungsbereichsVO vom 6. 7. 1940 33 — dem österreichischen Recht und früheren Entwürfen folgend — eingeführt hatte, beruhte auf dem aktiven Personalitätsgrundsatz (Rdn. 9). Mag dieses Prinzip mit seiner starken Bindung des einzelnen an sein Heimatrecht auch damaligen Rechtsauffassungen entgegengekommen und politisch mitmotiviert gewesen sein 3 4 , so war gleichwohl die Regelung als solche rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Einwendungen nach herrschender Überzeugung nicht ausgesetzt 3 5 . Es läßt sich sogar nach der Interpretation Schröders36, soweit der Grundsatz der identischen Norm (Rdn. 8) beachtet wird, aus dem Gedanken der internationalen Solidarität bei der Verbrechensbekämpfung als besonders wirksamer Schutz ausländischer Rechtsgüter gegen Angriffe Deutscher im Ausland begreifen. Erwähnenswert ist, daß die D D R zwar den Territorialitätsgrundsatz der Regelung des internationalen Strafrechts voranstellt, für Auslandstaten ihrer Bürger 30 Jescheck AT § 18 I 2, 5. 31 §§ 3 ff Ε 1962 Begründung S. 105, 109 ; § 4 AE. 32 Jescheck AT § 18 VI 1 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A. 33 RGBl. I S. 754 (hierzu Mezger-Lange DStR 1941 6, 18), ergänzt durch das 3. StRÄndG (BGBl. 1953 I S. 735) und das 4. StRÄndG (BGBl. 1957 I S. 597). 34 Jescheck AT § 18 II 3, III 1 m. weit. Nachw.; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II a. 35 BGH NJW 1951 769 und NJW 1969 1542, BGHSt. 2 160, OLG Hamburg JZ 1951 305; Oehler G A 1960 121 ; weit. Nachw. in der Voraufl. vor § 3 Rdn. 14. 36 JZ 1968 243 und Sch.-Schröder-Eser § 3 Rdn. 2.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

aber uneingeschränkt, also ohne die Voraussetzung einer identischen Norm, ihr eigenes Strafrecht anwendet (§ 80 Abs. 1, 2 StGB-DDR) und damit nach dem uneingeschränkten aktiven Personalitätsprinzip verfährt 37 . 19

3. Die Neueinführung des Gebietsgrundsatzes (Territorialitätsprinzip) wurde allgemein begrüßt. Kritik38 richtete sich lediglich dagegen, daß dieser Grundsatz in gewichtigen Bereichen und im ganzen stärker durchbrochen wird, als dies bei der Regelung vor 1940 der Fall war39. Freilich werden die Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip wohl überbewertet, wenn gesagt wird, daß auf diese Weise der negative Effekt des Territorialitätsprinzips „weitgehend wieder aufgehoben" worden sei 40 .

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Die Neuregelung knüpft in der Gesetzessystematik primär nicht mehr an Täter, sondern an Tatorte an. Das Gesetz stellt den Gebietsgrundsatz, wonach das deutsche Strafrecht für alle Inlandstaten gilt (§ 3), an die Spitze. Es läßt die Sonderregelung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen folgen (§ 4). Hernach wird im einzelnen geregelt, was gilt, wenn die Tat im Ausland begangen wurde (§§ 5 bis 7). Es wird in diesen Vorschriften enumerativ aufgeführt, in welchen Fällen der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf das Ausland ausgedehnt wird. So werden nach dem Schutzgrundsatz (Staatsschutzprinzip, Rdn. 7) Auslandstaten nach deutschen Strafrecht verfolgt, die die Vorbereitung eines Angriffskrieges, Hoch- und Landesverrat und Straftaten gegen die Landesverteidigung sowie die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates betreffen (§ 5 Nr. 1 bis 4) oder die Eidesdelikte vor deutschen Gerichten oder die Straftaten von oder gegen deutsche Amtsträger im Ausland zum Gegenstand haben (§ 5 Nr. 10 bis 13). Das passive Personalitätsprinzip (Rdn. 8) kommt bei der Verfolgung der im Ausland begangenen Verschleppung oder politischen Verdächtigung Deutscher sowie bei der Verletzung von deutschen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 5 Nr. 6, 7) und bei sonstigen Straftaten, die im Ausland gegen Deutsche begangen werden (§ 7 Abs. 1), zur Anwendung. Das (uneingeschränkte) aktive Personalitätsprinzip (Rdn. 9) ist — kombiniert mit dem Domizilprinzip — für im Ausland begangene Abtreibungen und für bestimmte Sexualdelikte maßgebend, ebenso bei Auslandstaten von Amtsträgern (§ 5 Nr. 8, 9, 11, 12). Es gilt ferner, was von großer Bedeutung ist, — freilich mit der Einschränkung des Erfordernisses einer identischen Norm (Rdn. 8), sofern nicht der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt — allgemein für Auslandstaten Deutscher (§ 7 Abs. 2 Nr. 1). Unter denselben Voraussetzungen werden auch Auslandstaten im Inland betroffener Ausländer nach dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege (Rdn. 14) verfolgt, wenn deren Auslieferung nicht in Betracht kommt (§7 Abs. 2 Nr. 2). Die Auslandsstraftaten, die aufgrund des Weltrechtspflegeprinzips (Rdn. 13) verfolgt werden, zählt schließlich § 6 auf. Ein Irrtum über den Umfang der deutschen Gerichtsbarkeit ist stets unbeachtlich (BGHSt. 27 34).

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4. Stets ist aber zu beachten, daß die §§ 4 bis 7 keineswegs die ausschließliche Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts dekretieren. Sie regeln lediglich dessen Reich-

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Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A a. E. Schultz GA 1966 198; Gallas ZStW 80 (1968) 14; Vogler Grützner-Geburtstagsgabe S. 155; vgl. Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 12. 39 So Samson SK vor § 3 Rdn. 12; vgl. auch Oehler iR 1977 424. Vgl. hierzu auch Strafbarkeitslücken bei § 7 Rdn. 4.

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Vor § 3

weite — oder genauer — die der innerstaatlichen Strafgewalt (Rdn. 2). Ob sie eingesetzt wird, obliegt bei Auslandstaten stets dem Ermessen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1 StPO). Die §§4 bis 7 enthalten also keine Kollisionsnormen (Rdn. 2), vielmehr schließt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht aus, daß dieselbe (Auslands-)Tat auch nach dem „internationalen Strafrecht" mehrerer ausländischer Strafrechtssysteme 41 nach deren Straftatbeständen aufgrund des Territorialitätsprinzips, des aktiven Personalitätsprinzips oder auch im Hinblick auf eine Mehrheit von Tatorten bei Distanzdelikten (§ 9) straf- und verfolgbar ist. Das ist sogar die Regel. Die §§ 4 bis 7 besagen nichts darüber, was gilt, wenn eine solche Konkurrenz verschiedener anwendbarer Strafrechtsordnungen gegeben ist. Die verschiedenen, bei Taten mit Auslandsbezug eingreifenden Strafrechtsordnungen bestehen nebeneinander und richten sich nach ihren eigenen Gesetzen : Das für die Aburteilung deutsche zuständige Gericht wendet immer nur ihr eigenes inländisches Strafrecht an, soweit nach den Vorschriften der §§ 4 bis 7 hierfür Raum ist. Das gilt auch, wenn der Täter der Auslandstat im Ausland schon verurteilt ist. Der Grundsatz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG) gilt im Verhältnis zur ausländischen Verurteilung nicht 4 2 . Freilich gilt das sog. Anrechnungsprinzip (§ 51 Abs. 3): Eine im Ausland vollstreckte Strafe wegen derselben Tat wird im Inlandsurteil angerechnet. Diese gesetzliche Regelung der Doppelbestrafung ist rechtspolitischen Einwendungen ausgesetzt: Es wird verschiedentlich verlangt, eine Inlandsstrafe durch die lex mitior am Tatort zu begrenzen (vgl. hierzu BGHSt. 27 34) und eine inländische Bestrafung dann nicht stattfinden zu lassen, wenn der Täter wegen einer Auslandstat im Ausland rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt worden ist (ErledigungsprinzipJ43. 5. Die allgemeinen Grundsätze für die Anwendung des deutschen Strafrechts be- 22 dürfen aus dem Besonderen Teil noch einiger Ergänzungen. Denn bei Taten mit Auslandsbezügen können sich für die Strafrechtsanwendung auch Beschränkungen aus der Auslegung einzelner Tatbestände daraus ergeben, daß die besondere Vorschrift sich auf den Schutz inländischer Rechtsgüter 44 beschränkt. a) Es gibt Handlungen von Inländern im Ausland, die äußerlich betrachtet einen 2 3 deutschen Tatbestand erfüllen, der jedoch seinem Sinn nach nur deutsche Interessen im engeren Sinne (ζ. B. deutsche Verwaltungsorgane) zu schützen bestimmt ist, während die Auslandstat, die die Merkmale des betreffenden Tatbestandes aufweist, sich ausschließlich gegen die Rechtsgüter des fremden Staates richtet. Solche Handlungen sind nicht „Taten" im Sinne der §§ 5 f f 4 5 , weil sie „den Tatbestand eines Strafgesetzes nicht verwirklichen" (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5). Wann eine Strafvorschrift nur inländische Rechtsgüter schützt, ist eine Frage der Auslegung des deutschen sachlichen Strafgesetzes 46 und ist — soweit sich dies nicht schon aus Überschrift oder Wortlaut der einzelnen Vorschrift oder der anzuwendenden Nor41

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Eine eingehende Darstellung über die „internationalen Strafrechte" anderer Länder gibt das grundlegende Werk von Oehler Internationales Strafrecht, 1973. BVerfGE 12 62 = NJW 1961 867, BGHSt. 6 177, BGH NJW 1969 1542, BayVerfGH GA 1963 250, OLG Stuttgart Die Justiz 1968 313. Hierzu unten § 7 Rdn. 1, 15 und BGHSt. 20 22, ferner AE § 7 Abs. 2, 3; Sch.-SchröderEser Rdn. 63. Zum Begriff „Rechtsgut" und dessen Auslegung in diesem Zusammenhang: Nowakowski JZ 1971 637. Mezger DStR 1941 22. RGSt. 14 124, 15 221, 19 192; OLG Hamm JZ 1960 576 m. Anm. Schröder.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

men ergibt (vgl. §§5,11 Abs. 1 Nr. 2, 3) — für jeden Fall gesondert zu prüfen 4 7 und zwar erst dann, wenn feststeht, daß der Sachverhalt nach den Regeln des internationalen Strafrechts überhaupt der deutschen Strafgewalt unterliegt 48 . Die Unterscheidung von Kohlrausch-Lange (§ 3 Anm. I 2), wonach es darauf ankommen soll, ob „die Handlung ihrer Natur nach als Verbrechen erscheint, ob ein Rechtswert gemeinsames Kulturgut ist oder nur Bestandteil einer positiven fremden Ordnung, erscheint nicht hinreichend bestimmt und praktisch wenig brauchbar 4 9 . 24

Eine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern wird allerdings nur dort praktisch, wo es sich um staatliche Interessen handelt. Der Schutz des Lebens, der Ehre, des Vermögens und der Freiheit der Willensäußerung verdient universalen Schutz, gleichgültig, ob ein Inländer oder ein Ausländer Träger des Rechtsguts ist 50 . Geht es jedoch um staatliche Interessen, den Schutz staatlicher Hoheitsgewalt und der staatlichen Verwaltung, so ist die deutsche Staatsgewalt in der Regel nicht berufen, die ausländischen Staatseinrichtungen und deren Interessen strafrechtlich zu schützen 5 1 .

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b) Einzelbeispiele. Wo im Besonderen Teil die Staats- und Regierungsgewalt strafrechtlich geschützt wird, bezieht sich dieser Schutz — wie sich meist aus dem Wortlauf dieser Vorschriften, aber auch mittelbar aus der Existenz der §§ 102 ff ergibt — nur auf inländische staatliche Einrichtungen. Dies gilt insbesondere für die Staatsschutzdelikte52 im weiteren Sinne (§§ 80 bis 101 a, 109 bis 109k) 5 3 , soweit der Schutzbereich solcher Vorschriften nicht ausdrücklich auf nichtdeutsche NATOTruppen erstreckt ist (vgl. Art. 7 des 4. StRÄndG 1957 i. d. Fass, des Art. 147 EGStGB 1974). 26 Nur deutsche Vollstreckungsbeamte werden durch die Vorschriften über den Widerstand (§§ 113f) geschützt. Das ist inzwischen durch § 11 Abs. 1 Nr. 2 klargestellt und entsprach schon bisher herrschender Rechtsprechung 5 4 . Nichts anderes gilt für §111 (öffentliche Aufforderung zu Straftaten) 5 5 , für die Tatbestände der Gefangenenbefreiung und Gefangenenmeuterei (§§ 120f), für die §§ 129 bis 140i(> und 144 (Auswanderungsbetrug) sowie alleBestechungs- undAmtsdeliktef$$5i/j09. 27

Auch die Tatbestände des Hausfriedensbruchs und des Landfriedensbruchs (§§ 123 bis 127) schützen nur inländische Rechtsgüter 57 . Dies folgt daraus, daß (ne47

Vgl. BGHSt. 8 355, 20 51, 21 280. Jescheck AT § 18 III 9; a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 13, 21 ; Schröder JZ 1968 244; Nowakowski JZ 1971 634. 49 Zum ganzen: v. Hefter Frank-Festgabe II S. 269; Mezger DStR 1941 22; Lange DStR 1941 7. 50 Oehler Internationales Strafrecht S. 202, 475 ff. und JR 1975 293; Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 15; Jescheck AT § 18 III 9 m. weit. Nachw. und in Maurach-Festschrift (1972) 583. 51 BGHSt. 21 280, 22 285; Oehler Internationales Strafrecht S. 202, 477, ferner in MezgerFestschrift (1954) 98f; Jescheck AT § 18 III 9; Nowakowski JZ 1971 634. 52 Α. Α., aber überholt RGSt. 8 55. 53 Vgl. Schröder NJW 1968 283 und Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 17, 18. 54 OLG Hamm JZ 1960 576 m. Anm. Schröder u. weit. Nachw. in Vorauf! vor § 3 Rdn. 22. 55 Α. A. Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 18, vgl. Samson JZ 1969 258. 56 Vgl. zu § 120: Vogler NJW 1977 1867, zu § 128 a.F.: BGHSt. 20 45; zu § 140: BGHSt. 22 285; zu §§ 105, 333, 334: BGHSt. 8 355; hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 477; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18. 57 Α. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 22 und Voraufl. Rdn. 23. Die abweichende Meinung wird aufgegeben. 48

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Vor § 3

ben §§ 113, 120, 132) die §§ 123, 124, 125, 125a nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 5, 7 des 4. StRÄndG 58 ausdrücklich auch zugunsten der in Deutschland stationierten nichtdeutschen NATO-Truppen anzuwenden sind (was nicht besonders hätte dekretiert zu werden brauchen, wenn über § 7 Abs. 2 S. 1 die §§ 123 ff sogar auf Auslandstaten zugunsten aller Staaten anwendbar wären) 59 . Die Straftatbestände zum Schutze der Rechtspflege (§§ 153 ff, 258) dienen grund- 28 sätzlich nur dem Schutz der innerdeutschen staatlichen Rechtspflege60. Sie sind in ihrer Abgrenzung und Ausformung auf die Zuständigkeiten des deutschen Rechts abgestellt und verlören im Falle einer grenzenlosen Ausdehnung auf die Rechtspflege aller übrigen Staaten ihre tatbestandliche Garantiefunktion. Hinzu kommt, daß die Ausübung ausländischer staatlicher Rechtspflege nicht von vornherein gegenüber jedem Verdacht des Mißbrauchs erhaben ist, der Schutz durch das deutsche Recht indessen vom Vertrauen in die Integrität staatlicher Tätigkeit getragen sein muß und es nicht dem einzelnen Richter überlassen bleiben kann zu entscheiden, ob die ausländische Rechtspflege so beschaffen ist, daß sie den Schutz durch das Strafrecht rechtfertigt 61 . Die ältere Rechtsprechung 62 und beachtliche Stimmen im Schrifttum sowie die Vorauflage 63 haben sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, daß die Aussagedelikte auch die ausländische Rechtspflege schützen. OehlerM, der den Anwendungsbereich der §§ 153 ff grundsätzlich auf die inner- 29 deutsche staatliche Rechtspflege beschränkt, möchte das aktive Personalitätsprinzip (Rdn. 9) jedoch dann auf die §§ 153 ff anwenden, wenn ein Deutscher vor einem fremden Gericht falsch ausgesagt hat und ein Deutscher oder die Bundesrepublik der Verletzte ist, weil ein etwaiger Prozeßbetrug oder eine (mittelbare) Freiheitsberaubung dem wirklichen Unrechtsgehalt nicht gerecht würde. Indessen erscheint dies zweifelhaft: Die (vorgreifliche und allgemeinere) Frage, ob der Schutzbereich von Straftatbeständen zum Schutze der Rechtspflege etwa auch über die Staatsgrenzen hinaus reicht, kann man nicht ohne weiteres von der (nachfolgenden und speziellen) Frage abhängen lassen, ob es (auch) inländische Rechtsträger sind, die (mittelbar) durch die Falschaussage betroffen werden. Mit Recht sagt Oehler an anderer Stelle 65 , daß die Eidesdelikte zu der Gruppe von öffentlichrechtliche Rechtsgüter betreffenden Straftaten gehören, die, wenn sie im Ausland begangen werden, grundsätzlich nicht von der Gesetzgebung über das aktive Personalitätsprinzip oder andere Prinzipien des internationalen Strafrechts erfaßt werden sollen. Auch für Aussagedelikte und Eidesverletzungen, die vor internationalen und su- 30 pranationalen Gerichtshöfen geleistet werden, gelten die §§ 153 ff nicht ohne weiteres 66 , sondern nur wenn vertragliche Vereinbarungen den Anwendungsbereich des 58

V. 11. 7. 1957 (BGBl. I S. 298) i. d. Fass. d. Art. 5 des 8. StRÄndG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I S. 741), geändert durch Art. 4 des 3. StrRG, Art. 6 Nr. 1 des 4. StrRG und Art. 147 Nr. 1 EGStrGB. 59 Oehler Internationales Strafrecht S. 478. 60 Oehler Internationales Strafrecht S. 203, 478; Schröder JZ 1968 244; Samson SK § 3 Rdn. 13. 61 Schröder JZ 1968 244; F. C. SchroederiZ 1976 100; vgl. NowakowskiiZ 1971 634. 62 RGSt. 3 72. 63 Jescheck Internationales Recht und Diplomatie S. 78; Welzel § 6 II 1 ; Kohlrausch-Lange § 3 Anm. I 2 und in der Voraufl. vor § 3 Rdn. 24. 64 Internationales Strafrecht S. 478. 65 Internationales Strafrecht S. 541. 66 Zu weitgehend insoweit die Vorauflage vor § 3 Rdn. 24.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

nationalen Strafrechts auf Aussagedelikte, die vor supranationalen Gerichtshöfen begangen werden, ausdrücklich ausgedehnt haben 67 (vgl. hierzu § 6 Nr. 8 und die dortigen Erläuterungen). Dies geschah in Art. 28 Abs. 4 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 68 und in Art. 27 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) 69 . Nach Art. 27 der Satzung des Gerichtshofs EWG/EAG ist jeder Mitgliedsstaat für die Aburteilung zuständig, nach Art. 28 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs EGKS nur der Heimatstaat des Täters. Im ersten Fall (Art. 27 Satzung Gerichtshof EWG/EAG) werden die nationalen Bestimmungen über das internationale Strafrecht durch ein „gemeinschaftsrechtliches Territorialitätsprinzip" ersetzt 70 . Die in den jeweiligen Satzungen vorausgesetzte Adresse des Gerichtshofs der EGKS an den Justizminister des Heimatsstaates bzw. die Anzeige des Gerichtshofes der EWG/EAG ist jeweils Prozeßvoraussetzung für die Strafverfolgung 71 . Weitere ausdrückliche Vorschriften über die innerstaatliche Verfolgung von Eidesverletzungen vor über- oder zwischenstaatlichen Gerichten und Organisationen enthalten Art. 109 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 3. 3. 195972 in Verbindung mit Art. 6 der zusätzlichen Verfahrensordnung vom 9. 3. 196273, Art. 57 der Verfahrensordnung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 2. 4. 195974 und Art. 43 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. 9. 195975. 31

Auch §164 (Falsche Verdächtigung) schützt in erster Linie die inländische staatliche Rechtspflege. Insoweit gilt grundsätzlich dasselbe wie bei den §§ 153 ff. Indessen greift § 164 im Hinblick auf dessen Doppelnatur76 dann ein, wenn ein Deutscher einen anderen vor einer ausländischen Behörde falsch verdächtigt 77 . 32 Durch § 132a (Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen) sowie durch die §§ 146ff (Geld- und Wertzeichenfälschung) werden, wie sich aus 67 68 69

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Oehler Internationales Strafrecht S. 479, 541. v. 18. 4. 1951 (BGBl. 1952 II S. 482). v. 17.4. 1957 (BGBl. II S. 1166), geändert durch Art. 20 Beitritts- und Anpassungsakte zum Vertragswerk vom 22. 1. 1972 (BGBl. II S. 1127/1144). Zum ganzen eingehend und m. weit. Nachw.: Oehler Internationales Straftrecht S. 539 ff; Jescheck Maurach-Festschrift (1972) 592, ferner AT § 18 III 9 Fußn. 53. Oehler Internationales Strafrecht S. 541 ; a. A. BGHSt. 17 121 für den entsprechenden Fall eines Verfolgungsantrages nach Art. 194 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft ( E U R A T O M / E A G ) vom 15.3.1957 BGBl. 1957 II S. 1014, 1678; 1971 II S. 8). Der BGH sieht in diesen „Adressen", „Anzeigen" oder „Verfolgungsanträgen" lediglich die Voraussetzung für eine Pflicht des Staates, gegen den Täter vorzugehen (BGHSt. 17 121). BGBl. 1959 II S. 1205, 1960 II S. 452, 1962 II S. 1030. BGBl. 1962 II S. 770. i. d. Fass, vom 1./5. 8. 1960 (BGBl. 1963 II S. 333). i. d. Fass, vom 24. 10. 1961 (BGBl. 1963 II S. 351, 1967 II S. 1996, 2363, 1969 II S. 1502, 2174. BGHSt. 5 68, 9 242, 14 244; Herdegen LK § 164 Rdn. 1; Sch.-Schröder-Lenckner § 164 Rdn. 1. BGH NJW 1952 1385 (Behörde der französischen Besatzungsmacht), BGH JR 1965 307 (polnische Dienststelle), vgl. für HessOLG (Darmstadt) DReZ 1949 20 m. Anm. von v. Weber, a. A. RGSt. 60 317 für französische Dienststellen während der Ruhrbesetzung 1923; weit. Nachw. bei Herdegen LK §164 Rdn. 22; Sch.-Schröder-Lenckner §164 Rdn. 27. (102)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

Wortlaut oder ausdrücklicher Vorschrift (§ 152) ergibt, auch ausländische Rechtgüter geschützt. Das Gesetz folgt insoweit bei den Münzdelikten dem Art. 5 des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei vom 20. 4. 1929 78 . Hingegen bleibt der Schutz des § 170b (Verletzung der Unterhaltspflicht) auf das 33 Inland beschränkt 7 9 , nicht nur weil diese Vorschrift auch die deutsche Allgemeinheit vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Staatsfinanzen zu schützen bestimmt ist und dieser Schutz nicht auf die ausländische öffentliche Hand ausgedehnt werden kann, sondern weil auch der Individualschutz, den die Vorschrift miteinschließt, besonderer Art und im Ausland durchaus unterschiedlich geregelt ist. Inwieweit Urkunden mit Auslandsbezug durch die Urkundentatbestände (§§ 267 34 bis 282) geschützt sind, läßt sich allgemein nicht beurteilen 8 0 . Uneingeschränkt wird dies zu bejahen sein, soweit die Tatbestände den Schutz der Urkundenechtheit und Unversehrtheit im Auge haben 8 1 . Soweit es um Wahrheitsschutz geht (§§271 bis 273), ist zu beachten, daß diese Vorschriften nicht nur den allgemeinen Beweisverkehr schützen, sondern auch die staatliche Autorität in der besonderen Ausprägung der Beurkundungsbefugnis öffentlicher Urkundspersonen 8 2 . Da die mittelbare Falschbeurkundung „die Umkehrung der Falschbeurkundung im Amt" (§ 348) 83 ist, diese aber nur von einem „Amtsträger", also einer nach deutschem Recht tätigen Urkundsperson (§ 11 Abs. 1 Nr. 2), errichtet werden kann, ausländische Urkunden somit nicht erfaßt, kann grundsätzlich für §271 nichts anderes gelten. Hiergegen spricht auch nicht § 438 ZPO, wo lediglich bestimmt ist, unter welchen Voraussetzungen ausländische öffentliche Urkunden als echt anzusehen sind. Als Schutzobjekt der §§271 ff kommen jedoch solche ausländische Urkunden in Betracht, auf denen eine inländische Legalisierung angebracht ist oder die aufgrund Staats- oder Konsularverträgen als öffentliche Urkunden anerkannt sind und einer solchen Überbeglaubigung nicht bedürfen 8 4 . Nach BGHSt. 18 333 erfaßt § 279 auch den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse vor ausländischen Konsulaten. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen 8 5 . Die Frage, ob § 304 (gemeinschädliche Sachbeschädigung) auch eine in Berlin 35 (Ost) [hierzu Rdn. 60, 98] aufgestellte Tafel mit der Aufschrift „Sie betreten die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" schützt, hat F. C. Schroeder (JZ 1976 100) verneint 8 6 . 78 79

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BGBl. 1933 II S.913. OLG Saarbrücken JR 1975 291 m. Anm. Oehler ferner bei Internationales Strafrecht S. 203, 210; OLG Stuttgart MDR 1977 513 L; LG Frankfurt NJW 1977 508; a. A. Blei JA 1975 588, Kunz NJW 1977 2004, wohl auch Lackner § 170 Anm. 2; vgl. ferner AG Mannheim NJW 1969 997. noch weitergehend die Vorauflage Rdn. 23. Vgl. Tröndle LK 9. Aufl. vor § 267 Rdn. 3 ff. So richtig Wiedenbrüg NJW 1973 303; vgl. Tröndle LK 9. Aufl. §271 Rdn. 2 m. weit. Nachw. So Dreher § 271 Anm. 2: RGSt. 27 100, 66 137; BGH v. 29. 8. 1973 - 3 StR 337/72 - zitiert nach Dreher. Eingehend hierzu Wiedenbrüg NJW 1973 301, ferner Niewerth NJW 1973 1219; im Ergebnis ebenso Oehler Internationales Strafrecht S. 479. So auch Oehler Internationales Strafrecht S. 480. A . A . LG Berlin und KG JZ 1976 98 und wohl auch BGH NJW 1975 1611; hiergegen F. C. Schroeder NJW 1976 490.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

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Die deutschen Steuer- und Zollstraftatbestände schützen nur inländische staatliche Finanzinteressen. Inländische Beihilfe zu einem Vergehen gegen ausländische Zollgesetze ist daher nicht strafbar 8 7 . Im umgekehrten Fall eines im Ausland begangenen Vergehens gegen inländische Zollgesetze oder einer Auslandsteilnahme an einer solchen Tat kommt es darauf an, ob nach § 9 eine Inlandstat anzunehmen ist 8 8 (hierzu § 9 Rdn. 8, 15). Der Vorstoß gegen ausländische Steuer- und Zollgesetze ist im Inland auch nicht über den Umweg des Betrugstatbestandes (§ 263) strafbar 8 9 .

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Ausnahmsweise können aber auch ausländische staatliche Rechtsgüter vom deutschen Strafrecht dann mitgeschützt sein, wenn das Rechtsgut nicht aus der staatlichen Hoheitsgewalt fließt, sondern unbeschadet des fiskalischen Interesses den Charakter eines Individualrechtsguts hat: gegen Betrug ist beispielsweise auch das ausländische Staatsvermögen geschützt 90 , nicht jedoch gegen ungerechtfertigte Inanspruchnahme durch Unterhaltspflichtverletzungen (Rdn. 33). Auch sonst greift der inländische Strafschutz für ausländische staatliche Interessen regelmäßig nicht ein (vgl. Rdn. 25 bis 32). Mit Recht meint hingegen Jescheck 9 1 , daß die Interessen fremder Staaten im Inland besser geschützt werden sollten, als dies gegenwärtig der Fall ist. Aufgrund von staats- und völkerrechtlichen Verträgen ist im geltenden Recht ein inländischer Strafschutz ausländischer staatlicher Interessen dann vorgesehen, wenn aufgrund internationaler Vereinbarung oder unter ausdrücklicher Billigung deutscher Behörden ausländische Staatsgewalt im Inland tätig wird oder wenn inländische und ausländische staatliche Interessen gleichermaßen berührt werden. So dehnt Art. 7 des 4. StRÄndG 9 2 den Schutzbereich deutscher Strafvorschriften auf die Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts und ihre in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte aus. Wer ζ. B. in der Bundesrepublik einen amerikanischen Soldaten zur Desertation zu verleiten sucht oder öffentlich oder durch eine allgemeine Flugblattaktion zur Desertation auffordert, ist nach Art. 7 Abs. 3 des 4. StRÄndG 9 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3, §§ 16, 19 WehrStG und mit § 111 strafbar 9 3 .

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Straßenverkehrsrecht Schrifttum Allwang Zum Geltungsbereich deutscher Strafnormen auf dem Gebiet des Verkehrsrechts, DAR 1964 126, auch DRiZ 1965 154; Allwang Das Territorialitätsprinzip im Verkehrsstrafrecht, JR 1966 406; Grützner Schritte auf dem Weg zu einem europäischen Strafrecht, NJW 1961 2185; Isenbeck Anm. zu BGHSt. 21 277: NJW 1968 309; Oehler Anm. zu BGHSt. 21 277: JZ 1968 191; Reißfelder Ahndung in Österreich begangener Verkehrszuwiderhandlungen als 87

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OLG Hamburg NJW 1964 937 m. Anm. von Schröder JR 1964 352; so schon RGSt. 14 127; Oehler Internationales Strafrecht S. 481; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18. RGSt. 19 196 ist überholt, da damals (1889) die Tatortnorm des § 9 (§ 3 Abs. 3 a. F.) noch nicht galt. Schröder JR 1964 353; Oehler Internationales Strafrecht S. 481. Schröder JR 1964 353; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 22. AT § 18 III 9 m. weit. Nachw. Auch Reschke Schutz ausländischer Rechtsgüter S. 175 ff. v. 11. 7. 1957 (BGBl. I S. 298) i. d. Fass. d. Art. 5 des 8. StRÄndG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I S. 741), geändert durch Art. 4 des 3. StrRG, Art. 6 Nr. 1 des 4. StrRG und Art. 147 Nr. 1 EGStGB. Die Strafbarkeitslücke, die im letzteren Fall bestand (vgl. Samson JZ 1969 258) wurde durch Art. 147 Nr. 1 EGStGB beseitigt (vgl. Begründung S. 395 zu Art. 132 E-EGStGB [BT-Drucks. 7/550]). (104)

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Ordnungswidrigkeiten? NJW 1969 966; SchröderZur Strafbarkeit von Verkehrsdelikten deutscher Staatsangehöriger im Ausland, NJW 1968 283 ; Vogler Entwicklungstendenzen im internationalen Strafrecht unter Berücksichtigung der Konvention des Europarats, Maurach-Festschrift (1972) 595.

Der Meinungsstreit um die Frage, ob und inwieweit das deutsche Verkehrsstrafrecht auch auf Verkehrsverstöße Deutscher auf ausländischen Straßen gilt, hat sich durch die Rückkehr zum Gebietsgrundsatz (Rdn. 17), wonach sich der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts grundsätzlich auf die im Inland begangenen Taten beschränkt, im wesentlichen erledigt. Verkehrsstraftaten Deutscher im Ausland unterliegen der deutschen Strafgewalt nämlich nur noch insoweit — die Anwendbarkeit eines konkreten Straftatbestandes vorausgesetzt —, als im übrigen die Voraussetzungen des § 7 gegeben sind oder aufgrund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens die Verfolgbarkeit von Auslandstaten besonders vorgesehen ist (vgl. § 6 Nr. 8). Soweit in diesem Sinne ein Anknüpfungspunkt für das deutsche Strafrecht überhaupt vorhanden ist, sind die Vorschriften über die fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung (§§ 222, 230) auch auf Auslandstaten anwendbar, da diese Vorschriften dem Schutz von Individualinteressen dienen (vgl. Rdn. 24) 94 . Dasselbe gilt grundsätzlich für die verkehrsrechtlichen Straftatbestände (§§ 315ff), da diese Bestimmungen nicht nur die Sicherheit der dort genannten Verkehrsarten, insbesondere die des Straßenverkehrs schützen, sondern auch der Sicherheit individueller Rechtsgüter dienen 9 5 . Schrödefö beschränkt aus diesem Grunde die Anwendbarkeit von verkehrsstrafrechtlichen Vorschriften auf Auslandstaten, die die Voraussetzung konkreter Gefährdungstatbestände erfüllen, soweit also eine Gefährdung individueller Rechtsgüter tatbestandlich vorausgesetzt ist. Dem liegt der richtige Gedanke zugrunde, daß die Verhaltensnormen des Straßenverkehrsrechts jedes Landes ein Ordnungsgefüge enthalten, das eine organische Einheit bildet und dessen abstrakte Gefährdungsnormen daher regelmäßig nicht ohne weiteres auf ein anderes, ausländisches Straßenverkehrsrecht passen 9 7 . Freilich zieht diese Überlegung nur, soweit die abstrakte Gefährdungsnorm im wesentlichen auf Besonderheiten der jeweiligen Rechts- und Straßenverkehrsordnung bezogen oder zugeschnitten ist; der abstrakte Gefährdungstatbestand des § 316 (Trunkenheit im Verkehr), dem ein ganz allgemeines, in allen Straßenverkehrsordnungen geltendes Verhaltensgebot zugrunde liegt, gilt auch für Auslandstaten 9 8 . Das folgt daraus, daß ein Täter, der in alkoholisiertem 94

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BayObLG NJW 1972 1722, wo darauf hingewiesen ist, daß sich die Normen, aus denen sich die Pflichtverletzung b'ei der Fahrlässigkeit ergibt, aus dem Tatortrecht zu entnehmen sind, hierzu auch Nowakowski il 1971 636, 638; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21 ; D.Schultz JR 1968 47; ferner hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 482 und JZ 1968 194. Rüth LK § 315c Rdn. 1; Tröndle JR 1977 4; Nowakowski JZ 1971 636, aber anders wohl für § 315c; vgl. jedoch in diesem Zusammenhang BGHSt. 27 5 unten Rdn. 102 und § 7 Rdn. 4, 4 a. NJW 1968 285; vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20. Zu Unrecht wollen — offensichtlich auf dem Boden der überholten Entscheidung BGHSt. 21 277 (unten Fußn. 103) — Maurach (AT § 11 II A 2 a) und Dreher (jedoch nur bis 35. Aufl. [1975] § 7 Anm. 3 B) alle Straßenverkehrsvorschriften auf Auslandstaten anwenden. Vgl. BayObLG VRS 29 352; OLG Frankfurt NJW 1965 508; Oehler JZ 1968 191 ; Lackner JR 1968 270. Α. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20 und wohl auch BGHSt. 27 5, soweit im Ausland die Trunkenheit im Verkehr nicht mit Strafe bedroht ist, wie etwa in der DDR, wo das Führen eines Kraftahrzeugs unter Einwirkung von Alkohol mit Ordnungsstrafe geahndet wird (§§ 5, 47 StVO-DDR (GBl. 1964 II S. 357 i. d. Fass. d. VO v. 13. 6. 1968 (GBl. II S. 363).

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Zustand fährt, hierdurch nicht nur ein abstraktes Gefährdungsdelikt begeht, sondern je nach der Verkehrssituation permanent in die Situation geraten kann, andere Verkehrsteilnehmer konkret, also individuelle Rechtsgüter zu gefährden. Unter den Voraussetzungen des § 7 ist daher auch auf die Trunkenheitsfahrt im Ausland deutsches Strafrecht anwendbar. Diese Auslegung des §316 ist angesichts der Bedeutung der Vorschrift und des grenzüberschreitenden Massentourismus unabweisbar. Schließlich gilt auch § 142 (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) für Auslandstat e n " , da die Vorschrift das private Feststellungsinteresse der Unfallbeteiligten schützt 1 0 0 . 39

Andere im Ausland begangene Verstöße gegen Straßenverkehrsvorschriften können nach deutschem Recht grundsätzlich nicht verfolgt werden. Die früheren Verkehrsübertretungen wurden in Verkehrsordnungswidrigkeiten umgewandelt 1 0 1 . Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt von jeher der Gebietsgrundsatz (§ 5 OWiG), soweit gesetzlich 102 oder durch ein ratifiziertes zwischenstaatliches Abkommen nichts anderes bestimmt ist 1 0 3 . Solche supranationale Vereinbarungen fehlen bisher 1 0 4 , mit Ausnahme des Gesetzes zum Vertrag vom 1. 10. 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. 8. 1974 (BGBl. II S. 1165), wo in Art. 6 die entsprechende Anwendung der Ordnungswidrigkeitsvorschrift des § 24 StVG für die in Jugoslawien begangenen und dort mit Strafe bedrohten Handlungen bestimmt wird, wenn a) der Betroffene zur Zeit der Begehung Deutscher war oder es danach geworden ist oder im Geltungsbereich dieses Gesetzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und b) die zuständige jugoslawische Behörde um die Verfolgung ersucht. Kein zwischenstaatliches Abkommen in diesem Sinne (also für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten) enthält indessen der deutsch-österreichische Rechtshilfevertrag vom 22.9. 1958 (BGBl. 1960 II S. 1347). Denn für Auslandstaten, die nach deutschem Recht Ordnungswidrigkeiten sind, läßt Art. 20 Nr. 2 dieses Vertrags eine Ahndung nur dann zu, wenn sie gericht-

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BayObLG VRS Bd. 26 101. Einzelnachweise bei Rüth LK § 142 Rdn. 1. Seit dem Inkrafttreten des neuen OWiG am 1. 1. 1969 (Art. 167 Abs. 2 EGOWiG vom 24. 5. 1968 und BGBl. I S. 503). Im Ausland begangene und nach deutschem Recht ahndbare Ordnungswidrigkeiten enthalten: § 12 Abs. 3 PaßG vom 4. 3. 1952 (BGBl. I S. 290) zuletzt geändert durch G vom 26. 3. 1975 (BGBl. I S. 774); § 379 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 370 Abs. 6 S. 2 AO 1977 (BGBl. 1976 I S. 613) zuletzt geändert durch G vom 2. 7. 1976 (BGBl. I S. 1749, 1757); § 131 a SeemannsG vom 26.7.1957 (BGBl. II S. 713) zuletzt geändert durch G vom 12.4.1976 (BGBl. I S. 965). Weitere Nachweise bei Göhler OWiG 5 § 5 Anm. 2. Seit der Umwandlung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten ist BGHSt. 21 277, der die § 1 StVO, § 21 StVG (jeweils a. F.) für Auslandsübertretungen für anwendbar gehalten hatte, in der Sache überholt (h. M., Lackner vor § 3 Anm. 5; Jagusch Straßenverkehrsrecht 20 § 24 StVG Rdn. 15; Oehler Internationales Strafrecht S. 481; zu Unrecht wollen den Grundsätzen dieser Entscheidung noch gewisse Bedeutung einräumen: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20), im übrigen war BGHSt. 21 277 (ebenso wie BGHSt. 8 349) auch nach dem damaligen Rechtszustand unrichtig (mit Recht hiergegen die Anmerkungen von Isenbeck NJW 1968 309; Oehler JZ 1968 189; Lackner JR 1968 268; auch NowakowskiiZ 1971 635f; a. A. jedoch Schröder NJW 1968 284; weitere Nachweise bei Oehler Internationales Strafrecht S. 481; Jagusch Straßenverkehrsrecht 20 §24 StVG Rdn. 13 und in der Vorauf!. Rdn. 27). Göhler OWiG § 5 Anm. 2 c; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 19. (106)

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lieh anhängig sind. Das ist bei der Ahndung im Bußgeldverfahren durch die Verwaltungsbehörden nicht der Fall 1 0 5 . Eine Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten, die im Ausland begangen 40 wurden, wird allgemein erst möglich sein, wenn das Europäische Übereinkommen über die Bestrafung der Verkehrsdelikte vom 30. 11. 1964 106 ratifiziert ist 1 0 7 . Reißfelder (NJW 1969 967) schlägt in diesem Zusammenhange, um Auslegungsschwierigkeiten auszuräumen, vor, einen Bußgeldtatbestand einzuführen, wonach die Verletzung ausländischer Verkehrsregeln mit Geldbuße bedroht ist, ähnlich wie dies die Schweiz in Art. 101 ihres Bundesgesetzes über den Straßenverkehr vom 19. 12. 1958108 getan hat. III. Inland („Räumlicher Geltungsbereich dieses Gesetzes") — Ausland 1. Allgemeines. Für ein Strafrecht, das seinen Anwendungsbereich grundsätzlich 41 am Gebietsgrundsatz (Rdn. 17) orientiert, haben die Rechtsbegriffe „Inland" und „Ausland" grundlegende Bedeutung. Diese Begriffe sind, obwohl sie dem Staatsrecht angehören, im Zusammenhang mit dem (innerstaatlichen) Strafrechtsanwendungsrecht (Rdn. 1, 2) nach richtiger Meinung als strafrechtliche Abgrenzungskriterien aufzufassen. Freilich deckt sich bei einem Staat normalerweise das Staatsgebiet mit dem Geltungsbereich seiner Rechtsordnung 1 und früher war man ziemlich einhellig der Meinung, daß auch bei der Anwendung des Strafrechts das Staatsrecht bestimmt, was Inland und Ausland ist. Viele Länder klären diese Frage in ihren Verfassungen oder im Strafgesetz ausdrücklich 1 . So auch § 8 (a. F. vor 1940): „Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reich gehörige Gebiet". Aus dem Umkehrschluß ergab sich dann der Begriff des „Inlands". Diese Vorschrift wurde durch die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) ersatzlos gestrichen. Sie erschien nach Einführung des uneingeschränkten Personalitätsprinzips (Rdn. 9) unter den Kriegsverhältnissen zu eng; sie nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufzunehmen, verbot indessen die unklare staatsrechtliche Lage Deutschlands 2 . Zwar war der Begriff des Inlandes in Einzelheiten auch früher schon umstritten 3 , seit der Zerreißung Deutschlands und der Abtrennung der Ostgebiete nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Frage, was als „Inland" und als „Ausland" anzusehen ist oder im Strafrecht zu gelten hat, zusehends schwieriger geworden. Die Bedeutung und wohl auch der Wert dieser Abgrenzung ließ gerade im strafrechtlichen Bereich nach 4 . Der Inlandsbegriff leistete nämlich weniger, nachdem neben der Bundesrepublik sich um dieselbe Zeit auf dem Territorium der früheren sowjetischen Besatzungszone die D D R als „sozialistischer Staat deutscher 105

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BayObLG N J W 1972 1723; OLG Frankfurt D A R 1969 278; Reißfelder NJW 1969 966; Göhler O W i G § 5 Anm. 2 C; Jagusch Straßenverkehrsrecht 2 0 § 24 StVG Rdn. 15; Oehler Internationales Strafrecht S. 482. European Treaty Series N o . 52. Über den Inhalt des Ü b e r e i n k o m m e n s : Oehler}Z 1968 193, ferner Internationales Strafrecht S. 482, 483; ferner Grützner N J W 1961 2186; Vogler Maurach-Festschrift (1972) 611. Ferner hierzu Göhier O W i G 5. Aufl. § 5 A n m . 2 D, hierzu auch 3. Aufl. § 4 Anm. 2 C. Abgedruckt bei Oehler JZ 1968 193 und bei Grützner Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen IV S. 7, S. 11 ; hierzu Schultz in v.-Weber-Festschrift S. 314. Rumpf Oer Staat 1970 290. Rumpf Oer Staat 1970 294. von Liszt Lehrbuch des Strafrechts, 19. Aufl. 1912 § 22 II. Doehring Der Staat 1965 262.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

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Nation" mit einem im Vergleich zur Bundesrepublik diametral entgegengesetzten Rechtssystem etabliert hat. Zwar lebte auch nach der Bildung zweier voneinander unabhängiger Staatsgewalten auf deutschem Boden die staatsrechtliche Vorstellung vom Fortbestand eines (handlungsunfähigen) deutschen Gesamtstaats weiter (Fortbestandstheorie) 6 . Bis zum Abschluß der Ostverträge in den Jahren 1970/1973 war daher die Auffassung vorherrschend, daß das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. 12. 19377 rechtlich als Inland zu gelten habe. Das hatte zur Folge, daß der so verstandene Rechtsbegriff „Inland" über die Frage des Geltungsbereichs der bundesrepublikanischen Rechtsordnung nichts auszusagen vermochte und Gesetzgebung und Rechtsanwendung Anlaß hatten, in diesem Zusammenhang näher zu verdeutlichen, was gemeint ist. Die Gesetzgebung hat daher zunehmend engere Begriffe wie „räumlicher Geltungsbereich dieses Gesetzes"8, „räumlicher Geltungsbereich des Grundgesetzes" oder „Währungsgebiet der DM-West" verwendet 9 . Gemeint sind mit diesen Umschreibungen die in der Präambel des Grundgesetzes genannten Länder, das Saargebiet 10 und — mit Einschränkungen — das Land Berlin. Der räumliche Geltungsbereich in diesem Sinne ist nicht auf das StGB als ganzes, sondern auf die einzelnen Vorschriften bezogen (Lackner Anm. 4a). Einige davon gelten in Berlin nicht, insbesondere die §§ 109 bis 109 k, da das 4. StRÄndG 11 und die entsprechenden Teile des 8. StRÄndG 1 2 und des EGStGB (Art. 324)' 3 den Geltungsbereich auf Berlin nicht erstreckt haben. 42

Die Untauglichkeit des bisherigen Inlandsbegriffs trat schon bei der Neufassung der Staatsschutzdelikte zutage. Insbesondere bei den Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84, 91) wurde daher der Begriff vom „räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes" verwendet, da diese Vorschriften naturgemäß nur den Schutz der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland im Auge haben konnten. Dieser Sprachgebrauch fand aber inzwischen auch an anderen Stellen der strafrechtlichen Ordnung Eingang, wo bis dahin der Inlandsbegriff verwendet wurde (z. B. § 48 Abs. 1 Nr. 1 im Vergleich zu § 244 i. d. Fass, vordem 1. StrRG, ferner § 5 Nr. 7, 8, § 65 Abs. 5, § 66 Abs. 3 S. 2). An die Stelle dieser Bezeichnung trat 5

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So inzwischen Art. 1 des Gesetzes zur Ergänzung u n d Änderung der Verfassung der D D R v. 7. 10. 1974 (DDR-GB1. I S. 425). Rumpf Zeitschrift f. Politik 1975 119. Sie entspricht der Rechtsprechung des BVerfGE 2 277 ( = N J W 1953 1057), 3 319 ( = N J W 1954 465). 5 126 ( = N J W 1956 1393), 6 336, 363 ( = N J W 1957 705). An dieser Fortbestandstheorie hält das BVerfG auch noch im G r u n d lagenvertragsurteil vom 31. 7. 1973 fest (BVerfGE 36 15 = N J W 1973 1540) mit der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen eigenen weitgehenden Bindungswirkung (BVerfGE 36 36 = N J W 1973 1545); vgl. ferner Roggemann Strafrechtsanwendung S. 17, 2 0 f ; gegen die Fortbestandstheorie: Rumpf Zeitschrift für Politik 1975 129, 135, vgl. Wengler JZ 1974 535. Dieses Datum geht auf das Londoner Protokoll der Sieger- u n d Besatzungsmächte vom 12. 9. 1944 zurück und ging in Art. 116 Abs. 1 G G (näher Rumpf Oer Staat 1970 316) über. Vgl. auch E 1962 Begr. S. 106. § 5 Nr. 3, 5, 7 bis 10, § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 65 Abs. 5, § 66 Abs. 3 S. 2, § 84 Abs. 1, § 85 Abs. 1, § 86 Abs. l , § 8 6 a A b s . 1, § 87 Abs. 1,§§ 88,91, 100 Abs. 1,§§ 109f, 234a Abs. 1. Rumpf Der Staat 1970 293. Wo das StGB durch G vom 30. 6. 1959 (BGBl. I S. 313, 644) eingeführt wurde. v. 11.6. 1957 (BGBl. I S. 597), vgl. Schwarz N J W 1958 167; Lackner J Z 1957 401; Kohlhaas N J W 1957 929. F. C. Schroeder LK vor § 109 Rdn. 4. v. 25.6. 1968 (BGBl. I S.741). v. 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469, 645) hierzu weiter Dreher vor § 80 Rdn. 2. (108)

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insoweit der Begriff des „räumlichen Geltungsbereichs", der freilich seinerseits mehrdeutig ist und Unklarheiten in sich birgt (F. C. Schroeder GA 1968 353). Er diente „zur Verschleierung des Sachverhalts, daß das Staatsgebiet der Bundesrepublik eben das Bundesgebiet und nicht das Reichsgebiet" sei (so Rumpf ) 14 . Dieser Begriff, so meint F. C. Schroeder (aaO), sollte künftig vermieden werden, da er aus der „krankhaften Scheu" erwachsen sei, „die Dinge im gesamtdeutschen Bereich beim Namen zu nennen." Seit Abschluß der Ostverträge 1970/1973 liegt es — jedenfalls für den Bereich 43 der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts — nahe, den gesetzlichen Sprachgebrauch in diesem Zusammenhang zu bereinigen und klarzustellen 15 . Die Ausdehnung des (staats- und völkerrechtlich verstandenen) Begriffs des Inlandes auf die deutschen Reichsgrenzen vom Stande vom 31. 12. 1937, also auf die polnisch und sowjetisch besetzten Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie ist seit Abschluß des Moskauer Vertrags vom 12.8. 1970 und des Warschauer Vertrages vom 7. 12. 197016 unhaltbar, da durch diese Vertragswerke „die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen" und die Oder-Neiße-Linie als „die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen" anerkannt wurde. Nach Abschluß des Grundlagenvertrags vom 21. 12. 197217 mit der DDR erscheint es staatsrechtlich und völkerrechtlich zweifelhaft 18 und strafrechtlich sachwidrig, deren Staatsgebiet als Inland zu begreifen (hierzu unten Rdn. 97). Nach Sachlage vermag ein Inlandsbegriff, der, wie bisher, nach dem Staats- und Völkerrecht ausgerichtet war 19 , für die Strafrechtsanwendung umso weniger beizutragen, als — bezogen auf die Rechtslage Deutschlands — der staatsrechtliche Inlandsbegriff seinerseits umstritten und dieser gerade für das „Grundlagenvertragsurteil" (BVerfGE 36 1) in ein Spannungsverhältnis zum völkerrechtlichen Inlandsbegriff getreten ist, da dieses verfassungsgerichtliche Urteil gegenüber der DDR und dem Völkerrecht keine Bindungswirkung 20 beanspruchen kann. Daher erscheint es sachgerecht, mit der inzwischen überwiegenden Meinung im Strafrecht von einem „funktionellen Inlandsbegriff' (unten Rdn. 46) auszugehen, der den besonderen Sacherfordernissen der Strafrechtsanwendung besser gerecht wird. Für diesen — anpassungsfähigeren — funktionellen Inlandsbegriff ist die Bezeichnung „räumlicher Geltungsbereich", wie inzwischen im Schrifttum überwiegend anerkannt ist (Rdn. 46), im wesentlichen inhaltsgleich. Soweit die Reichweite des „räumlichen Geltungsbereichs" ihrerseits im Hinblick auf die „Berlin-Klausel" (Rdn. 41) differiert, paßt sich ein „funktional" verstandener Inlandsbegriff dem ohne weiteres an. Den Erläuterungen wird daher, wie schon in der Vorauflage (dort Rdn. 39) der funktionelle Inlandsbegriff zugrunde gelegt.

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Land ohne Souveränität, Reihe „Recht-Justiz-Zeitgeschehen" Band 5 (1964) 90. Hierzu Roggemann Strafrechtsanwendung S. 17, 34, 106; ferner ZRP 1976 245. BGBl. 1972 II S. 353, 361. BGBl. 1973 II S. 421. Und zwar unbeschadet des von der Fortbestandstheorie (Rdn. 41) ausgehenden Grundlagenvertragsurteil des BVerfG (E 36 15 = NJW 1973 1540); näher bei Rumpf Zeitschrift für Politik 1975 127; vgl. Roggemann Strafrechtsanwendung S. 19. So bei Frank StGB 18. Aufl. § 8 Anm. 1 ; Jagusch LK 8. Aufl. § 3 Anm. 4 a ; KohlrauschLange Vorbem. IV vor § 3 ; Olshausen-Niethammer Anm. 5 vor § 3 ; Welzel § 6 II 3 b ; Schnorr v. Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen S. 9 Anm. 30. Vgl. oben F u ß n . 6 bei Rdn. 41 und Äwm/>/Zeitschrift für Politik 1975 134.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

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2. Bisherige Rechtsprechung. Zur „Inlandsfrage" liegen seit Abschluß der Ostverträge höchstrichterliche Grundsatzentscheidungen auf strafrechtlichem Gebiet nicht vor. Die bisherige Rechtsprechung und das Schrifttum 2 1 , das vom staats- und völkerrechtlich abgegrenzten Inlandsbegriff ausgeht, sind insoweit in den wesentlichen Fragen überholt. Das gilt insbesondere für BGH v. 28.6. 1957 - 1 StR 179/5722, wonach deutsches Strafrecht auch für Taten gelten sollte, die in den polnisch besetzten Gebieten begangen w a r e n 2 3 ; nichts anderes gilt für BGHSt. 5 364 und 20 5, wonach sowjetzonale Strafurteile als Inlandsurteile angesehen wurden, ferner für BGHSt. 7 55, wonach sowjetzonale Lebensmittelkarten in der Bundesrepublik Strafschutz genießen und für BGHSt. 15 72, wo ausdrücklich ausgesprochen worden ist, daß Sowjetzonengerichte deutsche (im Sinne von „inländische") Gerichte sind 2 4 .

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3. Der neuen Rechtslage wird der funktionelle Inlandsbegriff im Strafrecht am besten gerecht. Er umfaßt nur das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin und trägt „— ohne verfassungsrechtliche Aussage — der im Grundlagenvertrag 2 5 anerkannten Tatsache Rechnung, daß die organisierte Strafgewalt der beiden Staaten auf ihr jeweiliges Hoheitsgebiet beschränkt ist" (so Lackner vor § 3 Anm. 4 a).

46

a) Es wurde früher schon angestrebt, dem Inlandsbegriff eine funktionsgerechte Bedeutung zu geben. Auf anderen Gebieten, insbesondere im Zollrecht wurde dies immer schon in beschränktem Umfange praktiziert 2 6 . Diese Funktionalisierung des Inlandsbegriffs geht auf von Liszt-Schmidfil zurück. Auch Erwin Riezler wies schon in SJZ 1947 234 darauf hin, daß „die Begriffe Inland und Ausland innerhalb Deutschlands eine verschiedene Bedeutung haben je nach dem Zweck, zu dem sie als Rechtsbegriffe verwendet werden". Im Grunde bestätigt und unterstreicht die gesetzgeberische Hinwendung zum Begriff des „räumlichen Geltungsbereichs" (oben Rdn. 41) in der Sache die Richtigkeit dieser Auffassung und des funktionellen Inlandsbegriffs. Er stellt darauf ab, ob und wie weit das deutsche Strafrecht aufgrund hoheitlicher Staatsgewalt seine Ordnungsfunktion geltend macht. Grundlage des Territorialitätsprinzips und damit auch des Inlandsbegriffs ist „einerseits die primäre Verantwortlichkeit für die Ahndung aller im Hoheitsbereich begangenen Handlungen und andererseits der Strafverzicht bei Auslandstaten, in denen fremde Staatsgewalt und damit auch fremde Strafgewalt ausgeübt wird" (so Sch.-SchröderEser Rdn. 29). Dieser funktionelle Inlandsbegriff knüpft an das wirkliche Funktionieren der Strafgewalt an (Jescheck AT § 18 V 1) und ist daher dem Strafrecht allein gemäß und in der Lage, in staats- und völkerrechtlich verworrener Situation sachgerechte Ergebnisse zu gewährleisten 28 . Der funktionelle Inlandsbegriff ist inzwi-

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Oben Fußn. 19. Mitgeteilt bei Pfeiffer-Maul-Schulte § 3 Anm. 2. Hiergegen Vorauf!. Rdn. 39 m. weit. Nachw. Hierzu ferner BVerfGE 1 341 = NJW 1952 1129, BVerfGE 11 158, 12 65. Vgl. BVerfGE 36 17, 32 = NJW 1973 1540, 1544. Nachweise: Rumpf Der Staat 1970 293. Lehrbuch des Strafrechts, 26. Aufl., 1932 S. 124. So im Ergebnis schon MattilGA 1958 149; statt vieler Roggemann Strafrechtsanwendung S. 19. (HO)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

sehen im Schrifttum herrschend29. Demzufolge wird auch der Begriff des Inlandes mit dem des „räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes" (Rdn. 41) weitgehend als deckungsgleich angesehen 3 0 , freilich unter Berücksichtigung der Geltungsvorbehalte gegenüber dem Land Berlin 31 . Eine solche Gesetzesauslegung ist, unbeschadet der Tatsache, daß auch das neue Gesetz bald vom „Inland" (§§ 3, 5 Nr. 6) und bald vom „räumlichen Geltungsbereich" 3 2 spricht, möglich, da der Gesetzgeber es ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen hat, was künftig unter „Inland" zu verstehen sei (2. Bericht, BT-Drucks. V/4095 S. 4). Im übrigen hat sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 4 (1974) im Ergebnis für den funktionalen Inlandsbegriff entschieden (vgl. § 4 Rdn. 6). b) Eine beachtliche Mindermeinung im Schrifttum stützt sich hingegen auf die 47 Tatsache, daß der Gesetzgeber zwischen diesen beiden Begriffen auch in jüngerer Zeit deutlich unterscheide 3 3 . Dreher und Oehler^ verstehen daher unter „Inland" das Gebiet der Bundesrepublik, des Landes Berlin und der DDR. Es wird in diesem Zusammenhang auf den Sprachgebrauch in § 4 Abs. 1, §§9 ff FestlandsockelG 3 4 verwiesen. Indessen ergeben sich hieraus für den strafrechtlichen Bereich keine zwingenden Konsequenzen. Solche können aber auch im übrigen aus dem gesetzlichen Sprachgebrauch nicht abgeleitet werden. Dies folgt aus den (noch jüngst geänderten35) §§ 102, 103, wo unter dem Begriff „Inland" ersichtlich nur die Bundesrepublik 3 6 und Berlin, also das Gebiet gemeint sein kann, um deswillen die Vokabel „räumlicher Geltungsbereich dieses Gesetzes" geschaffen wurde. Denn es ist kaum anzunehmen, daß ein ausländisches Regierungsmitglied, während es in amtlicher Eigenschaft in der D D R weilt, durch das Strafrecht der Bundesrepublik geschützt sein soll. Dienen doch die §§ 102ff auch und wohl in erster Linie dem Schutz der Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik 3 7 . Ernster zu nehmen ist die

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Sch.-Schröder-Eser Rdn. 29; Lackner Anm. 4 a ; Samson SK § 3 Rdn. 5, 6, Vorauf!. Rdn. 39; Jescheck AT § 18 V 1 ; Blei AT § 12 III 1 a; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A 1 ; Schmidhäuser AT 5/75 („Strafrecht ist nicht die Materie, in der politische Wunschvorstellungen oder völkerrechtliche Rechtsansprüche die Begriffsbildung bestimmen dürfen"); Baumann AT § 6 II 2 b ; Bockelmann AT § 5 II l a ; Stratenwerth AT I Rdn. 99; Gallas ZStW 80 (1968) 15; Mattil GA 1958 149; Krey Zum innerdeutschen Strafrechtsanwendungsrecht S. 99; Wengler Nawiasky-Festschrift (1956) 49; Doehring Der Staat 1965 261 ; Herrmann Die Anwendbarkeit des politischen Strafrechts usw. (1960) 61; Rumpf Oer Staat 1970 293 ff; Roggemann Strafrechtsanwendung S. 18, 24; vgl. auch Wengler JZ 1974 529; Woesner ZRP 1976 249; Tröndle JR 1977 3. Es ist unverständlich, wieso Heimeshoff (DRiZ 1977 21) insoweit von einer „Mindermeinung" spricht. Sch.-Schröder-Eser, Lackner, Samson, Bockelmann, Rumpf wie vorhergehende Fußn. 29, ferner Preisendanz § 3 Anm. 3 a. Vgl. Willms LK vor § 80 Rdn. 41. Oben Fußn. 8 bei Rdn. 41, vgl. auch § 153 c Abs. 1 Nr. 1 bis 3! Dreher § 3 Rdn. 3; Schäfer LR vor § 1 Anm. 1 c zum Gesetz über innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen; Wille Verfolgung S. 12; Heimeshoff ORiZ 1977 21; Oehler Internationales Strafrecht S. 278 f gegen ihn Roggemann Strafrechtsanwendung S. 19, vgl. Wengler JZ 1974 535. v. 24. 7. 1964 (BGBl. I S. 497), zuletzt geändert durch G ν. 2. 9. 1974 (BGBl. I S. 2149). Durch Art. 19 Nr. 24, 25 EGStGB v. 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). So Willms LK §102 Rdn. 8; Oehler Internationales Strafrecht S. 279; Maurach BT (5. Aufl.) § 63 I m. weit. Nachw.; Tröndle JR 1977 3; a. A. Dreher § 102 Rdn. 4, freilich konsequent im Hinblick auf § 3 Rdn. 3. Willms LK vor § 102 Rdn. 2; Maurach BT (5. Aufl.) § 63 I.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Tatsache, daß § 5 Nr. 6 von „Inland" spricht und das Gesetz im übrigen in dieser Vorschrift und bei der Bezugsvorschrift des §234a vom „räumlichen Geltungsbereich" spricht und sich aus dem Sinn und der Schutzrichtung dieser Vorschrift ergibt, daß hierbei wohl nicht dasselbe gemeint ist3**. Aber auch hier sagt das Gesetz im Grunde nicht genau, was gemeint ist: Nämlich daß allen auf dem Territorium des Deutschen Reiches (Stand 31. 12. 1937) ansässigen Deutschen unter bestimmten Umständen der Schutz des Grundgesetzes zuteil werden soll (vgl. LK § 5 Rdn. 7). 48

Nach allem ist aus dem Sprachgebrauch des Gesetzes nichts Entscheidendes gegen den funktionellen Inlandsbegriff herzuleiten. Umgekehrt: Allein dieser ermöglicht angesichts der uneinheitlichen gesetzlichen Terminologie 3 9 eine sachgerechte Gesetzesanwendung. Von ihm auszugehen, rechtfertigt sich umso mehr, als auch für das Staatsrecht inzwischen dieser funktionelle Inlandsbegriff mit Gründen von Gewicht vertreten wird 4 0 .

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c) Aus dem funktionellen Inlandsbegriff ergeben sich für die Strafrechtsanwendung drei wichtige Folgerungen: Übereinstimmend mit der herrschenden Meinung (Rdn. 46) besteht hiernach zwischen dem Rechtsbegriff des Inlandes und dem des räumlichen Geltungsbereiches (soweit man von Geltungseinschränkungen für das Land Berlin absieht) sachliche Unterschiede nicht. Ferner erledigen sich im wesentlichen die fast unlösbaren Probleme des „interzonalen Strafrechts", nämlich die Frage der Strafrechtsanwendung im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R (Voraufl. Rdn. 75, hierzu unten Rdn. 95). Denn die Anwendung der Vorschriften des interlokalen Strafrechts setzen voraus, daß in Teilgebieten eines Staates verschiedenes Strafrecht gilt. Die D D R ist aber kein Teil der Bundesrepublik Deutschland, sondern im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt (BVerfGE 36 22). Als dritte allerdings problematische Folge ergibt sich, daß der funktionelle, auf die Bundesrepublik und das Land Berlin beschränkte Inlandsbegriff nicht mehr per se die Rechte erkennen läßt, die die DDR-Bürger genießen, wenn sie in den Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verfassung geraten (unten Rdn. 65).

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4. a) Zum Inland gehören im übrigen das Kiistenmeer in der Dreimeilenzone (ab Niederwassergrenze) 41 . Unerlaubtes Fischen im Küstenmeer durch Ausländer ist strafbar (§ 296a). Jedoch erfaßt das Bundeszollgebiet das Küstenmeer nicht. Die Zollgrenze verläuft, wenn nichts anders bestimmt ist, an der Strandlinie. Zollstraf-

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Α. A. Samson SK § 5 Rdn. 15, der auch bei § 5 Nr. 6 den funktionellen lnlandsbegriff anwenden will. Dieser wurde noch dadurch verschärft, daß das 2. StrRG (1969) bei der Neufassung des § 4 das den Territorialgrundsatz ergänzende Flaggenprinzip hinsichtlich seiner interlokalrechtlichen Anwendung verdeutlicht hat, vgl. Roggemann Strafrechtsanwendung S. 18. Rumpf Der Staat 1970 314f. Vgl. Art. 2 des internationalen Vertrages über den deutschen Fischfang in der Nordsee vom 6. 5. 1882 (RGBl. 1884 S. 25) und G vom 30.4. 1884 (RGBl. S. 48), Bek. über die Wiederanwendung vom 31. 1. 1953 (BGBl. II S. 25) und ergänzende Abkommen vom 3. 6. 1955 (BGBl. II S. 213); hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 16ff, 287ff, 290; Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen, S. 9 Anm. 32 bis 35; Wille Verfolgung S. 8; Mettgenberg DJ 1940 461 ; zur neuesten Entwicklung auf der 3. UN-Seerechtskonferenz: H. J. Martin NJW 1975 723. (112)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

taten können daher grundsätzlich nicht im Küstenmeer begangen w e r d e n Abs. 1, 3 Nr. 4, Abs. 4 S. 1, § 3 ZollG 4 2a).

Vor § 3 42

(vgl. § 2

b) Problematisch sind die Rechtsverhältnisse am Festlandsockel. Hierzu gehört 51 nach der Festlandsockel-Konvention vom 29. 4. 1958, die die Bundesrepublik bisher nicht ratifiziert h a t 4 3 , „der Meeresboden u n d der Untergrund der unterseeischen Gebiete, die der Küste außerhalb des Küstenmeeres vorgelagert sind, bis zu einer Tiefe von 200 m oder jenseits dieser Grenze bis dorthin, wo die Tiefe der darüber befindlichen Wasser die Ausbeutung der natürlichen Hilfsquellen der besagten Gebiete zuläßt" und ferner „der Meeresboden u n d der Untergrund der entsprechenden Gebiete vor der Küste einer Insel". Da es sich somit um den der Küste außerhalb des Küstenmeeres vorgelagerten Bereich handelt, ist der Festlandsockel nicht I n l a n d 4 4 . Der Küstenstaat hat aber dort souveräne Rechte zur Erforschung und Ausbeutung der natürlichen Hilfsquellen 4 5 . Er kann daher auch gegen unbefugtes Abtasten des Festlandsockels oder Fischen in diesem Bereich vorgehen, er bedarf jedoch hierfür besonderer gesetzlicher N o r m e n 4 6 . c) Zum Inland gehören ferner 52 Flüsse, Seen und Kanäle, soweit sie auf dem Staatsgebiet liegen 4 7 und soweit Staatsgrenzen sie berühren oder schneiden, siehe unten Rdn. 53 ; Binnengewässer, ein Begriff des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts: internal waters; hierzu zählen alle Gewässer, die auf der Landseite der Grundlinie liegen, von welcher das Küstenmeer (Rdn. 50) rechnet. Dies sind auch Häfen und Buchten 4 8 ; der Luftraum über dem jeweiligen Staatsgebiet, ebenso der entsprechende Raum unter der Erdoberfläche 4 9 . d) Bildet ein Flußlauf die Staatsgrenze, so reicht das Inland, falls Zwischenzeit- 5 3 lieh nichts anderes vereinbart ist 5 0 bis zur Flußbettmitte, das ist bei schiffbaren Strö42 42a

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(113)

RGSt. 56 135, 59 170. i. d. Fass, vom 18. 5. 1970 (BGBl. I S. 530), letztes ÄndG vom 14. 12. 1976 (BGBl. I S. 3341). Wengler NJW 1969 965; Oehler Internationales Strafrecht S. 298. Für das Steuerrecht gilt etwas anderes: § 1 Abs. 1 EStG 1975. Art. 2 Abs. 1 der Festlandsockel-Konvention vom 29. 4. 1958, ferner im einzelnen Ges. z. vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel vom 24. 7. 1964 (BGBl. I S. 497), zuletzt geändert durch Ges. v. 2. 9. 1974 (BGBl. I S. 2149). Weitere Einzelheiten hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 298 ff m. weit. Nachw.; Oehler Piratensender S. 18; ferner Kölble DÖV 1964 217; Menzel ArchÖffR 1965 1. Im einzelnen Oehler Internationales Strafrecht S. 282 ff. Näher Oehler Internationales Strafrecht S. 286; ferner RGSt. 2 17; Verdroß Völkerrecht 1937 S. 118; Wolgast Völkerrecht S. 734. Näher zum ganzen Oehler Internationales Strafrecht S. 332ff; Wille Verfolgung S. 13; Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen S. 9; von Liszt-Fleischmann Völkerrecht 12. Aufl. § 15 III. Soweit Wasserläufe die Staatsgrenze bilden, sind die nachfolgenden zwischenstaatlichen Abmachungen feststellbar (die Nachweise verdanke ich weitgehend MinDgt. Wulf vom BVerkM): mit Dänemark: Vertrag vom 10. 4. 1922 (RGBl. 1922 II S. 141), Versailler Vertrag Art. 27, 111 (RGBl. 1919 S. 687). Mit der Niederlande: Hinsichtlich der Ems-Mündung das Westufer nach Herkommen (vgl. jedoch Art. 32, 33 des Vertrags vom 8. 4. 1960 (BGBl. 1963 II S. 602), hinsichtlich des Rheins und der übrigen Grenzflüsse die Flußbettmitte: Protokoll Niederlande/Preußen vom 23.9. 1818, Vertrag vom 8.4. 1960 - BGBl. 1963 II S. 463 (möglicherweise sind auch noch die Verträge vom 26.6.1816 und

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

men die Mitte der tiefsten Stromrinne (Hauptschiffahrtsrinne, Fahrrinne, „ Talweg" = Fahrbahn der abwärts fahrenden Schiffe) 51 . Die sogenannten internationalen Ströme 5 2 sind zwar in der ganzen Breite für Schiffahrt und Handel freigegeben; in den übrigen Beziehungen haben die Uferstaaten ihre Staatshoheitsrechte über den Strom behalten (RGSt. 9 376). Die Revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 17. 10. 1868 (Mannheimer Akte) in der Neufassung des deutschen Wortlauts vom 11.3. 1969 (BGBl. 1969 II S. 597) schränkt jedoch die Souveränität der Uferstaaten auf dem Vertragswege hinsichtlich der Setzung von schiffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften ein und hat eine Berufung gegen strafrechtliche Urteile des nationalen Schiffahrtsgerichts über Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften bei der Internationalen Zentralkommission in Straßburg zugelassen 53 . Bei Grenzbrücken hört die inländische Staatshoheit, falls nichts anderes vereinbart ist, auf der Brückenmitte auf (RGSt. 9 378, 57 368). 54

e) Der Bodensee ist nicht gemeinsames Kondominat der Uferstaaten. Hinsichtlich des Untersees verläuft die Grenze in der Mittellinie 54 . Der Überlinger See gehört ganz zum Bundesgebiet, da ihn auf drei Seiten badisches Gebiet umschließt (RGSt. 57 369). Beim Obersee (Stammbecken zwischen Bregenz und Konstanz) ist die Grenzziehung strittig. Das Bodenseeabkommen vom 1.6. 1973 (BGBl. 1975 II S. 1412) läßt diese Frage offen und regelt nur die polizeiliche Aufsicht und die Zuständigkeit bei Zuwiderhandlungen gegen die Schiffahrtsvorschriften (Art. 1 Abs. 2, Art. 13) 55 .

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f) Staatsschiffe (insbesondere Kriegsschiffe) 56 der Bundesrepublik gelten nach überwiegender Meinung als Inland, auch wenn sie sich in fremdem Hafengebiet be-

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7. 10. 1816 mit Preußen und vom 2.7. 1824 mit Hannover von Bedeutung, wo jeweils K o n d o m i n i u m vereinbart ist). Mit Belgien: Verträge vom 7. 11. 1929 (RGBl. 1931 II S. 125), 10. 5. 1935 (RGBl. 1935 II S. 752), 24. 9. 1956 (BGBl. 1958 II S. 262), Art. 27 Versailler Vertrag (RGBl. 1919 S. 687). Mit Luxemburg ist noch der Vertrag N i e d e r l a n d e / Preußen in Aachen vom 26.6. 1816 (Anhang zu PreußGS 1816 S. 77) maßgebend, wo K o n d o m i n i u m vereinbart wurde. Mit Frankreich (meist Flußmitte, nur beim Fluß Blies rechtes Ufer) vgl. Verträge vom 27. 10. 1956 (BGBl. 1956 II S. 1863), vom 14.8. 1925 (RGBl. 1927 II S. 959), vom 16. 12. 1937 (RGBl. 1938 II S. 393). Mit der Schweiz: Flußgrenzen gegenüber den Kantonen Basel, Aargau, Zürich, Thurgau regelmäßig jeweilige Strommitte nach alten Verträgen zwischen dem Großherzogtum Baden u n d der Schweiz, unter anderem mit dem Kanton Thurgau vom Oktober 1854 Teilung des Untersees des Bodensees und des „Konstanzer Trichters" auf der Mittellinie (vgl. Anlage zum Übereinkommen BGBl. 1975 II S. 1405. Hinsichtlich des Grenzflusses Wutach: Vertrag vom 23.11.1964 (BGBl. 1967 II S. 2040). Mit Österreich: Vertrag vom 29.2.1972 (BGBl. 1975 II S. 765). Mit der Tschechoslowakei : Vertrag vom 27. 9. 1935 (RGBl. 1936 II S. 45). RGSt. 9 374 (ausführlich), 57 368; vgl. ferner Versailler Vertrag Art. 30; deutsch-französischer Vertrag über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg vom 27. 10. 1956 (BGBl. 1956 II S. 1864). Weitere Einzelheiten: Oehler Internationales Strafrecht S. 283. Vgl. v. Bayer-Ehrenberg DÖV 1957 38; Lederle Das Recht der internationalen Gewässer 1920; Triepel Internationale Flußläufe 1931. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- u n d Rheinschiffahrtssachen vom 27. 9. 1952 (BGBl. I S. 641); vgl. ferner Oehler Internationales Strafrecht S. 283. Vgl. oben Fußn. 50 bei Rdn. 53. Vertrag zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 29. 2. 1972 (BGBl. 1975 II S. 766) Art. 1 Abs. 2. Zu diesem Begriff: Wille Verfolgung S. 49 m. weit. Nachw. (114)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

finden57. Richtiger Auffassung nach 5 8 geht es hier nicht um ein Inlandsproblem, sondern um die Tatsache, daß bei Staatsschiffen in fremdem Hoheitsbereich der Aufenthaltsstaat regelmäßig seine Strafgewalt nicht in Anspruch nimmt und daher über § 4 nur das deutsche Strafrecht in Betracht kommt 5 9 . Für Taten auf hoher See (vgl. RGSt. 50 220), gleichgültig, ob sie auf Staatsschiffen oder auf Handelsschiffen (Privatschiffen) der Bundesrepublik begangen sind, ist allein § 4 maßgebend 6 0 . Taten auf privaten Schiffen (auch ausländischen!) im Küstenmeer und in den Häfen der Bundesrepublik sind ohnehin Inlandstaten (vgl. RGSt. 2 18) 61 . Halten sich ausländische Kriegs- und Staatsschiffe erlaubtermaßen im Küstenmeer und in Häfen des Bundesgebiets auf, nimmt die Bundesrepublik ihre Gerichtsbarkeit, soweit sie nicht ohnehin infolge Exterritorialität ausgeschlossen ist, regelmäßig nicht wahr (§ 4 Rdn. 9). Für andere fremde Schiffe gilt dies nicht. g) Für Luftfahrzeuge gilt grundsätzlich dasselbe wie bei Schiffen. Erreichen sie 56 eine fremde Luftsäule, so sind sie nicht mehr im Inland. Erreichen hingegen fremde Luftfahrzeuge die inländische Luftsäule, so sind sie damit im Inland 6 2 . Allerdings gilt das deutsche Strafrecht für alle Taten, die auf einem Luftfahrzeug (ebenso wie auf einem Schiff) der Bundesrepublik begangen werden, und zwar nach § 4, auch wenn sie sich im fremden Hafen, also im Ausland befinden. Die ausländischen Rechtsordnungen haben entsprechende Vorschriften. § 4 erweitert nämlich nicht den Inlandsbegriff, sondern lediglich den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts (hierzu § 4 Rdn. 2; vgl. ferner § 153 c Abs. 1 Nr. 2 StPO). h) Für Weltraumflugkörper bestimmt der Vertrag über die Grundsätze zur Rege- 57 lung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper vom 27. 1. 1967 (BGBl. 1969 I I S . 1967), daß jeder Vertragsstaat die Hoheitsgewalt und Kontrolle über den gestarteten Gegenstand und seine gesamte Besatzung während des Weltraumflugs innehat (Art. 8). Ein Satellit wird ähnlich wie ein Schiff behandelt 6 3 . 5. Der Begriff des Inlandes wird für den Bereich der Zoll- und Einfuhrgesetze — 58 aber nur für sie (Zollinland) — auf die Zollstellen der Bundesrepublik erweitert, die außerhalb des Bundesgebiets liegen 6 4 , und zwar ohne Beschränkung auf die Geschäftsräume der Zollstelle (RGSt. 66 195). Zum Inland rechnet auch der Bereich der grenzüberschreitenden Reisezüge, in denen deutsche Zollbeamte auf fremdem

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Vgl. Art. 3 des Internationalen Abkommens vom 10. 4. 1926 (RGBl. 1927 II S. 483). Vgl. im einzelnen unten § 4 Rdn. 2. Vgl. hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 326 und unten § 4 Rdn. 2. Wille Verfolgung S. 31 m. weit. Nachw. Hierzu im einzelnen aber Oehler Internationales Strafrecht S. 289, 304, 318, 322 ff. Näheres Oehler Internationales Strafrecht S. 334 ff, insbesondere zur Anwendung des Eintragungsstaats- und des Landestaatsprinzips bei der Verfolgung von Taten auf Luftfahrzeugen und zum Tokioter Abkommen über Straftaten an Bord von Luftfahrzeugen vom 14. 9. 1963 (BGBl. 1969 II S. 121), zu diesem Abkommen Schmidt-Räntsch Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumfragen 1964 75, ferner DRiZ 1969 21; Wille Verfolgung S. 45, 155 ff. Oehler Internationales Strafrecht S. 301 ; Oehler Piratensender S. 18 f; Alex Meyer Straftaten im Weltraum 1966. RGSt. 13 410, 18 242, 19 194, 45 419, 48 26, 57 61; Oehler Internationales Strafrecht S. 277 Fußn. 2.

V o r

§ 3

1. A b s c h n i t t . D a s S t r a f g e s e t z

Staatsgebiet aufgrund zwischenstaatlicher Abmachungen 6 5 die Grenzabfertigung wie im eigenen Staatsgebiet abzuwickeln berechtigt sind (OLG Oldenburg M D R 1974 329). Umgekehrt gelten, soweit über Zollstraftaten zu urteilen ist, die Zollausschlüsse der Bundesrepublik, insbesondere die Freihäfen in Hamburg und Bremen als Nichtinland 6 6 . Der Begriff des Bundeszollgebiets wird in § 2 Abs. 1, 3 Nr. 4, Abs. 4 S. 1 und § 3 ZollG 6 7 bestimmt. 59

6. Zum Inland gehören schließlich die (im Ausland gelegenen) Dienst- und Wohngebäude der Exterritorialen (unten Rdn. 69)68.

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7. Ausland ist jedes Gebiet außerhalb des Inlandes (Rdn. 44, 45). Hierzu gehören nicht nur die Gebiete unter fremder Staatshoheit, sondern auch die offene See und Gebiete ohne Staatshoheit 6 9 . Aus dem funktionellen Inlandsbegriff (Rdn. 45) folgt, daß auch die DDR — ohne daß damit eine staats- oder verfassungsrechtliche Aussage gemacht ist — jedenfalls für das Strafrecht als Ausland zu behandeln ist (unten Rdn. 97). Im übrigen wurde schon auf dem Boden des hergebrachten Landesrechts angenommen, daß „Ausland" insoweit selbst das Gebiet eines anderen deutschen Landes sein kann (RGSt. 1 222)70.

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IV. Deutscher — Ausländer. Die Auslegung dieser Rechtsbegriffe im Rahmen der Strafrechtsordnung hängt eng mit der Sinnbedeutung zusammen, die auf diesem Bereich den Begriffen „Inland- und Ausland" innewohnt (Rdn. 41 ff), freilich führt auch hier die gebotene funktionsgerechte Auslegung (Rdn. 46) der Begriffe „Deutscher" und „Ausländer" zu einer Entsprechung, die nicht deckungsgleich ist: So kann Deutscher sein, wer (nur) seine Lebensgrundlage außerhalb der Bundesrep u b l i k / L a n d Berlin hat, und wie ein Ausländer behandelt werden müssen, wer die DDR-Bürgerschaft hat. Bei einer funktionsgerechten Auslegung dieser Begriffe ist nämlich der Sinn und Zweck der jeweiligen Bestimmung, insbesondere die Frage, ob das Gesetz Deutsche als Täter (§ 5 Nr. 3 a, 5 b, 8, 9, 11, § 7 Abs. 2 Nr. 1) oder als Verletzte ( § 5 Nr. 6, 8, § 7 Abs. 1) meint, zu berücksichtigen 7 1. Für DDR-Bürger (unten Rdn. 66, 67) ist dies von Bedeutung.

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1. Das Gesetz spricht — abweichend von der bisherigen Fassung des § 3 Abs. 1 a. F. — nicht mehr von „deutschen Staatsangehörigen", sondern allgemeiner von „Deutschen". Dies kann als eine Angleichung an den Sprachgebrauch des Grundgesetzes verstanden werden (Art. 116 Abs. 1 GG), wo zwischen deutschen Staatsangehörigen und zwischen deutschen Volkszugehörigen (Flüchtlingen und Vertriebenen) unterschieden wird.

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Ζ. B. Deutsch-niederländisches Abkommen über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung v. 30. 5. 1958 (BGBl. 1960 II S. 2183). RGSt. 56 44, 287, 57 357, 59 170. i. d. Fass. v. 18. 5. 1970 (BGBl. I S. 529) letztes Ä n d G vom 14. 12. 1976 (BGBl. I S. 3341). RGSt. 69 55; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 31a. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 33; Dreher § 3 Rdn. 7; Lackner Anm. 4 b ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A 1 b a a ; Olshausen-Niethammer Anm. 2, vgl. ferner § 8 i. d. Fass, vor 1940. Etwa für den Begriff des Spielens in „ausländischen" Lotterien; vgl. Dreher § 3 Rdn. 7, § 286 Rdn. 1. So richtig Sch.-Schröder-Eser Rdn. 34, 36. (116)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

a) Für die Frage, wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, ist das Reichs- und 63 Staatsangehörigkeitsgesetzll maßgebend. Es gilt nach Art. 123 Abs. 1, Art. 124 G G in der Bundesrepublik weiter 73 . Nach § 10 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. 2. 1955 74 begründete der Dienst in der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS, der deutschen Polizei, der Organisation Todt und dem Reichsarbeitsdienst nur dann die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Feststellungsbescheid der zuständigen Stellen vor dem 23. 2. 1955 ergangen und zugestellt worden ist. Nach diesem Gesetz (insbesondere § 1) bestimmt sich auch, unter welchen Voraussetzungen zwischen 1938 und 1945 in das Deutsche Reich zwangseingebürgerte Personen deutsche Staatsangehörige sind 7 5 . Nach dem 2. Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17. 5. 1956 76 ist klargestellt, daß Österreicher mit dem 27.4. 1945 aufgehört haben „(Anschluß-)Deutsche" zu sein. Saarländer sind stets Deutsche geblieben (OLG Hamm NJW 1951 372). Zur Frage der Staatsangehörigkeit der DDR-Bürger unten Rdn. 65. b) Deutsche sind ferner die den deutschen Staatsangehörigen unter den Voraus- 64 Setzungen des Art. 116 Abs. 1 G G gleichgestellten deutschen Volkszugehörigen (Flüchtlinge, Vertriebene, sog. „Neubürger"). Sie fielen schon bisher unter den Begriff des „deutschen Staatsangehörigen" im Sinne des § 3 Abs. 1 a. F. 7 7 . c) DDR-Bürger sind, soweit sie als Täter in Betracht kommen, nach inzwischen 6 5 wohl überwiegender Meinung 7 8 bei der Strafrechtsanwendung wie Ausländer zu behandeln. Das ergibt sich nicht etwa daraus, daß die D D R durch ihr Staatsbürgerschaftsgesetz vom 20. 2. 1967 79 ein eigenes Staatszugehörigkeitsrecht begründet und für ihr Staatsgebiet das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7. 1913 außer Kraft gesetzt hat und sich ferner inzwischen durch die Verfassungsänderung vom 7. 10. 1974 80 als „sozialistischer Staat deutscher Nation" versteht. Vielmehr waren schon zuvor Folgerungen daraus zu ziehen, daß die auf dem Gebiet der

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v. 22. 7. 1913 ( R G B l . S. 583), letztes Ä n d G v. 2 . 7 . 1976 ( B G B l . I S. 1749,111 1 0 2 - 1 ) . Maunz in Maunz-Dürig-Herzog CG Art. 116 Rdn. 5; L G Frankfurt N J W 1952 1380. B G B l . I S. 65, III 102—5. D a z u Makarov JZ 1955 659. D i e früher e r g a n g e n e Entscheidung B G H S t . 5 231 ( = N J W 1954 510 m. A n m . Bachof), w o n a c h a u f g r u n d des „Führererlasses" v o m 19. 5. 1943 ( R G B l . I S. 315) d e u t s c h s t ä m m i g e A u s l ä n d e r durch ihre freiwillige Zugehörigkeit zur W a f f e n - S S sofort mit d e m Eintritt D e u t s c h e Staatsangehörige w u r d e n , ist durch das später e r g a n g e n e Gesetz teilweise überholt. A u c h insoweit sind frühere Rechtsprechung u n d Schrifttum z u m Teil überholt: vgl. BVerfG JZ 1952 414, O L G Freiburg JZ 1952 481 ; ferner Makarov JZ 1952 403, 483, 1954 280. BGBl. I S. 431, III 102—6; e b e n s o s c h o n die frühere R e c h t s p r e c h u n g : B V e r f G E 4 322 = N J W 1955 1833, B G H S t . 9 53, 175. B G H S t . 11 63, O L G M ü n c h e n N J W 1951 285, O L G Karlsruhe M D R 1951 118; vgl. ferner zu d e n D e u t s c h e n in d i e s e m S i n n e : Maunz in Maunz-Dürig-Herzog Art. 116 G G Rdn. 15, 16. S o auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 36; Samson S K § 3 Rdn. 7; Lackner A n m . 4 c, Vorauf!. Rdn. 4 2 ; Jescheck A T § 18 V 2, § 2 0 III 2; Maurach-Zipf A T Teilb. 1 § 11 II A 2 a ; Krey Strafanwendungsrecht S. 1 1 2 f f , 115; Gallas Z S t W 8 0 (1968) 15; Woesner Z R P 1976 249; a. A. Dreher § 7 Rdn. 3. D D R - G B 1 . 1 S. 3. Hierzu D. Schultz JR 1967 161 ; Waehler JZ 1968 776; Bruhn M D R 1970 642 m. weit. N a c h w . G e s e t z zur Ergänzung u n d Ä n d e r u n g der Verfassung der D D R v o m 7. 10. 1974 ( D D R GB1.1 S. 425), hierzu Zieger N J W 1975 143.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

DDR lebenden Bürger der Rechtsordnung eines eigenen, mit hoheitlichen Befugnissen und mit einem eigenen StGB 81 ausgestatteten Staatswesen unterstehen und daher von einer anderen Strafrechtsordnung, nämlich der der Bundesrepublik im Sinne des aktiven Personalitätsgrundsatzes (oben Rdn. 9) nicht in Pflicht genommen werden können. Sie sind daher auch des Korrelats einer solchen Inpflichtnahme, nämlich des Schutzes dieser Rechtsordnung, nicht teilhaftig 82 . Auf diesem Gedanken beruht es letztlich auch, daß der Gesetzgeber seit dem 8. StRÄndG 1968 (§ 91 Nr. 3 a. F.) — entsprechend einer dahingehenden Rechtsprechung (BGHSt. 10 50) — im Bereich der Staatsschutzdelikte die Verfolgbarkeit von Auslandstaten ausdrücklich auf Deutsche beschränkt, die ihre Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes haben (§ 5 Nr.3a, 5b, § 100 Abs. I) 83 . 66 Hingegen sind die DDR-Bürger als Deutsche zu behandeln, wenn ihnen besondere Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend dem Schutzgrundsatz (Rdn. 6) oder dem passiven Personalitätsgrundsatz (Rdn. 8, 20) unter bestimmten Voraussetzungen den Schutz des Strafrechts der Bundesrepublik gewähren und sie als „Deutsche im Sinne des Grundgesetzes" (Art. 116 Abs. 1 GG) zu gelten haben. Das setzt freilich voraus, daß sie ihre Lebensgrundlage in der Bundesrepublik haben 8 4 oder sich sonst im Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland/Land Berlin aufhalten (BVerfGE 36 30f, 37 64ff) 8 5 . 67 Diese differenzierende Behandlung von DDR-Bürgern ist auf die Besonderheiten der Strafrechtsanwendung bezogen. Staats- und völkerrechtliche Fragen können in diesem Zusammenhang weitgehend außer Betracht bleiben, insbesondere die in der Bundesrepublik umstrittenen 86 Auswirkungen des DDR-Staatsbürgerschaftsgesetzes 87 auf den Geltungsbereich des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes, weil hier allein die faktische Situation maßgebend ist. Auch das Grundlagenvertragsurteil (BVerfGE 36 30) 88 , das seinerseits, ebenso wie der Grundlagenvertrag selbst (BGBl. 1973 II S. 426, vgl. oben Rdn. 43), Staatsangehörigkeitsfragen ausdrücklich ausgespart hat, kommt einer solchen differenzierenden Behandlung der DDR-Bürger im strafrechtlichen Bereich entgegen und verbietet es, sie uneingeschränkt als Deutsche im Sinne des StGB anzusehen 89 . Denn das Bundesverfassungsgericht 90 81

v. 1. 7. 1968 (DDR-GB1.1 S. 1), unten Fußn. 40 bei Rdn. 95. Ebenso Sch.-Schröder-Eser Rdn. 34, 36; Zieger Staatsangehörigkeit im geteilten Deutschland S. 64; Böckenförde Epirrhosis S. 429 hierzu krit. F. C. Schroeder NJW 1969 84; ähnlich Roggemann Strafrechtsanwendung S. 33 f m. weit. Nachw. 83 Vgl. Roggemann Strafrechtsanwendung S. 32 m. weit. Nachw.; ferner Tröndle LK § 5 Rdn. 4. 84 Sch.-Schröder-Eser vor § 3 Rdn. 34, 36, § 5 Rdn. 12, 16; Krey Strafanwendungsrecht S. 112 ff, 115; Roggemann Strafrechtsanwendung S. 35, 43; Rumpf ZRP 1974 204; hierzu unten Tröndle LK § 5 Rdn. 4, § 7 Rdn. 9; a. A. Dreher § 7 Rdn. 3. 85 = NJW 1973 1539, 1974 894; zur schwierigen Problematik bei der differenzierenden Betrachtung im Zusammenhang mit dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen: Roggemann Strafrechtsanwendung S. 92. 86 Hierzu Bruhn M D R 1970 642; Meessen JZ 1972 673 ; Schultz M D R 1972 388; Roggemann Strafrechtsanwendung S. 30; Rumpf ZRP 1974 201, 203, der davon ausgeht, daß DDRBürger lediglich unter den Voraussetzungen des Art. 116 G G „ein Anwartschaftsrecht auf volle Inlandsbehandlung im Bundesgebiet" haben. Gegen ihn Bauer Z R P 1975 96. 87 Siehe Fußnote 79 bei Rdn. 65. 88 = N j w 1973 1543. 89 Α. A. Dreher § 7 Rdn. 3 ; Schäfer LR vor § 1 Anm. 1 c zum Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe. 90 BVerfGE 36 22, 26, 31 = NJW 1973 1542, 1543, 1544. 82

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Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor

§

3

hat mit dem Grundlagenvertrag anerkannt, daß die D D R „ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt" ist und „die Hoheitsgewalt jedes der beiden deutschen Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt" ist, daß aber „— unbeschadet jeder Regelung des Staatsangehörigkeitsrechts in der D D R — " „die Bundesrepublik Deutschland jeden Bürger der DDR, der in den Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verfassung gerät, gemäß Art. 116 Abs. 1 und 16 GG als Deutschen wie jeden Bürger der Bundesrepublik Deutschland behandelt". 2. Ausländer (Vgl. § 5 Nr. 12, § 7 Abs. 2 Nr. 2) sind alle Personen, die nicht Deut- 68 sehe im Sinne des Art. 116 Abs. 1 G G (Rdn. 63) sind, also auch die Staatenlosen (§ 1 Abs. 2 AusländerG) 9 1 . Durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit ohne die deutsche Genehmigung geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren (§ 25 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz) 92 . Deutsche sind auch Personen, die neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit haben. Jedoch sind DDR-Bürger und östlich der Oder-Neiße-Linie ansässige Personen unter den Voraussetzungen der Rdn. 65 wie Ausländer zu behandeln. V. Exterritoriale 1. a) Von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind 69 — die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten (§ 18GVG) 9 3; — die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten konsularischen Vertretungen einschließlich der Konsularbeamten (§ 19 GVG) 9 3 ; — hinzu kommen andere Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind (§ 20 GVG) 9 3 . b) Nur in beschränktem die in der Bundesrepublik Rdn. 77).

Umfange sind von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit 70 stationierten ausländischen NATO-Streitkräfte (unten

2. Wer im einzelnen zum Personenkreis des § 18 GVG (diplomatische Missionen) 71 gehört, ist durch die Verweisung auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18. 4. 1961 (BGBl. 1964 II S. 957 ff) klargestellt, wer unter den Personenkreis des § 19 GVG (konsularische Vertretungen) fällt, durch die Verweisung auf das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24.4. 1963 (BGBl. 1969 II S. 1585ff). Diese Vorschriften geben auch über den Umfang der Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit, die im diplomatischen Bereich weitergehen als im konsularischen, näher Auskunft 9 4 . Hiernach sind durch Vorrechte und Befreiungen begünstigt: Staatsoberhäupter mit begleitenden Angehörigen und Gefolge, Regierungsmitglieder bei Staatsbesuchen, sämtliche 91 92

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V. 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353, zuletzt geändert durch G ν. 25. 6. 1975 (BGBl. I S. 1542). v. 2 2 . 7 . 1 9 1 3 (RGBl. S. 583, BGBl. III 1 0 2 - 1 ) , letztes Ä n d G v. 2 . 7 . 1 9 7 6 (BGBl. I S. 1749). Jeweils i. d. Fass. v. 9. 5. 1975 (BGBl. I S. 1077). Eine Übersicht liefert das Rundschreiben des BMI v o m 14. 3. 1975 (GMB1. S. 337), auszugsweise abgedruckt bei Kleinknecht StPO 33. Aufl. bei § 18 G V G Rdn. 10. Vgl. ferner Oehler Internationales Strafrecht S. 353 ff.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Angehörige diplomatischer Missionen (einschließlich der Ständigen Vertretung der DDR), Familienangehörige und Hausangestellte von Missionsmitgliedern, nicht jedoch solche von Konsularbeamten. 72 Bei den anderen Personen, die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts95 begünstigt sind, handelt es sich um durchreisende Gesandte fremder Staaten, Vertreter fremder Staaten auf internationalen Konferenzen und Kongressen, fremde Mitglieder zwischenstaatlicher Abordnungen mit repräsentativem Charakter, fremde Mitglieder internationaler Schiedsgerichte; ferner aber auch Angehörige fremder Truppen, die erlaubtermaßen in Friedenszeiten fremdes Herrschaftsgebiet betreten, Besatzungen ausländischer Kriegsschiffe und anderer Staatsschiffe oder Staatsluftfahrzeuge, jeweils soweit sie in Erfüllung einer dienstlichen Aufgabe des Heimatstaates tätig werden und/oder sich an Bord oder erlaubtermaßen in geschlossenen Abteilungen an Land befinden 9 6 . Schließlich kann ein Staat der Gerichtsbarkeit eines anderen in solchen Fällen nicht unterliegen, die Hoheitsakte des fremden Staates zum Gegenstand haben 9 7 . 73 Aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften (§ 20 GVG) sind bestimmte Leiter, Vertreter und Beamte verschiedener überstaatlicher („supranationaler") und zwischenstaatlicher („internationaler") Organisationen von der deutschen Gerichtsbarkeit ähnlich wie diplomatische oder konsularische Vertreter befreit 9 8 . Zu den völkerrechtlichen Verträgen in diesem Sinne gehört auch das NATO-Truppenstatut (unten Rdn. 77). 74

3. Die Befreiung der Exterritorialen von der deutschen Gerichtsbarkeit bedeutet (verfahrensrechtliche) Immunität. Sie ist ein Verfahrenshindernis99 und nicht, wie eine Mindermeinung 1 0 0 annimmt, eine sachlichrechtliche Befreiung von der Geltung des deutschen Rechts (Exemtion). Die Exterritorialität nimmt daher auf die Frage des Geltungsbereichs des Strafrechts keinen Einfluß 1 0 1 . Auch der Exterritoriale kann daher im Sinne des inländischen Strafrechts deliktisch, also rechtswidrig und schuldhaft handeln, so daß Notwehr gegen ihn und strafbare Teilnahme an seiner Tat möglich ist 1 0 2 ; nur kann er, solange und insoweit sein exterritorialer Status 95 96 97 98

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BVerfGE 16 33 = NJW 1963 1733, vgl. Oehler Internationales Strafrecht S. 353. Oehler Internationales Strafrecht S. 356 f, 398 ff. Hierzu im einzelnen Schäfer LR § 18 GVG Anm. 3 b. Hierzu Ges. v. 22. 6. 1954 (BGBl. 1954 II S. 639), letztes ÄndG v. 28. 2. 1964 (BGBl. 1964 II S. 187); BT-Drucks. 7/1586, ferner Beilage zum BGBl. 1975 II Nr. 3 (Zusammenstellung von Vorschriften im Fundstellennachweis Β „Völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der D D R " - Stand: 31. 12. 1974 —); vgl. SchäferLK § 18 GVG Anm. 3c. RGSt. 52 167; BayObLG NJW 1974 431; LG Heidelberg NJW 1970 1514; so h. M. im Schrifttum: Dreher § 3 Rdn. 8; Schäfer LR § 18 GVG Anm. 4; Kleinknecht § 18 GVG Rdn. 3; Jescheck AT § 19 III 2 und ZStW 65 (1953) 291 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 354; Marenbach NJW 1974 395; Jagusch LK 8. Aufl. § 3 Anm. IVb; Baumann AT § 6 I 1 b; Dahm Zur Problematik des Völkerstrafrechts 1956 S. 45; Frank§3 Anm. V; Binding Handb. I S. 685 und wohl auch Stratenwerth AT Rdn. 102. So noch RG Rspr. 10 85 ferner aus dem Schrifttum: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41 ; von Hippel Lehrbuch II S. 82; von Liszt-Schmidt S. 137; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II Β 3 a ; Schänke Mezger-Festschrift (1954) 109. Olshausen-Niethammer § 3 Anm. 6. Dreher § 3 Rdn. 8; Oehler Internationales Strafrecht S. 354; Stratenwerth AT Rdn. 102; so im Ergebnis aber auch Autoren, die die Exterritorialität als Exemtion auffassen, ihr aber nur die materiellrechtliche Wirkung eines persönlichen Strafausschließungsgrundes beilegen: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 42. (120)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

besteht 1 0 3 , im Inland nicht verfolgt werden. Daß dies meist auch später nicht geschieht und regelmäßig nur eine Verfolgung durch das ausländische Gericht des Entsendestaates in Betracht kommt, unterstützt nicht, wie Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 41) meinen, die materiellrechtliche Auffassung, sondern belegt, daß im Fall der Exterritorialität nur ein Verfahrenshindernis vorliegt, weil auch in ausländischen Rechten regelmäßig für die Verfolgung von Auslandstaten das Erfordernis der identischen Norm besteht und es hieran fehlen könnte, wenn das inländische Recht Exterritoriale generell materiellrechtlich exemt ansähe. Personen, die Befreiungen nach dem WÜK (Rdn. 71) genießen, sind wegen Verkehrszuwiderhandlungen nur exemt, wenn der Gebrauch des Kraftfahrzeugs in engem sachlichen Zusammenhang mit der wirksamen Wahrnehmung konsularischer Aufgaben steht (BayObLG NJW 1974 431). Das ist nicht schon der Fall, wenn ein Wahlkonsul mit deutscher Staatsangehörigkeit in alkoholisiertem Zustand fährt und am Fahrtziel für den Staat, den er konsularisch vertritt, ein politisches Gespräch führen will, ohne daß insoweit eine feste Vereinbarung mit dem Gesprächspartner besteht und ein Zusammentreffen daher ungewiß ist (AG Hannover NdsRpfl. 1975 127). 4. Das Verfahrenshindernis der Exterritorialität bedeutet, daß gegen Exterrito- 75 riale gleichwohl ergehende Strafurteile nichtig sind 1 0 4 . Die Exterritorialität erstreckt sich auch auf Wohn- und Diensträume von Exterritorialen: Dort dürfen auch Amtshandlungen gegen Personen, die nicht von der Gerichtsgewalt befreit sind, nicht vorgenommen werden 1 0 5 . Damit ist ein Asylrecht für die nichtexterritorialen Personen nicht verbunden. Wohn- und Dienstgebäude von Exterritorialen verlieren dadurch auch den Charakter des inländischen Begehungsorts (§ 3) nicht (RGSt. 69 56). In der Frage, ob Exterritorialität vorliegt, entscheiden nicht die Regierungsstellen des Entsende- oder Empfangsstaates, sondern die zuständigen Gerichte eigenverantwortlich (LG Heidelberg NJW 1970 1514). Jedoch enthalten die Nr. 201 ff RiStBV Richtlinien über das Verhalten der Strafverfolgungsorgane gegenüber Exterritorialen 1 0 6 . 5. Ausländische Streitkräfte Schrifttum Marenbach Aktuelle Probleme des NATO-Truppenstatuts, NJW 1974 394, 1070 und 1598; Rumpf Das Recht der Truppenstationierung in der Bundesrepublik, 1969; Schwenk Die strafprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts, des Zusatzabkommens und des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen, NJW 1963 1425; Schwenk Das Recht des Beschuldigten auf alsbaldige Hauptverhandlung, ZStW 79 (1967) 721; Schwenk Strafprozessuale Probleme des NATO-Truppenstatuts, JZ 1976 581; Witzsch Deutsche Strafgerichtsbarkeit über die Mitglieder der US-Streitkräfte und deren begleitende Zivilpersonen, 1970 (zitiert: Strafgerichtsbarkeit)

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Zur Frage der Dauer der Exterritorialität: Schäfer LR § 18 GVG Anm. 5 m. weit. Nachw. Eb. Schmidt Lehrkomm. § 18 GVG Anm. III; Oehler Internationales Strafrecht S. 354; vgl. Marenbach NJW 1974 395. RiStBV Nr. 207 Abs. 1 ; im einzelnen Oehler Internationales Strafrecht S. 354f. Daneben gibt das Rundschreiben des BMI vom 14. 3. 1975 „Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen" (GMB1. S. 337) eingehende Richtlinien, die auch für die Strafverfolgungsbehörden von Bedeutung sind.

76

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Früher wurden die Mitglieder der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte nach Art. 6 des „Truppenvertrags" 1 0 7 grundsätzlich als Exterritoriale behandelt 1 0 8 . 77

Seit dem 1.7. 1963 109 ist in der Bundesrepublik Deutschland das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikpakts über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. 6. 1951 BGBl. 1961 II S. 1183, 1190), das NATO-Truppenstatut (NTS) mit dem Bonner Zusatzabkommen (ZusAbk.) vom 3. 8. 1959 110 in Kraft. Die materielle Strafgewalt der beteiligten Staaten wird durch das NATO-Truppenstatut nicht berührt 1 1 Die Befreiungen beschränken sich auf die in Art. I NTS bezeichneten Personengruppen. Ein US-Staatsangehöriger, der sich lediglich gastweise in einer Kaserne der US-Streitkräfte auf deutschem Boden befindet, gehört nicht dazu (OLG Stuttgart NJW 1971 721). Das NATO-Truppenstatut unterscheidet zwischen ausschließlicher und konkurrierender Strafgerichtsbarkeit: a) Die ausschließliche Strafgerichtsbarkeit besteht

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aa) zugunsten der Behörden des Entsendestaates, wenn Personen, die dem Militärrecht des Entsendestaates unterstehen, eine Tat begehen, die nur nach dem Recht des Entsendestaates, nicht aber nach dem des Aufnahmestaates (Bundesrepublik) strafbar ist (Art. VII Abs. 2a NTS); bb) zugunsten des Aufnahmestaates (Bundesrepublik), wenn Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges und deren Angehörige eine Tat begehen, die nur nach dem Recht des Aufnahmestaates (Bundesrepublik), nicht aber nach dem des Entsendestaates strafbar ist (Art. VII Abs. 2b NTS). Unter die ausschließliche Strafgerichtsbarkeit des Entsendestaates fallen daher vornehmlich militärische Delikte (militärischer Ungehorsam, Desertion usw.), unter die ausschließliche Strafgerichtsbarkeit der Bundesrepublik beispielsweise die Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170b) gegenüber unehelichen Kindern (Schwenk NJW 1963 1425) oder bestimmte Verkehrsdelikte 1 · 2 . Die Frage, ob eine Handlung nach dem Recht des Entsendestaates strafbar ist, hat die zuständige deutsche Behörde nach den Vereinbarungen des Art. 17 ZusAbk. in einem förmlichen Verfahren zu ermitteln (Bescheinigungsverfahren). Der Begriff der Strafbarkeit im Sinne des Art. VII NTS schließt Ordnungswidrigkeiten mit ein (Schwenk JZ 1976 581). Für dieses „Bescheinigungsverfahren" besteht eine deutsch-amerikanische „Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des NATO-Truppenstatuts und der Zusatzvereinbarungen im Justizbereich", die bisher noch nicht ratifiziert ist, an das sich die beteiligten Entsendestaaten aber h a l t e n 1 ^ . Nach dieser Vereinbarung wur107

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Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik vom 23. 10. 1954 (BGBl. 1955 II S. 213, 303, 328). Hierzu im einzelnen Jagusch LK 8. Aufl. Vorbem. 9 vor § 3; Wohlfarth DRiZ 1955 232; v. Grolman ArchÖffR Bd. 78 447; Schäfer LR, 20. Aufl. Anhang C zum GVG. Bek. v. 16. 6. 1963 (BGBl. II S. 745). BGBl. 1961 II S. 1183, 1218, 1313, geändert durch Bek. v. 6.6. 1972 (BGBl. II S. 687 und durch Abk. v. 21. 10. 1971 (BGBl. 1973 II S. 1022). Jescheck AT § 18 I 3, ferner Oehler Internationales Strafrecht S. 356. § 1 StVO: OLG Stuttgart NJW 1967 508; „einfache" Fahrlässigkeit im Straßenverkehr, § 315 c Abs. 1 Nr. 1 b: Marenbach NJW 1974 1599, nicht jedoch bei den übrigen Fällen des § 315 c, soweit recklessness gegeben ist. Über die Bedeutung des NTS für das Straßenverkehrsrecht vgl. Bouska DAR 1963 291 ; vgl. ferner Schwenk JZ 1976 581. OLG Stuttgart NJW 1967 509; Marenbach NJW 1974 1070. (122)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

den bei Verkehrsübertretungen (des früheren Rechts) eines Angehörigen der US-Streitkräfte dann weitere Einzelfragen im Sinne des Art. 17 ZusAbk. für überflüssig gehalten, wenn die Zuwiderhandlung nicht im Dienst begangen wurde, der Fahrer nicht unter Alkohol stand und keine Freiheitsstrafe verhängt werden soll 1 1 4 . Gerade in Straßenverkehrssachen kann es übrigens oft zweifelhaft sein, ob eine Strafbarkeit nach dem Recht des Entsendestaats überhaupt gegeben ist. Verneinendenfalls wäre die ausschließliche deutsche Gerichtsbarkeit gegeben. Es empfiehlt sich daher, diese Frage alsbald nach Art. 17 Abs. 1 ZusAbk. zu klären, da im Falle einer Negativbescheinigung sich eine Verzichtsrücknahme erübrigt (Marenbach NJW 1974 1600). b) In allen übrigen Fällen, wenn also die Tat nach dem Recht beider beteiligten 79 Staaten strafbar ist, besteht eine konkurrierende Strafgerichtsbarkeit (Art. VII Abs. 1 NTS). In deren Rahmen hat die Gerichtsbarkeit des Entsendestaates ein Vorrecht dann, wenn sich die Tat nur gegen den Entsendestaat oder einen seiner Truppenangehörigen richtet oder wenn sie in Ausübung des Dienstes 1 1 4 3 begangen wurde (Art. VII Abs. 3 a NTS). Bei allen sonstigen Taten steht das Vorrecht dem Aufnahmestaat (Bundesrepublik) zu (Art. VII Abs. 3 b NTS). Jede Seite kann darauf verzichten, dieses Vorrecht auszuüben. Jedoch ist ein solcher Verzicht nur im Rahmen der konkurrierenden und nicht etwa der ausschließlichen Strafgerichtsbarkeit statthaft (Schwenk NJW 1963 1428). Die Bundesrepublik hat auf dieses Vorrecht vertraglich allgemein verzichtet (Art. VII Abs. 3 c NTS i. Verb. m. Art. 19 Abs. 1 ZusAbk.) 11 5. Die deutsche Staatsanwaltschaft kann allerdings den Verzicht im einzelnen Falle binnen 21 Tagen, nachdem ihr die Straftat von der zuständigen Stelle des Entsendestaates mitgeteilt wurde, zurücknehmen, wenn nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit erfordern. Das kann vor allem in Staatsschutzstrafsachen der Fall sein, die zur Zuständigkeit bestimmter Oberlandesgerichte im ersten Rechtszuge gehören (§ 120 GVG), oder wenn es sich um Tötungsdelikte, Raub oder Vergewaltigung handelt, soweit die Opfer nicht Angehörige der Truppe oder des zivilen Gefolges sind (Art. 19 Abs. 3 ZusAbk., Abs. 2 des UnterzeichnProt. zu Art. 19). In den weitaus überwiegenden Fällen wird dieser allgemeine Verzicht nicht zurückgenommen 1 1 6 . Der Verzicht bezieht sich nur auf das Vorrecht der Ausübung der Gerichtsbarkeit, nicht aber auf die Gerichtsbarkeit als solche (OLG Stuttgart NJW 1977 1020) 1 1 7 . Der allgemeine Verzicht begründet daher kein allgemeines und endgültiges Verfahrenshindernis (OLG Stuttgart) 1 1 8 , sondern eine „Zuständigkeitsverschiebung zur Ausübung des Rechts zur Durchführung der Hauptverhandlung durch den Entsendestaat" (OLG Nürnberg NJW 1975 2153). Nehmen seine Militärbehörden ihr Vorrecht nicht wahr oder treffen sie ohne ersichtlichen Grund innerhalb angemessener Frist überhaupt keine Entscheidung, so kann der

114 114a 115 116

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(123)

OLG Stuttgart NJW 1967 509. Hierzu Schwenk JZ 1976 582 und Art. 18 ZusAbk. Hierzu Schwenk NJW 1963 1428. Fälle der Rücknahme des Verzichts: BGH NJW 1966 2280, BGHSt. 21 81 zu diesem Verfahren: Schwenk ZStW 79 (1967) 721. Marenbach NJW 1974 394; Schwenk JZ 1976 582; Witzsch Strafgerichtsbarkeit S. 113 ff. So aber OLG Frankfurt Beschl. v. 16. 2. 1973 - 3 Ws 5/73 mitgeteilt bei Marenbach NJW 1974 395; hiergegen OLG Stuttgart NJW 1977 1020.

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Aufnahmestaat das Verfahren weiterbetreiben. Stellt das zuständige Militärgericht die Sache jedoch ein, wenn auch nur aus prozessualen Gründen, so steht dies einem rechtskräftigen Freispruch im Sinne des Art. VII Nr. 8 NTS gleich 119 . Wurde hingegen in einem Verfahren der konkurrierenden Gerichtsbarkeit ein deutsches Gericht tätig und das Verfahren etwa durch einen rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossen, ohne daß der Verzicht zurückgenommen worden war, so ist die ergangene gerichtliche Entscheidung nichtig, weil jedenfalls zur Zeit ihres Erlasses ein Verfahrenshindernis vorlag 120 . Allerdings sind die deutschen Behörden in Fällen der konkurrierenden Gerichtsbarkeit befugt, die Entnahme von Blutproben auch schon vor der Rücknahme des Verzichts anzuordnen 121 , damit der Zweck dieser Maßnahme nicht vereitelt wird. Wird ein in einem deutschen Strafverfahren beschuldigter Angehöriger der US-Streitkräfte aufgrund eines deutschen Haftbefehls nach Art. 22 Abs. 1 bis 3 ZusAbk. in einem amerikanischen Militärgefängnis verwahrt, so befindet er sich gleichwohl in deutscher Untersuchungshaft, so daß die §§ 121 ff StPO gelten 122 . Wird der Verzicht zurückgenommen, so haben Angehörige der Streitkräfte vor deutschen Gerichten ein ausdrücklich vereinbartes Recht auf „alsbaldige und schnelle Verhandlung" (Art. VII Abs. 9 a NTS). Wird das Verfahren über Gebühr verzögert und damit dieses Recht verletzt, so ergibt sich hieraus jedoch noch nicht die Unzulässigkeit des Verfahrens schlechthin 123 . Trotz des Beschleunigungsgebots nach Art. VII Abs. 9 a NTS verbietet Art. 27 ZusAbk. das beschleunigte Verfahren des deutschen Strafprozeßrechts (§§ 212 bis 212 b StPO). Hingegen ist das Strafbefehlsverfahren (§§ 407 ff StPO) nicht unzulässig 124 . 80

Auf der andern Seite können die Militärbehörden eines Entsendestaates, zugunsten dessen die Bundesrepublik auf ihr Vorrecht verzichtet hat, mit Zustimmung der deutschen Behörden einzelne Strafsachen, für die dem Entsendestaat die Gerichtsbarkeit zusteht, an die deutschen Gerichte und Behörden zur Untersuchung, Verhandlung und Entscheidung abgeben (Art. 19 Abs. 5 ZusAbk.). Bis die Militärbehörden eines Entsendestaates ein solches Übernahmeersuchen stellen, ist der generelle Verzicht der Bundesrepublik wirksam. Während der Zeit ruht auch die Verjährung 125 .

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OLG Nürnberg NJW 1975 2153, OLG Stuttgart NJW 1977 1020; vgl. Jescheck AT § 18 13. Marenbach NJW 1974 395. OLG Stuttgart Die Justiz 1973 358 und NJW 1974 1061, LG Duisburg NJW 1965 643. So OLG Koblenz M D R 1974 594, OLG Hamm JMB1. N R W 1974 166, OLG Zweibrücken NJW 1975 2150 (jedoch keine Haftprüfung nach § 121 StPO, wenn Untersuchungshaft nur in Form der „restriction" [Ausgehverbot] vollzogen wird); Schwenk JZ 1976 582; Kleinknecht StPO § 121 Rdn. 4; a. A. OLG Frankfurt NJW 1973 2218; Marenbach NJW 1974 394. BGHSt. 21 84; OLG Stuttgart NJW 1967 509; hiergegen jedoch krit. Schwenk ZStW 79 (1967) 721, 723, 737 und JZ 1976 583 insbesondere zur Bedeutung der Klausel des Art. VII Abs. 9 a NTS. OLG Stuttgart NJW 1967 509. OLG Celle NJW 1965, 1673, LG Krefeld NJW 1965 310, LG Duisburg NJW 1965 643; a. A. OLG Nürnberg NJW 197S 2152 und Schwenk JZ 1976 582. (124)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

VI. Besatzungsgerichtliche Urteile Schrifttum

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Jescheck Anm. zu BGHSt. 21 29: JZ 1966 808; B. Maier Das Deutsch-Französische Abkommen vom 2. Februar 1971 — Rechtsentwicklung und Anwendungsbereich, NJW 1975 465; Schwenk Deutsche Gerichtsbarkeit nach dem Überleitungsvertrag, NJW 1960 273; Wohlfarth Zur Rechtswirkung besatzungsrechtlicher Urteile, JZ 1955 526.

Die Frage, welche Rechtswirkungen besatzungsgerichtliche Urteile oder sonstige endgültig abgeschlossene Strafuntersuchungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Gerichten oder Behörden der amerikanischen, britischen oder französischen Besatzungsmacht ausgegangen waren, auf die deutsche Gerichtsbarkeit und auf die deutsche Rechtsanwendung haben, wird in den Art. 3, 6 und 7 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag — ÜV — ) vom 26. 5. 19521 geregelt. Hiernach sind „deutsche Gerichte und Behörden nicht zuständig in strafrechtlichen . . . Verfahren, die sich auf eine vor Inkrafttreten dieses Vertrages begangene Handlung oder Unterlassung beziehen, wenn unmittelbar vor Inkrafttreten dieses Vertrages die deutschen Gerichte und Behörden hinsichtlich solcher Handlungen oder Unterlassungen nicht zuständig w a r e n , . . . " (Art. 3 Abs. 2 ÜV). Hieraus folgt grundsätzlich, daß es nach dem ÜV den deutschen Gerichten für Vorgänge während der zurückliegenden Zeit an der Strafgerichtsbarkeit insoweit fehlt, als ihnen auch mittelbar vor dem Inkrafttreten des Vertrages eine Gerichtsbarkeit nicht zustand (BGHSt. 21 330· Die deutschen Gerichte dürfen aber eine vor dem Inkrafttreten des Vertrags begangene Straftat dann verfolgen, wenn das Ermittlungsverfahren von der Strafverfolgungsbehörde der Besatzungsmacht noch nicht endgültig abgeschlossen war 2 . Kam es also zu keinem besatzungsgerichtlichen Urteil, so ist die deutsche Gerichtsbarkeit nur dann nicht gegeben, wenn die Strafuntersuchung von der Besatzungsmacht endgültig abgeschlossen war oder die verfolgte Straftat in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsmacht begangen wurde (Art. 3 Abs. 3 S. 1 b ÜV), in den übrigen Fällen ist die Einleitung neuer Ermittlungsverfahren möglich. Die Frage, ob jemand in Erfüllung von Pflichten oder Leistung von Diensten für die Besatzungsmacht gehandelt hat oder ob die Strafverfolgungsbehörde der Besatzungsmacht ihre Untersuchung endgültig abgeschlossen hat, wird durch eine Bescheinigung des Botschafters der betreffenden früheren Besatzungsmacht für die deutschen Gerichte bindend bewiesen (Art. 3 Abs. 2 S. 2 ÜV). Indessen sind die deutschen Gerichte weder berechtigt noch verpflichtet, bei der ausländischen Botschaft anzufragen, ob eine solche Bescheinigung erteilt oder verweigert wird 3 . Alle strafgerichtlichen Urteile oder Entscheidungen eines Gerichts der Besät- 82 zungsmacht, auch wenn das besatzungsgerichtliche Verfahren außerhalb Deutschlands geführt ist (BGHSt. 21 29), „bleiben" — soweit nicht ein Fall des deutschfranzösischen Abkommens vom 2. 2. 1971 (BGBl. 1975 II S. 431) gegeben ist (siehe unten Rdn. 83) — „in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln" (Art. 7 Abs. 1 ÜV). Allerdings haben die unglücklich gefaßten Vereinbarungen des ÜV insbesondere auch im Hinblick auf Art. 6 ÜV zu Unklarheiten, 1 2 3

i. d. Fass. d. Bek. vom 30. 3. 1955 (BGBl. II S. 405). So BGHSt. 12 327 f; vgl. v. Weber JZ 1958 751. BGHSt. 14 137, 21 38 m. Anm. Jescheck JZ 1966 808.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Ungereimtheiten und kontroversen Entscheidungen geführt 4 . Übereinstimmung hatte sich inzwischen darüber gebildet, daß deutsche Gerichte für die Wiederaufnahme eines Verfahrens, das durch Urteil eines Gerichts der Besatzungsmacht rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht zuständig sind 5 . Ebenso ist nunmehr vom BGH 6 entschieden, daß auch besatzungsgerichtliche Urteile, die aufgrund des Art. 6 Abs. 1 ÜV wegen Kriegsverbrechen (und nicht allgemeiner Straftaten) ergangen sind und für die Art. 7 nicht gilt (Art. 6 Abs. 11 ÜV), von dieser Sperrwirkung nicht ausgenommen sind. 83 Inzwischen wurde allerdings diese Sperrwirkung durch das deutsch-französische Abkommen vom 2. 2. 1971, ratifiziert am 9. 4. 19757, für solche Fälle aufgehoben, in denen Deutsche Kriegsverbrechen begangen hatten und von französischen Besatzungs- oder Militärgerichten in Abwesenheit verurteilt worden sind, um (über 30 Jahre nach der Tat!) eine weitere Verfolgung zu ermöglichen, an der die deutschen Strafverfolgungsbehörden rechtlich gehindert waren, weil der ÜV dies ausschloß und bisher besondere Vereinbarungen nicht zustande gekommen waren (Art. 3 Abs. 2 ÜV). Aufgrund dieses Abkommens sind aber infolge Verjährung nur noch solche Taten verfolgbar, die den Tatbestand des Mordes erfüllen, andere Straftaten nur dann, wenn richterliche Unterbrechungshandlungen nachweisbar sind (im einzelnen B. Maier NJW 1975 465). 84 Soweit die Sperrwirkung des Überleitungsvertrags (Rdn. 81) reicht, ist der alte Meinungsstreit, ob ein besatzungsgerichtliches Urteil inländischen Strafurteilen gleich das deutsche Strafklagerecht verbraucht, falls das Besatzungsgericht die Tat in vollem Umfang abgeurteilt hat, insoweit erledigt, als eine deutsche Gerichtsbarkeit überhaupt nicht gegeben ist. Soweit der ÜV nicht eingreift, ζ. B. bei Urteilen der sowjetischen Besatzungsgerichte, verbleibt es bei dem Grundsatz, daß ein Verbrauch der Strafklage nicht eintreten kann, da Besatzungsgerichte in allen Fällen nicht inländische, sondern ausländische Gerichtsbarkeit ausüben 9 . Aus diesem Grunde können sie — unbeschadet der Rechtswirkungen des Art. 7 ÜV — auch keinen Rückfall nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 begründen, auch wenn die Urteile auf deutschem Boden ergangen sind 10 . Eine von einem Besatzungsgericht erkannte Strafe

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Zusammenfassend Wengler NJW 1960 783, ferner Schorn JR 1961 331. BGHSt. 12 326, 21 36 (GSSt.); Schwenk NJW 1960 275; Schorn JR 1961 330; Jescheck JZ 1966 808; Peters Fehlerquellen im Strafprozeß 3. Bd. (1974) 128; a. A. noch BGH NJW 1956 1766. BGHSt. 12 329, 21 29; OLG Schleswig NJW 1958 112 und SchlHA 1960 146, OLG Bremen NJW 1960 783; Dreher § 51 Rdn. 18; Schorn JR 1961 330; a. A. noch BGHSt. 6 178, 12 36, die dann § 7 f. F. (jetzt § 51 Abs. 3) entsprechend anwenden wollten. Ferner Wohlfarth JZ 1955 527; von Weber JZ 1958 751; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45. BGBl. II S. 431, BT-Drucks. 7/130; hierzu Heimeshoff DRiZ 1971 85 und 1974 314; Auszug aus BT-Drucksache: DRiZ 1975 120, Entschließung des BRats: DRiZ 1975 156; zum ganzen: B. Maier NJW 1975 465, ferner G. Schultz MDR 1975 545. Bejahend (während der Rheinlandbesetzung) RGSt. 54 142, 59 400; ferner BayObLG NJW 1950 358, OLG Frankfurt HESt. 3 49, LG Landshut DReZ 1949 210 m. Anm. Wendt; Jagusch LK 8. Aufl. Anm. 8 vor § 3 ; a. A. insoweit mit Recht BGHSt. 6 177 und unten Fußn. 9. h. M.: BGH NJW 1952 151, BGHSt. 5 370, 6 177, OLG Schleswig NJW 1958 112; Wohlfarth JZ 1955 526; von Weber JZ 1958 751. BGH NJW 1952 151; RGSt. 51 374, 63 395; a. A. OLG Frankfurt NJW 1951 372, weit. Nachw. bei Schorn JR 1961 330. (126)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

läßt sich auch nicht in eine Gesamtstrafe einbeziehen". Urteile von Besatzungsgerichten stehen auch der Anwendung der § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2 StraffreiheitsG 1954 nicht entgegen 1 2 . Besatzungsgerichtliche Urteile stehen hingegen deutschen Urteilen für die Anwendung der § 65 Abs. 5 und § 66 Abs. 3 gleich 13 . VII. Interlokales (zwischenörtliches) Strafrecht Schrifttum

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Bruns Entsch.Anm. ZAkDR 1942 92; Jung Fragen des strafrechtlichen Geltungsbereichs, DJ 1941 597; Kohler Internationales Strafrecht, 1917; Kümmerlein Fragen des „internationalen" Strafrechts und Strafverfahrensrecht, DStR 1938 280; Middel Interlokaler Geltungsbereich des Strafrechts, DR 1940 1498; Rittler Zur Abgrenzung der Geltungsgebiete des gemeindeutschen und partikulär-österreichischen Strafrechts, ZStW Bd. 62 65 ; Satter Zur Frage des interlokalen Strafrechts, DRechtsw. 1941 247; E. Schäfer Zweifelsfragen des interlokalen Strafrechts, DJ 1940 891, 1181 und DStR 1940 192; Schröder Oer Geltungsbereich der Teilstrafrechte im Deutschen Reich, DR 1942 1115; von Weber Das interlokale Strafrecht DStR 1940 182, GS Bd. 114 267, Kohlrausch-Festschrift (1944) 120. Weitere Schrifttumsnachweise zum Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur D D R (interzonales Strafrecht) unten bei Rdn. 95; ferner allgemeine Schrifttumsangaben vor Rdn. 1.

1. Allgemeines a) Das „internationale Strafrecht" (oben Rdn. 1, 2) grenzt den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts bei solchen Straftaten ab, die durch ihren Täter, ihren Tatort oder das verletzte Rechtsgut Beziehungen zum Ausland aufweisen, und bestimmt damit zugleich negativ, in welchen Fällen Straftaten dieser Art nach deutschen Strafrechtsgrundsätzen im Inland nicht verfolgbar sind. Anders das interlokale Strafrecht. Es regelt die Fälle, in denen innerhalb des inländischen Rechtsgebiets verschiedenes Strafrecht gilt, und stellt — insoweit ähnlich dem internationalen Privatrecht — die Grundsätze dafür auf, welches deutsche (Teil-)Recht für die übergreifende Tat maßgebend ist. Interlokales Strafrecht ist daher innerstaatliches strafrechtliches Kollisionsrecht14 Denn es kann nach dessen Grundsätzen geschehen, daß das erkennende Gericht innerhalb des einen deutschen Rechtsgebiets das sachliche Strafrecht des anderen (inländischen) Rechtsgebiets auf die Tat anwendet (z. B. BGHSt. 4 399,11 366). Hingegen geht es bei Taten mit Auslandsbeziehung, für die die Grundsätze des „internationalen Strafrechts" gelten, allgemein darum, wieweit die deutsche Strafgewalt reicht und ob das erkennende deutsche Gericht überhaupt das deutsche Strafrecht anwenden darf. Der Grundgedanke des interlokalen Strafrechts, wonach der Strafrichter auch 86 das Strafrecht des anderen Rechtsbereichs anzuwenden gehalten ist, beruht auf der Tatsache, daß es sich um innerstaatliches, partiell geltendes Strafrecht handelt, das jedes inländische Gericht dann zu beachten hat, wenn Anknüpfungsvoraussetzungen für dieses partielle Recht gegeben sind. Das interlokale Strafrecht setzt damit eine grundsätzliche, von gegenseitigem Vertrauen beherrschte 1 5 Anerkennung der verschiedenen Teilrechtsgebiete für den gesamten Bereich voraus in der Weise, daß 11 12 13

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BGH JZ 1951 376 L, OLG Celle NJW 1951 85. BGH NJW 1955 430, BayObLG NJW 1954 1617, OLG Hamburg NJW 1954 1697. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 46, so schon Vorauf!. Rdn. 64 für die sachlich übereinstimmende frühere Vorschrift des § 20 a Abs. 4. Jescheck AT § 20 II ; D. Schultz JR 1968 41 m. weit. Nachw. von Weber JZ 1954 578; Herrmann Anwendbarkeit S. 33 ff; Grünwald JZ 1965 635.

(127)

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

eine Vereinheitlichung des Rechts zumindest grundsätzlich möglich wäre 1 6 . Das ist nur dort der Fall, wo die Teilrechtsgebiete unter einer gemeinsamen Staats- und Strafgewalt stehen. 87

b) Anwendungsfälle des interlokalen Strafrechts. Verschiedene Teilrechtsgebiete oder Strafrechtssysteme innerhalb eines einheitlichen Staatsverbandes gab es früher ζ. B. im vergrößerten Preußen nach 1866, ferner bis 1930 in Polen (deutsches, österreichisches und russisches Strafrecht), bis 1938 in der Tschechoslowakei und zwischen 1938 und 1945 im Deutschen Reich (deutsches und österreichisches Strafrecht) 1 7 .

88

Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland spielen Fragen des interlokalen Strafrechts in diesem herkömmlichen Sinne nur noch eine untergeordnete Rolle 1 8 . So dort, wo bundesrechtliche Strafvorschriften nur in einzelnen Ländern als sog. partielles Bundesrecht (Art. 125 GG) weitergelten: Wer in Hanau (zulässigerweise) „Malz-Nährbier" herstellt und es in Bayern unter der Bezeichnung „Bier" vertreibt, macht sich in Bayern nach den dort geltenden Vorschriften (§§ 9, 18 BierstG) strafbar und ist dieserhalb auch von einem hessischen Gericht zu verurteilen (BGHSt. 11 365). Dieselben Grundsätze gelten auch bei Verstößen gegen Strafvorschriften des Landesrechts 1 9 : Ein Hamburger, der in Bayern unbefugt mit einem Strafgefangenen in Verkehr tritt, ist nach Art. 23 BayLStVG strafbar und dieserhalb von jedem sachlich zuständigen Gericht in der Bundesrepublik zu verurteilen, gleichgültig, ob die Tat am Gerichtsort mit Strafe bedroht ist oder nicht. Umgekehrt hätte ein Bayer, der an seinem 2. außerbayerischen Wohnsitz in einem „Ärgernis erregenden Konkubinat" (so der frühere Art. 25 BayLStVG) 2 0 lebte, — da es auf das Recht des Tatorts ankam — weder in Bayern noch in einem anderen Bundesland hierwegen bestraft werden können 2 1 .

89

Bisher hat die Rechtsprechung auch die Frage des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der D D R („interzonales Strafrecht") nach den Vorschriften des interlokalen Strafrechts mit der Korrektur des ordre public behandelt. Seit dem Abschluß des Grundlagenvertrags (unten Rdn. 95) kann diese Rechtsprechung als überholt gelten. Im Verhältnis zur D D R sind die Vorschriften des internationalen Strafrechts maßgebend (hierzu im einzelnen unten Rdn. 95 ff).

90

2. Das StGB regelt das interlokale Strafrecht nicht 22 . Es ist daher der Rechtsprechung überlassen, im Zusammenwirken mit der Rechtslehre maßgebende Grund16 17 18 19 20

22

Dreher § 3 R d n . 10. Z u m ganzen Einzelnachweise mit Literaturangaben bei D. Schultz JR 1968 42. Oehler Internationales Strafrecht S. 35. Fälle nach Mezger-Blei A T 12. Aufl. § 12 IV 2. A u f g e h o b e n durch G vom 31. 7. 1970 (BayGVBl. S. 345). Hierzu weiter unten R d n . 91. Zweifelhaft ist allerdings, ob der bayerische Gesetzgeber f ü r die f r ü h e r e Strafvorschrift des Art. 25 BayLStVG ü b e r h a u p t eine Gesetzgebungskompetenz hatte (mit Recht verneinend Maurach-Zipf A T Teilb. 1 § 8 III Β 2 c ; Jescheck A T § 13 I 3 b jeweils m. weit. Nachw. Über f r ü h e r e Regelungen w ä h r e n d der nationalsozialistischen Besetzung f r e m d e r Gebiete: Schinnerer LK 6. Aufl. § 3 A n m . 2, hierzu auch das bei R d n . 85 erwähnte Schrifttum. Die thüringische Fassung des StGB (1945) lautete in § 10: „Die innerhalb Deutschlands begangenen Straftaten sind nach dem Recht des Tatorts oder wenn die Tat nach dem am W o h n sitz geltenden Recht schwerer s t r a f b a r ist, nach diesem zu bestrafen. Übertretungen werden nur nach dem Recht des Tatortes verfolgt." (128)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

sätze für dieses Rechtsgebiet herauszuarbeiten. Als Anknüpfungspunkte kommen das Recht des Gerichtsorts (lex fori), des Tatorts (lex loci) und des Wohnsitzes (lex domicilii) in Betracht. a) Das Reichsgericht hat wie früher das Preußische Obertribunal (GA Bd. 16 381) 91 grundsätzlich das Recht des Tatorts (lex loci) für maßgebend angesehen 23 , wobei für den Begriff des Tatorts § 9 bestimmend ist. Abweichende Meinungen im Schrifttum, die das Recht des Gerichtsorts (lex fori) 24 oder das Heimatrecht des Täters 25 für maßgebend ansahen, sind inzwischen überholt. Denn der BGH hielt weiterhin dem RG folgend das Tatortrecht für maßgebend (BGHSt. 4 399, 11 366) — der BGH auch soweit „interzonales Strafrecht" (Rdn. 95) in Frage stand 2 6 — ebenso der überwiegende Teil des Schrifttums 27 . Andere nahmen an, daß neben dem Tatortrecht mit gleichem Rang auch das Wohnsitzrecht (lex domicilii) Berücksichtigung finden müsse 28 . Dem ist nicht zuzustimmen. Wo das Strafrecht nur innerhalb eines bestimmten Landes gilt 29 , kann es außerhalb der Landesgrenzen keine Geltung beanspruchen. Eine entsprechende Anwendung des Personalgrundsatzes verbietet sich schon deswegen, weil der räumliche Geltungsbereich des Landesstrafrechts auf das Gebiet des jeweiligen Bundeslandes beschränkt bleibt und es eine Landeszugehörigkeit, an die sich ein persönlicher Geltungsbereich anknüpfen ließe, nicht gibt 30 . Anders liegt es jedoch, wie der schon erwähnte Fall BGHSt. 11 365 zeigt, wenn nach Art. 125 GG partielles Bundesrecht, das sämtliche Gerichte des Bundesgebiets zu beachten haben, in Frage steht 3 !. Zu beachten ist aber, daß Bundesgesetze, die zufolge der Berlinklausel dort nicht gelten, in Berlin auch nicht über die Vorschriften des interlokalen Strafrechts angewendet werden dürfen 32 . b) Erstreckt sich ein Tatgeschehen räumlich über mehrere Rechtsgebiete, sei es, 92 daß die Handlung in einem Gebiet begangen und der Erfolg im andern eingetreten ist (weiträumige Taten, Distanztaten), sei es, daß Fortsetzungs- oder mehraktige Taten, Dauer- oder Zuständsdelikte sowohl im einen wie im andern deutschen Rechtsgebiet begangen sind, so ist § 9, der einen allgemeinen Grundsatz enthält (BGHSt. 20 51), maßgebend: Die Tat ist auf jedem der verschiedenen Rechtsgebiete begangen, wo der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen, oder wo der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte. Unter „Erfolg" ist der tatbestandsmäßige Erfolg gemeint (unten § 9 Rdn. 4). Worin dieser besteht, ist bei den einzelnen Tatbeständen und deren Begehungsweisen gesondert zu prüfen 33 . 23 24 25 26 27

28

29 30 31 32 33

RGSt. 74 220, 325, 75 106, 385, 76 97, 202. Rittler ZStW Bd. 62 65; Satter DRechtsw. 1941 247. Middel DR 1940 1898; zum ganzen Herrmann Anwendbarkeit S. 29 f, 40 ff. BGHSt. 7 55, NJW 1952 1146, 1960 395, GA 1955 178, 1961 24. Dreher §3 Rdn. 10; Lackner §3 Anm. 3 a; Oehler Internationales Strafrecht S. 36; Maurach- Zipf AT Teilb. 1 § 11 H C ; Welzel §6 III 1; Blei AT § 12IV 2; Stratenwerth AT Rdn. 128; Schmidhäuser AT 5/86; Mattil GA 1958 142. Jescheck AT § 2 0 1 3 ; Kohlrausch-Lange Vorbem. III Β 3 vor §3; Jagusch LK 8. Aufl. Anm. 7 c vor § 3 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54 differenzierend für den Fall, daß das Landesrecht nach Art. 2 Nr. 1 EGStGB abweichend vom Tatort des § 3 an den Wohnsitz des Täters anknüpft. Beispiele hierfür bei Oehler Internationales Strafrecht S. 36. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II C; Blei AT § 12 IV 2. Oehler Internationales Strafrecht S. 36; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II C. Dreher § 3 Rdn. 10. BGHSt. 20 51 f. für § 90 a a. F.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Kommen hiernach Tatorte rechtsverschiedener Gebiete in Betracht, so ist bei konkreter Betrachtung das strengste Gesetz maßgebend 34 . 93

c) Es ist ferner zu beachten, daß eine strafbare Teilnahme eine (nach denselben Rechtsvorschriften) strafbare Haupttat voraussetzt. Ist ζ. B. das Verhalten des Anstifters nach den Gesetzen des einen Rechtsgebiets zu beurteilen, so ist auch zu überprüfen, ob die Haupttat nach den Vorschriften dieses Rechtsgebiets strafbar wäre, selbst wenn der Haupttäter sonst nach den Grundsätzen des interlokalen Strafrechts nach den Gesetzen des anderen Rechtsgebiets zu bestrafen ist 35 . Für die Inlandsteilnahme an einer Auslandstat gilt eine besondere (abweichende) Regelung (§ 9 Abs. 2 S. 2, hierzu unten § 9 Rdn. 8).

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d) Eine Amnestie, die in einem Teilgebiet erlassen wurde, ist, soweit dessen Recht anzuwenden ist, auch in dem anderen Rechtsgebiet, wo entsprechende Amnestiegesetze nicht gelten, zu beachten 36 . Bei Landesamnestiegesetzen, die sich auf — evtl. auch nur partiell geltende — Bundesstrafgesetze beziehen, kommt es darauf an, in welchem Lande die Untersuchung zuerst eröffnet worden ist. Ist dies das amnestierende Land, so wirkt die Niederschlagung auch für die Gerichte anderer Länder (BGHSt. 3 134).

VIII. Sonderproblem. Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR („Interzonales Strafrecht") 95 Schrifttum Böckenförde Die Teilung Deutschlands und die deutsche Staatsangehörigkeit, Epirrhosis, Festgabe für Carl Schmitt 1968 S. 426 (zitiert: Epirrhosis); Böckenförde Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 1967; Bruhn Die Regelung des herkömmlichen Geltungsbereichs im Strafrecht der Bundesrepublik und der D D R unter besonderer Berücksichtigung ihres Verhältnisses zueinander, M D R 1970 638; Dichgans Zur Rechtsnatur des mitteldeutschen Regimes, NJW 1966 2255; Doehring Die Teilung Deutschlands als Problem der Strafrechtsanwendung, Der Staat 1965 257 ; Doehring Die Teilung Deutschlands als Problem des Völker- und staatsrechtlichen Fremdenrechts, 1968; Endemann Interlokalrechtliche Probleme im Bereich des Staatsschutzrechts unter besonderer Berücksichtigung des Tatortbegriffs (§ 3 Abs. 3 StGB), NJW 1966 2381 ; Frenzel-Schwarz Die Ausdehnung der westdeutschen Strafgewalt auf DDR-Bürger, Staat und Recht 14 (1965) 237; Fritzsche in: Geräts-Lekschas-Renneberg, Lehrbuch des Strafrechts der DDR, AT, 1957; Grünwald Ist der Schußwaffengebrauch an der Zonengrenze strafbar? JZ 1965 633; Heimeshoff Aktuelle innerdeutsche Strafrechtsprobleme, DRiZ 1977 20; Herrmann Die Anwendung des politischen Strafrechts auf Deutsche im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, Diss. Freiburg/Br., erschienen in Bonn 1960 (zitiert: Anwendbarkeit); Kabel Das Problem des interzonalen Strafrechts an der Demarkationslinie, Diss. Hamburg 1967; Knuth Zur völkerrechtlichen Exemtion ostberliner Regierungsdelegationen und Emissäre in der Bundesrepublik, JZ 1970 539; Krey Zum innerdeutschen Strafanwendungsrecht de lege lata und de lege ferenda. Zugleich ein Beitrag zur Frage des Schußwaffengebrauchs an der Zonen- und Sektorengrenze, 1969; Lange Zur Frage der Anerkennung von Strafurteilen der sowjetischen

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35 36

RGSt. 75 385; Mezger DR 1940 1526; E. Schäfer DJ 1940 1182 und ZAkDR 1942 92. Weitere Nachweise Voraufl. Rdn. 72. RGSt. 76 377 m. Anm. Bruns DR 1943 891 ; vgl. zum ganzen ferner Schröder DR 1942 1123. Mattil GA 1958 147; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 60; a. A. für den interzonalen Bereich (Anwendbarkeit eines Amnestiebefehls der sowjetischen Militäradministration vor einem Gericht der Britischen Zone wegen einer in Potsdam begangenen Tat: OLG Hamm M D R 1949 700, ferner OGHSt. 2 253, K G JR 1950 565. (130)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

Besatzungszone in der Bundesrepublik, J O R I S. 9; Lieser Sowjetzonales Strafrecht u n d ordre public, 1962; Martin Deutsch-deutsche Rechtsübereinstimmung u n d -Verschiedenheit, J R 1977 221; Mattil Zur Problematik des interlokalen Strafrechts, G A 1958 142; Niese Zur Rechtsprechung des B G H in Strafsachen, J Z 1957 659 ; Niewerth Zur Rechtsnatur des mitteldeutschen Regimes, N J W 1967 768 ; Roggemann Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Bundesrepublik u n d D D R , N J W 1974 1841 ; Roggemann Strafrechtsanwendung u n d Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten, 1975 (zitiert: Strafrechtsanwendung); Roggemann Die Grenzen der Strafgewalt zwischen beiden deutschen Staaten, Recht in Ost u n d West 1974 184; Roggemann Grenzübertritt u n d Strafrechtsanwendung zwischen beiden deutschen Staaten. Anmerkungen zum Fall Weinhold, Z R P 1976 243 ; Rosenthal Zivil- und strafrechtliche Probleme zwischen Sowjetzone u n d Bundesrepublik, Recht in Ost u n d West 1957 3 ; Rosenthal Zur Anwendbarkeit von Strafnormen der Bundesrepublik auf in der SBZ begangenen Taten, Recht in Ost u n d West 1959 14; Ruhrmann Die Behandlung innerdeutscher (interlokaler) Kollisionsfälle auf dem Gebiet des Staatsschutzrechts, ZStW 72 (1960) 124; Rumpf Land ohne Souveränität, Reihe „Recht-Justiz-Zeitgeschehen" Bd. 5, 1969; Rumpf Inland und Ausland als Rechtsbegriffe für Deutschland, Der Staat 1970 289; Kump/Deutschlands Rechtslage seit 1973, Zeitschrift für Politik 1975 111 ; Sax Zur Frage der Notwehr bei Widerstandsleistung gegen Akte sowjetzonaler Strafjustiz, J Z 1959 385 ; F. C. Schroeder Schranken für den räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts, N J W 1969 81 ; F. C. Schroeder Oer „räumliche Geltungsbereich" der Strafgesetze, G A 1968 353; F. C. Schroeder Zur Strafbarkeit der Fluchthilfe, J Z 1974 113; F. C. Schroeder Die Strafrechts- u n d Strafprozeßreform der D D R von 1974/75, N J W 1977 169; D. Schultz Zum räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts im geteilten Deutschland, J R 1968 41, 127; Sfotter Die Rechts- u n d Amtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zur sowjetisch besetzten Zone, 1960; Tröndle Straßenverkehrsgefährdung auf Transitstraßen nach Berlin (West) straflos? J R 1977 1; Wachler Das neue Staatsbürgerrecht der D D R , J Z 1968 776; Wengler Deutschland als Rechtsbegriff, Festschrift für Nawiasky (1956) 46; Wengler Juristische Luftbrücke von Karlsruhe nach Westberlin, J Z 1974 528; Woesner Deutsch-deutsche Strafrechtskonflikte, Z R P 1976 248; Zieger Das Staatsbürgerschaftsrecht der D D R , 1969. Weitere Schrifttumsnachweise

vor Rdn. 1.

1. N a c h d e m V e r t r a g ü b e r d i e G r u n d l a g e n d e r B e z i e h u n g e n z w i s c h e n d e r B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d u n d d e r D D R (Grundlagenvertrag) v o m 21. 12. 1972 ( B G B l . 1973 I I S. 4 2 3 ) — a u c h in s e i n e r v e r b i n d l i c h e n A u s l e g u n g d u r c h d a s G r u n d l a g e n v e r t r a g s u r t e i l d e s B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t s ( B V e r f G E 3 6 1) — ist a n e r k a n n t , d a ß die D D R „im S i n n e des Völkerrechts ein Staat u n d als solcher Völkerrechtssubj e k t i s t " 3 7 , d a ß „ d i e H o h e i t s g e w a l t j e d e s d e r b e i d e n d e u t s c h e n S t a a t e n sich a u f s e i n Staatsgebiet b e s c h r ä n k t " u n d d a ß „sie die U n a b h ä n g i g k e i t u n d Selbständigkeit jed e s d e r b e i d e n S t a a t e n in s e i n e n i n n e r e n u n d ä u ß e r e n A n g e l e g e n h e i t e n r e s p e k t i e r e n " ( A r t . 6 d e s G r u n d l a g e n v e r t r a g e s ) 3 8 . D i e D D R s e l b s t b e g r e i f t s i c h als „ s o z i a l i s t i s c h e r S t a a t d e u t s c h e r N a t i o n " 39. s i e h a t e i n e i g e n e s S t G B , d a s seit 1. 7. 1968 i n K r a f t i s t 4 0 u n d sich i m R e c h t s g ü t e r s c h u t z u n d i m S t r a f e n s y s t e m t i e f g r e i f e n d v o m S t G B d e r B u n d e s r e p u b l i k u n t e r s c h e i d e t u n d u n t e r s c h e i d e n will. E s f e h l t s o n a c h a n einer grundsätzlichen Voraussetzung d a f ü r , zwischen der Bundesrepublik u n d der D D R i n t e r l o k a l e s S t r a f r e c h t a n z u w e n d e n . D e n n d i e s e N o r m e n k o m m e n n u r in Bet r a c h t , w e n n in T e i l g e b i e t e n eines S t a a t e s m i t e i n e r einheitlichen Strafgewalt vers c h i e d e n e s ( p a r t i k u l ä r e s ) S t r a f r e c h t gilt ( R d n . 86). D a ß h i e r v o n seit l a n g e m k e i n e R e d e sein k a n n , h a t i n z w i s c h e n d e r G r u n d l a g e n v e r t r a g v o m 21. 12. 1972 d e i u r e b e 37

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Demzufolge genießt die Ständige Vertretung der D D R bei der Bundesrepublik auch alle Vorrechte fremder diplomatischer Vertretungen (oben Rdn. 71). BVerfGE 36 22, 26 = N J W 1973 1542 f. Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der D D R vom 7. 10. 1974 ( D D R GB1.1 S. 425). DDR-GB1.1 S. 1 ; hierzu Maurach N J W 1968 913, 1068; Woesner N J W 1969 257.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

stätigt. Die zuvor ergangene — umstrittene — Rechtsprechung 41 , die im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR das interlokale Strafrecht, also das Tatortrecht mit der Korrektur des ordre public 4 2 (oben Rdn. 89) angewendet hat, ist inzwischen überholt 423 . Das gilt insbesondere für die immer wieder zitierte Entscheidung BGHSt.7 53 43 , wonach die entsprechende Anwendung der §§3 ff (a. F.) auf Taten in der SBZ mit dem Hinweis abgelehnt wurde, daß damit „eine Entscheidung von erheblicher staatspolitischer Tragweite verbunden" wäre, „zu der die Gerichte nicht berufen sind, die vielmehr der Entschließung des Gesetzgebers vorbehalten bleiben" müsse. Abgesehen davon, daß Strafrechtsanwendungsfragen strafrechtsbezogen zu beantworten sind und insoweit keine staatspolitische Aussagekraft haben 4 4 , liegt durch den Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 (BGBl. 1973 II S. 423) inzwischen eine Stellungnahme des Gesetzgebers vor. Zudem hat die Rechtsprechung auch früher den Grundsatz der Anwendung des interlokalen Strafrechts, insbesondere bei Staatsschutzdelikten 45 nicht aufrechterhalten können. Auch die Krücke des ordre public, mit der Maurachdas Tatortrecht rechtsstaatlich zurechtrücken und ein innerdeutsches Recht anwenden wollte, das „auf halbem Wege zwischen interlokalen und internationalen Strafrechtsgrundsätzen" stehe, versagte zusehends, je stärker das Recht der Bundesrepublik und das der DDR sich auseinanderentwickelte. Denn der Vorbehalt des ordre public schafft Rechtsunsicherheit und läßt nur noch ein schwer faßbares Recht übrig 4 7 , das in dieser Form nirgends, weder in der Bundesrepublik noch in der DDR, gilt4**. Insbesondere können DDR-Bürger auf diese Weise einem doppelten (möglicherweise gegenläufigen) Gehorsamsanspruch ausgesetzt werden 4 9 . Nach allem sind die ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des interlokalen Strafrechts im Verhältnis der Bundesrepublik zur D D R nicht anwendbar. 96

a) Für das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR sind vielmehr die Regeln des internationalen Strafrechts (§§ 3 ff) maßgebend. Das „interzonale" Strafrecht entspricht somit völlig dem internationalen Strafrecht (so Schmidhäuser AT 5/87). Schon vor dem Grundlagenvertrag hat sich eine herrschende Meinung — mit mancherlei Abwandlungen — herausgebildet, die für eine 41

Hierzu Vorauf! Rdn. 75 insbesondere zu BGHSt. 7 53, BGH NJW 1952 1146, 1960 395, GA 1955 178, 1961 24; ferner Heinitz Festschrift für Eb. Schmidt S. 273; von Weber JZ 1954 578; a. A. (stets für die lex fori eintretend) OGHSt. 2 339 f auch (eingehend) D. Schultz JR 1968 41, 132. 42 Im Anschluß an Art. 30 EGBGB; vgl. zum Problem der Beachtung des ordre public im Strafrecht: D. Schultz JR 1968 45; Roggemann NJW 1974 1842. 42a Α. Α., aber mit wenig überzeugenden Gründen: HeimeshoffORiZ 1977 22. 43 Der Fall betraf u. a. das Nachmachen und Inverkehrbringen von sowjetzonalen Lebensmittelkarten in Leipzig zwischen 1946 und 1950. Der BGH hielt das Tatortrecht (die damals noch geltende KWVO sowie die sowjetzonale Wirtschaftsstrafverordnung) auch durch Gerichte der Bundesrepublik für anwendbar. 44 Voraufl. Rdn. 83 m. weit. Nachw.; Woesner ZRP 1976 249. a. A. wohl D. Schultz JR 1968 131, der daher generell für die Anwendung der lex fori eintritt. 45 Voraufl. Rdn. 75. 46 AT (1971) § 11 II Ca. 47 Doehring Der Staat 1965 276; Kabel Diss. S. 66; Woesner ZRP 1976 248. 48 Ähnlich schon Voraufl. Rdn. 82; Oehler Internationales Strafrecht S. 146, 280; hierzu ferner D. Schultz JR 1968 45. 49 Roggemann Strafrechtsanwendung S. 54 f m. weit. Nachw., ferner ZRP 1976 244; krit. hierzu F. C. Schroeder NJW 1969 84. (132)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

entsprechende Anwendung der Regeln des internationalen Strafrechts im Verhältnis zur DDR eingetreten ist 50 . Außer einem Urteil des LG Berlin vom 20. 7. 1974 (JZ 1976 98) 51 und einem — nicht veröffentlichten — Vorlagebeschluß nach § 121 Abs. 2 GVG des KG vom 2. 10. 1975—(2) Ss 126/75 (21/75) - die von der analogen Anwendung der §§ 3 ff ausgehen, liegen weitere Entscheidungen nicht vor. In beiden Fällen hielt sich der nach § 121 Abs. 1 GVG angerufene Bundesgerichtshof nämlich einer Sachentscheidung zum „interzonalen" Strafrecht für enthoben und hat die Vorlegungsvoraussetzungen für nicht gegeben erachtet, weil im einen Falle die Tat im Grenzbereich zwischen West- und Ostberlin begangen und aus diesem Grunde, da keine ausschließliche DDR-Tat vorliege, unter den zwei Tatortrechten das strengere (der Bundesrepublik) maßgebend sei (BGH NJW 1975 1611, hierzu unten Rdn. 101) und weil im anderen Falle sich am Sachergebnis (keine Verfolgung wegen einer in der DDR begangenen Ordnungswidrigkeit in der Bundesrepublik, vgl. § 7 Rdn. 4, 4 a) nichts ändere, gleichgültig, ob man das interlokale oder das internationale Strafrecht (entsprechend) anwende (BGHSt. 27 6, vgl. hierzu unten Rdn. 102). b) Seit Abschluß des Grundlagenvertrags wird im übrigen zunehmend auch die 97 Auffassung vertreten, daß im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR die §§ 3ff unmittelbar anzuwenden sind 52 . Dem ist nunmehr zuzustimmen. Zwar ändert es am Ergebnis nichts, ob die §§ 3 ff unmittelbare oder nur analoge Anwendung finden. Für den Umweg der Gesetzesanalogie — deren Zulässigkeitsvoraussetzungen auch im übrigen zu beachten wären (oben § 1 Rdn. 38 ff) — ist aber nur dann Raum, wenn der zu subsumierende Sachverhalt dem vom Gesetz vorausgesetzten nicht entspricht, sondern ihm lediglich in dem Sinne „ähnlich" ist, daß sich eine entsprechende Gesetzesanwendung anbietet. So liegt es hier aber nicht: Die §§ 3 ff regeln, wann ein Sachverhalt, bei dem Tatort, Täter oder Tatopfer Bezüge zu einer anderen (selbstständigen und souveränen) Rechtsordnung aufweist, der innerstaatlichen Strafgewalt unterliegt (oben Rdn. 1). Diese Bestimmungen (§§ 3 ff) sind im Verhältnis zur DDR aber unmittelbar gefragt, da die staatliche Selbständigkeit und Souveränität der DDR anerkannt ist (oben Rdn. 95), die Bundesrepublik und die DDR als „zwei geschlossene Gerichtsgewalten" 53 einander gegenübertreten und zwischen beiden Rechtsordnungen grundlegende Unterschiede bestehen, die — realitätsgerecht besehen — tiefgreifender sind als zu manchen Staaten 50

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Sch.-Schröder (seit 14. Aufl.) Rdn. 25, Voraufl. Rdn. 83; Lackner-Maassen 7. Aufl. vor § 3 Anm. 5b; Dreher (schon früher) §3 Rdn. 11; Mezger-Blei AT §12 IV 3; Jescheck AT § 20 II 2; GallasZStW 80 (1968) 15; Welzel§ 6 III 2; Endemann NJW 1966 2386; Doehring Der Staat 1965 274 ff; Herrmann Anwendbarkeit S. 75 ff; Böckenförde Epirrhosis S. 94 ff; Krey Strafrechtanwendungsrecht S. 122ff; Bruhn MDR 1970 640; Stratenwerth AT Rdn. 99. Nach dem Grundlagenvertrag: Bockelmann AT § 5 IV; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 11 D ; Preisendanz § 3 Anm. 3 a (jeweils „zumindest analog") ; Samson SK § 3 Rdn. 18 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 280; G. Schultz MDR 1977 286. Die Vorlegung in dieser Sache hat der BGH nicht angenommen (NJW 1975 1610), die nachfolgende Entscheidung des KG ist in JZ 1976 99 abgedruckt, hiergegen F. C. Schroeder JZ 1976 100 und NJW 1976 490, ferner Schultz MDR 1976 636; für entsprechende Anwendung der §§ 3 ff inzwischen KG JR 1977 344 und jüngst BGH v. 9. 9. 1977 - 4 StR 230/77. Lackner (seit 8. Aufl.) §3 Anm.3b; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 51 ; Krey Strafrechtsanwendungsrecht S. 99 ff; Roggemann ROW 1974 197, ZRP 1976 244 und Strafrechtsanwendung S. 56, 106; Blei AT § 12 III 1 a; Tröndle JR 1977 3 und wohl auch Baumann AT § 6 II 4. Hierin sehen Mettgenberg-Doerner Deutsches Auslieferungsgesetz, 2. Aufl. 1953 Einl. S. 126 das Kennzeichen zwischenstaatlicher gegenüber innerstaatlicher Rechtshilfe.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

des westlichen Auslandes 533 . Die Normen der §§ 3 ff sind daher (auch) für das Verhältnis zur DDR sedes materiae. Zwar dekretiert das Grundlagenvertragsurteil des Bundesverfassungsgerichts 54 , „daß die DDR auch . . . nach dem Inkrafttreten des Vertrages für die Bundesrepublik Deutschland nicht Ausland geworden ist". Stünde dies der Anwendung der §§ 3 ff entgegen, so verböte sich auch deren entsprechende Anwendung. Jenes für alle Gerichte und Behörden verbindliche dictum ist indessen staats- und verfassungsrechtlich zu begreifen und hat vornehmlich die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte aus Art. 116 GG (Rdn. 67), die durch die hier vertretene Gesetzesauslegung keineswegs beeinträchtigt wird, im Auge. Es enthält keine Beschränkung für die Auslegung des strafrechtlichen Begriffs des „Inlands" und könnte diese Kraft auch schwerlich haben, da die Strafrechtsanwendung sich stets an der Wirklichkeit orientiert und nicht an — auch nicht rechtspolitischen — Postulaten ( Tröndle JR 1977 3). Der Gesetzgeber hat im übrigen die Entscheidung darüber, wie im Hinblick auf die DDR der Inlandsbegriff auszulegen sei, ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen 55 . Von der Sache her ist die Anwendung der §§ 3 ff unabweisbar, und es ist nicht anzunehmen, daß das Bundesverfassungsgericht auf eine Strafrechtsauslegung hinwirken will, die das — offensichtlich unpassende und auch durch den ordre public nicht richtig korrigierbare(Rdn.95)— Tatortrecht der DDR anwendet oder gegenüber DDR-Bürgern die lex fori, ohne die rechtsstaatlichen Kautelen der §§ 3 ff zu gewähren. Der strafrechtliche Begriff des Auslandes schließt somit die DDR mit ein 56 (oben Rdn. 60). Das folgt schon aus dem „funktionalen Inlandsbegriff" (Rdn. 46), wie er hier vertreten wird. Daß mit diesem strafrechtlichen Sprachgebrauch irgendeine staatsrechtliche Aussage verbunden wäre, kann um so weniger angenommen werden, als schon im Kaiserreich und während der Weimarer Republik die Rechtsgrundsätze des internationalen Strafrechts auch zwischen den deutschen Ländern maßgebend waren 57 . 98

2. Die (unmittelbare) Anwendung der §§ 3 ff auf Taten, die in der DDR begangen wurden, bedeutet, daß sie in der Bundesrepublik nur dann abgeurteilt werden können, wenn eine identische Norm besteht (§ 7), die Tat also auch in der DDR mit Strafe bedroht ist (Rdn. 8, 20), es sei denn, daß Taten vorliegen, wie sie in §§ 5, 6 aufgezählt sind und die eine Strafbarkeit am Tatort nicht voraussetzen. Zu prüfen ist ferner, daß der betreffende Straftatbestand sich nicht auf den Schutz inländischer Rechtsgüter^ beschränkt (Rdn. 21 ff). Verkehrsstraftaten auf Transitstraßen durch die DDR sind also stets dann auch in der Bundesrepublik aburteilbar, wenn sie Individualrechtsgüter verletzt oder gefährdet haben (oben Rdn. 38, vgl. jedoch BGHSt. 27 5 und unten Rdn. 102). Bei Taten im weiteren Grenzbereich und bei Distanzdelikten (§ 9 Rdn. 5) ist jedoch zunächst zu prüfen, ob die Tat nicht (auch) nach § 9 im Inland begangen ist. Die weite Tatortdefinition des § 9 dehnt aufgrund des Ubiquitätsprinzips (unten § 9 Rdn. 2) die inländische Strafgewalt insbesondere 53a

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Was freilich nicht ausschließt, daß im materiellen Strafrecht verschiedentlich auch überraschende Übereinstimmungen festzustellen sind (Martin JR 1977 221). BVerfGE 36 1, 30 f = NJW 1973 1544, auch BVerfGE 37 64 ff = NJW 1974 894. Hierzu krit. Wengler JZ 1974 529. BT-Drucks. V/4095 S. 4, siehe hierzu Fußn. 2 zu § 3 E 1962. So im Ergebnis auch Stratenwerth AT Rdn. 99; Schmidhäuser AT 5/70; fViedenbrüg NJW 1973 305; Woesner ZRP 1976 249, vgl. auch die oben unter Fußn. 29 bei Rdn. 46 genannten; a. A. HeimeshoffORiΖ 1977 22. RGSt. 50 20; Jescheck AT § 20 III 2; Herrmann Anwendbarkeit S. 27. (134)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

dadurch nicht unerheblich aus, daß auch jeder Erfolgsort Begehungsort ist und die Rechtsprechung diese Vorschrift (§ 9 Rdn. 4) extensiv deutet. So hat der BGH (NJW 1975 1610)58 die Beschädigung eines Ostberliner Warnschildes, die vom Westberliner Gebiet aus begonnen und in Gang gesetzt, aber erst unter Überschreitung der Demarkationslinie vollendet wurde, als eine (auch) in Berlin (West) begangene Tat angesehen und als (gegenüber §§ 163, 183 StGB-DDR) „strengstes Gesetz" (vgl. oben Rdn. 92) den § 304 angewendet. Dies entsprach zwar unter Beachtung der Grundsätze des interlokalen Strafrechts der herrschenden Rechtsprechung (Rdn. 92). In Wahrheit kam es aber nicht auf das „strengste Gesetz" im Sinne des interlokalen Strafrechts an 5 9 , vielmehr war — da auch ein inländischer Tatort gegeben war und im Verhältnis zur DDR im übrigen die Vorschriften des internationalen Strafrechts maßgebend waren (Rdn. 96) — stets und nur das inländische Gesetz anzuwenden. Die Tatortfrage gewinnt auch in den umstrittenen und problematischen Fällen des Schußwaffengebrauchs an der Grenze der Bundesrepublik zur DDR vorgreifliche Bedeutung. Soweit nach den allgemeinen Vorschriften (§ 9) auch das Gebiet der Bundesrepublik als Tatort in Betracht kommt, kommt es nur auf die Strafnormen der Bundesrepublik an. Es entspricht alter Rechtsprechung (vgl. RGSt. 11 22), daß derjenige, der vom Ausland ins Inland schießt und den Gegner schwer verletzt, die Tat auch im Inland begangen hat, wenn dort erst der Tod des Opfers eintritt 60 . Die Frage nach Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen bestimmt sich dann allein nach inländischem Recht, freilich kann es bei der Frage des „Erfolgsorts" immer nur auf einen tatbestandsmäßigen Erfolg ankommen (§ 9 Rdn. 4). Tritt in diesem Sinne ein Erfolg auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik nicht ein und liegt somit der Tatort (allein) in der DDR, so hängt die Anwendbarkeit des Strafrechts der Bundesrepublik davon ab, ob die Regeln des internationalen Strafrechts hierfür einen Anknüpfungspunkt bereithalten, was regelmäßig (§ 7) das Vorliegen einer identischen Norm (Rdn. 8, 20) voraussetzt 61 . Die Frage nach der identischen Norm („wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist", § 7) wird freilich nicht einheitlich beantwortet. Sie liefert schwierige Auslegungsprobleme im Grundsätzlichen (§ 7 Rdn. 4) wie im konkreten Fall, insbesondere bei Straftaten auf dem Gebiet der DDR. In folgenden Fällen ist die Frage der Anwendbarkeit des Strafrechts der Bundesrepublik auf Straftaten, die in der DDR begangen wurden, praktisch geworden (zum ganzen Roggemann und Woesner ZRP 1976 243, 248): a) Ein Grenzsoldat der DDR hatte im Jahre 1962 einen „Republikflüchtling" 99 400 m vor der Zonengrenze durch Zielschuß auf Befehl niedergeschossen (Fall Hanke). Das LG Stuttgart (NJW 1964 64), das der damals herrschenden Rechtsprechung folgend nach interlokalem Strafrecht verfuhr, ließ die (formell gültigen) sowjetzonalen Schußwaffenbestimmungen bei der strafrechtlichen Beurteilung als dem ordre public widersprechend unberücksichtigt und versagte ihnen rechtfertigende Kraft. Wendet man, wie nunmehr geboten (Rdn. 96, 97), die Grundsätze des internationalen Strafrechts an, so taucht bei der Prüfung der identischen Norm, an der es bei Tötungs- und Körperverletzungsdelikten grundsätzlich nie fehlen wird,

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Krit. hiergegen F. C. Schroeder NJW 1976 490; vgl. auch Blei JA 1975 659; Schultz M D R 1976 636. Immer vorausgesetzt, daß der § 304 überhaupt erfüllt war (hiergegen nachdrücklich — auch schon gegenüber den vorinstanzlichen Urteilen — F. C. Schroeder JZ 1976 98, 100). Dreher § 9 Rdn. 3. So bereits für das alte Recht (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 a. F.) Jescheck AT § 20 III.

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Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

die weitere Frage auf, ob dem Täter auch Erlaubnissätze des ius loci, insbesondere der Rechtfertigungsgrund des erlaubten oder gebotenen Schußwaffengebrauchs, zugutezuhalten sind. Roggemann ( Z R P 1976 246 f) bejaht dies 6 2 letztlich mit dem Hinweis, daß ein solcher Täter im Schutzbereich des Grundgesetzes nicht schlechter gestellt werden dürfe als im Rechtsbereich der D D R . Hieran ist soviel richtig, daß tunlichst Rechtskonflikte, die durch die Unterschiede voneinander abweichender Rechtsordnungen entstanden sind, grundsätzlich nicht zu Lasten der Rechtsunterworfenen (vgl. oben Rdn. 95) gelöst werden sollten. Daher kann man (früheren) DDR-Bürgern die Vergünstigungen, die Erlaubnissätze der D D R bieten, nicht schon deswegen generell versagen, weil sie den rechtsstaatlichen Vorstellungen der Rechtsordnung der Bundesrepublik nicht in vollkommener Weise entsprechen. Allerdings: Die Berücksichtigung von Erlaubnissätzen des Tatortrechts m u ß dort ihre Grenze finden, wo sie ihrerseits „einen gewissen Kernbereich des Rechts, der nach der Rechtsüberzeugung von keinem Gesetz und keiner anderen obrigkeitlichen M a ß n a h m e verletzt werden d a r f ' (BGHSt. 2 237), mißachten. In einem solchen Falle kann ein Gericht der Bundesrepublik den Rechtskonflikt, in den ein D D R Bürger geraten ist, nicht zu dessen Gunsten unter Preisgabe von Grundwerten des Rechts u n d der Gerechtigkeit lösen. So k a n n etwa ein Befehl, der das Schießen auf Menschen bereits d a n n „erlaubt", wenn ihnen nur vorgeworfen werden kann, d a ß sie ihr Land verlassen wollen, von einem Gericht der Bundesrepublik niemals als rechtens anerkannt werden 6 3 . Das widerspräche auch Art. 12 Abs. 2 des U N O Pakts über bürgerliche u n d politische Rechte vom 16. 12. 1966 (BGBl. 1973 II S. 1534), wo es heißt, daß es j e d e r m a n n freistehe, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen. Dieser Pakt ist seit dem 23.3. 1976 in K r a f t ; die D D R hatte ihre Beitrittsurkunde bereits am 8. 11. 1973 hinterlegt ( Woesner Z R P 1976 250). Freilich bedarf es in einem solchen Fall eingehender Prüfung, ob der Täter die tatsächlichen Umstände und Gegebenheiten erkannt hat, aus denen sich die Nichtanerkennung des Erlaubnissatzes rechtfertigt. Es kann in Betracht kommen, daß andere, nach dem Recht der Bundesrepublik beachtliche Rechtfertigungsgründe (ζ. B. § 34) eingreifen oder der Täter durch Pflichtenkollision oder Befehlsnotstand entschuldigt ist. 100

b) Ein Soldat der „Nationalen Volksarmee", der wegen krimineller Delikte in der D D R gesucht u n d verfolgt wurde, schoß sich mit einer Maschinenpistole den Grenzübertritt frei u n d tötete hierbei zwei DDR-Grenzsoldaten (Fall Weinhold). In Fällen dieser Art findet das Recht der Bundesrepublik nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 (vgl. § 7 Rdn. 13, 15) 64 oder, falls dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 7 Abs. 2 Nr. 2 (vgl. § 7 Rdn. 9) Anwendung. Eine identische N o r m liegt in diesem Falle auch insofern vor, als Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nach dem Recht der D D R offensichtlich nicht gegeben sind (vgl. hierzu § 7 Rdn. 5). Freilich taucht — im umgekehrten Sinne des Falles a (Rdn. 99) — bei der Anwendung des Rechts der 62 63

64

Ebenso bisher schon Grünwald JZ 1966 633. Im Ergebnis ebenso Jescheck AT § 20 III; Dreher § 3 Rdn. 11 ; Maurach AT (4. Aufl.) § 11 II C b; Schmidhäuser AT § 5/87; Welzel § 6 III 2; Oehler Internationales Strafrecht S. 280, vgl. auch S. 145, 456; Rosenthal ROW 1967 7, vgl. hierzu F. C. Schroeder JZ 1974 116f; Schultz M DR 1976 636; ferner E 1962 Begr. S. 113; a. A. wenn auch mit unterschiedlicher Begründung: Grünwald JZ 1966 633; Dichgans NJW 1966 2255, gegen diese wiederum Niewerth NJW 1967 768; ferner neuerdings Roggemann ZRP 1976 247 gegen ihn Woesner ZRP 1976 250. Vgl. Roggemann ZRP 1976 246; Woesner ZRP 1976 249; G. Schultz MDR 1977 285; so BGH im Weinhold-Urteil v. 9. 9. 1977 - 4 StR 230/77. (136)

Internationales Strafrecht (Tröndle)

Vor § 3

Bundesrepublik die allgemeine Frage auf, ob dem einzelnen DDR-Bürger nicht gegenüber dem grundsätzlichen und durch Minenfelder und Selbstschußanlagen gesicherten Ausreiseverbot Notrechte zustehen. Dem ist jedoch nicht so 6 4 a . Auch ein Staatswesen, das die Rechte des freien Bürgers seinen Gewaltunterworfenen versagt und sie rigoros an der Ausreise hindert, verletzt damit nicht schon in dem Sinne jenen Kernbereich des Rechts, daß sich „Republikflüchtige" dem gewaltsam und um den Preis der körperlichen Integrität und des Lebens der Grenzsoldaten widerstzen dürften (vgl. Roggemann Z R P 1976 247). Insbesondere stehen einem fahnenflüchtigen, bewaffneten DDR-Soldaten, der erheblicher krimineller Taten verdächtigt ist, gegenüber einem Grenzposten der D D R keine Notwehrrechte zu (OLG Hamm JZ 1976 611). Die Frage nach Entschuldigungs- (§35) oder Strafmilderungsgründen richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen 6 5 . c) Ein Bundesbürger demontiert von westlicher Seite aus aber auf dem Gebiet 101 der D D R Selbstschußanlagen und andere Grenzeinrichtungen („Fall Gartenschläger"). Hier taucht die Frage auf, ob das über § 7 Abs. 2 Nr. 1 anwendbare Strafrecht der Bundesrepublik für diesen Fall überhaupt eine Schutznorm zur Verfügung stellt. Das ist — wenn man von dem möglicherweise einschlägigen Verbot des ungenehmigten Verbringens von Kriegswaffen in das Bundesgebiet (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 KriegswaffenG) 6 5 3 absieht — nicht der Fall 6 6 . Zwar schützen die Strafnormen der Bundesrepublik grundsätzlich auch die Vermögens- und Eigentumsinteressen anderer Staaten (vgl. Rdn. 24, 37), das kann aber dort nicht gelten, wo im Grunde nicht der Schutz des Eigentums, sondern in erster Linie der Staatsschutz eines anderen Staates in Frage steht, den die inländischen Schutznormen nie umgreifen wollen und auch nicht können (Rdn. 25). Die §§ 242, 303, 304 erstrecken daher ihren Schutzbereich nicht auf militärische oder Grenzschutzanlagen anderer Staaten, insbesondere auch nicht auf die der D D R , die gegen die Bundesrepublik gerichtet sind. Fremde militärische Anlagen werden vom Recht der Bundesrepublik nur insoweit geschützt als dies — wie etwa unter NATO-Staaten — ausdrücklich vereinbart ist. Grenzübergangswarnschilder zwischen Berlin (Ost) und Berlin (West) („Sie betreten die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik") unterstellen das LG Berlin und das K G (JZ 1976 98) und wohl auch der BGH (NJW 1975 1611) allerdings der Schutznorm des § 304 67 . d) Ein Bundesbürger beging auf der Transitstraße von Helmstedt nach Berlin 102 (West) auf dem Gebiet der D D R eine Straßenverkehrsgefährdung. Er überholte über Kilometer hinweg eine langsam fahrende (20 bis 30 k m / h ) Fahrzeugkolonne und zwängte sich ohne Verständigung in eine Lücke von etwas mehr als einer Fahrzeuglänge hinein. Durch Auffahren nachfolgender Fahrzeuge entstanden Sachschäden von über 4000 DM. BGHSt. 27 5 hält in diesem Fall eine Verurteilung nach § 7 648

a. A. Heimeshoff DRiZ 1977 22. So auch Roggemann Z R P 1976 248, im Ergebnis wohl auch Woesner ZRP 1976 250; vgl. ferner G. Schultz M D R 1977 286. 65a v. 20. 4. 1961 (BGBl. I S. 444) zuletzt geändert durch Art. 35 EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). 66 Im Ergebnis a. A. Roggemann ZRP 1976 248; im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, wie hier: Woesner Z R P 1976 250. 663 So auch Heimeshoff DRiZ 1977 22. 67 Hiergegen nachdrücklich F. C. Schroeder NJW 1976 490 und JZ 1976 100, ebenso Schultz MDR 1976 636. 65

(137)

Vor § 3

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Abs. 2 Nr. 1, § 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 nicht für möglich, da eine solche Tat in der DDR nicht „mit Strafe bedroht" sei, sondern lediglich nach § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 5 c, § 47 StVO-DDR 68 mit „Ordnungsstrafmaßnahmen" geahndet werde. Gegen diese Rechtsauffassung und gegen das Ergebnis der Entscheidung bestehen erhebliche Bedenken. Nach bisheriger Rechtsprechung (BGHSt. 2 161, 8 356) genügte es für den Begriff der Strafbedrohtheit am Tatort (identische Norm), daß das Tatortrecht überhaupt eine Sanktion vorsieht und das Verhalten generell mißbilligt (hierzu im einzelnen § 7 Rdn. 4, 4 a). Auch das Ergebnis ist reichlich unbefriedigend, weil die Entscheidung BGHSt. 27 5 gerade den Bundesbürgern, die vornehmlich auf den Transitstraßen zwischen der Bundesrepublik und Berlin (West) verkehren, den strafrechtlichen Schutz vor unfallträchtigen konkreten Straßenverkehrsgefährdungen nimmt (Tröndle JR 1977 Iff). 3. Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen Schrifttum

103

Heimeshoff Aktuelle innerdeutsche Strafrechtsprobleme, DRiZ 1977 20; Polzin Das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen in der Praxis JR 1954 448; Roggemann Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Bundesrepublik und DDR, NJW 1974 1841; Roggemann Strafrechtsanwendung und Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten, 1975 (zitiert: Strafrechtsanwendung); Stötter Die Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zur sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, 1960; Wengler Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Vollstreckung von Strafurteilen nach dem Rechtshilfegesetz, JZ 1961 3 ; Wengler Juristische Luftbrücken von Karlsruhe nach Westberlin, JZ 1974 528.

Der Anwendung des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 2. 5. 195369, steht die hier vertretene Auffassung nicht entgegen 70 . Freilich ist dessen Anwendung im strafrechtlichen Bereich schon aus anderen Gründen außerordentlich schwierig, da die Bundesrepublik und die DDR „zwei voneinander unabhängige Staaten" sind, „die gegensätzlichen politischen und wirtschaftlichen Systemen angehören" (so Denkschrift zum Grundlagenvertrag) 71 und das Bundesverfassungsgericht im Brückmann-Beschluß strenge Anforderungen an diese innerdeutsche Rechtshilfe gestellt hat (BVerfGE 37 64) 72 . Daß die Bundesrepublik und die DDR im Zusatzprotokoll zum Grundlagenvertrag unter Art. 7 Nr. 4 „ihre Bereitschaft" vereinbart haben, „den Rechtsverkehr, insbesondere in den Bereich des Zivil- und Strafrechts, vertraglich so einfach und zweckmäßig wie möglich zu regeln", scheint am ganzen wenig zu ändern. 104

IX. Die Vorschriften der §§ 3 bis 7 haben — ebenso wie die übrigen Vorschriften des Allgemeinen Teils (Art. 1 Abs. 2 EGStGB) — auch für das Landesrecht Bedeu68 69 70

71 72

v. 20. 5. 1971 (DDR-GB1. Nr. 51 S. 418). BGBl. I S. 161, letztes ÄndG vom 18. 10. 1974 (BGBl. I S. 2445). Hierzu im ganzen Roggemann Strafrechtsanwendung S. 57 ff ; Schäfer LR Anm. vor § 1 des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe. v. 22. 12. 1972 (BR-Drucks. 640/72, abgedruckt bei Sartorius, Europa-Recht unter 500 a). = NJW 1974 894, hierzu Roggemann NJW 1974 1841 und Strafrechtsanwendung S. 68, 108; Wengler JZ 1974 528; Heimeshoff DRiZ 1977 20; G. Schultz MDR 1977 285: „praktisch unanwendbar geworden"; vgl. auch Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 I I D 2; OLG Braunschweig Ws 16/77 v. 24. 2. 1977; OLG Nürnberg NJW 1977 65; ferner Oehler Internationales Strafrecht S. 280. Vgl. aber OLG Karlsruhe NJW 1976 2085. (138)

Geltung für Inlandsdaten (Tröndle)

§

3

tung. Art. 2 Nr. 1 EGStGB enthält indessen einen landesrechtlichen Vorbehalt: Das Landesrecht kann nämlich bei seinen Straftatbeständen etwas von der Regelung der §§ 3 bis 7 Abweichendes bestimmen. Dies kann insbesondere bei Staatsverträgen in Betracht kommen 73 .

§3 Geltung für Inlandstaten Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden. Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7.

Entstehungsgeschichte § 3 entspricht in der Sache vollständig, wenn auch im Wortlaut vereinfacht, dem ursprünglichen § 3 RStGB, der durch die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) mit der Einführung des Personalitätsprinzips grundlegend neu gestaltet und dessen Absatz 2 durch das 3. StRÄndG vom 4. 8. 1953 (BGBl. I S. 735) geändert wurde. Mit dem 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717), in Kraft seit dem 1. 1. 1975, erhielt die Vorschrift unter Rückkehr zum Territorialitätsprinzip ihre geltende Fassung. 1. Die Vorschrift stellt den Gebietsgrundsatz (Territorialitätsprinzip, vor § 3 1 Rdn. 4) an die Spitze der Vorschriften über das sog. internationale Strafrecht (vor § 3 Rdn. 1 ff). Hiermit wird verdeutlicht, daß sich der Gesetzgeber vom Personalgrundsatz abgewandt hat, der zwischen 1940 und 1974 maßgebend war (vor § 3 Rdn. 18). Für sich betrachtet bringt indessen die Vorschrift gegenüber dem bisherigen Recht keine Änderung: Auch das bisher in Geltung gewesene Personalitätsprinzip wurde bei Inlandstaten durch das Territorialitätsprinzip ergänzt: Das deutsche Strafrecht galt immer schon für Inlandstaten, gleichgültig, ob sie ein Inländer oder ein Ausländer begangen hat, da es selbstverständlich erscheint, daß sich die innerstaatliche Rechtsordnung gegenüber jedermann durchsetzt. Die Bedeutung des Grundsatzes des § 3 liegt mehr in seiner Kehrseite: daß nämlich für Taten, die nicht im Inland begangen werden, die deutschen Strafnormen nicht ohne weiteres angewendet werden können und der Gesetzgeber seine Strafgewalt grundsätzlich auf Taten beschränkt, die auf dem eigenen Staatsgebiet begangen werden. Freilich erfährt dieser Gebietsgrundsatz im geltenden Recht in den §§ 4 bis 7 eine Reihe bedeutsamer Erweiterungen, Ergänzungen und Durchbrechungen. Sie gehen zum Teil vergleichsweise weit (vor § 3 Rdn. 19), folgen aber international anerkannten Anknüpfungsprinzipien (vor § 3 Rdn. 3), da allein auf dem Boden des Territorialitätsprinzips nicht alle schutzwürdigen Interessen des eigenen Staates, der eigenen Staatsbürger und der international gebotenen solidarischen Verbrechensbekämpfung erfüllt werden können. 73

BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 198.

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§4

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

2

2. Das deutsche Strafrecht im Sinne dieser Vorschrift umfaßt die Gesamtheit aller Normen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder, durch die rechtswidrige Taten (§ 11 Abs. 1 Nr. 5) tatbestandlich umschrieben sind und deren Rechtsfolgen geregelt werden. Hierzu gehören auch die Gesamtheit der Rechtfertigungs-, Schuldund Strafausschließungsgründe, sowie die Verfahrenshindernisse. Soweit indessen auch auf Auslandstaten das deutsche Strafrecht anzuwenden ist (§§ 5 bis 7) bleibt zu beachten, daß Rechtfertigungsgründe des deutschen Rechts nur insoweit anerkannt werden können, als sie auch nach der lex loci anerkannt werden 1 , soweit die Nichtanerkennung nicht dem ordre public widerspricht.

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3. Ob eine Tat im Inland begangen ist, ergibt § 9. Vgl. die dortigen Erläuterungen.

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4. Zum Begriff des Inlandes vgl. vor § 3 Rdn. 41 ff. 5. Auf die Staatsangehörigkeit des Täters kommt es bei Inlandstaten nicht an. Auch alle Ausländer sowie alle anderen Personen, die außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ihren Wohnsitz haben, insbesondere die Bürger der DDR, unterliegen bei Inlandstaten dem Strafrecht der Bundesrepublik. Allerdings sind gewisse Personenkreise ganz oder teilweise von der Gerichtsbarkeit der Gerichte der Bundesrepublik ausgenommen, insbesondere die Exterritorialen (vor § 3 Rdn. 69) unter Einschluß der in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte (vor § 3 Rdn. 76).

§4 Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Schrifttum Jescheck Die an Bord von Luftfahrzeugen begangenen Straftaten und ihre Folgen, in: Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongreß in Athen vom 26.9. bis 2. 10. 1957, ZStW 1957 Sonderheft S. 195 (zitiert: Beiträge); Mankiewicz Die Verfolgung der in einem Luftfahrzeug begangenen Straftat, G A 1961 193; Mettgenberg Die Geltung des deutschen Strafrechts im Seebereich und im deutschen Luftraum, DJ 1940 641; Mettgenberg Internationales Strafrecht auf See, ZStW 52 802; A. Mayer Strafbare Handlungen an Bord von Luftfahrzeugen, Zeitschrift für Luftrecht 1958 87; Rudolf Anwendungsbereich und Auslegung von § 5 StGB (a. F.), NJW 1954 219; Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen, 1965 (zitiert: Straftaten): von Weber Internationales Luftstrafrecht, Rittler-Festschrift S. 111; Wille Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, 1974 (zitiert: Verfolgung); Zlataric Erwägungen zum Abkommen über strafbare Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, Grützner-Geburtstagsgabe (1970) 160. Vgl. weiter vor den Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7. 1 A. A. Nach dem alten Recht OLG Köln M D R 1973 688, hiergegen mit Recht Blei JA 1973 StR S. 170. (140)

Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen (Tröndle)

§ 4

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde als § 5 durch die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) in das StGB eingefügt. Sie galt unverändert bis zum 31. Dezember 1974. Seither ist § 4 in Kraft, der auf den § 4 E 1962 zurückgeht, dessen ursprüngliche, 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) entstammende Fassung durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) geändert worden ist. I. Die Vorschrift verwirklicht das Flaggenprinzip (vor § 3 Rdn. 5). Sie enthält 1 eine notwendige Ergänzung des Gebietsgrundsatzes und ist nicht etwa eine Ausprägung des Schutzprinzips 1 . Denn es werden nicht nur Personen und Güter an Bord geschützt, sondern auch Auslandstaten erfaßt, deren Erfolg nicht an Bord eintritt. Die Bundesrepublik will als Flaggenstaat mit dieser Vorschrift den Rechtsfrieden auf ihren Schiffen und Luftfahrzeugen auch im Ausland lückenlos sichern, wobei es auf das Tatortrecht gerade nicht ankommen soll2. Die Vorschrift des § 4 hat trotz ihres im wesentlichen mit § 5 a. F. übereinstimmenden sachlichen Inhalts an praktischer Bedeutung gewonnen, weil sie nicht nur für Auslandstaten von Ausländern, sondern nach Abschaffung des Personalitätsprinzips auch für Auslandstaten von Inländern gilt, die an Bord begangen werden. Soweit das Schiff oder Luftfahrzeug sich im Inland aufhält, ist (eigentlich) nicht § 4, sondern (in erster Linie)3 § 3 maßgebend 4 . Zwar hat das EGStGB die Worte „im Ausland" in der ursprünglichen Fassung des 2. StrRG gestrichen, gleichwohl hat die Vorschrift nur für Auslandstaten Sinn, da sonst die Worte „unabhängig vom Recht des Tatorts" wenig verständlich wären 5 . Allerdings gilt — unbeschadet des maßgebenden Territorialitätsprinzips — für die Verfolgung von Taten, die ein Ausländer im Inland auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begeht 6 , das Opportunitätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 2 StPO) 7 , da in einem solchen Fall ein deutsches Interesse an der Strafverfolgung durchaus fehlen kann. Die Regelung des Flaggenprinzips, wie sie in § 4 zum Ausdruck kommt, ist prak- 2 tikabel 8 . Sie vermeidet Streitfragen und Strafbarkeitslücken. Der Begehungsort läßt sich nämlich bei Straftaten in Luftfahrzeugen, die sich in großen Höhen und mit großer Geschwindigkeit bewegen, oft gar nicht feststellen. Die Staatszugehörigkeit eines Flugzeuges steht aber stets fest. Die Regelung des § 4, wonach für Auslandstaten an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen der Bundesrepublik (auch) deutsches Strafrecht gilt, entspricht übrigens völkerrechtlichen Grundsätzen, die in jüngerer Zeit auch im Tokioter Abkommen 1963 9 anerkannt worden sind. Frühere Bedenken 1 2

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So aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 1. Ebenso Oehler Internationales Strafrecht S. 349, auch S. 320 Fußn. 5; Wille Verfolgung S. 33. Jescheck (Beiträge S. 203) meint, daß sich in diesem Fall die Geltung des deutschen Strafrechts aus dem Gebietsgrundsatz und dem Flaggenprinzip ergebe. Çbenso Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7. Ähnlich Oehler Internationales Strafrecht S. 348, vgl. Rudolf WW 1954 219. Dasselbe gilt für die Verfolgung von Taten, die ein Inländer auf einem inländischen Schiff oder Luftfahrzeug im Ausland begeht (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1 StPO), siehe unten Rdn. 9. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11; Mankiewicz GA 1961 193; Wille Verfolgung S. 52. Hierzu Wille Verfolgung S. 41. Tokioter Abkommen über strafbare und andere Handlungen, die an Bord von Luftfahrzeugen begangen werden, vom 14.9. 1963 (BGBl. 1969 II S. 121); hierzu Schmidt-Räntsch Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumfragen 13 (1964) 75 ff; BT-Drucks. V/3266, Bericht hierzu DRiZ 1969 21 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 337 ; Wille Verfolgung S. 45,155 ff.

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§4

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

gegen die Anwendung des deutschen Strafrechts auf Auslandstaten nach dem Flaggenprinzip gehen auf die irrige Vorstellung zurück, das deutsches Strafrecht erhöbe insoweit einen ausschließlichen Geltungsanspruch. Das ist aber nicht der Fall. Die Theorie vom „schwimmenden, fliegenden Territorium" („territoire flottant") des Flaggenstaates ist zwar anschaulich, trifft aber nicht das Richtige und ist daher irreführend 1 0 . Selbst bei Síaaííschiffen und Síaaísluftfahrzeugen, wo nach völkerrechtlichem Herkommen der Aufenthaltsstaat regelmäßig seine Strafgewalt nicht in Anspruch zu nehmen pflegt, folgt dies im Grunde auf (stillschweigender) freiwilliger Eigenbeschränkung des Aufenthaltsstaates 1 1 . Der Flaggenstaat, also bei einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug die Bundesrepublik Deutschland, könnte ihre Strafgewalt im Ausland gegenüber dem Küsten- oder Landestaat auch nicht durchsetzen. Die Theorie, die eigene Schiffe und Flugzeuge als Inland bezeichnet 1 2 , geht auf § 4 Abs. 2 E 1925 und auf die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts zurück 1 3 . Die späteren Entwürfe und das Gesetz beschränkt sich indessen sachgemäß darauf, lediglich die Geltung des deutschen Strafrechts anzuordnen 1 4 . Freilich ist das nicht ausschließlich gemeint. § 4 schließt vielmehr die Möglichkeit einer Ahndung von Bordtaten im Ausland auf Fahrzeugen der Bundesrepublik nach ausländischem Strafrecht mit ein, soweit völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte für die ausländische Rechtsordnung vorliegen 15 . Das Opportunitätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO) gibt außerdem den Weg für eine geschmeidige sachgerechte Behandlung des einzelnen Falles frei 1 6 . 3

II. 1. Zu den Schiffen im Sinne dieser Vorschrift gehören See- und Binnenschiffe, gleichgültig, ob es Staatsschiffe oder Privatschiffe sind. Geraten Schiffe in Seenot oder kommt es zur Bruchlandung, so fällt auch das noch nicht verlassene Wrack darunter, ebenso bemannte Rettungsboote und -flöße 1 7 . „ A u f einem Luftfahrzeug ist eine Tat nur begangen, solange sich noch Menschen an Bord befinden oder das Flugzeug in seiner Bestimmung zum Rollen und Fliegen objektiv noch geeignet ist. Daher fällt auch eine Tat unter § 4, die im Ausland auf einem im Hangar abgestellten (deutschen) Flugzeug begangen wird, nicht jedoch, wenn die Tat an einem Flugzeugwrack ausgeführt wird, das zum Fliegen nicht mehr taugt 1 8 .

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2. Das Schiff muß berechtigt sein, die Bundesflagge zu führen. Das sind alle Kauffahrteischiffe (Seehandelsschiffe; vgl. auch Art. 27 GG) und sonstigen See-

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Im einzelnen: Wille Verfolgung S. 28, 37. Oehler Internationales Strafrecht S. 326, ferner Wille Verfolgung S. 31. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4, 9 („wandelnde Gebietsteile"); Blei AT § 12 III 1 u n d MaurachZipf AT Teilb. 1 § 11 II A 1 b aa („fingiertes Staatsgebiet"); Baumann AT § 6 II 2 b ( „ . . . gilt als Inland"), ähnlich Samson SIC Rdn. 2 u n d § 5 Rdn. 6; Bockelmann AT § 5 II 1 b. Hiergegen zutreffend Wille Verfolgung S. 28, 37. § 4 Abs. 2: „Deutsche Schiffe u n d Luftfahrzeuge gelten als Inland, gleichviel wo sie sich befinden". In diesem Sinne auch RGSt. 23 267, 50 220. Meyer ArchfLuftR 1932 150 umschreibt den Sinngehalt der Vorschrift wie folgt: „Unser Strafrecht ist überall, wo unsere Flagge weht" und nicht „Unser Land ist überall, wo unsere Flagge weht" (zitiert nach Wille Verfolgung S. 30). Wille Verfolgung S. 37. Zum ganzen: Jescheck Beiträge S. 203 ff; Oehler Internationales Strafrecht S. 306, 325 f. Rietzsch DJ 1940 565; Oehler Internationales Strafrecht S. 321, 349. Oehler Internationales Strafrecht S. 349. (142)

Geltung für Taten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen (Tröndle)

§

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schiffe deutscher Eigentümer (§§ 1, 2 FlaggRG) , aber auch — im Falle ausdrücklicher Verleihung — in der Bundesrepublik Deutschland für fremde Rechnung gebaute Schiffe (§ 10 FlaggRG) und von einem deutschen Ausrüster gecharterte Schiffe (§ 11 FlaggRG) 20 . 3. Das Luftfahrzeug muß berechtigt sein, das Staatszugehörigkeitszeichen21 der 5 Bundesrepublik Deutschland zu führen. Luftfahrzeuge sind nach § 1 Abs. 2 LuftVG 22 „Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Freiund Fesselballone, Drachen, Fallschirme, Flugmodelle und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, insbesondere Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper". Freilich kommen im Zusammenhang mit dem Flaggenprinzip des § 4 Drachen, Flugmodelle und Fallschirme nicht in Betracht 23 . Das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland dürfen (anders als bei Schiffen, oben Rdn. 4) nur die Luftfahrzeuge führen, die im ausschließlichen Eigentum deutscher Staatsangehöriger stehen (§ 2 Abs. 5, § 3 LuftVG). 4. Schiffe und Luftfahrzeuge der DDR sind — entgegen der Fassung der Vor- 6 schrift im 2. StrRG — nunmehr durch die im EGStGB geänderte Gesetzesfassung auch ausdrücklich aus der Vorschrift ausgenommen. Der Gesetzgeber hat hier bei der Ergänzungsvorschrift des § 4 eine Frage ausdrücklich geklärt, die er bei der Grundnorm des § 3 offengelassen hat 24 . In der Sache hat sich damit der Gesetzgeber insoweit für den hier vertretenen „funktionalen Inlandsbegriff' (vor § 3 Rdn. 45) entschieden. Schiffe und Luftfahrzeuge, die die Flagge oder das Zeichen der DDR tragen, sind als ausländische Fahrzeuge zu behandeln 25 (hierzu unten Rdn. 9). § 4 gilt für sie nicht. 5. Für Taten auf einem in § 4 näher bezeichneten Schiff oder Luftfahrzeug gilt 7 das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts (§ 9) 26 , also auch wenn das Fahrzeug sich auf oder über der hohen See, oder in fremdem Hoheitsgebiet, also in fremden Häfen oder Küstengewässern oder auf fremden Landeplätzen, befinden. In der Sache bedeutet dies, daß das Bestehen einer identischen Norm (vor § 3 Rdn. 8) nicht vorausgesetzt wird 27 . 6. Soweit sich ein Schiff oder Luftfahrzeug (der Bundesrepublik) außerhalb des 8 räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes (vor § 3 Rdn. 41) befindet, ist der Verfolgungszwang gelockert, es gilt das Opportunitätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1

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Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggen der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 8. 2. 1951 (BGBl. I S. 79), letztes ÄndG vom 11. 9. 1974 (BGBl. I S. 2317, III 9 5 1 4 - 1 ) . E-EGStGB BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 207. Zur Frage der Staatszugehörigkeit im Unterschied zur Staatsangehörigkeit: Wille Verfolgung S. 30. Luftverkehrsgesetz i. d. Fass, vom 4. 11. 1968 (BGBl. I S. 1113, III 9 6 - 1 ) . Wille Verfolgung S. 25. Roggemann Strafrechtsanwendung S. 18. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10, vgl. ferner Wille Verfolgung S. 53; a. A. (für das interlokale Strafrecht) Dreher zu § 4. Hierzu auch Nowakowski JZ 1971 633. Im einzelnen Wille Verfolgung S. 34 ff; Jescheck Beiträge S. 202.

(143)

§5

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

StPO). Für die Verfolgung selbst ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Heimathafen oder der Hafen im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegt, den das Schiff nach der Tat zuerst erreicht. Entsprechendes gilt für Luftfahrzeuge (§ 10 StPO). 9

7. Ausländische Schiffe und Luftfahrzeuge sind alle diejenigen, die nicht zur Führung der Bundesflagge oder des Staatszugehörigkeitszeichens der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sind. Halten sich solche Fahrzeuge im Inlandsbereich auf, gilt § 4 nicht. Es sind die allgemeinen Vorschriften maßgebend: Die Anwendung deutschen Strafrechts folgt in diesen Fällen aus § 3 2 8 . Das gilt grundsätzlich auch für ausländische Staatsfahrzeuge. Freilich nimmt die Bundesrepublik Deutschland (ebenso wie andere Aufenthaltsstaaten gegenüber fremden Staatsfahrzeugen) ihre Strafgewalt in solchen Fällen regelmäßig nicht in Anspruch (vgl. oben Rdn. I) 2 9 , auch kann die deutsche Gerichtsbarkeit infolge Exterritorialität ausgeschlossen sein (vgl. § 3 Rdn. 5, vor § 3 Rdn. 69, 76).

§5 Auslandstaten gegen inländische RechtsgUter Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: 1. Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80) ; 2. Hochverrat (§§ 81 bis 83); 3. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates a) in den Fällen der §§ 89, 90 a Abs. 1 und des § 90 b, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, und b) in den Fällen der §§ 90 und 90a Abs. 2; 4. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 100 a); 5. Straftaten gegen die Landesverteidigung a) in den Fällen der §§ 109 und 109 e bis 109 g und b) in den Fällen der §§ 109 a, 109 d und 109 h, wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat; 6. Verschleppung und politische Verdächtigung (§§ 234 a, 241a), wenn die Tat sich gegen einen Deutschen richtet, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; 7. Verletzung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen eines im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes liegenden Betriebs, eines Unternehmens, das dort seinen Sitz hat, oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland, das von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abhängig ist und mit diesem einen Konzern bildet; 8. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 174 Abs. 1, 3 und der §§ 175 und 176 Abs. 1 bis 4, 6, wenn der Täter und der, gegen den die Tat 28 29

Schnorr von Carolsfeld Straftaten S. 13 ff. Oehler Internationales Strafrecht S. 326; a. A. Sch.-Schröder-Eser

Rdn. 9 m. weit. Nachw. (144)

Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter (Tröndle)

§5

begangen wird, zur Zeit der Tat Deutsche sind und ihre Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes haben; Abtreibung (§ 218), wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat; falsche uneidliche Aussage, Meineid und falsche Versicherung an Eides Statt (§§ 153 bis 156) in einem Verfahren, das im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes bei einem Gericht oder einer anderen deutschen Stelle anhängig ist, die zur Abnahme von Eiden oder eidesstattlichen Versicherungen zuständig ist; Taten, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begeht; Taten, die ein Ausländer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begeht; Taten, die jemand gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht.

9. 10.

11.

12. 13.

§ 5 Nr. 5 ist nach Art. 324 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) im Land Berlin in folgender Fassung anzuwenden: „5. Anwerben für fremden Wehrdienst (§ 141), wenn der Täter Deutscher ist und seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat".

Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7. Entstehungsgeschichte Mit § 5 Nr. 2 bis 5, 11 bis 13 ist in gewissem Sinne die Ursprungsfassung des § 4 Abs. 2 RStGB vergleichbar, die durch G vom 26.2. 1876 (RGBl. S. 25), G vom 26. 5. 1933 (RGBl. I S. 295), G vom 24. 4. 1934 (RGBl. I S. 341) geändert wurde. Die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) schuf den § 4, der in Abs. 3 im Hinblick auf das aktive Personalitätsprinzip beschränkt auf Auslandstaten von Ausländern — unter anderem den Sachstoff des geltenden § 5 Nr. 2 bis 5, 7, 10 bis 13 regelte und durch das StRÄndG vom 30.8.1951 (BGBl. I S. 739), das 3. StRÄndG vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735), das 4. StRÄndG vom 11.6.1957 (BGBl. I S. 597), das 8. StRÄndG vom 25.6. 1968 (BGBl. I S. 741), das 11. StRÄndG vom 16. 12. 1971 (BGBl. I S. 1977) und das 4. StrRG vom 23. 11. 1973 (BGBl. I S. 1725) geändert wurde. Die derzeitige Fassung des § 5, die seit 1.1.1975 in Kraft ist, geht zunächst auf § 5 E 1962 zurück. § 5 i. d. Fass. d. 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) wurde durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) und ferner durch das 5. StRÄndG vom 18. 6. 1974 (BGBl. I S. 1297) geändert.

Gesetzesmaterialien. § 5 E 1962, Begr. S. 109; Niederschriften der Gr. Str. Kommission Bd. 4 S. 15ff, 121 ff, 412ff; Bd. 10 S. 323ff, 336. Schriftl. Bericht des Sonderausschusses Strafrecht BT-Drucks. V/4095 S. 4; Prot. V/6, 70, 2347, 2557, 2619, 2878, 3120, 3199; E EGStGB S. 207. (145)

§5

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

1

I. Von den in den §§ 5 bis 7 umschriebenen Durchbrechungen des Gebietsgrundsatzes zählt § 5 die vom deutschen Strafrecht erfaßten Auslandstaten auf, die sich gegen inländische Rechtsgüter richten. Die Vorschrift folgt überwiegend dem Schutzgrundsatz (vor § 3 Rdn. 7), und zwar in den Nummern 1 bis 4 und 10 bis 13 (Staatsschutzprinzip); Individualrechtsgüter betreffen die Nummern 6 und 7 (passives Personalitätsprinzip). Vom aktiven Personalitätsprinzip (vor § 3 Rdn. 9) sind die Nr. 8, 9 beherrscht, auch die Nummern 11 und 12. In allen diesen Fällen setzt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts eine identische Norm (vor § 3 Rdn. 8) nicht voraus. Das Tatortrecht ist insoweit unbeachtlich. Freilich kann es für (außerstrafrechtliche) Inzidentfragen auch auf das Tatortrecht ankommen 1 . Zum Begriff des Auslandes vgl. oben vor § 3 Rdn. 60. Ist die „Auslandstat" nach den Vorschriften des § 9 zugleich auch im Inland begangen, so kommt das deutsche Strafrecht schon aufgrund § 3 zur Anwendung.

2

II. Nach § 5 ist das deutsche Strafrecht unabhängig vom Tatortrecht in folgenden Fällen maßgebend: Nummer 1 erwähnt nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80). Nicht erfaßt ist § 80 a (Aufstacheln zum Angriffskrieg), der bereits nach seinem Wortlaut auf den Geltungsbereich dieses Gesetzes beschränkt ist.

3

Nummer 2 meint alle Formen des Hochverrats (§§ 81 bis 83). Ist der Erfolg einer Auslandstat im Inland eingetreten, folgt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts über § 9 bereits aus § 3 (BayObLG NJW 1957 1328).

4

Nummer 3 unterteilt die Fälle der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates in solche (Nr. 3 b), bei denen das deutsche Strafrecht unbeschränkt gilt (Verunglimpfungstatbestände: §§90, 90 a Abs. 2), und solche (Nr. 3 a), die eine Domizilklausel enthalten (§§ 89, 90a Abs. 1 und § 90b) und bei denen daher die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts davon abhängt, daß ein Deutscher (vor § 3 Rdn. 62 ff) Täter ist, der seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Die Umschreibung geht auf den früheren §91 Nr. 3 i. d. Fass. d. 8. StRÄndG vom 25. 6. 1968 (BGBl. I S. 741) zurück. Es sollte mit ihr - in Anlehnung an eine Tatbestandseinschränkung, die der § lOOd Abs. 2 a. F. in BGHSt. 10 46 erfahren hat — sichergestellt sein, daß nur solche Deutsche im Sinne des Art. 116GG Normadressaten sind, die mit der Bundesrepublik „lebensmäßig so verbunden" 2 sind, daß von ihnen die in diesen Tatbeständen vorausgesetzte Treueund Achtungspflicht erwartet werden kann 3 . Damit sollten vor allen Dingen die Bürger der D D R von dieser Vorschrift unerfaßt bleiben angesichts dessen, daß sie ursprünglich von der herrschenden Meinung als Deutsche im Sinne der Vorschriften der §§ 3 ff angesehen worden sind. Inzwischen werden DDR-Bürger überwiegend im Strafrecht wie Ausländer behandelt (oben vor § 3 Rdn. 65), so daß bei dieser Auslegung die §§ 89, 90 a Abs. 1, § 90 b schon aus diesem Grunde die DDR-Bürger nicht erreicht. Es erscheint daher zweifelhaft, ob für diese gesetzliche Unterscheidung künftig noch ein Bedürfnis besteht. Freilich behält auch nach der hier vertretenen Meinung diese „Lebensgrundlage-Klausel" noch selbständige Bedeu1

Sch.-Schröder-Eser dort F u ß n . 94.

2

So Dreher R d n . 4. Krauth-Kurfess-Wulf J Z 1968 582; Willms L K 9. Aufl. § 9 1 R d n . 4; R d n . 9 ; a. A. Samson SK. R d n . 8, 9.

3

R d n . 22 u n d dort vor § 3 R d n . 24, 2 4 a , ferner oben LK vor § 3 Rdn. 38

Sch.-Schröder-Eser (146)

Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter (Tröndle)

§5

tung: Es scheiden nämlich durch diese Klausel nicht nur die Zeitungs- und Rundfunkreporter der DDR aus, auch wenn sie in der Bundesrepublik wohnen oder sich hier ständig aufhalten (da sie weder „Deutsche" im strafrechtlichen Sinne sind noch ihre Lebensgrundlage in der Bundesrepublik 4 haben), sondern neben den übrigen Ausländern auch solche Deutschen, die zwar ihre Staatsangehörigkeit behalten, aber ohne Rückkehrabsichten ihr Lebenszentrum ins Ausland verlegt haben. Die Vorschrift erfaßt hingegen solche Deutschen aus der Bundesrepublik, die sich aus geschäftlichen, dienstlichen oder privaten Gründen für längere Zeit im Ausland aufhalten, soweit sie durch wesentliche ihre Lebensverhältnisse bestimmende Beziehungen mit der Bundesrepublik verbunden bleiben. Dazu gehören insbesondere Diplomaten und Soldaten der Bundeswehr 5 . Bei Doppelwohnsitz oder wechselnden Aufenthalten kommt es darauf an, wo der Täter seinen persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Mittelpunkt hat 6 . Zu Unrecht versteht Samson (SK Rdn. 8 ff, 14) den ganzen § 5 so, als ob er lediglich Umgehungssachverhalte erfassen wollte. In Wahrheit war dieser Gedanke nur bei den Nummern 8 und 9 m/ibestimmend. Dieser falsche Ausgangspunkt führt zu einer verfehlten Auslegung der „Lebensgrundlageklausel" und zum sachwidrigen Ergebnis, daß selbst Bedienstete deutscher Behörden, die auf Zeit im Ausland dienstlich tätig sind, nicht wegen Auslandstaten nach §§ 89, 90a Abs. 1, § 90b und nach §§ 109a, 109d, 109h (vgl. Nummer 5b) bestraft werden könnten! Nummer 4 erfaßt alle Tatbestände des Landesverrats und der Gefährdung der äu- 5 ßeren Sicherheit (§§ 94 bis 100 a). Ist der Erfolg einer Auslandstat im Inland eingetreten, folgt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts über § 9 bereits aus § 3 (BayObLG NJW 1957 1328). Es ist zu beachten, daß Taten im Sinne der §§ 94 bis 100a völkerrechtlich dann gerechtfertigt sein können, wenn sie von einem Ausländer begangen worden sind (Dreher Rdn. 5). Wider die unterschiedlose Behandlung von In- und Ausländern in diesem Bereich: Oehler Internationales Strafrecht S. 386. Nummer 5 unterteilt die Fälle der Straftaten gegen die Landesverteidigung 6 (ebenso wie die Nr. 3, oben Rdn. 4) in solche, für die das deutsche Strafrecht unbeschränkt gilt (§§ 109, 109 e bis 109g: Verstümmelung, Sabotagehandlungen, sicherheitsgefährdender Nachrichtendienst und sicherheitsgefährdendes Abbilden), und solche, bei denen die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Deutsche beschränkt ist, auf die die Lebensgrundlageklausel zutrifft (§§ 109 a, 109 d, 109h: Wehrpflichtentziehung, Störpropaganda, Anwerben für fremden Wehrdienst). Zur Lebensgrundlageklausel vgl. oben Rdn. 4. Die Nummer 6, die bestimmt, daß auf Auslandstaten der Verschleppung und poli- 7 tischen Verdächtigung (§§ 234 a, 241 a) das deutsche Strafrecht anwendbar ist, wenn sich die Tat gegen einen Deutschen (vor § 3 Rdn. 62) richtet, der im Inland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bietet gewisse Auslegungsschwierigkeiten, da die Bezugsvorschrift des § 234 a auf den „räumlichen Geltungsbereich" abhebt und hiermit offenbar etwas anderes meint, als das Wort „Inland" 4

5 6

Samson SK Rdn. 10 meint, daß solche DDR-Korrespondenten ihre Lebensgrundlage in der Bundesrepublik hätten. Das ist jedoch irrig. Freilich werden diese Personen auch nach Samson von der Vorschrift nicht erfaßt, weil er sie — im Ergebnis zutreffend — als Ausländer behandelt. Krauth-Kurfess-WulfiZ 1968 582. Bericht BT-Dnicks. V/2860 S. 23 f.

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§5

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

in Nummer 6, während der hier vertretene funktionelle Inlandsbegriff (vor § 3 Rdn. 45) diese beiden Begriffe im wesentlichen als deckungsgleich behandelt (vor § 3 Rdn. 46). Eine sachgerechte Auslegung dieser Vorschrift ist daher nur unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte 7 und des Sinnes der Vorschrift 8 , aber auch der Fortentwicklung des internationalen Strafrechts nach Abschluß des Grundlagenvertrages zu gewinnen (hierzu schon vor § 3 Rdn. 48, 96 f)· Hiernach gilt folgendes: Die Nummer 6 ist ohne Bedeutung, wenn die Tathandlung zwar im Ausland begangen, der Erfolg aber in der Bundesrepublik Deutschland eingetreten ist. Denn über § 9 ist in diesen Fällen § 3 maßgebend. Im übrigen setzen Auslandstaten nach §§ 234a, 241 a, um über die Nummer 6 nach deutschem Strafrecht strafbar zu sein, voraus, daß sie sich gegen einen Deutschen (vor § 3 Rdn. 62) richten, der im Inland wohnt oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. In diesem Zusammenhang meint der Begriff Inland nicht nur die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin, sondern auch die DDR unter der Voraussetzung und insoweit, als das (bisher) in der DDR wohnende Tatopfer Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist und es in den Schutzbereich der Bundesrepublik und aller Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes, etwa durch Flucht oder Übertritt auf das Gebiet der Bundesrepublik, aufgenommen worden ist 9 . Das ergibt sich aus dem Grundlagenvertragsurteil 10 , das zwar die Schutzrechte keines Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG beeinträchtigt, die staatliche Souveränität der DDR auf ihrem Hoheitsbereich aber anerkannt hat. Hieraus folgt, daß DDR-Bürger, die sich in der Bundesrepublik aufgehalten, aber freiwillig wieder in die DDR begeben haben, nicht durch § 234 a geschützt sind, wenn sie unter den umschriebenen Voraussetzungen gehindert werden, in die Bundesrepublik zurückzukehren. 8

Nummer 7 schützt Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegen Auslandstaten und zwar deren Verletzung und Verwertung nach §§ 203, 204 sowie über § 20 a UWG 1 1 nach §§ 17, 18, 20 UWG. Der Begriff des Geheimnisses in diesem Sinne ist bei § 17 UWG näher umschrieben. Es ist im übrigen jedes Verfahren darunter zu verstehen, das einem Gewerbebetrieb so eigentümlich ist, daß es in anderen Betrieben nicht oder nur vereinzelt angewendet wird, und so wichtig ist, da es unbekannt bleiben soll, weil das Bekanntwerden die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs beeinträchtigen könnte (RGSt. 48 12)12. Insoweit besteht zwischen Geschäfts- und Betriebsgeheimnis kein Unterschied (RGSt. 31 90). Das Geschäftsgeheimnis bezieht sich auf den allgemeinen Geschäfts- und Handelsverkehr, das Betriebsgeheimnis auf den technischen Betrieb. Der Auslandsschutz beschränkt sich

7 8

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10 11

12

Hierzu im einzelnen Wagner M D R 1967 629. K G NJW 1956 1570; Endemann NJW 1966 2386; Krit. Krey Zum innerdeutschen Strafanwendungsrecht de lege lata und de lege ferenda (1969) 51. So im Ergebnis wohl auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12 und Lackner Anm. 3; Schmidhäuser AT 5/86; abweichend wohl Samson SK Rdn. 15. BVerfGE 36 1, 30, 31 = NJW 1973 1539, 1544. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. 6. 1909 (RGBl. S. 499 - BGBl. III 43—1) i. d. Fass. d. EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469), letztes ÄndG v. 10. 3. 1975 (BGBl. I S. 685). Die Erwähnung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Katalog des § 5 geht auf § 20a UWG i. d. Fass. d. VO d. RPräs., vom 9. 3.1932 (RGBl. I S. 121) zurück und entspricht im Grundsatz seitherigen Rechts, aber wohl auch rechtspolitisch unbestrittenen Erfordernissen. Die vereinzelte Kritik an der Vorschrift überhaupt bei Samson (SK Rdn. 16) läßt wenig Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge erkennen. RGSt. 31 90, 38 108, 40 406, 42 394. (148)

Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter (Tröndle)

§5

a) auf Betriebe, die im „räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes" (vor § 3 9 Rdn. 41) liegen und ihre Produktions- und Geschäftstätigkeit entfalten. Bloße „Briefkastenadressen" genügen nicht. Auch ist der Begriff des Betriebs mit dem des § 14 Abs. 2 nicht identisch (Dreher Rdn. 8); b) auf Unternehmen, die im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren 10 Firmen- oder Geschäftssitz (§ 106 HGB, § 5 AktG, §§ 3, 7, 10, 11 GmbHG) haben. In wessen Eigentum sie stehen, ist nicht maßgebend. Auch Unternehmen, deren Geschäftskapital ganz oder teilweise Ausländern zusteht, fallen darunter, denn auch solche Unternehmen gehören zur Volkswirtschaft der Bundesrepublik und müssen vom Strafschutz umfaßt sein (E 1962 Begr. S. 111); c) auf Unternehmen, deren Sitz zwar im Ausland liegt, die aber, etwa als „Toch- 11 tergesellschaft", von einem Unternehmen mit Sitz im räumlichen Geltungsbereich abhängig sind und mit diesem einen Konzern bilden. Indessen fallen sogenannte „Gleichordnungskonzerne" (§ 18 Abs. 2 AktG), bei denen rechtlich selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt werden, nicht darunter, sondern nur solche ausländischen Tochtergesellschaften, die mit einem deutschen Mutterunternehmen im Sinne eines „einheitlichen Konzerns" im Sinne des § 18 Abs. 1, §§ 329 ff AktG eng verbunden sind. Auch werden ausländische Unternehmen nicht etwa deswegen erfaßt, weil sie sich ganz oder teilweise in den Händen deutscher Anteilseigner befinden 13 . d) Steuergeheimnisse der genannten Betriebe und Unternehmen (§ 355) sind — 12 entgegen dem Vorschlag des § 5 Nr. 12 E 1962 — nicht gegen Auslandstaten geschützt 13 , es sei denn, daß die Nummern 11 und 12 (unten Rdn. 20, 21) Auslandstaten nach § 355 erfassen. Nummer 8 erstreckt den Auslandsschutz auf ganz bestimmte Sexualstraftaten 13 (§ 174 Abs. 1, 3, §§ 175, 176 Abs. 1 bis 4, 6: sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen und Kindern, soweit sie unter körperlicher Berührung geschehen, ferner strafbare homosexuelle Handlungen) unter der Voraussetzung, daß sowohl Täter als auch Opfer Deutsche (vor § 3 Rdn. 62) sind, die ihre Lebensgrundlage im Gebiet der Bundesrepublik/Land Berlin (Rdn. 4) haben. Die Vorschrift ist eine Ausprägung des Schutzgrundsatzes (vor § 3 Rdn. 6). Sie verfolgt den Zweck, der Umgehung von Strafnormen durch Auslandsreisen entgegenzuwirken 14 . Die Strafbarkeitsausdehnung auf Auslandstaten hat in diesen Fällen (wie in der nachfolgenden Nummer 9) im Schrifttum Kritik 15 erfahren. Die Vorschrift 16 , ein Überbleibsel des § 5 Abs. 2 E 1962, der eine allgemeine Umgehungsvorschrift für Auslandstaten Deutscher gegen Deutsche enthielt 17 und gegen die Bedenken erhoben worden sind 18 . Die Nummer 8 wirkt in der Tat dadurch wenig überzeugend, daß nur einzelne 14 Sexualdelikte mittlerer Schwere herausgegriffen und in die Auslandserstreckung 13 14 15

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18

2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 5. 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 5. Samson SK Rdn. 17; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15; vgl. auch Oehler Internationales Strafrecht S. 432. Hiergegen auch AE Begr. zu § 7 S. 37/39. So entsprechend das neue österreichische Recht: § 64 Abs. 1 Nr. 7 öStGB 1975. Vgl. hierzu von Weber GS 1940 273, zitiert nach Nowakowski JZ 1971 636. Z. B. Hans Schultz G A 1966 200.

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§5

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

einbezogen worden sind, während die schwereren Sexualstraftaten der Vergewaltigung und des schweren sexuellen Mißbrauchs (§§ 177 bis 179) unerwähnt blieben in der Annahme, daß sie der ausländische Strafschutz ohnehin erfasse. Die Beschränkung, die sich der Gesetzgeber hier aus rechtsstaatlich ausgewiesenen Erwägungen auferlegt hat 19 , liefert gegen die Vorschrift in der Tat Argumente 20 . Dabei hat der vom Sonderausschuß anerkannte Grundgedanke der Vorschrift 21 — solange man die Strafwürdigkeit der in Nummer 8 erwähnten Taten selbst nicht in Zweifel zieht — die rechtspolitische Vernunft für sich, während die Kritiker lediglich das formale Argument der Prinzipientreue für sich geltend machen können, die auf den Gebietsgrundsatz bezogen ist, der als lupenrein durchgeführtes Prinzip, wie die zahlreichen allgemein anerkannten Ausnahmen zeigen, einen Eigenwert nicht darstellt, schon gar nicht gegenüber den Erfordernissen des Schutzprinzips, aus dem letztlich das gesamte Strafrecht seine Rechtfertigung bezieht. Namentlich der in den §§ 174, 176 geschützte Personenkreis darf im Ausland gegenüber den eigenen Landsleuten angesichts des Umfangs des modernen Reiseverkehrs insbesondere im Bereich der Grenzzonen nicht schutzlos gestellt werden. Der Hinweis auf das Eingreifen der ausländischen Rechtsordnung überzeugt gerade in diesen Fällen nicht. Denn es ist nicht damit zu rechnen, daß die ausländischen Strafverfolgungsbehörden sich in ihrem Lande des Schutzes von deutschen Schutzbefohlenen gegenüber ihren deutschen Erziehungsberechtigten besonders annehmen oder auch nur annehmen könnten. Freilich ist eine Verfolgung nach deutschem Strafrecht auch nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 möglich, soweit im Ausland eine identische Norm (vor § 3 Rdn. 8) gegeben ist. 15

Nach der Fassung der Vorschrift sind nur solche Deutsche von der Vorschrift erfaßt, die Täter oder Mittäter sind, nicht jedoch Teilnehmer 22 (vgl. § 28 Abs. 2). Hingegen kann aus der Tatsache, daß in Nummer 6 unter dem Begriff des „Deutschen" auf der Opferseite unter bestimmten Voraussetzungen auch DDR-Bürger verstanden werden (Rdn. 7), nicht geschlossen werden, daß entsprechendes auch bei Nummer 8 gelte 23 . Die Zweckrichtung der Erstreckung der Strafbarkeit der in den Nummern 6 und 8 umschriebenen Verhaltensweisen auf Auslandstaten ist nicht vergleichbar. Nummer 8 verwendet den Begriff des „Deutschen" zugleich in Bezug auf Täter und Opfer und kann diesen Begriff daher nur einheitlich verstehen, nämlich im Sinne des in der Bundesrepublik Deutschland/Land Berlin domizilierten Deutschen. Nur insoweit reicht die Schutzaufgabe der Norm und ein Bedürfnis, Gesetzesumgehungen zu wehren. 16 Nummer 9 betrifft lediglich die Fälle des Abbruchs der Schwangerschaft im Sinne der §§ 218, 218a i. d. Fass. d. 15. StRÄndG v. 18. 5. 1976 (BGBl. I S. 1213). Verstöße gegen die Beratungs- und Begutachtungspflichten (§§ 218b, 219, 219a) fallen nicht darunter. Die Vorschrift folgt wie die vorhergehende Nummer dem Schutzprinzip und setzt voraus, daß der Täter Deutscher ist, der seine Lebensgrundlage im Gebiet der Bundesrepublik/Land Berlin hat (Rdn. 4, 13). Es fallen also unter die Vorschrift

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Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15: „ein Perfektionismus . . d e r an kriminologischer Naivität schwerlich zu überbieten sein dürfte". Vgl. Samson SK Rdn. 17. 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 5. So Dreher Rdn. 9. So aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 16. (150)

Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter (Tröndle)

§5

a) deutsche Schwangere aus der Bundesrepublik/Land Berlin, die im Ausland 17 (vor § 3 Rdn. 60) ihre Schwangerschaft nach mehr als 13 Tagen seit der Empfängnis selbst abbrechen oder durch einen andern abbrechen lassen, ohne daß einer der in § 218a oder vor dem Inkrafttreten des 15. StRÄndG (19.6.1976) der in der BVerfG-Übergangs-AO zu § 218a 2 4 genannten Indikationsgründe vorliegen; b) ein deutscher Arzt aus der Bundesrepublik/Land Berlin, der einen solchen 18 Eingriff im Ausland ausführt und zwar gleichgültig, ob die Schwangere Deutsche oder Ausländerin ist. Im letzteren Fall tritt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts für den deutschen Arzt auch dann ein, wenn die Schwangere nach dem ius loci gar nicht strafbar ist. Insofern geht die Fassung—rechtspolitisch entbehrlich— über den eigentlichen gesetzgeberischen Zweck der Gesetzesumgehung, einem „Reichenprivileg" 25 entgegenzuwirken, hinaus und enthält Merkmale des absoluten aktiven Personalitätsprinzips (vor § 3 Rdn. 9). Es ist also nach dem Wortlaut der Vorschrift auch der deutsche Arzt erfaßt, der an einer ausländischen Abtreibungsklinik an Ausländerinnen Abtreibungen vornimmt, es sei denn, er hätte seine Lebensgrundlage nicht mehr in der Bundesrepublik/Land Berlin 26 . Hingegen greift die Nummer 9 nicht ein, wenn ein Deutscher im Ausland beim Schwangerschaftsabbruch eines Ausländers an einer Ausländerin lediglich Beihilfe leistet, da die Vorschrift voraussetzt, daß zumindest ein (Mit-)Täter (der Arzt oder die Schwangere) und nicht etwa nur ein Gehilfe Deutscher im Sinne der Vorschrift ist 27 (vgl. Rdn. 14). Nummer 10 erfaßt alle Aussagedelikte, die nach §§ 153 bis 156 strafbar sind und 19 im Ausland vor einem ausländischen oder zwischenstaatlichen Gericht oder einer anderen (zur Entgegennahme von eidesstattlichen Versicherungen) zuständigen Stelle (etwa einem deutschen Konsulat) begangen werden, falls das Verfahren, auf das sich die Tat bezieht, im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes (vor § 3 Rdn. 41) bei einem Gericht oder einer anderen Stelle anhängig ist, die zur Abnahme von Eiden (vgl. § 154 und die dortigen Erläuterungen) oder eidesstattlichen Versicherungen (vgl. § 156 und die dortigen Erläuterungen) zuständig ist. Die Vorschrift ist vor allem für Falschaussagen von Bedeutung, die bei Rechtshilfeverfahren vor ausländischen Behörden gemacht werden. Hingegen schützt das deutsche Strafrecht Verfahren vor ausländischen Behörden grundsätzlich nicht (vor § 3 Rdn. 28). Zu Verfahren vor internationalen und supranationalen Gerichtsbehörden vgl. vor § 3 Rdn. 30. Die Nummer 10 bezieht sich nicht auf falsche Verdächtigungen (§ 164) vor ausländischen Behörden, jedoch kann in diesen Fällen das deutsche Strafrecht unter den Voraussetzungen der §§ 3, 9 eingreifen. Nummer 11 dehnt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Auslandsta- 20 ten deutscher Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2, dort Rdn. 17 ff) und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (§ 11 Abs. 1 Nr. 4, dort Rdn. 52 ff) aus, soweit diese Taten während eines dienstlichen Aufenthalts oder in Beziehung auf den Dienst begangen sind. Unter dieser Voraussetzung erfaßt die Vorschrift nicht etwa nur Amtsdelikte, sondern Straftaten jeglicher Art2**. Während eines dienstlichen Aufenthalts bedeutet nicht, daß die Tat im Zusammenhang mit dem Dienst begangen sein muß. 24 25 26 27 28

Urt. d. BVerfG vom 25. 2. 1975 (BGBl. I S. 625), BVerfGE 39 V = NJW 1975 573. 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 5, 6. So auch Samson SK. Rdn. 18. So Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17; a. A. Dreher Rdn. 10. Dreher Rdn. 12; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 19.

(151)

§5

Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter (Tröndle)

So fällt ζ. B. die sexuelle Nötigung (§ 178) einer ausländischen Konferenzteilnehmerin 29 unter diese Vorschrift. Sie folgt dem (absoluten) aktiven Personalgrundsatz (vor § 3 Rdn. 9). Denn der eigene Staat hat ein Recht, von seinen Amtsträgern zu verlangen, daß sie die eigene Rechtsordnung achten, solange sie sich dienstlich im Ausland aufhalten 30 . Halten sich deutsche Amtsträger oder besonders Verpflichtete privat im Ausland auf, unterliegen sie dem deutschen Strafrecht nur insoweit unabhängig vom Tatort, als sie Straftaten in Bezug auf den Dienst, etwa Bestechungsdelikte (§§ 331, 332) oder sonstige Pflichtverletzungen im Hinblick auf die frühere dienstliche Tätigkeit (z. B. § 203 Abs. 2, § 353 b) begehen 31 . § 1 a Abs. 2 WStG enthält für Soldaten der Bundeswehr eine der Nummer 11 sachlich voll entsprechende Vorschrift 32 . 21

Nummer 12 dehnt bei Ausländern, die nach deutschem Strafrecht Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§ 11 Abs. 1 Nr. 2, 4) sind, die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nur auf solche Auslandstaten aus, die sie in ihrer Eigenschaft als Träger eines deutschen staatlichen Amtes (ζ. B. als Wahlkonsul, § 177 BBeamtG) oder als öffentlich besonders Verpflichteter begangen haben. Es wird sich hierbei meist um Amtsdelikte handeln, notwendig ist dies jedoch nicht 33 . Taten, die lediglich während oder in Bezug auf den Dienst begangen werden, fallen nicht unter die Vorschrift.

22

Nummer 13 erstreckt das deutsche Strafrecht auf sämtliche Auslandstaten, die gegen einen Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2), einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4) oder einen Soldaten der Bundeswehr von einem Deutschen oder Ausländer begangen werden, falls sich der Verletzte in Ausübung des Dienstes befindet (etwa bei einer internationalen Behörde oder bei einem der NATO-Stäbe) oder die Tat in Beziehung auf dessen Dienst begangen ist. Das ist der Fall, wenn der Umstand, daß der Angegriffene Amtsträger oder Soldat ist, zumindest ein mitbestimmender Tatbewegungsgrund war, ζ. B. die Nötigung eines deutschen Diplomaten im Ausland, Beschimpfung eines in Basel (Bad. Bahnhof) amtierenden deutschen Zollbeamten als „deutschen Zollbanditen" H Nicht notwendig ist, daß der Verletzte sich im Ausland befindet (Dreher Rdn. 14). Auch Ausländer, die nach deutschem Recht Amtsträger (Rdn. 20 f) oder Soldaten (vgl. § 37 Abs. 2 SoldG) sind, werden nach dieser Vorschrift geschützt. Gegen die Ausdehnung des deutschen Strafrechts auf alle Auslandstaten gegen deutsche Amtsträger im weitesten Sinne können Einwendungen nicht erhoben werden, wenn sich eine solche Regelung auch nicht von selbst versteht. Oehler35 hat darauf hingewiesen, daß weder England noch die USA entsprechende Vorschriften kennen und 29 30

31 32 33 34 35

Beispiel nach Sch.-Schröder-Eser Rdn. 19. E 1962 Begr. S. 112; für das aktive Personalitätsprinzip in diesem Fall auch Stratenwerth AT Rdn. 111. Samson (SK Rdn. 20) wendet sich offenbar gegen die Strafbarkeitserstrekkung auf Auslandstaten in diesem Punkt. Er spricht von dem „diffusen Gesichtspunkt eines Schutzes des Ansehens des öffentlichen Dienstes". Dieser Hinweis ist erstaunlich. Gerade so, als ob es an dem Staate etwas auszusetzen gäbe, der seine eigenen ins Ausland abgesandten Amtsträger, die dort gemeine Verbrechen begehen, an der eigenen Rechtsordnung mißt. BT-Drucks. 7/550 S. 207. Von Samson (SK Rdn. 20) übersehen. Dreher Rdn. 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20; a. A. noch Voraufl. § 4 Rdn. 12. Beispiele nach Maurach AT § 11 II A 3. Internationales Strafrecht S. 380. (152)

Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter (Tröndle)

§6

sich insoweit auf die Schutznormen des Aufenthaltsstaates verlassen. Freilich hält sich die Bedeutung dieser auf dem Schutzprinzip beruhenden deutschen Regelung in Grenzen. Sie bleibt nur für Deutsche, die im Ausland Straftaten gegen ihre eigenen Amtsträger begehen, praktisch, während sich Ausländer nach solchen Taten nur selten auf das Territorium des Sendestaates begeben werden. III. Zur Strafbarkeit einer Auslandstat nach deutschem Recht genügt es, wenn 23 die Tat in strafbarer Weise versucht wurde (§§ 22, 23). Auch die Teilnahme an fremder Tat oder die versuchte Beteiligung (§§ 26, 27, 30) genügen, soweit die Vorschriften vom Schutzgrundsatz (Rdn. 1) beherrscht sind. In den Nummern 8, 9, wo das absolute Personalitätsprinzip maßgebend ist und die Strafbarkeitserstreckung an einen Täter anknüpft, der deutscher Staatsangehöriger und in der Bundesrepublik/ Land Berlin domiziliert ist, muß die Anknüpfungsperson zumindest Mittäter und nicht nur Teilnehmer sein (Rdn. 14, 18)36. Eine Auslandstat im Sinne dieser Vorschrift liegt jedoch nicht vor, wenn es sich lediglich um eine im Ausland begangene Begünstigung oder Strafvereitelung zu einer in den Nummern 1 bis 13 erwähnten Taten handelt 37 . Für die Verfolgung von Auslandstaten gilt verfahrensrechtlich das Opportuni- 24 tätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1 StPO).

§6 Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter Das deutsche Strafrecht gilt weiter, unabhängig vom Recht des Tatorts, für folgende Taten, die im Ausland begangen werden: 1. Völkermord (§ 220a); 2. Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den Fällen der §§ 310 b, 311 Abs. 1 bis 3, des § 311 a Abs. 2 und des § 311 b; 3. Angriff auf den Luftverkehr (§ 316c); 4. Förderung der Prostitution in den Fällen des § 180 a Abs. 3 bis 5 und Menschenhandel (§ 181); 5. Unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln; 6. Verbreitung pornographischer Schriften in den Fällen des § 184 Abs. 3; 7. Geld- und Wertpapierfälschung sowie deren Vorbereitung (§§ 146,149,151,152); 8. Subventionsbetrug (§ 264); 9. Taten, die auf Grund eines für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen zwischenstaatlichen Abkommens auch dann zu verfolgen sind, wenn sie im Ausland begangen werden. § 6 Nr. 6 war in der Zeit vom 1.1. 1975 bis zum Ablauf des 27.1. 1975 gemäß Art. 326 Abs. 6 EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) in folgender Fassung anzuwenden: „6. Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184)" 36 37

Ebenso Sch.-Schröder-Eser Rdn. 22. Dreher Rdn. 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 22.

(153)

§6

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7.

Entstehungsgeschichte Vgl. zunächst die Entstehungsgeschichte zu § 5. Die GeltungsbereichVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) schuf den § 4, der in Abs. 3 - beschränkt auf Auslandstaten von Ausländern — unter anderem den Sachstoff des geltenden § 6 Nr. 4 bis 7 regelte und durch die Gesetze, die in der Entstehungsgeschichte zu § 5 näher aufgeführt sind, mehrfach geändert wurde. Die derzeitige Fassung des § 6, die seit 1.1.1975 in Kraft ist, geht auf den § 5 E 1962 zurück. § 6 i. d. Fass. d. 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) wurde durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) geändert, durch das 1. WiKG vom 29. 7. 1976 (BGBl. I S. 2034) wurde als Nr. 8 der Subventionsbetrug eingefügt. Gesetzesmaterialien. § 5 E 1962, Begr. S. 109, vgl. weiterhin wie vor § 5.

1

I. Die Vorschrift zählt die Auslandstaten auf, die, gleichgültig, wer sie begeht, nach dem Weltrechtsprinzip ( Universalgrundsatz, v o r § 3 Rdn. 13) ohne Rücksicht auf das Tatortrecht dem deutschen Strafrecht unterliegen, da die Tatbestände international geschützte Rechtsgüter1 zum Gegenstand haben. Daneben können auch andere Anknüpfungspunkte für das deutsche Strafrecht eingreifen. In vielen Fällen folgt die Erstreckung des deutschen Strafrechts auch aus internationalen oder zwischenstaatlichen Abmachungen, die freilich über den Anknüpfungspunkt des innerstaatlichen Strafrechts nicht stets eine klare Aussage enthalten 2 . Neuerdings erhebt Oehler mit Recht gegen das Weltrechtsprinzip, soweit es sich nicht auf die Piraterie und die Rotkreuzdelikte beschränkt, Bedenken, da dieses Prinzip ineffektiv, überflüssig und mitunter schädlich sei und der Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege (vor § 3 Rdn. 14) den Zweck einer umfassenden Verfolgung dieser Straftaten erfülle 3 .

2

II. Nummer 1 unterstellt den Völkermord (§ 220 a) dem Weltrechtsgrundsatz. Die in § 5 Abs. 1 Nr. 6 E 1962 vorgeschlagene Beschränkung auf im Inland domizilierte Deutsche enthält das Gesetz nicht. Man glaubte wegen der Schwere der Tat und angesichts der Tatsache, daß die Nummer 9 (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 E 1962) zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen könne 4 , von dieser Beschränkung absehen zu sollen. Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948 5 verpflichtet allerdings die Vertragsstaaten nicht, die Verfolgung des Völkermordes dem Weltrechtsgrundsatz zu unterstellen, sie geht vielmehr für Kriegs- und Friedenszeiten vom Territorialitätsprinzip aus.

3

Nummer 2 erfaßt die Kernenergie-, Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen in den gravierenden Vorsatzfällen der §§ 310b, 311 Abs. 1 bis 3, § 311 a Abs. 2 und § 311 b. Die Einbeziehung der Sprengstoffverbrechen unter das Universalitätsprinzip ent1

2 3 4 5

Zu diesem Begriff und kritisch zur Ausdehnung des Strafschutzes Oehler Internationales Strafrecht S. 525, 527. Hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 511 ff, 525. Zum ganzen Oehler Internationales Strafrecht S. 524 ff, 531 ; ferner auch JR 1977 426. 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 6. BGBl. 1954 II S. 730ff; von den USA, Großbritannien und der Sowjetunion nicht ratifiziert (nach Oehler Internationales Strafrecht S. 514 Fußn. 12). (154)

Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter (Tröndle)

§ 6

spricht dem herkömmlichen innerstaatlichen Recht 6 , sie war indessen nicht aufgrund übernommener Verpflichtungen aus internationalem Abkommen geboten 7 . Oehler1 hält diese Regelung — und damit auch die Erstreckung auf Kernenergieund Strahlungsverbrechen — vielmehr für geradezu antiquiert, wenn man sich vorstellt, daß die Bundesrepublik über die in USA, in den südamerikanischen Staaten oder im Orient begangenen Sprengstoffverbrechen die Gerichtsbarkeit beansprucht, falls der Täter in die Bundesrepublik kommt. Nummer 3 unterstellt den Angriff auf den Luftverkehr (§ 316 c) dem Weltrechts- 4 grundsatz. Die Bundesrepublik hat im Haager Übereinkommen vom 16. 12. 1970 zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (BGBl. 1972 II S. 1505) die Verpflichtung übernommen, Fälle der Luftpiraterie in ihrem Bereich zu verfolgen 8 , jedoch ergibt sich aus diesem Übereinkommen keine Verpflichtung, das Weltrechtsprinzip einzuführen 9 . Nummer 4 erfaßt die Fälle der Veranlassung der Prostitutionsausübung (§ 180 a 5 Abs. 3 bis 5) und des Menschenhandels (§ 181). Auch hier handelt es sich um Fälle, die bisher schon (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 a. F.) dem Weltrechtsgrundsatz unterstellt waren. Die Pflicht zur Verfolgung dieser Taten kann sich auf eine Reihe internationaler Abkommen 1 0 stützen, indessen weist hier OehlerH, wiederum darauf hin, daß lediglich die Geltung der Ubiquitätstheorie (§ 9 Rdn. 1 ff) vereinbart ist und hieraus noch nicht ohne weiteres eine Verpflichtung folgt, nach dem Weltrechtsprinzip zu verfahren. Nummer 5 erfaßt alle Fälle des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln (§ 1 6 BetmG) 12 . Es ist dies jede Tätigkeit, durch die ein Betäubungsmittel entgeltlich in den Besitz eines andern gebracht werden soll (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 5, 6a, 7 bis 10 i. Verb. m. Abs. 2 bis 6, § 12 BetmG). Die Vorschrift verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen allgemeine Grundsätze des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG. Auch war der deutsche Gesetzgeber befugt, wenn auch nicht verpflichtet, die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität dem Weltrechtsprinzip zu unterstellen (BGHSt. 27 30 m. Anm. Oehler JR 1977 426; Wengler JZ 1977 257). Nach dem „Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe", dem der Bundestag durch G vom 4.9. 1973 (BGBl. II S. 1353) zugestimmt hat, das für die Bundesrepublik

6

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11 12

Vgl. § 12 des Gesetzes gegen verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen vom 9. 6. 1884 (RGBl. S. 61); dieses Gesetz ist inzwischen durch das Sprengstoffgesetz vom 25. 8. 1969 (BGBl. I S. 1358—III 7 1 3 4 - 1 ) ersetzt. Oehler Internationales Strafrecht S. 516, 526, 532. Schmidt-Räntsch JR 1972 146. Oehler Internationales Strafrecht S. 495, 516, 532; Wille Verfolgung S. 238. Abkommen über die Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen Mädchenhandel vom 18.5.1904 (RGBl. 1905 S. 695ff), i. d. Fass. d. ÄndProt. vom 4. 5. 1949 (BGBl. 1972 II S. 1479); Internationales Abkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4.5. 1910 (RGBl. 1913 S. 31 ff) i. d. Fass. d. ÄndProt. vom 4.5. 1949 (BGBl. 1972 II S. 1482) und des Internationalen Übereinkommens zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels vom 30. 9. 1921 (RGBl. 1924 II S. 181 ff.) - hierzu v. Glasenapp DJZ 1925 1311 - i. d. Fass. d. ÄndProt. vom 12. 11. 1947 (BGBl. 1972 II S. 1489) und schließlich das Abkommen betreffend die Sklaverei vom 25. 9. 1926 (RGBl. 1929 II S. 63) i. d. Fass. d. ÄndProt. vom 7. 12. 1953 (BGBl. 1972 II S. 1473). Internationales Strafrecht S. 18, 514. Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vom 10. 1. 1972 (BGBl. I S. 1 — III 2 1 2 1 - 6 ) , letztes ÄndG vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469, 549).

(155)

§6

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Deutschland am 2. 1. 1974 in Kraft getreten ist 12a und das in seinem Art. 44 Abs. 1 Buchst, a, c und d die früheren internationalen Opiumabkommenl 2b abgelöst hat, ist die Bundesrepublik zur Verfolgung dieser Taten verpflichtet. Allerdings legt Art. 36 Abs. 2 Buchst, a IV dieses Einheits-Übereinkommens eher eine Verfolgung nach dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege nahe, nach Absatz 3 derselben Bestimmung sollen indessen hierdurch die Strafrechtsanwendungsnormen der Vertragsparteien nicht beeinträchtigt werden. Im übrigen empfiehlt das Abkommen vom 26. 6. 193613, das Deutschland freilich nicht übernommen hat, das Universalitätsprinzip 14 . 7

Nummer 6 dehnt in seiner endgültigen Fassung das Weltrechtsprinzip nur auf die sog. „harte" Pornographie im Sinne des § 184 Abs. 3 aus. Da der Gesetzgeber durch die begrenzte Freigabe der „einfachen" Pornographie im 4. StrRG 15 gehalten war, die internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes unzüchtiger Veröffentlichungen vom 12.9. 1923 (RGBl. 1925 II S. 289) zu kündigen 16 und hierbei eine einjährige Kündigungsfrist einzuhalten, mußte nicht nur für § 184, sondern auch für die Nummer 6 des § 6 eine Übergangsfassung für die Zeit vom 1. 1. 1975 bis 27. 1. 1975 (oben vor Rdn. 1) geschaffen werden. Die Kündigung dieses Abkommens wurde mit dem 25. 1. 1975 wirksam 17 . Freilich enthält es lediglich eine Verpflichtung der Vertragsstaaten — soweit möglich, auf der Grundlage des aktiven Personalitätsprinzips und des Ubiquitätsprinzips (§ 9 Rdn. 1 ff) —, entsprechende Vorschriften zu erlassen, die die Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebs unzüchtiger Veröffentlichungen zum Gegenstand haben. Eine Verpflichtung, das Weltrechtsprinzip zugrundezulegen, bestand nicht 1 8 .

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Nummer 7 unterstellt die Fälle der Geld· und Wertpapierfälschung sowie deren Vorbereitung (§§ 146, 149, 151, 152) dem Weltrechtsprinzip. Das Gesetz folgt insoweit dem internationalen Abkommen zur Bekämpfung der Falschmünzerei vom 20. 4. 1929 (RGBl. 1933 II S. 914)19.

8a

Nummer 8 ist durch das 1. WiKG vom 29. 7. 1976 (BGBl. I S. 2034) eingefügt worden und nimmt den Subventionsbetrug (§ 264) in den Katalog des § 6 auf. Diese deutliche Überdehnung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts hat in dem Bemühen ihren Grund, Täter ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und auf das Tatortrecht mit der Strafdrohnung des § 264 zu erreichen, die nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften aus öffentlichen Mitteln Subventionen erschleichen (vgl. Müller-Emmert/Maier NJW 1976 1658, 1660). I2a

Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 15.8. 1974 (BGBl. II S. 1211). 12b Internationales Opiumabkommen vom 23. 1. 1912 (RGBl. 1921 S. 6) und vom 19. 2. 1925 (RGBl. 1929 II S. 407) und internationales Betäubungsmittelabkommen vom 10. 6. 1933 (RGBl. 1933 II S. 319). 13 Convention for the suppression of the illicit traffic in dangerous drugs v. 26. 6. 1936 (Société des Nations, Recueil des Traités vol. 198, 1939, p. 299). 14 Oehler Internationales Strafrecht S. 18, 515. 15 Vom 23.11. 1973 (BGBl. I S. 1725). 16 Hiergegen krit. Dreher JR 1974 56. 17 Bek. über das Außerkrafttreten vom 22. 5. 1974 (BGBl. 1974 II S. 912). 18 Oehler Internationales Strafrecht S. 18, 515. 19 Hierzu Oehler Internationales Strafrecht S. 19, 147, 368, 495, 512, kritisch zum Weltrechtsprinzip insoweit S. 531. (156)

Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter (Tröndle)

§ 6

Nummer9 enthält —dem §4 Abs.3 Nr. 10 i.d.Fass.ll.StRÄndG 2 0 f o l g e n d - 9 eine Generalklausel, wonach alle Auslandsstraftaten dem Weltrechtsprinzip unterliegen, zu deren Verfolgung sich die Bundesrepublik aufgrund eines zwischenstaatlichen Abkommens verpflichtet hat. Mit dieser Vorschrift wollte es der Gesetzgeber ermöglichen (E 1962 Begr. S. 110), völkerrechtlichen Verpflichtungen dieser Art nach der Ratifikation des betreffenden Abkommens nachzukommen, ohne daß das Strafgesetzbuch geändert werden muß. Zwar vermögen solche Abkommen — da völkerrechtliche Verpflichtungen nicht per se ins innerstaatliche Recht transformiert sind 21 — keine neuen Straftatbestände zu schaffen oder geltende zu erweitern. Die Nummer 9 enthält aber nicht nur eine zuständigkeitsbegründende Prozeßnorm. Sie ist vielmehr eine Strafrechtsnorm, die den materiellen Geltungsbereich der betreffenden (vorhandenen) Straftatbestände auf Auslandstaten ausdehnt22, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Tatortrecht eine entsprechende Vorschrift enthält. Daher gilt über die Nummer 9 das Weltrechtsprinzip aufgrund des internationalen Übereinkommens betreffend die Sklaverei vom 25. 6. 192623 für die Strafvorschriften des Sklavenraubgesetzes 24 . Dasselbe gilt für die vier Genfer Rotkreuzabkommen vom 12. 8. 194925, mögen es auch diese Abkommen an sachlicher und sprachlicher Klarheit fehlen lassen. Oehler26 weist aus diesem Grunde darauf hin, daß die Nummer 9 ihre klarstellende Funktion nicht erfüllen könne, sondern ihrerseits Streitfragen schaffe, so z.B., wenn zwischenstaatliche Abkommen—wie oft— auf das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege (vor § 3 Rdn. 14) oder den aktiven Personalgrundsatz (vor § 3 Rdn. 9) hinzielen und etwa eine Strafdrohung am Tatort oder die Nichtauslieferung des Täters voraussetzen. In diesen Fällen ist nicht anzunehmen, daß die Nummer 9 über ein solches zwischenstaatliches Abkommen hinausgehend die Anwendung des Weltrechtsgrundsatzes unabhängig vom Tatortrecht gebietet. III. Auf Auslandstaten der in § 6 umschriebenen Art findet das deutsche Straf- 10 recht auch dann Anwendung, wenn das Tatortrecht die Tat milder oder überhaupt nicht bestraft. Im übrigen kennt § 6 — im Gegensatz zu § 5 (vgl. dort Rdn. 4, 13, 16 ff) — keine täter- oder opferbezogenen Einschränkungen. Auf die Staatsangehörigkeit des Täters oder Teilnehmers kommt es daher in keinem Falle an 2 7 . Für die Verfolgung von Auslandstaten gilt verfahrensrechtlich das Opportuni- 11 tätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1 StPO).

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Vom 16. 12. 1971 (BGBl. I S. 1977), zurückgehend auf § 5 Abs. 1 Nr. 7 E 1962.

Vgl. Maunz-Dürig, GG Art. 25 Rdn. 30. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10. In der Bekanntmachung vom 14. 1. 1929 (BGBl. 1929 II S. 63) sowie das Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavenähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7. 9. 1956 (BGBl. 1958 II S. 203). Gesetz betreffend die Bestrafung des Sklavenraubes und des Sklavenhandels vom 28. 7. 1895 (RGBl. S. 425), zuletzt geändert durch Art. 148 EGStGB vom 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). BGBl. 1954 II S. 783, 813, 838, 917. Die weiteren Staaten, die diesen Abkommen beigetreten sind, ergeben sich aus der Textsammlung „Kriegsvölkerrecht" hrsg. von Hinz, 2. Aufl. 1960. Internationales Strafrecht S. 527.

Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12.

(157)

§7

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

§7 Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter 1. zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder 2. zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist. Schrifttum Vgl. vor den Vorbemerkungen zu den §§ 3 bis 7.

Entstehungsgeschichte § 7 Abs. 2 Nr. 1 hatte bereits in § 4 Abs. 2 Nr. 3 der Ursprungsfassung des RGStG, wonach ein Deutscher, der eine am Tatort mit Strafe bedrohte Auslandstat begangen hat, nach deutschem Strafrecht verfolgt werden konnte, einen Vorläufer. Die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) schuf den § 4, der in seinem Abs. 2 — im Hinblick auf das aktive Personalitätsprinzip beschränkt auf Auslandstaten von Ausländern — eine Regelung enthielt, die im wesentlichen dem § 7 entspricht. Die derzeitige Fassung des § 7(2. StrRG) ist se/ídem 1.1.1975 in Kraft. Sie geht wörtlich auf den § 6 E 1962 zurück. Der § 7 AE sah keine Bestimmung im Sinne des § 7 Abs. 1 vor und schlug für die Vorschrift des § 7 Abs. 2 das Erledigungsprinzip (vor § 3 Rdn. 14) und die Berücksichtigung der ausländischen lex mitior vor (AEBegr. S. 37). Gesetzesmaterialien. § 6 E 1962 Begr. S. 112; vgl. weiterhin wie vor § 5.

I. Allgemeines 1

1. Die Vorschrift enthält weitere Bereiche, in denen zufolge des Schutzprinzips, des Personalitätsgrundsatzes und der stellvertretenden Strafrechtspflege das deutsche Strafrecht auf Auslandstaten anwendbar ist. Es werden hier nicht bestimmte Straftatbestände, wie in den §§ 5 und 6 aufgezählt, sondern bestimmte täter- oder opferbezogene Situationen, in denen der Gesetzgeber die Erstreckung der deutschen Strafnormen für erforderlich erachtet hat. In Absatz 1 geht es um eine umfassende Ausprägung des Individualschutzprinzips, also des passiven Personalitätsgrundsatzes1 (vor § 3 Rdn. 8) zugunsten Deutscher. In Absatz 2 Nr. 1 kommt das

1

WoesnerZRF 1976 250; Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 1) meinen, daß in Abs. 1 1. Alt. der Gedanke der stellvertretenden Strafrechtspflege vorherrsche. (158)

§7

Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (Tröndle) 2

(eingeschränkte) aktive Personalitätsprinzip (vor § 3 Rdn. 9 f) zum Ausdruck . Verschiedentlich wird die Nummer 1 zugleich 3 (oder ausschließlich 4 ) mit dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege begründet. Diese Auffassung berücksichtigt indessen nicht hinreichend, daß die Bundesrepublik ihre eigenen Staatsangehörigen, die im Ausland delinquiert haben und ins Heimatland zurückkehren, in keinem Falle ausliefern darf (Art. 116 GG) 5 , aber auch ihre Auslandstaten, die nach beiden Rechtsordnungen strafbar sind, nicht ungesühnt lassen kann. Die Bundesrepublik nimmt daher nach Absatz 2 Nr. 1 nicht Aufgaben des Tatortstaates wahr, wie dies beim Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege der Fall ist, sondern ihre originäre Aufgabe 6 . Das gilt umsomehr, als das geltende Recht nicht vom Erledigungsprinzip (vor § 3 Rdn. 14), sondern lediglich vom „Anrechnungsprinzip" (vgl. § 51 Abs. 3)7 ausgeht und die lex mitior des Tatorts, solange die Tat nach der lex loci überhaupt mit Strafe bedroht ist, unberücksichtigt läßt 8 . Bei Absatz 2 Nr. 2 handelt es sich hingegen um eine reine Ausprägung des Gedankens der stellvertretenden Strafrechtspflege (vor § 3 Rdn. 14). In allen Fällen des § 7 setzt die Erstreckung des deutschen Strafrechts voraus, 2 daß die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist (Vorhandensein einer lex loci, unten Rdn. 3) oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt (Niemandsland, Rdn. 7). 2. Mit dem Erfordernis, daß die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist, will das 3 Gesetz verhindern, daß die Geltung der Normen des Inlandsrechts überspannt und in Bereiche ausgedehnt wird, wo der zuständige Auslandsstaat einen strafrechtlichen Schutz insoweit nicht für geboten erachtet 9 . Als Zeitpunkt für die Auslandseigenschaft des Tatorts und die Strafbedrohtheit ist die Zeit der Tat (§ 8) maßgebend (RGSt. 55 267)10. Fällt auch nur ein Teil der Handlung oder des Erfolgseintritts (vgl. § 9) ins Inland (vor § 3 Rdn. 50ff), so gilt § 3, weil dann eine Inlandstat vorliegt (RGSt. 57 144). a) Als „mit Strafe bedroht" wurde nach bisheriger Rechtsprechung eine Hand- 4 lung dann angesehen, wenn der Tatortstaat ihretwegen, und zwar so wie sie in der Hauptverhandlung festgestellt wird, unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt irgendeine Sühnemaßnahme vorsähe (BGHSt. 2 161, 8 356). Dies brauchte daher nicht unbedingt eine Kriminalstrafe im eigentlichen Sinne zu sein. Eine Geldbuße, 2

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Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A 2 a ; Jescheck AT § 18 IV 1 ; Blei AT § 12 III 1 c; Bockelmann AT § 5 II 2; Baumann AT § 6 II 3; Tröndle JR 1977 2; vgl. Oehler Internationales Strafrecht S. 144, 500; AE § 7 Begr. S. 37. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 1 ; Dreher Rdn. 1 ; Preisendanz Anm. 2. Lackner Anm. 1 ; Samson SK Rdn. 1. Schröder ( JZ 1968 242) weist in diesem Zusammenhang mit Recht daraufhin, daß insoweit das Personalitätsprinzip eine notwendige Konsequenz des Auslieferungsverbots ist. Vgl. Oehler Internationales Strafrecht S. 451, 500; Tröndle JR 1977 2; a. A. wohl Stratenwerth A T Rdn. 115. LK Voraufl. § 60 Rdn. 59; hierzu Hans Schultz Gallas-Festschrift (1973) 59. Für Erledigungsprinzip und Berücksichtigung der lex mitior jedoch AE § 7 Abs. 2, 3 und Stratenwerth AT Rdn. 114; vgl. hierzu BGHSt. 27 34. E 1962 Begr. S. 112f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4. Oehler (Internationales Strafrecht S. 145) weist für die Fälle der stellvertretenden Strafrechtspflege darauf hin, daß das Erfordernis der lex loci sich auch daraus ergibt, daß es sich bei diesem Prinzip in Wirklichkeit um eine Zuständigkeitsverteilung handle. Dreher Rdn. 7; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7.

(159)

§7

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

wie sie das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht androht, oder die öffentlichrechtliche Ahndung nach vergleichbaren Vorschriften konnte nach der Rechtsprechung bisher für das Erfordernis der identischen Norm genügen 11 . Diese Auffassung hat der 4. StS des BGH in seinem Beschluß vom 30.9. 1976 (BGHSt. 27 5) aufgegeben und den Fall der Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c) eines bundesdeutschen Kolonnenspringers auf einer in der DDR gelegenen Transitstrecke (vor § 3 Rdn. 102) nach dem Recht der Bundesrepublik nicht für verfolgbar erachtet, weil eine solche Tat nach dem Recht der DDR als Ordnungswidrigkeit nur mit „Ordnungsstrafmaßnahmen" geahndet werde und daher am Tatort nicht „mit Strafe bedroht" sei. Der Senat meint, daß das frühere Recht die Unterscheidung zwischen strafwürdigem Unrecht und bloßen Ordnungswidrigkeiten, die nur mit Ordnungsmaßnahmen zu ahnden seien, nicht gekannt habe und inzwischen auch ausländische Strafrechtsordnungen vergleichbare Unterscheidungen treffen. Dies sei bei der Anwendung des neuen § 7 zu berücksichtigen (BGHSt. 27 8) und stehe dessen ausdehnender Auslegung entgegen. Ebenso hat bisher — neben anderen Autoren (Oehler, Eser, Samson)11 — schon Schröder (JZ 1968 244) die Auffassung vertreten, daß die bei Auslandstaten in diesen Fällen auszusprechende Strafe lediglich im Interesse des Tatortstaates verhängt werde und daher zu verlangen sei, daß das ausländische Tatortrecht auch eine Kriminalstrafe vorsehe. Die Entscheidung BGHSt. 27 5 macht jedoch eher deutlich, daß diese Argumentation nicht das Richtige trifft. In Wahrheit bestehen gegen BGHSt. 27 5 sowie gegen die Auffassung Schröders erhebliche Bedenken (vor § 3 Rdn. 102): 4a In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 des § 7 greift nämlich nicht das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege Platz, sondern das (eingeschränkte) aktive Personalitätsprinzip (Rdn. 1). Das Erfordernis der identischen Norm will lediglich vermeiden, daß Auslandstaten vom deutschen Strafrecht erfaßt werden, die am Tatort überhaupt kein Unrecht sind. Der Sinn dieser Regelung folgt aus dem völkerrechtlichen Mißbrauchsverbot l l a , wonach für solche Auslandstaten im Inland grundsätzlich nicht gehaftet werden soll, die nach den Vorschriften des Tatortstaates sanktionslos sind. Wenn es in § 7 „mit Strafe bedroht" heißt, so bezieht sich das Wort „Strafe" in diesem Zusammenhang stets auf das Tatortrecht: Es können also nie die Strafen der §§ 36 ff gemeint sein, sondern immer nur das jeweilige Sanktionssystem des ausländischen Rechts. Danach hat sich auch die Auslegung des Wortes „Strafe" in § 7 zu richten ( Tröndle JR 1977 1). Daß die DDR in ihren Gesetzen zwischen Strafen und Ordnungswidrigkeiten in etwa demselben Sinne unterscheidet wie die Bundesrepublik, kann entgegen BGHSt. 27 5 nicht ohne weiteres bedeuten, daß die DDR-Ordnungswidrigkeiten vom Begriff der „Strafe" in § 7 nicht einbezogen wären. Dieser Begriff muß vielmehr so interpretiert werden, daß eine eindeutige und eine einheitliche Auslegung — bezogen auf sämtliche Rechtsordnungen — möglich ist. Das ist aber nicht der Fall, wenn es — wie BGHSt. 27 8 meint — für die Anwendung des Strafrechts der Bundesrepublik darauf ankommen soll, daß die Tat am Tatort mit „Strafe" im engen Sinne bedroht ist und andere Maßnahmen" die An11

K G in dem nichtveröffentlichten Vorlegungsbeschluß vom 2. 10. 1975 — (2) Ss 126/75 (21/75) —, der zu BGHSt. 27 5 führte; ferner Dreher Rdn. 7; vgl. aus der älteren Rechtsprechung: RG H R R 1939 1550; ferner zu § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 4 a. F.: BGHSt. 8 356, 21 279; a. A. (Bedrohtheit mit Kriminalstrafe erforderlich: Oehler Internationales Strafrecht S. 457; Schröder JZ 1968 243; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4; Samson SK Rdn. 2; Blei JA 1977 135. 1la Vgl. Jescheck AT § 18 II 3; Tröndle JR 1977 2. (160)

Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (Tröndle)

§7

wendbarkeit des § 7 ausschließen. Ob über § 7 das deutsche Strafrecht eingreift, kann doch letztlich nicht eine Folge des Sanktionensjííe/wí des Tatortrechts sein, mit der Wirkung, daß in Ländern, wo etwa ein monistisches Tatfolgensystem herrscht, die Anwendung deutschen Strafrechts von vornherein nicht in Betracht kommt 1 l b . Für die in § 7 vorausgesetzte Reaktionsbedürftigkeit gegenüber einer Tat kann es auf das Tatfolgenjjííewi nicht ankommen. Nach dem eingangs erwähnten Sinn des Erfordernisses der identischen Norm muß es stets für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ausreichen, daß nach dem Tatortrecht überhaupt eine reaktionsbedrohte Normwidrigkeit vorliegt. Vom deutschen Richter kann der Gesetzgeber grundsätzlich nur eine Entscheidung über das „Ob" der Normwidrigkeit einer Auslandstat nach dem Tatortrecht erwarten, nicht hingegen deren exakte Subsumtion. Der 4. Strafsenat konnte zwar bei seiner Entscheidung (BGHSt. 27 5) davon ausgehen, daß Richtern der Bundesrepublik eine Tatsubsumierung und eine Entscheidung über die verwirkte Sanktion nach dem DDR-Recht gelingen wird. Der Senat hat aber nicht bedacht, daß dieselbe Frage sich auch bei anderen Auslandstaten stellt. Der inländische Richter wird nämlich in der Regel gar nicht in der Lage sein, etwa bei Taten in fremdsprachigen Ländern, insbesondere in der Übersee — im Jet-Zeitalter keine Seltenheit —, sich über die Sanktion nach dem Tatortrecht ein zutreffendes Bild zu machen, da er Rechtsordnung und Rechtspraxis am Tatort nicht kennt 12 . Hinzu kommt, daß die Entscheidung darüber, ob nach dem Tatortrecht eine Kriminalstrafe in Betracht kommt oder eine Sanktion anderer Art von Umständen abhängen kann, die nach der lex fori keine Entsprechung haben und daher schwer zu beurteilen sind, weil sie aus der Sicht des Aburteilungsstaates überzeugende Abgrenzungskriterien nicht aufweisen ( Tröndle JR 1977 2). So ist die Abscheidung zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungsrecht — gerade auch im deutschen Recht — schon im Grundsatz außerordentlich problematisch 13 . Es gibt z. B. Ordnungswidrigkeiten von einem Unrechtsgehalt, gegenüber denen geringere Straftaten in ihrer praktischen Bedeutung zurücktreten. Nach allem kann es für die Strafbedrohtheit am Tatort im Sinne des § 7 immer nur darauf ankommen, ob die Tat überhaupt normwidrig ist und einer Sanktion unterliegt. Durch BGHSt. 27 5 erfährt der Rechtsschutz auf Transitstraßen nach Berlin (West), der insbesondere für Bundesbürger von Bedeutung ist, eine befremdliche Verkürzung (vor § 3 Rdn. 102) und § 7 am Beispiel einer DDR-Tat eine Einschränkung. Sie läßt sich nicht verallgemeinern, ohne daß der vom Gesetz vorgesehene Wirkungsbereich des § 7 sachwidrig eingeengt wird. Auch kann — entgegen BGHSt. 27 5 — nicht anerkannt werden, daß das neue Recht diese abweichende Auslegung des § 7 geböte. Umgekehrt: Unter dem Aspekt der identischen Norm hat § 7 im Verhältnis zur entsprechenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 a. F. gar nichts geändert: Der (zufolge des Personalitätsprinzips auf Ausländer beschränkte) § 4 Abs. 2 a. F., zu dem BGHSt. 2 160 ergangen war, wollte nämlich gewährleisten, daß bei Auslandstaten am Tatort sanktionsfreies Verhalten auch dem deutschen Strafrecht nicht unterfällt. Keinen anderen Zweck erfüllt der (für Inländer und Ausländer) geltende § 7. Zu Unrecht zieht der Senat in diesem Zusammenhange den § 3 Abs. 2 a. F. an, der lediglich die Funktion hatte, für das frühere Recht unerträgliche Ungereimtheiten des absoluten aktiven Personalitätsprinzips (vor § 3 Rdn. 10) zu vermeiden, während bei § 7, der von an1lb 12

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Hierauf weist Dreher(37. Aufl.) Rdn. 7 mit Recht hin. Auf diese Schwierigkeiten weist Oehler (Internationales Strafrecht S. 455) auch in anderem Zusammenhange hin. Vgl. Tröndle JR 1977 2. Vgl. Göhler OWiG, 4. Aufl. vor § 1 Anm. 2 A.

(161)

§7

I. Abschnitt. Das Strafgesetz

deren Prinzipien beherrscht ist (Rdn. 1), dieses Problem gar nicht auftritt ( Tröndle JR 1977 2). 4b

Im übrigen ist bei der Prüfung des Tatortrechts eine konkrete Betrachtungsweise maßgebend: Entscheidend ist nicht, ob die beiden zu vergleichenden Rechte an sich korrespondierende oder gleichbenannte Strafnormen haben. Es kommt vielmehr darauf an, ob die konkrete Tat einer Norm des Tatortrechts unterfällt 1 4 . Decken braucht sich der ausländische Tatbestand mit dem deutschen nicht (vgl. RGSt. 5 424, 54 249), noch braucht die vergleichbare ausländische Vorschrift denselben Rechtsgedanken zu verfolgen 1 5 . Auf Konkurrenzfragen des ausländischen Strafrechts kommt es nicht an (RGSt. 42 330) 16 . Schützt hingegen der deutsche Tatbestand und der vergleichbare ausländische jeweils nur Rechtsgüter der eigenen Rechtsordnung (hierzu im einzelnen oben vor § 3 Rdn. 23), so kann eine solche nicht zur Anwendung des deutschen Strafrechts führen, weil schon der betreffende deutsche Straftatbestand eine Auslandstat überhaupt nicht erreicht. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Vorschrift des § 7, die gerade auch im Hinblick auf ihre Durchbrechungen des Territorialitätsprinzips Kritik erfahren hat (vor § 3 Rdn. 19), unter dem Aspekt des Erfordernisses der identischen Norm auch Lücken läßt. So greift seit der Rückkehr zum Gebietsgrundsatz § 171 (Doppelehe) nicht mehr ein, wenn der verheiratete Täter in einem Lande, wo die Mehrehe zulässig ist (ζ. B. Indonesien und afrikanische Staaten) eine Zweitehe schließt' 7 . Ein solches Zustandsdelikt könnte im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat mancherlei die Rechtsordnung störende Konsequenzen haben.

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b) Ob auch Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Tatortrechts zu beachten sind, ist nicht leicht zu entscheiden und kann auch davon abhängen, ob für die Anwendung des deutschen Strafrechts das Schutzprinzip oder das der stellvertretenden Strafrechtspflege maßgebend ist. Unter Umständen ist es für den inländischen Richter schwer zu beurteilen, ob die Voraussetzungen von ausländischen Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- und Strafausschließungsgründen vorliegen. Unzutreffend ist es, sie generell und ohne weiteres eingreifen zu lassen 1 8 . Hierüber sollte zumindest insoweit Einigkeit bestehen, als es sich um ausländische Strafbefreiungsgründe handelt, die universal anerkannten Rechtsgrundsätzen oder dem ordre public der eigenen Rechtsordnung widerstreiten (ζ. B. politische Mordbefehle)'9, da es schlechthin undenkbar ist, bei der Anwendung deutschen Strafrechts rechtsordnungswidrigen fremden Normen Geltung zu verschaffen (vgl. vor § 3 Rdn. 99).

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RGSt. 40 404, 70 324; Mezger DStR 1941 21; Schröder JZ 1968 243; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4. BGHSt. 2 161, BGH NJW 1954 1086; RGSt. 5 424, 42 332, 54 249, 70 329, RGDJ 1940 515; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4, LK Voraufl. § 3 Rdn. 3 ; einschränkend wohl Oehler Internationales Strafrecht S. 457; a. A. Samson SK Rdn. 2. Dreher Rdn. 7; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4. Oehler (Internationales Strafrecht S. 454), der auf diesen Fall hinweist, macht weiter darauf aufmerksam, daß dieser Fall vor 1940 nicht zu fürchten war, weil damals alle Kolonialmächte in ihren Gebieten für Fremde die Doppelehe verboten hatten. So offenbar Samson SK Rdn. 2, wohl auch Grün wald JZ 1966 633. E 1962 S. 113, Jescheck Internationales Recht und Diplomatie 1956 92; Nowakowski JZ 1971 636; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 5; Oehler Internationales Strafrecht S. 456; vgl. auch Grünwald JZ 1966 633. (162)

Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (Tröndle)

§7

c) Unerheblich sind Verfolgungshindernisse des Tatortrechts (Verjährung, Straf- 6 antrag, Amnestie). Es sind allein die sachlichrechtlichen Normen des Tatortrechts für die Frage maßgebend, ob deutsches Strafrecht gilt 20 . Bei dessen Anwendung kann es verfahrensrechtlich nur auf die lex fori ankommen. 3. Unterliegt der Tatort keiner Strafgewalt, so ist für eine Einschränkung der An- 7 wendbarkeit des deutschen Rechts aus dem Gesichtspunkt des Tatortrechts kein Raum. Keiner Strafgewalt unterliegen das Niemandsland (Schiffbrüchige auf hoher See, Expedition in der Antarktis), aber auch kleine Schiffe, die keine Flagge führen und daher nach § 4 nicht erfaßt werden 2 1 . II. Nach Absatz 1 gilt das deutsche Strafrecht unter den Voraussetzungen der 8 Rdn. 3, 7 für Auslandstaten, die sich gegen einen Deutschen richten. 1. Wer in diesem Sinne Deutscher ist, ergeben grundsätzlich die Rdn. 62 ff vor 9 § 3. Einigkeit besteht darüber, daß hierunter jedenfalls die deutschen Staatsangehörigkeiten fallen, die in der Bundesrepublik Deutschland ihre Lebensgrundlage haben, sowie die unter den Voraussetzungen des Art. 116 Abs. 1 G G den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellten deutschen Volkszugehörigen. Hingegen ist umstritten, ob der Begriff des „Deutschen" im Sinne des § 7 Abs. 1 weitergeht und auch die DDR-Bürger mitumfaßt 2 2 . Dies ist nach richtiger Auffassung zu verneinen 2 3 . Zwar bezieht der Begriff des Deutschen in § 5 Nr. 6 dann auch die DDRBürger mit ein, wenn und soweit der Rechtsschutz der §§ 234a, 241a für sie wirksam werden soll (§ 5 Rdn. 7). Das hängt aber mit der besonderen Schutzrichtung und der Funktion dieser Tatbestände zusammen. Bei der allgemeineren, nicht auf bestimmte Tatbestände bezogenen Vorschriften des § 7 ist beim Begriff des Deutschen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineinzulesen, daß er „seine Lebensgrundlage im Geltungsbereich des StGB" hat (Roggemann). Nur diese Auslegung ist sachgerecht. Die Bundesrepublik kann zwar ihr Strafrecht bei Taten anwenden, die in der D D R gegen Bundesbürger begangen wurden, nicht aber wenn sie dort oder sonst im Ausland gegen DDR-Bürger begangen sind 2 3 a . Das widerspräche auch dem Grundlagenvertrag, der die staatliche Selbständigkeit und Souveränität der D D R anerkennt (vgl. vor § 3 Rdn. 66 f, 96 f)· 2. Gegen einen Deutschen ist die Tat begangen, wenn er durch sie verletzt ist oder 10 bei einem Versuch verletzt werden sollte. Verletzt ist derjenige, in dessen Rechts20

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(163)

Zu § 3 Abs. 2 a. F.: RGSt. 40 402, 54 249; BGHSt. 2 161, BGH NJW 1954 1086 (Strafantrag), BGHSt. 11 63 (Amnestie), BGH 5 StR 418/64 v. 10. 11. 1964 (Strafantrag des polnischen Staates) mitgeteilt bei Pfeiffer-Maul-Schulle § 4 Anm. 2; zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 in der Ursprungsfassung: BGHSt. 20 27 (Strafverlangen des ausländischen Staates) inzwischen zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 n. F. BGH GA 1976 243 (Verjährung); Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Dreher Rdn. 7; a. A. noch Schröder JZ 1968 243. Oehler Internationales Strafrecht S. 301, 454; Jescheck AT § 18 V I ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8. So Dreher Rdn. 3, aber auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9, der im Hinblick darauf, daß es sich in dieser Vorschrift um den Schutz der Deutschen geht, auch nach dem funktionalen Inländerbegriff (vgl. vor § 3 Rdn. 66) die DDR-Bürger miteinbezieht. Lackner Anm. 2; Samson § 3 Rdn. 7; Roggemann ROW 1974 194, ferner Roggemann Strafrechtsanwendung S. 35, 43 und ZRP 1976 245; so wohl auch BGH im Weinhold-Urteil v. 9. 9. 1977 - 4 StR 230/77. Es sei denn, der Täter würde später Bundesbürger (siehe § 7 Rdn. 13).

§7

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

sphäre die Tat unmittelbar eingreift (RGSt. 68 305), dessen Rechte oder rechtlich geschützten Güter also widerrechtlich beeinträchtigt werden oder werden sollen. Hierbei muß es sich um einen bestimmten oder zumindest einen bestimmbaren einzelnen Deutschen 24 handeln (BGHSt. 18 285). Auch juristische Personen, die ihren Sitz im Inland haben, fallen darunter 25 ; dasselbe gilt für die Leibesfrucht, denn sie ist beim Schwangerschaftsabbruch geschütztes Rechtsgut, die Einwilligung der Schwangeren ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. BGHSt. 18 285 f). Seit dem 4. StrRG vom 23. 11. 1973 (BGBl. I S. 1725) sind auch Taten nach § 180a (Förderung der Prostitution) und § 181 a (Zuhälterei) gegen die Dirne und nach § 180 (Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger) gegen die verkuppelte Person gerichtet 26 . Die Einfuhr von Betäubungsmitteln (§ 11 Abs. 4 Nr. 6 BetmG) richtet sich jedoch nicht gegen einen einzelnen, sondern gegen die Allgemeinheit (OehlerJR 1977 425). 11

3. Täter der in Absatz 1 umschriebenen Auslandstaten kann jedermann sein. Auf seine Staatsangehörigkeit kommt es nicht an.

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III. Nach Absatz 2 Nr. 1 gilt das deutsche Strafrecht unter den Voraussetzungen der Rdn. 3, 7 für Auslandstaten Deutscher oder sog. Neubürger. Die Vorschrift ist aufgrund des Auslieferungsverbots des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG unabweisbar. Die Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden nehmen in diesen Fällen grundsätzlich eine originäre und nicht etwa eine Aufgabe der Tatortgerichte wahr (oben Rdn. 1).

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1. Für den Begriff des Deutschen ist zunächst das oben zu Rdn. 9 Gesagte zu vergleichen. Freilich ist dort der Begriff unter dem Aspekt des Tatopfers auszulegen, hier unter dem des Täters. Unter diese Nummer fallen außer den „Neubürgern" (unten Rdn. 15) grundsätzlich nur Deutsche, die in der Bundesrepublik Deutschland ihre Lebensgrundlage haben 27 . DDR-Bürger sind als Täter bei der Strafrechtsanwendung wie Ausländer zu behandeln (vor § 3 Rdn. 65). Für sie greift grundsätzlich die Nummer 2 (unten Rdn. 16 ff) ein, es sei denn, sie erhielten nach ihrem Grenzübertritt den Status eines Bundesbürgers. Im übrigen ist der Vorbehalt einer Auslieferung bei DDR-Bürgern unter dem Gesichtspunkt der „Zulieferung" im Sinne des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen (vor§ 3 Rdn. 103) zu sehen 28 . Unterbleibt also eine Zulieferung im Sinne des § 2 des erwähnten Gesetzes, weil bei der Aburteilung in der DDR rechtsstaatliche Grundsätze nicht gewährleistet scheinen 29 , so ist für die in der DDR begangene Tat des DDR-Bürgers das deutsche Strafrecht im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 maßgebend. Freilich bleibt auch für die DDR-Bürger die Nummer 1 dann von Bedeutung, wenn sie außerhalb der DDR im Ausland Straftaten begangen haben, in der Bundesrepublik betroffen werden und ihre Auslieferung deswegen ausgeschlossen ist, weil sie „Deutsche im Sinne des Grundgesetzes" (Art. 116, 16 Abs. 2) sind und daher im Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland/Land Berlin leben^O. in diesem 24

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Die Ausdehnung der Verletzungsrichtung auf das „deutsche Volk", wie dies § 4 Abs. 2 Nr. 2 a. F. vorgesehen hatte, hat das neue Recht nicht mehr aufgenommen. LK Vorauf!, zu § 4 a. F. Rdn. 9; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10; a. A. Dreher Rdn. 6. Anders noch für die alte Fassung der §§ 180, 181a: BGHSt. 18 283 m. Anm.; Oehler J Z 1964 382 und Krumme LM § 4 StGB (a. F.) Nr. 5. Roggemann Strafrechtsanwendung S. 35; a. A. Dreher Rdn. 2f, 9; BGH v. 9.9. 1977 — 4 StR 230/77. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15. Vgl. BVerfGE 37 65 = NJW 1974 894. BVerfGE 36 30 f = NJW 1973 1539, BVerfGE 37 64 ff = NJW 1974 894. (164)

Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen (Tröndle)

§7

Falle sind sie — zu ihrem Schutze — entsprechend den Fällen, wo sie Tatopfer sind (vor § 3 Rdn. 66) als Deutsche zu behandeln. Sie unterliegen dann dem deutschen Strafrecht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 wie andere Deutsche. Der Anwendungsbereich der Vorschrift reicht so weit wie der Auslieferungsschutz des Art. 16 GG 3 1 . 2. War der Täter zur Zeit der Tat (§ 8) Deutscher im angegebenen Sinne 14 (Rdn. 13), so bleibt das deutsche Strafrecht anwendbar, auch wenn der Täter nach der Tat die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben oder sonst verloren hat 32 . 3. Die Gleichstellung des „Neubürgers", der im Tatzeitpunkt noch keine Bin- 15 dung zum deutschen Recht hatte, mit dem Deutschen erklärt sich daraus, daß auch ihm das Auslieferungsverbot des Art. 15 GG zugute kommt und damit eine Verfolgung durch den Tatortstaat ausscheidet. Es handelt sich hier um einen Fall der stellvertretenden Strafrechtspflege33 (vor § 3 Rdn. 14). Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG (BGHSt. 20 23) 34 . „Neubürger" in diesem Sinne sind auch Personen, die (früher) deutsche Staatsangehörige waren oder lediglich deutsche Volkszugehörige sind, die ihre Lebensgrundlage aber nicht in der Bundesrepublik hatten, jedoch unter Art. 116 Abs. 1 GG fallen und nach der Tat in die Bundesrepublik gekommen sind 35 . In diesen Fällen ist allerdings bei der Bemessung der Tatfolgen auf ein zur Tatzeit etwa milderes Tatortrecht Bedacht zu nehmen, um dem Rechtsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG, § 2 Abs. 1 (§ 2 Rdn. 25) gerechtzuwerden 36 . Freilich hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in dieser Hinsicht — entgegen dem Vorschlag des § 7 Abs. 3 AE — nicht übernommen 37 . IV. Nach Absatz 2 Nr. 2 gilt das deutsche Strafrecht für Auslandstaten von Aus- 16 ländern, die im Inland betroffen und nicht ausgeliefert werden. Die Vorschrift geht auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 a. F. zurück. Sie ist eine reine Ausprägung der stellvertretenden Strafrechtspflege (vor § 3 Rdn. 14) und geht sachlich verhältnismäßig weit 38 . Die Anwendung des deutschen Strafrechts setzt neben den in Rdn. 3, 7 erläuterten Erfordernissen voraus : 1. Der Täter muß zur Tatzeit (§ 8) Ausländer gewesen sein (vor § 3 Rdn. 68) und 17 im Inland (vor § 3 Rdn. 41) betroffen, also seine Anwesenheit festgestellt worden sein. 2. Seine Auslieferung muß an sich zulässig sein. Dies ist nach innerdeutschem 18 Recht, also nach dem Deutschen Auslieferungsgesetz (DAG) 39 und nicht nach einzelnen Auslieferungsverträgen zu bestimmen (BGHSt. 18 286) 39a . Nicht zulässig ist 31 32 33 34 35 36

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39a

So richtig Sch.-Schröder-Eser Κάτι. 15. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 16. Baumann AT (8. Aufl.) § 6 II 3 spricht hier irrig vom „Universalprinzip". Anm. Hengsberger LM § 4 StGB (a. F.) Nr. 6; OLG Celle OLGSt. § 4 StGB (a. F.) S. 1. BGHSt. 11 63, OLG München JZ 1951 146. Vgl. BGHSt. 20 23; Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz 1960 33; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18. 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 7; vgl. auch oben § 7 Rdn. 1. Ausführliche Kritik hiergegen Oehler JZ 1964 383. v. 23. 12. 1929 (RGBl. I S. 239), zuletzt geändert durch Art. 104 EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). Vgl. auch Oehler JR 1977 425.

(165)

§8

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

beispielsweise eine Auslieferung bei geringfügigen, militärischen oder politischen Delikten (§§ 2, 3 DAG). 19

Es muß ferner feststehen, daß nicht ausgeliefert wird. Das Gesetz führt abweichend vom alten § 4 Abs. 2 Nr. 3 zur Klarstellung 4 0 die Gründe im einzelnen auf, worauf die Nichtauslieferung beruhen kann: einmal darauf, daß ein Auslieferungsersuchen nicht gestellt wird, weil ζ. B. der Heimatstaat an der Verfolgung nicht interessiert ist (vgl. z. B. BGH GA 1976 243), oder daß durch die deutschen Instanzen das Auslieferungsersuchen abgelehnt wird, weil etwa mit dem betreffenden Staat kein Auslierungsverkehr besteht, oder daß schließlich wegen sonstiger tatsächlicher Hinderungsgründe die Auslieferung nicht durchführbar ist, weil ζ. B. der Täter aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeflogen werden kann. Ob ausgeliefert wird, hat nicht das Gericht, sondern die nach § 44 DAG zuständige Verwaltungsstelle zu entscheiden. Liegt eine solche Entscheidung noch nicht vor, so hat das Gericht, bevor es nach deutschem Strafrecht verfährt, eine verbindliche Entscheidung nach §§ 7, 44 DAG herbeizuführen 4 1 .

20

V. Für die Verfolgung von Auslandstaten gilt verfahrensrechtlich das Opportunitätsprinzip (§ 153 c Abs. 1 Nr. 1 StPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter Deutscher oder Ausländer ist.

§8 Zeit der Tat Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend. Schrifttum Hruschka Die Dogmatik der Dauerstraftaten und das Problem der Tatbeendigung, GA 1968 193; Stree Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, JuS 1965 465.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) eingefügt. Sie folgt wörtlich der Fassung des § 7 E 1962. Gesetzesmaterialien. E 1962 § 7 Begr. S. 113; Niederschriften der Gr. Str. Kommission Bd. 3 S. 290, 295 f, 300, 418 ff; ferner § 8 Abs. 1 AE.

1

I. Die Vorschrift stellt auf dem Boden der bisherigen Rechtsprechung (RGSt. 57 195) klar, wann eine Tat begangen ist. Maßgebend ist nicht wie in § 9 die Gesamtheit der Tat (Einheitstheorie, Ubiquitätstheorie, § 9 Rdn. 1 ff), sondern die Tätigkeitstheorie·. Es kommt darauf an, wo der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Die Frage nach der Zeit der Tat ist nicht nur für 40 41

E 1962 Begr. S. 113. BGHSt. 18 287f, BayObLG GA 1958 244, OLG Karlsruhe Die Justiz 1963 304; vgl. auch AG Mannheim NJW 1969 997. (166)

Zeit der Tat (Tröndle)

§

8

den zeitlichen (§§ 1, 2) und räumlichen Geltungsbereich (§ 5 Nr. 9, § 7 Abs. 1 Nr. 1), sondern auch für die Rechtswidrigkeit (ζ. B. den Zeitpunkt der Einwilligung) und für die Schuld (Zeitpunkt des Vorsatzes oder eines Schuldausschließungsgrundes) sowie für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§§ 9 ff; § 1 Abs. 2, § 3 JGG) von Bedeutung. Ob der Täter im Zeitpunkt seines Handelns schuldunfähig (§ 20) war oder nicht, ist der Zeitpunkt der Tatbegehung maßgebend, auf seinen Geisteszustand in einem späteren Zeitpunkt kommt es nicht an·. Der Zeitpunkt der Tatbegehung ist ferner auch für die Rückfallverjährung (§ 48 Abs. 4, § 66 Abs. 3) und für Fristen und Zeitabläufe (z. B. § 59 Abs. 2) von Bedeutung, und schließlich für die Anwendung von Amnestiegesetzen (vgl. BGHSt. 11 119). Mit der Anerkennung der Tätigkeitstheorie trägt das Gesetz dem Gedanken Rechnung, daß dort, wo die Tatzeit maßgebend ist, es auf das Handeln des Täters (oder sein vorwerfbares Unterlassen) ankommt, in dem sich das Unrecht manifestiert und das die Grundlage für die Zurechenbarkeit schafft. Insofern wird nunmehr 2 auch nicht mehr zwischen unbewußt fahrlässigen Unterlassungsdelikten und (vorsätzlichen und) bewußt fahrlässigen Unterlassungsdelikten unterschieden, für welchletztere die Rechtsprechung (BGHSt. 11 119) früher den Erfolgszeitpunkt für maßgebend gehalten hatte. Freilich gilt § 8 für den Beginn der Strafantragsfrist nicht (§77b Abs. 2). Hierfür ist der Zeitpunkt, zu dem der Antragsberechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt, maßgebend. Das ergibt sich aus der Natur der Sache. Ebensowenig ist § 8 für den Verjährungsbeginn (§ 78 a S. 2) maßgebend, da die Sachgründe, die das Institut der Verfolgungsverjährung rechtfertigt, zur Voraussetzung haben, daß der zum Gegenstand gehörende Erfolg eingetreten ist (Schröder JZ 1959 31). II. Im übrigen gilt für den Zeitpunkt der Tatbegehung folgendes: 1. Bei Begehungsdelikten kommt es darauf an, wann der Täter (Alleintäter, Mittäter) gehandelt, also die eigentliche Tathandlung verwirklicht und — falls sie einen gewissen Zeitaufwand erfordert — zum Abschluß gebracht hat. Maßgebend ist demnach die Zeit, in der der Täter tut, was den Tatbestand verwirklicht (schlichte Tätigkeitsdelikte) oder verwirklichen soll (Erfolgsdelikte), nicht jedoch die Zeit, wann der tatbestandsmäßige oder ein weiterer Erfolg eingetreten ist 3 (Satz 2). Eine Beleidigung durch einen Aktenvermerk ist im Zeitpunkt der Niederschrift begangen, nicht in dem der Kenntnisnahme durch Dritte (RGSt. 57 195 f)· Beim Versuch kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22) 4 . Bei Mittäterschaft gilt die Tat zu jenem Zeitpunkt begangen, zu dem ein gegenseitig zurechenbarer Tatbeitrag geleistet wird 5 . Entsprechend ist bei mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1) nicht nur der Akt maßgebend, mit dem der mittelbare Täter den Tatmittler einsetzt, sondern auch dessen Handlung, die dem mittelbaren Täter als die seines Werkzeugs zuzurechnen ist 6 . Im Falle des Vollrauschs (§ 330 a) kommt es nicht auf die Rauschtat an, sondern auf 1 2

3 4 5 6

Blei AT § 27 III. Entgegen der früheren Rechtsprechung BGHSt. 11 119, hiergegen mit Recht Schröder JZ 1959 30; vgl. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 12 II 3. Dreher Rdn. 3. Vgl. zur Frage des Prozeßbetrugsversuchs : RGSt. 72 150. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 3. Dreher Rdn. 3.

(167)

2

§8

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

den Zeitpunkt des vorwerfbaren Sichberauschens. Hieran ändert auch § 330 a Abs. 2 nichts, der lediglich die Strafhöhe begrenzt, nicht etwas über die Tatzeit angibt. Für sie ist der zurechenbare Unrechtsakt maßgebend 7 . 3

Im übrigen erstreckt sich die Tatzeit auf die gesamte Zeit des vorwerfbaren und zurechenbaren Tätigwerdens Die Tatzeit reicht also bei einer Fortsetzungstat bis zum letzten EinzelaktS, bei Dauerdelikten (z. B. §§ 239, 315c Abs. 1 Nr. l a , § 316) bis zum Abschluß des vorwerfbaren Dauerverhaltens 9 . Anders verhält es sich indessen bei Zuständsdelikten (z. B. §§ 169, 171): In diesen Fällen kommt es nur auf die Tathandlung an, die den rechtswidrigen Zustand schafft und nicht auf dessen Dauer 1 0 .

4

2. Bei echten (z. B. §§ 138, 330 c) und unechten Unterlassungsdelikten (§ 13) kommt es darauf an, wann der Täter hätte handeln können und müssen, um die Verwirklichung des Tatbestandes zu verhindern, bei unechten Unterlassungsdelikten also den Erfolg abzuwenden. Die Tatzeit erstreckt sich in diesen Fällen meist über einen gewissen Zeitraum hinweg. Er beginnt dann, wenn der Unterlassungstäter das seine Handlungspflicht begründende Ereignis (ζ. B. den Unglücksfall, § 330 c) wahrnimmt. Er endet, wenn die Handlungspflicht erfüllt ist oder auf deliktische Weise nicht mehr verletzt werden kann, wenn etwa bei § 330 c Hilfe nicht mehr erforderlich ist oder dem Täter nicht mehr zuzumuten ist 11 .

5

3. Bei der Frage, wann ein Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe: § 28 Abs. 1) die Tat begangen hat, richtet sich — abweichend von § 9 Abs. 2 (dort Rdn. 8) — allein nach dem Teilnahmeakt. Tatbeiträge mehrerer Teilnehmer sind hinsichtlich der Tatzeit selbständig zu beurteilen. Auf die Haupttat, zu der angestiftet oder Beihilfe geleistet wurde, kommt es bei § 8 nicht an. Die Teilnahmehandlung ist im Sinne dieser Vorschrift begangen und beendet, wenn sie als solche abgeschlossen ist und nicht etwa erst mit der Beendigung der Haupttat 1 2 . Beim Versuch der Beteiligung (§ 30) kommt es auf den jeweiligen (strafbaren) Versuchsakt an. Bei der Teilnahme durch Unterlassen auf den Zeitpunkt, indem der Teilnehmer zur Verhinderung der Haupttat hätte tätig werden müssen 1 3 .

6

III. Erstreckt sich die Tatzeit auf einen längeren Zeitraum (Rdn. 3) und fällt dieser unter den Geltungsbereich mehrerer Strafgesetze, so ist § 2 Abs. 2 (dort Rdn. 28) zu beachten.

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9 10 11

12

13

Sch -Schröder-Eser Rdn. 3 ; Stree JuS 1965 473 ; a. A. OLG Braunschweig NJW 1966 1878 und LK Voraufl. § 2 Rdn. 57. RGSt. 56 56, BGH bei Daliinger M D R 1967 12; Jescheck AT § 15 IV l b ; Maurach AT § 12113b. Dreher Rdn. 3 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; vgl. BGHSt. 22 71 ; vgl. Hruschka G A 1968 193. Dreher Rdn. 3 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6. Dreher Rdn. 4; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4; Lackner Anm. 3; hierzu BGHSt. 11 124 m. Anm. Schröder JZ 1959 30. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 5; Samson SK Rdn. 2, so wohl auch Lackner Anm. 2; a. A. Dreher Rdn. 5. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 5; Samson SK Rdn. 2. (168)

Ort der Tat (Tröndle)

§ 9

§9 Ort der Tat (1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. (2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist. Schrifttum Endemann Interlokalrechtliche Probleme im Bereich des Staatsschutzrechts unter besonderer Berücksichtigung des Tatortbegriffs (§ 3 Abs. 3 StGB), NJW 1966 2381 ; Herrmann Die Anwendbarkeit des politischen Strafrechts auf Deutsche im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, Diss. Freiburg, Bonn 1960 (zitiert: Anwendbarkeit); Langrock Der besondere Anwendungsbereich der Vorschriften über die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84 bis 91), 1972; Lüttger Lockerung des Verfolgungszwangs bei Staatsschutzdelikten, JZ 1964 570; Oehler Das deutsche Strafrecht und die Piratensender 1970 (zitiert: Piratensender); Schnorr von Carolsfeld Straftaten in Flugzeugen, 1965; Schnorr von Carolsfeld Die mitbestrafte Nachtat im Internationalen Strafrecht, Heinitz-Festschrift (1972) 765; Schröder Die Teilnahme im internationalen Strafrecht, ZStW 61 (1949) 57. Vgl. ferner die Angaben vor § 3 vor Rdn. 1, vor § 3 Rdn. 85 und 95 und bei § 4.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift (Absatz 1) geht auf § 3 Abs. 3 zurück, der durch die GeltungsbereichsVO vom 6. 5. 1940 (RGBl. I S. 754) in das StGB eingefügt wurde. § 9 wurde durch das 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) eingefügt. Er folgt wörtlich der Fassung des § 8 E 1962. Gesetzesmaterialien. E 1962 § 8 Begr. S. 113, Niederschriften der Gr. Str. Kommission Bd. 4 S. 11, 18, 20, 28ff, 126f, 418ff; ferner § 8 Abs. 2 AE.

I. Allgemeines. Die Vorschrift regelt die Frage des Begehungsortes im einzelnen. 1 Sie folgt der UbiquitätstheorieK Sie ist eine Synthese der beiden aus der Rechtsprechung 2 entwickelten Theorien („Tätigkeitstheorie" und „Erfolgstheorie") die jeweils für sich keine befriedigenden Ergebnisse lieferten 3 . § 9 hat in Ergänzung des § 3 Abs. 3 a. F. und wiederum der Rechtsprechung folgend auch den Begehungsort für die Teilnahme ausdrücklich geregelt. Maßgebend sind also nicht nur (wie in § 8) die Orte, wo der Tatbeteiligte gehandelt, sondern auch die Orte, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte. Für den Teilnehmer 1

2 3

Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung: Binding Handbuch des Strafrechts I 1885 S. 416; von Liszt-Schmidt 26. Aufl. S. 159; Oehler Internationales Strafrecht S. 208 jeweils m. weit. Nachw.; Oehler Piratensender S. 13. RGSt. 67 138, 74 59. Oehler Internationales Strafrecht S. 205 ff, 209; Samson SK Rdn. 2, 3.

(169)

§ 9

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

kommen noch die Orte hinzu, wo er gehandelt hat oder hätte handeln sollen (Absatz 2). § 9 führt zu einer erheblichen Ausdehnung der deutschen Strafgewalt und des Geltungsbereichs des Strafgesetzes 4 . Die Vorschrift hat durch die Wiedereinführung des Territorialitätsprinzips (vor § 3 Rdn. 17) im Bereich des internationalen Strafrechts (§§ 3 bis 7) erheblich an praktischer Bedeutung gewonnen. Sie ist auch für den Gerichtsstand (§ 7 StPO) maßgebend. Zu beachten ist jedoch, daß für bestimmte Staatsschutzdelikte, nämlich für die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei (§ 84), für den Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (§ 85) und für die Agententätigkeit zu Sabotagezwecken (§ 87) das Ubiquitätsprinzip nicht maßgebend ist und solche Taten nur dort als begangen gelten, wo der Täter die (tatbestandsmäßige) Tätigkeit ausgeübt hat (Tätigkeitstheorie) 5 . Das Ubiquitätsprinzip gilt auch im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 7 OWiG). 2

II. Das Ubiquitätsprinzip gewinnt insbesondere bei Distanzdelikten, bei denen der Ort der Handlung (Tätigkeitsort, Rdn. 3) und der des Erfolgseintritts (Erfolgsort, Rdn. 4) auseinanderfallen (nach Niethammer „weiträumige Straftaten") Bedeutung. In diesen Fällen, aber auch bei mehraktigen Tatbeständen kann eine Tat eine Reihe von Tatorten aufweisen. Wird eine solche Distanztat im Inland durch eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit begangen, so erfährt das Legalitätsprinzip eine Durchbrechung: Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung absehen, „wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde „oder wenn der Verfolgung sonstige überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen" (§ 153 c Abs. 2 StPO). Zum Zusammentreffen in- und ausländischer Tatorte siehe unten Rdn. 10.

3

1. Tätigkeitsort (Absatz 1 1. Alt.) ist jeder Ort, wo der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht6 hat. Es sind daher mehrere Tätigkeitsorte möglich, wenn mehrere Tätigkeitsakte vorliegen (RGSt. 50 221), ζ. B. bei Fortsetzungstaten^. Weichen die (inländischen) Tatortsrechte voneinander ab, so ist nach den Vorschriftendes interlokalen Strafrechts (vor §3 Rdn. 85 ff) bei konkreter Betrachtung das strengste Gesetz anzuwenden (vor § 3 Rdn. 92) 8 . Vorbereitungshandlungen (soweit sie nicht selbständige Tatbestände sind, ζ. B. § 149) begründen keinen Tätigkeitsort, es sei denn, es seien mittäterschaftliche Tatanteile, die jeweils den mehreren Tatbeteiligten mit zugerechnet werden (RGSt. 57 145)9. Dem mittelbaren Täter wird die Handlung des Tatwerkzeugs mitzugerechnet: Sein Tätigkeitsort also sowohl der Ort des eigenen Tätigwerdens, wie der, wo der Tatmittler gehandelt und die tatbestandsmäßigen Wirkungen herbeigeführt hat 1 0 .

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5

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9

10

Jescheck AT §18 IV 1; krit. zu dieser Vorschrift Samson SK Rdn. 5 ff; vgl. ferner F. C. Schroeder NJW 1976 490. Bedenken gegen diese Regelung bei Lüttger JR 1969 129; Dreher § 84 Rdn. 12, § 91 Rdn. 2; Oehler Internationales Strafrecht S. 210 Fußn. 40. RGSt. 30 99; BGH NJW 1975 1610. RGSt. 49 425, 50 423. RGSt. 75 386, 76 204; BayObLGSt. 1962 96; BGH NJW 1975 1610 (zu letzterer Entscheidung jedoch vor § 3 Rdn. 98). Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4; Dreher Rdn. 2; Lackner Anm. 1; vgl. RGSt. 11 20, 35 17, 75 386. RGSt. 10 423, 13 337, 19 147, 23 156, 39 263, 67 138; RG GA Bd. 56 88. (170)

Ort der Tat(Tröndle)

§9

Auf den Ort, wo die Tat entdeckt oder Kenntnis von ihr erlangt wurde, kommt es für die Frage des Tatorts nicht an 1 1 . 2. Tatort ist ferner der Erfolgsort (Abs. 1 3. Alt.). Genauer als das alte Recht 4 spricht das Gesetz nicht bloß vom Eintreten des „Erfolges" (§ 3 Abs. 3 a. F.), sondern der Auslegung der Rechtsprechung folgend (BGHSt. 20 5 l ) 1 2 von dem „zum Tatbestand gehörenden Erfolg". Damit ist klargestellt, daß solche Tatwirkungen nicht tatortbegründend sind, die für die Verwirklichung des Tatbestandes noch nicht oder nicht mehr erheblich sind und somit aus der Deliktsbeschreibung herausfallen. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Folgerungen: Ein Verletzungsdelikt ist begangen, wo der Verletzungserfolg eingetreten ist, ein konkretes Gefährdungsdelikt, wo es zur konkreten Gefahr gekommen ist 13 . Bei abstrakten Gefährdungsdelikten hingegen ist der Ort, wo als Tatfolge etwa eine konkrete Gefährdung oder Verletzung eintritt, nicht Tatort 1 4 . Das ist eine unausweichliche Konsequenz der gesetzlichen Präzisierung des Erfolgsbegriffs in § 9 Abs. 1. Aus demselben Grunde kommt es auch nicht auf den Ort an, wo bei Tatbeständen mit überschießender Innentendenz der erstrebte Erfolg eintritt und damit die Tat beendet wird, also wo ζ. B. beim Betrug der Vermögensvorteil tatsächlich erlangt wird 1 5 . In diesen Fällen — wie entsprechend bei anderen Absichtsdelikten — ist die Vorteilserlangung selbst kein „Erfolg", „der nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte". Denn auch der vorgestellte Erfolg im Sinne dieser Vorschrift kann keinen anderen Bezugsgegenstand haben als der tatsächlich eingetretene, immer ist nur „der zum Tatbestand gehörende" gemeint. Der vorgestellte Erfolg wird daher vornehmlich bei Versuchsakten praktisch, die neben dem Tätigkeitsort überall dort begangen sind, wo nach der Vorstellung des Versuchstäters tatbestandsmäßige Erfolge hätten eintreten sollen. Bei Transitverbrechen (Taten, bei denen das Mittel oder Werkzeug, dessen sich 5 der Täter bedient, mehrere Orte oder Rechtsgebiete durchläuft: Übersendung eines Sprengstoffpakets, eines beleidigenden Briefes) können nach der Gesetzesfassung (§ 9) nur Tätigkeits- und Erfolgsort als Tatorte in Betracht kommen, nicht jedoch die Durchlauforte, es sei denn, der Transit selbst begründe eine Gefährdung im Sinne eines tatbestandlichen Erfolges. Transitverbrechen gewinnen insbesondere bei Auslandsbezug praktische Bedeutung (hierzu Rdn. 10 ff). Der „zum Tatbestand gehörende Erfolg" im Sinne dieser Vorschrift meint je- 6 doch nicht nur Tatbestandsmerkmale im engeren Sinne, sondern auch andere im Tatbestand umschriebene, ζ. B. strafschärfende Umstände, seien dies Qualifikationsmerkmale oder Ausformungen besonders schwerer Fälle, aber auch objektive Bedingungen der Strafbarkeit. Bei einem Transportdiebstahl ist ζ. B. Tatort, wo weggenommen wurde ebenso wie dort, wo etwa Schutzvorrichtungen (§ 243 Abs. 1 Nr. 2) gelockert oder entfernt wurden. Ferner ist beim Vollrausch (§ 330 a) Tatort nicht '1 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 3. RGSt. 15 232, 48 138, 67 138, 74 59; BayObLG NJW 1957 1327, OLG Köln NJW 1968 954; Endemann NJW 1966 2381. 13 BayObLG NJW 1957 1328, OLG Köln NJW 1968 954; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 1 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 212. 14 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 1; a. A. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A 1 b bb (für § 3 Abs. 3 a. F.): Voraufl. vor § 3 Rdn. 51 ; Sch.-Schröder-Eser 17. Aufl. § 3 Rdn. 13; Lüttger JZ 1964 570. 15 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 1 ; Endemann NJW 1966 2383; a. A. OLG Stuttgart NJW 1974 914; Blei JA 1975 463. 12

(171)

§9

t. Abschnitt. Das Strafgesetz

nur der Ort des vorwerfbaren Sichberauschens, sondern auch der der Rauschtat selbst 16 ; beim Bankrott (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 KO) sind Tatorte, wo der Täter Aufwand getrieben hat und dort, wo das Konkursverfahren eröffnet wird. Es wäre schwerlich annehmbar, daß ein Deutscher, der Vermögen im Ausland verspielt oder durchbringt und aus diesem Grunde im Inland seine Zahlungen einstellen muß, (lediglich) eine Auslandstat beginge und das deutsche Strafrecht auf seine Tat nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 anwendbar wäre. Bedingungen der Strafbarkeit sind daher, auch wenn sie nicht von der Schuld umfaßt zu sein brauchen, zum Tatbestand gehörende Erfolge. Für den Tatort gilt insoweit etwas anderes als für die Tatzeit (§ 8 Rdn. 3), da für die Tatzeit der Erfolg gesetzlich als nicht maßgebend bezeichnet ist (§ 8 S. 2). 7

3. Bei Unterlassungsdelikten ist „Tätigkeitsort" der Ort, an dem der Täter „hätte handeln müssen"(Abs. 1 2. Alt.). Für den „Erfolgsort" gilt nichts besonderes. Begehungsorte sind also beim Unterlassen die Orte, wo sich der Unterlassende während seiner Handlungs- oder Erfolgsabwendungspflicht aufhält und gebotsentsprechend handeln konnte und mußte 17 , die Orte, an die er sich begeben mußte, um zu handeln, sowie die Orte, an denen der Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Unterlassenden eintreten sollte 18 .

8

4. Ort der Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) ist nicht nur der Ort, wo die Haupttat begangen ist oder nach der Vorstellung des Täters begangen werden sollte (Rdn.2) 19 , sondern auch an jedem Ort der Teilnahme selbst (Absatz 2); das ist der Ort, wo der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle pflichtwidrigen Unterlassens hätte handeln müssen. Weiterer Teilnahmeort ist sogar der Ort, an dem die Tat nach der Vorstellung des Teilnehmers begangen werden sollte (Abs. 2 S. 1 letzte Alt.) 20 . Diese sehr weitgehende Tatortausdehnung hat insbesondere für Tatakte mit Auslandsbezug große praktische Bedeutung, dies um so mehr, als Absatz 2 Satz 2 die Inlandsteilnahme an einer Auslandstat ohne Rücksicht auf das Tatortrecht dem deutschen Strafrecht unterstellt 21 . Hierzu im einzelnen unten Rdn. 15. Eine Anstiftung ist demnach begangen, wo der Anstiftungsakt vorgenommen wird, wo er zur Auswirkung kommt, der Täter also seinen Tatentschluß faßt 2 2 und wo er sie begeht (RGSt. 25 426). Auch die Beihilfe ist—neben den Haupttat-Orten— am Ort begangen, wo der Teilnehmer tätig wurde (oder im Falle des Unterlassens hätte tätig werden müssen) und wo die Förderungswirkung des Teilnahmeakts eingetreten ist 23 . Beim Versuch der Beteiligung (§ 30) ist Teilnahmeort (Tatort), wo der Versuchsakt begangen worden ist und wo nach der Vorstellung des Teilnehmers das in Aussicht genommene Verbrechen begangen werden sollte 24 . 16

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Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7; Lackner Anm. 1, Vorauf!, vor § 3 Rdn. 51 ; Oehler Internationales Strafrecht S. 214 und Piratensender S. 15; im Ergebnis ebenso RGSt. 16 188, 43 85; a. A. Dreher Rdn. 3 ; Stree JuS 1965 473 f; Schnorr von Carolsfeld Heinitz-Festschrift (1972) 769. Vgl. RGSt. 9 353, RG GA Bd. 45 60; LG Frankfurt NJW 1977 509. Dreher Rdn. 4; Sch.-Schröder-EserKdn. 5, 8; Oehler Internationales Strafrecht S. 212. RGSt. 74 60, BGHSt. 20 89. Insbesondere gegen diese Alternative mit ihren seltsamen Konsequenzen: Oehler Internationales Strafrecht S. 264 f. Hierzu allgemein krit. Oehler Internationales Strafrecht S. 263 ff; Samson SK Rdn. 10 ff. Sch.-Schröder-EserKdn. RGSt. 11 22, 20 170, 74 59, RG JW 1936 2655. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11 ; Lackner Anm. 2. (172)

Ort der Tat (Tröndle)

§9

5. Die Vorschriften über den Tatort gehören zur Regelung über den Geltungsbe- 9 reich der staatlichen Strafgewalt und sind kein Bestandteil des Unrechtstatbestandes, sondern Bedingungen der Ausübung der staatlichen Hoheitsgewalt 25 . Der Vorsatz braucht sich daher nicht auf den Tatort zu erstrecken. Es kommt nicht darauf an, ob der Täter weiß und kennt, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus der Tat für die Bestimmung des Tatorts ergeben 2 6 , was freilich nichts daran ändert, daß das tatortbegründende tatbestandsmäßige Verhalten vom Vorsatz erfaßt sein m u ß 2 7 . Der bloße Irrtum über die Rechtskonsequenzen des Tatortbegriffs ist unbeachtlich 2 8 , anderes gilt nur, wenn Fehlvorstellungen über die räumliche Reichweite des Handelns und über den Ort des Erfolgseintritts einen Tatbestandsirrtum begründen 2 9 . III. Die Vorschriften über den Ort der Tat haben bei Distanzdelikten (Rdn. 2), 10 mehraktigen Straftaten, bei Dauer- und Zuständsdelikten und bei (sonstigen) Straftaten mit Auslandsbezug die größte praktische Bedeutung, insbesondere seit der Rückkehr zum Territorialitätsprinzip (vor § 3 Rdn. 17). Das in § 9 voll ausgeschöpfte und im Bereich der Teilnahme (Rdn. 8) wohl überdehnte Ubiquitätsprinzip schafft neben den Vorschriften über das internationale Strafrecht (§§ 4 bis 7) über den Tatortbegriff eine weitere Ausdehnung der deutschen Strafgewalt 30 . Es ist also bei Straftaten mit Auslandsbezug immer zunächst festzustellen, ob nicht (auch) ein inländischer Tatort gegeben ist und damit eine Inlandstat vorliegt (vgl. vor § 3 Rdn. 98). Ist im Inland ein Handlungste//begangen oder ein (Teil-)Erfolg eingetreten oder beabsichtigt gewesen, so wird dadurch die Tat in jeder Hinsicht zur Inlandstat im Sinne des § 3 : Wer vom Ausland ins Inland schießt und den Gegner schwer verletzt, so daß er nachher (im Inland) stirbt, hat eine Inlandstat begangen (RGSt. 11 22), ebenso, wer auf einem ausländischen Schiff oder einer künstlichen Insel oder einer Unterwasserstation auf hoher See einen Piratensender betreibt, daß die Sendungen in der Bundesrepublik gehört werden können und sollen31. Desgleichen wer vom Ausland her verbotene Schriften verbreitet (RG GA Bd. 56 88), wer von dort einen Erpresserbrief ins Inland schickt oder umgekehrt (RGSt. 30 99), wer vom Inland aus einem ausländischen Opfer ein betrügerisches Angebot macht (vgl. RG H R R 1939 397). Ein im Ausland begangener Betrug wird aber nicht allein dadurch zur Inlandstat, daß der Täter den erstrebten Vorteil erst im Inland tatsächlich erlangt (oben Rdn. 4). Bei Fortsetzungstaten, die teils im Inland teils im Ausland begangen sind, genügt 11 es für eine Inlandstat, daß ein Teilakt im Inland begangen ist 32 . Nichts anderes gilt bei Dauer- und mehraktigen Delikten: Wer das Opfer im Ausland seiner Freiheit beraubt (§ 239) und die Freiheitsberaubung über die Grenze hinweg fortführt oder wer bei einer Vergewaltigung (§ 177) Gewalt im Inland anwendet, nach dem Grenz25

26 27 28 29

30 31 32

Jescheck AT § 1 8 IV 2 m. weit. Nachw.; Sch.-Schröäer-Eser Rdn. 15; ferner vor § 3 Rdn. 64; Lackner Anm. 3, vgl. Niewerth NJW 1967 768. Dreher Rdn. 3 ; a. A. noch RGSt. 25 426; Herrmann Anwendbarkeit S. 88 m. weit. Nachw. Endemann NJW 1966 2382. Jescheck AT § 18 IV 2 m. weit. Nachw. Endemann NJW 1966 2382 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15 ; Dreher Rdn. 3 ; Lüttger G A 1965 348. Jescheck AT § 18 IV 1. Oehler Piratensender S. 19. RGSt. 50 425, 71 288, RG DJ 1937 1004, RG HRR 1939 480; Oehler Internationales Strafrecht S. 214.

(173)

§9

I. Abschnitt. Das Strafgesetz

übertritt aufrechterhält und im Ausland den Geschlechtsverkehr vollzieht, begeht jeweils eine Inlandstat 33 . Ebenso wer eine Straftat im Ausland begangen hat, die Bedingung der Strafoarkeit jedoch im Inland eingetreten ist (Beispiele und Nachweise oben Rdn. 6). Zu den Unterlassungsdelikten vgl. oben Rdn. 7. Ein Vater, der sein Kind im Ausland dort durch eine Unterlassungstat umkommen läßt, begeht indessen nicht schon deswegen eine Inlandstat, weil seine Garanten- und Fürsorgepflicht (§1601 BGB) nach deutschem Recht entstanden ist 34 . 12 Transitverbrechen (Rdn. 5), die im Ausland begangen sind und dort auch ihren Erfolg zeitigen sollen, werden nicht dadurch zu Inlandstaten, daß das Tatmittel den Inlandsbereich durchläuft oder überquert, solange nicht schon hierdurch (möglicherweise nach anderen Vorschriften) im Inland tatbestandsmäßige Erfolge eintreten 35 . Wer einen beleidigenden Brief von Bern nach Kopenhagen schreibt, ein solches Telegramm sendet oder von der Schweiz ein beleidigendes Ferngespräch nach Dänemark führt, hat seine Tat nicht (auch) in der Bundesrepublik begangen. Die Gegenmeinung erscheint wenig sachgerecht. Etwas anderes gilt dann, wenn der Transitvorgang selbst gegen Strafvorschriften verstößt. In einem solchen Falle liegt eine Inlandstat auch insoweit vor, als das deutsche Strafrecht sich auch auf den auslandsbezogenen Teil erstreckt und mit dem strafbaren Transitvorgang rechtlich zusammentrifft: Jemand sendet unerlaubt Betäubungsmittel über deutsches Gebiet von Amsterdam nach Wien (§ 11 BetmG 36 , § 6 Nr. 5). 13 Eine Inlandstat liegt jedoch vor, wenn jemand im Ausland einen Versuch begeht, dessen (tatbestandsmäßiger) Erfolg im Inland eintreten sollte 37 : Wer von Luxemburg Kaffee in die Bundesrepublik einschmuggeln will, aber gestört wird und die Kaffeesäcke auf luxemburgischem Gebiet liegen läßt, hat die versuchte Zollhinterziehung (§§396,393 AO/§§ 372,370 Abs.2 AO 1977 ν. 16.3.1976 - BGBl.I S.613 - ) im Inland begangen, weil der Erfolg der Verkürzung der Zollabgaben im Inland eintreten sollte (BGHSt. 4 335). Eine Inlandstat liegt erst recht vor, wenn der Versuch im Inland begonnen, der tatbestandsmäßige Erfolg indessen im Ausland eingetreten ist3». 14 Sammelstraftaten (gewerbs-, geschäfts- und gewohnheitsmäßig begangene Delikte: §§ 260, 144, 292 Abs. 3) werden seit RGSt. 72 164 (GS) jeweils als eine Folge von selbständigen Taten aufgefaßt. Die Tatorte der einzelnen Akte eines solchen Kollektivdelikts liegen daher (nur) dort, wo sie jeweils begangen sind. Wer etwa in Deutschland und Österreich gewerbs- oder gewohnheitsmäßig wildert (§ 292 Abs. 3), in Deutschland aber nur eine einzelne Tat begangen hat, kann wegen der in Österreich begangenen Taten nur insoweit nach deutschem Strafrecht verurteilt werden, als Anknüpfungspunkte für diese Auslandstaten eingreifen. Die Gewohn33

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36

37 38

Oehler Internationales Strafrecht S. 214; a. A. Schnorr von Carolsfeld Heinitz-Festschrift (1972) 769. Oehler Internationales Strafrecht S. 212. Binding H a n d b u c h des Strafrechts S. 422; von Hippel Deutsches Strafrecht 2. Bd. 1930 S. 176; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 11 II A 1 b bb S. 149; Oehler Internationales Strafrecht S. 215 f; Samson SK Rdn. 9; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Blei AT § 12 III 1 b ; a. A. Vorauf!, vor § 3 Rdn. 59; Jescheck AT § 18 IV 1. v. 10. 12. 1929/10. 1. 1972 (BGBl. I S. 1, III 2 1 2 1 - 6 ) , zuletzt geändert durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469, 549). Gegen diese Auslegung: Oehler Internationales Strafrecht S. 213, jedoch zu Unrecht. Vgl. hierzu den Ostberliner Warnschildfall: B G H N J W 1975 1611 m. Anm. F. C. Schroeder N J W 1976 490 und hierzu im einzelnen oben vor § 3 Rdn. 98. (174)

Ort der Tat (Tröndle)

§9

heitsmäßigkeit kann sich hinsichtlich der Tat im Inland indessen auch aus den Auslandstaten ergeben 3 9 . Für den Begehungsort (Tatort) der Teilnahme gilt nach Absatz 2 die Ubiquitäts- 15 theorie im weitesten Sinne (oben Rdn. 8). Die Regelung folgt § 8 Abs. 2 E 1962, sie stimmt sachlich auch mit § 8 Abs. 2 AE überein. Da Tatort der Teilnahme nicht nur jeder tatsächliche und aus der Sicht des Teilnehmers vorgestellte Begehungsort der Haupttat ist, sondern auch alle Begehungsorte der Teilnahme selbst (Rdn. 8), liegen bei Teilnahmeakten immer schon dann Inlandstaten vor, wenn einer dieser Orte (§ 9 Abs. 2) im Inland liegt, mag auch der Schwerpunkt der Tat auslandsbezogen sein. Diese Regelung kann zu seltsamen Ergebnissen führen, wenn die Vorstellung des Teilnehmers darüber, wo der Erfolg eintreten oder wo die Tat begangen werden sollte, jeweils von der entsprechenden Vorstellung des Täters abweicht. So kann es geschehen, daß auf eine Tat, die im Ausland versucht oder begangen worden ist, allein dadurch, daß ein Teilnehmer sie in seiner Vorstellung ins Inland verlegt, das deutsche Strafrecht anwendbar wird 4 0 . Entsprechende eigenartige Ergebnisse treten im Falle eines im Ausland begangenen Versuchs der Beteiligung (§ 30) ein, der allein dadurch eine Inlandstat wird, daß der (erfolglose) Anstifter sich die Tat, hinsichtlich deren er bei einem anderen einen Tatentschluß wecken will, als Inlandstat vorstellt 41 . Noch weiter geht § 9 Abs. 2 Satz 2, wonach der Inlandsteilnehmer an einer Auslandstat selbst dann wegen einer Inlandstat nach deutschem Strafrecht bestraft wird, wenn die Haupttat nach dem (ausländischen) Tatortrecht nicht mit Strafe bedroht ist. Hier bricht die Ubiquität selbst mit der Akzessorietät, und zwar mit der Folge, daß z. B. ein Täter, mag er sogar ein Ausländer sein, der im Inland zu einer Auslandstat anstiftet oder Beihilfe leistet, nach deutschem Strafrecht bestraft wird, auch wenn die Haupttat am Tatort überhaupt nicht strafbar ist, der Ausländer selbst sich also seinem Heimatrecht entsprechend verhalten hat (§ 9 Abs. 2 S. 2), während der Haupttäter selbst, obwohl er im Ausland tätig geworden ist und sonst keinen inländischen Tatort begründet hat, auch im Falle seiner Rückkehr nach Deutschland grundsätzlich nicht bestraft werden kann (§ 7 Abs. 2 Nr. I) 4 2 . Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ist es z. B. nach deutschem Strafrecht verfolgbar, wenn eine inländische Konzernspitze an ein ausländisches Tochterunternehmen Anordnungen erteilt, die ein wirtschaftliches Verhalten zum Gegenstand haben, das am Tatort im Ausland erlaubt, im Inland hingegen strafbar ist; ferner, wenn jemand vom Inland aus einen Ausländer anstiftet, eine Doppelehe einzugehen (§ 171), strafbare homosexuelle Handlungen vorzunehmen (§ 175) oder Kinder sexuell zu mißbrauchen (§176)43, mögen diese Delikte in dem betreffenden Lande auch nicht strafbedroht sein. Es liegt auf der Hand, daß der Gesetzgeber (ebenso wie der E 1962 und der AE) insoweit übers Ziel hinausgeschossen ist. Mit Recht weist Samson (SK Rdn. 16) d a r a u f h i n , daß selbst nach dem alten Recht unter der Herrschaft des aktiven Personalitätsprinzips (vor § 3 Rdn. 18) auf die Inlandsteilnahme an einer Auslandstat (entsprechend auch auf das Inlandsdistanzdelikt mit ausländischem Erfolg) der § 3 Abs. 2 a. F. entsprechend mit der Wirkung angewandt wurde, daß eine solche Inlandsteilnahme an einer Auslandstat dann nicht strafbar war, wenn sie nach Tatortrecht straflos und wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort — aus 39 40 41 42 43

Beispiel nach Oehler Internationales Strafrecht S. 215. Gegen diese gesetzliche Regelung im einzelnen Oehler Internationales Strafrecht S. 264 ff. Oehler Internationales Strafrecht S. 268. Im einzelnen Oehler Internationales Strafrecht S. 265 f. Beispiele nach Samson SK Rdn. 15.

(175)

§10

I. Abschnitt. Das Strafgesetz

der Sicht der deutschen Rechtsordnung — kein strafwürdiges Unrecht war 4 4 . Dieser Weg ist nach dem Wegfall des § 3 Abs. 2 a. F. nunmehr versperrt. Des von Samson (SK Rdn. 17, 18) gewiesenen Auswegs, bei der Rechtsgutauslegung auf die Tatortverhältnisse abzustellen, bedarf es freilich nicht. Wo es nämlich hierauf ankommt, greift das deutsche Strafrecht schon deswegen nicht ein, weil der deutsche Tatbestand das ausländische Rechtsgut nicht schützt und daher gar nicht erreicht (hierzu oben vor § 3 Rdn. 21 ff)· Ergreifen indessen deutsche Schutznormen grundsätzlich auch ausländische Rechtsgüter, so kann in den Fällen einer Inlandsteilnahme an einer Auslandstat, in denen die Ausdehnung des deutschen Strafrechts unangebracht erscheint, nur verfahrensrechtlich nach § 153 c Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. StPO geholfen werden, der in diesen Fällen das Einschreiten in das Ermessen der Strafverfolgungsbehörde stellt (Opportunitätsprinzip). 16

Die besonderen Vorschriften über den Tatort der Teilnahme (§ 9 Abs. 2) bleiben ohne Bedeutung für das Verhältnis von Folgedelikten (ζ. B. Begünstigung und Hehlerei) im Verhältnis zu ihren Vortaten (ζ. B. Diebstahl, Unterschlagung). Die Tatorte dieser Delikte sind jeweils selbständig zu beurteilen, ihre Strafbarkeit richtet sich nach dem jeweiligen Tatort 4 5 : Wird eine Sache in Österreich gestohlen, so ist der bösgläubige Empfänger in Deutschland wegen Hehlerei (§ 259) strafbar, vorausgesetzt, daß die Tat nicht nur nach deutschem, sondern auch nach Tatortrecht mit Strafe bedroht ist, da es sonst an einer strafbaren Vortat fehlte. Ferner ist die im Ausland begangene Hehlerei oder Begünstigung keine Inlandstat, auch wenn die Vortat des Diebstahls in Deutschland begangen wurde. Entsprechendes gilt bei Bezugstatbeständen (§ 2 Rdn. 6): Wird ein Mord im Ausland begangen und tritt dort der Erfolg ein, so ist auch dann keine Inlandstat gegeben, wenn die Tat geschah, um in Deutschland „eine Straftat zu ermöglichen" (§ 211). Jedoch liegt selbstverständlich eine Inlandstat im Sinne eines Mordes (und nicht nur eines Totschlags) vor, wenn die Tat in Deutschland begangen wurde, „um eine Straftat", die im Ausland begangen ist, „zu verdecken".

§10 Sondervorschriften für Jugendliche und Heranwachsende Für Taten von Jugendlichen und Heranwachsenden gilt dieses Gesetz nur, soweit im Jugendgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt ist. Schrifttum Dallinger-Lackner JGG, 2. Aufl. 1965; Brunnner JGG, 4. Aufl. 1975; Schaffstein strafrecht 5. Aufl. 1975; Böhm Einführung in das Jugendstrafrecht 1977.

Jugend-

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht auf den — wörtlich übereinstimmenden — § 9 E 1962 (Begr. S. 114) zurück. Eine sachlich übereinstimmende Vorschrift enthält der AE in § 9. 44 45

Schröder ZStW 61 (1942) 116; Oehier Mezger-Festschrift S. lül ff. Vgl. Oehier Internationales Strafrecht S. 214f, wo auch die nachfolgenden Beispiele entnommen sind. (176)

Sondervorschriften für Jugendliche und Heranwachsende (Tröndle)

§

10

Die Vorschrift wiederholt für das StGB den bereits in § 2 JGG niedergelegten 1 Grundsatz, daß das Jugendgerichtsgesetz für Taten von Jugendlichen und Heranwachsenden als eigenständiges Werk für das gesamte Jugendstrafrecht unter Einschluß der Jugendgerichtsverfassung und des Jugendstrafverfahrens gegenüber den Vorschriften des StGB den Vorrang hat. Das bedeutet, daß das JGG das allgemeine Strafrecht (und zwar die Normen des StGB und des Nebenstrafrechts) nicht nur dort ausschließt, wo es eine abweichende Regelung enthält und damit dem allgemeinen Strafrecht ausdrücklich widerspricht 1 , sondern auch dort, wo das allgemeine Strafrecht zu einem nicht jugendgemäßen Ergebnis führen würde 2 . Im einzelnen gilt folgendes: 1. Der Erste und der Zweite Abschnitt des Allgemeinen Teils gelten auch für Ta- 2 ten von Jugendlichen, jedoch ist für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Altersreife des Jugendlichen (§ 1 Abs. 2 JGG) allein § 3 JGG maßgebend. Hingegen bleiben die §§ 20, 21, wenn die Schuldfähigkeit oder die verminderte Schuldfähigkeit auf andere als entwicklungs- und reifebedingte Umstände zurückzuführen ist, von Bedeutung 3 . An die Stelle des Dritten Abschnitts des Allgemeinen Teils (§§ 38 bis 76a) tritt grundsätzlich das selbständige Sanktionssystem des Jugendgerichtsgesetzes (§§ 3 bis 32, 88, 89 JGG), also insbesondere Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafen. Von den Maßregeln der Besserung und Sicherung (ξ 61) dürfen gegen Jugendliche nur die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 7 JGG). Hingegen treten die Nebenfolgen der Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen (§ 45), weder als Rechtswirkungen der Strafe ein, noch können sie verhängt werden; die Bekanntmachung der Verurteilung ist gleichermaßen unzulässig (§ 6 JGG). Dasselbe gilt vom Verfall des Wertersatzes (§ 73 a), da diese Sanktion ihrem Wesen nach einer Geldstrafe ähnelt, die das JGG grundsätzlich ausschließt 4 . Freilich sieht § 15 JGG Auflagen vor, die ähnliche Wirkungen zeitigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 JGG). Auch können nach dem OWiG Geldbußen gegen Jugendliche verhängt werden (vgl. § 68 Abs. 2 OWiG) 5 . Zulässig sind ferner die Einziehung (§§ 74 ff), die Unbrauchbarmachung (§74d) und die Verfallserklärung (§§73 ff, vgl. §76 Abs. 1 JGG), sowie die Abführung des Mehrerlöses nach §§ 8 ff. WiStG, die Einziehung des Jagdscheins nach § 41 BJagdG sowie das Fahrverbot nach § 44 (vgl. § 76 Abs. 1 JGG). 2. Bei Heranwachsenden (§ 1 Abs. 2 JGG) ist nach § 105 JGG in jedem Einzel- 3 falle zu entscheiden, ob das Jugendstrafrecht anzuwenden ist und das unter Rdn. 2 Gesagte gilt oder die allgemeinen Vorschriften maßgebend sind. Jugendstrafrecht 1 2 3 4

5

Dallinger-Lackner JGG § 2 Rdn. 7; Grethlein NJW 1957 1370. Brunner JGG, 4. Aufl. 1975 Anm. Ib. BGHSt. 26 67 m. Anm. Brunner JR 1976 116; Brunner JGG § 3 Anm. 4. Freilich wird der grundsätzliche Ausschluß der Geldstrafe im Jugendstrafrecht unter den Gegebenheiten der modernen Wohlstandsgesellschaft und der Tatsache, daß die meisten Jugendlichen über erhebliche Geldmittel verfügen, zunehmend fragwürdiger (vgl. Richard Lange Das Rätsel Kriminalität [1970] 94 f; Böhm Einführung in das Jugendstrafrecht, 1977 S. 132). Vgl. Dallinger-Lackner ξ 1 Rdn. 32; Göhler OWiG § 68 Anm. 2 jeweils m. weit. Nachw.

(177)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

gilt, wenn der Heranwachsende nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand oder es sich um eine Jugendverfehlung handelt (§ 105 Abs. 1 JGG). Wird gegen einen Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht angewendet, so kann an Stelle der lebenslangen Freiheitsstrafe auch auf eine solche von zehn bis 15 Jahren erkannt und von der Anordnung des Verlusts der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1), abgesehen werden. Unzulässig ist in diesen Fällen die Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 106 JGG).

ZWEITER TITEL Sprachgebrauch Schrifttum Achenbach „Tat", „Straftat", „Handlung" und die Strafrechtsreform, M D R 1975 19; Noll Zur Gesetzestechnik des Entwurfs eines Strafgesetzbuchs, JZ 1963 297; Stratenwerth Die Definitionen im Allgemeinen Teil des Entwurfs (1962), ZStW 76 (1964) 669.

1

Vorbemerkungen Nach der Begründung des E 1962 (S. 114), dem der besondere Titel über den Sprachgebrauch weitgehend nachgebildet ist, verfolgt dieser Titel den Zweck, im Gesetz häufiger vorkommende Begriffe aus gesetzestechnischen Gründen und um einer einheitlichen Rechtsanwendung willen generell zu umschreiben. Er folgt insoweit allen früheren Entwürfen. § 11 enthält gesetzliche Definitionen und begriffliche Klarstellungen, § 12 regelt darüber hinaus auch die Einteilung der Straftaten. Gegen den Definitionenkatalog des E 1962 sind Einwendungen, insbesondere von Stratenwerth und Noll, erhoben worden. Sie hatten zur Folge, daß § 11 in der Fassung des 2. StrRG v. 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717) auf eine Reihe von Definitionen verzichtet hatte. Indessen hat es sich insbesondere im Hinblick auf die Neufassung der Vorschriften über Bestechlichkeit und Bestechung als notwendig erwiesen, für Amtsträger, Richter und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete Definitionen in das Gesetz aufzunehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 bis 4).

2

Das Gesetz regelt in diesem Titel den Sprachgebrauch nicht etwa erschöpfend. Eine Reihe weiterer Begriffsbestimmungen finden sich im jeweiligen sachlichen Zusammenhang des Textes, so beim Versuch (§ 22), beim Titel über Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 bis 28), bei der Notwehr (§ 32 Abs. 2) und bei den Staatsschutz(§§92, 93) und den Wahldelikten (§ 108d) sowie beim Mordtatbestand (§211). Auch sonst macht das Gesetz an verschiedenen Stellen durch Klammerhinweise deutlich, daß eine Legaldefinition vorliegt, die auch sonst Gültigkeit beansprucht, z. B. in § 14 Abs. 1 Nr. 3 („besondere persönliche Merkmale"), § 25 Abs. 2 („Mittäter"), § 28 Abs. 1 („Teilnehmer"), § 28 Abs. 2 („Beteiligte").

(178)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

§11 Personeil- und Sachbegriffe (1) Im Sinne dieses Gesetzes ist 1. Angehöriger: wer zu den folgenden Personen gehört: a) Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten der Geschwister, Geschwister der Ehegatten, und zwar auch dann, wenn die Beziehung durch eine nichteheliche Geburt vermittelt wird, wenn die Ehe, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist, b) Pflegeeltern und Pflegekinder; 2. Amtsträger: wer nach deutschem Recht a) Beamter oder Richter ist, b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen; 3. Richter: wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist; 4. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter: wer, ohne Amtsträger zu sein, a) bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder b) bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist; 5. rechtswidrige Tat: nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht; 6. Unternehmen einer Tat : deren Versuch und deren Vollendung; 7. Behörde: auch ein Gericht; 8. Maßnahme: jede Maßregel der Besserung und Sicherung, der Verfall, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung ; 9. Entgelt: jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung. (2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt. (3) Den Schriften stehen Ton- und Bildträger, Abbildungen und andere Darstellungen in denjenigen Vorschriften gleich, die auf diesen Absatz verweisen.

(179)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Schrifttum Allgemeines vgl. vor § 1. D i e besondere Literatur zu den einzelnen Begriffen findet sich unter d e n jeweiligen Randnummern.

Entstehungsgeschichte Seit dem Vorentwurf 1909 (§ 12) enthalten alle Entwürfe Vorschriften über den Sprachgebrauch. § 11 hat seine unmittelbaren Vorbilder in §§ 10, 11 E 1962 und § 10 AE. Der Begriffskatalog der §§ 10, 11 E 1962 war ursprünglich reichhaltiger. Das 2. StrRG vom 4. 7.1969 (BGBl. I S. 717) hat den Katalog auf fünf Begriffe und zwei Begriffserstreckungen reduziert, dieses Gesetz wurde jedoch vor seinem Inkrafttreten (1.1. 1975) durch Art. 18 II Nr. 5 EGStGB vom 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) durch eine Reihe weiterer Begriffe und Gleichstellungen angereichert. Durch Art. 6 Nr. 1 des Adoptionsgesetzes vom 2. 7. 1976 (BGBl. I S. 1749) wurde mit Wirkung vom 1.1. 1977 § 11 Abs. 1 Nr. 1 (Begriff des Angehörigen) neu gefaßt. Gesetzesmaterialien. E 1962 §§ 10, 11 Begr. S. 114 ff, Niederschriften d. GrStrafRKommission Bd. 4 S. 14, 367, 409. 414, 417; Bd. 5 S. 120ff, 134, 2 4 5 f f , 254, 256; Bd. 6 S. 3 3 f f , 78, 295, 302, 329; Bd. 7 S . 1 3 f f ; Bd. 8 S. 170, 378, 562; Bd. 9 S. 3 8 8 f f , 5 6 8 f f ; Bd. 10 S. 145, 2 5 8 f f , 268, 2 8 2 f f , 3 3 8 f f , 3 4 3 f , 3 5 4 f f , 470, 480; Bd. 12 S. 551, 573, 597; Bd. 13 S. 75, 307, 702. 2. Bericht BT-Drucks. V / 4 0 9 5 S. 7; Prot. d. Sonderausschusses V / 7 , 237, 541, 835, 857, 883, 942, 995, 2442, 3128, 3254, 3282; E G S t G B : Bericht BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 2 0 8 f f , 7 / 1 2 6 1 S. 11 ; Prot. d. Sonderausschusses V I I / 1 5 9 . Übersicht Rdn. 1

I. Allgemeines II. Begriff des Angehörigen (Abs. 1 Nr. 1) 1. Verwendung des Begriffs im Gesetz . 2. Auslegung des Angehörigenbegriffs . 3. Verwandte in gerader Linie 4. Verschwägerte in gerader Linie . . . . 5. Ehegatten 6. Verlobte 7. Außereheliche Lebensgemeinschaft . 8. Geschwister 9. Pflegeeltern und Pflegekinder . . . . III. Amtsträger, Richter, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (Abs. 1 Nr. 2 bis 4) 1. Zusammenhang und Gemeinsames dieser Begriffe 2. Anwendungsbereich dieser Begriffe . 3. Strafrechtlicher Beamtenbegriff des früheren Rechts IV. Begriff des Amtsträgers (Abs. 1 Nr. 2) . . 1. Beamte 2. In einem sonstigen öffentlichrechtlichen Verhältnis Stehende 3. Zur Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Bestellte . . a) Bestellung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben b) Behörde oder sonstige Stelle . . . c) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Nicht gesetzgeberische und parlamentarische Tätigkeit . . Gemeinde- und Stadträte . . . Rechtsprechungsorgane . . . .

2 3 4 6 7 8 9 10 II

13 14 15 16 17 18 21 22 23 24 25 26 27 28

Rdn. Militärische Tätigkeiten . . . . 29 Geistliche 30 d) Eigenwahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung . 31 4. Kasuistik Amtsträger-(Beamten-)Eigenschaft bejaht: 33 a) Aus dem Bereich der Arbeitsverwaltung 34 b) Aus dem Bereich des Bahnverkehrs und der Personenbeförderung 35 c) Aus dem Bereich der Baupolizei und Bauverwaltung 36 d) Aus dem Bewirtschaftungswesen . 37 e) Aus dem Bereich der Energieversorgung und von Stadtwerken . . 38 f) Aus dem Bereich der Forst- und Domänenverwaltung 39 g) Aus dem Bereich der Kommunalverwaltung 40 h) Aus dem Bereich der Postverwaltung 41 i) Aus dem Bereich der Schulverwaltung und der Universitäten . . 42 k) Aus dem Bereich der Sozialfürsorge, der Sozialversicherung und der Krankenkassen 43 1) Aus dem Bereich des Sparkassenwesens 44 m) Aus verschiedenen Bereichen . . 45 n) Amtsträger-(Beamten-)Eigenschaft verneint 46 5. Vorsatz, Irrtum 47 (180)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

Rdn.

Rdn.

V. Der Begriff des Richters (Abs. 1 Nr. 3) . . 48 1. Berufsrichter 49 2. E h r e n a m t l i c h e Richter 50 3. Rechtspfleger, Schiedsrichter 51

e) Kein s t r a f b e f r e i e n d e r Rücktritt . 76 3. U n e c h t e U n t e r n e h m e n s d e l i k t e . . . . 78 IX. Begriff d e r Behörde, des Gerichts (Abs. 1 Nr. 7) 82

VI. Der Begriff des f ü r den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (Abs. 1 Nr. 4) 1. Kein Amtsträger 2. Überblick a) Behörden und sonstige Stellen b) Verbände, sonstige Z u s a m m e n schlüsse, Betriebe, U n t e r n e h m e n c) Bei einer Stelle beschäftigt . . . . d) Förmliche V e r p f l i c h t u n g 3. Vorsatz VII. Begriff d e r rechtswidrigen Tat (Abs. 1 Nr. 5) 1. Gesetzgeberische Entwicklung. Einwände 2. Bedeutung u n d B e s c h r ä n k u n g des Begriffs VIII.Begriff des U n t e r n e h m e n s einer Tat (Abs. 1 Nr. 6) 1. A n w e n d u n g des Begriffs 2. Bedeutung des Begriffs a) Versuch b) Untauglicher Versuch c) Versuch eines U n t e r n e h m e n s d e likts ausgeschlossen d) Keine S t r a f m i l d e r u n g nach Versuchsgrundsätzen

52 53 54 55

X. XI. XII.

56 59 60 62 63 64 65 69 70 71 72 73 74

XIII.

1. Behörde 2. Kasuistik 3. G e r i c h t 4. „behördlich" D e r Begriff d e r M a ß n a h m e (Abs. 1 Nr. 8) D e r Begriff des Entgelts (Abs. 1 Nr. 9) . . Gleichstellungsklausel f ü r Vorsatz- u n d Fahrlässigkeitskombination (Absatz 2) . . 1. Erfolgsqualifizierte Delikte und Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination . . . 2. Vorsatzcharakter der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination 3. S t r a f b a r e T e i l n a h m e ist möglich . . . 4. Versuch ist möglich 5. B e g r ü n d u n g von Rückfall u n d Wiederruf des Straferlasses Schriften, Ton- u n d Bildträger, Abbildungen u n d a n d e r e Darstellungen (Abs. 3) 1. T e c h n i s c h e V e r e i n f a c h u n g 2. Schriften 3. T o n t r ä g e r 4. Bildträger 5. A b b i l d u n g e n 6. Darstellungen 7. Notwendigkeit eines K l a m m e r h i n weises

83 84 86 87 88 90 93 94 95 98 99 100

101 102 103 104 105 106 107

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I. Allgemeines. Die Vorschrift definiert eine Reihe von Personenbegriffen 1 (Abs. 1 Nr. 1 bis 4) und von Sachbegriffen (Abs. 1 Nr. 5 bis 9). Sie stellt ferner in Absatz 2 klar, daß Taten, die eine vorsätzliche Begehung voraussetzen, aber eine fahrlässige Erfolgsverursachung genügen lassen (Mischtatbestände, Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination) im Rechtssinne Vorsatzdelikte sind. Schließlich werden in Absatz 3 Schriften, Ton- und Bildträger und bestimmte Darstellungen gleichgestellt. Die einzelnen Begriffsbestimmungen stehen (mit Ausnahme der Nr. 2 bis 4 des Absatzes 1 — in keinem inneren Zusammenhang. Sie gehören sachlich zu den entsprechenden Vorschriften, die die jeweiligen Begriffe verwenden und deren Fassung entlasten. Obwohl die Begriffsbestimmungen nach dem Wortlaut („im Sinne dieses Gesetzes") nur für das StGB Geltung zu beanspruchen scheinen, geht ihr Anwendungsbereich weiter. Er erstreckt sich auf das gesamte Strafrecht des Bundes und der Länder (Art. 1 EGStGB). Dazu gehört grundsätzlich auch das Nebenstrafrecht, das an zahlreichen Stellen auf den Begriffskatalog des § 11 verweist1. Freilich ist insoweit zu berücksichtigen, daß infolge der Verflechtung mit anderen Rechtsgebieten auf den jeweiligen Normzweck und den Normzusammenhang Bedacht zu nehmen ist2. Für die Auslegung nichtstrafrechtlicher Normen sind die Begriffsbestimmungen des § 11 nicht maßgebend.

1

2

Z. B. § 36 DepotG v. 4. 2. 1937 (RGBl. I S. 171, BGBl. III 4 1 3 0 - 1 ) i. d. Fass. d. EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. 1 S. 469). Sch.-Schröder-Eser Rdn. 2; Lackner Anm. 1.

(181)

§11

2

I. A b s c h n i t t . D a s S t r a f g e s e t z

II. Der Begriff des Angehörigen (Abs. 1 Nr. 1) Zur Entstehungsgeschichte: Niederschriften der GrStrafRKomm. Bd. 5 S. 124, 246, 248, 254, 256; Bd. 6 S. 329. 1. Der sachliche Inhalt der Definition entspricht weitgehend dem § 52 Abs. 2 a. F. mit einigen Klarstellungen, die Art. 6 Nr. 1 des Adoptionsgesetzes vom 2. 7. 1976 (BGBl. I S. 1749) gebracht und die ferner die Vorschrift in der Auslegung der Rechtsprechung erfahren hat. Die Fassung der Definition entstammt § 10 Nr. 3 E 19623. Wo das Gesetz den Begriff des Angehörigen verwendet, geht es meist um Privilegierungen des Täters. Sie sind allerdings rechtspolitisch unterschiedlich motiviert 4 : zum einen sind es Fälle, bei denen der Täter zugunsten eines Angehörigen tätig u n d / o d e r wegen vergleichbarer Konfliktlage privilegiert wird (§ 35 Abs. 1, § 139 Abs. 3, § 157 Abs. 1, §§ 213, 258 Abs. 6, § 258 a Abs. 3); zum anderen handelt es sich um Taten gegen Angehörige, bei denen der Täter dadurch privilegiert wird, daß die Tat nicht von Amts wegen verfolgt wird, sondern hierfür ein Strafantrag des Geschädigten erforderlich ist (§§247, 259 Abs. 2, § 263 Abs. 4, §265a Abs. 3, §266 Abs. 3, § 294). In diesen Fällen soll es der freien Entschließung des mit dem Täter familiär oder häuslich eng verbundenen Geschädigten abhängen, ob ein Strafverfahren in Gang gebracht werden soll. Bei der Frage einer (zugunsten des Täters) analogen Anwendung 5 des Angehörigenbegriffs (unten Rdn. 9) kann es von Bedeutung sein, ob der Täter zugunsten eines Angehörigen gehandelt hat oder die Tat sich gegen ihn richtet. Der Angehörigenbegriff wird ferner im Zusammenhang mit dem Übergang des Strafantragsrechts beim Tod des Antragsberechtigten verwendet (§ 77 Abs. 2 S. 3, § 77b Abs. 4, § 165 Abs. 1 S. 2, 3, § 194 Abs. 1 S. 2, § 205 Abs. 2, § 232 Abs. 1 S. 2).

3

2. Der Angehörigenbegriff des § 11 ist, obwohl er dem Sprachgebrauch des BGB angepaßt ist, grundsätzlich nach strafrechtlichen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. unten Rdn. 9). Dies entspricht herkömmlichem Recht 6 . § 11 gilt nur, wo allgemein auf „Angehörige" verwiesen wird, nicht dort, wo besondere Vorschriften (z. B. §§ 77, 173) näher aussprechen, welche Angehörigen gemeint sind. Für die Frage, ob ein Angehörigenverhältnis vorliegt, ist die Zeit der Tat (§ 8) maßgebend 7 . Handelt der Täter in einer Notstandslage im Sinne des § 35, die durch eine Nötigungshandlung herbeigeführt worden ist und die sich gegen seinen Angehörigen richtet, so kommt es für die Angehörigeneigenschaft des Gefährdeten auf den Zeitpunkt der abgenötigten Tat an und nicht etwa auf den der Drohung. § 35 ist also nicht anwendbar, wenn etwa zwischen Drohung und abgenötigter Handlung das Verlöbnis aufgelöst worden ist 8 . Das Angehörigenverhältnis ist im übrigen stets ein gegenseitiges: nicht nur der Bruder ist Angehöriger des Ehemannes seiner Schwester, sondern auch der Ehemann ist Angehöriger des Bruders seiner Frau 9 . Die Begriffsbestim3

4

5 6 7 8 9

Durch Art. 18 II Nr. 5 a EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) redaktionell dem NichtehelG vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1243) angeglichen. Hierzu im einzelnen Niederschriften Bd. 5 S. 119ff (Wilkerling), S. 123ff (Tröndle)·, ferner Stratenwerth ZStW 76 (1964) 674. Tröndle LK § 1 Rdn. 39. RGSt. 34 421, 48 198; BGHSt. 7 246 m. weit. Nachw. Baldus LK 9. Aun. § 52 Rdn. 27; Dreher Rdn. 1. Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 27. RG GA Bd. 51 47; Frank § 52 Anm. IV a. E.; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 27. (182)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

mung unterscheidet zwischen Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnissen (Rdn. 4 ff) und solchen der Pflegeelternschaft (Rdn. 12). 3. Verwandte in gerader Linie (Nr. 1 a) sind Personen, deren eine von der anderen 4 abstammt (§ 1589 S. 1 BGB) oder die kraft Gesetzes im Wege einer Volladoption (Annahme als Kind) in einem rechtlich gleichwertigen Verwandtschaftsverhältnis stehen 9 3 (§§ 1741, 1754 BGB i. d. Fass. d. AdoptionsG v. 2.7.1976 - BGBl. I S. 1749). Verwandtschaft in gerader Linie ist auf- und absteigend zu verstehen und ohne Beschränkung nach Graden. Es ist also beim Diebstahl des Enkels gegenüber dem (in häuslicher Gemeinschaft lebenden) Großvater oder des Großvaters gegenüber dem Enkel ein Strafantrag erforderlich (§ 247). Nicht in Nr. 1 a erwähnt sind Verwandte der Seitenlinie (§ 1589 S. 2 BGB). Sie gehören — von den Geschwistern (unten Rdn. 10) abgesehen — nicht zu den Angehörigen im Sinne des materiellen Strafrechts, während im Prozeßrecht Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grade (und Verschwägerte in der Seitenlinie bis zum zweiten Grade) zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Im Angehörigenbegriff der Nr. 1 a scheiden also Geschwisterkinder und die Geschwister der Eltern aus 1 0 . Für den Begriff der Verwandtschaft kommt es im Strafrecht — falls man von 5 den nach dem neuen Adoptionsgesetz (oben Rdn. 4) im Wege einer Volladoption begründeten Verwandtschaftsverhältnis (§ 1754 BGB) absieht — auf die blutmäßige Abstammung an. Das entspricht herkömmlicher strafrechtlicher Auslegung (BGHSt. 7 245). Die Gesetzesfassung stellt dies durch die Erwähnung der nichtehelichen Geburt ausdrücklich klar, obwohl es dessen nach der Streichung des § 1589 Abs. 2 BGB 1 1 nicht mehr bedurft hätte. Da die blutmäßige Abstammung entscheidet, ist für das Strafrecht auch die Ehelichkeitsvermutung des § 1591 Abs. 2 BGB grundsätzlich ohne Bedeutung 1 2 . Freilich kann der zivilrechtlich verstandene Verwandtschaftsbegriff dann eine Rolle spielen, wenn er im konkreten Fall zugleich eine für den strafrechtlichen Angehörigkeitsbegriff relevante Faktizität aufweist, ζ. B. wenn der scheineheliche Vater die Ehelichkeit des Kindes nicht angefochten hat (vgl. § 1593 ff BGB) und die Vaterrolle ausfüllt. In einem solchen Fall wird die Verfolgung eines zur Vermögensfürsorge verpflichteten Vaters wegen Untreue von einem Strafantrag abhängig zu machen sein (vgl. §266 Abs. 3, §247) 1 3 . Für die Frage, ob ein Angehörigenverhältnis vorliegt, kommt es grundsätzlich auf die Beurteilung des erkennenden Gerichts an (BGHSt. 7 256). Freilich erfährt die Entscheidungsfreiheit des Strafrichters bei einem durch (eheliche und nichteheliche) Abstammung begründeten Angehörigkeitsverhältnis durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NichtehelG) 1 4 eine Einschränkung, da Vaterschaftsanerkenntnisse und Statusurteile „für und gegen alle" wirken (§ 1600 a BGB). Zwar kann sich eine solche inter-omnes-Wirkung nicht ohne weiteres auch auf den Strafrichter erstrecken. Die Faktizität der Bindung anderer kann er aber 9a

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12 13 14

Hierzu anstelle weiterer Hinweise Palandt-Diederichsen BGB, 36. Aufl. 1977, §1754 Anm. 1 m. weit. Nachw. E 1962 Begr. S. 115, 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 7; zum früheren Recht: RG JW 1935 3467. § 1589 Abs. 2 i. d. Fass, vordem NichtehelG vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1243): „Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als verwandt". RG JW 1938 1315; Dreher Rdn. 3; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 29. Fälle nach Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6. Vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1243).

(183)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

nicht außer Acht lassen, so daß im Ergebnis die Auffassung von Baldus in der Voraufl. (§ 52 Rdn. 29), wonach selbst nach dem Inkrafttreten des NichtehelG der Strafrichter an ein Statusurteil nicht gebunden sei und er in solchen Fällen auch ohne Statusakte eine Verwandtschaft bejahen könne, in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden kann. In der ähnlichen Frage der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach § 170b bejaht inzwischen die Rechtsprechung (BGHSt. 26 I I I ) 1 5 eine Bindung des Strafrichters an Statusurteile. Allerdings fließt diese Bindungswirkung von Statusakten wohl mehr aus den praktischen Konsequenzen der zivilprozessualen Rechtskraftwirkung. Immer bleibt zu beachten, daß letztlich strafrechtliche Auslegungskategorien maßgebend bleiben. Aus diesem Grunde kam es bei der Auslegung des Verwandtschaftsbegriffs in § 173 (Beischlaf zwischen Verwandten) nach h. M. von jeher auf die wirkliche biologische Abstammung an und nicht etwa auf ein Statusakt im Sinne des § 1600 a BGB (vgl. Eggert MDR 1974 448). Durch die Neufassung des § 173 (Art. 6 Nr. 3 AdoptionsG vom 2. 7. 1976 - BGBl. I S. 1749) wurde dies gesetzlich ausdrücklich klargestellt. Die strafrechtliche Angehörigeneigenschaft dauert — wie sich aus der durch das AdoptionsG neu gefaßten Begriffsbestimmung ergibt — fort, wenn ein Verwandtschaftverhältnis dadurch erlischt, daß ein Kind angenommen (vgl. §§ 1754, 1755 BGB) oder daß eine solche Annahme als Kind wieder aufgehoben wird (§ 1764 Abs. 2 BGB). 6

4. Verschwägert in gerader Linie (§ 1590 Abs. 1, § 1589 S. 1 BGB) sind die Verwandten (Rdn. 4) des einen Ehegatten im Verhältnis zum anderen Ehegatten, also die Schwiegereltern und Schwiegerkinder sowie die Stiefeltern und Stiefkinder, aus der Seitenlinie hingegen nur — wie es in Nr. 1 a ausdrücklich heißt — die Ehegatten der Geschwister und die Geschwister der Ehegatten, nicht jedoch die Ehegatten von Geschwistern untereinander 16 (ζ. B. die Tochtermänner, sog. Schwippschwägerschaft). Jedoch ist das nichteheliche Kind mit der Ehefrau des nichtehelichen Vaters verschwägert (BGHSt. 10 400), ebenso der Ehegatte eines Adoptivkindes mit den Adoptiveltern (vgl. § 1754 n. F. BGB). Die Schwägerschaft wird durch eine formell gültige Ehe begründet. Der Tod eines Ehegatten überdauert das Schwägerschaftsverhältnis (BGHSt. 7 385), dasselbe gilt im Falle anderer Auflösungsgründe (Scheidung, Aufhebung, Nichtigkeit) sowie im Falle des Erlöschens von Verwandtschaftsverhältnissen bei der Annahme als Kind und bei der Aufhebung einer solchen Annahme (§§ 1754, 1755, 1764 Abs. 2 BGB).

7

5. Ehegatten sind Personen, die miteinander in formell gültiger Ehe leben (RGSt. 60 248). Eine „Nichtehe" begründet kein Angehörigkeitsverhältnis, daß die Ehe aber möglicherweise vernichtbar oder aufhebbar (§§ 16 ff, 28 ff EheG) ist, steht nicht entgegen 17 . Das Gesetz hat abweichend von der bisherigen Rechtsprechung 18 inzwischen auch klargestellt, daß das Angehörigkeitsverhältnis fortdauert, wenn die Ehe, die die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht19. Das Gesetz will auf die

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16 17 18 19

Hierzu Heimann-Trosien JR 1976 235, OLG Stuttgart NJW 1973 2306; vgl. zu dieser Problematik allgemein Schwab NJW 1960 2169, 2173; Eggert M D R 1974 445. RGSt. 15 78, RG G A Bd. 51 47; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8. RGSt. 56 427, 60 246, 61 199; a. A. noch RG Rspr. 5 188. BGHSt. 7 383, OLG Celle NJW 1958 471. So schon bisher für § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO: BGHSt. 9 37. (184)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

durch die Ehe begründeten nahen Beziehungen auch nach dem Wegfall des rechtlichen Bandes Rücksicht nehmen 2 0 . Das Angehörigenverhältnis besteht daher nicht nur nach der Scheidung, sondern auch im Falle der Nichtigerklärung und der Aufhebung der Ehe weiter, und zwar nicht nur für das Verhältnis der Ehegatten untereinander, sondern auch für das Schwägerschaftsverhältnis 21 . Hingegen ist darauf zu achten, daß dies nur gilt, wo das Gesetz allgemein von Angehörigen spricht, nicht hingegen dort, wo von „Ehegatten" die Rede ist und sich aus dem Normzusammenhang ergibt, daß eine bestehende Ehe vorausgesetzt ist (z. B. § 77 Abs. 2 S. 1, § 181 a Abs. 3, vgl. oben Rdn. 3) 22 . Personen, die nichtehelich zusammenleben, fallen nicht unter den Begriff der Ehegatten (vgl. aber hierzu unten Rdn. 9), sie können aber „nahestehende Personen" im Sinne des § 35 Abs. 1 sein. 6. Verlobte sind Personen, die sich ein ernstliches und unbedingtes Eheverspre- 8 chen gegeben haben. Auf die zivilrechtliche Gültigkeit kommt es nicht an 2 3 . Auch beschränkt Geschäftsfähige können, soweit sie die Bedeutung der Bindung richtig verstehen und einigermaßen erwachsen sind, ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters verlobt sein (RGSt. 38 243) 24 . Auch ein Ehehindernis nach § 6 EheG schließt ein strafrechtlich gültiges Verlöbnis nicht aus 2 5 . Öffentlich braucht das Verlöbnis nicht bekannt gegeben zu sein 26 , es muß aber beiderseits ernsthaft gemeint sein und darf nicht gegen ein Gesetz oder gegen die guten Sitten 27 verstoßen. Daher begründet das Heiratsversprechen eines Heiratsschwindlers kein Verlöbnis (BGHSt. 3 215), ebenso wenig - unbeschadet des § 116 BGB (RGZ 149 148) - das eines anderweitig Verlobten (RGSt. 71 154). In aller Regel fehlt es auch an einem wirksamen Verlöbnis, wenn der eine Partner noch verheiratet ist 28 . Freilich kann etwas anderes gelten, wenn der verheiratete Partner ein Recht zur Scheidung hat und sie betreibt 29 oder wenn der Ehemann der Partnerin vermißt ist und diese ehrlich an seinen Tod glaubt 30 . Ein Verlöbnis im strafrechtlichen Sinne endet bereits dann, wenn ein Partner den Verehelichungswillen nicht mehr hegt, mag er dies auch dem anderen Teil noch nicht mitgeteilt haben 3 1 , da es nicht gerechtfertigt er20 21

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25 26 27 28

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E 1962 Begr. S. 115; kritisch hierzu im Falle der Scheidung Jescheck AT § 44 I 4. Dreher Rdn. 3, 6; Lackner Anm. 2; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10; Rudolphi SK Rdn. 2; Preisendanz Anm. 3; so früher schon Hellmuth Mayer JZ 1959 119; Baumann AT § 29 II 2a. Nähere Angaben über die frühere (abweichende) h. M.: Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 28, 30. Der E 1962 (Begr. S. 115) ließ die Entscheidung, ob eine nichtige Ehe vor und nach der Nichtigerklärung ein Angehörigenverhältnis zu begründen vermag, offen. E 1962 Begr. S. 115; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 28; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10; Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 2; vgl. BayObLG NJW 1953 156 zum früheren § 170a. RGSt. 10 117, 35 50, 38 244, 61 270; RG DR 1941 2178; BGHSt. 3 216. BGH LM § 222 Nr. 25; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 34; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11 ; Dreher Rdn. 7; Rudolphi SK Rdn. 3; Jescheck AT § 44 I 4. RGSt. 40 420.; ebenso die oben in Fußn. 24 Genannten. Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 34. RGSt. 35 49, 38 243. RGSt. 24 155, 61 270, 71 154; RG JW 1937 3302; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 34; Sch.Schröder-Eser Rdn. 11 ; Dreher Rdn. 7 ; Rudolphi SK Rdn. 3 ; Lackner Anm. 2. BGH VRS 36 20, LG Duisburg NJW 1950 714 im Anschluß an R G Z 170 76, ebenso die oben Fußn. 28 Genannten. Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 34; a. A. LG Kiel M D R 1960 419. RGSt. 75 290; BGHSt. 3 216; OLG Koblenz NJW 1958 2027; Baldus LK 9. Aufl. § 52 Rdn. 34; Dreher Rdn. 7 ; Rudolphi SK Rdn. 3 ; Preisendanz Anm. 4; Kohlrausch-Lange § 52 Anm. VI 3. A. A. RGSt. 71 154, OLG Kiel DStR 1937 63 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11.

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§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

scheint, im Strafrecht aus dem Verlöbnis folgende Privilegierungen dem untreuen Teil zugute kommen zu lassen. Ist ein Verlöbnis nicht erwiesen aber möglich, so ist zugunsten des Angeklagten von einem Verlöbnis auszugehen (BayObLG NJW 1961 1222).

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7. Personen, die in außerehelicher Lebensgemeinschaft ehegleich oder in Kommunen zusammenleben, fallen nicht unter den Angehörigenbegriff. Hingegen bestimmt das neue österreichische Strafrecht in §72 Abs. 2 öStGB 1975: „Personen verschiedenen Geschlechts, die miteinander in außerhehelicher Lebensgemeinschaft leben, werden wie Angehörige behandelt, Kinder und Enkel einer von ihnen werden wie Angehörige auch der anderen behandelt". Im deutschen Strafrecht werden lediglich in besonderen Vorschriften neben den „Angehörigen" dem Täter „nahestehende Personen" (§ 35) oder solche, die in „häuslicher Gemeinschaft" leben (§ 247), ausdrücklich erwähnt und damit insoweit den entsprechenden Privilegierungen der Angehörigen teilhaftig. Da aber auch früher schon im Bereich des Antragserfordernisses eine Analogie zugunsten des Täters angenommen worden ist 3 2 , kommt bei vergleichbarer Sachsituation eine (analoge) Anwendung des Angehörigenbegriffs auch auf Personen in Betracht, die ehegleich zusammenleben 3 3 . Nur auf diese Weise können unangemessene Ergebnisse vermieden werden, auf die schon Stratenwerth ZStW 76 (1964) 675 hingewiesen hat.

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8. Die Geschwister, ebenso wie die Ehegatten der Geschwister und die Geschwister der Ehegatten (Schwäger, Schwägerinnen), werden in Nr. 1 a ausdrücklich erwähnt, weil im übrigen nur Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie zu den Angehörigen zählen (Rdn. 4, 6). Auch bei den Geschwistern entscheidet die Blutsverwandtschaft. Es kommt nicht darauf an, ob sie in materiell gültiger Ehe oder nichtehelich geboren sind, auch nicht, ob sie halb- oder vollbürtig sind (OLG Düsseldorf NJW 1958 394). Sie müssen aber mindestens einen gemeinsamen Elternteil haben. Bringen beide Ehegatten in ihre Ehe Kinder ein, so sind diese („zusammengebrachten") Kinder keine Geschwister. Sie sind auch nicht verschwägert. Sie können aber als Pflegekinder des anderen Elternteils (unten Rdn. 12) angesehen werden 3 4 . Auch die Adoption schafft ein Geschwisterverhältnis, vgl. § 1754 BGB. Entferntere Verwandte in der Seitenlinie, ζ. B. Onkel und Nichte, Vetter und Base, begründen kein Angehörigen Verhältnis3^ (vgl. auch oben Rdn. 6). Bei der Auflösung der Ehe oder der Aufhebung der Adoption (§ 1764 Abs. 2 BGB), die das Geschwisterverhältnis begründet, gilt Rdn. 7 entsprechend.

11

9. Zu den Angehörigen zählen schließlich Pflegeeltern und Pflegekinder (Nr. 1 b). Gemeint sind nicht die Fälle der §§ 27 ff JWG, sondern ein Verhältnis, das dem zwischen natürlichen und angenommenen Eltern und Kinder ähnlich und tatsächlich so ausgestaltet ist, daß es ebenso wie dieses ein dauerndes sittlich gleichartiges Band zwischen den Verbundenen herstellt (Nachbildung der natürlichen Elternschaft) 3 6 . Auch Stiefeltern können in diesem Sinne Pflegeeltern sein (RGSt. 41 198). Das Ver32 33 34 35

36

Beispiele bei Tröndle LK § 1 Rdn. 39. Ähnlich Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12. Jagusch LK 8. Aufl. § 52 Anm. 5f m. weit. Nachw.; Dreher Rdn. 8. R G J W 1935 3467. Anders insoweit E 1936 § 86 Nr. 1; vgl. E 1962 Begr. S. 115. Krit. auch Stratenwerth ZStW 76 (1964) 675; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7. RGSt. 58 61, 70 324. (186)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

hältnis endet nicht notwendig mit der Volljährigkeit und Selbstständigkeit des Kindes 3 7 . Die häusliche Gemeinschaft als solche begründet noch kein Pflegeverhältnis, es kann sich aber aus ihr eines entwickeln und zwar auch nach der Volljährigkeit. Ein Lehrverhältnis begründet an sich noch kein Pflegeverhältnis (RGSt. 27 132). III. Amtsträger, Richter, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Abs. 1 Nr. 2 bis 4) Schrifttum 13 Hartmann Zur Frage der Strafbarkeit der Gemeinderatsmitglieder, DVBl. 1966 809 ; Härtung Der strafrechtliche Beamtenbegriff, DRpfl. 1939 70; Hochheiser Der Beamtenbegriff im deutschen Strafrecht, 1929; Jessen Können Angehörige privatrechtlicher Versorgungsunternehmen strafrechtlich als Beamte zur Veranwortung gezogen werden? M D R 1962 526; Stratenwerth Die Definition im Allgemeinen Teil des E 1962, ZStW 76 (1964) 669, 676; Wiedemann Unanwendbarkeit des § 359 StGB auf Angestellte der als AG oder GmbH betriebenen Versorgungs- und Verkehrsgesellschaften der öffentlichen Hand, NJW 1965 852. Entstehungsgeschichte und Gesetzesmaterialien. Niederschriften d. Gr.StrafRKomm. Bd. 6 S. 33f, Bd. 9 S. 388ff, 568ff, Bd. 10 S. 282ff, 338ff; E 1962 § 10 Nr. 4 bis 7, Begr. S. 115ff; AE § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 4; BT-Drucks. 7/550 S. 208ff; E-EGStGB Art. 17 1 Nr. 5a bb Begr. S. 208 ff (BT-Drucks. 7/550); 1. Ber BT-Drucks. 7/1261 S. 4; EGStGB v. 2. 4. 1974 (BGBl. I S. 469) Art. 18 II N r . 5 b b .

1. Die Gesetzesdefinitionen der Nummern 2 bis 4 stehen miteinander in engem 14 Zusammenhang. Sie traten an die Stelle des bisherigen „strafrechtlichen Beamtenbegriffs" nach § 359 a. F. und der „besonders Verpflichteten" im Sinne des § 353 b Abs. 2 a.F. und § 1 der BestechVO', decken sachlich im wesentlichen den früher von diesen Vorschriften erfaßten Personenkreis ab, liefern jedoch in sich genauere Abgrenzungen, bringen andererseits aber auch Vereinfachungen und Klarstellungen 2 . Die bisherige Rechtsprechung zum strafrechtlichen Beamtenbegriff (§ 359 a. F.), die schon bisher für das gesamte Strafrecht maßgebend war (RGSt. 29 18), hat daher auch für das neue Recht Geltung behalten (vgl. unten Rdn. 33 ff). Begriffsbestimmungen für den Amtsträger, den Richter und den für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten enthielt bereits E 1962 § 10 Nr. 4 bis 7 (ebenso AE § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 4). § 11 i. d. Fass, des 2. StrRG verzichtete jedoch auf solche Definitionen im Hinblick auf die ihnen widerfahrene Kritik 3 . Indessen ergab sich bei der Fassung der neuen Vorschriften über die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203), bei der Neufassung der Bestechungs- und Amtsdelikte (§§ 331 ff) und im Interesse der Bereinigung des Sprachgebrauchs und der Vereinheitlichung von über 100 besonderen Vorschriften (Göhler NJW 1974 831) eine Notwendigkeit für solche Begriffsbestimmungen, freilich in Form einer verbesserten Fassung, die den erhobenen Einwendungen Rechnung trug. Das Gesetz hat beim Amtsträgerbegriff — abweichend von § 10 Nr. 4 E 1962 — insbesondere auf die im immer weiter anwachsenden Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge praktisch nur schwer zu treffende 37

RGSt. 13 148; BayObLGSt. 1 16; Baldus LK 9. Aufl. §52 Rdn. 32; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 14; Dreher Rdn. 10. ' VO gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen vom 3. 5. 1917/ 22. 3. 1943 (RGBl. I S. 351, BGBl. III 2 0 3 4 - 1 ) aufgehoben durch Art. 287 Nr. 3 EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). 2 Vgl. hierzu Göhler NJW 1974 831. 3 Insbesondere Stratenwerth ZStW 76 (1964) 676ff.

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§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Unterscheidung zwischen „hoheitlicher" und rein fiskalischer Tätigkeit verzichtet, da die Tatbestände, bei denen eine hoheitliche Tätigkeit der Amtsträger vorausgesetzt ist (z. B. §§ 113, 120, 258a, 336, 343 bis 345, 348, 352, 353), dies schon in ihrer Fassung zum Ausdruck bringen. 15

2. Die Legaldefinitionen der Nummern 2 bis 4 gelten nicht nur für die von diesem Personenkreis begangenen Straftaten (§ 97b Abs. 2, § 120 Abs. 2, § 133 Abs. 3, §§ 174b, 201 Abs. 3, § 203 Abs. 2, § 258 a, §§ 331 bis 334, 336, 340, 343 bis 345, 348, 352, 353, 353 b, 355, 357 Abs. 2), sondern auch für die gegen diese Personen gerichteten Delikte (§§ 113, 114, 121, 194 Abs. 3, § 232 Abs. 2). Die Begriffe spielen ferner aber auch in § 5 Nr. 11 bis 13, §§ 77a und 164 und in zahlreichen Vorschriften des Nebenstrafrechts, für das § 11 gleichermaßen gilt (Art. 1 EGStGB), eine Rolle.

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3. Anstelle des strafrechtlichen Beamtenbegriffs (§ 359 a. F.), der weit über den staatsrechtlichen Beamtenbegriff hinausging 4 , unterscheidet das Gesetz begrifflich zwischen Amtsträgern (Rdn. 17 ff), Richtern (Rdn. 48 ff), die zu den Amtsträgern gehören (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a), und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (Rdn. 52 ff).

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IV. Amtsträger (Abs. 1 Nr. 2) sind Personen, die in einem bestimmten Dienstoder Auftragsverhältnis zu einer öffentlichen Stelle stehen und deren Bestellung auf deutschem Recht beruht 5 . Maßgebend ist also das innerhalb der Bundesrepublik geltende Bundes- und Landesrecht, so daß alle im Dienst des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts tätigen Amtsträger erfaßt sind (BT-Drucks. 7/550 S. 210). Ausländische Beamte und solche der DDR (vgl. vor § 3 Rdn. 65, 67) sind keine Amtsträger in diesem Sinne. Freilich können Ausländer, ζ. B. als Wahlkonsul (vgl. § 177 BBeamtG), deutsche Amtsträger sein (§ 5 Nr. 12, LK § 5 Rdn. 21). Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften sind nur dann Amtsträger, wenn ihre Bestellung auch durch deutsches Recht abgedeckt oder die Ausdehnung des Amtsträgerbegriffs durch eine besondere Übereinkunft einbezogen ist6. Zu den Amtsträgern gehören nach Nr. 2 a zunächst alle Beamten (Rdn. 18) und Richter (Rdn. 48).

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1. In diesem Zusammenhang sind als Beamte nur solche im staatsrechtlichen Sinne gemeint. Hierzu gehören nur Personen, die nach den beamtenrechtlichen Vorschriften durch eine dafür zuständige Stelle in ein Beamtenverhältnis berufen worden sind. Es handelt sich hierbei um ein vom Staat durch einen öffentlichrechtlichen Akt begründetes Verhältnis, das für den Beamten eine Pflicht zu Diensten und Treue, für den Staat eine Schutz- und Unterhaltspflicht begründet (§§ 2, 6, 52 ff, 79 ff BBeamtG) 7 . Der Anstellung muß eine Willenseinigung zwischen der zuständigen Stelle und dem Anzustellenden vorausgehen. Es kommt somit nur eine freiwillige Begründung des Beamtenverhältnisses in Betracht 8 . Jedoch können Eh4 5 6 7 8

Mösl Voraufl. § 359 Rdn. 13 ff. So Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17. RGSt 39 234, 51 113, 52 348, 60 140; OG H St. 2 370; BGHSt. 2 120. BGHSt. 12 110, 25 206 m. weit. Nachw. zum alten strafrechtlichen Beamtenbegriff des § 359 a. F. für den diese Frage freilich umstritten war, hierzu Mösl Voraufl. § 359 Rdn. 14. (188)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

renämter, deren Übernahme staatsbürgerliche Pflicht ist, unter Nr. 2 b fallen (unten Rdn. 21). Was zur rechtswirksamen Anstellung und Ernennung eines Beamten gehört, bestimmt das jeweils maßgebende Bundes- und Landesstaatsrecht 9 . In der Regel ist die Aushändigung einer Ernennungsurkunde zwingend vorgeschrieben. Setzt die Beamteneigenschaft die Ableistung eines Diensteides voraus (vgl. RGSt. 39 93), so ist der Betreffende erst nach der Eidesleistung Beamter. Ob der Beamte auf Lebenszeit, auf Widerruf oder auf Probe angestellt ist (§ 5 BBeamtG), bleibt unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich bei dem Amtsträger um einen unmittelbaren Bundes- oder Landesbeamten handelt oder um einen mittelbaren Beamten 10 , der bei einer dem Staat nachgeordneten Gemeinde, einem Gemeindeverband, einer öffentlichrechtlichen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung im Dienst steht". Ist ein Beamtenverhältnis im formellen Sinne gegeben, so kommt es nur darauf 19 an, daß dem Beamten die Tätigkeit als dienstliche Aufgabe zugewiesen ist, nicht darauf, welche Gattung von Dienstgeschäften ihm obliegt und für welchen Zweig der staatlichen Verwaltung er tätig ist. Es ist also gleichgültig, ob der Beamte rein mechanische Dienste leistet 12 , ob seine Tätigkeit eine vorbereitende, begutachtende oder unterstützende ist 13 , ob er in einem staatlichen Gewerbebetrieb beschäftigt ist 14 , ob seine Dienste hoheitlicher Art sind oder ob sie der Beamte nach Art eines Geschäftsmannes oder Gewerbetreibenden zu erledigen hat 15 . Beamte verlieren ihre Eigenschaft auch nicht dadurch, daß sie im staatlichen Interesse an ein Privatunternehmen abgeordnet werden und dort Dienste leisten 16 . Anders liegt es nur, wenn dem Beamten eine Tätigkeit übertragen ist, die völlig außerhalb des Aufgabenbereichs der Anstellungsbehörde liegt 17 . Die nur vorläufige Amtsenthebung beseitigt die Beamteneigenschaft nicht 18 . 20 Der Ruhestandsbeamte ist nicht mehr Beamter im staatsrechtlichen Sinne (§ 35 BBeamtG) und damit auch nicht mehr Amtsträger. Indessen gibt es eine Reihe von Tatbeständen, die auch für Ruhestandsbeamte gelten (§§ 203, 353 b, 354 Abs. 1, 4, § 355). 2. Amtsträger ist auch, wer in einem sonstigen öffentlichrechtlichen Amtsverhält- 21 nis steht (Nr. 2b). Es handelt sich hierbei um solche Amtsverhältnisse, die kein Beamtenverhältnis begründen, die aber gleichwohl dem Bereich der vollziehenden

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RGSt. 32 259; BGHSt. 2 120. Bundesbankbeamte sind mittelbare Beamte: §31 Abs. 3 S. 1 BBankG vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 745 - III 7 6 2 0 - 1 ) , letztes ÄndG vom 23. 5. 1975 (BGBl. I S. 1173); Bundesbahn- und Bundespostbeamte sind unmittelbare Bundesbeamte: § 19 S. 2 BBahnG vom 13.12.1951 (BGBl. I S. 955 - III 9 3 1 - 1 ) , letztes ÄndG vom 21.12.1970 (BGBl. I S. 1765); §23 Abs. 1 PostVerwG vom 24.7. 1953 (BGBl. I S. 676 - III 9 0 0 - 1 ) , letztes ÄndG vom 21. 12. 1970 (BGBl. I S. 1765). RGSt. 14 130, 35 1S2, 41 327, 55 142, 60 139, 62 337. RGSt. 32 260, 51 66. RGSt. 3 421 (öffentliche Wohlfahrtspflege). RGSt. 14 345, 24 85. RGSt. 67 302 (Straßenbahn-AG), 68 71 (Postbeamte einer Postkrankenkasse). Mösl Vorauf!. § 359 Rdn. 15; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20. RGSt. 67 303, RG JW 1934 2149, RG H R R 1940 874. RGSt. 72 237, Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18; Dreher Rdn. 14; a. A. zu § 359 a. F.: RGSt. 63 433.

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§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Gewalt zuzuordnen sind: Hierzu gehören die Minister der Bundesregierung 19 und der Landesregierungen, die Parlamentarischen Staatssekretäre20, der Wehrbeauftragte des Bundestages 21 , die Notare und Notarassessoren (§§ 1, 7 Abs. 3 BNotarO), nicht jedoch die badischen Amtsnotare und württembergischen Bezirksnotare 22 , die Beamte im staatsrechtlichen Sinne nach Nr. 2 a sind. Nach neuem Recht fallen auch Inhaber von Ehrenämtern, deren Übernahme staatsbürgerliche Pflicht ist (ζ. B. Wahlvorsteher), unter öffentlichrechtliche Amtsverhältnisse im Sinne der Nr. 2 b, da auch ehrenamtliche Richter in den Amtsträgerbegriff einbezogen sind (Nr. 2 a, 3) und eine abweichende Behandlung der Ehrenbeamten nicht gerechtfertigt ist (so mit Recht Lackner Anm. 3 b) 2 3 . In keinem öffentlichen Amtsverhältnis im Sinne der Nr. 2 b stehen hingegen die Abgeordneten (hierzu unten Rdn. 26), Rechtsanwälte (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 BRAO), Vormünder, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter, ebensowenig Verwaltungslehrlinge und -praktikanten 2 4 . Auch andere Berufsgruppen, die einer besonderen Ehrengerichtsbarkeit unterstehen (Ärzte, Apotheker usw.), sind nicht etwa deswegen schon Amtsträger. Soldaten stehen in einem besonderen Dienstverhältnis. Sie werden in mancherlei Hinsicht den Amtsträgern gleichgestellt (§ 48 Abs. 1 WStG). 22

3. Zu den Amtsträgern zählen schließlich Personen, die sonst dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (Nr. 2 c). Durch diese Umschreibung dehnt der Amtsträgerbegriff seine Reichweite auf den herkömmlichen strafrechtlichen Beamtenbegriff (§ 359 a. F.) aus 2 5 . Es kommt bei diesem Personenkreis nicht wie in Nr. 2 a auf die formale Begründung eines Beamten-(Richter-)Verhältnis (Rdn. 18) an, sondern darauf, daß der Betreffende befugtermaßen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung tatsächlich wahrnimmt. Da es häufig vorkommt, daß mit einer solchen Tätigkeit auch Angestellte selbständig betraut sind, ist die Ausdehnung des Amtsträgerbegriffs auf diese Fälle unabweisbar. Im einzelnen ist hierfür erforderlich:

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a) Der Amtsträger muß bestellt sein, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Auf die Art der Bestellung und deren Dauer kommt es nicht an. Sie muß aber wirksam sein, also durch die zuständige Stelle geschehen 2 6 , die im Urteil näher zu bezeichnen ist 27 . Ein festes Beschäftigungsverhältnis und eine förmliche

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§ 1 des Bundesministergesetzes i. d. Fass, vom 27. 7. 1971 (BGBl. I S. 1666 — III 1103—1), letztes ÄndG vom 20. 12. 1974 (BGBl. I S. 3716). § 1 Abs. 3 G über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre vom 24.7. 1974 (BGBl. I S. 1538 - III 1103-2). § 15 Abs. 1 G über den Wehrbeauftragten des Bundestages vom 26. 6. 1957 (BGBl. I S. 652 - III 5 0 - 2 ) , letztes ÄndG vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469). Vgl. §§115, 116 BNotarO vom 24.2. 1961 (BGBl. I S. 98 - III 3 0 3 - 1 ) , letztes ÄndG vom 20. 8. 1975 (BGBl. I S. 2258). Ebenso Dreher Rdn. 18; a. A. jedoch für den bisherigen strafrechtlichen Beamtenbegriff, der nach h. M. eine freiwillige Begründung des Beamtenverhältnisses vorausgesetzt hat: BGHSt. 12 110, 25 206; hierzu Mösl Vorauf!. §359 Rdn. 14 m. weit. Nachw.; Wagner Amtsverbrechen (1975) 115. BT-Drucks. 7/1261 S. 4. Zum „strafrechtlichen Beamtenbegriff' Mösl Vorauf! § 359 Rdn. 13. OGHSt. 2 370; OGHBZ NJW 1950 436; OLG Schleswig SchlHA 1949 297. BGH LM § 359 (a. F.) Nr. 1. (190)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11 28

Ernennung oder ein schriftlicher Vertrag ist nicht vorausgesetzt ; selbst dann nicht, wenn im Falle der Anstellung eines Beamten die Aushändigung einer Ernennungsurkunde erforderlich wäre 29 . Abweichend von Nr. 4 ist auch keine „förmliche Verpflichtung" erforderlich (unten Rdn. 60). Für den früheren strafrechtlichen Beamtenbegriff ließ die Rechtsprechung 30 sogar eine stillschweigende Bestellung genügen. Auch ein Vorbehalt verhindert nicht, daß der Angestellte Amtsträger wird 31 . Für die Bestellung genügt auch ein Privatdienstvertrag (BGH NJW 1952 191). Ob die Bestellung hauptamtlich oder nebenamtlich, planmäßig oder nur vertretungsweise oder vorübergehend erfolgt, ist unerheblich. Auch Ausbildungs- und Probebeamte können im Sinne der Nr. 2 c bestellt sein 32 , selbst Minderjährige 33 . Werden bei der Bestellung Rechts- oder Verwaltungsvorschriften im Innenverhältnis verletzt, so steht dies der Amtsträgereigenschaft nicht entgegen, auch nicht der Umstand, daß dem Täter die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt war (RGSt. 50 19). Die bloße Erklärung einer Anstellungsbehörde, jemand sei Amtsträger, verschafft ihm diese Eigenschaft allerdings noch nicht 34 . Die Bestellung setzt nicht stets voraus, daß der Betreffende die Tätigkeit freiwillig übernommen hat. Insbesondere muß in Notzeiten auch eine Dienstverpflichtung die Amtsträgerschaft begründen können 35 . Die herrschende Auffassung hat freilich zum früheren strafrechtlichen Beamtenbegriff eine freiwillige Übernahme vorausgesetzt 36 . Hiergegen spricht, daß § 48 WStG, der auch nichtfreiwillig dienende Soldaten in bestimmten Fällen den Amtsträgern gleichstellt. Aus dem Begriff des „Bestellens" läßt sich für das neue Recht ein Freiwilligkeitserfordernis nicht entnehmen 37 . Schließlich ist bei Nr. 2 c nicht vorausgesetzt, daß für die Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung eine Vergütung bezahlt wird 38 . b) Der Bestellte muß seine Aufgaben bei einer Behörde oder einer sonstigen 24 Stelle oder in deren Auftrag wahrzunehmen haben. Zu den Behörden (unten Rdn. 83) gehören auch die Gerichte (§ 11 Abs. 1 Nr. 7), jedoch kann sich insoweit Nr. 2 c nicht auf die Rechtsprechungstätigkeit, sondern nur auf die Justizverwaltung, z. B. die Justizkasse, beziehen 39 . Sonstige Stellen sind alle Institutionen, ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform, die keine Behörden, rechtlich aber befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken, namentlich Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, Stellen, die nur Teile einer Behörde im orga28 29 30 31 32

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BGH St. 8 277; RG JW 1931 3671, 1937 739. RGSt. 7 210, 43 363. RGSt. 9 210, RG JW 1935 2970, RG GA Bd. 40 337. RG H R R 1933 1901,1934 1174; RG DR 1939 1311, 1982; RG JW 1936 327; RGSt. 72 362: Beauftragung eines Kassenlehrlings eines Arbeitsamts, Unterstützungsgelder auszuzahlen. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 29; Lackner Anm. 3 c. RG H R R 1940 711; RG DR 1940 1520 (Verpflichtung der 15jährigen Tochter eines Postagenten durch die Postverwaltung!); Dreher Rdn. 21. RGSt. 31 293; Dreher Rdn. 20. OLG Kassel HESt. 2 179; BGH vom 14.2. 1952 - 3 StR 517/51 - zitiert nach Dreher Rdn. 20. RGSt. 29 19, 39 234; BGH MDR 1952 693, BGHSt. 10 297, 12 111, 25 204, offengelassen BGHSt. 5 100; a. A. jedoch Mösl Voraufl. § 359 Rdn. 14. So Dreher Rdn. 20. Lackner (Anm. 3 c aa) meint, daß das Problem „wegen der Einbeziehung des öffentlichrechtlichen Amtsverhältnisses (vgl. b) nahezu bedeutungslos" sei. RGSt. 29 232, 34 236, 52 350. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26.

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§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

nisatorischen Sinne sind, und ferner Vereinigungen, Ausschüsse oder Beiräte, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben berufen sind 40 . 25

c) Schließlich muß der Bestellte Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen haben. Dieser Begriff wird unter anderem in Art. 130 Abs. 1 GG, in § 1 Abs. 4 VerwaltungskostenG 41 und in § 9 Abs. 2 S. 3 OWiG verwendet. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Begriff der „öffentlichen Verwaltung" weit auszulegen und als Abgrenzung zu sonstigem Bereich staatlicher Tätigkeit, nämlich zur Gesetzgebung und zur Rechtsprechung, zu begreifen (BT-Drucks. 7/550 S. 209). Damit sollen zunächst diejenigen Tätigkeiten erfaßt werden, die im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu § 359 a. F. 42 aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und staatlichen Zwecken dienen. Zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehört die hoheitliche Ausübung staatlicher Anordnungs- und Zwangsgewalt ebenso wie die sog. schlicht-hoheitliche staatliche Tätigkeit, die dem Bereich der Daseinsvorsorge zugeordnet wird und die dazu bestimmt ist, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen (BGHSt. 12 90, KG JR 1961 228), aber auch die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Betätigung des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts 43 . Das ergibt sich nunmehr daraus, daß das Gesetz von dem weiteren Begriff der „öffentlichen Verwaltung" spricht und nicht — wie § 10 Nr. 4b E 1962 — von „hoheitsrechtlichen Aufgaben der vollziehenden Gewalt" 4 4 . Angesichts des immer mehr zunehmenden Umfangs der staatlichen Daseinsvorsorge lassen sich staatliche Tätigkeiten, die (auch) am Wettbewerb mit der Privatwirtschaft mitbeteiligt sind, von denen eigentlicher staatlicher Tätigkeit nicht abscheiden. Entgegen Samson (SK Rdn. 15) läßt es sich durchaus halten, auch Aufgaben in staatlichen Produktionsunternehmen in den Amtsträgerbegriff einzubeziehen. Der dort Tätige weiß schließlich, daß er von der öffentlichen Hand bestellt ist. Hingegen wäre der Versuch, im modernen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat „schlicht-hoheitliche" Tätigkeit von der fiskalischen auseinanderzuhalten, für die praktische Rechtsanwendung nicht hinnehmbar, der Amtsträgerbegriff verlöre Kontur und die Tatbestände, die ihn verwenden, büßten ihre Bestimmtheit ein.

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Der Begriff der öffentlichen Verwaltung läßt aber erkennen, daß andere staatliche Tätigkeiten von Nr. 2 c nicht erfaßt sind, insbesondere die gesetzgeberische und parlamentarische Tätigkeit. Abgeordnete sind keine Amtsträger (BGHSt. 5 106). Dafür gibt es angesichts des besonderen Status der Abgeordneten im demokratischen Rechtsstaat gute Gründe. Man wird im Hinblick hierauf auch Funktionsträger der

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So Lackner Anm. 3 c cc; vgl. ferner BT-Drucks. 7/550 S. 209, wo in diesem Zusammenhang § 23 ZündwarenmonopolG vom 29. 1. 1930 (RGBl. I S. 11 - BGBl. III 6 1 2 - 1 0 ) , letztes ÄndG vom 14.12.1976 (BGBl. I S. 3341) und §§23, 28f SchwerbehindertenG vom 29.4. 1974 (BGBl. I S. 1005 - III 8 1 1 - 1 ) , letztes ÄndG vom 14. 6. 1976 (BGBl. I S. 1481) zitiert sind. v. 23. 6. 1970 (BGBl. I S. 821 - III 2 0 2 - 4 ) . RGSt. 39 232, 51 65, 60 139, 67 299, 70 235, 72 290, 73 30, 75 396; RG JW 1935 2433, R G H R R 1940 1161; BGHSt. 4 117, 8 22, 11 389, 12 89. So BT-Drucks. 7/550 S. 208 f ; a. A. (gegen die Einbeziehung der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Betätigung in die öffentliche Verwaltung): Samson SK Rdn. 15; Sch.-Schröder 17. Aufl. § 359 Rdn. 8, gegen K G JR 1961 228: HoferechtiR 1961 509; ferner Jessen M D R 1962 526; Wiedemann NJW 1965 852. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23. (192)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

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Parlamente nicht zu den „Amtsträgern" zu zählen habendi, wenngleich die von solchen Personen innerhalb der gesetzgebenden Körperschaften innegehabten Ämter und Verwaltungstätigkeiten (z. B. Bundestagspräsident, Vorsitzender von Ausschüssen) der Sache nach schwerlich aus dem Bereich der Nr. 2 b und 2 c herausgenommen werden können. In diesem Bereich ist weniger stoßend, daß der Gesetzgeber aus dem Amtsträgerbegriff die Abgeordneten bewußt ausgeschieden hat, sondern daß nicht einmal bedenkliche Vorkommnisse in den letzten Jahren Anlaß gegeben haben, Unregelmäßigkeit bei Wahlen und Abstimmungen innerhalb der parlamentarischen Gremien, insbesondere die Abgeordnetenbestechung, etwa im Zusammenhang mit den Wahldelikten (§§ 107 ff) mit Strafe zu bedrohen. Eine solche Freistellung der Abgeordneten von strafrechtlicher Verantwortung für strafwürdiges und sozialschädliches Tun ist dem Rang des Status der Abgeordneten nicht angemessen und ihrem Ansehen abträglich 46 . Auch Gemeinde- und Stadträte sind grundsätzlich keine Amtsträger 4 7 . Jedoch wird Amtsträgereigenschaft dann nach Nr. 2 c zu bejahen sein, wenn ein Gemeinderat als solcher oder als Vorsitzender eines Ausschusses unmittelbar zu Verwaltungstätigkeiten bestellt wird und mitübernimmt, selbst wenn er hierfür kein Entgelt, sondern nur eine Aufwandsentschädigung erhält. Von der öffentlichen Verwaltung sind auch die Rechtsprechungsorgane nicht erfaßt. Dies schließt aber nicht aus, daß es auch innerhalb der Rechtspflege Tätigkeiten gibt, die materiell der „öffentlichen Verwaltung" angehören, z. B. die Beurkundungstätigkeit der Ortsgerichte in den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz (BT-Drucks. 7/550 S. 209). Rechtspfleger und Grundbuchratschreiber sind Beamte und fallen unter Nr. 2 a. Auch militärische Tätigkeiten gehören nicht zur öffentlichen Verwaltung im Sinne der Nr. 2 c, mit Ausnahme der reinen Wehrverwaltung 48 . Im übrigen bestimmt § 48 WStG, wieweit Soldaten Amtsträger sind (Rdn. 21). Geistliche und andere Religionsdiener sind nicht schon um dieser Stellung willen Amtsträger im Sinne dieser Vorschrift (vgl. RGSt. 47 50), da sie insoweit in keinem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis stehen und auch keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen haben. Sie können aber wie jede andere Person Amtsträger sein, wenn sie zugleich unmittelbar staatliche Bedienstete sind (z. B. Lehrer an öffentlichen Schulen) 49 oder wenn die Erteilung von amtlichen Zeugnissen aus Kirchenbüchern in Betracht kommt 50 . Amtsträger sind insbesondere Personen, die unter staatlicher Aufsicht Kirchenvermögen oder Kirchenstiftsvermögen verwalten51.

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So Lackner Anm. 3 e. Vgl. hierzu §§404, 409 StGB-E 1962 und Begründung S. 486, 491; zusammenfassend Schulze JR 1973 485 m. zahlr. weit. Nachw. OLG Stuttgart NJW 1966 679; Dreher Rdn. 24, a. A. OLG Braunschweig MDR 1950 629; vgl. ferner OLG Celle NdsRpfl. 1962 156. Dreher Rdn. 22. Mösl Voraufl. § 359 Rdn. 29; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 27. RG Rspr. 5 56; Dreher Rdn. 23. BGHSt. 8 277 (Rendant für katholische Gemeinden in Nordrhein-Westfalen), BGH LM §359 (a. F.) Nr. 1; RG JW 1935 3391, 1935 1248 (Rendant der katholischen Kirchengemeinde); RGSt. 57 23, 63 116, 71 149; RG JW 1934 2070, RG H R R 1939 273,1941 459.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

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d) Liegen im vorbezeichneten Sinne (Rdn. 25 ff) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung vor, so setzt die Amtsträgereigenschaft allerdings voraus, daß der Bestellte solche Aufgaben selbst sachlich wahrnehmen muß. Hierzu gehört eine gewisse selbständige und eigenverantwortliche, wenngleich auch nicht unbedingt eine gehobene oder schwierige Tätigkeit. Die eines Postfacharbeiters kann, insbesondere wenn er dem Postdienst eigentümliche Verrichtungen ausführt, genügen 5 2 . Rein mechanische oder nur ganz untergeordnete Hilfstätigkeiten begründen indessen eine Amtsträgereigenschaft nicht 5 3 . Das ist etwa bei bloßen Reinigungsarbeiten 5 4 der Fall: Ein Postfacharbeiter, der regelmäßig nur mit solchen Arbeiten betraut ist, wird noch nicht dadurch Amtsträger, daß er gelegentlich zu Arbeiten öffentlichrechtlicher Art herangezogen wird (BGH G A 1953 49 = NJW 1953 1153 L). Auch die bloßen Dienste eines Kraftfahrers oder reine Schreibarbeiten 5 5 genügen für die Amtsträgereigenschaft nicht. Für die dergestalt Tätigen kommt jedoch, falls sie besonders verpflichtet sind, § 11 Abs. 1 Nr. 4 (unten Rdn. 52) in Betracht. Fernschreibangestellte der Polizei können hingegen wegen des selbständigen Charakters dieser Tätigkeit im Polizeidienst als Amtsträger angesehen werden (so BayObLG NJW 1953 1074).

32

Ob die Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nach außen als Verwaltungshandeln in Erscheinung tritt, ist unerheblich (RGSt. 70 235, RG DJ 1939 227). Auch eine bloß beratende Tätigkeit bei der Beschaffung und Verwaltung der für eine Universitätsklinik benötigten Lebensmittel kann genügen (RGSt. 74 253).

33

4. Kasuistik. Die frühere Rechtsprechung zu § 359 a. F. bleibt nach allgemeiner Auffassung 5 6 auch für den neuen Amtsträgerbegriff von Bedeutung (vgl. oben Rdn. 14), sie kann freilich je nach Sachlage durch die Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Einzelfall überholt sein. In nachfolgenden Fällen wurde bisher auf dem Boden des § 359 a. F. die strafrechtliche Beamteneigenschaft bejaht:

34

a) Aus dem Bereich der Arbeitsverwaltung: Geschäftsführer eines öffentlichen Arbeitsnachweises (RGSt. 62 188), Angestellte eines Arbeitsamts (RGSt. 68 325), vertragliche Angestellte in der Arbeitslosenversicherung (RGSt. 70 236).

35

b) Aus dem Bereich des Bahnverkehrs und der Personenbeförderung: Bahnsteigschaffner (RG HRR 1933 1901), Bahngehilfe (RG H RR 1940 264), Privatangestellter als Bahnpolizeiberechtigter (RGSt. 10 327), Bahnarbeiter bei der Überwachung der Tierverladung (RG DJ 1938 1497 m. Anm. Gährs), Bahnjunghelfer als Schalterbeamter (OLG Oldenburg JR 1950 409), Fahrscheinverkäufer einer Staatsfähre (OLG Oldenburg NdsRpfl. 1950 178), Schaffner einer städtischen Straßenbahn 5 7 , Gepäckträger auf Bahnsteigen (RGSt. 52 348), Angestellte einer Kleinbahn, die von 52 53

54 55 56

57

OLG Bremen NJW 1950 198 m. Anm. Doli. Ähnlich Dreher Rdn. 22 unter Hinweis auf BGH vom 9. 7. 1953 - 4 StR 153/53 — ; Lackner Anm. 3 c dd; wohl a. A. und zu weitgehend Sch.-Schröder-Eser Rdn. 25. RG JW 1931 63, OLG Kassel HESt. 2 179. RGSt. 5 388, 31 293. BT-Drucks. 7/550 S. 208, Prot. VII/160; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15, 31; Dreher Rdn. 11, 24; Lackner Anm. 3 c dd. RGSt. 75 355, RG JW 1935 2433, BayObLG NJW 1950 116, OLG Frankfurt NJW 1953 1075. (194)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11 58

der Gemeinde betrieben wird (BGHSt. 12 89), Bahnagenten , Ausübender der Bahnpolizei (RGSt. 57 19). c) Aus dem Bereich der Baupolizei und der Bauverwaltung: Angestellte eines 36 Straßenbauamts (RG H RR 1940 964), der Autobahn verwaltung (RG H R R 1939 358, 1941 743), Kontrolleur eines städtischen Bauamts (OLG Hamm NJW 1973 717). d) Aus dem Bewirtschaftungswesen: Mitglied einer städtischen Wohnungskom- 37 mission (RGSt. 57 366, BGHSt. 8 21), Angestellte eines Wohnungsamtes (RGSt. 56 367), Aushilfskräfte von Wirtschafts- und Ernährungsämtern 5 9 , Leitende Angestellte von Überwachungsstellen (RGSt. 73 30), Angestellte des städtischen Wirtschaftsamts (RG DR 1940 1828, OGHSt. 2 370). e) Aus dem Bereich der Energieversorgung und von Stadtwerken: Angestellte und 38 Arbeiter von städtischen Licht- und Wasserwerken und städtischen Verkehrsunternehmen 6 0 , Abrechnungskassierer der Berliner Kraft- und Licht-AG 6 1 . f) Aus dem Bereich der Forst- und Domänenverwaltung: Forstsekretär eines Staat- 39 liehen Forstamts, auch wenn er nur auf Privatvertrag angestellt ist (BGH NJW 1952 191), Privatförster, Forstaufseher, Privatjäger als Jagdpolizeiberechtigter (RGSt. 43 363), Kassenverwalter eines staatlichen Landguts (RGSt. 74 105). g) Aus dem Bereich der Kommunalverwaltung: Ratsherren niedersächsischer Ge- 40 meinden, die Mitglieder des Verwaltungsausschusses sind (OLG Celle MDR 1962 671), Gemeindevorsteher (RGSt. 21 398), Mitglieder des Kreisausschusses (RGSt. 57 126), Gemeindevorsteher als Jagdvorsteher (§9 Abs. 2 S. 1 BJagdG) 6 2 , ehrenamtliche Verwalter einer bayerischen Gemeindekasse 6 3 , Angestellte der Sozialabteilung eines Landkreises (BGH GA 1964 376), städtischer Friedhofverwalter (RG DR 1940 792), Rechnungsführer einer Realgemeinde (LG Göttingen NdsRpfl. 1959 93), städtischer Wiegemeister (RG H R R 1939 62, BGH LM § 359 (a. F.) Nr. 12), aber auch jemand der beauftragt ist, auf der Gemeindewaage Verwiegungen vorzunehmen und darüber Bescheinigungen auszustellen (BGH bei Dallinger MDR 1958 141). h) Aus dem Bereich der Postverwaltung : Postagenten und ihre Vertreter (RGSt. 41 54 202, RG H R R 1940 711), Inhaber einer Posthilfsstelle (RGSt. 65 85), Verkäufer von Postwertzeichen im Schalterdienst (RG H R R 1929 677), Postaushelfer als Zusteller 64 oder Briefkastenleerer (RG H R R 1940 1424), Postfacharbeiter 6 5 , Hilfspaketzusteller (RG JW 1939 625), Postangestellter, der bei der Bearbeitung der Gesuche von Postbediensteten um Vorschußgewährung mitwirkt (BGHSt. 2 119). 58 59 60

61 62 63

64 65

BGH v. 24. 1. 1961 - 5 StR 522/60 zitiert nach Mösl in der Vorauf! § 359 Rdn. 33. RG DJ 1942 514, RG HRR 1942 451, 828. RGSt. 66 383, 67 299; RG JW 1935 2433, 1936 1606, 3005; Bruns DR 1941 1286, 2660; BayObLG HESt. 2 360 - NJW 1950 116 L; hierzu Jessen MDR 1962 526; Wiedemann NJW 1965 852. KG JR 1961 228 m. abl. Anm. Hoferecht JR 1961 509. RGSt. 46 3; a. A. für Baden-Württemberg: OLG Stuttgart NJW 1966 679. BayObLG 1958 102, a. A. BGHSt. 25 204 m. Anm. Pelchen LM § 359 (a. F.) Nr. 1; vgl. hierzu oben Rdn. 23. RGSt. 51 65, 52 310; RG JW 1931 3671; a. A. RGSt. 49 111. RGSt. 74 341; OLG Bremen NJW 1950 198 m. Anm. Doli.

(195)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

42

i) Aus dem Bereich der Schulverwaltung und der Universitäten: Angestellte bei der Universität (RGSt. 74 251), öffentlich angestellte Lehrer (RGSt. 35 182), Rechnungsführer einer örtlichen Schulklasse (BGH JZ 1951 309 L).

43

k) Aus dem Bereich der Sozialfürsorge, der Sozialversicherung und der Krankenkassen: Leiter und Kassierer einer Ortskrankenkasse 6 6 , Leiter einer Betriebskrankenkasse (BGH LM § 359 a. F. Nr. 13, Angestellte einer Ersatzkasse (OLG Hamm JMB1. N R W 1952 157 = JZ 1952 494 L) oder einer Berufsgenossenschaft 67 , Leiter einer Melde- und Zahlstelle einer Ortskrankenkasse (BGHSt. 6 17), Geschäftsführer einer Betriebskrankenkasse BGH NJW 1954 1942), Geschäftsführer einer als eingetragener Verein gebildeten Arbeitsgemeinschaft von Sozialversicherungsträgern 68 , Angestellte des Bundesbahnsozialwerks 6 9 , Hausvater einer Armenanstalt (RGSt. 29 255), Armenpfleger im Ehrenamt (RGSt. 64 262), Angestellter eines Landkreises als Geschäftsführer eines Altersheims (BGH GA 1964 376), Angestellter des Jugendamts mit vormundschaftsgerichtlichen Obliegenheiten 70 .

44

1) Aus dem Bereich des Sparkassenwesens: Leiter der Annahmestelle einer Kreissparkasse (RG H R R 1940 1161), von der Bankaufsichtsbehörde nach § 3 2 c KredWesG eingesetzte Aufsichtsperson (BGHSt. 9 221), Angestellte einer Sparkasse 7 1 .

45

m) Aus verschiedenen Bereichen (alphabetisch): Angestellte mit dem Recht der Beschlagnahme und Durchsuchung (RGSt. 55 29), öffentliche Fleischbeschauer 72 , Geschäftsführer von Industrie- und Handelskammern des früheren preußischen Rechts (BGHSt. 11 350); Hundefänger mit polizeilichen Befugnissen (RGSt. 30 29); Kirchenbeamter bei Verwaltung des Kirchenvermögens unter staatlicher Aufsicht 7 3 ; Standortarzt der SS-Wachtruppe eines Konzentrationslagers (BGHSt. 4 117).

46

n) Die Beamteneigenschaft im Sinne des § 359 a. F. wurde von der Rechtsprechung verneint in den folgenden Fällen (alphabetisch): Abgeordneten des Bundestages und der Landtage (BGHSt. 5 106; vgl. hierzu oben Rdn. 26), Angestellter einer Privatbahn, der mit dem Verkauf von Fahrkarten beauftragt ist 7 4 ; Arzt, der vertragsmäßig bei einer Vollzugsanstalt beschäftigt ist (RGSt. 33 29) 7 5, Beisitzer eines Arbeitsgerichts (BGHSt. 5 100, heute überholt durch § 11 Abs. 1 Nr. 3), deutsche Bedienstete bei Besatzungsbehörden (BGHSt. 2

66

67 68 69 70 71

72 73

74 75

RGSt. 74 269 m. Anm. Mezger DR 1940 2060 und Richter ZAkOK 1940 360; RGSt. 76 107, OLG Neustadt DReZ 1950 522, OLG München HESt. 2 364. RGSt. 76 211, BGHSt. 6 271, OLG Stuttgart M D R 1950 627. BGH v. 21. 12. 1972 - 4 StR 494/72 zitiert nach Dreher Rdn. 24. BGH vom 19. 6. 1962 - 5 StR 177/62 zitiert nach Mos/in der Voraufl. § 359 Rdn. 33. RG vom 22. 12. 1930 - II 927/30 - zitiert nach Mösl Voraufl. § 359 Rdn. 33. RG JW 1928 1305; BGH v. 23. 10. 1951 - 1 StR 399/51 - zitiert nach Möi/Voraufl. § 359 Rdn. 33. RGSt. 38 349, 73 169; BGH LM § 359 (a. F.) Nr. 10; OLG Karlsruhe Justiz 1967 152. RG JW 1935 1248, 1935 3391, RGSt. 13 432, 56 225; BGHSt. 8 273, BGH JZ 1951 309; vgl. hierzu oben Rdn. 30. RG DR 1940 2062 m. Anm. Boldt DR 1941 49. Ein Arzt einer Vollzugsanstalt ist nach dem geltenden Recht wohl Amtsträger im Sinne der Nr. 2 c (so auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 32).

d%)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

219), Innungsobermeister (RGSt. 72 289) 76 , Krankenwärter (RGRspr. 6 711), Postfacharbeiter, die regelmäßig mit Reinigungsarbeiten betraut sind 7 7 , ehrenamtliche Verwalter einer bayerischen Gemeindekasse (BGHSt. 25 204) 78 , Wahlvorsteher bei hamburgischen Bürgerschaftswahlen (BGHSt. 12 108)?9. 5. In allen Fällen, in denen der besondere gesetzliche Tatbestand Amtsträgerei- 47 genschaft voraussetzt, gehört es zum Vorsatz, daß der Täter die wesentlichen Tatsachen kennt, auf denen die Amtsträgereigenschaft beruht (BGHSt. 8 323) 80 . Das bedeutet nicht, daß er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, er braucht sie auch nicht in ihrer Bedeutung richtig zu werten und daraus auch nicht zu folgern, daß er Amtsträger im Rechtssinne ist 81 und er hierwegen erhöhtes Vertrauen genießt und strafrechtlich einer schärferen Haftung unterliegt (BGHSt. 8 324). Allerdings muß er wissen, daß er in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis steht oder Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt 8 2 , daß der Betrieb, in dem er arbeitet, eine Betätigung der Staatsgewalt ist und daß er selbst in diesem Betrieb als durch eine zuständige Stelle Angestellter Tätigkeiten vorzunehmen hat, die gerade der Erfüllung dieser Aufgaben dienen und nicht nur allgemeine Hilfstätigkeiten sind — wie etwa Reinigung von Räumen —, die nicht im Zusammenhang mit den eigentlichen hoheitlichen Aufgaben stehen (so BGHSt. 8 323). Bedingter Vorsatz genügt 8 3 . Bildet die Amtsträgereigenschaft einen Straferhöhungsgrund (unechte Amtsdelikte), so kann die Unkenntnis über die erhöhten Pflichten keinen Verbotsirrtum begründen, weil der Täter sich in diesem Fall über das Verbotensein selbst nicht irrt, wohl aber kann ein Verbotsirrtum bei echten Amtsdelikten gegeben sein (BGHSt. 8 324). Hält sich hingegen der Täter, obwohl er den richtigen Sachverhalt kennt, rechtsirrtümlich für einen Amtsträger, so liegt ein bloßes Wahndelikt vor 8 *. V. Richter (Abs. 1 Nr. 3) sind Personen, die nach deutschem Recht Berufsrichter 48 (Rdn. 49) oder ehrenamtliche Richter (Rdn. 50) sind. Die Richter gehören begrifflich zu den Amtsträgern (Absatz 1 Nr. 2 a). Der Begriff des Richters wird jedoch neben dem des Amtsträgers besonders erwähnt, um die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Richter zu kennzeichnen und um klarzustellen, daß — abweichend vom früheren Recht — auch ehrenamtliche Richter miteinbezogen sind. Der Begriff des Richters erfaßt nur Personen, die nach deutschem Recht (hierzu Rdn. 17) 76

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81 82 83 84

Entgegen Sch.-Schröder-Eser Rdn. 32 ist wohl bei einem Innungsobermeister auch heute die Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c zu verneinen, da § 60 der Handwerksordnung i. d. Fass, vom 28. 12. 1965 (BGBl. 1966 I S. 1 - III 7 1 1 0 - 1 ) , letztes ÄndG vom 24. 8. 1976 (BGBl. I S. 2525) ihn unter den Organen der Innung nicht erwähnt. BGH GA 1953 49 = NJW 1953 1153 L, vgl. hierzu Rdn. 31. m. Anm. Pelchen LM § 359 (a. F.) Nr. 1 ; a. A. BayObLGSt. 1958 102; jedoch ist wohl in diesem Fall nunmehr Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c anzunehmen: vgl. oben Rdn. 23, 40. Auch in diesem Fall ist nunmehr Amtsträgereigenschaft anzunehmen, vgl. Rdn. 21 und die vorhergehende Fußn. 78. BGH NJW 1960 253; RGSt. 53 131, 57 366; RG JW 1939 625, RG HRR 1942 828; OLG Frankfurt NJW 1953 1056, KG G A Bd. 32 243; a. A. RGSt. 8 200. RG GA Bd. 59 348, OLG Frankfurt NJW 1953 1076. Dreher Rdn. 25; vgl. ferner RGSt. 74 109; RG H R R 1937 1684. RG H R R 1939 538; Mösl Vorauf!. § 359 Rdn. 31. OLG Schleswig SchlHA 1949 297; Dreher Rdn. 25.

(197)

§

11

I. Abschnitt. D a s Strafgesetz

eine Richterstellung innehaben. Das Gesetz versteht also in diesem Zusammenhang nur die Träger der rechtsprechenden Gewalt im Sinne der Art. 92 und 97 GG. Der Begriff hat seine wesentliche Bedeutung bei den Bestechungsdelikten und der Rechtsbeugung (§ 331 Abs. 2, § 332 Abs. 2, § 333 Abs. 2, § 334 Abs. 2, § 336; vgl. ferner §77 a Abs. 2). 49

1. Berufsrichter (§ 2 DRiG) sind die nach Bundes- oder Landesrecht in das Richteramt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde berufenen Personen. Hierzu gehören die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sowie die bei den Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-, Finanz- und Disziplinargerichten tätigen Berufsrichter, ebenso alle Richter auf Zeit (§ 11 DRiG), Richter auf Probe (§§ 12, 19 Abs. 3 DRiG) und Richter kraft Auftrags (§§ 14, 19 Abs. 2 DRiG). Rechtsreferendare in der Ausbildung sind keine Berufsrichter, sie können aber unter Umständen (vgl. § 10 GVG) Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c) sein. Assessoren sind nur nach förmlicher „Berufung in das Richterverhältnis (auf Probe, kraft Auftrags)" Berufsrichter (§ 17 Abs. 2 DRiG).

50

2. Ehrenamtliche Richter üben aufgrund eines Gesetzes und unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen eine vorübergehende unbesoldete richterliche Tätigkeit aus (§§ 44, 45 DRiG). Hierher gehören die sog. Laienrichter, die in der Strafgerichtsbarkeit „Schöffen", bei den Kammern für Handelssachen „Handelsrichter" und bei den übrigen Gerichtszweigen „ehrenamtliche Richter" heißen (§ 45 a DRiG). Darunter fallen aber auch die Mitglieder der Ehrengerichtshöfe für Rechtsanwälte (§ 103 BRAO) und die (nichtberufsrichterlichen) Beisitzer bei den verschiedenen Disziplinargerichten (BT-Drucks. 7/550 S. 210). Im früheren Recht waren ehrenamtliche Richter keine Beamten im strafrechtlichen Sinne 1 .

51

3. Nicht zu den Richtern gehören — abweichend vom weitergehenden § 10 Nr. 5 b E 1962 — andere zur Wahrnehmung der rechtsprechenden Gewalt bei einem Gericht bestellte Personen, insbesondere Rechtspfleger. Das Gesetz hat sie im Hinblick auf die hohen Strafdrohungen für Richterdelikte aus dem Richterbegriff herausgenommen 2 . Rechtspfleger sind aber Amtsträger (Nr. 2 a). Ebensowenig gehören Schiedsrichter zu den Richtern im Sinne der Nr. 3. Ihr richterlicher Auftrag hat eine rechtsgeschäftliche (§§ 1025 ff ZPO) und keine hoheitliche Grundlage. Sie sind daher auch keine Amtsträger. Der StGB-E 1962 hat den Begriff des Schiedsrichters definiert (§ 10 Nr. 6) 3 . Im Bereich der Richterdelikte (oben Rdn. 48) sind jedoch die Schiedsrichter den übrigen Richtern gleichgestellt (vgl. § 335 a).

52

VI. Für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (Abs. 1 Nr. 4) Zur Entstehungsgeschichte und zu den Gesetzesmaterialien vgl. oben Rdn. 13. Im Sinne der Nr. 4 „besonders Verpflichtete" sind Personen, die nicht Amtsträger (Nr. 2) sind, aber — grob formuliert — im Rahmen der öffentlichen Verwaltung (Rdn. 25) untergeordnete Tätigkeiten (z. B. Schreibkräfte, Kraftfahrer, Reinemachefrauen) oder sonstige Hilfsdienste (z. B. Gutachter) leisten und aufgrund gesetz-

1 2 3

BGHSt. 5 100, B G H M D R 1952 693. BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 210; krit. hierzu Sch.-Schröder-Eser Rdn. 33. G e g e n eine gesetzliche Begriffsbestimmung des Schiedsrichters schon Stratenwerth 76 (1964) 681 ; Noll JZ 1963 209.

ZStW

(198)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

licher Vorschrift förmlich besonders verpflichtet sind. Zur Herkunft des Begriffs und seinem gesetzgeberischen Grund siehe oben Rdn. 14 und StGB-E 1962 Begründung S. 118. Das Gesetz verwendet den Begriff des für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten in § 5 Nr. 11 bis 13, § 77a Abs. 1, § 97b Abs. 2 S. 2, § 120 Abs. 2, § 133 Abs. 3, § 194 Abs. 3, § 201 Abs. 3, § 203 Abs. 2 Nr. 2, § 232 Abs. 2, §§ 331 bis 334, § 353 b Abs. 1 Nr. 2, § 355 Abs. 2 Nr. 1. Im einzelnen setzt der Begriff des für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten voraus : 1. Der besonders Verpflichtete darf nicht bereits Amtsträger (Nr. 2, oben 53 Rdn. 17) sein. Damit scheiden nicht nur alle Beamte und Richter, sondern auch Angestellte und sonstige Bedienstete aus, die selbst mit der Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betraut (Nr. 2 c) sind (oben Rdn. 25). Es verbleiben also für die Nummer 4 nur solche Personen, die unbeschadet ihrer Tätigkeit bei der öffentlichen Verwaltung keine sonstigen öffentlichen Funktionen wahrzunehmen haben, also Schreibkräfte, Bürokräfte, Boten, Reinemachefrauen und ähnliche Personengruppen (BT-Drucks. 7/550 S. 210). Unter Umständen können auch Amtsträger dann unter Nr. 4 fallen, wenn sie von ihren Amtsstellen an einen anderen Platz abgeordnet werden, wo sie keine selbständigen Verwaltungsfunktionen ausüben, sondern nur untergeordnete Dienste zu verrichten haben. Dasselbe ist bei einer Neben- oder ehrenamtlichen Tätigkeit eines Amtsträgers für eine andere Stelle denkbar 4 (vgl. auch RGSt. 31 294, 73 30). 2. Unter Nr. 4 a und 4 b sind die Stellen aufgezählt, bei denen der besonders Ver- 54 pfichtete beschäftigt oder für sie tätig (Rdn. 59) sein muß, ohne dort selbst Amtsträgerfunktionen zu haben. Es geht hierbei um Behörden und Stellen, die selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (Rdn. 55) oder Instutionen, die für solche Behörden und Stellen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen (Rdn. 56). a) Zu den Behörden und sonstigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwal- 55 tung wahrnehmen (Nr. 4a) gilt das zu Rdn. 24 bis 30 Ausgeführte. Es können auch Stellen der Bundeswehrverwaltung (vgl. oben Rdn. 29) dazu gehören. b) Das Gesetz erwähnt ferner Verbände oder sonstige Zusammenschlüsse sowie 56 Betriebe oder Unternehmen (Nr. 4 b), die für Behörden und Stellen im Sinne der Nr. 4a „gleichsam als deren verlängerter Arm" (BT-Drucks. 7/550 S. 211) tätig werden. Diese Erweiterung folgt dem Vorbild des früheren § 1 Abs. 1 BestechVO 5 . Es kommt nämlich nicht selten vor, daß sich staatliche Stellen bei der Ausführung ihrer Aufgaben solcher Organisationen und Institutionen bedienen. Die dort Tätigen erhalten auf diese Weise z. B. Kenntnis von Privat- und Dienstgeheimnissen, so daß auch von dieser Stelle die Gefahr eines Geheimnisverrats besteht. Es ist daher geboten, diesen Personenkreis ebenso zu behandeln, wie den unter Nr. 4 a erfaßten (BT-Drucks. 7/550 S. 211). Zu Verbänden gehören die Zusammenschlüsse von natürlichen und juristischen 57 Personen zur Förderung gemeinsamer Interessen, insbesondere wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder politischer Art. Die Materialien nennen in diesem Zusammenhang die Marktgemeinschaften und ähnliche Vereinigungen, die innerhalb der 4

So Sch.-Schröder-Eser Rdn. 37 und wohl auch Dreher Rdn. 30.

5

Vgl. Fußn. 1 bei Rdn. 14.

(199)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Milchwirtschaft bestimmte Aufgaben und Befugnisse haben (§§ 14, 20, 22, 24 Milch- u. FettG) 6 . Der Sammelbegriff der sonstigen Zusammenschlüsse erfaßt ζ. B. beratende Ausschüsse, die aufgrund § 8 des Gesetzes über technische Arbeitsmittel 7 eingesetzt sind, und ähnliche Beiräte. Unter Betrieb ist ebenso wie in § 14 Abs. 2 eine nicht nur vorübergehende Zusammenfassung mehrerer Personen unter Einsatz von Sachmitteln in gewissem räumlichen Zusammenhang unter einer Leitung zur Erreichung eines bestimmten, nicht stets wirtschaftlichen Zwecks zu verstehen. Der Begriff umfaßt nicht nur Fabrik- und Handwerksbetriebe, sondern auch Geschäfte, Büros, Agenturen, Praxen. Auf die rechtliche Form kommt es nicht an 8 . Der Begriff des Unternehmens ist noch weiter, er kann mehrere Betriebe umfassen. Beide Begriffe gehen bei § 11 Abs. 1 Nr. 4 b weiter als bei § 5 Nr. 7 (vgl. LK § 5 Rdn. 9, 10). Das Gesetz hat hier Betriebe und Unternehmen mitaufgeführt, weil sie zur Durchführung von Verwaltungsaufgaben mitherangezogen werden können, etwa datenverarbeitende Betriebe zur Erfassung und Auswertung statistischer Unterlagen oder zur Ausstellung von massenhaft vorkommenden Bescheiden (BT-Drucks. 7/550 S. 211). 58

Indessen sind bei Nr. 4 b nur solche Zusammenschlüsse und Unternehmen gemeint, die für staatliche Stellen selbst Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausfiihren, nicht solche, die mit Tätigkeiten beauftragt sind, die lediglich der Vorbereitung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dienen, etwa der Beschaffung von Sachmitteln (BT-Drucks. aaO). Hingegen enthält das Gesetz — abweichend vom früheren § 1 Abs. 1 BestechVO (oben Rdn. 14, 56) — keine Beschränkung auf den Bereich der „staatlichen Wirtschaftslenkung". Die Uferlosigkeit der in Nr. 4 b verwendeten Begriffe erfährt praktisch erst dadurch eine sachliche Begrenzung, als die bei diesen Stellen Tätigen immer erst nach einer förmlichen Verpflichtung (Rdn. 60) vom Personenkreis der Nr. 4 erfaßt werden.

59

c) Der Verpflichtete muß bei einer in Nr. 4 a und b genannten Stelle beschäftigt oder für sie tätig sein. Beschäftigt ist er, wenn er dort in einem Dauerverhältnis, etwa als Bürokraft, Bote oder Raumpfleger angestellt ist; für sie tätig ist er, wenn er nur vorübergehend für bestimmte Sachaufgaben, etwa als Gutachter oder als Mitglied eines Beratungsgremiums, herangezogen wird. Nicht erfaßt sind Handwerker, die gerade für eine Behörde arbeiten, etwa dort Ausbesserungsarbeiten verrichten, oder Firmen, die Behörden mit Sachmitteln beliefern (Dreher Rdn. 30).

60

d) Der Bedienstete muß auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten förmlich verpflichtet worden sein. Maßgebend hierfür ist das Verpflichtungsgesetz (Art. 42 EGStGB) 9 . Es löst § 1 der früheren Bestech VO (Rdn. 14) ab. Wer nach jener VO bereits verpflichtet ist, steht einem nach dem Verpflichtungsgesetz Verpflichteten gleich (§ 2 Abs. 1 VerpflichtungsG). Eine weitere Gleichstellung mit nach dem Verpflichtungsgesetz Verpflichteten enthält § 2 Abs. 2 VerpflichtungsG (Verpflichtungen nach tarifvertraglicher Regelung oder aufgrund eines anderen Ge6

7 8 9

v. 28.2. 1951 i. d. Fass. d. Bek. vom 10. 12. 1952 (BGBl. 1 S. 811 - III 7 8 4 2 - 1 ) , geändert durch Art. 220 EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469), letztes ÄndG v. 14. 12. 1976 (BGBl. I S. 3341, 3380). v. 24. 6. 1968 (BGBl. I S. 717 - III 8 0 5 3 - 4 ) , letztes ÄndG v. 15. 8. 1974 (BGBl. I S. 1945). So Dreher § 14 Rdn. 8. Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen in der Fassung des Art. 42 EGStGB v. 9.3.1974 (BGBl. I S. 469, 547 - III 4 5 3 - 1 7 ) , letztes ÄndG v. 15. 8. 1974 ( B G B l . I S. 1942). (200)

Personen- u n d Sachbegriffe (Tröndle)

§11

setzes oder einer Satzung). Die förmliche Verpflichtung, auf die es bei § 11 Abs. 1 Nr. 1 ankommt, meint nur eine solche, die sich auf die gewissenhafte Erfüllung der Obliegenheiten im öffentlichen Dienst bezieht. Es sind also Verpflichtungen, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 VerpflichtungsG, dessen Fassung mit Nr. 4 a, b des § 11 Abs. 1 korrespondiert, abgenommen werden. Solche Verpflichtungen kommen nicht etwa nur bei herausgehobenen Funktionen in Betracht, sondern gerade auch bei untergeordneten Tätigkeiten, da auch Personen, die solchen Arbeiten nachgehen, Geheimnisverrat begehen oder bestochen werden können. Stets hängt die Eigenschaft als besonders Verpflichteter im Sinne der Nr. 4 — neben den bereits erörterten Erfordernissen (Rdn. 54ff) — davon ab, daß die Verpflichtung formgerecht nach den Absätzen 2 und 3 des § 1 VerpflichtungsG vorgenommen worden ist. Diese strenge Formalisierung ist im Hinblick auf die strafrechtlichen Folgen der Verpflichtung aus rechtsstaatlichen Gründen geboten (so BT-Drucks. 7/550 S. 211). Nach § 36 GewO öffentlich bestellte (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 VerpflichtungsG), aber freiberufliche und nicht für den öffentlichen Dienst tätige Sachverständige sind keine besonders Verpflichteten im Sinne der Nummer 4. Solche öffentlich bestellte Sachverständige werden aber im Falle einer Verletzung von Privatgeheimnissen ebenso behandelt wie für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (§ 203 Abs. 2 Nr. 2 und 5). Aus der Tatsache, daß § 203 Abs. 2 die öffentlich bestellten (und besonders verpflichteten) Sachverständigen (Nr. 5) und die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (Nr. 2) ausdrücklich auseinanderhält, ergibt sich, daß die Verpflichtung eines öffentlich bestellten Sachverständigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 VerpflichtungsG nicht zugleich als Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 VerpflichtungsG wirkt. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß öffentlich bestellte Sachverständige zugleich auch für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sein können, sie bedürfen aber dann einer (weiteren) besonderen Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 VerpflichtungsG. Das ist auch sinnvoll, weil diese beiden Verpflichtungen einen unterschiedlichen Inhalt haben; diese bezieht sich auf den öffentlichen Dienst, jene auf die gewissenhafte freiberufliche Tätigkeit. In der Nummer 4 hat das Gesetz die Verdeutlichung „nach deutschem Recht als 61 entbehrlich weggelassen, da in diesem Zusammenhang ohnehin nur Verpflichtungen nach dem Verpflichtungsgesetz oder solche, die nach dessen § 2 gleichgestellt sind (Rdn. 60), gemeint sein können 1 0 . Vgl. im übrigen oben Rdn. 17. 3. Wo im Gesetz der besondere Tatbestand der Eigenschaft eines für den öffent- 62 liehen Dienst besonders Verpflichteten vorausgessetzt ist, gehört es zum Vorsatz, daß der Täter die wesentlichen Tatsachen kennt, auf denen seine Eigenschaft als besonders Verpflichteter beruht. Es gilt hier das in Rdn. 47 Gesagte entsprechend. Bei förmlicher Verpflichtung wird aber in der Regel zumindest bedingter Vorsatz gegeben sein (Dreher Rdn. 32). VII. Begriff der rechtswidrigen Tat (Abs. 1 Nr. 5) Schrifttum Achenbach

„Tat", „Straftat", „ H a n d l u n g " u n d die Strafrechtsreform, M D R 1975 19.

Die Nummer 5 enthält keine gesetzliche Definition, sondern lediglich einen klarstellenden Hinweis, wie der Begriff der „rechtswidrigen Tat" im Strafgesetzbuch verwendet wird 1 . 10 1

(201)

StGB-E 1962 Begr. S. 118, BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 211. BT-Drucks. 7 / 5 5 0 S. 211, Göhler N J W 1974 825 F u ß n . 6.

63

§11 64

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

1. Der StGB-E 1962 hatte es ursprünglich darauf angelegt, durch begriffliche Klarheit und Präzision den Sprachgebrauch im gesamten Strafrecht zu vereinheitlichen und die Rechtsanwendung auf diese Weise zu vereinfachen. Er hat daher den Begriff der „Straftat" als „eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht" (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 E 1962), ausdrücklich definiert und den der „rechtswidrigen Tat" als „eine rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, auch wenn sie nicht schuldhaft begangen ist" (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 E 1962). Der Begriff der „Tat" hingegen sollte im technischen Sinne nur so gebraucht werden, daß darunter die (bloß) tatbestandsmäßige Handlung gemeint ist ohne Rücksicht auf Rechtswidrigkeit oder Schuld (E 1962 Begr. S. 119). Diese vorgesehenen Gesetzesdefinitionen haben Kritik erfahren: Man hielt sie zum einen für ungenau, irreführend, tautologisch und großenteils für überflüssig, zum anderen erschienen sie für Laien unverständlich 2 . Diese Kritik ist im wesentlichen zutreffend, insbesondere läßt sich auf diese Weise eine generelle Präzisierung des Sprachgebrauchs nicht erreichen und, wo sie versucht wird, ist dies nicht selten nur auf Kosten der Verständlichkeit des Textes möglich. Es geschieht nämlich nicht selten, daß dort, wo das Gesetz von strafbaren Handlungen (Taten) sprechen muß, dies je nach Sachlage durchaus Verschiedenes bedeuten kann. Es kommt insbesondere auch darauf an, in welchem tatbestandlichen oder Sachzusammenhang solche begrifflichen Präzisierungen der strafbaren Handlung verwendet werden, ob sie lediglich tatbestandliche Abgrenzungsfunktion haben, ob sie im Zusammenhang mit Konkurrenzfragen auftauchen oder (zugleich/nur) prozessuale Bezüge aufweisen. Vor allem aber: Die Begriffe der Handlung, der Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit und der Schuld, die in den vorgesehenen Definitionen verwendet werden, sind allesamt umstritten. Eine gesetzliche Begriffsfixierung könnte zugleich eine (nicht beabsichtigte) gesetzliche Festlegung auf die eine oder andere Lehrmeinung in dieser oder jener Streitfrage bedeuten. Der Gesetzgeber hat daher bereits in § 11 i. d. Fass. d. 2. StrRG auf jegliche inhaltlich dogmatische Umschreibung der erwähnten Begriffe verzichtet (Prot. V S. 237 f, 2442f)· Freilich hat die durch das 2. StrRG und das EGStGB veranlaßte Neufassung des Gesetzestextes die Begriffe der „Tat", der „rechtswidrigen Tat" und der „Straftat" im vorbezeichneten Sinne 3 eingesetzt. Wie wenig hier jedoch mit einem terminologischen Rigorismus zu gewinnen ist, zeigte der Umstand, daß das Änderungsgesetz vom 15. 8. 19744 eine durch den neuen Sprachgebrauch verursachte Ungereimtheit bereits wieder beseitigen mußte: Erst im 2. Bericht des Sonderausschusses zum EGStGB 5 wurde erkannt, daß der in § 52 i. d. Fass. d. 2. StrRG verwendete Begriff der „Straftat" (wo tatsächlich nur rechtswidrige und schuldhafte Taten gemeint sein können) in diesem Zusammenhang eine begriffliche Unmöglichkeit impliziert, da dieselbe „Straftat" (im Sinne der Verwirklichung eines Straftatbestandes) nicht zugleich mehrere Strafgesetze verwirklichen kann 6 . Das erwähnte Änderungsgesetz 2

3

4

5 6

Z. B. Noll JZ 1963 299; Stratenwerth ZStW 76 (1964) 682; vgl. Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 13 1. Vgl. aber zur unterschiedlichen Verwendung solcher Begriffe: Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48 ff, 51 f. § 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum StGB vom 15. 8. 1974 (BGBl. I S. 1942). v. 10. 6. 1974 BT-Drucks. 7/2222 S. 5. Hierzu Achenbach (MDR 1975 20), entgegen dessen Meinung ist jedoch ein — freilich schon in § 67 Abs. 1 E 1962 unterlaufenes — reines Redaktionsversehen anzunehmen, da kaum anzunehmen ist, daß es den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten darum gegangen (202)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

hat daher in § 52 den Begriff der „Straftat" wieder durch den der „Handlung" ersetzt. 2. Die Nummer 5 verzichtet daher darauf, die allenthalben verwendeten Begriffe 65 der „Straftat" und der „rechtswidrigen Tat" inhaltlich zu umschreiben. Sie begnügt sich damit klarzustellen, daß dort, wo das StGB sowie das Nebenstrafrecht (Art. 1 EGStGB) den Begriff der „rechtswidrigen Tat" verwendet 7 , immer nur eine solche gemeint ist, „die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht". Das bedeutet, daß zivilrechtliche oder öffentlichrechtliche rechtswidrige Handlungen oder auch sonst norm- oder standeswidrige Verhaltensweisen vom Begriff der rechtswidrigen Tat nicht erfaßt sind, aber auch nicht „rechtswidrige Handlungen" im Sinne des § 1 OWiG. Diese gesetzliche Klarstellung war geboten 8 , da nur hierdurch sichergestellt ist, daß z. B. § 145d nicht durch die Vortäuschung eines Disziplinarvergehens oder § 164 nicht durch die Bezichtigung einer Ordnungswidrigkeit begangen werden kann. Aus Nummer 5 und einer Gesamtschau der Stellen, an denen der Begriff der 66 „rechtswidrigen Tat" — zum Teil in Gegenüberstellung zum Begriff der „Straftat" (vgl. §§ 25 bis 27 und 29, 63, 64, 330a) — verwendet wird 7 , kann ferner mittelbar entnommen werden, daß dieser Begriff zugleich einen Teilausschnitt der umfassenderen vollstrafbaren Tat („Straftat"), und zwar im Sinne einer tatbestandsmäßigrechtswidrigen, nicht aber notwendig schuldhaften Tat 8 kennzeichnet. Hierauf weist auch die Verwendung des Begriffs bei §§ 12 und 35 hin, wo jeweils Rechtswidrigkeit vorausgesetzt ist, im einen Fall aber eine schuldhafte Tat nicht notwendig, im anderen nicht möglich ist 8 a . Praktisch ist nach Funktion und Inhalt der Begriff der rechtswidrigen Tat mit der früheren Wendung „mit Strafe bedrohte Handlung" des früheren Rechts 9 (§ 40 Abs. 3, §§ 42b, 48, 49, 111, 330a a. F.) inhaltsgleich. Mit Recht weisen Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45 darauf hin, daß die erst durch 67 Art. 18 II Nr. 40 EGStGB erfolgte Ersetzung des Begriffs der rechtswidrigen Tat durch ein „Handeln ohne Schuld" in § 74 Abs. 3 (und § 101a S. 3) der dargelegten Interpretation nicht entgegensteht. Der Gesetzgeber wollte hier sachlich nichts ändern (BT-Drucks. 7/550 S. 215). Die Abweichung in der Terminologie erschien freilich naheliegend, da im Sinnzusammenhang des § 74 Abs. 3 der Rechtsbegriff der rechtswidrigen Tat sich sprachlich seltsam ausnimmt 1 0 und gerade hier deutlich wird, daß die Forderung nach Einheitlichkeit der Terminologie auch im Sprachlichen Grenzen begegnet. Im übrigen ist aus Nummer 5 für die Auslegung und den dogmatischen Standort 68 strafrechtlicher Kernbegriffe (z. B. der Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, sein könnte, Stellung in dem praktisch ohnehin unergiebigen Streit um die sog. „Einheits-" oder „Mehrheitstheorie" bei der Idealkonkurrenz zu beziehen. Zum Begriff der „Straftat" in diesem Zusammenhange ferner Schmidhäuser AT 18/5, 10 und die bei Achenbach Zitierten. 7 Allein im StGB in §§ 12, 26, 27 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Nr. 2, § 6 7 d Abs. 2, § 67g Abs. 1,2, § 6 9 Abs. l , § 7 0 A b s . l , § 7 0 a A b s . 1, § 73 Abs. 1, § 7 4 d Abs. 1, §§ 111, 140, 145 d, 164 Abs. 1, § 258 Abs. 1, §§259, 330a Abs. 1, § 357. 8 Zu Unrecht zweifelnd Samson SK Rdn. 22; vgl. Bockelmann AT § 4 II 2 d (S. 21); Schmidhäuser AT 19/13. 8a Ähnlich Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44. 9 Ins StGB gekommen durch G vom 24. 11. 1933 (RGBl. I S. 995) und die StrafRAnglVO und DVO vom 28. 5. 1943 (RGBl. I S. 339, 341). 10 A. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45. (203)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Schuld) inhaltlich nichts zu entnehmen. Insbesondere können die Begriffe der „Tat", der „Straftat" und des „Handelns" je nach dem Norm- und Sinnzusammenhang unterschiedliche Bedeutung haben, die durch Auslegung zu ermitteln ist 1 1 . 69

VIII. Begriff des Unternehmens einer Tat (Abs. 1 Nr. 6) Schrifttum Burckhardt Das Unternehmensdelikt und seine Grenzen, JZ 1971 352; Sauermann Der Versuch als „delictum sui generis" StrafAbh. 227; Schröder Die Unternehmensdelikte, KernFestschrift S. 457.

Entstehungsgeschichte 12 Der Begriff des „Unternehmens" im Sinne der Nr. 6 geht auf die Tatbestandsfassungen der alten Hochverratsbestimmungen (§§ 80 bis 82) zurück. Sein Inhalt war freilich umstritten (Busch LK 9. Aufl. § 46 a Rdn. 2). In einer Legaldefinition taucht er erstmals in § 87 i. d. Fass. d. G vom 24. 4. 1934 (RGBl. I S. 341) und d a n n (nach Wiedereinführung der Staatsschutztatbestände) i. d. Fass. d. S t R Ä n d G vom 30. 8. 1951 (BGBl. I S. 739) mit folgendem Wortlaut auf: „Unternehmen im Sinne des Strafgesetzbuchs ist die Vollendung und der Versuch". Das 8. S t R Ä n d G vom 25. 6. 1968 (BGBL. I S. 741) hat sie mit folgender Fassung als § 46a in das StGB eingestellt: „Unternehmen einer Tat im Sinne dieses Gesetzes ist deren Versuch und deren Vollendung". Die nunmehrige (sachlich inhaltsgleiche) Definition in § 11 Abs. 1 Nr. 6 enthalten fassungsgleich bereits der E 1962 (§ 11 Abs. 1 Nr. 3), der A E (§ 10 Abs. 1 Nr. 6) und das 2. StrRG in § 11 Abs. 1 Nr. 2. 70

1. Den Begriff des Unternehmens einer Tat verwendet der Besondere Teil des StGB im Bereich der Staatsschutzverbrechen, bei Verbreitungs- und Ein- und Ausfuhrtatbeständen, beim Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie, beim Mißbrauch ionisierender Strahlen, beim räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, beim Angriff auf den Luftverkehr und der Konnivenz (§§ 81, 82, 184 Abs. 1 Nr. 4, 8, 9 Abs. 3 Nr. 3, §§ 310b, 311a, 316a, 316c Abs. 1 Nr. 2, § 357). Er ist auch für das Nebenstrafrecht maßgebend (vgl. Art. 1 EGStGB, ferner oben Rdn. I) 1 3 .

71

2. Die Deliktsform des Unternehmens umfaßt den Versuch und die Vollendung mit der Folge, daß bei Unternehmensdelikten bereits der Versuch der Tat ihrer Vollendung gleichsteht. Aus dieser Gleichstellung ergibt sich ein Mehrfaches: Die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung ist auch für die Abgrenzung zwischen (strafloser) Vorbereitungshandlung und dem Unternehmensdelikt maßgebend (unten Rdn. 72), für die Unternehmenstatbestände gelten auch die übrigen Grundsätze über die Strafbarkeit des Versuchs (unten Rdn. 73) und ein Versuch eines Unternehmensdelikts kommt nicht in Betracht (unten Rdn. 74). Aus dem VollendungscharaktGr des Unternehmensdelikts folgt ferner, daß auch dann, wenn es der Sache nach über das „Versuchs"-Stadium nicht hinausgediehen ist, eine Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 ausscheidet (Rdn. 75) und ein Rücktritt nach § 24 nicht möglich ist (Rdn. 76).

" Hierzu ausführlich Sch.-Schröder-Eser Rdn. 47 ff. Hierzu auch Jescheck AT § 49 VIII 1.

12 13

A. A. für den früheren § 4 6 a : Busch LK 9. Aufl. § 46a R d n . 4. (204)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

a) Der Begriff des Versuchs ist im Zusammenhang mit der Unternehmensdefini- 72 tion technisch, d. h. ebenso wie in § 22, zu verstehen 1 4 . Vorbereitungshandlungen sind auch bei Unternehmenstatbeständen nicht strafbar 1 5 . Die Grundsätze, die zur Abscheidung zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und strafbarem Versuch entwickelt worden sind (siehe Erläuterungen zu § 22), gelten daher auch bei den Unternehmensdelikten für die Strafbarkeitsgrenze 16 . b) Die Gleichstellung von Versuch und Vollendung bedeutet ferner, daß bei Un- 73 ternehmensdelikten auch den untauglichen Versuch die Vollendungsstrafe trifft 1 7 . Es wäre ungereimt, in Fällen, in denen es dem Gesetzgeber ersichtlich um eine Vorverlegung des Rechtsgüterschutzes ging, untaugliche Versuche anders zu behandeln als sonst, zumal ein Teil der Unternehmensdelikte Verbrechen sind, für die § 23 Abs. 1 die Strafbarkeit des Versuchs generell vorschreibt 18 . c) Der Versuch eines Unternehmensdelikts ist nach herrschender Meinung 1 7 , da 74 diese Deliktsform den Versuch im technischen Sinne (Rdn. 71) bereits einschließt, schon begrifflich ausgeschlossen 19 . Auch war eine weitere Ausdehnung der Strafbarkeit in diesem Bereich des Vorbereitungsstadiums weder beabsichtigt, noch wäre eine solche Ausdehnung vertretbar 2 0 . d) Die praktische Bedeutung der Deliktsform der Unternehmenstatbestände liegt 75 darin, daß durch das Gleichstellungsgebot der Nummer 6 eine Strafmilderung nach Versuchsgrundsätzen (§ 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1) nicht in Betracht kommt. Es gilt also, gleichgültig, wie weit das Delikt gediehen ist, stets der Strafrahmen, der für die Vollendung der Tat vorgesehen ist. Mit dieser Dispensierung der allgemeinen Strafmilderungsvorschrift für den Versuch wollte der Gesetzgeber bei den Unternehmensdelikten die generalprävenierende Wirkung der gesetzlichen Strafandrohung in der Erwartung verstärken, daß hierdurch auch beim Täter die Hemmungsschwelle erhöht werde. Das ist jedenfalls entgegen Eser (in Sch.-Schröder Rdn. 58), der in diesem Zusammenhang sachliche Gründe für den Ausschluß des § 23 Abs. 2 vermißt 2 1 , eine durchaus legitime gesetzgeberische Erwägung. Der Ausschluß einer gesetzlichen Versuchsmilderung bei den Unternehmensdelikten hindert jedoch den Richter nicht daran, innerhalb des ordentlichen Strafrahmens gebührend zu be14 15 16 17

18 19

20 21

Sch.-Schröder-Eser Rdn. 60; Schmidhäuser AT 15/100; a. A. Burkhardt JZ 1971 353. RGSt. 42 277, 60 68, 66 97, 73 71 ; BGHSt. 5 281. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 60; Rudolphi SK Rdn. 24; Jes check AT § 49 VIII 2. RGSt. 39 323, 56 226, 72 81 ; Busch LK 9. Aufl. § 4 6 a Rdn. 5; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 61 ; Dreher Rdn. 34; Lackner Anm. 6; Rudolphi SK Rdn. 24; Jescheck AT § 49 VIII 2. A. A. für „unechte" Unternehmenstatbestände (hierzu unten Rdn. 79 ff) Burkhardt JZ 1971 355. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 61. A. A. nur Burkhardt (JZ 1971 355), der freilich — zugunsten des Täters — eine Versuchsbestrafung bei sog. unechten Unternehmensdelikten (Rdn. 79) nur im Falle eines „Tatbestandsverwirklichungsversuchs" bejaht, nicht aber bei einem „Handlungsversuch mit Erfolgstendenz", die Strafbarkeit also nicht weiter ausdehnen, sondern einschränken will. Rudolphi SK Rdn. 24. Er meint unter Hinweis auf § 114 a. F. (RGSt. 42 2 7 2 0 , daß die Verwendung des Begriffs „unternehmen" mehr oder weniger auf Zufall beruhe. Das kann für die jüngere Zeit nicht aufrecht erhalten werden. Unternehmensdelikte behalten ihren Sinn auch in anderen Tatbeständen als dem Hochverrat, wo, wie Eser im Anschluß an Frank (§ 82 Anm. IV) sarkastisch ausführt, die vollendete Tat den Richter nicht mehr erreicht.

(205)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

rücksichtigen, daß die Tat über das Versuchsstadium nicht hinausgekommen ist oder anderweit mildere Beurteilung verdient 2 2 . 76

e) Nach ganz herrschender Meinung 2 3 schließt die Vollendungsstrafe für Unternehmensdelikt stets auch einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 (BGHSt. 15 199) 24 . Dies folgt insbesondere auch daraus, daß der Gesetzgeber bestimmten Unternehmensdelikten (§§83a, 311c, 316a Abs. 2, § 316c Abs. 4) sondere, zum Teil tatbestandsbezogene Rücktrittsregelungen geschaffen hat.

77

Umstritten ist hingegen, ob diese besonderen Rücktrittsregelungen auf andere Unternehmensdelikte entsprechend angewendet werden können. Eine Mindermeinung bejaht 2 5 dies mit dem Hinweis, daß es sich hierbei aufgrund „einer geläuterten Rechtsauffassung" um einen allgemeineren Gedanken handle. Mit Recht steht die überwiegende Meinung 2 6 einer analogen Anwendung der besonderen Rücktrittsregelungen auf die übrigen Unternehmensdelikte ablehnend gegenüber. Auch BGHSt. 15 199 hat die entsprechende Anwendung der §§ 49a, Abs. 3, 4, § 82 (jeweils a. F.) auf den (früheren) Unternehmenstatbestand des § 122 Abs. 2 (a. F.) mit Recht abgelehnt, da die angezogenen Rücktrittsregelungen sich auf (verselbständigte) Vorbereitungshandlungen beziehen und das (frühere) Unternehmensdelikt des §122 Abs. 2 zumindest eine Versuchshandlung impliziert. Aus demselben Grunde kann in diesem Zusammenhang auch BGHSt. 6 85 nicht angeführt werden, der eine analoge Anwendung des § 49a Abs. 3, 4 a. F. auf das selbständige Vorbereitungsdelikt des § 234 a Abs. 3 zum Gegenstand hat. Im übrigen erscheint es als eine — unzulässige — Korrektur des Gesetzes, bei echten Unternehmensdelikten, die keine Vorschrift über die tätige Reue haben, eine solche im Wege der Analogie anzuwenden. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bei den neu oder mehrfach überarbeiteten Tatbeständen eine Rücktrittsregelung versehentlich unterlassen hätte 2 7 . Allerdings hat die Streitfrage — zumindest für die echten Unternehmensdelikte des StGB — nur noch geringe praktische Bedeutung·. Die Unternehmensdelikte mit besonders hohen Strafdrohungen haben nämlich ihre besonderen Rücktrittsregelungen (§§ 83 a, 311 c, 316 a Abs. 2, § 316 c Abs. 4); für die Unternehmenstatbestände des § 184 Abs. 1 Nr. 4, 8, 9 und Abs. 3 Nr. 3, deren (verhältnismäßig niedere) gesetzliche Strafrahmen im Bereich der Freiheitsstrafe und der Geldstrafe beim gesetzlichen Mindestmaß beginnt, liefe hingegen § 49 Abs. 2, auf den die entsprechend anzuwendenden §§ 83a, 316a Abs. 2 verweisen, ohnehin leer. Die analoge Anwendung dieser Vorschriften ermöglichte allerdings ein Absehen von Strafe. Beim (verhältnismäßig seltenen) Unternehmensdelikt des § 357 (Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat) läßt sich füglich bezweifeln, ob rechts- und kriminalpolitische Gründe eine analoge Anwendung von Rücktrittsregelungen nahelegen. Für den Vorgesetzten ist vielmehr die Strafe angemessen, die dem Untergebenen droht, den er korrumpiert.

22 23 24

25 26

27

das aus bei be-

Busch LK 9. Aufl. § 46a Rdn. 5; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 62; Dreher Rdn. 34. Α. A. nur Kohlrausch-Lange 43. Aufl. (1961) § 46 Anm. IV 1. Busch LK 9. Aufl. § 4 6 a Rdn. 5; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 63; Dreher Rdn. 34; Lackner Anm. 7, Rudolphi SK Rdn. 25; Jescheck AT § 49 VIII 2; Schmidhäuser AT 15/100; Baumann AT § 33 I l b . Schröder Kern-Festschrift S. 462 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 63; Jescheck AT § 49 VIII 2. Busch LK 9. Aufl. Rdn. 5; Dreher Rdn. 34; Rudolphi SK. Rdn. 26; Schmidhäuser AT 15/100 Fußn. 34; Burkhardt JZ 1971 357 f. In diesem Sinne auch Busch LK 9. Aufl. § 46 a Rdn. 7. (206)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

3. Im Schrifttum ist im Anschluß an Schröder (Kern-Festschrift S. 464) die De- 78 liktsgruppe der unechten Unternehmensdelikte herausgearbeitet worden. Für sie vermag die Begriffserläuterung des § 11 Abs. 1 Nr. 6 freilich unmittelbar nichts zu be, sagen. Sie sind vielmehr aus der Sicht des jeweiligen besonderen Tatbestandes zu interpretieren. Es lassen sich daher aus unverkennbaren strukturellen Gemeinsamkeiten, die die gesetzlich ausdrücklich geregelten echten Unternehmensdelikte mit den sog. unechten haben mögen, nicht ohne weiteres weitgehende Folgerungen ziehen 28 . Bei den sog. unechten Unternehmensdelikten werden die Tathandlungen mit „fi- 79 nalen Tätigkeitsworten" 29 umschrieben, z. B. das „Auffordern" in § 111, das „Angreifen" in § 113, das „Einwirken" in § 125, das „Vortäuschen" in § 145d, das „Verdächtigen" in § 164, das „Hilfeleisten" in §§ 257 und 330c, das „Dem-Wilde-Nachstellen" in § 292 usw. Diesen Tatbeständen ist gemeinsam, daß es dem Täter zwar um einen (tatbestandsmäßig nicht umschriebenen) Erfolg geht, das Gesetz es aber für die Vollendung des Delikts genügen läßt, daß der Täter ein bloßes Verhalten entwickelt, das auf die Erreichung dieses Erfolges gerichtet ist. Mag man in diesem Zusammenhang im Anschluß an Armin Kaufmann30 angesichts der Vorverlegung des strafrechtlichen Schutzes mit einer gewissen Berechtigung von „Versuchstatbeständen" sprechen, so sollte doch nicht übersehen werden, daß bei ihnen — auffälliger als bei den eigentlichen Unternehmensdelikten — gewisse Schwierigkeiten hervorträten, Versuchs- und Ausführungshandlungen abzuscheiden. Die erwähnten Tathandlungen bei den „unechten Unternehmensdelikten" zeichnen sich (anders als z. B. bei den „echten" der §§ 310b, 311a, 316a, 316 c) dadurch aus, daß das tatbestandsmäßige Verhalten auf eine bestimmte Dauer angelegt ist, das die Übergänge zwischen (noch) straffreiem und (schon) tatbestandsmäßigem Verhalten im größeren Ablauf meist schwieriger aufweisbar sind und sich daher insbesondere das allgemeine Kriterium des Versuchsbeginns (§ 22 : „unmittelbar ansetzen") im konkreten Fall weniger plastisch darböte. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber ersichtlich seine Gründe gehabt, die Strafbarkeitsgrenze nicht über die allgemeine Norm des § 22 zu bestimmen, sondern mit unter Umständen weicheren Übergängen, aber deutlich vor dem Zeitpunkt, bei dem die Strafbarkeit des Versuchs des entsprechenden als fr/o/gsdelikt ausgeformten Tatbestandes begänne. Bei den unechten Unternehmensdelikten verzichtet daher das Gesetz darauf, zur Ausmittelung der Strafbarkeitsgrenze an den „Versuch" als technischen Begriff anzuknüpfen, und bedient sich hierfür lediglich der Aussagekraft der Beschreibung der Tathandlung des jeweiligen Tatbestandes. Hieraus ergeben sich wichtige Folgerungen: Die unechten Unternehmensdelikte stellen zwar jeweils schon Handlungs„ver- 80 suche" unter die Vollendungsstrafe, stets müssen aber — schon im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, §2 — alle objektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sein. „Versuche" am untauglichen Objekt oder des untauglichen Subjekts fallen hingegen nicht unter die Strafbarkeit 31 . Wer hilft, eine Ware zu verstauen, von der er irrig 28

29

30 31

A. A. insoweit Bockelmann NJW 1951 622f; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 230 ff; Waider G A 1962 176 ff; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 64 ff. v. Weber Grundriß des deutschen Strafrechts, 2. Aufl. (1948) 54 und in: Aufbau des Strafrechtssystems (1935) 9. Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 230; Burkhardt JZ 1971 354. So richtig Burkhardt JZ 1971 355; Rudotphi S Κ Rdn. 28 f; vgl. ferner Sch.-Schröder-Eser Rdn. 66, der freilich den (im Hinblick auf die rechtliche Qualität des Handlungsobjekts) „untauglichen Versuch" bei unechten Unternehmensdelikten für strafbar hält.

(207)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

meint, sie sei gestohlen, ist — nach einer freilich umstrittenen Meinung — wegen Begünstigung nicht strafbar 3 2 . Die Grundsätze der subjektiven Versuchslehre lassen sich auf die unechten Unternehmensdelikte nicht übertragen 3 3 . 81

Bei unechten Unternehmensdelikten ist ferner — entgegen einer Mindermeinung 3 4 — eine analoge Anwendung von Rücktrittsregelungen anderer Unternehmensdelikte nicht möglich. Zwar mag in diesen Fällen der Gesetzgeber — anders als bei den echten Unternehmensdelikten (oben Rdn. 77) — die Rücktrittsproblematik nicht in allen Fällen bedacht und damit auch nicht (negativ) entschieden haben. Gleichwohl verbietet sich hier eine entsprechende Anwendung von Rücktrittsvorschriften. Die allgemeine Vorschrift des § 24 ist nach allgemeiner Meinung ebenso wie bei den echten Unternehmensdelikten unanwendbar (Rdn. 76). Dasselbe gilt aber auch für die besonderen Rücktrittsregelungen der echten Unternehmensdelikte. Denn diese besonderen Rücktrittsvorschriften haben zum Teil eine auf die jeweiligen Tatbestände bezogene Ausformung erfahren (vgl. §§83a, 311c). Außerdem sind die unechten Unternehmensdelikte untereinander außerordentlich vielgestaltig (vgl. Rdn. 79) und einer einheitlichen Beurteilung in der Frage der tätigen Reue oder der Zuordnung einer auf sie jeweils am besten „passenden" Rücktrittsvorschrift nicht fähig 3 5 . So hat beispielsweise BGHSt. 14 217 im Falle des § 330c die Anwendbarkeit des Grundgedankens der tätigen Reue zutreffend verneint.

82

IX. Behörde, Gericht (Abs. 1 Nr. 7) Die Nummer 7 enthält lediglich eine klarstellende Begriffserstreckung, die besagt, daß auch ein Gericht unter den Begriff der Behörde fällt. Definiert ist weder der Begriff der Behörde noch der des Gerichts. Der E 1962 enthielt einen solchen Gesetzeshinweis nicht. Das 2. StrRG hielt es aber für sachgemäß, die Unklarheit, ob auch Gerichte Behörden seien, für das Strafrecht zu beseitigen (BT-Drucks. V/4095 S. 7). Freilich ist dies bisher nie in Zweifel gezogen worden {Herdegen LK 9. Aufl. § 164 Rdn. 21).

83

1. Der Begriff der Behörde hat keine scharfe Kontur. Er gehört dem Staats- und Verwaltungsrecht an. Seine (verwaltungsrechtliche) Abgrenzung ist für das Strafrecht nicht in jeder Hinsicht relevant, zumal das, was strafrechtlich unter „Behörde" zu verstehen ist — hierauf weist Eser (Sch.-Schröder Rdn. 69, 71) mit Recht hin —, sich maßgeblich nach dem Zweck der Norm richtet und das Gesetz verschiedentlich, um behördenähnliche Instanzen zu erfassen, im Zusammenhang mit dem Begriff der Behörde oder des Gerichts (ergänzend) von „sonstigen Stellen" spricht (z. B. § 11 Abs. 1 Nr. 2c, 4, §§ 145d, 153, 158, 194 Abs. 3, § 219). Nach RGSt. 18 246 ist eine Behörde ein in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügtes Organ der Staatsgewalt, das dazu berufen ist, unter öffentlicher Gewalt für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihr geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel, ob das Organ unmittelbar vom Staate oder von einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist, sofern die

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Vgl. BGHSt. 4 225; RGSt. 35 77, 58 15, 76 123; a. A. Bockelmann NJW 1951 622; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 233; Dreher § 257 Rdn. 1. So mit Recht und mit eingehender Begründung Rudolphi SK Rdn. 29. Schröder Kern-Festschrift S.462f, 467 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 67; Jescheck AT §49 III 2; Burkhardt JZ 1971 352. Im Ergebnis ebenso Busch LK 9. Aufl. § 46 a Rdn. 7; Rudolphi SK Rdn. 30. (208)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

Angelegenheiten zugleich in den Bereich der bezeichneten Zwecke fallen, wobei es für den Begriff der Behörde nicht wesentlich ist, ob die ihr übertragenen Befugnisse Ausübung hoheitlicher Gewalt sind oder nicht. Diese Definition wurde vom BGH zunächst von Zivilsenaten 1 , dann auch von Strafsenaten (BGH MDR 1964 69) und der übrigen Rechtsprechung 2 sowie vom Schrifttum in vereinfachter Fassung anerkannt 3 . Eine kollegiale Besetzung ist nicht vorausgesetzt, gleichgültig ist auch, ob eine einzelne physische Person die staatlichen Befugnisse wahrnimmt, oder eine — kollegial oder monokratisch organisierte — Personengesamtheit 4 . 2. Kasuistik. Die Rechtsprechung zählt zu den Behörden: Gemeinden, Gemein- 84 deverbände und ihre Organe 5 , Fakultäten und Fachbereiche der Universitäten (RGSt. 17 208, 75 112), Gerichtskassen (RG Rspr. 10 83), die Bundesdruckerei (vgl. RGSt. 19 264), Staatliche Oberförsterei (RGSt. 41 442), Industrie- und Handelskammern 6 (RGSt. 52 198), Handwerkskammern (LG Tübingen MDR 1960 780), Präsident der Rechtsanwaltkammern (RGSt. 47 394, RG JW 1936 1604), Verwaltung der Stadtsparkasse, öffentliche Sparkassen 7 , Träger der Sozialversicherung (§ 146 RVO), Krankenkassen und Berufsgenossenschaften 8 , selbständige Strafvollzugsanstalten (RG G A Bd. 68 64), der Wehrbeauftrage des Bundestags (Art. 45 b GG), Gutachterstellen im Sinne des § 219 9 . Keine Behörden in diesem Sinne sind kirchliche Dienststellen (vgl. RGSt. 47 49).

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3. Unter einem Gericht ist jedes Organ der rechtsprechenden Gewalt der Bundes- 86 republik Deutschland zu verstehen. Gerichte galten bisher schon als Behörden 1 0 , und zwar auch die Ehrengerichte für Rechtsanwälte (RGSt. 47 394, RG JW 1936 1604). Unter Gericht im Sinne der Nummer 7 ist auch ein einzelnes Spruchgremium eines Gerichts zu verstehen (BGHSt. 9 20), auch der Einzelrichter. Wie weit der Begriff des Gerichts geht, kann auch vom Normzweck abhängen (Rdn. 83) 11 . So lassen sich im Sinne des § 164 und in der Frage der Beleidigungsfähigkeit stets Disziplinar· und Ehrengerichte oder gerichtsgleiche Schiedsstellen und Spruchausschüsse des Arbeitsamts 1 2 als Gerichte ansehen. Was jedoch im Sinne der Aussage1

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BGHZ 3 116ff = NJW 1951 799; BGHZ 25 186 = NJW 1957 1673 (Behördeneigenschaft von Ortskrankenkassen verneint, hiergegen Martens NJW 1964 852; Haueisen NJW 1964 867. OLG Frankfurt NJW 1964 1682, vgl. ferner RGSt. 33 383, 54 150. Dreher Rdn. 35: ein ständiges, von der Person des Inhabers unabhängiges, in das Gefüge der öffentlichen Verwaltung eingeordnetes Organ der Staatsgewalt mit der Aufgabe, unter öffentlicher Autorität nach eigener Entschließung für Staatszwecke tätig zu sein", ferner Sch.-Schröder-Eser Rdn. 71 ; Lackner Anm. 8; Preisendanz Anm. VII. Hierzu Herdegen LK 9. Aufl. § 164 Rdn. 20. RGSt. 40 161, RG GA Bd. 37 425, RG Rspr. 4 135, OLG Frankfurt NJW 1964 1682. §§ 1, 3 des Ges. zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammer vom 18. 12. 1956 (BGBl. I S. 920 - III 7 0 1 - 1 ) , letztes ÄndG vom 14. 12. 1976 (BGBl. I S. 3341). RGSt. 6 247, 39 391 ; BGHSt. 19 21. RGSt. 74 268, 76 105, 211 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 71a; Martens NJW 1964 852; Haueisen NJW 1964 867; a. A. BGHZ 25 168; Dreher Rdn. 35. BT-Drucks. 7/1981 S. 17, Prot. VII S. 1645. RGSt. 19 260 (Schöffengericht), BGHSt. 9 20 (6. Strafsenat des BGH). Hierauf weisen Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 73) mit Recht hin. Im Sinne des (früheren) AVAVG vom 16. 7. 1927 (RGBl. I S. 187).

(209)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

delikte zu den Gerichten gehört, hängt allein davon ab, ob sie zuständig sind, Eide abzunehmen (vgl. OLG Hamburg NJW 1953 476). Ein Schiedsgericht, das keine hoheitliche Grundlage hat (Rdn. 51), ist keinesfalls Gericht im Sinne dieser Vorschrift. 87

4. Soweit im Gesetz der Begriff der Behörde adjektivisch („behördlich") verwendet wird (vgl. § 44 Abs. 4, § 164), bezieht er auch das Beiwort „gerichtlich" mit ein 13 . Mit „behördlichen Verfahren" im Sinne des § 164 sind (vor allem) auch „strafgerichtliche" gemeint.

88

X. Der Begriff der Maßnahme (Abs. 1 Nr. 8) erläutert nicht, sondern führt aus gesetzestechnischen Gründen, um Verweisungen zu erleichtern, eine Sammelbezeichnung ein, und zwar für die Maßregeln der Besserung und Sicherung des StGB (§61), für den Verfall (§§ 73 bis 73d), die Einziehung (§§ 74 bis 74c) und die Unbrauchbarmachung (§ 74d). Dieser Sammelbegriff wird allerdings lediglich 14 bei den Konkurrenzen (§ 52 Abs. 4, § 55 Abs. 2), der Verjährung (§ 78 Abs. 1, § 79 Abs. 1) und den besonderen Tatbeständen der §§ 258, 258 a, 344 und 345 verwendet. Der Sammelbegriff der Maßnahme ist formal auszulegen. Andere als die ausdrücklich genannten Rechtsfolgen können — jedenfalls nicht zu Lasten des Täters — einbezogen werden 15 . So sind keine Maßnahmen im Sinne der Nummer 8: die Erteilung von Auflagen und Weisungen (§§ 56b, 56c) und die Unterstellung unter Bewährungshilfe (§ 56 d) bei der Strafaussetzung zur Bewährung, sowie Maßnahmen und Nebenfolgen des Nebenstrafrechts: Verbot der Tierhaltung (§20 TierschutzG) 16 , Abführung des Mehrerlöses (§§ 8 bis 10 WiStG) 17 und die Anordnung der Entziehung des Jagdscheines (§41 BJagdG) 18 . Aus diesem Grunde wurden in § 344 Abs. 2 S. 2 und § 345 Abs. 3 S. 2 neben den Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 diejenigen weiteren Verfahren und Sanktionen ausdrücklich genannt, auf die sich unzulässige Verfolgungs- und Vollstreckungsmaßnahmen erstrecken sollten. Freilich unterblieb im Rahmen der Straf- und Maßregelvereitelung der §§ 258, 258a (versehentlich?) eine ähnliche Erstreckung, so daß ζ. B. die Vereitelung der Verhängung oder Vollstreckung eines Jugendarrests, selbst wenn die Tat von einem Amtsträger vorgenommen würde, nicht strafbar ist. Dies ergibt sich daraus, daß die verschiedenen Formen des Jugendarrests (aber auch andere Zuchtmittel oder Erziehungsmaßregeln des Jugendstrafrechts) weder Strafe noch Maßnahme im Sinne der Nummer 5 sind. § 447 Abs. 7 StGB-E 1962 hat dieses Problem gesehen und ausdrücklich ausgesprochen, daß im Sinne dieser Vorschrift der Jugendarrest einer „Maßnahme" gleichstehe (vgl. E 1962 Begr. S. 630).

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Der Begriff der Maßnahme ist nur dort im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 8 zu verstehen, wo der jeweilige Gesetzestext ausdrücklich auf diese Bestimmung verweist oder sich mittelbar zwingend aus dem Gesetzestext ergibt, daß der Begriff der Maßnahme technisch gemeint ist, z. B. bei § 258 Abs. 5 i. Verb. m. Abs. 1. Ist hingegen von „behördlichen Maßnahmen" die Rede, wie in § 164, so gilt hierfür die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 8 nicht. 13 14 15 16

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Sch.-Schröder-Eser Rdn. 74. Vgl. hierzu aber Stratenwerth ZStW 76 (1964) 688. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 77. v. 24.7. 1972 (BGBl. I S. 1277 - III 7 8 3 3 - 1 ) , letztes ÄndG vom 18.3. 1975 (BGBl. I S. 705). Wirtschaftsstrafgesetz 1954 v. 9. 7. 1954/3. 6. 1975 (BGBl. I S. 1313 - III 4 5 3 - 1 1 ) . v. 29. 11. 1952/29.9. 1976 (BGBl. I S. 2849 - III 7 9 2 - 1 ) . (210)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

XI. Der Begriff des Entgelts (Abs. 1 Nr. 9). Die N u m m e r 9 schränkt den Begriff 90 des Entgelts — § 11 Abs. 1 Nr. 6 E 1962 folgend, aber in Abweichung zu den Entwürfen 1922 bis 1936 — auf die in einem Vermögensvorteil liegende Gegenleistung ein. Immaterielle Vorteile oder Gunsterweisungen, etwa geschlechtliche Hingabe, sind kein Entgelt. Der Begriff ist also enger als der des Vorteils, der insbesondere bei den Bestechungsdelikten (§§ 331 ff) vorkommt. Der Begriff des Entgelts dient gerade dazu, die Fälle zu kennzeichnen, bei denen im Gesetz allgemein Vorteile nicht genügen, sondern als Gegenleistung Vermögensvorteile vorausgesetzt sind (E 1962 Begr. S. 120.) Der Begriff des Entgelts wird nur in wenigen Fällen, und zwar als Tatbestands- 91 merkmal in § 184 Abs. 1 Nr. 7 und §265 a und im Sinne einer tatbestandlichen Strafschärfungsvoraussetzung in § 180 Abs. 2 u n d § 203 Abs. 5 verwendet. Dem Entgeltbegriff ist neben seiner Beschränkung auf wirtschaftliche Vorteile sein synallagmatischer Charakter eigentümlich: Er m u ß etwas zum Gegenstand haben, das für etwas gegeben (§ 203 Abs. 5) oder verlangt worden ist (§ 180 Abs. 2, § 184 Abs. 1 Nr. 7) oder das als Gegenleistung f ü r eine andere Leistung vorenthalten wird (§ 265 a). Nicht erforderlich ist, daß mit dem Entgelt letztlich eine Bereicherung oder ein 9 2 Gewinn erstrebt oder gar erreicht wird. Es kommt lediglich darauf an, ob das „Entgelt" unmittelbar im Zusammenhang mit der Tat erlangt (oder im Falle des § 265 a vorenthalten) wurde. Weder kommt es in dieser Frage auf sonstige eigene Aufwendungen des Täters oder etwaige Ersatzansprüche seines Opfers a n 1 9 . XII. Gleichstellungsklausel für Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (Absatz 2)

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Schrifttum Cramer Das Strafensystem des StGB JurA 1970 183; Gössel Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach § 18 StGB, Festschrift für Rieh. Lange (1976) 219; Krey/Schneider Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination nach geltendem und künftigen Recht NJW 1970 640. 1. Absatz 2 bestimmt, daß Straftatbestände, die eine vorsätzliche Tathandlung 94 voraussetzen, hinsichtlich der dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen lassen, Vorsatztaten sind. Solche gemischt vorsätzlich-fahrlässigen Tatbestände kennt das Gesetz bei den sog. erfolgsqualifizierten Delikten im Sinne des § 18, obwohl es f ü r diese Deliktsform einer Klarstellung im Sinne des Absatzes 2 nicht bedurfte, da sie schon bisher nach allgemeiner M e i n u n g 2 0 als Vorsatztaten angesehen wurden. Diesen Tatbeständen wurde nämlich die Fahrlässigkeitskomponente erst durch das 3. S t R Ä n d G 2 1 (§ 56 a. F.) allgemein beigegeben, um sie mit den Grundsätzen des Schuldstrafrechts in Einklang zu bringen. Ob der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 2 übrigens zugleich auch die erfolgsqualifizierten Delikte erfassen wollte, erscheint zweifelhaft 2 2 . Absatz 2 klärt aber eine praktisch bedeutsame Streitfrage f ü r die sog. eigentlichen Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen 23 . 19 20 21 22 23

Sch.-Schröder-Eser Rdn. 84; Dreher Rdn. 37. Anders jedoch Seebald GA 1964 167; Gössel Rich.-Lange-Festschrift (1976) 236. v. 4.8. 1953 (BGBl. I S. 735). Hierzu im einzelnen F. C. Schroeder LK 9. Aufl. § 56 Rdn. 31 ff. Ausdruck nach Krey/Schneider NJW 1970 640, die hinsichtlich der herkömmlichen erfolgsqualifizierten Delikten von „uneigentlichen Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination" sprechen (hiergegen F. C. Schroeder LK 9. Aufl. § 56 Rdn. 6 und Gössel Rich.-Lange-Festschrift (1976) 221).

(211)

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Sie unterscheiden sich von den herkömmlichen erfolgsqualifizierten Delikten dadurch, daß der vorsätzliche Handlungsteil in der Regel zwar einen Normverstoß enthält und daher rechtswidrig ist, nicht aber schon einen Straftatbestand erfüllt und die Strafbarkeit erst durch die (tatbestandsmäßige) Folge, nämlich die fahrlässige Herbeiführung einer konkreten Gefährdung eintritt. Das Gesetz kennt solche Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen bei den Staatsschutzdelikten (§97 Abs. 1, § 109 e Abs. 5, § 109g Abs. 4), bei Explosions-, Verkehrs- und Baugefährdungsdelikten (§311 Abs. 4, §315 Abs. 4, § 315a Abs. 3 Nr. 1, § 315b Abs. 4, § 315c Abs. 3 Nr. 1, § 330 Abs. 3), sowie bei der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353 b Abs. 1 S. 2). 95

2. Bereits aus den gesetzgeberischen Materialien zum 2. StraßVerkSichG 24 , das im Anschluß an den StGB-E 1962 im Bereich des Verkehrsrechts eine Reihe solcher Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen brachte, ergab sich deutlich 25 , daß der Gesetzgeber mit dieser Rechtsfigur gerade den Korsa/zcharakter solcher Tatbestände im Auge hatte. Hieran sollten nämlich bei der Rechtsanwendung in der Frage der Teilnahme, des Versuchs, des Fortsetzungszusammenhangs, aber auch beim Widerruf der Strafaussetzung und beim Rückfall rechtliche Folgerungen geknüpft werden können. Gleichwohl hat der BGH (MDR 1967 229) und ein erheblicher Teil des Schrifttums 26 solche Tatbestände als reine Fahrlässigkeitsdelikte angesehen. Wohl überwiegend wurde jedoch die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, den Gesetzesmaterialien folgend, als Vorsatzdelikt anerkannt 27 .

96

Dem ist nun mit der Klarstellung in § 11 Abs. 2 auch der Gesetzgeber gefolgt. Hierfür war die Vorstellung leitend, daß bei der Rechtsfigur der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination — wie Lackner (Anm. 11 a) plastisch zusammenfaßt — „der Handlungsteü" „den Kern der Tat bildet, „während die als Folge verursachte Gefahr zu ihm in demselben Verhältnis steht wie die fahrlässig verursachte Folge beim erfolgsqualifizierten Delikt 28 . Daß der Vorsatzteil — abweichend von den Fällen des § 18 — als solcher in der Regel nicht selbständig mit Strafe bedroht ist, steht dieser Annahme nicht entgegen; denn jedenfalls ist diese Handlung stets rechtswidrig (im Verkehrsrecht eine Ordnungswidrigkeit, in anderen Rechtsgebieten ein Disziplinarverstoß, z. B. bei § 97 Abs. 1, oder sonst unerlaubt) 29 . Daß solche Handlun24 25 26

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v. 26. 11. 1964 (BGBl. I S. 921). Hierzu Janiszewski M D R 1967 229 m. weit. Nachw., E 1962 § 340 Begr. S. 518. Nicht jedoch die „h. M.", wie Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 85) meinen, sondern lediglich Krey/Schneider N J W 1970 640; Maurach BT (1969) § 57 V Β 3 c ; Cramer JurA 1970 196; F. C. Schroeder LK 9. Aufl. § 109 b Rdn. 12, § 56 Rdn. 6, 48; Jagusch Straßenverkehrsrecht 20. Aufl. § 315b Rdn. 17, § 315c Rdn. 42, anders inzwischen 22. Aufl. 1976 § 315b Rdn. 17, § 315c Rdn. 41. Janiszewski M D R 1967 229; Rüth LK 9. Aufl. § 315c Rdn. 63, 66 und in Möhl-Rüth § 315c Rdn. 63, 66; Sch.-Schröder 17. Aufl. § 315 Rdn. 23 a, § 315 c Rdn. 36 b; Dreher 33. Aufl. § 17 Anm. 2 B ; Lackner-Maassen 8. Aufl. § 315c Anm. 6 b ; Mühlhaus StVO, 3. Aufl. § 315b Anm. 6c, § 315c Anm. 9 b ; Jescheck AT § 54 III 1 ; unentschieden gelassen von BGHSt. 22 71. Ebenso CramerStVR § 315c Rdn. 93; Mayr BGH-Festschrift (1975) 277; die im Text übernommene Formulierung findet sich schon in der 8. Aufl. bei Lackner-Maassen § 315 c Anm. 6 b. Hier übersieht Lackner allerdings, daß bei der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination des § 311 Abs. 4 die „ G r u n d h a n d l u n g " nicht rechtswidrig oder unerlaubt zu sein braucht, sondern gerade auch wertneutral sein kann (ζ. B. genehmigte „Herbeiführung einer Explosion" durch einen Sprengmeister im Steinbruch, vgl. Cramer N J W 1964 1837). (212)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

gen nicht schon allgemein mit Strafe bedroht sind, hängt allein damit zusammen, daß die ganze Handlungsgruppe zu viele nicht ausreichend gefährliche Verhaltensweisen einschließt, denen gegenüber eine strafrechtliche Reaktion unverhältnismäßig wäre 3 0 . Ihre Poenalisierung bei konkreter Gefährdung verfolgt daher nur den Zweck, die Strafbarkeit auf Handlungen zu beschränken, die einen ausreichenden Grad von Gefährlichkeit aufweisen. An dieser Abgrenzungsaufgabe wird deutlich, daß es die Handlung des Täters ist, die den Kern der Tat bildet, während das Erfordernis konkreter Gefährdung nur gewährleistet, daß sie nach dem Grad ihrer Gefährlichkeit nicht unter die Grenze der Strafwürdigkeit absinkt." Freilich hat die gesetzgeberische Entscheidung des § 11 Abs. 2 und ihre argu- 97 mentative Grundlage (Rdn. 96) zum Teil schon vor ihrem Inkrafttreten Widerspruch erfahren. So hält Maurach den „Machtspruch des Gesetzgebers in § 11 Abs. 2" für „zweifellos verunglückt" 3 1 . F. C. Schroeder32 hält diese Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination für „Fahrlässigkeitsdelikte mit bewußter Pflichtverletzung". Und weiter: daß die „Grundhandlung" als Ordnungswidrigkeit oder sonstwie rechtswidrig sei und der Gefährdungsteil „nur" ungefährliche Verhaltensweisen ausschließen solle, schaffe nicht die Tatsache aus der Welt, daß eben das Gravamen auf der Gefahr beruhe, sondern bestätige sie. Auch Gössel33 hält den Fall der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination für eine Fahrlässigkeitstat, die sich nun einmal nicht „par l'ordre de Mufti" in ein Vorsatzdelikt verwandeln lasse. Diese Einwände sind nicht ohne Gewicht. In der Tat kann der Gesetzgeber, wenn er den Vorsatzcharakter dieser Rechtsfigur dekretiert, grundsätzlich nur an einen Handlungsvorgang anknüpfen, der strafrechtlich noch keine selbständige Relevanz aufweist, sondern der erst im Verein mit der (fahrlässig verursachten) Gefährdung und durch sie die Tat zur strafwürdigen macht. Erst und allein durch den Eintritt der (fahrlässig verschuldeten) Tatfolge wird nach dem Willen des Gesetzgebers die Strafbarkeitsschwelle überschritten. Es ist insoweit nicht anders als bei den fahrlässigen Erfolgsdelikten sonst. Auf der anderen Seite kann nicht übersehen werden, daß dieser Handlungsteil rechts-, norm- oder pflichtwidrig — oder auch ausnahmsweise, wie bei § 311, per se gefährlich — ist und die Täter dies wissen und in ihren Willen aufnehmen müssen. Auch von der (nachfolgenden) Fahrlässigkeitskomponente her gesehen tritt daher in diesen Fällen eine Rechtsverletzung erheblichen Schweregrades hervor, die als solche im Handlungsteil bewußt und willentlich vorgenommen worden sein muß, ihrer inneren Struktur nach insoweit „Vorsatzmerkmale" aufweist und der Tatgewichtung nach meist schwerer wiegt als andere Fälle bewußter Fahrlässigkeit. Es kann dem Gesetzgeber nicht versagt sein, solche Taten vorsatzgleich zu behandeln, mögen sich hierdurch auch Spannungen in der dogmatischen Einordnung ergeben. Auch wer sie lediglich als „bewußte Fahrlässigkeitsdelikte" ansieht, kann den Gesetzgeber nicht daran hindern, an sie Rechtsfolgen der Vorsatzdelikte zu knüpfen. Wenn F. C. Schroeder32 darauf hinweist, daß bei den Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen „das Gravamen auf der Gefahr", also auf der fahrlässig verursachten Folge, beruhe, so besagt dies im übrigen nichts Zwingendes über die rechtliche Einordnung: Auch bei den erfolgsqualifizierten Delikten liegt das Gravamen — wie sich z. B. aus der ganz erheblich höheren Strafdrohung des § 226 im Verhältnis zu § 223 ergibt — bei der (zumindest) fahrlässig verursachten schweren 30 31 32 33

Lackner Das konkrete Gefährdungsdelikt im Verkehrsstrafrecht (1967) 10. BT § 43 I Β 2c, § 51 III Β 1 ; ähnlich Hirsch GA 1972 76. LK'9. Aufl. § 56 Rdn. 49, § 109 b Rdn. 12. Rich-Lange-Festschrift (1976) 236.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

§11 34

Folge, ohne daß Schroeder (und mit ihm die herrschende Meinung) am Vorsatzcharakter der erfolgsqualifizierten Delikte zweifelt. Die Antwort auf die Frage der Rechtsnatur der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination hängt letztlich davon ab, ob man mehr auf den (vorsätzlichen) Handlungsteil oder den (fahrlässig verursachten) Folgeteil abstellt. Will der Gesetzgeber im Hinblick auf den wissentlich und willentlich vorgenommenen Handlungsteil Rechtsfolgen knüpfen, etwa den Versuch des Delikts und die Teilnahme an ihm mit Strafe bedrohen, so ist es ihm nicht verwehrt, dies dadurch sicherzustellen, daß er der Rechtsfigur der Vorsatz-FahrlässigkeitsKombination Vorsatzcharakter beilegt. Dies liegt auch dann im gesetzgeberischen Ermessen, wenn hierdurch in diesen Fällen die Versuchs- oder Teilnehmer-Bestrafung weiterreicht als dies ohne eine solche Gleichstellungsvorschrift der Fall wäre. Im Schrifttum wird im Hinblick auf die gesetzgeberische Entscheidung des Absatzes 2 diese Streitfrage — unbeschadet gewisser dogmatischer Vorbehalte 35 — inzwischen für geklärt und die abweichende Meinung für überholt angesehen 36 . 98

3. Aus dem Vorsatzcharakter der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination folgt, daß an solchen Delikten strafbare Teilnahme möglich ist 37 . Wer etwa als Beifahrer oder sonst einen alkoholisierten Kraftfahrer in der Fahrabsicht bestärkt und dieser eine Gefährdung des Straßenverkehrs im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. la, Abs. 3 Nr. 1 begeht, ist wegen Beihilfe zu dieser Tat strafbar (OLG Stuttgart VRS 50 [1976] 267 = MDR 1976 335 L), wenn er nach allgemeinen Teilnahmevorschriften (§ 29 !)38 im Hinblick auf die Gefährdung selbst auch fahrlässig gehandelt hat, also ζ. B. voraussehen hätte können, daß die Trunkenheitsfahrt zu einer konkreten Individualgefahr im Sinne des § 315 c führen wird 39 .

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4. § 11 Abs. 2 bewirkt weiter, daß der Versuch in den Fällen der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination grundsätzlich möglich ist. Dessen Strafbarkeit setzt, da es sich jeweils um Vergehen handelt (vgl. § 23), freilich voraus, daß das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Das ist nur bei § 353b der Fall 40 , während alle übrigen Mischtatbestände, insbesondere die häufig vorkommenden §§ 315b, 315c durch ihre Fassung und den Standort der Versuchsklausel deutlich machen, daß sich die 34

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LK 9. Aufl. §56 Rdn. 31 ff m. weit. Nachw.; a. A. neuerdings auch Gössel Rich.-LangeFestschrift (1976) 235 f. Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 86; ferner F. C. Schroeder LK 9. Aufl. § 56 Rdn. 49, § 109 b Rdn. 12, der im Hinblick auf seine Einwendungen gegen die Vorschrift sich dagegen aussprach, nach § 11 Abs. 2 vor seinem Inkrafttreten zu verfahren (wofür z. B. Jescheck AT § 54 III 1 ; Rüth LK 9. Aufl. § 315c Rdn. 66 eintraten). Dreher Rdn. 38, §315a Rdn. 23, §315c Rdn. 19; Rudolphi SK Rdn. 34, 35; Preisendanz Anm. X 2; Jescheck AT § 54 III 1. Rüth LK 9. Aufl. § 315c Rdn. 66; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 87; Dreher Rdn. 38; Rudolphi SK Rdn. 35 ; Cramer StVR § 315 c Rdn. 93. Für die erfolgsqualifizierten Delikte ergibt sich die Möglichkeit einer Teilnahme inzwischen auch unmittelbar aus der Neufassung des § 18. Gössel Rich.-Lange-Festschrift (1976) 225 ff meint freilich, daß § 29 bei qualifizierten Erfolgsdelikten und Mischtatbeständen nichts hergibt. So Sch.-Schröder-Eser Rdn. 87 m. weit. Nachw.; Dreher § 315 Rdn. 23; vgl. hierzu früher schon Rudolphi GA 1970 359. Mösl LK 9. Aufl. § 353b Rdn. 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 88; Sch.-Schröder-Lenckner § 353 b Rdn. 13; Dreher § 353 b Rdn. 13; Lackner § 23 Anm. 1 ; a. A. Rudolphi SK Rdn. 36; Krey/Schneider NJW 1970 644. (214)

Personen- und Sachbegriffe (Tröndle)

§11

Strafbarkeit des Versuchs auf den Mischtatbestand nicht bezieht, sondern nur auf die vollvorsätzliche Begehungsweise. 5. Schließlich ergibt sich aus § 11 Abs. 2, daß die Fälle der Vorsatz-Fahrlässig- 100 keits-Kombination als Vorsatztaten im Sinne des Gesetzes den Riickfall (§ 48) begründen, den Widerruf des Straferlasses (§ 56 g Abs. 2) auslösen, oder eine Voraussetzung für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66) oder für die Einziehung (§ 74) bilden können. Auch Fortsetzungszusammenhang ist mit solchen Mischtatbeständen oder unter ihnen möglich 41 . XIII. Schriften, Ton- und Bildträger, Abbildungen und andere Darstellungen (Absatz 3) 1. Absatz 3 bringt lediglich eine gesetzestechnische Vereinfachung und keine Be- 101 griffsdefinition. Die Vorschrift geht auf § 11 Abs. 3 E 1962 und auf § 10 Abs. 2 AE zurück. Sie bestimmt ein für allemal, daß mit dem Rechtsbegriff der Schriften zugleich auch Ton- und Bildträger, Abbildungen und andere Darstellungen gemeint sind, falls der Begriff der Schriften einen Klammerhinweis auf diese Vorschrift enthält. Das ist bei der Einziehungsvorschrift des § 74 d Abs. 1 der Fall und ferner im Besonderen Teil bei den Staatsschutzdelikten (§§ 80 a, 86 Abs. 2, § 86 a Abs. 1, § 90 Abs. 1, § 90 a Abs.l, § 90 b Abs. 1, § 103 Abs. 2), bei der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111), bei der Verherrlichung von Gewalt (§ 131), bei der falschen Verdächtigung (§ 165), bei Religionsdelikten (§ 166 Abs. 1, 2), bei der Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184), sowie bei den Beleidigungstatbeständen (§§ 186, 187 Abs. 1, § 187 a Abs. 1, § 200). 2. Schriften sind Gedankenäußerungen durch Buchstaben, Bilder oder andere 102 stoffliche Zeichen (RGSt. 47 224, BGHSt. 13 376), die für Auge oder Tastsinn wahrnehmbar sind und die Vorstellung eines Sinnzusammenhangs vermitteln. Es kommt also nicht darauf an, welcher Art die Zeichen (Schriftzeichen) sind. Auch Noten, Zahlen, Chiffren, Stenogramme, Blindenschrift, sowie die Kombinationen von Schriften und sonstigen stofflichen Zeichen fallen darunter. Unerheblich ist, ob sie mit der Hand, mit der Schreibmaschine, durch Druck oder andere Vervielfältigungsmittel hergestellt sind oder ob sie für jedermann oder nur mit Hilfe besonderer Kenntnisse oder Informationen wahrnehmbar sind (Abkürzungen, Kurzschrift, Geheimschrift, Blindenschrift) oder mit Hilfe technischer Vorrichtungen (Vergrößerungs- oder Projektionsgeräte) 42 . An sich ist auch bedeutungslos, ob es sich um Einzelstücke, Ur- oder Abschriften handelt, ob sie unterschrieben sind oder nicht 43 , wenn es auch im Hinblick auf den jeweiligen Zusammenhang, auf „Schriften" ankommt, die zur Vervielfältigung oder anderweitigen Verbreitung bestimmt sind. Wer nur an und für einen einzelnen Empfänger schreibt, stellt keine Schrift im Sinne dieser Vorschrift her (BGHSt. 13 376). Wo das Gesetz (vornehmlich) Einzelstücke meint, spricht es von einem „Schriftstück" (§ 202). Die Auffassung der Begründung des StGB-E 1962 (S. 121), wonach der Begriff der „Schriften" im Sinne des § 11 Abs. 3 ebenso zu verstehen sei, wie der in der Urkundendefinition (§ 303 Abs. 3 41 42

43

Sch.-Schröder-Eser Rdn. 89; Jescheck AT § 54 III 1. Schäfer LK 9. Aufl. §41 Rdn. 11; Sch.-Schröder-Eser Anm. 12 a. So Schäfer LK 9. Aufl. § 41 Rdn. 11.

(215)

Rdn. 92; Dreher Rdn. 40; Lackner

§11

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

E 1962) vorgesehene Begriff der „Schrift", entspricht nicht der Rechtsprechung (BGHSt. 13 376), da im Bereich der Urkundendelikte bei den Schriften gerade auch Stücke gemeint sind, die nicht für die Vervielfältigung und Verbreitung bestimmt sind. 103

3. Tonträger sind Sachen, die technisch gespeichert bestimmte Tonfolgen enthalten, die durch Hilfsmittel dem Ohr wahrnehmbar gemacht werden können 4 4 , vor allem Walzen und Schallplatten (OLG Düsseldorf NJW 1967 1142) und insbesondere Tonbänder (RGSt. 47 223, 404).

104

4. Bildträger sind Sachen, die technisch gespeichert Bilder oder Bildfolgen enthalten, die durch Hilfsmittel dem Auge wahrnehmbar gemacht werden können, z. B. Magnetbänder oder -platten für Video-Recorder oder ähnliche Kassetten für privates Fernsehen 4 5 . Erfaßt ist also auch die Kombination von Bild- und Tonträgern. Umstritten ist, ob die Gleichstellungsklausel des § 11 Abs. 3 auch dazu führt, daß § 184 Abs. 1, der auf die Vorschrift des § 11 Abs. 3 verweist und der in Nr. 3 „Leihbüchereien" erwähnt, sich auch auf gewerbliche Unternehmen zur Vermietung von Ton- und Filmmaterial erstreckt. BGHSt. 27 52 hat diese Frage verneint 4 5 3 .

105

5. Abbildungen sind unmittelbar durch Auge oder Tastsinn wahrnehmbare nachbildende Wiedergaben der Außenwelt in Fläche und Raum, z. B. Zeichnungen, Gemälde, insbesondere aber auch Fotos, Dias, Filmstreifen (RGZ 27 64; RGSt. 39 183, 46 392)4f>.

106

6. Den Begriff der Darstellung verwendet das Gesetz als Oberbegriff im Schriften, Ton- und Bildträger und Abbildungen. Dieser Begriff umfaßt somit alle sinnlich wahrnehmbaren Formen der Vergegenständlichung eines Hergangs oder eines Gedankens zur Übermittlung einer Vorstellung (RGSt. 47 408, RG GA Bd. 57 400), wie z. B. Plastiken und Handstickereien 4 7 ; aber auch Kennzeichen im Sinne des § 86 a 4 8 .

107

7. Der Begriff der Darstellung wird im Zusammenhang mit dem Begriff der technischen Aufzeichnung in § 268 Abs. 2 in einem anderen tatbestandsbezogenen engeren Sinne gebraucht 4 9 . Überhaupt hat § 11 Abs. 3 nur Bedeutung, wo der Begriff der „Schriften" ausdrücklich mit dem Klammerhinweis (oben Rdn. 1) verwendet wird. Ohne jede Bedeutung ist die Gleichstellungsvorschrift des § 11 Abs. 3, wo das Gesetz in ähnlichen Begriffen spricht, die Schriften zum Gegenstand haben, z. B. von Schriftstücken (§§ 133, 202), oder im Bereich der Urkundendelikte von Urkunden, technischen Aufzeichnungen, Beurkundungen, Büchern, Registern und Ausweispapieren (§§ 267, 268, 271, 281). 44 45 45a

46 47 48 49

Schäfer LK 9. Aufl. § 41 Rdn. 12; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 92; Dreher Rdn. 41. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 92, Dreher Rdn. 41. Ebenso OLG Stuttgart NJW 1976 1109; Sch.-Schröder-Eser § 184 Rdn. 23; Lackner § 184 Anm. 3 b ; Laufliütte JZ 1974 48; a. A. mit beachtlichen Gründen OLG Karlsruhe MDR 1976 947, NJW 1974 2015, ebenso Dreher § 184 Rdn. 19; F. C. Schroeder Das neue Sexualstrafrecht (1975) 66, jedoch inzwischen aufgegeben JR 1977 231. Schäfer LK 9. Aufl. § 41 Rdn. 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 92; Dreher Rdn. 42. Schäfer LK 9. Aufl. § 41 Rdn. 14. BGH v. 18. 10. 1972 - 3 StR 5/71 - zitiert bei Dreher Rdn. 43. Vgl. Tröndle LK 9. Aufl. § 268 Rdn. 11 ff. (216)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

§12 Verbrechen und Vergehen (1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind. (3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

Schrifttum Callies Die Rechtsnatur der „besonders schweren Fälle" und Regelbeispiele im Strafrecht, JZ 1975 112; Dohna Die gesetzliche Strafzumessung, MoKrimBiol. 1943 138; Dreher Zur Systematik allgemeiner Strafzumessungsgründe, G A 1953 129; Engisch Die neuere Rechtsprechung zur Trichotomie der Straftaten, SJZ 1948 660; Engisch Entsch. Anmerkung zu BGH vom 29. 5. 1953 — 1 StR 1/53, JZ 1954 45; Engisch Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 1968; Furtner Oer „schwere", „besonders schwere" und „minder schwere Fall" im Strafrecht, JR 1969 11 ; Gutzke Die Behandlung der „besonders schweren Fälle", insbesondere bei Übertretungen, NJW 1956 580; Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens, 1973; Heinitz Empfiehlt sich die Dreiteilung der Straftaten auch für ein neues StGB? Mat. I S. 55; Hildebrand Straftaten und Verfehlungen im neuen Strafrecht der DDR, JOR 1968 I S. 7; Imhof Die Einteilung der strafbaren Handlungen (zur Reform, rechtsvergleichend) Mat. II S. 1 ; Jescheck Die Entwicklung des Verbrechensbegriffs in Deutschland seit Beling im Vergleich mit der österreichischen Lehre, ZStW 73 (1961) 179; Krümpelmann Die Bagatelldelikte, 1966; Lange Probleme des § 1 StGB, MDR 1948 310; Langer Das Sonderverbrechen 1972; Lyon Der Verbrechensbegriff in der Strafrechtswissenschaft der D D R , 1960; Maurach Zur Entwicklung des materiellen Verbrechensbegriffs im sowjetischen Strafrecht, ROW 1957 137; Maurach Entsch. Anmerkung zu OLG Koblenz vom 8. 1. 1953 — Ss 325/52 - , JZ 1953 278; Niethammer Entsch. Anmerkung zu KG vom 24.4. 1946 - 1 Ss 12/46 - , DReZ 1947 100; Nüse Zur Frage der Dreiteilung der Straftaten, JR 1949 5; Radbruch Die gesetzliche Strafänderung, VDA III S. 189; Rosenberg Die Dreiteilung der strafbaren Handlungen, ZStW Bd. 24 1; Schmidt- Weber Straftaten und Verfehlungen, NJ 1967 110; G. Schwarz Der Verbrechensbegriff in den jüngsten Bundesstrafgesetzen, NJW 1953 1617; Stöckl Ist durch die Neufassung des § 1 StGB durch das 1. StrRG (bzw. § 12 des 2. StrRG) der Theorienstreit über die Dreiteilung der Straftaten beendet? GA 1971 236; Wahle Zur strafrechtlichen Problematik „besonders schwerer Fälle", GA 1969 161; Zipf Kriminologischer und strafrechtlicher Verbrechensbegriff, M D R 1969 889. Vgl. zu Absatz 3 des § 12 die weiteren Schrifttumshinweise vor § 38.

Entstehungsgeschichte V o r l ä u f e r d e s § 12 w a r d e r § 1 d e r U r s p r u n g s f a s s u n g d e s R S t G B . D i e s e Vorschrift w u r d e geändert d u r c h die V O über Vermögensstrafen u n d Bußen ( G e l d s t r V O ) v o m 6. 2. 1924 ( R G B l . I S. 49) d u r c h d a s 3. S t R Ä n d G v o m 4. 8. 1953 ( B G B l . I S. 735), d a s 2. S t r a ß V e r k S i c h G v o m 2 6 . 1 1 . 1 9 6 4 ( B G B l . I S . 9 2 1 ) u n d d u r c h d a s 1. S t r R G v o m 25. 6. 1969 ( B G B l . I S. 645). D e r n e u e A l l g e m e i n e Teil i. d. Fass. d. 2. S t r R G v o m 4. 7. 1969 ( B G B l . I S. 77) h a t d e n b i s h e r in § 1 geregelten S a c h g e g e n s t a n d in d e r n e u e r e n F a s s u n g in d e n § 12 eingestellt. A b s a t z 3 dieser F a s s u n g w u r d e v o r i h r e m I n k r a f t t r e t e n d u r c h A r t . 18 II N r . 6 E G S t G B v o m 2. 3. 1974 ( B G B l . I S. 469) a b e r m a l s g e ä n d e r t . D i e V o r s c h r i f t ist seit 1. 1. 1975 in K r a f t . (217)

§12

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Gesetzesmaterialien. E 1962 § 12, Begr. S. 121 f, Niederschriften der GrStrafRKommission Bd. 1 S. 67 ff, 112, 129, 333 ff; Bd. 4 S. 289 ff, 308 ff, 398 ff, 540 ff; Bd. 5 S. 11, 29; Bd. 12 S. 552, 573. § 11 AE. § 12 i. d. Fass. d. 2. StrRG vom 4. 7. 1969 (BGBl. I S. 717), 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 7; EGStGB: Art. 18 II Nr. 6; BT-Drucks. 7/550 S. 208ff; BT-Drucks. 7/1232 S. 13; 1. Bericht BT-Drucks. 7/1261 S. 4. Übersicht Rdn. I. Überblick II. Geschichtliches III. Zweck d e r Zweiteilung 1. Im sachlichen Recht 2. Im Verfahrensrecht IV. Bedeutung d e r U n t e r s c h e i d u n g zwischen Verbrechen u n d Vergehen V. § 12 gilt n u r f ü r Verbrechen im engeren Sinne 1. Materieller Verbrechensbegriff 2. Kriminologische Verbrechensbegriffe . VI. Einteilung der Straftaten 1. Verbrechen 2. Vergehen 3. Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Strafarrest 4. F r ü h e r e Multiplarstrafen und landesrechtliche H a u p t s t r a f e n

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Rdn. 5. Abstrakte Betrachtungsweise 6. Absatz 3 a) S c h ä r f u n g e n b) M i l d e r u n g e n c) Besonders schwere Fälle d) M i n d e r schwere Fälle 7. Abgewandelte besondere Tatbestände . a) Qualifikations- und Privilegierungstatbestände b) Eigenständige Straftaten VII. Ü b e r t r e t u n g e n des f r ü h e r e n Rechts . . . . 1. Ersatzlos gestrichene 2. In O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n umgewandelte 3. In Vergehenstatbestände aufgenommene VIII. Ordnungswidrigkeiten

15 17 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 31

14

1

I. Die Vorschrift unterteilt die Straftaten in Verbrechen und Vergehen, grenzt sie nach der Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe ab und bestimmt ausdrücklich (Absatz 3), daß es für die Einteilung der Straftaten auf die Regelstrafdrohung ankommt und grundsätzlich nicht auf deren Abwandlung, es sei denn, es läge ein besonderer Straftatbestand vor.

2

II. Geschichtliches. Von alters her werden die Straftaten zu verschiedenen Zwekken, sei es nach der Art und Schwere der Tat, nach dem angegriffenen Rechtsgut, nach der Strafwürdigkeit oder der Strafdrohung eingeteilt. Im älteren deutschen Recht findet sich eine Einteilung der Straftaten in causae maiores (Malefiz mit peinlichen Strafen an Hals und Hand) und causae minores (Frevel mit bürgerlichen Strafen an Haut und Haar). Carpzow kannte im Anschluß an die ältere italienische Doktrin eine Dreiteilung der Delikte in delieta atrocissima (verschärfte Todesstrafe), atrocia und levia. Von dort ging sie in den Codex iuris bavarici von 1751 und in die Theresiana von 1768 über 1 . Diese Dreiteilung verlor mit dem Schwinden der Leibes- und Lebensstrafen ihren bisherigen Sinn (Blei AT § 23 I 1). Die Dreiteilung im heutigen Sinne (Trichotomie) geht auf das französische Recht der Revolutionszeit (Code pénal von 1791 und 1810) zurück, wo nach der angedrohten Höchststrafe zwischen crimes (Verbrechen), délits (Vergehen) und contraventions (Übertretungen) unterschieden und hernach vor allem die Gerichtszuständigkeit bestimmt wurde. So gehörten die crimes vor die cours d'assises (Schwurgerichte), die délits vor die tribunaux correctionnels (Strafkammern) und die contraventions vor die tribunaux de police (Einzelrichter). Die Dreiteilung ist sonach aus ihrer funktio1

Im einzelnen Heinitz MatStrRef. I S. 55 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 13 III 1 ; Blei AT § 23 I 1 ; Kohlrausch-Lange § 1 Anm. II, III. (2 IS)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

nalen Bedeutung zu verstehen. Ihr eine materiale Bedeutung in dem Sinne beizumessen, daß die Verletzung angeborener Rechte (z. B. Leben) Verbrechen, die erworbener Rechte (z. B. Eigentum) Vergehen und die bloßen Gehorsamspflichten Übertretungen sind, erscheint als nachträgliche materiale Unterbauung, die auf Tittmann2 zurückgeht und die von Kohlrausch3 aufgegriffen worden ist ( Welzel JZ1951 755). Diese Dreiteilung des französischen Strafrechts kam dann über das bayer. StGB 1813 und über das preuß. StGB in das RStGB 18714. Mit dem Inkrafttreten des 2. StrRG durch Art. 18 II Nr. 206 EGStGB am 1. 1. 1975 sind die Übertretungen weggefallen, nachdem sie schon ein Jahrzehnt zuvor zunehmend durch Ordnungswidrigkeiten (Rdn. 31) verdrängt und an Bedeutung eingebüßt hatten 5 . An die Stelle der Dreiteilung der Straftaten (Trichotomie) ist nunmehr eine Zweiteilung der Straftaten (Dichotomie) getreten. III. Zweck der Zweiteilung. Im geltenden Recht hat die Zweiteilung — wie bisher 3 die Dreiteilung — in erster Linie gesetzestechnische Bedeutung, indem sie die Systematik des Gesetzes erleichtert und die Fassung der Tatbestände sowie die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit vereinfacht. 1. So ist im sachlichen Recht diese Zweiteilung bei folgenden Vorschriften von 4 Bedeutung: Für die Strafbarkeit des Versuchs (§ 23 Abs. 1) und des Versuchs der Beteiligung (§§ 30, 31 Abs. 1), für den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 Abs. 1), für die Tatbestände der Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens (§ 126) und der Bedrohung (§ 241). Unter der Herrschaft der Trichotomie im früheren Recht hatte die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Straftaten und damit auch zwischen Verbrechen und Vergehen im gesetzestechnischen Bereich noch eine größere Bedeutung 6 (Voraufl. § 1 Rdn. 3). 2. Im Verfahrensrecht ergeben sich in folgenden Bestimmungen der Strafprozeß- 5 Ordnung Rechtsfolgen aus der Zweiteilung: Bei den Haftgründen (§112 Abs. 3 StPO), bei der notwendigen Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO), bei der Einstellung wegen Geringfügigkeit und unter Auflagen und Weisungen (§§ 153, 153 a StPO) und bei der Zulässigkeit des Strafbefehlsverfahrens (§ 407 StPO). Die Zweiteilung ist schließlich — wie bisher schon die Trichotomie — für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte (§§ 25, 74 Abs. 1 GVG) von Bedeutung. § 12 liefert im Verein mit § 1 OWiG zugleich auch die Abgrenzung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (unten Rdn. 31). Das Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit in einer Handlung regelt § 21 OWiG. IV. Diese primär formale und gesetzestechnische Bedeutung der Unterscheidung 6 zwischen Verbrechen und Vergehen ist für die Auslegung der Vorschrift richtungsweisend (vgl. Rdn. 17). In der gesetzestechnischen Funktion erschöpft sich indessen 2 3 4

5 6

Handbuch der Strafrechtswissenschaft, 1. Aufl. 1806 I. Bd. S. 54 ff. In seiner 38. Aufl. § 1 Anm. II 1 ; heute aber ähnlich: Blei A T § 23 I 1. Hinweise auf das ausländische Recht geben Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 13 III 1 und vor allem Heinitz MatStrRRef. I S. 55. Zum früheren Verhältnis von Übertretungen zu Ordnungswidrigkeiten Voraufl. § 1 Rdn. 1. Voraufl. § 1 Rdn. 3. Stöckl(GA 1971 242ff) zählt im einzelnen die Fälle auf, für die inzwischen die Unterscheidung von Verbrechen und Vergehen (sowie Übertretungen) keine Rolle mehr spielen.

(219)

§12

1. Abschnitt. D a s Strafgesetz

die Unterscheidung keineswegs. Zwar ist die Abgrenzung zwischen Straftaten (Verbrechen und Vergehen) und Ordnungswidrigkeiten bei aller Schwierigkeit und Fragwürdigkeit der Abgrenzung im einzelnen (Rdn. 31) grundsätzlicherer Natur als die zwischen Verbrechen und Vergehen. Aber auch hier bestehen auf der Unwertebene unverkennbare Unterschiede von sachlichem Gewicht, die der Vorschrift eine über das gesetzestechnische hinausgehende Bedeutung verleihen 63 . Freilich ist dieser so verstandene materielle Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen im Grenzbereich der gesetzestechnischen Abscheidung schwer aufzuweisen. Bei den typischen Erscheinungsformen, etwa bei der Bewertung von Mord und Diebstahl, liegt dieser Unterschied hingegen offen zutage. Die Forderung nach einer Einebnung der Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen, wie sie StöckP und Baumann noch in der jüngsten Auflage seines Lehrbuchs 8 erheben, brächte im Zentralbereich des kodifizierten Strafrechts eine Vernachlässigung von Wertungen, die im Volk schon wegen ihrer vorrechtlichen Bedeutung 9 lebendig sind, auch gäbe es dann der Gesetzgeber auf, plausibel zu machen, was es im Grunde mit den hohen Strafdrohungen bei Verbrechen auf sich hat. Es kommt nicht von ungefähr, daß sich auch die übrigen deutschsprachigen Strafgesetzbücher an dem Wort „Verbrechen" nicht stören, und zwar auch nicht die allerjüngst in Kraft getretenen, mögen sie in ihren strafrechtlichen Grundauffassungen im übrigen noch so weit auseinandergehen 10 . Freilich hat das neue Recht auch die auf der früheren Trichotomie folgenden Verschiedenheit der Freiheitsstrafen (Zuchthaus, Gefängnis und Haft) aufgegeben und die einheitliche Freiheitsstrafe eingeführt. Dies geschah indessen allein um der Resozialisierung willen und aus der Einsicht, daß ein moderner und sinnvoller Resozialisierungsstrafvollzug zwischen einzelnen Vollzugsarten nicht zu unterscheiden vermag. Dieser Umstand besagt indessen nichts darüber, daß der Gesetzgeber um qualitative Unterschiede nicht wüßte, die mit den Begriffen des Verbrechens und Vergehens verbunden sind. Auf diese Straftaten mit derselben Vollzugsart zu reagieren, bedeutet daher nicht, sie in der Sache im wesentlichen ineinszusetzen, und ihren unterschiedlichen Unwertgehalt zu negieren. Im übrigen führt eine realitätsgerechte Tatbezeichnung nicht notwendig dazu, im Vollzug den Täter zu diskriminieren. Und schon gar nicht gebietet ein Sozialisierungsstrafrecht, die Dinge in der Unrechtsbewertung nicht mehr beim Namen zu nennen. Im Gegenteil: Läßt man es hieran fehlen, so werden beim Täter die Einsicht in die Notwendigkeit des Ausmaßes der Tatfolge und die Bereitschaft, die Strafe auf sich zu nehmen, erschwert, damit aber gleichermaßen auch die Chancen für eine kriminalpädagogisch erfolgversprechende Einwirkung. Vollends sind Bemühungen um die Resozialisierung zum Scheitern verurteilt, wo — modischen Einflüssen folgend — Straftaten wertfrei beurteilt werden, wo die persönliche Tatverantwortung minimalisiert wird und wo man glaubt, pauschal Verbrechensursachen nur noch in äußeren und gesellschaftlichen Umständen sehen zu sollen 11 . 7

V. § 12 Abs. 1 handelt nur vom Verbrechen im engeren Sinne, in der Bedeutung der Abgrenzung zum Vergehen als einer Straftat mit geringerem Unwertgehalt. Der 6a 7 8 9 10

11

Ähnlich auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4. G A 1971 242 unter Verweisung auf ältere Literatur in Fußn. 36. AT, 8. Aufl. (1977) § 8 II 2 b Fußn. 12. Vgl. Schmidhäuser A T 2 / 9 , 3 / 1 . Vgl. § 17 Abs. 1 ö S t G B 1975, § 1 Abs. 3 S t G B - D D R 1968, vgl. ferner Art. 9 Abs. 1 schweizStGB. Hierzu näher Tröndle D i e Justiz 1976 88. (220)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

Begriff des Verbrechens wird indessen — neben seiner ganz allgemeinen Bedeutung als Synonym für strafbare Handlung 1 2 , für Straftat oder für Delikt, wie ζ. B. auch in der Wortzusammensetzung „Verbrechensbekämpfung" zum Ausdruck kommt — noch in verschiedenen anderen Sinnbedeutungen verwandt, die zur Auslegung des § 12 nichts aussagen. 1. Das ist ζ. B. beim sog. materiellen Verbrechensbegriff der Fall. Auch er gehört 8 — im Gegensatz zu den kriminologischen oder soziologischen Verbrechensbegriffen (unten Rdn. 9) — dem Strafrecht an. In diesem Sinne versteht man unter Verbrechen menschliche Verhaltensweisen, die die Rechtsordnung mit Kriminalstrafe bedroht, weil sie als strafwürdiges und straf bedürftiges Unrecht angesehen werden «3. 2. Von diesem materiellen (normativen und strafrechtlichen) Verbrechensbegriff 9 sind Verbrechensbegriffe zu unterscheiden, von denen die Kriminologie ausgeht, deren Gegenstand und Forschungsbereich über die im Sinne des Strafrechts deliktischen Verhaltensweisen hinausgeht und hinausgehen muß. Allerdings gibt es angesichts der verwirrenden Vielzahl kriminologischer Lehrmeinungen und Denkrichtungen einen einheitlichen kriminologischen Verbrechensbegriff m'cAi14. Die einen lehnen sich eng an den (strafrechtlichen) materiellen Verbrechensbegriff (Rdn. 8) an und bilden innerhalb der Kriminologie einen juristischen (strafrechtlichen Verbrechensbegriff (Mezger, Geerds)^, andere definieren ihn soziologisch (soziologischer Verbrechensbegriff), in dem sie die Antisozialität des Verbrechens (Mergen, Mannheimj16, die Sozialgefährlichkeit oder die Sozialschädlichkeit eines Verhaltens (Günther Kaiser)^ oder die Unverträglichkeit eines solchen sozialschädlichen Verhaltens {Zipf M D R 1969 890) hervorheben; wiederum andere verwenden einen juristisch-soziologischen Verbrechensbegriff (Würtenberger)^ oder begreifen das Verbrechen als „gesellschaftlichen Kriminalisierungs- und Entkriminalisierungsprozeß" (Hans Joachim Schneider)19. VI. Für die Einteilung der Straftaten nach § 12 in die beiden Deliktsgruppen ist 10 nunmehr die Mindeststrafe des jeweiligen Regelstrafrahmens maßgebend, da es nach dem Wegfall der Übertretungen nur noch um die Abscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen geht. Nebenstrafen und Nebenfolgen bleiben für die Deliktseinteilung ohne Einfluß. 1. Absatz 1 bestimmt, daß Verbrechen alle rechtswidrigen Taten (§ 11 Abs. 1 11 Nr. 5) sind, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber be12 13

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Bockelmann AT § 1 III 1; vgl. Blei AT § 14. Hierzu im einzelnen Jescheck AT § 61 1 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 13 I; Sch.-SchröderEser Rdn. 23; Leferenz Gallas-Festschrift (1973) 65. Göppinger Kriminologie 3. Aufl. (1976)1 1.32; insoweit optimistischer Hans Joachim Schneider Kriminologie (1974) 16. Hierzu auch Schmidhäuser Einführung in das Strafrecht (1972) 56. Mezger Kriminologie (1951) 4; Geerds Die Kriminalität als soziale und als wissenschaftliche Problematik (1965) 7. Mergen Kriminologie 1967; Hermann Mannheim Vergleichende Kriminologie (1974) Bd. 1 S. 80 f. Kaiser Verkehrsdelinquenz und Generalprävention (1970) 112 ff. Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft (1957) 39. Kriminologie (1974) 16.

(221)

§12

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

droht sind. Das Gesetz beließ es auch nach der Abschaffung der Zuchthausstrafe durch das 1. StrRG bei der Untergrenze der Strafdrohung von einem Jahr und hat das Mindestmaß für Verbrechen nicht auf zwei Jahre (so § 12 Abs. 1 E 1962) oder auf fünf Jahre erhöht (so § 11 Abs. 1 AE), damit nicht Bereiche der hohen Kriminalität aus dem Verbrechensbegriff herausfallen 2 0 . 12

2. Nach Absatz 2 sind Vergehen rechtswidrige Taten (§ 11 Abs. 1 Nr. 5), die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind. Es sind dies — ohne daß es einer positiven Umschreibung bedurft hätte — alle sonstigen rechtswidrigen Taten. Vergehen sind alle rechtswidrigen Taten, die keine Verbrechen sind.

13

3. Unter Freiheitsstrafe im Sinne der beiden Absätze 1 und 2 ist die einheitliche und einzige freiheitsentziehende Strafe des StGB gemeint (§ 38). Die Vorschrift über die Deliktseinteilung des § 12 ist auch für das Jugendstrafrecht maßgebend (§ 4 JGG), unbeschadet der Tatsache, daß sich die Folgen einer Jugendstraftat allein nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (§§ 5 ff JGG) und nicht nach denen des allgemeinen Strafrechts richten (§ 18 Abs. 1 S. 3 JGG) 2 1 . § 12 gilt ferner auch für das Wehrstrafrecht (§ 3 Abs. 1 WehrStG). Die besondere militärische Strafart des Strafarrests (§ 9 WehrStG), die zu den Kriminalstrafen gehört, nimmt auf die Deliktseinteilung keinen Einfluß 2 2 . Im übrigen kann Strafarrest im konkreten Fall auch bei Verbrechen in Betracht kommen, wenn wegen gesetzlicher Milderungsgründe (§ 49) eine Freiheitsstrafe unter sechs Monate möglich ist (vgl. § 12 WehrStG).

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4. Die Zuordnung zur einzelnen Deliktsgruppe bietet, nachdem sich der Gesetzgeber auf zwei Hauptstrafen beschränkt und sich ausdrücklich für die abstrakte Betrachtungsweise (unten Rdn. 17) entschieden hat, für die RechtsanWendung keine Schwierigkeiten mehr. Auch die Rechtsprobleme, die insoweit die früheren Multiplarstrafen oder andere Hauptstrafen des Landesrechts brachten 2 3 sind erledigt, nachdem Art. 12 Abs. 2 EGStGB 1975 an die Stelle von Multiplarstrafen die allgemeinen Vorschriften über die Geldstrafe (§ 40 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3) treten lassen hat und andere landesgesetzliche Hauptstrafen wie „Forst- oder Gemeindearbeit" im Sinne des § 6 Abs. 2 EGStGB 1870 durch die Streichung dieser Vorschrift in Art. 2 Nr. 2 des 1. StrRG 1969 weggefallen sind.

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5. Die gesetzliche Einteilung in Verbrechen und Vergehen kann ihre gesetzestechnische Aufgabe nur erfüllen, wenn sie von vornherein eine feststehende Antwort darauf gibt, welcher Deliktsart sie eine einzelne Handlung zuordnet (RGSt. 69 52). Denn nur dann ist bei Beginn der Untersuchung klar, welche sachliche Zuständigkeit in Betracht kommt (RGSt. 59 25) und ob z. B. der Versuch oder der Versuch der Beteiligung strafbar ist. Unter rechtswidriger, strafbedrohter Tat im Sinne des § 12 ist daher nicht eine bestimmte Einzeltat zu verstehen, sondern der durch sie verwirklichte gesetzliche Tatbestand in seiner regelmäßigen Strafdrohung. Ob ein Ver-

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1. Bericht BT-Drucks. V/4094 S. 4. BGHSt. 8 79 und aus dem alten Recht RGSt. 3 54. Scholz Wehrstrafgesetz, 2. Aufl. (1975) § 9 Rdn. 5, 6. Hierzu Vorauf! § 1 Rdn. 9, 10, (222)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

brechen oder ein Vergehen vorliegt, hängt von der Regelstrafdrohung des jeweils anwendbaren Straftatbestandes ab. Diese sog. abstrakte Betrachtungsweise ist zwar starr und kann im einzelnen zu Unebenheiten führen. Sie ist aber klar und anschaulich. Sie wird vor allem dem Verfassungsgebot der Bestimmtheit der Tatbestände (Art. 103 Abs. 2 GG) gerecht. In der Rechtsprechung 2 4 und im Schrifttum 2 5 hatte sie sich seit langem durchgesetzt. 1969 wurde sie auch vom Gesetzgeber in § 1 Abs. 4 i. d. Fass. d. 1. StrRG 1969, der § 12 Abs. 3 vorausging, bestätigt. Durch diese gesetzliche Neuregelung haben die anderen Einteilungsmethoden, 16 die früher in der Rechtsprechung und im Schrifttum eine gewisse Rolle gespielt hatten, ihre Bedeutung verloren. Ihnen ging es darum — abweichend von der jetzigen gesetzlichen Regelung des Absatzes 3 —, namentlich bei Strafrahmenänderungen für besonders schwere und minder schwere Fälle und bei allgemeinen, tatbestandlich nicht abgegrenzten Strafschärfungen und Strafmilderungen zu differenzierteren Einteilungen zu kommen. Die sog. konkrete Betrachtungsweise wollte es von der im einzelnen Fall verwirkten Strafe abhängen lassen, welcher Deliktsart die Tat zuzuweisen ist 26 . Die spezialisierenden (konkreteren, differenzierenden, individualisierenden) Betrachtungsweisen gingen von der abstrakten (generalisierenden) Methode aus 2 7 . Deren Schwächen wollten sie dadurch vermeiden, daß sie bei der Deliktseinteilung auch bestimmte Strafänderungsgründe mitberücksichtigt, die im konkreten Fall anwendbar waren 2 8 . Diese Betrachtungsweise, deren Vorteile gering, deren weitere Konsequenzen aber unannehmbar wären, haben inzwischen nur noch historisches Interesse 29 . 6. Aus der abstrakten Betrachtungsweise, wie sie Absatz 3 vorschreibt, ergibt sich, 17 daß Änderungen des Regelstrafrahmens nur dann für die Bestimmung der Deliktsart von Bedeutung sind, wenn sie an einen fest umschriebenen abgewandelten Straftatbestand (Qualifikations- und Privilegierungstatbestände, Rdn. 23) anknüpfen. Ohne Einfluß auf die Deliktseinteilung bleiben Änderungen des Regelstrafrahmens, die entweder (a) — wie ζ. B. die Fälle verminderter Schuldfähigkeit (§21) oder des Versuchs (§ 23 Abs. 2) — dem Richter die Wahl lassen, ob er die Strafe aus der Regelstrafdrohung oder aus einem zur Verfügung stehenden milderen Strafrahmen entnehmen will, oder aber die (b) — wie etwa bei der Beihilfe (§ 27 Abs. 2) — dem Richter nach Vorschriften des Allgemeinen Teils einen milderen Strafrahmen oder ihm bei Vorliegen eines besonders schweren Falles (unten Rdn. 21) einen schärferen Strafrahmen vorschreiben. Hiernach bleiben für die Einteilung der Straftaten außer Betracht Schärfungen 18 (Rdn. 19) und Milderungen (Rdn. 20), die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere Fälle (Rdn. 21) oder für minder schwere Fälle (Rdn. 22) vorgesehen sind. a) Schärfungen, die im Allgemeinen Teil vorgesehen sind, kennt das Gesetz nur 19 in § 48, der allgemeinen Rückfallvorschrift. Allerdings bleibt diese Bestimmung im 24 25 26 27 28

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BGH St. 2 181, 393, 3 47, 4 226, 8 79. Nachweise bei Jagusch LK 8. Aufl. § 1 Anm. 3. KG H R R 1935 550, K G DReZ 1947 99 m. Anm. Niethammer, OLG Frankfurt HESt. 1 1. Eine Aufzählung der einzelnen Spielarten m. weit. Nachw. liefert Stöckl GA 1971 237. Vor allem Engisch SJZ 1948 663, JZ 1954 44; Gutzke NJW 1956 581; ferner Maurach AT 3. Aufl. 1965 § 13 III 3 c ; Kohlrausch-Lange § 1 Anm. VI. Einzelnachweise über den früheren Meinungsstand bei Jagusch LK 8. Aufl. § 1 Anm. 4.

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§12

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Zusammenhang des § 12 ohne jede Bedeutung: Die allgemeine Strafanhebung für Rückfalltaten auf sechs Monate hält sich innerhalb des Vergehensbereichs (vgl. BGHSt. 23 256). Soweit der anzuwendende Tatbestand indessen eine höhere Mindeststrafe androht, ist ohnehin bereits ein Verbrechen gegeben, die die über sechs Monaten liegenden gesetzlichen Mindeststrafdrohungen beginnen bei einer gesetzlichen Mindeststrafdrohung von einem Jahr. Hiernach kann sich in Absatz 3 das Wort „Schärfungen" nicht auf den Allgemeinen Teil, sondern nur auf die besonders schweren Fälle (unten Rdn. 21) beziehen. Lediglich das alte Recht § 20 a vor dem 1. StrRG) kannte für die gefährlichen Gewohnheitsverbrecher eine allgemeine Strafschärfungsvorschrift. Sie nahm indessen auch keinen Einfluß auf den Deliktscharakter (BGHSt. 4 226)30. 20

b) Bei den Milderungen, die im Allgemeinen Teil vorgesehen sind und die für die Deliktseinteilung außer Betracht bleiben, sind die obligatorischen und die fakultativen zu unterscheiden. Strafmilderungen sind vorgeschrieben bei der Beihilfe (§ 27 Abs. 2 S. 2), wenn beim Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen (§ 28 Abs. 1), beim Versuch der Beteiligung (§ 30 Abs. 1 S. 2) und beim Handeln in vermeidbarem Irrtum über das Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes (§35 Abs. 2 S. 2). Strafmilderungen des Allgemeinen Teils liegen im Ermessen des Richters bei unechten Unterlassungstaten (§ 13), beim Handeln in vermeidbarem Verbotsirrtum (§ 17) und bei verminderter Schuldfähigkeit (§21), beim Versuch (§ 23 Abs. 2, 3) sowie beim Handeln in entschuldigendem Notstand bei sonst verschuldeter Gefahr oder wenn sie zu bestehen dem Täter zuzumuten war (§ 35 Abs. 1 S. 2). Zu diesen Milderungen gehören auch die Fälle des § 49 Abs. 2, bei denen der Richter dort, wo im Besonderen Teil auf diese Vorschrift verwiesen wird, nach seinem Ermessen die Strafe mildern kann. Diese fakultativen Strafmilderungen bleiben auf den Delikttypus nicht nur nach der abstrakten Betrachtungsweise, sondern schon deswegen ohne Einfluß, weil die mildere Strafdrohung nur wahlweise neben die für die Einordnung maßgebende Regelstrafdrohung tritt und „mildernde Umstände", wie sie das frühere Recht kannte (Rdn. 22), immer schon bei der Deliktseinteilung außer Betracht blieben 3 1.

21

c) Nichts anderes gilt aufgrund der ausdrücklichen Gesetzesvorschrift des Absatzes 3 — übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung 3 ^ _ für die Rechtsfiguren der besonders schweren und minder schweren Fälle. Für die besonders schweren Fälle (z. B. § 263 Abs. 3, § 266 Abs. 2; vgl. hierzu § 1 Rdn. 18, 36) war dies früher in Rechtsprechung und Schrifttum stark umstritten 3 3 . Das RG und ihm folgend der BGH hatten von jeher bei besonders schweren Fällen grundsätzlich den ordentlichen Strafrahmen für maßgebend gehalten und besonders schwere Fälle lediglich als bloße Strafbestimmungs- oder -zumessungsgründe bezeichnet 34 . Da das Gesetz seit dem 1. StrRG (§ 1 Abs. 4 a. F.) ausdrücklich und ganz allgemein die besonders schweren Fälle (ebenso wie die — inzwischen beseitigten 35 — „schweren Fälle") für 30 31 32 33 34

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Weitere Nachweise in der Vorauf!. § 1 Rdn. 16. RGSt. 30 284, 69 51. RGSt. 59 21 ; BGHSt. 2 181, 3 47. Zum Meinungsstreit Jagusch LK 8. Aufl. § 1 Anm. 3 a bb. RGSt. 68 391, 70 358, 74 147; BGHSt. 2 181, 3 47; weitere Nachweise bei Jagusch LK 8. Aufl. § 1 Anm. 3 a b b . Die besondere Kategorie der „schweren Fälle", die das StGB bis zum 1. 1. 1975 in den §§ 153, 243, 267 Abs. 3, § 268 Abs. 5 und § 348 Abs. 4 in der damaligen Fassung kannte, hat das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) beseitigt oder in „besonders schwere Fälle" umgewandelt. (224)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

die Deliktseinteilung außer Betracht läßt (vgl. BGHSt. 23 256), kommt es nicht darauf an, ob die besonders schweren Fälle „unbenannt" (§ 263 Abs. 3, § 266 Abs. 2) oder ob sie durch „Regelfälle" oder „zwingende Beispielsfälle" benannt und erläutert sind3f>. Ist ein benannter Regelfall gegeben („ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn . . . " ) , so hat der Richter einen Wertmaßstab für das Vorliegen eines besonders schweren Falles, ohne daß er hierdurch zur Annahme eines solchen gezwungen ist, wenn die umschriebenen Voraussetzungen eines Regelfalls vorliegen (§94 Abs. 2, §99 Abs. 2, §100 Abs. 2, § 310b Abs. 3, §311 Abs. 3, § 311a Abs. 3). Gibt das Gesetz bei einem besonders schweren Fall zwingende Beispielsfälle an („ein besonders schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn . . .": § 292 Abs. 2; „ . . . oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, . . . " : § 129 Abs. 4, §241 a Abs. 4), so bleibt der Regelstrafrahmen für den Deliktscharakter selbst dann maßgebend, falls ein solcher „zwingender Beispielsfall" verwirklicht und der Richter somit an den höheren Strafrahmen gebunden ist (BGHSt. 20 184) 37 . Die abweichende Meinung von Dreher38 ist nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 12 Abs. 3 (und des früheren § 1 Abs. 4 i. d. Fass. d. 1. StrRG) mit dem Gesetz schwerlich vereinbar. Zwar ist Dreher zuzugeben, daß der verwirklichte zwingende Beispielsfall als solcher sich von einem Qualifikationstatbestand nicht unterscheidet. Er dient aber zugleich als weiterreichendes Beispiel für unbenannte besonders schwere Fälle. Der ausgeformte Beispielsfall ist insoweit „offen". Es können die besonders schweren Fälle eines Tatbestandes, die an sich keinen Unrechtsunterschied aufweisen, nicht in einem Falle Verbrechen und im anderen Vergehen sein. Es entspricht dem Prinzip der abstrakten Betrachtungsweise, um der Rechtsstaatlichkeit willen klaren, wenn auch groben Unterteilungen den Vorzug zu geben 3 9 . Im übrigen ließ die Rechtsprechung auch beim Gegenstück im Bereiche der Milderungsgründe, nämlich bei dem „benannten" minder schweren Fall des § 213 von jeher keine Änderung des Deliktscharakters eintreten (vgl. nachfolgend Rdn. 22). d) In der Rechtsfigur der minder schweren Fälle hat das neue Recht die früheren 22 (weiteren) unbekannten Strafmilderungsgründe der „besonders leichten Fälle"40, der „leichten Fälle"41 und der „mildernden Umstände"zusammengefaßt (BGHSt. 26 97 m. Anm. Zipf JR 1976 24). Aus den gesetzgeberischen Materialien 4 2 ergibt sich, daß der Gesetzgeber dem Rechtsbegriff der „minder schweren Fälle" die Funktion der bisherigen „mildernden Umstände" und der „besonders leichten Fälle" zuwei-

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Hierzu Wessels Maurach-Festschrift (1972) 296. Auch RGSt. 69 53; Schröder JR 1965 308. Die zum § 129 Abs. 2 a. F. ergangene abweichende Entscheidung BGHSt. 8 168 (ablehnend Kleinknecht MDR 1956 50) ist ebenso aufgegeben (BGHSt. 11 241), wie die zu § 241 a Abs. 4 ergangene entgegengesetzte Entscheidung BGHSt. 20 140 durch BGHSt. 20 184 überholt ist (BGH M D R 1967 682). Kritisch hierzu, aber im Ergebnis unrichtig: Stöckl GA 1971 241. JZ 1965 455, in den späteren Auflagen seines Kommentars inzwischen zweifelnd, vgl. Dreher ξ 12 Rdn. 11, §241 a Rdn. 11. Im Ergebnis wie hier: Lackner Anm. 2b; Sch.-Schröder-Eser § 241 a Rdn. 12; Schröder JR 1965 308; Kohlrausch-Lange § 241 a Anm. VI. Im StGB bereits durch Art. 1 Nr. 52 des 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I S. 645, vgl. § 175 Abs. 2 i. d. Fass, vor dem 1. StrRG) beseitigt. Diese Kategorie der „leichten Fälle" wie sie § 404 AbgO a. F. kannte, wurde bereits durch das Gesetz vom 12. 8. 1968 (BGBl. I S. 953) beseitigt. Begründung EG StGB BT-Drucks. 7/550 S. 211, 212, ferner BT-Drucks. 7/1232 S. 13; hierzu Horstkotte Dreher-Festschrift (1977) 267.

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§12

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

sen wollte. Auch im Falle des benannten minder schweren Falles des Totschlages bleibt der nach § 213 herabgesetzte Strafrahmen auf den Deliktstypus ohne Einfluß, ändert also am Verbrechenscharakter nichts, und zwar auch dann nicht, wenn umschriebene Voraussetzungen des § 213 gegeben sind und der Richter nicht mehr die Wahl zwischen der Regelstrafdrohung und dem herabgesetzten Strafrahmen hat 4 3. 23

7. Der Grundtatbestand mit seinem Regelstrafrahmen ist für die Deliktseinteilung dann nicht maßgebend, wenn die verwirklichte Tat eine aus dem Grundtatbestand abgewandelten in sich fest umgrenzten besonderen Tatbestand erfüllt (schon oben Rdn. 17). Die frühere Rechtsprechung 4 4 sprach in diesen Fällen von „Sondertatbeständen". Die neuere Terminologie 4 5 unterscheidet bei solchen besonderen, aus einem Grundtatbestand entwickelten Tatbeständen Qualifikations(Erschwerungs-)tatbestände und Privilegierungstatbestände (unten Rdn. 24), sowie eigenständige Straftaten und darunter auch die verselbständigten Tatformen und Begehungsweisen (unten Rdn. 25). Als „Sonderstraftaten" (Sonderdelikte) begreift man nur solche, die nur von einem bestimmten Täterkreis verwirklicht werden können 4 6 . Für die Deliktseinteilung kommt es bei diesen verselbständigten Straftatbeständen jeweils auf deren eigene Regelstrafdrohung an.

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a) Das gilt bei den Qualifikations- und Privilegierungstatbeständen. Es sind selbständige Unterarten eines bestimmten Grundtatbestandes. Das Gesetz knüpft an deren Vorliegen Strafschärfungen und Strafmilderungen. Der Richter hat nicht wie regelmäßig in den Fällen zu 6 (Rdn. 17) die Wahl zwischen verschiedenen Strafrahmen, sondern er hat nur die selbständige Strafdrohung 4 7 , wenn der ihr zugeordnete Tatbestand verwirklicht ist, anzuwenden. Daher werden ζ. B. Freiheitsberaubung (§ 239) unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 des § 239 und der gefährliche Eingriff in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (§315) unter denen des Absatzes 3 des § 315 zum Verbrechen, die Tat des Herbeiführens einer sachengefährdenden Überschwemmung (§ 313), wenn es dem Täter nur um den Schutz seines Eigentums geht (Abs. 2), zum Vergehen. Für die Deliktseinteilung erheblich sind ferner qualifizierende täterbezogene Merkmale, wie die der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit oder der Gewinnsucht, sofern für diese Erscheinungsformen ein besonderer Strafrahmen, der eine andere Deliktsart begründet, vorgesehen ist 48 .

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b) Selbständig werden ferner die eigenständigen Straftaten (delicti sui generis) eingestuft. Hierunter fallen Tatbestände, die neben Elementen des Grundstatbestandes andere Merkmale aufweisen, denen das Delikt seinen besonderen Charakter verdankt. Gegenüber dem Grundtatbestand liegt ein „wesensverwandtes 43 44 45 46

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RGSt. 14 298; BGHSt. 8 79. RGSt. 69 53, so auch BGHSt. 4 228. Maurach Mat. I S. 249 ff, AT § 20 IV; Mezger LK 8. Aufl. S. 43. Sch.-Schröder-Lenckner vor § 13 Rdn. 132; Dreher vor § 1 Rdn. 35; Lackner vor § 13 A n m . 4 ; Maurach-Zipf AT Teilb. 1 §21 I I B ; Jescheck AT § 2 6 1 1 6 ; Schmidhäuser AT 8/86; Stratenwerth AT Rdn. 206; Blei AT § 22 II 1 ; Bockelmann AT § 22 II 5; Langer Das Sonderverbrechen (1972) 456. RGSt. 60 115, 75 240, vgl. BGHSt. 4 228. Das war der Fall beim früheren § 260 (gewerbs- und gewohnheitsmäßige Hehlerei) i. d. Fass, vor dem EGStGB vom 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469) und beim früheren § 169 (gewinnsüchtige Personenstandsfälschung) i. d. Fass, vordem 4. StrRG vom 27. 11. 1973 (BGBl. I S. 1725). (226)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

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aliud" vor, ein Delikt mit eigenem Gehalt, rechtlichem Eigenleben und besonderem Wirkungsbereich, ein „rechtliches Einheitsgefüge neuen Wertranges" 5 0 . Wann eigenständige Delikte vorliegen und welcher praktische Erkenntniswert dieser Deliktsfigur zukommt 5 1 oder wann bloße Tatbestandsabwandlungen gegeben sind, kann zweifelhaft sein 5 2 . Für die Deliktseinteilung ist dies jedoch unerheblich. So besteht kein Zweifel — wie § 216 Abs. 2 verdeutlicht —, daß die Tötung auf Verlangen (§216) Vergehen ist 53 . Auch bei den verselbständigten Tat- (Vorbereitungs-, Versuchs- oder Teilnahme-)/ow¡en und Begehungsweisen ist der jeweilige für die verselbständigte Tatform vorgesehene Strafrahmen für die Deliktseinteilung maßgebend. Bei der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§111 Abs. 1) und der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat (§ 357) hängt die Deliktsnatur von der Bezugstat ab. Ferner kann sich im Falle des § 28 Abs. 2 eine unterschiedliche Deliktsqualität für die einzelnen Beteiligten ergeben, je nachdem, ob der Teilnehmer an einem als Verbrechen eingeordneten unechten Amtsdelikt seinerseits nur ein Vergehen begeht 5 4 . Die erfolgslose öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§111 Abs. 2 i. d. Fass. d. 14. StRÄndG vom 22. 4. 1976 - BGBl. I S. 1056) bleibt jedoch Vergehen. Auch der Vollrausch (§ 330 a) ist ohne Rücksicht auf die Rechtsnatur der Rauschtat stets Vergehen 55 . VII. Übertretungen kennt das Gesetz seit dem Inkrafttreten des 2. StrRG am 26 1.1. 1975 nicht mehr. Sie haben schon zuvor, insbesondere seit dem 2. Straßenverkehrssicherungsgesetz 56 , durch das die Verkehrsübertretungen in Verkehrsordnungswidrigkeiten umgestellt worden waren, ihre praktische Bedeutung weitgehend eingebüßt. Art. 19 Nr. 206 EGStGB 5 7 hat den bisherigen 29. Abschnitt des StGB mit den Übertretungstatbeständen, dasselbe Gesetz aber auch sämtliche übrigen Übertretungstatbestände des Nebenrechts beseitigt. Sie wurden zu einem Teil ersatzlos gestrichen, zu einem andern, erheblicheren Teil in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt und ein geringerer Teil ließ man in neuen oder erweiterten Vergehenstatbeständen aufgehen. 1. Ersatzlos gestrichen (seit dem 10. 4. 1974: Art. 326 Abs. 3 EGStGB) sind die 27 Übertretungstatbestände der Landstreicherei, Bettelei, Verwahrlosung, Arbeitsver49 50 51 52 53

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Maurach Mat. I S. 251. Nagler ZAkDR 1940 365; Mezger LK 8. Aufl. S. 44. Hierzu Hafjke JuS 1973 402. Maurach Mat. I S. 251, Maurach-Zipf AT Teilb. 1 § 20 IV. Umstritten ist freilich, ob es sich hier um einen Privilegierungstatbestand oder um eine eigenständige Straftat handelt (/wr eigenständige Straftat: RGSt. 53 293, BGHSt. 2 258, 13 165; Sch.-Schröder-Eser § 216 Rdn. 1 ; Dreher § 216 Rdn. 1 ; Horn SK § 216 Rdn. 1 ; für Privilegierungstatbestand: Lackner § 216 Anm. 1 ; Maurach BT § 2 IV 1 ; Arzt BT LH 1 S. 57, 62; Welze! § 38 III; Mezger-Blei § 7 1 ) was für die Frage von Bedeutung ist, ob bei Vorliegen der Mordmerkmale § 211 vorgeht (hierzu unten § 216). So BGHSt. 6 309 zu dem durch das EGStGB 1974 aufgehobenen § 347 im Verhältnis zu § 121 a. F.; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 13. Das galt auch im früheren Recht, selbst wenn sich die Rauschtat auf eine Übertretung bezog (RGSt. 70 42, OLG Hamm M D R 1966 347; weitere Nachweise in der Vorauf!. § 1 Rdn. 26 und bei Lay LK Vorauf!. § 330 a Rdn. 67. v. 26. 11. 1964 (BGBl. I S. 921); Gesetzesmaterialien BT-Drucks. V/1319 S. 90, V/2600/ 2601. v. 9. 3. 1974 (BGBl. I S. 469); Zur Beseitigung der Übertretungstatbestände im einzelnen 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 47.

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1. Abschnitt. Das Strafgesetz

Weigerung und der Obdachlosigkeit (§ 361 Nr. 3 bis 5, 7, 8). Diese Verhaltensweisen werden nicht als kriminelles Unrecht angesehen. Mit Ordnungswidrigkeiten ist ihnen nicht beizukommen (Göhler NJW 1974 827). 28

2. Die meisten Übertretungen wurden unter mancherlei tatbestandlichen Abwandlungen zu Ordnungswidrigkeiten (unten Rdn. 31), so die falsche Namensangabe (§ 360 Abs. 1 Nr. 8, jetzt § 111 OWiG), das Betreten militärischer Anlagen (§ 363, jetzt § 114 OWiG), der unzulässige Lärm und der grobe Unfug (§ 360 Abs. 1 Nr. 8, jetzt §§ 117, 118 OWiG), das Halten gefährlicher Tiere (§ 367 Abs. 1 Nr. 11, jetzt § 121 OWiG), das unbefugte Benutzen von Wappen oder Dienstflaggen (§ 360 Abs. 1 Nr. 7, jetzt § 124 OWiG), das Herstellen oder Verwenden von Sachen, die zur Geld- und Urkundenfälschung benützt werden können, sowie das Herstellen und Verbreiten von papiergeldähnlichen Drucksachen oder Abbildungen (§ 360 Abs. 1 Nr. 4, 5, jetzt §§ 127, 128 OWiG); vgl. ferner die Generalklausel in Art. 13 EGStGB.

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3. Durch die Einführung der Strafbarkeit des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung (§ 223 a Abs. 2) wurden die Übertretungstatbestände des Hetzens von Hunden und des Werfens von Steinen auf Menschen sowie der Waffengebrauch bei einer Schlägerei (§ 366 Nr. 6, 7, § 367 Abs. 1 Nr. 10) entbehrlich. Die Übertretungstatbestände über die Störung der Sonn- und Feiertagsruhe (§ 366 Nr. 1), über das Leichenwesen (§ 367 Abs. 1 Nr. 1, 2) und über die Bau- und Feuerpolizei (§367 Abs. 1 Nr. 13 bis 15, § 368 Abs. 1 Nr. 3 bis 8) werden nunmehr von den einschlägigen Vorschriften des Landesrechts erfaßt. 30 Der bisherige Übertretungstatbestand des „Mundraubs" (Gebrauchsmittelentwendung) des § 370 Abs. 1 Nr. 5 ist — gemeinsam mit dem bisherigen Vergehenstatbestand der Notentwendung des § 248 a a. F. — im neuen Tatbestand des „Diebstahls und Unterschlagung geringwertiger Sachen" (§ 248a i. d. Fass. d. Art. 19 EGStGB) aufgegangen. Hiermit hat der Gesetzgeber die bisher kasuistische und in Grenzfällen fast willkürlich erscheinende Einstufung einzelner geringfügiger Vermögensdelikte beseitigt 58 . Nach § 248 a η. F. hängt die Verfolgung von Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen, falls nicht schon die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, vom Antrag des Verletzten ab 59 . Damit wurde für den Bereich der Vermögenskleinkriminalität im Zusammenwirken mit den durch Art. 21 Nr. 44 EGStGB in §§ 153, 153 a StPO eingeführten verfahrensmäßigen Erleichterungen im gesamten eine sachgerechte und praktikable Regelung gefunden. Die Kritik, die bereits gegen den Entwurf dieser Neuerung erhoben worden war und die offenbar auch Sch.-Schröder-Eser (Rdn. 15) teilen, verkennt elementare Erfordernisse der praktischen Strafrechtspflege: Wo durch die „prozessuale Lösung" 6 0 in diesem Bereich eine Relativierung des Rechts58

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Hierzu 2. Bericht BT-Drucks. V/4095 S. 49, 1. Bericht BT-Drucks. 7/1261 S. 17; Göhler NJW 1974 828. Entsprechendes gilt für die Begünstigung (§ 257 Abs. 4 Satz 2), die Hehlerei (§ 259 Abs. 2), den Betrug (§ 263 Abs. 4), das Erschleichen von Leistungen (§ 265 a Abs. 3) und die Untreue (§ 266 Abs. 3). Gegen eine prozessuale Lösung: Naucke Maurach-Festschrift (1972) 197; Dencker JZ 1973 144 m. weit. Nachw.; Baumann Z R P 1972 273. Für eine prozessuale Lösung und ausdrücklich gegen Baumann: 1. Bericht BT-Drucks. 7/1261 S. 18; ferner Dreher Welzel-Festschrift (1974) 917, 933; Eckl ZRP 1973 139, JR 1975 99 m. weit. Nachw.; Tröndle JR 1973 219, 1974 226. (228)

Verbrechen und Vergehen (Tröndle)

§12

schutzes befürchtet wird, werden die Aufgaben der Strafrechtspflege nicht richtig gewichtet und die Wohltaten, die diese Regelung gerade für den Beschuldigten haben kann, verkannt. Aber auch die materiellrechtliche „Aufwertung" des früheren Übertretungstatbestandes des Mundraubs zum Vergehen und dessen Einbeziehung in den allgemeineren § 248 a n. F. hat die besseren Gründe für sich. Mit Recht hat der Sonderausschuß den Vorschlägen Baumanns61, der die Vermögenskleinkriminalität in die Ordnungswidrigkeiten oder in eine neue Kategorie der „Verfehlungen" (§ 3 Abs. 2, § 4 StGB-DDR) verweisen wollte, eine Absage erteilt. Eine solche Regelung schüfe im Bereich der Massenkriminalität nicht nur unlösbare Abgrenzungsprobleme 6 2 , sondern verdürbe die im Volk noch vorhandene Vorstellung, daß auch der Diebstahl geringwertiger Sachen kriminelles Unrecht istWenn Baumann (JZ 1972 3) hier auf eine „Strafrechtsschwelle von einem Pfennig bei Vermögensdelikten" hinweist, so argumentiert er von einem Phantom her: Nichtigkeiten verfolgt die Praxis nicht und bei Bagatellen helfen die von ihm bekämpften §§ 153, 153 a StPO weiter. Im übrigen ist der Wert64 eines Gegenstandes kein sicherer Anknüpfungspunkt dafür, wie die Strafbarkeitsschwelle zu lokalisieren ist. Der wohlfeile, aber halbrichtige Gemeinplatz, daß vornehmlich Angehörige der Unterschicht vor den Strafrichter kommen, darf nicht den Blick dafür verstellen, daß dieser schwächere Populationsteil nicht minder häufig Opfer von Vermögensdelikten wird und von der Rechtsordnung auch dann Schutz vor Dieben erwartet, wenn es um Verluste geht, die der vermögende Großbürger als geringwertig bezeichnet und leichter verschmerzt. VIII. Von den Straftaten (Verbrechen und Vergehen) im Sinne des § 12 sind die 31 Ordnungswidrigkeiten zu unterscheiden. Man versteht darunter formell tatbestandsmäßige, rechtswidrige und vorwerfbare Handlungen, die mit Geldbuße bedroht sind (§ 1 Abs. 1 OWiG). Mischtatbestände, die bestimmte Handlungen mit Strafe oder mit Geldbuße bedrohen und bei denen die Verfolgungsbehörde im jeweiligen Fall konkret entscheidet, mit welchen der beiden wesensverschiedenen Sanktionen diese Handlung zu ahnden ist, kennt das geltende Recht kaum noch 6 5 . In den seit dem OWiG vom 24. 5. 1968 (BGBl. I S. 481) erlassenen Vorschriften sind Straftaten und Ordnungswidrigkeiten scharf getrennt. Der Sache nach erschöpfen sich die Ordnungswidrigkeiten nicht in den Fällen reinen Verwaltungsungehorsams, denn es gibt unter ihnen auch abstrakte Gefährdungstatbestände (z. B. § 24 a StVG). Es ist auch nicht zutreffend, wenn man den Ordnungswidrigkeiten von vornherein ein besonderes ethisches Unwerturteil abspricht (so aber BGHSt. 11 264). So sind die Erschleichungstatbestände, die als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet sind und im Vorfeld des Betrugs liegen (z. B. § 33 Abs. 4 Nr. 1 des Außenwirtschaftsgesetzes 66 ), keineswegs ethisch farblos 6 7 . Zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten lassen sich daher entgegen früheren Annahmen scharfe Unterscheidungskriterien nicht 61

62 63 64 65

66 67

JZ 1972 1, ZRP 1972 273. Gegen Baumann trefflich: Dreher Welzel-Festschrift (1974) 925 ff m. weit. Nachw. vgl. 1. Bericht BT-Drucks. 7/1261 S. 17. Hierzu Dreher Welzel-Festschrift (1974) 922 f. Dreher (s. Fußn. 62) S. 930. 1. Bericht BT-Drucks. 7/1261 S. 17. Im Gegensatz zum früheren Recht, vgl. § 1 Abs. 3, § 31 OWiG vom 25. 3. 1952 (BGBl. I S. 177 — III 454—1); zu den echten und unechten Mischtatbeständen des geltenden Rechts vgl. Göhler OWiG 5. Aufl. 1977 vor § 1 Anm. 5 A. v. 28. 4. 1961 (BGBl. I S. 481) letztes ÄndG vom 18. 3. 1975 (BGBl. I S. 705, 710). Jescheck AT § 6 V 2 a ; Mattes ZStW 82 (1970) 28.

(229)

§ 12

1. Abschnitt. Das Strafgesetz

finden. Sie lassen sich — angesichts der Unsicherheit in Grenzbereichen — allenfalls nach quantitativen Merkmalen abgrenzen 68 . Den Ordnungswidrigkeiten wohnt immerhin ein so erheblicher Grad von Gefährlichkeit des Angriffs auf das geschützte Rechtsgut oder auf das Verwaltungsinteresse inne, daß nur eine repressive Sanktion des Staates zum Schutz der öffentlichen Ordnung ausreicht. Im Vergleich zur Straftat weist die Ordnungwidrigkeit einen geringeren Unrechtsgehalt auf. Sie ist durch das Fehlen jenen hohen Grades von Verwerflichkeit der Begehungsweise gekennzeichnet, der allein das schwere sozialethische Unwerturteil der Kriminalstrafe rechtfertigt 69 . 32

Ordnungswidrigkeiten sind mit Geldbuße von mindestens fünf Deutsche Mark und mit höchstens 1000 Deutsche Mark bedroht (§ 17 Abs. 1 OWiG), soweit besondere Gesetze nichts anderes bestimmen (so ζ. B. nach § 38 Abs. 4 Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 70 eine Geldbuße von 100 000 DM). Bei geringfügigeren Ordnungswidrigkeiten kann eine Verwarnung erteilt und ein Verwarnungsgeld von zwei bis 20 DM erhoben werden (§ 56 OWiG). Geldbußen können im Gegensatz zu Kriminalstrafen auch gegen juristische Personen, nicht-rechtsfähige Vereine und Personenhandelsgesellschaften festgesetzt werden (§ 30 OWiG). Für die Ordnungswidrigkeiten gibt es ein besonderes Verfahren, das von den Verwaltungsbehörden geführt wird (§§35 ff OWiG). Gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde hat der Betroffene den Einspruch, über den das Amtsgericht entscheidet (§§67 ff OWiG). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist die Rechtsbeschwerde an das Oberlandesgericht zulässig (§§ 79 f OWiG) 71 .

68 69 70 71

Hierzu Göhler OWiG 5. Aufl. vor § 1 Anm. 2 A m. zahlr. weit. Nachw. So Jescheck AT § 6 V 2b; hierzu ferner 7'rändle LK vor § 38 Rdn. 64. i. d. Fass. v. 4. 4. 1974 (BGBl. I S. 869 - III 7 0 3 - 1 ) . Im einzelnen wird auf die Erläuterungsbücher zum OWiG von Göhler (5. Aufl. 1977); Rebmann-Roth-Herrmann (1968) und Rotberg (4. Aufl. 1969) verwiesen. (230)

ZWEITER ABSCHNITT Die Tat ERSTER TITEL Grundlagen der Strafbarkeit Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff Übersicht

A.

B.

C.

(1)

Rdn. Überblick über den Zweiten Abschnitt 1. Stellung des Zweiten Abschnitts im Allgemeinen Teil 1 2. Inhalt des Zweiten Abschnitts . . . . 2 3. Die Struktur des Verbrechensbegriffs 3 4. Inhalt des ersten Titels des Zweiten Abschnitts 4 Das Wesen des Verbrechens I. Das Verbrechen als Rechtsgutsverletzung 5 1. Der Begriff Rechtsgut 6 2. Neuere Lehrmeinungen 7 3. Funktionen des Rechtsgutsbegriffs 8 II. Das Verbrechen als Pflichtverletzung 9 1. Das Verbrechen als Abfall von den Grundwerten der rechtlichen Gesinnung 10 2. Erfolgsunwert, Handlungsunwert, Gesinnungsunwert . . . . 11 Die Entwicklung der neueren Verbrechenslehre I. Die Vorstufen der neueren Verbrechenslehre 12 II. Der klassische Verbrechensbegriff 1. Der Handlungsbegriff 13 2. Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit 14 3. Der psychologische Schuldbegriff 15 III. Der neoklassische Verbrechensbegriff 1. Die teleologische Verbrechenslehre, der Handlungsbegriff . . . 16 2. Der Unrechtstatbestand und der normative Schuldbegriff 17 IV. Der Verbrechensbegriff des Finalismus 1. Die Grundlage im Handlungsbegriff 18 2. Die Stellung des Vorsatzes . . . . 19 3. Der Aufbau der Fahrlässigkeit . . 20 4. Die Wirkungen des Finalismus auf die Rechtsprechung 21

Rdn. Die Handlung I. Der Handlungsbegriff als Grundbegriff der Verbrechenslehre 22 II. Der kausale Handlungsbegriff 1. Die Handlung als willensgetragenes menschliches Verhalten . . . 23 2. Kritik des kausalen Handlungsbegriffs 24 III. Der finale Handlungsbegriff 1. Aufbau des finalen Handlungsbegriffs 25 2. Besondere Arten der Handlung . 26 3. Kritik des finalen Handlungsbegriffs 27 IV. Der soziale Handlungsbegriff 1. Die Handlung als „sozialerhebliches menschliches Verhalten" . . 28 2. Andere Definitionen des sozialen Handlungsbegriffs 29 V. Andere Handlungsbegriffe 30 VI. Die negative Funktion des Handlungsbegriffs 31 1. Rein physiologische Vorgänge . . 32 2. Unwiderstehliche Gewalt, Bewußtlosigkeit, Körperreflexe . 33 3. Keine Unterlassung bei fehlender Handlungsfähigkeit 34 4. Personenverbände 35 5. Vorgänge des seelischen Lebens . 36 6. Automatisiertes Verhalten . . . . 37 Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand I. Begriff und Wesen der Rechtswidrigkeit 1. Formelle und materielle Rechtswidrigkeit 38 2. Die Rechtsnorm als Bestimmungs- bzw. als Bewertungsnorm 39 3. Handlungs- und Erfolgsunrecht . 40 II. Der Tatbestand 1. Verschiedene Tatbestandsbegriffe 41 2. Der Unrechtstatbestand 42

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Rdn. Keine „offenen" Tatbestände. Gesamttatbewertende Merkmale 43 4. Die Lehre von den „negativen Tatbestandsmerkmalen" 44 5. Tatbestand u n d soziale A d ä q u a n z 45 6. Die Typen der Tatbestände . . . . 46 7. Unselbständige A b w a n d l u n g e n u n d eigenständige Delikte . . . . 47 III. Kausalität und objektive Z u r e c h n u n g 1. Die U n t e r s c h e i d u n g von Kausalität u n d objektiver Z u r e c h n u n g . . 48 2. Die Bedingungs- oder Äquivalenztheorie 49 3. E i n w ä n d e gegen das hypothetische E l i m i n a t i o n s v e r f a h r e n . . . 50 4. Die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung 51 a) Die Gleichwertigkeit aller gesetzmäßigen Bedingungen . 52 b) Keine „ U n t e r b r e c h u n g des K a u s a l z u s a m m e n h a n g s " . . . 53 c) A b g e b r o c h e n e u n d überholende Kausalität 54 5. H a f t u n g s b e s c h r ä n k e n d e Korrektive nach h e r k ö m m l i c h e r Lehre . 55 a) Vorsatz u n d Fahrlässigkeit . . 56 b) Die A d ä q u a n z t h e o r i e 57 c) Die Relevanztheorie 58 6. Die neuere Lehre von der objektiven Z u r e c h n u n g 59 a) Risikoverringerung 60 b) Fehlen der rechtlichen Relevanz 61 c) D e r Schutzbereich der N o r m 62 d) Das p f l i c h t g e m ä ß e Alternativverhalten 63 e) Die erfolgsqualifizierten Delikte 64 Die Schuld I. D e r Schuldgrundsatz 1. Inhalt u n d verfassungsrechtliche V e r a n k e r u n g des Schuldprinzips . 65 2. S c h u l d p r i n z i p u n d Willensfreiheit 66 3. Verschiedene Wege d e r G r u n d l e gung des Strafrechts, die sozialvergleichende Betrachtung . . . . 67 4. Einzeltatschuld u n d L e b e n s f ü h rungsschuld 68 5. Die U n t e r s c h e i d u n g von Rechtswidrigkeit u n d Schuld 69 6. Der Gegenstand des Schuldvorwurfs 70 7. Der M a ß s t a b des Schuldurteils . . 71 3.

F.

1

Die 1. 2. 3. 4. 5.

G.

H.

Rdn. M e r k m a l e des Schuldbegriffs 72 Überblick 73 Die Schuldfähigkeit Die deliktstypischen S c h u l d m e r k male (der Schuldtatbestand) . . . 74 Vorsatz u n d Fahrlässigkeit als 75 Schuldformen Das Bewußtsein der Rechtswid76 Die Entschuldigungsgründe . . . 77

6. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit u n d Strafausschließungsgründe I. Die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit 1. Wesen u n d Einteilung d e r Strafbarkeitsbedingungen 2. Die B e h a n d l u n g d e r Strafbarkeitsbedingungen II. Die persönlichen Strafausschließungs- u n d S t r a f a u f h e b u n g s g r ü n d e 1. Wesen u n d Einteilung d e r persönlichen A u s n a h m e n von der Strafbarkeit 2. Die B e h a n d l u n g der persönlichen A u s n a h m e n von d e r Strafbarkeit Die Unterlassungsdelikte I. Allgemeine G r u n d l a g e n 1. Die U n t e r s c h e i d u n g von T u n u n d Unterlassen 2. Die U n t e r s c h e i d u n g von echten u n d u n e c h t e n Unterlassungsdelikten 3. Die rechtliche S t r u k t u r der Unterlassung II. Die Tatbestandsmäßigkeit d e r Unterlassung 1. Die individuelle Handlungsfähigkeit 2. Das Vorliegen d e r tatbestandsmäßigen Situation 3. Die N i c h t v o r n a h m e der vom Gesetz geforderten H a n d l u n g . . 4. Der Vorsatz bei den Unterlassungsdelikten 5. Die Fahrlässigkeit bei den Unterlassungsdelikten 6. Die Z u m u t b a r k e i t bei den Unterlassungdelikten III. Unrechtsbewußtsein und Gebotsirrt u m bei den Unterlassungsdelikten 1. Unrechtsbewußtsein u n d Gebotsirrtum 2. Die Vermeidbarkeit des Gebotsirrtum

78 79 80

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86 87 88 89 90 91

92 93

A. Überblick über den Zweiten Abschnitt 1. Der Zweite Abschnitt des Allgemeinen Teils des StGB über die Tat, der mit dem § 13 beginnt, schließt sich an den Ersten Abschnitt über das Strafgesetz an und geht dem Dritten Abschnitt über die Rechtsfolgen der Straftat voraus. Die beiden (2)

Α. Überblick über den Zweiten Abschnitt (Jescheck)

Vor §

13

restlichen Abschnitte des Allgemeinen Teils behandeln prozessuale Fragen, so der Vierte Abschnitt Strafantrag, Ermächtigung und Strafverlangen, der Fünfte Abschnitt die Verjährung. Der Aufbau des Allgemeinen Teils entspricht damit den wissenschaftlichen und praktischen Anforderungen an die dem Gesetz vorgegebene Systematik. 2. Die fünf Titel des Zweiten Abschnitts regeln in losem Zusammenhang denjeni- 2 gen Bereich des Strafrechts, der als „Dogmatik" des Allgemeinen Teils bezeichnet wird, im Unterschied zu der im Dritten Abschnitt behandelten „Kriminalpolitik". Im ersten Titel über die Grundlagen der Strafbarkeit liegt mit der Regelung des unechten Unterlassungsdelikts, den wesentlichen Irrtumsvorschriften und den Normen über die Schuldunfähigkeit der Schwerpunkt der dogmatischen Bestimmungen. Ihm folgen im zweiten Titel der Versuch, im dritten Täterschaft und Teilnahme, im vierten einige Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, im fünften Titel die Anerkennung der Straflosigkeit parlamentarischer Äußerungen und Berichte. Auch der Aufbau des Zweiten Abschnitts ist systematisch nicht zu beanstanden. 3. Die Struktur des dem StGB zugrunde liegenden Verbrechensbegriffs ergibt sich 3 aus den Bestimmungen des neuen Allgemeinen Teils deutlicher als aus der früheren Fassung des Gesetzes 1 . So zeigen die hier verwendeten Begriffe „Tat" (ζ. B. §§ 1 6 - 2 0 , 32, 34), „rechtswidrige Tat" (ζ. B. §§ 11 I Nr. 5, 26, 27, 35), „Straftat" (ζ. B. §§ 22, 25, 44, 48) und „Handeln" (§§ 8, 9, 14, 20) in Verbindung mit den Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils, daß das StGB die Strafbarkeit an die Einzeltat und nicht an Eigenschaften der Täterpersönlichkeit oder die Art und Weise der Lebensführung des Täters knüpft: das Strafrecht ist Tatstrafrecht, nicht Täterstrafrecht2. Daraus folgt zugleich, daß nicht Gedanken, Gefühle und Pläne eines Menschen zum Gegenstand strafrechtlicher Beurteilung gemacht werden dürfen, sondern nur Handlungen, denen aber, wie die §§ 8, 9 und 13 zeigen, die Unterlassungen an die Seite gestellt sind. Die Definition der rechtswidrigen Tat ( § 1 1 1 Nr. 5), die Vorschrift über den Tatbestandsirrtum (§ 16) und die Begriffsbestimmung des Versuchs (§ 22) ergeben ferner, daß die Merkmale aller Deliktsformen jeweils in einem Tatbestand gesetzlich festgelegt sein müssen (zum Bestimmtheitsgrundsatz Tröndle LK § 1 Rdn. 12). Auf der anderen Seite zeigen die Vorschriften über die Notwehr (§ 32) und den rechtfertigenden Notstand (§ 34), daß die Rechtswidrigkeit der tatbestandsmäßigen Handlung durch Gegennormen (Erlaubnissätze) ausgeschlossen sein kann. Die Rechtswidrigkeit muß danach ein allgemeines Verbrechensmerkmal darstellen. Aus den Vorschriften über den unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 S. 1), über die Schuldunfähigkeit (§§ 19, 20) und über den entschuldigenden Notstand (§ 35) ist endlich das Erfordernis der Schuld als eines zweiten, von der Rechtswidrigkeit inhaltlich unterschiedenen Grundelements des Verbrechensbegriffs abzuleiten. Im Ganzen ergibt sich damit der in Deutschland herrschende viergliedrige Verbrechensbegriff der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, der auch in der Rechtsprechung anerkannt ist (RGSt.

1 2

(3)

Jescheck AT § 21 II 1 ; Schmidhäuser AT 6 / 5 . Bockelmann Studien zum Täterstrafrecht, I 1939, II 1940; Wie würde sich ein konsequentes Täterstrafrecht auf ein neues StGB auswirken? Mat. Bd. I Gutachten der Strafrechtslehrer (1954) S. 29; Jescheck AT § 7 III; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 3 vor § 13.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

61 242, 247; 66 397, 398; BGHSt. 1 131, 132)3. § 1 O W i G hat die entsprechende Begriffsbestimmung in das Gesetz ü b e r n o m m e n : „Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige u n d vorwerfbare H a n d l u n g , die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die A h n d u n g mit einer G e l d b u ß e zuläßt". 4

4. Der erste Titel des Zweiten Abschnitts über die G r u n d l a g e n der Strafbarkeit regelt in lockerer Folge nur das aus rechtsstaatlichen G r ü n d e n Notwendigste, geht aber in der Fixierung wichtiger Voraussetzungen der Strafbarkeit wesentlich weiter als das frühere Recht. Der Titel beginnt in § 13 (Begehen durch Unterlassen) u n d § 14 ( H a n d e l n f ü r einen anderen) mit zwei Vorschriften, die Ergänzungen der Tatbestände des Besonderen Teils hinsichtlich der T a t h a n d l u n g u n d der Täterqualifikation enthalten. § 15 beschränkt die Strafbarkeit auf vorsätzliches H a n d e l n , w e n n nicht das Gesetz fahrlässiges H a n d e l n ausdrücklich mit Strafe bedroht. Die beiden hauptsächlichen Irrtumsvorschriften folgen: § 16 regelt den Tatbestandsirrtum, § 17 den Verbotsirrtum, § 18 bestimmt die Fahrlässigkeit als Minimalerfordernis der Schuld bei erfolgsqualifizierten Delikten, doch verlangt der Besondere Teil häufig nicht n u r Fahrlässigkeit, s o n d e r n Leichtfertigkeit (Jescheck A T § 26 II 1 a). Die Schuldunfähigkeit ist in den §§ 19 u n d 20 geregelt. Eine Strafzumessungsregel f ü r die verminderte Schuldfähigkeit (§ 21) schließt den Titel ab. B. Das Wesen des Verbrechens Schrifttum Amelung Rechtsgüterschutz und Schutz d«r Gesellschaft (1972); Bettiol Das Problem des Rechtsguts in der Gegenwart, ZStW 72 (1960) S. 276; Birnbaum Über das Erfordernis einer Rechtsverletzung zum Begriff des Verbrechens usw., Neues Archiv des Criminalrechts 15 (1834) S. 149; Gallas Zur Kritik der Lehre vom Verbrechen als Rechtsgutsverletzung, Gleispach-Festschrift (1936) S. 50; Grünhut Methodische Grundlagen der heutigen Strafrechtswissenschaft, Frank-Festgabe (1930) Bd. I S. 1; Hanack Grenzen des Sexualstrafrechts, Gutachten A zum 47. DJT (1968); Hassemer Theorie und Soziologie des Verbrechens (1973); Hirschberg Die Schutzobjekte des Verbrechens (1910); Jäger Strafgesetzgebung und Rechtsgüterschutz bei den Sittlichkeitsdelikten (1957); Armin Kaufmann Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie (1954); Arthur Kaufmann Subsidiaritätsprinzip und Strafrecht, HenkelFestschrift (1974) S. 89; Klee Das Verbrechen als Rechtsguts- und als Pflichtverletzung, DStR 1936 1; Krauß Erfolgsunwert und Handlungsunwert im Unrecht, ZStW 76 (1964) S. 19; Lampe Rechtsgut, kultureller Wert und individuelles Bedürfnis, Welzel-Festschrift (1974) S. 151 ; v. Liszt Der Begriff des Rechtsguts im Strafrecht usw., ZStW 8 (1888) S. 133; Marx Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut" (1972); Oehler Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung (1950); Oppenheim Die Objekte des Verbrechens (1894); Otto Rechtsgutsbegriff und Deliktstatbestand, in : Miiller-Dietz (Hrsg.) Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971) S. 1 ; Polaino El bien jurídico en el derecho penal (1974); Rudolphi Die verschiedenen Aspekte des Rechtsgutsbegriffs, Honig-Festschrift (1970) S. 151; Sax „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, JZ 1976 9, 80, 429; Schaffstein Das Verbrechen als Pflichtverletzung (1935); Schaffstein Der Streit um das Rechtsgutsverletzungsdogma, DStR 1937 335; Sina Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut" (1962); Stratenwerth Handlungsund Erfolgsunwert im Strafrecht, SchwZStr. 79 (1963) S. 233; Welzel Über den substanziellen Begriff des Strafgesetzes, Kohlrausch-Festschrift (1944) S. 101; Wiirtenberger Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen Strafgesetzgebung seit 1532 (1933); Wiirtenberger Kriminalpolitik im sozialen Rechtsstaat (1970); Zip/Kriminalpolitik (1973). 3

Zur Lehre von der „Tatverantwortung" als „erster Stufe der Zurechenbarkeit" einer Tat Maurach-Zipf AT § 31 I 1 ; ablehnend mit Recht Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 20 vor § 13 mit der h. M. (4)

Β. Das Wesen des Verbrechens (Jescheck)

Vor § 13

I. Das Verbrechen ist seinem Wesen nach Rechtsgutsverletzung. Die Straftat 5 beeinträchtigt den „Achtungsanspruch" (Schmidhäuser AT 2/30), den die Rechtsordnung dem durch den Tatbestand geschützten Wert beilegt. 1. Der Rechtsgutsbegriff hat in die Dogmengeschichte in der ersten Hälfte des 6 19. Jahrhunderts Eingang gefunden (Birnbaum) und seither viele Wandlungen erfahren (Amelung Rechtsgüterschutz S. 15 ff; Sina Dogmengeschichte S. 14 ff; Jescheck AT § 26 I). Allen Strafrechtsnormen liegen Werturteile über Lebensgüter zugrunde, die für das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinschaft unentbehrlich sind und deshalb durch die Androhung öffentlicher Strafe gegen ihre Verletzung geschützt werden müssen. Durch ihre Aufnahme in den Schutzbereich der Rechtsordnung werden diese Werte zu Rechtsgütern {Lampe Welzel-Festschrift S. 153 ff; Rudolphi SK Rdn. 7 vor §1). Das Rechtsgut ist darum als rechtlich geschützter ideeller Wert der Sozialordnung zu verstehen, es kann entweder dem einzelnen (Individualrechtsgüter) oder der Gesamtheit ( Universalrechtsgüter) als Trägem zugeordnet werden (Marx Definition S. 62 ff; Otto Rechtsgutsbegriff S. 8). Die Unterscheidung hat Bedeutung für die Frage der Zulässigkeit der Notwehr (Jescheck AT § 32 II 1 b) und für die Beachtlichkeit der Einwilligung in die Verletzung (Hirsch LK 9 Rdn. 110 vor § 51). Von dem Rechtsgut als ideellem Wert ist das Handlungs- oder Angriffsobjekt 4 zu unterscheiden, das den einzelnen Strafvorschriften als Gegenstand der realen Welt zugrunde liegt und in verschiedener Gestalt auftreten kann (ζ. B. als Leben eines Menschen, §§ 211 ff; als Geltungsanspruch des Beleidigten, §§ 185 ff; als Brauchbarkeit einer Sache, §§ 303 ff). Das Rechtsgut als Teil der geistigen Welt ist dem unmittelbaren Zugriff des Täters entzogen, eine „Verletzung des geschützten Rechtsguts" bedeutet demgemäß allein die Mißachtung des Geltungsanspruchs, der dem im Tatbestand geschützten Wert von der Gemeinschaft durch die Aufnahme in die Rechtsnorm beigelegt ist. Tatbestandsmäßiger Erfolg (ζ. B. Tötung eines Menschen) und Rechtsgutsverletzung (Mißachtung des Lebens) sind also nicht dasselbe. 2. Im Interesse der Vergeistigung des Rechtsgutsbegriffs betont die neuere Lehre 7 zwei Gesichtspunkte. Einmal wird hervorgehoben, daß es sich um die Beziehung von Menschen zu rechtlich geschützten Lebengütern handelt und daß die Rechtsgüter demgemäß in ihrem sozialen Sinngehalt als „Funktionseinheiten" verstanden werden müssen (Marx Definition S. 62; Rudolphi Honig-Festschrift S. 163; Otto Rechtsgutsbegriff S. 8). Zum anderen wird, wie bereits oben in Rdn. 6 betont, der ideelle Charakter des Gutsbegriffs darin erblickt, daß vom Rechtsgut ein ihm von der Gemeinschaft beigelegter Achtungsanspruch ausgeht, dessen unerlaubte Verletzung mit Sanktionen bedroht ist (Schmidhäuser AT 2/30). 3. Der Rechtsgutsbegriff hat im Strafrecht verschiedene Funktionen zu erfüllen 5 . 8 4

5

(5)

Eine weitere Unterscheidung in „Rechtsgutsobjekt" und „Tatobjekt" trifft Schmidhäuser AT 2/31, 32. Die herrschende Lehre nimmt an, daß jeder Strafvorschrift ein Rechtsgut zugrunde liege (Heimann-Trösten LK 9 Einleitung Rdn. 49; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 10 vor §13). Doch wird sich nicht bestreiten lassen, daß der Gesetzgeber auch reine Aktverbrechen unter Strafe stellen kann (ζ. B. die Unzucht mit Tieren, § 175 b a. F.). Der Rechtsgutsbegriff reduziert sich hier auf das Interesse der Gemeinschaft am Unterbleiben derartiger Handlungen, doch reicht das nicht aus, um derartigen Strafvorschriften ein eigenes Rechtsgut beizulegen, da das Rechtsgut nach heutiger Auffassung mehr sein soll als die „Abbreviatur des Zweckgedankens" (Grünhut).

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Die Straftatbestände sind nach einem oder mehreren Rechtsgütern ausgerichtet, so daß alle objektiven und subjektiven Merkmale einer Strafvorschrift danach bestimmt werden müssen, was sie im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut zu bedeuten haben. Das Rechtsgut wird damit zu einem wichtigen Hilfsmittel der Auslegung der Strafvorschriften. Das Rechtsgut ist ferner der Einteilungsgesichtspunkt bei der Bildung von Tatbestandsgruppen (ζ. B. Straftaten gegen das Leben, §§ 211 ff; gegen die körperliche Unversehrtheit, §§ 223 ff; gegen die Verkehrssicherheit, §§ 315 ff) und bei der Anordnung der Strafvorschriften in der Legalordnung des Besonderen Teils ( Würtenberger System S. 13 ff; Oehler Legalordnung S. 2 ff). Endlich wird der Rechtsgutsbegriff in der Auseinandersetzung um die Grenzen der Strafwürdigkeit im liberalen Rechtsstaat heute häufig für die Behauptung herangezogen, daß das Strafrecht auf die Sanktionierung gemeinschädlichen (nicht bloß moralisch anstößigen) Verhaltens zu beschränken sei (so Amelung Rechtsgüterschutz S. 314 ff; Hanack Grenzen S. 28 ff; Hassemer Theorie S. 98 ff; Jäger Sittlichkeitsdelikte S. 6 ff, 121 ff; Rudolphi Honig-Festschrift S. 161; dagegen zu Recht Bockelmann AT § 3 II 1). Jedoch ist dies keine Frage des Rechtsgutsbegriffs, sondern der Kriminalpolitik, die allein an die Rangordnung der Werte in der Verfassung (BVerfGE 7 389, 434 ff; 39 1, 51 ff), an das Subsidiaritätsprinzip (Arthur Kaufmann Henkel-Festschrift S. 89 ff) und an die von der Verfassung vorgegebenen Grundsätze der Kriminalpolitik (Jescheck AT § 4 ; Würtenberger Kriminalpolitik 1 ff, 9 ff; Zi>/Kriminalpolitik [1973] S. 25 ff) gebunden ist. 9

II. Das Verbrechen ist jedoch nicht nur Rechtsgutsverletzung, sondern auch Pflichtverletzung.

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1. Das Strafrecht schützt die Rechtsgüter, indem es Handlungen mit Strafe bedroht, die diese Güter verletzen oder gefährden. Rechtsfriede und Rechtssicherheit sind damit jedoch noch nicht gewährleistet. Sie beruhen vielmehr auf der beständig geübten rechtlichen Gesinnung der Bürger, diese bildet „den positiven sozialethischen Hintergrund der strafrechtlichen Normen" ( Welzel Lehrbuch § 1 II). Das Strafrecht legt den Rechtsgenossen die Pflicht zur Achtung der Rechtsgüter auf. Erfüllt wird diese Pflicht durch dauernde Bewährung der rechtlichen Gesinnung. Deshalb genügt für die Bestrafung nicht die Rechtsgutsverletzung für sich allein (anders für die Auferlegung von Maßregeln §§ 63, 64, 69, 70), die Tat muß vielmehr zugleich Ausdruck des Abfalls von den Grundwerten der rechtlichen Gesinnung sein ( Welzel Kohlrausch-Festschrift S. 107 ff; Maurach-Zipf AT § 7 I).

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2. Die Rechtsgutsverletzung ist nicht gleichbedeutend mit dem Erfolgsunwert der Tat. Der Erfolgsunwert liegt vielmehr in der Verletzung oder Gefährdung des Handlungsobjekts, in dem der Achtungsanspruch des Rechtsguts realen Ausdruck findet (z. B. in der Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen, § 315 c I). Der gesetzliche Tatbestand verlangt ferner in der Regel eine bestimmte Art und Intensität des Angriffs auf das Handlungsobjekt (z. B. bestimmte besonders gefährliche Verkehrsverstöße, § 315 c I Nr. 2). Darin liegt der Handlungsunwert der Straftat (Krauß ZStW 74 [1962] S. 38 ff; Stratenwerth ZStW 79 [1963] S. 244 ff). Die Pflichtverletzung als das Gegenstück der Rechtsgutsverletzung erfordert endlich ein bestimmtes Maß an Verwerflichkeit der Tätergesinnung, weil die Tat nur dann die schwere moralische Disqualifizierung durch die öffentliche Strafe verdient, wenn sie sich als Abfall vom fundamentalen Rechtsgehorsam darstellt. In der Pflichtverletzung liegt der Gesinnungsunwert der Tat (anders bezüglich der Einordnung des Handlungsunwertes Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 11 vor § 13). (6)

C. Die Entwicklung der neueren Verbrechenslehre (Jescheck)

Vor § 13

C. Die Entwicklung der neueren Verbrechenslehre6 I. Die Vorstufen der neueren Verbrechenslehre

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Der moderne viergliedrige Verbrechensbegriff der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, der dem geltenden Strafrecht zugrunde liegt (oben Rdn. 3), ist als Ergebnis der dogmatischen Arbeit von mehr als 100 Jahren aus den Beiträgen zahlreicher Gelehrter entstanden. Im Anschluß an Rudolf v. Ihering, der 1867 für das bürgerliche Recht den Begriff der objektiven Rechtswidrigkeit entwickelte, haben v. Liszt (1881), Beling (1906) u n d Graf zu Dohna (1905) die Rechtswidrigkeit als allgemeines objektives Verbrechensmerkmal im Deliktsaufbau herausgearbeitet. Die Anfänge eines besonderen Schuldbegriffs gehen auf Adolf Merkel (1889) zurück, der als erster Vorsatz und Fahrlässigkeit unter dem Oberbegriff der pflichtwidrigen Willensbestimmung vereinigte. Ein besonderer Handlungsbegriff als Grundlage der Verbrechenslehre ist schon von Berner aufgestellt worden (1857). Erst zuletzt wurde das Merkmal der Tatbestandsmäßigkeit der strafbaren Handlung durch Beling theoretisch erkannt (1906). D a in der gegenwärtigen Strafrechtslehre Systemgedanken aus verschiedenen Epochen nebeneinander lebendig sind, läßt sich Klarheit hinsichtlich der Aufbaufragen nur dadurch gewinnen, daß man den dogmengeschichtlichen Zusammenhang aufrollt. II. Der klassische Verbrechensbegriff 1. Grundlage des klassischen Systems der Verbrechenslehre war der Handlungs- 13 begriff, der bei v. Liszt und Beling noch ganz naturalistisch aufgefaßt wurde als vom Willen getragene Körperbewegung oder (bei der Unterlassung) als Regungslosigkeit des Körpers einschließlich der dadurch kausal herbeigeführten Veränderung in der Außenwelt. Als maßgeblich erschien dabei das physiologische Moment der Innervation der Muskeln bzw. das gewollte Unterbleiben einer solchen. 2. War danach das Vorliegen einer Handlung bejaht, so mußte weiterhin ihre 14 Tatbestandsmäßigkeit geprüft werden. Als Tatbestand wurde die rein äußerliche, noch völlig wertfreie Beschreibung eines bestimmten Geschehens im Besonderen Teil angesehen. Erst die Prüfung der Rechtswidrigkeit dieses Geschehens sollte das eigentliche Werturteil über die Tat erbringen, wobei die Rechtswidrigkeit rein formal als Widerspruch gegenüber dem Recht angesehen u n d rein objektiv auf das unabhängig von der geistig-seelischen Beteiligung des Täters verlaufende äußere Geschehen gegründet wurde. Objektive und subjektive Tatseite wurden also scharf voneinander geschieden. Die Tatbestandsmäßigkeit wurde als die objektiv-deskriptive, die Rechtswidrigkeit als die objektiv-normative Seite der Tat betrachtet. 3. Der Schuldbegriff des klassischen Verbrechensaufbaus vereinigte demgegen- 15 über alle geistigen und seelischen Vorgänge in der Person des Täters. Die Zurechnungsfähigkeit wurde als „Schuldvoraussetzung" aufgefaßt, Vorsatz und Fahrlässigkeit verstand man als „Schuldformen" oder „Schuldarten", der strafrechtliche Notstand wurde als „Schuldausschließungsgrund" angesehen. Ohne die einzelnen 6

(?)

Näher dazu Achenbach Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre (1974); Gallas Zum gegenwärtigen Stand der Lehre vom Verbrechen, ZStW 67 (1955) S. 2 ff; Jescheck AT § 22; Schmidhäuser AT 7/1 ff; Schweikert Die Wandlungen der Tatbestandslehre seit Beling (1957); Welzel Die deutsche strafrechtliche Dogmatik der letzten 100 Jahre und die finale Handlungslehre, JuS 1966 421 ff.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Faktoren zu einer höheren Sinneinheit zu verbinden, begnügte man sich damit, sie unter dem Stichwort des „Subjektiven" von den objektiven Momenten zu scheiden (psychologischer Schuldbegriff)7.

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III. Der neoklassische Verbrechensbegriff 1. Der klassische Verbrechensbegriff nach dem System v. Liszts und Belings wurde bald einem tiefgreifenden Umbildungsprozeß unterzogen, durch den die rein formale Scheidung von objektiven und subjektiven Merkmalen im Verbrechensbegriff verlassen und eine Ausrichtung an den vom Strafrecht verfolgten Zwecken und den ihm immanenten Wertvorstellungen vorgenommen wurde (teleologische Verbrechenslehre). Der Handlungsbegriff, der mit seinen naturalistischen Merkmalen am wenigsten in ein wertbezogenes Strafrechtssystem passen konnte, wurde durch den Begriff des „menschlichen Verhaltens" bis zur völligen Farblosigkeit abgeschwächt und schließlich durch den Ansatz der Verbrechenslehre bei der „Tatbestandsverwirklichung" überflüssig gemacht (Radbruch). 2. Aber auch alle anderen Verbrechensmerkmale wurden durch den Umbildungsprozeß inhaltlich umgestaltet (Hegler, M. E. Mayer, Mezger, Grünhut, Eb. Schmidt, E. Wolf). Die Rechtswidrigkeit wurde jetzt nicht mehr nur formell als Zuwiderhandlung, sondern materiell als Sozialschädlichkeit aufgefaßt, wodurch das Unrecht nach der Schwere der Interessenverletzung abstufbar und die Existenz übergesetzlicher Rechtfertigungsgründe erklärlich wurde (zum übergesetzlichen Notstand RGSt. 61 242). Die rein deskriptive und wertfreie Auffassung des Tatbestandes wurde durch die Entdeckung der normativen, seine rein objektive Auffassung durch die Entdeckung der subjektiven Tatbestandsmerkmale überwunden. Der Tatbestand wandelte sich damit zum l/nrecAtetatbestand im Sinne des Inbegriffs aller für die betreffende Deliktsart typischen objektiven und subjektiven Merkmale der Rechtswidrigkeit. Auch der Schuldbegriff wurde in dem Umbildungsprozeß inhaltlich verändert (Frank). Die Schuld wurde nicht mehr nur als die Addition der subjektiven Merkmale der Tat angesehen, sondern als die dem Tatentschluß bzw. der Sorgfaltsverletzung zugrunde liegende fehlerhafte Willensbildung, die dem Täter zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn keine geistig-seelischen Störungen oder außergewöhnlichen äußeren Umstände gegeben sind, die ihn zu entlasten vermögen (normativer Schuldbegriff).

IV. Der Verbrechensbegriff des Finalismus 18 1. Der Verbrechensbegriff des Finalismus, der seit dem Beginn der 30er Jahre vor allem durch Welzeß ausgearbeitet worden ist, brachte mit der Verlegung des Vorsatzes, der Neuordnung der Irrtumslehre und der Umgliederung der Fahrlässigkeit erst die eigentlichen Strukturveränderungen im Strafrechtssystem, die weitge7

8

Der bis vor kurzem durch Rittler und Nowakowski noch in Österreich herrschende klassische Verbrechensbegriff ist inzwischen auch dort aufgegeben worden; zur Dogmengeschichte Moos Der Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert (1968). Die Wendung vollzog Nowakowski mit dem Aufsatz Probleme der Strafrechtsdogmatik, JB1. 1972 19. Vorläufer waren E. Wolf, Graf zu Dohna, v. Weber; zur Entwicklungsgeschichte: Welzel Kausalität und Handlung, ZStW 51 (1931) S. 711 ff; Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58 (1939) S. 501 ff; Das neue Bild des Strafrechtssystems 4 (1961) S. 1 ff. (8)

C. Die Entwicklung der neueren Verbrechenslehre (Jescheck)

Vor § 13

hende Wirkungen gehabt und der sich die neueren Lehrdarstellungen überwiegend angeschlossen haben (ζ. B. Blei, Bockelmann, Jescheck, Maurach-Zipf, Stratenwerth, Wessels). Ausgangspunkt dieser Lehre war der final verstandene Handlungsbegriff. Menschliches Handeln ist danach nicht bloßes Bewirken einer Außenweltveränderung, sondern „Ausübung von Zwecktätigkeit". Die finale Steuerung der Handlung vollzieht sich in drei Stufen: der geistigen Vorwegnahme des Ziels, der Auswahl und Bereitstellung der erforderlichen Handlungsmittel und der Durchführung der Handlung in der realen Welt. 2. Die Finalität der tatbestandsmäßigen Handlung wurde mit dem Vorsatz 19 gleichgesetzt. Der Vorsatz wurde damit zum Teilstück des Tatbestandes, weil es dessen Aufgabe ist, die Handlung des Täters in allen für die strafrechtliche Bewertung wesentlichen Merkmalen zu kennzeichnen. Daraus ergaben sich an drei Schlüsselstellen grundlegende Veränderungen im Verbrechensaufbau: das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit scheidet aus dem Vorsatz aus und wird zum zentralen Bestandteil des Schuldbegriffs; die Irrtumsfälle gliedern sich dementsprechend in Tatbestandsirrtum (jetzt § 16) und Verbotsirrtum (jetzt § 17); Anstiftung und Beihilfe kommen nur bei vorsätzlicher Haupttat in Betracht (jetzt §§ 26, 27). Die Verlegung des Vorsatzes aus der Schuld in den Tatbestand führte ferner zu einer Neukonzeption des Begriffs der materiellen Rechtswidrigkeit: der Vorsatz und die anderen subjektiven Tatbestandselemente (ζ. B. die Zueignungsabsicht beim Diebstahl) bilden danach als die „personalen Unrechtselemente" der Tat zusammen mit den objektiven Handlungsmerkmalen das „Handlungsunrecht" des gesetzlichen Tatbestandes, während die Verletzung oder Gefährdung des durch den Tatbestand geschützten Handlungsobjekts das „Erfolgsunrecht" darstellt. 3. Entsprechend der Neuordnung des Aufbaus der Vorsatztat wurde auch der 20 Begriff der Fahrlässigkeit umgestaltet, und zwar so, daß sich die Fahrlässigkeitstat nunmehr als eine sowohl im Unrechtstatbestand als auch in der Schuld eigenständige, von der Vorsatztat zu unterscheidende Form der strafbaren Handlung darstellt. Als Teilstück des Unrechtstatbestandes besteht die Fahrlässigkeit in der Verletzung der objektiv erforderlichen Sorgfalt bei objektiver Voraussehbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolges. Als Bestandteil der Schuld liegt die Fahrlässigkeit in der persönlichen Verantwortlichkeit des Täters für den tatbestandsmäßigen Erfolg mit Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit des Mangels an Sorgfalt und Voraussicht, die zu diesem Erfolg geführt haben. 4. Der finale Handlungsbegriff hat sich in Deutschland nur in einem Teil der 21 Theorie durchgesetzt. Die der neuen Lehre entsprechende Umbildung des Verbrechensbegriffs jedoch wird in der gegenwärtigen Dogmatik weitgehend als berechtigt angesehen und unabhängig von dem umstrittenen Handlungsbegriff selbständig begründet (unten Rdn. 39). Auch auf die Rechtsprechung hat das neue System erheblichen Einfluß gehabt. So hat der Große Senat des BGH für Strafsachen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit als Schuldmerkmal anerkannt und durch die Behandlung des Verbotsirrtums die Einführung des § 17 vorbereitet (BGHSt. 24 194). So hat der 5. Senat den Vorsatz als Bestandteil des Tatbestandes angesehen (BGHSt. 4 76, 78) und auf dieser Grundlage die Tatherrschaftslehre (Roxin LK § 25 Rdn. 18 0 z u r Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe herangezogen (ebenso BGHSt. 19 138). So war das Urteil des 2. Senats über das Vorsatzerfordernis bei der (9)

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Haupttat (BGHSt. 9 370, 378 ff) eine Vorstufe für die Einführung der §§ 26, 27 und bestimmte der Große Senat für Zivilsachen bei den fahrlässigen Delikten das Handlungsunrecht durch die Sorgfaltspflichtverletzung (BGHZ 24 21). D. Die Handlung Schrifttum Androulakis Menschliches Verhalten als zentraler Bezugspunkt rechtlicher und insbesondere strafrechtlicher Normierung, Zepos-Festschrift Bd. I (1973); v. Bubnoff Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs usw. (1966); Busch Moderne Wandlungen der Verbrechenslehre (1949); Engisch Der finale Handlungsbegriff, Kohlrausch-Festschrift (1944) S. 141 ; Franzheim Sind falsche Reflexe der Kraftfahrer strafbar? NJW 1965 2000; Göhler Die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen, Beiheft ZStW 1978, S. 100; Gössel Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlungslehre usw. (1966); Hall Fahrlässigkeit im Vorsatz (1959); Henkel Der Mensch im Recht, Studium Generale 1960 229; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972); Huß Die Strafbarkeit der juristischen Personen, ZStW 90 (1978) S. 237; Jakobs Vermeidbares Verhalten und Strafrechtssystem, Welzel-Festschrift (1974) S. 307; Jescheck Der strafrechtliche Handlungsbegriff in dogmengeschichtlicher Entwicklung, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 139; Klug Der Handlungsbegriff des Finalismus als methodologisches Problem, Emge-Festschrift (1960) S. 33; Krümpelmann Motivation und Handlung im Affekt, Welzel-Festschrift (1974) S. 327; Armin Kaufmann Zum Stande der Lehre vom personalen Unrecht, Welzel-Festschrift (1974) S. 393; Arthur Kaufmann Die ontologische Struktur der Handlung, H. Mayer-Festschrift (1966) S. 79; Maihofer Der soziale Handlungsbegriff, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 156; Maiwald Abschied vom strafrechtlichen Handlungsbegriff? ZStW 86 (1974) S. 626; Marinucci II reato come „azione" (1971); H. Mayer Vorbemerkungen zur Lehre vom Handlungsbegriff, v. Weber-Festschrift (1963) S. 137; Noll Der strafrechtliche Handlungsbegriff, Kriminologische Schriftenreihe Bd. 54 (1971) 21 ; Nowakowski Probleme der Strafrechtsdogmatik, JB1.1972 19; Otter Funktionen des Handlungsbegriffs im Verbrechensaufbau (1973); Roxin Zur Kritik der finalen Handlungslehre, ZStW 74 (1962) S. 515; Schaffstein Soziale Adäquanz und Tatbestandslehre, ZStW 72 (1960) S. 369; Schern Reflexbewegung, Handlung, Vorsatz (1972); Schmidhäuser Willkürlichkeit und Finalität als Unrechtsmerkmale im Strafrechtssystem, ZStW 66 (1954) S. 27; Eb. Schmidt Soziale Handlungslehre, Engisch-Festschrift (1969) S. 338; Spiegel Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen, DAR 1968 283; Stratenwerth Unbewußte Finalität? Welzel-Festschrift (1974) S. 289; v. Weber Bemerkungen zur Lehre vom Handlungsbegriff, Engisch-Festschrift (1969) S. 328; Welzel Kausalität und Handlung, ZStW 51 (1931) S. 703; Welzel Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58 (1939) S. 491; Welzel Aktuelle Strafrechtsprobleme im Rahmen der finalen Handlungslehre (1933); Welzel Das neue Bild des Strafrechtssystems^ (1961); Welzel Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte (1961); E. A. Wolff Oer Handlungsbegriff in der Lehre vom Verbrechen (1964).

I. Der Handlungsbegriff als Grundbegriff der Verbrechenslehre 22

Die Definition der Straftat als einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung (oben Rdn. 3) erfordert, daß auch gesagt wird, was unter einer „Handlung" zu verstehen ist. Trotz dieser logischen Konsequenz wird heute, nachdem der Handlungsbegriff lange Zeit im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion gestanden hatte, die Notwendigkeit der Bildung eines solchen Begriffs zunehmend verneint, weil dieser, da er noch keine Sachaussagen enthalten könne, zu allgemein bleiben müßte, um systematischen Wert zu besitzen 9 . Auch der Recht9

So läßt im Anschluß an Radbruch (oben Rdn. 16) ein erheblicher Teil der Lehre den Handlungsbegriff offen und setzt bei der Tatbestandsmäßigkeit eines gegebenen Sachverhalts an ; in diesem Sinne Bockelmann AT § 11 II ; v. Bubnoff Entwicklung S. 149 ff ; Gallas (10)

D. Die Handlung (Jescheck)

Vor § 13

sprechung ist die Diskussion um den Handlungsbegriff immer fremd geblieben, weil es für die Praxis allein darauf ankommen kann, in Grenzsituationen zu wissen, was keine Handlung ist (unten Rdn. 31 ff)· Ein positiver Handlungsbegriff ist jedoch notwendig 10 , und zwar aus drei Gründen. Einmal gebraucht der Gesetzgeber im internationalen Strafrecht den Begriff der „Tat" (§§ 3 bis 9) schon im Vorfeld der gesetzlichen Tatbestände und unabhängig von ihrer Anwendbarkeit im konkreten Fall, da es dort zunächst nur um die Frage geht, ob ein bestimmter Sachverhalt überhaupt der innerstaatlichen Strafgewalt unterliegt ( Tröndle LK Rdn. 2 vor § 3). Abgesehen von diesem systematischen Grund besteht ein theoretisches Interesse an der Frage, welche Merkmale ein Sachverhalt positiv aufweisen muß, um überhaupt strafrechtlicher Beurteilung unterliegen zu können. Drittens hat der Handlungsbegriff die praktische Funktion, daß durch ihn alle Sachverhalte „a limine" ausgeschieden werden, die für die strafrechtliche Beurteilung nach dem Sinn des Strafrechts von vornherein nicht in Betracht kommen können. Diese übrigens auch von den Gegnern anerkannte negative Funktion des Handlungsbegriffs (unten Rdn. 31 ff) setzt aber voraus, daß man weiß, was positiv unter einer Handlung zu verstehen ist. II. Der kausale Handlungsbegriff 1. Nach dem überlieferten (oben Rdn. 13, 16) kausalen Handlungsbegriff ist 23 Handlung ein willensgetragenes (vom Willen beherrschbares) menschliches Verhalten, das eine bestimmte Folge in der Außenwelt herbeiführt, wobei der Wille nur in seiner die Handlung bzw. den Erfolg verursachenden Funktion, nicht aber in seiner den Kausalverlauf steuernden Eigenschaft erfaßt wird 11 . Der Inhalt des Handlungswillens wird erst auf den späteren Stufen der Verbrechenslehre (Rechtswidrigkeit, Schuld) berücksichtigt. 2. Zur Kritik des kausalen Handlungsbegriffs ist zu sagen, daß er durch den Aus- 24 schluß der Finalität gerade die spezifische Eigenschaft der bewußten Willenshandlungen außer Betracht läßt. Ferner vermag der kausale Handlungsbegriff die Unterlassung nicht in sich aufzunehmen, weil es hier an einem Willensimpuls, der einen Kausalverlauf in Gang setzen würde, gerade fehlt. Endlich führt der kausale Handlungsbegriff in sinnloser Weise „ad infinitum", indem er durch Vernachlässigung der sozialen Relevanz des Geschehens Willensimpulse in die Betrachtung einbezieht, die mit der Tat in keinem für das Strafrecht bedeutsamen Zusammenhang stehen.

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(Π)

Beiträge S. 30 f; Klug Emge-Festschrift S. 37 ff; Lackner Vorbem. III 1 a vor § 13; Marinucci II reato S. 203 ff; Noll Der strafrechtliche Handlungsbegriff S. 22; Nowakowski JB1. 1972 21 ; Otter Handlungsbegriff S. 198 ff; Otto Grundkurs § 12, 3 ; Roxin ZStW 74 (1962) S. 548 f; Schmidhäuser AT 7/33; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 39 vor § 13. So Androulakis Zepos-Festschrift S. 13; Blei KT § 19 II; Dreher Rdn. 3 f vor § 1; Maiwald ZStW 86 (1974) S.642; Maumch-Zipf AT § 16 I A 1; H. Mayer ν. Weber-Festschrift S. 157 ff; Rudolphi SK Rdn. 18 vor § 1; Stratenwerth AT I Nr. 132; Wessels AT § 3 II; Welzel Lb § 7 II. So Baumann AT § 16 VI ; Dreher Rdn. 3 vor § 1 ; Heimann-Trosien LK Einleitung Rdn. 31, 33, 35; Kohlrausch-Lange Syst. Vorbem. II B; Mezger LK 8 Einleitung II und Vorbem. II 6 a vor § 51 ; Spiegel DAR 1968 283.

Vor § 13 25

2. Abschnitt. Die Tat

III. Der finale Handlungsbegriff 1. Nach der von Welzel begründeten finalen Handlungslehre ist menschliche Handlung nicht bloß ein willensgetragener Kausalverlauf, sondern sie besteht in dem Einsatz der den Menschen vor allen Lebewesen auszeichnenden Finalität, d. h. der Fähigkeit, sich Ziele zu setzen, die Folgen seines Eingreifens in gewissen Grenzen vorauszusehen und den Kausalverlauf durch planvolle Steuerung auf das angestrebte Ziel hinzulenken (oben Rdn. 18). Der finale Handlungsbegriff hat tiefgreifende Wirkungen für die Neugestaltung der Verbrechenslehre gehabt und wird heute von einer erheblichen Zahl von Vertretern als grundlegender Systemgedanke angesehen 12 .

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2. Gegen den finalen Handlungsbegriff läßt sich bei sachgemäßem Verständnis nicht einwenden, daß er die automatisierten Handlungen, die spielerisch-schöpferischen Handlungen und die Affekt- und Kurzschlußhandlungen nicht zu erfassen vermöge. Zu den automatisierten Handlungen unten Rdn. 37. Bei den spielerischschöpferischen Handlungen (hierzu Hall Fahrlässigkeit S. 15) sind es unbewußte oder halbbewußte Gefühlsassoziationen, die die Aufgabe der gedanklichen Antizipation der Zielvorstellung übernehmen, diese können jedoch einschließlich der zu ihrer Verwirklichung eingesetzten Mittel jederzeit ins volle Bewußtsein gehoben werden. Bei den Affekt- und Kurzschlußhandlungen (hierzu Henkel Studium Generale 1960 237 ff) brechen zwar die Antriebskräfte ungesteuert aus der Tiefenschicht der Seele hervor, aber sie richten sich unmittelbar gegen das vom Täter ins Auge gefaßte Ziel, und auch der Handlungsvollzug ist trotz des den Anstoß bewirkenden Affektausbruchs final gesteuert (vgl. die Fälle BGHSt. 7 325; 11 20) 13 .

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3. Die durchgreifenden Einwände gegen den finalen Handlungsbegriff sind andere. Einmal läßt sich die Fahrlässigkeitstat nicht in den finalen HandlungsbegrifT einordnen. Gewiß besteht die Fahrlässigkeit oft in einem unsorgfältigen Vollzug einer finalen Handlung, aber die Unsorgfältigkeit der Durchführung ist gerade kein Moment ihrer Finalität. Außerdem kann der Sorgfaltsmangel insbesondere darin liegen, daß der Täter überhaupt gehandelt hat, anstatt vielmehr untätig zu bleiben. Weiter vermag auch der finale Handlungsbegriff die Unterlassung nicht in sich aufzunehmen, weil es hier an einer den Ablauf des Geschehens steuernden Willensleistung des Täters gerade fehlt. Dagegen kann die Frage, ob die Grenze der Finalität mit der Grenze des bedingten Vorsatzes gegenüber der bewußten Fahrlässigkeit identisch ist, hier offen bleiben, weil es auf diese Übereinstimmung für den Handlungsbegriff nicht ankommt (dazu Jescheck AT § 29 IV 2).

IV. Der soziale Handlungsbegriff 28 1. Der soziale Handlungsbegriff beruht auf den beiden Kriterien menschlichen Verhaltens, die dieses überhaupt als möglichen Gegenstand strafrechtlicher Sanktion erscheinen lassen : auf der Beherrschbarkeit des Geschehens durch den Willen als äußerster Grenze personaler Zurechnung und auf der sozialen Relevanz des 12

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So Busch Moderne Wandlungen S. 7 ff; LK 9 Rdn. 10, 31 vor § 47; Armin Kaufmann Welzel-Festschrift S. 393 ff; Maurach-Zipf AT § 16 I B; Niese Finalität S. 17 ff; Schaffstein ZStW 72 (1960) S. 369 ff; Stratenwerth AT I Nr. 136 ff. Die Handlungsqualität der Affekttat betonen mit Recht Krümpelmann Welzel-Festschrift S. 334 ff; Schewe Reflexbewegung S. 131. (12)

D. Die Handlung (Jescheck)

Vor § 13

Geschehens für die Umwelt als Grund der staatlichen Reaktion. Handlung ist danach „sozialerhebliches menschliches Verhalten" ( Jescheck AT § 23 IV l) 1 4 . Dabei bedeutet „Verhalten" jede denkbare Antwort des Menschen auf eine erkannte oder wenigstens erkennbare Situationsanforderung durch Verwirklichung einer ihm zu Gebote stehenden Reaktionsmöglichkeit. Das Verhalten kann einmal bestehen in der Ausübung der Zwecktätigkeit; darauf beruht die Verhaltensqualität der vorsätzlichen Begehungsdelikte. Insoweit stimmt der soziale mit dem finalen Handlungsbegriff überein. Das Verhalten kann aber auch in der unfinalen Verursachung von Folgen bestehen, sofern das Geschehen durch Einsatz der Finalität steuerbar ist. Dabei kommt es nicht auf die konkrete Steuerungsfähigkeit des individuellen Täters, sondern auf die Beherrschbarkeit der Situation durch den Einsatz von Finalität überhaupt an. Darin liegt die Verhaltensqualität der fahrlässigen Begehungsdelikte. Das Verhalten kann endlich bestehen im Untätigbleiben gegenüber einer erkannten oder wenigstens erkennbaren (nicht notwendigerweise rechtlich begründeten) Handlungserwartung, wobei hier ebenfalls vorausgesetzt wird, daß die Möglichkeit der Steuerung des Kausalverlaufs durch Einsatz von Finalität überhaupt besteht. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Unterlassung ein Verhalten. Das Erfordernis „menschlichen" Verhaltens besagt, daß fjir das Handeln im strafrechtlichen Sinne nur Äußerungen einzelmenschlicher Wirksamkeit in Betracht kommen, nicht Akte von Personenverbänden (unten Rdn. 35). „Sozialerheblich" ist ein Verhalten immer, aber auch nur dann, wenn es Auswirkungen auf die Umwelt des Täters durch Beeinträchtigung mitmenschlicher Interessen gehabt hat. Beim Unterlassen genügt als „Außenwirkung" das Ausbleiben der positiven Veränderung, die das vom Täter erwartete und steuerbare positive Tun gehabt hätte. 2. Auf der Grundlage der beiden Kriterien Beherrschbarkeit und soziale Rele- 29 vanz des Geschehens hat der soziale Handlungsbegriff auch noch andere Formulierungen gefunden, die jedoch in der Sache dasselbe besagen. Engisch (KohlrauschFestschrift S. 161) stellt ab auf „das willkürliche Bewirken berechenbarer sozialerheblicher Folgen", Maihofer (Eb. Schmidt-Festschrift S. 178) „auf das objektiv von Menschen beherrschbare Verhalten mit Richtung auf einen objektiv voraussehbaren sozialen Erfolg". Für Eb. Schmidt (Engisch-Festschrift S. 340) sind menschliches Handeln die „vom Willen angetriebenen (willkürlichen) Verhaltensweisen, die durch ihre Auswirkungen die Lebenssphäre von Mitmenschen berühren", für Arthur Kaufmann (H. Mayer-Festschrift S. 116) die „verantwortliche, sinnhafte Gestaltung der Wirklichkeit mit vom Willen beherrschbaren kausalen Folgen". V. Andere Handlungsbegriffe 30 Der „Begriff des personal zurechenbaren Verhaltens", den Rudolphi (SK Rdn. 18 vor § 1) zugrunde legt, stimmt in der Grundvoraussetzung, daß das Geschehen „als von einem Menschen in der konkreten Situation beherrschbar gedacht werden kann" mit dem ersten Kriterium des sozialen Handlungsbegriffs überein. Das zweite Kriterium bleibt jedoch unberücksichtigt. Jakobs (Welzel-Festschrift S. 307 ff) definiert das Verhalten als „Vermeidbarkeit" des durch die Strafrechtsnorm verbotenen Handelns bzw. Unterlassens, meint damit aber ebenfalls die Beherrschbarkeit des Geschehens im objektiven Sinne. Auch hier wird die soziale 14

(13)

Übereinstimmend Preisendanz Vorbem. Β III 1 vor § 1 ; Wessels AT § 3 II 2 c; E. A. Wolff Handlungsbegriff S. 29 ff.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Relevanz des Geschehens nicht erwähnt. Der negative Handlungsbegriff Herzbergs (Die Unterlassung S. 174) „Handlung ist das vermeidbare Nichtvermeiden eines Erfolges in Garantenstellung" geht über Jakobs insofern hinaus, als hier sämtliche Begehungsdelikte umgedeutet werden in (unechte) Unterlassungdelikte, wobei der Täter sich selbst zum „Überwacher der Gefahrenquelle" bestellt, die er bildet, indem er sich anschickt, eine Straftat zu begehen. Ein Fortschritt an Erkenntnis ist mit dieser gekünstelten Betrachtungsweise aber nicht gewonnen 1 5 . 31

VI. Die negative Funktion des Handlungsbegriffs Aus dem Handlungsbegriff ergibt sich, welche Geschehnisse keine Handlungen sind, weil sie entweder vom Menschen nicht beherrschbar sind und deswegen nicht Gegenstand eines Normbefehls sein können oder weil sie keine Außenwirkung haben und deswegen keiner staatlichen Sanktion unterliegen. Bei der ersten Gruppe bleibt freilich immer zu bedenken, daß sich die strafrechtliche Verantwortung aus einer dem nicht beherrschbaren Zustand vorausgehenden Handlung ergeben kann.

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1. Rein physiologische Vorgänge des sensitiv-somatischen Bereichs, die ohne Mitwirkung der geistigen Kräfte des Menschen ablaufen und damit der Beherrschbarkeit durch den Willen entzogen sind, können keine Handlung sein (Schwindel, Erbrechen). Auch die Rechtsprechung verlangt stets als Handlung mindestens ein „willkürliches" Verhalten 1 6 .

33

2. Keine Handlung ist ferner die Körperbewegung, die durch unwiderstehliche Gewalt (vis absoluta) herbeigeführt wird (ζ. B. die Zerstörung einer kostbaren Vase durch einen Schlag gegen den Arm dessen, der sie trägt; das gewaltsame Führen der Hand bei der Unterschrift). Anders verhält es sich mit der durch Willenszwang wirkenden Gewalt (vis compulsiva), ζ. B. der Abnötigung einer Unterschrift durch Schläge, weil hier das erzwungene Verhalten grundsätzlich beherrschbar bleibt. Keine Handlungen sind ferner Körperbewegungen im Zustand der Bewußtlosigkeit (ζ. B. im Schlaf, in der Ohnmacht, in tiefer Hypnose oder Narkose oder im Zustand des Somnambulismus). Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit Körperbewegungen im Zustand der Volltrunkenheit (Torkeln, Fallen) noch als Handlungen anzusehen sind. Sie sind es nicht mehr, wenn die Beherrschbarkeit durch den Willen vollständig ausgeschlossen ist, was auch bei Gehversuchen des Volltrunkenen der Fall sein kann 1 7 . Keine Handlung sind endlich Körperreflexe, bei denen Bewegung oder Bewegungslosigkeit unmittelbar durch einen von außen kommenden, das Nervensystem treffenden Reiz ausgelöst wird, wie das Zusammenzucken bei der Berührung einer elektrischen Leitung oder bei einem schmerzhaften Insektenstich (OLG Hamburg JR 1950 408, 409).

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Ebenso Sch.-Schröder-Lenckner, Rdn. 38 vor §13; Stratenwerth Welzel-Festschrift S. 296 f. RGSt. 69 189, 191; BGHSt. 1 124, 127; BGH NJW 1952 193, 194; BayObLG VRS 25 346; OLG Frankfurt VRS 28 364, 365; OLG Hamburg JR 1950 408, 409; OLG Hamburg VRS 15 205, 206. Dazu Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 32; Schewe Reflexbewegung S. 70; Sch.Schröder-Lenckner Rdn. 42 vor § 13. (14)

D. Die Handlung (Jescheck)

Vor § 13

3. Für die Unterlassung gelten diese Erwägungen entsprechend. Sie ist im Sinne 34 des Strafrechts dann zu verneinen, wenn jemand entgegen einer Handlungserwartung untätig bleibt, weil ihm die Handlungsfähigkeit fehlt und diese auch für jeden anderen in seiner Lage nicht gegeben gewesen wäre (ein Aufsichtsbeamter, der von Gefangenen gefesselt ist, kann den Ausbruch nicht verhindern). Da es auf die Beherrschbarkeit des Geschehens überhaupt ankommt, darf bei der Prüfung der Handlungsfähigkeit nicht auf die persönlichen Eigenschaften der im konkreten Fall untätig gebliebenen Individualperson abgestellt werden. Ein Unterlassen im Sinne des Handlungsbegriffs ist daher nur dann zu verneinen, wenn auch ein anderer, den man sich im Vollbesitz aller in der konkreten Situation erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu denken hat, zur Vornahme der erwarteten Handlung nicht in der Lage gewesen wäre (zur individuellen Handlungsfähigkeit unten Rdn. 86). 4. Keine Handlungen sind ferner die Wirkungen, die von Personenverbänden 35 ausgehen („societas delinquere non potest"). Demgemäß gibt es eine Strafbarkeit von juristischen Personen oder von Personenvereinigungen nach deutschem Recht nichtl 8 . Nicht konsequent kann jedoch nach § 30 OWiG eine Geldbuße als Nebenfolge gegen Verbände ausgesprochen werden, wenn der Täter als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes oder als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten des Verbandes verletzt worden sind oder der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte (ablehnend Jescheck AT § 23 V 2). Keine Handlungen im strafrechtlichen Sinne sind endlich sämtliche Vorgänge 36 des seelischen Lebens (Gedanken, Pläne, Gefühle, Gesinnungen), selbst wenn sie im Prozeß durch Narkoanalyse festgestellt werden könnten, weil es dabei an einer Außenwirkung und damit an der sozialen Relevanz des Geschehens fehlt („cogitationis poenam nemo patitur") 1 9 . Von den Reflexbewegungen sind die automatisierten Verhaltensweisen zu unter- 37 scheiden, die bei der Führung von Kraftfahrzeugen eine erhebliche Rolle spielen. Sie werden von der Rechtsprechung und h. L. zu Recht als Handlungen im strafrechtlichen Sinne aufgefaßt 2 0 . Bei den automatisierten Handlungen werden die Reaktionen infolge der langen Gewöhnung und Übung durch äußere Reize unmittelbar und weitgehend unbewußt ausgelöst, so beim Gehen die Anpassung an das Gelände oder auf belebter Straße das Ausweichen und Überholen, beim Autofahren das Gasgeben, Bremsen, Kuppeln, Ausweichen und Überholen. Doch kann und muß der (mechanisch erscheinende) Ablauf jederzeit durch Willensakte in den

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Göhler Beiheft ZStW 1978, S. 110; übereinstimmend mit Hinweisen auf abweichendes ausländisches Recht Huß ZStW 90 (1978) S. 237 ff. Hierauf insbesondere stützt Maiwald ZStW 86 (1974) S. 642 die Notwendigkeit eines Handlungsbegriffs als Grundlage des Strafrechtssystems. So OLG Frankfurt VRS 28 364, 365; OLG Hamm JZ 1974 716; Baumann AT § 16 I 2 b; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 32; Jescheck AT §23 III 2 a; Maurach-Zipf AT § 16 I Β 2 a; Schewe Reflexbewegung S. 69 f; Spiegel DAR 1968 288; Stratenwerth Welzel-Festschrift S. 299 f ; v. Weber Engisch-Festschrift S. 337 f ; Welzel Fahrlässigkeit S. 33 f. Abweichend Franzheim NJW 196S 2000; Gössel Wertungsprobleme S. 110 f; Lange LK 9 § 51 Rdn. 3.

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2. Abschnitt. Die Tat

Bereich der bewußten Steuerung emporgehoben werden, sobald eine ungewöhnliche oder gefahrliche Situation das Überschreiten der Grenzen der Routine verlangt. Dies gilt auch für automatische (falsche) Reaktionen auf „Schrecksituationen" im Straßenverkehr, ζ. B. bei Ausweichen vor einem Kleintier bei hoher Geschwindigkeit (OLG Frankfurt VRS 28 364; AG Castrop-Rauxel DAR 1965 331), es sei denn, daß durch den Schreck eine plötzliche Lähmung des Nervensystems eingetreten sei (zum Körperreflex oben Rdn. 33). E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand Schrifttum Bruns Kritik der Lehre vom Tatbestand (1932); Burgstaller Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974); Dreher Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe, Heinitz-Festschrift (1972) S. 207; Engisch Die normativen Tatbestandselemente im Strafrecht, Mezger-Festschrift (1954) S. 127; Engisch Der Unrechtstatbestand im Strafrecht, DJT-Festschrift Bd. I (1960) S. 401; Engisch Auf der Suche nach der Gerechtigkeit (1971); Hardwig Die Zurechnung (1957); Heinitz Das Problem der materiellen Rechtswidrigkeit, Strafr. Abh. Heft 211 (1926); Heinitz Zur Entwicklung der Lehre von der materiellen Rechtswidrigkeit, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 266; Henkel Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit als regulatives Rechtsprinzip, Mezger-Festschrift (1954) S. 249; Herzberg Eigenhändige Delikte, ZStW 82 (1970) 896; Hirsch Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (1960); Horn Konkrete Gefährdungsdelikte (1973); Jakobs Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt (1972); Jescheck Die Entwicklung des Verbrechensbegriffs in Deutschland seit Beling im Vergleich mit der österreichischen Lehre, ZStW 73 (1961) S. 179; Jescheck Aufbau und Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht (1965); Armin Kaufmann Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie (1954); Armin Kaufmann Das fahrlässige Delikt, ZfRV 1964 41 ; Armin Kaufmann Zum Stand der Lehre vom personalen Unrecht, Welzel-Festschrift (1974) S. 393; Arthur Kaufmann Zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, JZ1954 653; Arthur Kaufmann Tatbestand, Rechtfertigungsgründe und Irrtum, JZ 1956 353, 393; Kern Grade der Rechtswidrigkeit, ZStW 64 (1952) S. 255; Klug Sozialkongruenz und Sozialadäquanz im Strafrechtssystem, Eb. SchmidtFestschrift (1961) S. 249; Krauß Erfolgsunwert und Handlungsunwert im Unrecht, ZStW 76 (1964) S. 19; Krümpelmann Die Bagatelldelikte (1968); Lampe Das personale Unrecht (1967); Lange Irrtumsfragen bei der ärztlichen Schwangerschaftsunterbrechung, JZ 1953 9; Langer Das Sonderverbrechen (1972); Lang-Hinrichsen Tatbestandslehre und Verbotsirrtum, JR 1952 304; Lorenz Der Rechtssatz als Bestimmungssatz, Engisch-Festschrift (1969) S. 150; Lüderssen Die strafrechtsgestaltende Kraft des Beweisrechts, ZStW 85 (1973) S. 288; Maihofer Zur Systematik der Fahrlässigkeit, ZStW 70 (1958) S. 159; Münzberg Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung (1966); Niese Finalität, Vorsatz, Fahrlässigkeit (1951); Nowakowski Probleme der Strafrechtsdogmatik, JB1. 1972 19; Otto Personales Unrecht, Schuld und Strafe, ZStW 87 (1975) S. 539; Roeder Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos (1969); Rödig Zur Problematik des Verbrechensaufbaus, Lange-Festschrift (1976) S. 39; Roxin Offene Tatbestände und Rechtspflichtmerkmale, 2. Aufl. (1970); Roxin Rechtsidee und Rechtsstoff in der Systematik unseres Strafrechts, Radbruch-Gedächtnisschrift (1968) S. 260; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975); Rudolphi Inhalt und Funktion des Handlungsunwerts im Rahmen der personalen Unrechtslehre, Maurach-Festschrift (1972) S. 51; Sax „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, JZ 1976 9, 80, 429; Schaffstein Putative Rechtfertigungsgründe und finale Handlungslehre, MDR 1951 196; Schaffstein Handlungsunwert, Erfolgsunwert und Rechtfertigung bei den Fahrlässigkeitsdelikten, Welzel-Festschrift (1974) S. 557 ; Schmidhäuser Fahrlässige Straftat ohne Sorgfaltspflichtverletzung, Schaffstein-Festschrift (1975) S. 129; Schröder Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe nach dem BGH, MDR 1953 70; Schünemann Neue Horizonte der Fahrlässigkeitsdogmatik, Schaffstein-Festschrift (1975) S. 159; Schweikert Die Wandlungen der Tatbestandslehre seit Beling (1957); Seiler Die Bedeutung des Handlungsunrechts im Verkehrsstrafrecht, Maurach-Festschrift (1972) S. 75; Stratenwerth Handlungs- und Erfolgsunrecht im Strafrecht, SchwZStr. 79 (1963) S. 233; Stratenwerth Zur Relevanz des Erfolgsunwertes im Strafrecht, Schaffstein-Festschrift (1975) (16)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

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S. 177; v. Weber Negative Tatbestandsmerkmale, Mezger-Festschrift (1954) S. 183; Welzel Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58 (1939) S. 491 ; Welzel Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte (1961); E. Wolf Typen der Tatbestandsmäßigkeit (1931); Zielinski Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff (1973); Zippelius Der Aufbau der modernen Unrechtslehre (1953).

I. Begriff und Wesen der Rechtswidrigkeit 1. Der Gesetzgeber stellt zur Sicherung des Zusammenlebens der Menschen in 38 der Rechtsgemeinschaft bindende Verhaltensnormen auf, die entweder Verbote oder Gebote enthalten. Das Wesen der Rechtswidrigkeit besteht einmal darin, daß ein bestimmtes Verhalten gegen eine in einer Rechtsnorm aufgestellte Unterlassungspflicht (bei Verboten) oder Handlungspflicht (bei Geboten) verstößt (formelle Rechtswidrigkeit). Wichtiger erscheint, daß die Rechtswidrigkeit auch inhaltlich bestimmt ist als Verhalten des Täters mit Rücksicht auf die Beeinträchtigung des durch die betreffende Norm geschützten Rechtsguts (materielle Rechtswidrigkeit21). Die materielle Rechtswidrigkeit ist der Orientierungspunkt des Gesetzgebers bei der Aufstellung der Straftatbestände und für die Anordnung im Gesetz (z. B. Straftaten gegen das Leben, Vermögensdelikte, Verkehrsstraftaten) und der Leitgedanke der Strafverfolgungsbehörden, wenn sie die Gesichtspunkte aufsuchen, nach denen eine Tat strafbar sein kann. Die materielle Rechtswidrigkeit erlaubt es ferner, das Unrecht nach Qualität und Quantität abzustufen (Kern ZStW 64 [1952] S. 255) und danach den Schweregrad der Tat in der Strafzumessung zum Ausdruck zu bringen (§ 46Abs. 2: „Die verschuldeten Auswirkungen der Tat"). 2. Die Strafrechtsnormen sind Willensäußerungen des Gesetzgebers, die ein 39 bestimmtes Verhalten der Rechtsgenossen fordern. Man nennt sie deswegen „Imperative" oder Bestimmungsnormen, die an alle Menschen gerichtet sind, für die sie inhaltlich in Betracht kommen 22 . Aus der Eigenschaft der Strafrechtsnorm als Bestimmungsnorm folgt, daß der Handlungswille das Kernstück der materiellen Rechtswidrigkeit sein muß, denn der dem Normbefehl entgegengesetzte menschliche Wille ist es, der mit seiner Verwirklichung das in der Norm enthaltene Verbot oder Gebot verletzt 23 . Die Rechtsnorm ist aber zugleich auch als Bewertungsnorm zu verstehen, durch die der Handlungswille einschließlich dessen, was er bewirkt hat, und die Art und Weise der Ausführung der Tat als mehr oder weniger großes Unrecht eingestuft werden 24 . Die Bewertungsnorm geht der Bestimmungsnorm 21

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Die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtswidrigkeit (näher Heinitz Materielle Rechtswidrigkeit S. 118 ; Jescheck A T § 24 I) wird von manchen für überflüssig gehalten (so Hirsch LK.9 Rdn. 12 vor § 5 1 ; Sch.-Schröder-Lenckner, Rdn. 52 vor § 13), doch ist sie in der Sache wohlbegründet und bedeutet nichts anderes als die Unterscheidung zwischen „Rechtswidrigkeit" und „Unrecht", die allgemein anerkannt ist; dazu Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 53 vor § 13 mit weiteren Nachweisen. Bockelmann AT § 9 III; Engisch Einführung S. 22 ff; Gerechtigkeit S. 29 f; Jescheck AT § 24 II 2; Armin Kaufmann Normentheorie S. 123 ff; Krauß ZStW 76 (1964) S. 34; Lorenz Engisch-Festschrift S. 150 ff; Maurach-Zipf AT § 24 II 2; Münzberg Verhalten und Erfolg S. 53 ff ; Samson SK Rdn. 3 vor § 3 2 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 51 vor § 13; Seiler Maurach-Festschrift S. 81; Stratenwerth SchwZStr. 79 (1963) S. 247 f; Zippelius Aufbau S.7. Auf diese Weise ergibt sich die Stellung des Vorsatzes im Unrecht als Konsequenz unmittelbar aus dem Wesen der Rechtsnorm (vgl. oben Rdn. 21). Den Vorrang der Bewertungsnorm betonen Baumann AT § 19 II 1 ; Blei AT § 30 II; Mezger AT S. 164.

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2. Abschnitt. Die Tat

sogar logisch voraus, da der Normbefehl erst ergeht, wenn die negative Bewertung eines bestimmten Tuns oder Unterlassens feststeht. 40 Das Wesen des Verbrechens ist gekennzeichnet durch die Begriffe Handlungsunwert, Erfolgsunwert und Gesinnungsunwert (oben Rdn. 11). Während der Gesinnungsunwert der Tat Gegenstand des Schuldurteils ist (unten Rdn. 70), wird die Rechtswidrigkeit durch den Handlungs- und Erfolgsunwert bestimmt 25 . Durch Aufnahme in die Handlungs- und Erfolgsbeschreibung der Strafvorschrift werden Handlungs- bzw. Erfolgsunwert eines bestimmten Verhaltens zum Handlungs- bzw. Έ.τϊο\%$unrecht. Das Handlungsunrecht besteht aus den Merkmalen des gesetzlichen Tatbestandes, durch welche die Art und Weise der Begehung der Tat gekennzeichnet wird (bei § 223 a ζ. Β. die Körperverletzungshandlung und der Gebrauch eines gefährlichen Werkzeugs). Es setzt sich aus äußeren und personalen Bestandteilen zusammen. Zum personalen Handlungsunrecht zählen die objektiv-täterschaftlichen Merkmale (ζ. B. die Richtereigenschaft bei der Rechtsbeugung), die subjektiven Tatbestandsmerkmale (ζ. B. die Zueignungsabsicht beim Diebstahl) sowie bei den Vorsatztatbeständen der Vorsatz als der dem Normbefehl widersprechende Handlungswille 26 , bei den Fahrlässigkeitsdelikten die objektive Sorgfaltsverletzung als die Zuwiderhandlung gegen Art und Maß der vom Täter nach Sachlage geforderten Aufmerksamkeit 27 . Das Erfolgsunrecht liegt in der Verletzung oder Gefährdung des durch den Tatbestand geschützten Handlungsobjekts 28 . Handlungs- und Erfolgsunrecht ergeben zusammen den materiellen Unrechtsgehalt der Tat, so daß das Unrecht der vollendeten Tat schwerer wiegt als das der bloß versuchten. Der neuerdings auf der Grundlage einer rein final verstandenen Unrechtslehre vertretene

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So Armin Kaufmann Welzel-Festschrift S. 393 ff; Krauß ZStW 76 (1964) S. 38 ff; Krümpelmann Bagatelldelikte S. 62 ff; Lampe Das personale Unrecht S. 13 ff; Otto ZStW 87 (1975) S. 539 ff; Rudolphi Maurach-Festschrift S. 51 ff; Samson SK Rdn. 5 vor § 32; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 54 ff vor § 13; Stratenwerth SchwZStr. 79 (1963) S. 237 ff. So heute die ganz h. L.: Blei AT § 34; Bockelmann AT § 12 A II 1 a; Dreher Rdn. 9, 26 vor § 1; Gallas Beiträge S. 45 ff ; Hirsch LK 9 Rdn. 160 vor §51; Jescheck AT §24 III 4 c; Armin Kaufmann Welzel-Festschrift S. 391; Krauß ZStW 76 (1964) S. 56; Lackner Vorbem. III 2 vor § 13; Maurach-Zipf AT § 20 I 2 b; Nowakowski JB1.1972 22 f; Otto Grundkurs §7 IV; Roxin Radbruch-Gedächtnisschrift S. 266; Rudolphi SK Rdn. 36 vor §1; Samson SK Rdn. 5 vor § 32; Schaffstein MDR 1951 196; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 54 vor § 13; Stratenwerth AT I Nr. 231 ff; Welzel Lb § 11 I 3; Wessels AT § 5 III 4; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff S. 79 ff. Anders vor allem Schmidhäuser AT 6/7 ff. Auch dies ist heute ganz herrschende Ansicht: BGH VRS 14 30; OLG Köln NJW 1963 2381 ; Blei AT § 82 I; Bockelmann AT § 12 A II 1 b; Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt S. 19; Engisch DJT-Festschrift Bd. I S. 412; Gallas Beiträge S. 53 f; Hardwig Zurechnung S. 128; Henkel Mezger-Festschrift S. 282; Hirsch LK 9 Rdn. 160 vor § 51 ; Jescheck AT § 55 I 1 ; Aufbau S. 7 ff; Armin Kaufmann ZfRV 1964 45; Lackner § 15 Anm. 1 a aa; Maihofer ZStW 70 (1958) S. 184 ff; Niese Finalität S. 61; Nowakowski JB1. 1972 31 f; Roxin Täterschaft S. 527 f; Rudolphi Maurach-Festschrift S. 63; Sax JZ 1976 84; Schaffstein WelzelFestschrift S. 557; Samson SK Anhang zu § 16 Rdn. 6; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 54 vor § 13; Schiinemann Schaffstein-Festschrift S. 159; Welzel Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte S. 24 f; Wessels AT §15 I 1; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunrecht im Unrechtsbegriff S. 168 ff. Anders vor allem Maurach AT 4 § 44 II A und Schmidhäuser Schaffstein-Festschrift S. 131 ff.

& Weitergehend Sch.-Schröder-Lenckner

R d n . 57 vor § 13. (18)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

Vor § 13

extreme Standpunkt 29 , daß der Erfolgsunwert für den Unrechtsgehalt der Tat keine Bedeutung habe außer der, daß das Strafbedürfnis damit an eine äußere Manifestation der Mißachtung des Verbots geknüpft werde, ist abzulehnen. Das Unrecht besteht nicht nur in der Relation zwischen Handlungswillen und Normbefehl, sondern auch in dem realen Schaden, den der Verletzte und die Gemeinschaft durch die Tat erleiden und der durch den Normbefehl verhindert werden soll. Daß der Gesetzgeber selbst den Erfolgsunwert als konstitutiven Faktor des Unrechtsgehalts der Tat versteht, zeigt sich bei den Fahrlässigkeitsdelikten daran, daß die sorgfaltswidrige Handlung für sich allein in der Regel nicht strafbar oder nur eine Ordnungswidrigkeit ist, bei den Vorsatzdelikten daran, daß auch der beendete Versuch als Versuch milder behandelt wird und nicht der Vollendung gleichgestellt ist 30 . II. Der Tatbestand 1. Der Begriff des Tatbestandes31 wird in verschiedener Weise gebraucht. Im Rah- 41 men des viergliedrigen Verbrechensbegriffs der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung (oben Rdn. 3) sind nur Rechtswidrigkeit und Schuld materielle Wertmaßstäbe. Im Verhältnis dazu hat der Handlungsbegriff eine bloße Abgrenzungsfunktion gegenüber strafrechtlich nicht relevantem Geschehen (oben Rdn. 31 ff)· Der Tatbestand ist dagegen die äußere Gestalt, in der die für eine bestimmte Deliktsform typischen Rechtswidrigkeitsmerkmale als Unrechtstatbestand oder die typischen Schuldmerkmale als Schuldtatbestand in Erscheinung treten. Unrechts- und Schuldtatbestand als Einheit bilden durch Zusammenfassung der Gesamtheit der den Deliktstypus konstituierenden Unrechts- und Schuldmerkmale den Deliktstatbestand. Außerhalb des Unrechtstatbestandes steht der die Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes jeweils beschreibende Erlaubnistatbestand. Die Gesamtheit der Merkmale, die in die Garantiefunktion des Art. 103 II GG einbezogen sind ( Tröndle LK § 1 Rdn. 1), nennt man Garantietatbestand. Die Gesamtheit der Merkmale, auf die sich der Vorsatz beziehen muß, bilden den „gesetzlichen Tatbestand" im Sinne des § 16 Abs. I 3 2 . 2. Im Zentrum der Verbrechenslehre steht der Unrechtstatbestand. Er umfaßt als 42 die Verkörperung des „Unrechtstypus" alle diejenigen Merkmale, die den materialen Unrechtsgehalt einer bestimmten Deliktsart begründen oder diesen Unrechtsgehalt gegenüber der Grundform des Delikts erhöhen (qualifizierende Merkmale)

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So Horn Konkrete Gefährdungsdelikte S. 78 ff ; Armin Kaufmann Welzel-Festschrift S. 410; Lüderssen ZStW 85 (1973) S. 292; Schaffstein Welzel-Festschrift S. 561; Welzel Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte S. 21; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunrecht S. 135 ff, 205 ff. So Jakobs Studien S. 120 ff; Jescheck AT § 24 III 1; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 59 vor §13; Schünemann Schaffstein-Festschrift S. 171 ff; Stratenwerth Schaffstein-Festschrift S. 182 ff. Zur Dogmengeschichte Bruns Kritik der Lehre vom Tatbestand, 1932; Jescheck ZStW 73 (1961) S. 179 ff; Schweikert Die Wandlungen der Tatbestandslehre seit Beling (1957) S. 14 ff. Die Lehre von Sax JZ 1975 144 und 1976 9, 80, 429, der zum gesetzlichen Tatbestand zusätzlich noch das „Bewirken einer strafwürdigen Rechtsgutsverletzung" fordert, verkennt, daß die Deliktsbeschreibung die Rechtsgutsverletzung einschließt (unten Rdn. 42).

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

oder vermindern (privilegierende Merkmale) 33 . Die Merkmale des Unrechtstatbestands ergeben sich aus seiner Funktion, das deliktstypische Unrecht möglichst erschöpfend zu kennzeichnen. So läßt der Unrechtstatbestand das Rechtsgut erkennen, dessen Schutz der Gesetzgeber im Auge gehabt hat (oben Rdn. 6). Er gibt weiter an, welches Handlungsobjekt in Betracht kommt, welches Ausmaß der Verwirklichung des Unrechts gegeben sein muß (Versuch oder Vollendung) und welche Modalitäten des Angriffs Verhaltens vorausgesetzt oder als qualifizierende Merkmale zusätzlich erfaßt werden. Neben den objektiven enthält der Unrechtstatbestand auch subjektive Merkmale. Hierzu gehören bei den Vorsatzdelikten der Vorsatz (oben Rdn. 40) und die subjektiven Tatbestandsmerkmale (Überblick bei Jescheck AT § 30), bei den Fahrlässigkeitstaten die Verletzung der dem Täter obliegenden objektiven Sorgfaltspflicht (oben Rdn. 40). Der Unrechtstatbestand soll den typischen Unrechtsgehalt der betreffenden Deliktsart erschöpfend umschreiben. Es kann jedoch sein, daß dem Gesetzgeber die vollständige Bezeichnung des Unrechtsgehalts im Tatbestand nicht möglich oder nicht gelungen ist und daß deswegen dem Richter die Formulierung dieser zusätzlichen Merkmale im Wege der Tatbestandsergänzung überlassen bleiben muß. Das gilt ζ. B. für die Garantenstellung bei den unechten Unterlassungsdelikten, die in § 13 nur generell angegeben ist (Jescheck LK § 13 Rdn. 14) oder für die Kennzeichnung der konkreten Sorgfaltspflicht bei den Fahrlässigkeitsdelikten. Auch in diesem Fall sind die im Gesetz fehlenden und vom Richter einzusetzenden Teilstücke nichts anderes als Merkmale des Unrechtstatbestandes. 43

3. Demgegenüber behauptet ein Teil der Lehre, daß es neben diesen „geschlossenen" auch „offene" Tatbestände gebe, aus denen sich die Unrechtsmerkmale der betreffenden Deliktsart nicht vollständig, sondern nur teilweise entnehmen ließen, wie die Nötigung (§ 240) oder die Erpressung (§ 253). Das Fehlende müsse durch positive Rechtswidrigkeitsmerkmale ergänzt werden, die außerhalb des Tatbestandes stünden 34 . Die Lehre von den offenen Tatbeständen ist jedoch abzulehnen, da ein Unrechtstatbestand, der als Typus verstanden werden soll, nur geschlossen gedacht werden kann 3 5 . Eine Besonderheit ist jedoch zu beachten. Die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 und des § 253 Abs. 2 ist so allgemein abgefaßt, daß sie nicht nur die notwendige Ergänzung der sonst noch farblosen Beschreibung des Tatbestandes des Absatz 1, sondern auch die Gesamtbewertung der Tat enthält (gesamttatbewertendes Merkmal). Die gesamttatbewertenden Merkmale müssen somit in ihre die Grundlagen des Werturteils betreffenden Bestandteile (ζ. B. die Verkehrswidrigkeit der Drohung mit Rücksicht auf die Mittel-Zweck-Beziehung) und das Werturteil selbst (Verwerflichkeit) zerlegt werden: Die ersteren gehören

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RGSt. 63 215, 28; BGHSt. 16 155, 158; Blei AT § 31 II; Bockelmann AT § 10 I 1 ; Gallas Beiträge S. 32 f; Heimann-Trosien L K 9 Einleitung Rdn. 53; Hirsch L K 9 Rdn. 6 vor § 51; Jescheck AT § 25 I 2; Lackner Vorbem. III 3 vor § 13; Rudolphi SK Rdn. 34 vor § 1; Sch.Schröder-Lenckner Rdn. 48 vor § 13 ; Stratenwerth AT I Rdn. 163 ; Wessels AT § 5 II 2. So Armin Kaufmann Normentheorie S. 101, 257 f; Maurach-Zipf AT § 24 I Β 2; Welze! Lb § 14 I 2 b. So Baumann AT § 1 9 III 2 a ; Engisch DJT-Festschrift Bd. I S. 411 f; Gallas Beiträge S. 39 f; Hirsch L K 9 Rdn. 15 vor § 51; Jescheck AT § 2 5 II 1; Lang-Hinrichsen J R 1952 304 f; Roxin Offene Tatbestände S. 167 ff; Samson SK Rdn. 17 vor § 32; Schmidhäuser AT 9 / 1 1 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 66 vor § 13; Stratenwerth AT I Rdn. 352. (20)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

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zum Tatbestand, das letztere gehört zur Rechtswidrigkeit 36 . Eine andere Frage ist es, ob man bei Prüfung der Verwerflichkeit zunächst von denjenigen Umständen des Sachverhalts abzusehen hat, die einen Rechtfertigungsgrund ergeben können, und erst danach die Tat auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtfertigungsgrundes betrachtet oder ob das Verwerflichkeitsurteil von vornherein immer auch schon die sachlichen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes einschließt 37 . 4. Da der Unrechtstatbestand alle den Unrechtsgehalt einer bestimmten Delikt- 44 sart kennzeichnenden Merkmale zusammenfaßt, ergibt sich, daß eine tatbestandsmäßige Handlung in der Regel auch rechtswidrig ist (die Rechtswidrigkeit wird durch die Tatbestandsmäßigkeit „indiziert"). Sie ist es nur dann nicht, wenn ausnahmsweise ein Erlaubnissatz eingreift. Die Erlaubnissätze, die den Verboten der Tatbestände als Gewährungen gegenüberstehen, nennt man Rechtfertigungsgründe. Ihre Merkmale gehören nicht zum Unrechtstatbestand, da sie nicht den Deliktstypus kennzeichnen, sondern gerade sein Gegenteil. Demgegenüber behauptet die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen, daß der Unrechtstatbestand nicht nur die deliktstypischen, sondern alle die Rechtswidrigkeit betreffenden Merkmale umfassen soll 38 . Zur Begründung wird vor allem geltend gemacht, daß sich die abschließende Wertung einer Tat als rechtswidrig erst unter Einbeziehung der Prüfung der in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe ergebe und daß die Erfüllung des Unrechtstatbestandes für sich allein keine selbständige Wertungsstufe darstelle. Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ist jedoch abzulehnen39. Strafrechtsnormen können zwar durch Vorwegentscheidung bestimmter Wertungskollisionen von vornherein eingeschränkt sein (z. B. wird die Schwangere nach §218 IV 2 nicht wegen versuchter Abtreibung bestraft). Anders liegt es jedoch bei den Rechtfertigungsgründen. Sie erfordern eine im Einzelfall vorzunehmende Wertabwägung nach den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, und sie treten dabei der Verbotsnorm (und zwar nicht nur einer einzelnen, sondern allen oder mehreren) mit ihrem eigenen Wertgehalt selbständig gegenüber. Es trifft deswegen auch nicht zu, daß Tatbestandsmerkmale und Merkmale von Rechtfertigungsgründen mit umgekehrten Vorzeichen gegeneinander austauschbar wären. Die Unterschiede haben vielmehr sachliche Bedeutung: die tatbestandslose Handlung ist nicht strafwürdig, weil ihr die strafrechtliche Erheblichkeit abgeht; der tatbestandsmäßigen, aber gerechtfertigten Handlung fehlt dagegen die Straf36

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Engisch Mezger-Festschrift S. 157 ff; Jescheck AT § 25 II 2; Roxin Offene Tatbestände S. 132 ff; Samson SK Rdn. 18 vor § 32. Gegen diesen Begriff Schmidhäuser AT 9/12. Im ersteren Sinne Hirsch LK 9 Rdn. 15 vor § 51; Jescheck AT § 25 II 2, im letzteren Sch.Schröder-Lenckner Rdn. 66 vor § 13. So Engisch DJT-Festschrift Bd. I S. 406 ff; Arthur Kaufmann JZ 1954 563 und 1956 353, 393; Lange JZ 1953 9; Mezger L K 8 Einleitung III 3; Röding Lange-Festschrift S.48; Roxin Offene Tatbestände S. 121 ff, 173 ff; Samson SK Rdn. 6 ff vor §32; Schaffstein MDR 1951 196; Schröder MDR 1953 70; v. Weber Mezger-Festschrift S. 183. Auch die Rechtsprechung verwendet dieses Konzept: RGSt. 54 36; 64 101 ; BGHSt. 3 105, 106 f; 3 194, 196. So Baumann AT § 19 III 3 am Ende; Bockelmann AT § 10 II; Dreher Heinitz-Festschrift S. 217 ff; Gallas Beiträge S. 41 ff; Heimann-Trosien L K 9 Einleitung Rdn. 54; Hirsch Negative Tatbestandsmerkmale S. 371 ; Jescheck AT § 25 III 2; Armin Kaufmann Normentheorie S. 155, 248; Lackner Vorbem. III vor § 13; Maurach-Zipf AT § 37 I E 2 a; Schmidhäuser AT 9 / 8 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 17 vor § 13; Stratenwerth AT I Nr. 165 ff; Welze! Lb § 14 I 1 ; Wessels AT § 5 II 3.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Würdigkeit, weil die Tat trotz der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts mit Rücksicht auf entgegenstehende Werterwägungen ausnahmsweise kein Unwerturteil verdient. Auch für die Lösung des Problems des Irrtums über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes erbringt die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen nur einen Scheinvorteil, weil diese Frage gar nicht von der Stellung der Rechtfertigungsgründe im Verbrechenssystem, sondern von der Erfassung der dem Irrtum zugrunde liegenden Situation abhängt. 45

5. Die ursprünglich von Welzel (ZStW 58 [1939] S. 516) begründete Lehre von der Sozialadäquanz besagt nicht mehr als etwas Selbstverständliches: daß nämlich Handlungen, die vollständig im Rahmen des geschichtlich gewordenen Gemeinschaftslebens liegen, kein tatbestandsmäßiges Unrecht darstellen können, selbst wenn sie mit Gefahren für strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verbunden sind. Daraus folgt, daß der Gedanke der sozialen Adäquanz nur ein Gesichtspunkt für die Auslegung der Tatbestände ist 40 , er kann kein Rechtfertigungsgrund sein 41 und erst recht nicht bei der Schuld in Betracht kommen 42 . Die Rechtsprechung hat den Gedanken der sozialen Adäquanz gelegentlich zur Einschränkung der Tatbestände herangezogen: der Ehemann, der seine Familie verläßt, bleibt noch im Rahmen sozial adäquaten Verhaltens, auch wenn er weiß, daß er damit die Gefahr des Selbstmordes der Ehefrau heraufbeschwört (BGHSt. 7 268, 271); das Ausschenken alkoholischer Getränke durch den Gastwirt gehört zu den „allgemein als sozial üblich anerkannten Verhaltensweisen" (BGHSt. 19 152, 154); §86 Abs. 3 ist Ausdruck des Gedankens, daß „sozialadäquate Benutzung" verfassungsfeindlichen Materials — aber nur diese — nicht unter den Tatbestand des § 86 Abs. 1 fällt (BGHSt. 23 226, 228; ähnlich BayObLG NJW 1962 1878). Andere Fälle der sozialen Adäquanz sind die Beleidigung durch ehrenrührige Äußerungen im engsten Familienkreis, die Unterhaltung gefährlicher Betriebe, bei denen erfahrungsgemäß trotz Beobachtung der gebotenen Sorgfalt Unglücksfälle vorkommen (ζ. B. Steinbrüche, Großbaustellen, chemische Werke) sowie Verletzungen, die bei manchen Sportarten wie Boxen, Rugby, Eishockey oder Fußball auch bei sorgfältiger Einhaltung der Spielregeln einzutreten pflegen. Andere in diesem Zusammenhang genannte Beispiele wie das übliche Neujahrsgeschenk an den Postboten (§ 331), das Glücksspiel mit geringem Einsatz (§ 284) oder das Uniformtragen bei Fastnachtsumzügen (§ 132 Abs. 1 Nr. 4) stellen schon keine Beeinträchtigung des jeweils geschützten Rechtsguts dar, fallen also bereits deswegen nicht unter die betreffenden Tatbestände.

46

6. Die Tatbestände folgen in ihrem Aufbau bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die sich aus den verschiedenen Möglichkeiten der Kombination der Elemente Rechtsgut, Täter, Handlung, Handlungsobjekt, Verletzung und Gefährdung ergeben. Auf diese Weise entstehen Typen der Tatbestände43, die im strafrechtlichen Sprachgebrauch einen festen Platz haben und auch für die Gliederung und Auslegung der 40

41 42 43

So Engisch DJT-Festschrift Bd. I S. 418; Jescheck AT § 25 IV 1; Hirsch LK 9 Rdn. 22 vor § 51 ; Klug Eb. Schmidt-Festschrift S. 255 ; Krauß ZStW 76 (1964) S. 48; Maurach-Zipf AT § 17 II B; Samson SK Rdn. 14 f vor § 32; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 70 vor § 13; Stratenwerth AT I Nr. 334 ff; Welze! Lb § 10 IV; Wessels AT § 2 II 2. So aber Dreher Rdn. 12 vor § 32; Otto Grundkurs § 6 III 2 a; Schmidhäuser AT 9/26 f. So aber Roeder Sozialadäquates Risiko S. 94. So E. Wolf Typen der Tatbestandsmäßigkeit S. 12 ff. (22)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

Vor § 13

Strafvorschriften von Bedeutung sind 44 . Nach den beiden Grundformen menschlichen Verhaltens, positives Tun und Unterlassen (oben Rdn. 28), unterscheidet man Begehungs- und Unterlassungsdelikte und bei den letzteren echte und unechte Unterlassungsdelikte (unten Rdn. 84). Beispiele für echte Unterlassungsdelikte sind die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138) und die unterlassene Hilfeleistung (§ 330 c). Je nachdem, ob zur Vollendung der Tat ein von der Handlung getrennter Erfolg gehört oder nicht, werden Erfolgs- und Tätigkeitsdelikte unterschieden und innerhalb der Erfolgsdelikte die durch den Erfolg qualifizierten Delikte (§ 18). Je nach der Intensität der Beeinträchtigung des Handlungsobjekts gliedern sich die Erfolgsdelikte in Verletzungs- und (konkrete) Gefährdungsdelikte. Während die konkreten Gefährdungsdelikte den Eintritt der Gefahr als Tatbestandsmerkmal voraussetzen (z. B. die Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315 c), genügt bei den abstrakten Gefährdungsdelikten die generelle Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens (z. B. die Trunkenheit im Verkehr, § 316). Erfolgsdelikte, deren Wirkung über einen gewissen Zeitraum anhält, sind Dauerdelikte, wenn die Aufrechterhaltung des Zustands vom Willen des Täters abhängt (z. B. die Freiheitsberaubung, § 239) oder Zuständsdelikte, wenn die Tat rechtlich mit dem Eintritt des Erfolges beendet ist. Nach der Abgrenzung des Täterkreises werden allgemeine Delikte, Sonderdelikte und eigenhändige Delikte unterschieden. Bei allgemeinen Delikten kann jedermann Täter sein, bei den echten Sonderdelikten kommen nur die im Tatbestand besonders gekennzeichneten Personen als Täter in Betracht (z. B. Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr), bei den unechten Sonderdelikten ist die Täterschaft qualifizierter Personen ein Strafschärfungsgrund (z. B. die Körperverletzung im Amt, § 340)45. Bei den eigenhändigen Delikten setzt der Tatbestand einen körperlich zu vollziehenden Akt voraus, den der Täter in eigener Person vornehmen muß (z. B. der Meineid, § 153)46. 7. Die Strafvorschriften des Besonderen Teils weisen bestimmte innere Zusam- 47 menhänge auf 4 7 . Es gibt einmal das Verhältnis des Grunddelikts zu seinen unselbständigen Abwandlungen, wobei durch Hinzufügung von Merkmalen zum Grundtatbestand neue Tatbestände geschaffen werden, die entweder qualifizierender oder privilegierender Natur sein können. Neben der Möglichkeit, durch Hinzufügung qualifizierender Merkmale abgeleitete Abwandlungen eines Grunddelikts zu bilden, macht der Gesetzgeber zunehmend von der Möglichkeit Gebrauch, Strafschärfungsgründe ohne tatbestandliche Ausformung durch besonders schwere Fälle auszudrücken (z. B. § 266 Abs. 2), die durch Regelbeispiele illustriert sein können (z. B. § 243 Abs. 1 S. 2), bzw. Strafmilderungsgründe als minder schwere Fälle zu bezeichnen (z. B. § 177 Abs. 2). Dabei handelt es sich aber nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um Strafzumessungsregeln (Jescheck AT § 26 V). Den abgeleiteten Abwandlungen stehen die eigenständigen Delikte gegenüber, die zwar im geschützten Rechtsgut und in der Handlungsbeschreibung mit anderen Delikten verwandt sind, aber die charakteristische Beziehung zu einem Grundtatbestand nicht aufweisen (z. B. der Raub im Verhältnis zum Diebstahl und zur Nötigung). So ist z. B.

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Eingehend Heimann-Trosien LK.9 Einleitung Rdn. 64 ff ; Jescheck AT §26 II; Zipf AT § 20 III; Schmidhäuser AT 8/37 ff; Wessels AT § 1 II 2 ff. Langer Das Sonderverbrechen S. 456. Herzberg ZStW 82 (1970) S. 913 ff. Näher Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 77 ff; Jescheck AT § 26 III.

Maurach-

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

G r u n d d e l i k t d e s D i e b s t a h l s d e r e i n f a c h e D i e b s t a h l (§ 242). D a v o n s i n d abgeleitet d i e S t r a f s c h ä r f u n g f ü r b e s o n d e r s s c h w e r e F ä l l e m i t R e g e l b e i s p i e l e n (§ 243), als q u a lifizierte T a t b e s t ä n d e d e r D i e b s t a h l mit W a f f e n u n d d e r B a n d e n d i e b s t a h l (§ 244), als privilegierte T a t b e s t ä n d e d e r H a u s - u n d F a m i l i e n d i e b s t a h l (§ 247) u n d d e r D i e b stahl g e r i n g w e r t i g e r S a c h e n (§ 248 a) d u r c h d a s A n t r a g s e r f o r d e r n i s . E i n e i g e n s t ä n diges V e r b r e c h e n d e r D i e b s t a h l s g r u p p e ist d e r r ä u b e r i s c h e D i e b s t a h l (§ 252). III. Kausalität und objektive Zurechnung Schrifttum Burgstaller Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974); v. Buri Über Causalität und deren Verantwortung (1873); Engisch Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931); J. Glaser Abhandlungen aus dem österreichischen Strafrecht (1858); Hardwig Verursachung und Erfolgszurechnung, JZ 1968 289; Reinhard v. Hippel Gefahrurteil und Prognoseentscheidungen in der Strafrechtspraxis (1972); Honig Kausalität und objektive Zurechnung, Frank-Festgabe Bd. I (1930) S. 174; Jakobs Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt (1972); Kahrs Das Vermeidbarkeitsprinzip und die conditio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht (1972); Armin Kaufmann Tatbestandsmäßigkeit und Verursachung im Contergan-Verfahren, JZ 1971 569; Arthur Kaufmann Die Bedeutung der hypothetischen Erfolgsursachen im Strafrecht, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 200; Kienapfel Die Fahrlässigkeit usw., Zeitschrift für Verkehrsrecht 1977 1 ; Kion Grundfragen der Kausalität bei Tötungsdelikten, JuS 1967 499; Maihofer Zur Systematik der Fahrlässigkeit, ZStW 70 (1958) S. 159; Maurach Adäquanz der Verursachung oder der Fahrlässigkeit, GA 1960 97 ; Naucke Über das Regreßverbot im Strafrecht, ZStW 76 (1964) S. 409; Oehler Die erlaubte Gefahrsetzung und die Fahrlässigkeit, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 232; Otto Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht, Maurach-Festschrift (1972) S. 91; Otto Grenzen der Fahrlässigkeit im Strafrecht, JuS 1974 702; Radbruch Die Lehre von der adäquaten Verursachung (1902); Roxin Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, Honig-Festschrift (1970) S. 132; Roxin Zum Schutzzweck der Norm bei fahrlässigen Delikten, Gallas-Festschrift (1973) S. 241; Rudolphi Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm in der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre, JuS 1969 549; Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972); Schaffstein Die Risikoerhöhung als objektives Zurechnungsprinzip, Honig-Festschrift (1970) S. 169; Ellen Schlüchter Grundfälle von der Lehre der Kausalität, JuS 1976 312 (m. Forts.); Spendel Die Kausalitätsformel der Bedingungstheorie für die Handlungslehre, Diss. Heidelberg 1948; Tarnowski Die systematische Bedeutung der adäquaten Kausalitätstheorie für den Aufbau des Verbrechensbegriffs (1927); Traeger Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht (1904); Ulsenheimer Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzungen usw., JZ 1969 364; Wälder Die Kausalität im Strafrecht, SchwZStr. 93 (1977) S. 113; E. A. Wolff Kausalität von Tun und Unterlassen (1965). 48

1. D i e V o l l e n d u n g d e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g h ä n g t bei d e n E r f o l g s d e l i k t e n ( o b e n R d n . 46) v o n d e m Eintritt des t a t b e s t a n d s m ä ß i g e n E r f o l g e s ab. H a n d l u n g u n d E r f o l g s i n d j e d o c h n i c h t isoliert v o n e i n a n d e r zu b e t r a c h t e n , s o n d e r n m ü s s e n dergestalt z u e i n a n d e r in B e z i e h u n g s t e h e n , d a ß d e r E r f o l g d e m T ä t e r als E r g e b n i s seiner H a n d l u n g z u g e r e c h n e t w e r d e n k a n n (objektive Zurechnung). W i e d e r T a t b e s t a n d d e r E r f o l g s d e l i k t e zeigt — g a n z d e u t l i c h w i r d dies bei d e n f a h r l ä s s i g e n E r f o l g s d e likten (z. B. §§ 222, 230, 309) — g e h t d a s G e s e t z d a v o n aus, d a ß f ü r d i e o b j e k t i v e Z u r e c h n u n g d i e Kausalität z w i s c h e n H a n d l u n g u n d E r f o l g e r f o r d e r l i c h , a b e r a u c h a u s r e i c h e n d i s t 4 8 . D e r T ä t e r m u ß d e n E r f o l g d u r c h seine H a n d l u n g w e n i g s t e n s mit 48

Die neuere Lehre unterscheidet zu Recht zwischen Kausalität und objektiver Zurechnung und gründet die letztere auf den Gedanken, daß der Erfolg als „Tat" eines Menschen erscheinen muß, die nach dem Sinn und Zweck des Strafrechts eine Sanktion nach sich (24)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

Vor § 13

verursacht haben, doch braucht die Handlung andererseits nicht die bestimmende oder die letzte Ursache des Erfolges gewesen zu sein. Als Verbindungsglied zwischen Handlung und Erfolg ist die Kausalität ebenso wie Handlung und Erfolg selbst ein objektives Tatbestandsmerkmal 4 9 . Die objektive Zurechnung stimmt indessen nur in der Regel, nicht jedoch immer mit der Kausalität überein. Auf der einen Seite gibt es Fälle, in denen ein tatbestandsmäßiger Erfolg auch dann objektiv zugerechnet wird, wenn er vom Täter nicht verursacht worden ist. Hauptbeispiele sind das unechte Unterlassungsdelikt (Jescheck LK § 13 Rdn. 16) und die Verhinderung einer im Gange befindlichen Rettungshandlung. In diesen Fällen ist keine reale, sondern nur eine hypothetische (gedanklich vermittelte) Kausalität gegeben, die man freilich in einen neu zu bildenden Begriff der ÄecA/skausalität (so Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 89) einbeziehen könnte. Weiter wird bei manchen objektiven Strafbarkeitsbedingungen (z. B. beim Raufhandel, § 227 ; bei den Konkursdelikten, §§ 283 bis 283 d; beim Vollrausch, § 330 a) die Ursächlichkeit der tatbestandsmäßigen Handlung für den Eintritt der Bedingung nicht verlangt (unten Rdn. 79). Endlich wird von der Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums die Frage, ob die Beihilfe zur vollendeten Tat die Kausalität der Hilfeleistung für den Erfolg voraussetzt, verneint (Roxin LK § 27 Rdn. 1). Auf der anderen Seite wird von der neueren Lehre in bestimmten Fällen die objektive Zurechnung trotz Vorliegens der Kausalität abgelehnt (unten Rdn. 59 ff)· 2. Nach der herrschenden Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ist ein Erfolg 49 durch eine Handlung dann verursacht, wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (hypothetisches Eliminationsverfahren). Die Handlung muß also, um ursächlich zu sein, eine „conditio sine qua non" des Erfolges darstellen. Die Bedingungstheorie, die durch den österreichischen Prozessualisten Julius Glaser (Abhandlungen S. 298) begründet und den Reichsgerichtsrat Maximilian v. Buri ausgebaut worden ist (Über Causalität S. 1), wird von der Rechtsprechung ständig angewendet 5 0 und auch im Schrifttum überwiegend vertreten 5 '. 3. Als Definition des ontologischen Ursachenzusammenhangs ist die Bedin- 50 gungstheorie unanfechtbar. Die in neuerer Zeit zunehmend erhobenen Einwendungen richten sich auch nicht gegen die Bedingungstheorie als solche, sondern gegen die Feststellung des Ursachenzusammenhangs mit Hilfe des hypothetischen Eliminationsverfahrens. Die genannte Formel, die das wirkliche Geschehen mit einem

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(25)

ziehen kann; so schon Honig Frank-Festgabe Bd. I S. 174 ff; ferner Bockelmann AT § 13 A V 2; Reinhard v. Hippel Gefahrurteil S. 80; Jescheck AT § 28 I 2; Kahrs Das Vermeidbarkeitsprinzip S. 19 ff; Maurach-Zipf AT § 1 8 III; Roxin Honig-Festschrift S. 135 ff; Rudolphi SIC Rdn. 57 vor § 1 ; Samson Hypothetische Kausalverläufe S. 37 ff ; Schmidhäuser A T 8 / 6 2 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 71 vor § 13; Wessels AT § 6 II 2. Engisch Die Kausalität S. 4; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 88; Maurach-Zipf AT § 18 I C. RGSt. 1 373, 374 bis 77 17, 18; BGHSt. 1 332; 2 20, 24; 3 62, 63; 7 112, 114; 24 31, 34; BGH Daliinger M D R 1967 368; OGHSt. 1 321, 330, 365, 367; 2 285, 286; OLG Hamm NJW 1970 1244. Baumann AT § 17 II ; Dreher Rdn. 17 vor § 1 ; Kohlrausch-Lange Vorbem. II Β 1 ; Lackner Vorbem. III 1 c vor § 13; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 91 ff; v. Liszt-Schmidt AT § 29 II 1 ; Maurach-Zipf XT § 18 II A; Stratenwerth AT I Nr. 212; Wehet Lb § 9 II; Wessels AT § 6 I 2.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

hypothetischen Kausalverlauf vergleicht, leidet an zwei Mängeln, die sie als Scheinlösung erweisen (Schmidhäuser AT 8/59). Einmal setzt die Antwort auf die Frage, ob beim „Wegdenken" einer bestimmten Handlung der Erfolg entfiele, bereits voraus, daß man den ursächlichen Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg bereits kennt, weil die Frage sonst nicht beantwortet werden kann 5 2 . Ist die Wirkungsweise der Handlung aber unbekannt, so belehrt auch ihre gedankliche Elimination nicht darüber, ob sie auf den Erfolg Einfluß gehabt hat oder nicht. Zum anderen führt das gedankliche Eliminationsverfahren dann in die Irre, wenn im Falle des Ausbleibens der Handlung eine bereitstehende Ersatzursache den Erfolg im gleichen Zeitpunkt und in gleicher Weise herbeigeführt hätte (hypothetische Kausalität) oder wenn der Erfolg von mehreren gleichzeitig und unabhängig voneinander wirksamen Bedingungen herbeigeführt worden ist (alternative Kausalität). 51

4. Richtig ist es deswegen, unmittelbar danach zu fragen, ob die Handlung den Erfolg nach unserem Erfahrungswissen von den Erscheinungen der Welt und ihrer Verknüpfung mit Folgen tatsächlich verursacht oder mitverursacht hat. Für die Kausalität als seinsmäßigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung kommt es allein darauf an, ob sich an eine Handlung Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung durch eine gesetzmäßige Beziehung verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen (Formel von der gesetzmäßigen Bedingung5^). Das hypothetische Eliminations verfahren kann zur Beantwortung dieser Frage nichts beitragen, sondern nur das Urteil des Sachverständigen 5 4 . Die Rechtsprechung hat die Ursächlichkeit der Handlung für den Erfolg übrigens auch in Fällen hypothetischer Kausalität (RGSt. 22 325; BGHSt. 1 321, 330; 2 20, 24; 13 13, 14 f; K G JR 1954 350) sowie alternativer Kausalität (RGSt. 19 141, 145) zu Recht immer bejaht. Die Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung hat im übrigen die gleichen Konsequenzen wie die Bedingungstheorie:

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a) Alle Bedingungen eines Erfolges sind gleichwertig (daher Äquivalenztheorie). Die Handlung braucht auch nicht die Hauptursache oder die auslösende Ursache für den Erfolg zu sein. Einen Unterschied im Gewicht der Bedingungen macht die Äquivalenztheorie nicht 5 5 . Der Kausalzusammenhang wird bejaht bei abnormer körperlicher oder geistiger Beschaffenheit des Opfers einer Körperverletzung (RGSt. 5 29, 31 ; 27 93), bei mitwirkendem Verschulden des Verletzten (RGSt. 6 249, 250; 22 173, 175; BGHSt. 7 112, 114; BGH GA 1960 112), beim Zusammentreffen mehrerer, voneinander unabhängiger Handlungen verschiedener Personen (RGSt. 52

So wäre der Streit um die Ursächlichkeit des Contergans für embryonale Mißbildungen überflüssig gewesen, wenn man die Antwort durch einfaches Wegdenken des Medikaments hätte finden können; dazu LG Aachen JZ 1971 510 ff sowie Armin Kaufmann JZ 1971 572ff. 53 So die von Engisch Kausalität S. 21 ff. begründete und rasch fortschreitende neuere Lehre; ihr folgen Jescheck AT § 28 II 4; Arthur Kaufmann Eb. Schmidt-Festschrift S. 210; Noll GA 1970 180; Rudolphi SK Rdn. 41 vor § 1; Samson Hypothetische Kausalverläufe S. 31 f; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 76 vor § 13. 54 Die Versuche im Schrifttum, das hypothetische Eliminationsverfahren durch Verfeinerung zu retten, führen praktisch zu dessen Preisgabe (dazu näher Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 75 vor § 13). 55 RGSt. 15 151, 153; 50 37, 43; 66 181, 184; 69 44, 47; 76 82, 87; BGHSt. 12 75, 77; OLG Celle V R S 3 3 115. (26)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

ΥΟΓ § 1 3

56 343, 348; OGHSt. 2 352, 355). Im Widerspruch zur Äquivalenztheorie wird jedoch angenommen, daß die Frage der Ursächlichkeit eines verkehrswidrigen Verhaltens erst vom Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrslage an zu prüfen sei (BGHSt. 24 31, 34; BGH VRS 20 129, 131; 23 369, 370; 24 124, 126; 25 262; OLG Stuttgart NJW 1959 351)56. b) Eine Handlung verliert nicht dadurch ihre Ursächlichkeit, daß der Erfolg erst 53 durch die daran anknüpfende Handlung eines Dritten herbeigeführt wird. Auch das Dazwischentreten eines fahrlässig handelnden Dritten bewirkt keine „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs" (RGSt. 34 91, 92 f; BGHSt. 4 360, 362; BGH Daliinger MDR 1967 368; OLG Braunschweig SJZ 1949 130 m. Anm. Spendel). Entsprechendes gilt sogar für vorsätzliche Handlungen eines Dritten (RGSt. 61 318, 320; 63 382, 386; 64 316, 318; BGH Dallinger MDR 1956 526; OGHSt. 3 1, 2), was von der Literatur überwiegend gebilligt wird 57 . Die von Frank (§ 1 Anm. III 2 a S. 14) begründete Lehre vom „Regreßverbot", wonach alle zeitlich vor einer Vorsatztat liegenden Bedingungen nicht als Ursachen angesehen werden dürfen 58 , ist abzulehnen, weil sie mit dem Wesen der Äquivalenztheorie unvereinbar ist 59 . Auch hier handelt es sich in Wahrheit nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der objektiven Zurechnung. c) Der Kausalzusammenhang ist jedoch zu verneinen, wenn die durch eine 54 Handlung in Gang gesetzte Ursachenreihe nicht bis zum Eintritt des Erfolges fortwirkt, sondern wenn ein auf denselben Erfolg gerichtetes späteres Ereignis unabhängig von der in Frage stehenden Handlung eine neue Ursachenreihe eröffnet, die zu dem Erfolg führt (abgebrochene bzw. überholende Kausalität) (RGSt. 69 44, 47 f: der Zeuge hat durch eine falsche Aussage in dem Richter zwar eine falsche Vorstellung erweckt, dieser gelangt aber zu der das Vermögen einer Partei benachteiligenden Entscheidung aufgrund anderer, davon unabhängiger Erwägungen) 60 . 5. Das Erfordernis der Kausalität bezeichnet nur die äußerste Grenze der straf- 55 rechtlichen Zurechnung. Da aber die Bedingungstheorie, indem sie allein auf die Gesetzmäßigkeit des Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg abstellt, auch völlig atypische Kausalverläufe einschließt 61 , hat es nicht an Versuchen gefehlt, aus 56

Anders OLG Karlsruhe NJW 1958 430. Kritisch auch Dreher Rdn. 17 vor § 1; HeimannTrosien LK 9 Einleitung Rdn. 94; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 77 vor § 13. Die Einschränkung ist richtigerweise nicht bei der Kausalität, sondern bei der objektiven Zurechnung vorzunehmen (unten Rdn. 62). 57 Baumann AT § 17 II 2 ; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 103 ; Jescheck AT § 28 II 3 ; Lackner Vorbem. III 1 c aa vor § 13 ; Maurach-Zipf AT § 18 IV 2 f; Rudolphi SK Rdn. 48 f vor § 1; Ellen Schlüchter JuS 1976 378; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 78 vor § 13; Welzel Lb § 9 II b; Wessels AT § 6 I 3 c. Anders BGH NJW 1966 1823 mit abl. Anm. Hertel NJW 1966 2418; Kion JuS 1967 499. 58 So auch H. Mayer StudB S. 73; Naucke ZStW 76 (1964) S. 408 ff ; Otto Maurach-Festschrift S. 98 ff. 59 Siehe die in Fn. 57 genannten Autoren. 60 RGSt. 64 370, 373; BGHSt. 4 360, 362; BGH GA 1960 112; OGH 2 285, 286; 2 352, 355; 3 99; OLG Braunschweig SJZ 1949 130, 131 m. Anm. Spendel; OLG Neustadt VRS 13 227; Heimann-Trosien LK 9 Einleitung Rdn. 101; Jescheck AT § 28 II 5; Rudolphi SK Rdn. 50 vor § 1; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 80 vor § 13; Wessels AT § 6 I 3 d. 61 Ein „regressus ad infinitum" (so noch Jescheck AT § 28 III 1 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 88 vor § 13) besteht freilich nicht, wenn schon der strafrechtliche Handlungsbegriff durch das Erfordernis der Sozialerheblichkeit der Tat auf die „Beeinträchtigung mitmenschlicher Interessen" (Rdn. 28) eingeschränkt wird. (27)

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

der Fülle der nach dem Kausalbegriff mitursächlichen Erfolgsbedingungen die juristisch relevanten Ursachen in allgemeingültiger Weise auszusondern. Herkömmlich dienen als haftungsbeschränkendes Korrektiv einmal Vorsatz und Fahrlässigkeit, zum anderen die Adäquanztheorie, endlich die Relevanztheorie. 56

a) Die Rechtsprechung 6 2 und ein Teil des Schrifttums 6 3 nahmen die erforderlichen Einschränkungen bei der Prüfung von Vorsatz und Fahrlässigkeit vor. So läßt sich bei den Fahrlässigkeitsdelikten die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Erfolg auch als eine Frage der objektiven Voraussehbarkeit von Erfolg und Kausalverlauf betrachten 6 4 , und auch bei Vorsatztaten läßt sich in Fällen ganz außergewöhnlichen Kausalverlaufs der Vorsatz wegen Irrtums über den Kausalverlauf verneinen (dazu näher Jescheck AT § 29 V 6 b). Die Rechtsprechung ist dabei im allgemeinen auch zu befriedigenden Ergebnissen gelangt, doch muß man sich darüber klar sein, daß die Gerichte in diesen Entscheidungen Vorsatz und Fahrlässigkeit stillschweigend nicht mehr nur als Schuldmerkmale verwenden, denn wenn der Erfolg allein auf das Spiel des unberechenbaren Zufalls zurückzuführen ist, fehlt es am Unrecht und nicht erst an der Schuld.

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b) Zur Begrenzung des strafrechtlich erheblichen Haftungszusammenhangs im Rahmen der Kausalität dient weiter die Adäquanztheorie. Sie verlangt, daß der Eintritt des vom Täter verursachten Erfolges bei Vornahme der Handlung bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich gewesen sein muß, damit die Handlung als Grundlage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters angesehen werden kann. Die Handlung müsse in ihrer Gefährlichkeit dem Erfolg angemessen (adäquat) gewesen sein, und angemessen seien nur solche Erfolgsbedingungen, deren Eignung zur Herbeiführung des Erfolges nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liege. Die von dem Freiburger Physiologen Johannes v. Kries begründete Theorie hat im strafrechtlichen Schrifttum mehrere Anhänger gefunden 6 5 . In der Rechtsprechung wurde sie von den Zivilsenaten des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs vielfach angewendet (näher dazu Jescheck AT § 28 III 2), jedoch von den Strafsenaten niemals übernommen, weil im Strafrecht Vorsatz und Fahrlässigkeit als Korrektive der strafrechtlichen Haftung im Rahmen des Kausalbegriffs ausreichen (oben Rdn. 56). Die Adäquanztheorie tritt einmal in einer positiven Fassung auf, bei der darauf abgestellt wird, ob die Handlung die objektive Möglichkeit des Erfolges „generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat" (BGHZ 3 261). Im Strafrecht wird aber meist die negative Fassung verwendet. Danach darf es „nicht schlechthin unwahrscheinlich sein, daß die Handlung den Erfolg nach sich zieht" (Engisch Kausalität S. 46). Dem Wahrscheinlichkeitsurteil werden dabei die Umstände zugrunde gelegt, die im Zeitpunkt und am Ort der Tat bekannt oder erkennbar waren. Man hat sich dabei das Kausalwissen des Täters ergänzt zu denken durch diejenigen Umstände, die einem „einsichtigen" (Jescheck AT § 28 III 2) oder gar 62

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RGSt. 29 218, 222; 54 349; 56 343, 350; 66 181, 184; BGHSt. 4 182; 7 325, 329; 12 75, 78; B G H G A 1955 123, 125; O L G K ö l n G A 1957 22; O L G Stuttgart N J W 1959 2320. Baumann A T § 17 II 4 a ; Heimann-Trosien L K 9 Einleitung R d n . 94; Stratenwerth A T I Nr. 217; Welzel Lb § 9 III. Bei Fahrlässigkeitsdelikten geht die Rechtsprechung in den Fällen des „rechtmäßigen Alternativverhaltens" neuerdings zum Begriff der ÄecA/skausalität über (BGHSt. 11 1, 7). Bockeimann A T § 13 A V 4; Engisch Kausalität S. 41 f f ; Frank § 1 A n m . III 1 d ; v. Hippel II S. 144 f; Maihofer ZStW 70 (1958) S. 182 f f ; Maurach G A 1960 97 f f ; Ellen Schlächter J u S 1976 313 f f ; Tarnowski Die systematische Bedeutung der a d ä q u a t e n Kausalitätstheorie (1927); Traeger Der Kausalbegriff S. 159 ff. (28)

E. Die Rechtswidrigkeit und ihr Verhältnis zum Tatbestand (Jescheck)

Vor § 13

„optimalen" Betrachter ( B G H Z 3 261, 266 0 erkennbar gewesen wären (objektivnachträgliche Prognose). Die Adäquanztheorie kann durch Anwendung des Wahrscheinlichkeitsurteils zwar zu richtigen Ergebnissen führen, die juristisch entscheidende Frage nach der Berechtigung der objektiven Zurechnung wird jedoch erst von der neueren Lehre zutreffend gestellt (unten Rdn. 59). c) Eine Vorstufe der neueren Lehre stellt die Relevanztheorie 66 dar. Sie unter- 58 scheidet zutreffend zwischen Kausalität u n d objektiver Zurechnung, führt aber insofern über die Adäquanztheorie hinaus, als sie versucht, die Frage der Zurechnung eines vom Täter verursachten Erfolges nach dem Sinn des betreffenden Tatbestandes durch Auslegung zu beantworten. Dieser methodisch an sich richtige Gedanke ist aber noch zu allgemein und m u ß durch den für die einzelnen Fallgruppen jeweils einschlägigen G r u n d der Haftungsbeschränkung ersetzt werden. 6. Die nach der Adäquanz- und Relevanztheorie maßgeblichen Kriterien sind in 5 9 der neueren Lehre von der objektiven Zurechnung durch spezifische Gesichtspunkte ersetzt worden, durch die angegeben wird, aus welchen Gründen jeweils die objektive Zurechnung trotz Vorliegens des Kausalzusammenhangs zu verneinen ist 6 ^. Das Fundament dieser Lehre ist die aus dem Wesen der Strafrechtsnorm als Sanktionsnorm abgeleitete G r u n d a n n a h m e , daß objektiv zurechenbar ein durch menschliche H a n d l u n g (im Sinne der Bedingungstheorie) verursachter Erfolg nur d a n n sein kann, wenn die Handlung eine rechtlich relevante und mißbilligte Gefahr geschaffen u n d diese sich in dem tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht hat. Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden : a) Nicht zurechenbar ist unter dem Gesichtspunkt der Risikoverringerung ein 6 0 Erfolg, der den drohenden schwereren Erfolg abgeschwächt oder zeitlich hinausgeschoben hat (der Retter lenkt den gegen den Kopf geführten Schlag auf die Schulter des Opfers ab) 6 8 . Der G r u n d liegt auf der H a n d : das mit einer nur teilweise erfolgreichen Rettungshandlung verbundene Risiko wird rechtlich nicht mißbilligt. Seine Eingehung kann sogar geboten sein (BGH J Z 1973 173). b) Abzulehnen ist die objektive Zurechnung weiter beim Fehlen der rechtlichen 61 Relevanz des mit der Handlung verbundenen Risikos 6 9 . Hiernach lösen sich die Schulfälle von dem Knecht, den der Bauer bei Gewitter in den Wald schickt, damit er vom Blitz erschlagen werde, von dem Erbonkel, den der Neffe zu häufigen Flugreisen mit billigen Chartermaschinen überredet, damit er bei einem Unglück ums

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Blei AT § 26 IV, V; Mezger AT § 15 IV; Wessels AT § 6 I 6. Der Relevanztheorie nähert sich BGHSt. 11 1, 7. So im Anschluß an Honig Frank-Festgabe Bd. I S. 175 ff; Jescheck AT § 28 IV; Jakobs Studien S. 92 f; Otto Maurach-Festschrift S. 91 ff; Roxin Honig-Festschrift S. 133 f; Roxiη Gallas-Festschrift S. 241 ff; Rudolphi JuS 1969 549 f; Rudolphi SK Rdn. 57 ff vor § 1 ; Samson Hypothetische Kausalverläufe S. 96 ff; Schaffstein Honig-Festschrift S. 169 ff; Schmidhäuser AT 8/47 ff ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 95 ff vor § 13; Ulsenheimer JZ 1969 364 ff; Wessels AT § 6 II. Jescheck § 28 IV 1 ; Roxin Honig-Festschrift S. 136; Rudolphi SK Rdn. 58 vor § 1 ; Samson Hypothetische Kausalverläufe S. 96 ff; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 98 vor § 13; E. A. Wolff Kausalität S. 17, 23. Jescheck AT § 28 IV 3; Otto Maurach-Festschrift S. 99 f; Roxin Honig-Festschrift S. 136 f; Rudolphi SK Rdn. 62 vor § 1 ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 96 f vor § 13; Wessels AT § 6 II 2 c.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Leben komme, von dem Herzschlag bei der bewußt unwahren Meldung vom Tode eines nahen Angehörigen. Die Sozialerheblichkeit der Tat als „Handlung" ist hier noch zu bejahen, weil immerhin eine Gefahr für das Leben des Opfers herbeigeführt wird (oben Rdn. 28), doch fehlt es mangels jeder Beherrschbarkeit des Kausalverlaufs an ihrer rechtlichen Relevanz. 62 c) Die objektive Zurechenbarkeit des Erfolges fehlt ferner, wenn der Erfolg außerhalb des Schutzbereichs der Norm liegt, die der Täter durch seine Handlung verletzt hat 70 . So ist der Tod des durch einen Mordanschlag Verletzten bei einem Verkehrsunfall auf dem Transport ins Krankenhaus dem Mörder nicht zuzurechnen, weil § 211 nur die mit der Tat verbundenen typischen Gefahren einschließt. Derartige Fälle sind in der Praxis nicht ganz selten (BGHSt. 1 332, 334; 12 75, 79; OLG Celle NJW 1958 271 und als Gegenstück OLG Köln VRS 20 278) (weitere Fälle aus der Schutzbereichsproblematik bei Jescheck AT § 28 IV 4). Der Grund für die Ablehnung der Zurechnung liegt darin, daß es in diesem Fall nicht das vom Täter verursachte rechtlich mißbilligte Risiko gewesen ist, das sich in dem Erfolg niedergeschlagen hat. 63

d) Nicht zurechenbar ist weiter bei Fahrlässigkeitsdelikten der durch ein pflichtwidriges Verhalten herbeigeführte Erfolg dann, wenn der gleiche Erfolg auch bei einem pflichtgemäßen Alternatiwerhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre 71 . Auch diese Fälle haben die Praxis oft beschäftigt (RGSt. 15 151, 155; 63 211, 213; 75 324; RG HRR 1926 Nr. 2302; BGHSt. 11 1; 21 59, 61; BGH VRS 21 341, 342; OLG Hamm DAR 1963 245; OLG Karlsruhe GA 1970 313; OLG Stuttgart 1963 335). Auch in diesem Fall hat nicht das vom Täter geschaffene Risiko, sondern die Unausweichlichkeit der objektiv gegebenen Situation den Erfolg nach sich gezogen. Umstritten ist hierbei die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn nicht mit ausreichender Sicherheit aufgeklärt werden kann, ob der Erfolg auch bei pflichtmäßigem Alternativverhalten nicht vermeidbar gewesen wäre (zum „Risikoerhöhungsprinzip" Jescheck AT § 55 II 2 a aa). 64 e) Bei den erfolgsqualifizierten Delikten (oben Rdn. 46) wird die objektive Zurechnung des schweren Erfolgs auf die Fälle beschränkt, in denen dieser die unmittelbare Folge der tatbestandsmäßigen Handlung des Grunddelikts ist, weil der Grund für die verschärfte Strafe in der dem Handlungsvollzug des Grunddelikts anhaftenden Gefahr liegt (BGHSt. 20 230; 22 362; BGH NJW 1971 152; dazu Jescheck AT § 26 II 1 a). F. Die Schuld Schrifttum Achenbach Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre (1974); Bacigalupo Bemerkungen zur Schuldlehre im Strafrecht, Welzel-Fest-

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Burgstaller Fahrlässigkeitsdelikt S. 99 ff; Hardwig JZ 1968 291; Jescheck AT § 28 IV 4; Maurach-Zipf AT § 18 III Β 2; Otto JuS 1974 704 ff; Roxin Gallas-Festschrift S.242; Rudolphi SK Rdn. 64 vor § 1; Samson SK Rdn. 28 ff Anhang zu § 16; Sch.-SchröderLenckner Rdn. 101 f vor § 13. Blei AT § 82 II 1 ; Bockelmann AT § 20 Β I 4 c; Kienapfel Zeitschrift für Verkehrsrecht 1977 11 f; Lackner § 15 Anm. III 1 a bb; Oehler Eb. Schmidt-Festschrift S. 238; Samson SK Rdn. 25 Anhang zu § 16; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 161 ff; Stratenwerth AT I Rdn. 1106; Wessels AT § 15 II 4. (30)

F. Die Schuld (Jescheck)

Vor § 13

schrift (1974) S. 477; Bauer Das Verbrechen und die Gesellschaft (1957); Bauer Vom kommenden Strafrecht (1969); Bockelmann Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit, ZStW 75 (1963) S. 372; Bruns Strafzumessungsrecht. Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1974); Bruns Alte Grundfragen und neue Entwicklungstendenzen im modernen Strafzumessungsrecht, WelzelFestschrift (1974) S. 739; Burgstaller Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974); Cramer Grundbegriffe des Rechts der Ordnungswidrigkeiten (1971); Danner Gibt es einen freien Willen? 3. Aufl. (1974); Graf zu Dohna Zum neusten Stand der Schuldlehre, ZStW 32 (1911) S. 323; Graf zu Dohna Ein unausrottbares Mißverständnis, ZStW 66 (1954) S. 505; Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1930); Engisch Der Unrechtstatbestand im Strafrecht, DJT-Festschrift Bd. I (1960) S. 401 ; Engisch Die Lehre von der Willensfreiheit in der strafrechtsphilosophischen Doktrin der Gegenwart, 2. Aufl. (1965); Engisch Über die Charakterschuld, MSchrKrim 1967 108; Frank Über den Aufbau des Schuldbegriffs (1907); Geilen Zur Problematik des schuldausschließenden Affekts, Maurach-Festschrift (1972) S. 173; Goldschmidt Der Notstand, ein Schuldproblem, Österr. Zeitschrift für Strafrecht 1913 129; Goldschmidt Normativer Schuldbegriff, Frank-Festgabe Bd. I (1930) S. 428; Gramatica Principi di difesa sociale (1961); Haddenbrock Strafrechtliche Handlungsfähigkeit und „Schuldfähigkeit" (Verantwortlichkeit) usw., in: Göppinger- Witter Handbuch der forensischen Psychiatrie Bd. I (1972) S. 863; Haffke Strafrechtsdogmatik und Tiefenpsychologie, GA 1978 33; Hardwig Die Zurechnung (1957); Hegler Subjektive Rechtswidrigkeitsmomente im Rahmen des allgemeinen Verbrechensbegriffs, Frank-Festgabe Bd. I (1930) S. 251 ; Heinitz Strafzumessung und Persönlichkeit, ZStW 63 (1951) S. 57; Henkel Oie Selbstbestimmung des Menschen als rechtsphilosophisches Problem, Larenz-Festschrift (1973) S. 3; Hirsch Soziale Adäquanz und Unrechtslehre, ZStW 74 (1962) S. 78; Armin Kaufmann Das fahrlässige Delikt, ZfRV 1964 41; Arthur Kaufmann Dogmatische und kriminalpolitische Aspekte des Schuldgedankens im Strafrecht, JZ 1967 553; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, 2. Aufl. (1976); Arthur Kaufmann Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Lange-Festschrift (1976) S. 27; Kienapfel Strafrechtsdogmatik in Österreich, JZ 1972 569; Klug Die zentrale Bedeutung des Schutzgedankens für den Zweck der Strafe (1938); Krümpelmann Motivation und Handlung im Affekt, Welzel-Festschrift (1974) S. 327; Krümpelmann Vorsatz und Motivation, ZStW 87 (1975) S. 888; Krümpelmann Die Neugestaltung der Vorschriften über die Schuldfähigkeit usw., ZStW 88 (1976) S. 6; Küper ZUT irrigen Annahme von Strafmilderungsgründen, GA 1968 321; Lackner Über neue Entwicklungen in der Strafzumessungslehre usw. (1978); Lampe Das personale Unrecht (1967); Lange Die moderne Anthropologie und das Strafrecht, in: Frey (Hrsg.) Schuld, Verantwortung, Strafe (1964) S. 277; Lange Die Schuld des Teilnehmers, JR 1949 165; Langer Das Sonderverbrechen (1972); Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, in: Göppinger-Witter Handbuch der forensischen Psychiatrie Bd. I (1972) S. 3; Maihofer Zur Systematik der Fahrlässigkeit, ZStW 70 (1958) S. 159; Maihofer Objektive Schuldelemente, H. Mayer-Festschrift (1966) S. 185; Mangakis Über das Verhältnis von Strafrechtsschuld und Willensfreiheit, ZStW 75 (1963) S. 499; Marquart Dogmatische und kriminologische Aspekte des Vikariierens von Strafe und Maßregel (1972); Mergen Kriminologie und Strafrecht (1966); Mezger Wandlungen der strafrechtlichen Tatbestandslehre, NJW 1953 2; Müller-Dietz Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967); Nowakowski Freiheit, Schuld, Vergeltung, Rittler-Festschrift (1957) S. 55; Nowakowski Probleme der Strafrechtsdogmatik, JB1. 1972 19; Otto Personales Unrecht, Schuld und Strafe, ZStW 87 (1975) S. 539; Roxin Sinn und Grenzen staatlicher Strafe, JuS 1966 377; Roxin Kriminalpolitische Überlegungen zum Schuldprinzip, MSchrKrim 1973 316; Roxin „Schuld" und „Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien, Henkel-Festschrift (1974) S. 171; Roxin Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 2. Aufl. (1973); Roxin Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, Schultz-Festgabe (1977) S. 463; Rudolphi Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (1969); Rudolphi Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm usw., JuS 1969 549; Rudolphi Affekt und Schuld, Henkel-Festschrift (1974) S. 199; Sax Grundsätze der Strafrechtspflege, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner Die Grundrechte Bd. I I I / 2 (1959) S. 336; Schaffstein Handlungsunwert, Erfolgsunwert und Rechtfertigung bei den Fahrlässigkeitsdelikten, Welzel-Festschrift (1976) S. 557; Schmidhäuser Gesinnungsmerkmale im Strafrecht (1958); Schünemann Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits- und Gefährdungsdelikte, JA 1975 435 ff; Stratenwerth Zur Funktion strafrechtlicher (31)

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Gesinnungsmerkmale, v. Weber-Festschrift (1963) S. 171 ; Stratenwerth Tatschuld und Strafzumessung (1972); Stree Deliktsfolgen und Grundgesetz (1960); Thierfelder Objektiv gefaßte Schuldmerkmale, Strafr. Abh. Heft 308 (1932); Tiedemann Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969); Ulsenheimer Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzungen im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte, JZ 1969 364; Warda Zur gesetzlichen Regelung des vermeidbaren Verbotsirrtums, ZStW 71 (1959) S. 252; Würtenberger Zur Problematik der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit, JZ 1954 209; Würtenberger Die geistige Situation der deutschen Strafrechtswissenschaft, 2. Aufl. (1959).

I. Der Schuldgrundsatz 65

1. Die Schuld ist neben der Rechtswidrigkeit die andere materielle Grundvoraussetzung der Strafbarkeit. Jede Strafe setzt Schuld voraus („nulla poena sine culpa") (Schuldgrundsatz)72. Aus dem Schuldgrundsatz folgt einmal, daß, wer ohne Schuld handelt, nicht bestraft werden kann (Ausschluß der Erfolgshaftung) (BVerfGE 9 167, 169). Zum anderen ergibt der Schuldgrundsatz, daß die Strafe auch das Maß der Schuld nicht überschreiten darf (Strafzumessung im Rahmen der Schuldobergrenze) (BVerfGE 28 386, 391). Das Schuldprinzip wird als verfassungsrechtlicher Grundsatz verstanden (BVerfGE 20 323, 331; 23 127, 132)73. Dies folgt einmal aus dem Rechtsstaatsgedanken, der dem Bürger die Garantie gibt, daß Tatbestand und Rechtsfolge „in einem sachgerechten Verhältnis zueinander stehen", zum anderen aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die verlangt, daß die Strafe als sozial-ethischer Tadel im Unterschied zum reinen Präventionsmittel nur bei strafrechtlichem Verschulden des Täters verhängt wird. Auch im Sinne der General- und Spezialprävention würde Strafe ohne Schuld nichts nützen, sondern nur schaden, da das Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit ebenso wie das des der Sozialisation bedürftigen Bürgers vor allem anderen verlangt, daß durch die Kriminalstrafe Gerechtigkeit geübt wird. Zweifelhaft ist nur die Frage, ob und inwieweit die Strafe das Maß der Schuld auch unterschreiten darf. Die Rechtsprechung verlangt zutreffend auch an der Untergrenze der Strafzumessung Entsprechung von Schuldgröße und Strafhöhe (BGHSt. 24 132, 134; BGH JZ 1976 650; BGH NJW 1978 174, 175; OLG Hamm NJW 1977 2087). In der Literatur ist die Frage umstritten 7 4 . Im neuen Recht ist der Schuldgrundsatz vor allem in § 46 Abs. 1 S. 1 und § 17 72

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BVerfGE 9 167, 169; BGHSt. 2 194, 200; 10 259, 263; 18 87, 94. Auch im Schrifttum ist der Schuldgrundsatz fast ausnahmslos als Fundament des Strafrechts anerkannt; Achenbach Historische und dogmatische Grundlagen S. 3 ; Baumann AT § 23 I 1 ; Bockelmann AT §29 II 1; Bruns Strafzumessungsrecht S. 31 I f f ; Dreher §46 Rdn. 4; Hirsch LK 9 Rdn. 157 f vor § 51 ; Jescheck AT § 4 I; Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 116 ff; Arthur Kaufmann Lange-Festschrift S. 27 ff ; Else Koffka LK 9 Rdn. 4 vor § 13; Lackner §46 Anm. 1; Maurach-Zipf § 7 III C; Preisendanz Vorbem. 1 c vor §46; Schmidhäuser AT 10/2 ff; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 103 ff vor §13; Stratenwerth AT I Nr. 31; Stree Deliktsfolgen S. 51 ; Welzel Lb § 19 I; Wessels AT § 10 I 2. Maunz-Dürig-Herzog Art. 1 Rdn. 32; Jescheck AT § 4 I 2; Sax in: Bettermann-NipperdeyScheuner Die Grundrechte Bd. I I I / 2 S. 336; Schmidhäuser AT 5/36; Welzel Lb § 19 I; Warda ZStW 71 (1959) 261. Zustimmend Bruns Welzel-Festschrift S. 746; Dreher Gerechte Strafe S. 127 ff; Horn Bruns-Festschrift S. 175 ff; Jescheck AT § 4 I 3; Else Koffka LK 9 § 13 Rdn. 11; Maurach AT 4 S. 838; Schaffstein Gallas-Festschrift S. 105. Ablehnend Blei JA 1971 165 und JA 1973 688; Grünwald ZStW 82 (1970) S. 253; Horstkotte JZ 1970 124; Lackner Neue Entwicklungen S. 23 ff; Marquart Vikariieren S. 158; Roxin Schultz-Festschrift S. 473. Ebenso hält auch der AE in § 59 Abs. 2 nur an der Schuldobergrenze fest und sieht innerhalb dieses Rahmens für die Strafzumessung allein präventive Gesichtspunkte als maßgeblich an. (32)

F. Die Schuld (Jescheck)

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verankert, kommt aber auch sonst allenthalben deutlich zum Ausdruck, insbesondere in der Beibehaltung der Zweispurigkeit ( Jescheck A T § 9 I 1). 2. Das Schuldprinzip hat die Entscheidungsfreiheit des Menschen zur logischen 66 Voraussetzung, denn nur wenn grundsätzlich die Fähigkeit zum Andershandeln bejaht werden kann, kann auch der Täter d a f ü r verantwortlich gemacht werden, daß er es zu der rechtswidrigen Tat hat kommen lassen, statt die in ihm aufsteigenden kriminellen Antriebe zu beherrschen 7 5 . Allein mit der G r u n d a n n a h m e der Bestimmbarkeit menschlichen Handelns ist also das Schuldprinzip als Fundament von Strafrechtsnorm u n d Strafe vereinbar. Die Bestimmbarkeit des Handelns, von der das Strafrecht ausgeht (BGHSt. 2 194, 200), beruht auf der angenommenen Fähigkeit des Menschen, die auf ihn einwirkenden Antriebe zu kontrollieren u n d sein Verhalten nach Sinnbezügen, Werten und N o r m e n auszurichten. Die Willensfreiheit der individuellen Täterperson als Grundlage des Schuldvorwurfs wird jedoch ganz überwiegend für empirisch unbeweisbar gehalten 7 6 . Zweierlei ist unbekannt u n d wird der empirischen Forschung, da es sich hierbei um die Eingebundenheit des Menschen in die transzendente Welt des Geistigen handelt, möglicherweise immer verborgen bleiben : Einmal wissen wir nicht, ob der Schluß von der Freiheit der Menschen als Gattung auf die Freiheit des individuellen Täters in der Tatsituation gezogen werden darf, zumal die medizinische u n d psychologische Forschung jedenfalls soviel erbracht hat, d a ß der Entscheidungsspielraum unter bestimmten Bedingungen (ζ. B. bei Affekthandlungen) außerordentlich verengt sein kann (näher dazu Jescheck AT § 40 III 2 b). Zum anderen kennen wir die Kraft in ihrer Wirkungsweise nicht, die es vollbringt, d a ß der Mensch nach unserer Erfahrung auch unter höchster Belastung den auf ihn eindringenden kriminellen Antrieben widerstehen u n d dem Rechtsgebot Folge leisten kann (zum Gewissen Jescheck AT § 37 II). 3. Angesichts der empirischen Unbeweisbarkeit der Entscheidungsfreiheit des 6 7 individuellen Täters in der Tatsituation hat die Wissenschaft auf verschiedene Weise versucht, für Verbrechensbegriff u n d Strafe eine Grundlage zu finden, die ohne diesen Beweis tragfähig ist. Die konsequenten Gegner der Willensfreiheit haben ein Strafrechtssystem entworfen, das auf das Schuldprinzip im sozialethischen Sinne verzichtet und die Schuld nur noch formal als die Summe der subjektiven Zurechnungsmerkmale der Tat gelten läßt 7 7 . Dagegen spricht jedoch die G r u n d a n n a h m e unserer sozialen und moralischen Existenz, d a ß die Strafe nicht allein auf den Präventionszweck gegründet werden darf, sondern immer auch zugleich „verdient"

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Bockelmann ZStW 75 (1963) S. 388; Jescheck AT § 37 I 1 ; Keller Das Problem der Willensfreiheit S. 541 ff; Lange Die moderne Anthropologie S. 277 ff; Lenckner Strafe S. 17 ff; Arthur Kaufmann JZ 1966 555; Mangakis ZStW 75 (1963) S. 499 ff; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 110 vor § 13; Stratenwerth ZStW 85 (1973) S. 490. So Bockelmann AT § 16 A II 3; Blei AT § 47; HenkeI Larenz-Festschrift S. 24; Haddenbrock Strafrechtliche Handlungsfähigkeit S. 893 ff; Jescheck kl §37 I 2 a; Lange LK 9 § 51 Rdn. 6; Lenckner Strafe S. 18; Roxin Henkel-Festschrift S. 175; Schmidhäuser AT 6/24; Stratenwerth AT I Nr. 507. So Bauer Das Verbrechen und die Gesellschaft S. 17 ff; Vom kommenden Strafrecht S. 59 ff; Danner Gibt es einen freien Willen? S. 165 ff; Gramatica Principi S. 41 ff; Klug Die zentrale Bedeutung des Schutzgedankens S. 108 ff; Mergen Kriminologie und Strafrecht S. 17.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

sein muß. Die Strafe wird weiter auf die Lehre von der „Charakterschuld" aufgebaut 7 8 , doch spricht dagegen, daß es für den Schuldvorwurf auf die konkrete Tatsituation allein ankommt und man dem Menschen wegen einer bestimmten Tat auch nicht seine gesamte Persönlichkeitsentwicklung vorhalten kann, jedenfalls nicht im Strafprozeß. Ferner wird versucht, das Dilemma dadurch zu vermeiden, daß der Schuld nur die Funktion einer Begrenzung der Strafe zugesprochen wird, während ihre Begründung allein im Präventionszweck gesucht wird 7 9 . Dieser Kunstgriff ist jedoch eine Scheinlösung, denn wenn die Schuld die Grenze der Strafe bestimmt, dann muß sie zugleich zu den Bedingungen ihrer Begründung gehören 8 0 . Im Vordringen begriffen ist nach allem die sozial-vergleichende Betrachtung, bei der danach gefragt wird, ob „ein anderer an der Stelle des Täters" (eine „maßgerechte Persönlichkeit") unter Anspannung der Willenskraft, die dem Täter möglicherweise gefehlt hat, die rechtswidrige Tat unter den konkreten Umständen hätte vermeiden können 8 1 . Die Verschiebung des Problems auf die generelle Freiheit besagt sachlich zweierlei: einmal können beim erwachsenen und durchschnittlich gesunden Menschen nur außergewöhnliche Umstände den Schuldvorwurf ausschließen, die der Gesetzgeber festlegen muß, damit die Grenze der normativen Anforderung ganz allgemein klargestellt ist; zum anderen wird davon ausgegangen, daß jedermann sich im Laufe seines Lebens die notwendige Willenskraft zur Beherrschung krimineller Antriebe erwerben kann. Es bleibt aber dabei, daß auch das sozial-vergleichende Schuldurteil keine psychologisch-empirische Analyse darstellt, sondern eine normative Anforderung der Gesellschaft an den Täter bedeutet. Diese Anforderung darf jedoch gestellt werden, weil die Gesellschaft nicht in Freiheit bestehen könnte, wenn sie nicht jedermann prinzipiell als verantwortlichen Rechtsgenossen behandeln dürfte. Die Überzeugung von der zutiefst begründeten Verantwortlichkeit des erwachsenen und seelisch durchschnittlich gesunden Menschen im Strafrecht ist eine unbezweifelbare Realität unseres sozialen und moralischen Bewußtseins. Der Staat ist deswegen auch berechtigt, das Schuldprinzip zur Grundlage des Verbrechensbegriffs und der Strafe zu machen 8 2 . 68

4. Das Strafrecht ist Tatstrafrecht, nicht Täterstrafrecht (oben Rdn. 3). Ganz entsprechend ist die Schuld Einzeltatschuld und nicht Lebensführungsschuld83. Damit ist gesagt, daß der Schuldvorwurf sich auf die konkrete Tat und die in ihr aktualisierte Gesinnung des Täters (unten Rdn. 70) bezieht. Der Gesetzgeber hat durch 78 79

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So Engisch Willensfreiheit S. 65; Heinitz ZStW 63 (1951) S. 76. So Roxin JuS 1966 384; MSchrKrim 1973 320; Rudolphi Unrechtsbewußtsein S. 20 f; ebenso AE § 59 II. Arthur Kaufmann Lange-Festschrift S. 28; Otto ZStW 87 (1975) S. 584; Sch.-SchröderLenckner Rdn. 109 vor § 13. Blei AT § 48; Bockelmann AT § 16 A II 4; Graf zu Dohna ZStW 66 (1954) S. 508; Engisch Willensfreiheit S. 26; Haffke GA 1978 45; Lange LK 9 §51 Rdn. 6; Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 282; Krümpelmann ZStW 88 (1978) S. 12; Nowakowski Rittler-Festschrift S. 71; Grundzüge S. 27; Rudolphi SK § 20 Rdn. 25. Auf dieser Grundlage beruht § 10 I österr. StGB 1975. Bockelmann ZStW 75 (1963) S. 388 ; Jescheck AT § 37 I 3 ; Mezger Probleme der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit S. 45; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 110 vor § 13; Wiirtenberger JZ 1954 210. Baumann AT § 15 I 4; Bruns Strafzumessungsrecht S. 538 ff; Hirsch LK 9 Rdn. 158 vor § 51 ; Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 187 ff; Rudolphi SK Rdn. 3 vor § 19; Schmidhäuser AT 10/11; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 105 vor § 13; Stratenwerth Tatschuld S. 7. (34)

F. Die Schuld (Jescheck)

Vor § 13

Aufhebung des § 20 a a. F. (Strafschärfung für gefährliche Gewohnheitsverbrecher) dem Gedanken der Lebensführungsschuld deutlich eine Absage erteilt. Im Strafrecht wird aber auch der Entwicklung der Täterpersönlichkeit ausdrücklich Rechnung getragen 8 4 . Zu denken ist vor allem an die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (§ 17 S. 2), die häufig einen Blick auf das Vorfeld der Tat erfordert, an die Rückfallbestimmung (§ 48), die auf den ausgebliebenen Warneffekt der Vorverurteilungen abstellt und an die Strafzumessungsvorschrift (§ 46 Abs. 2), die bei der Bemessung des Schweregrades der Tat auch das Vorleben des Täters berücksichtigt. Auch die Beurteilung des Schuldgehalts der Affekttat 8 5 und der unbewußten Fahrlässigkeit ist ohne Rückblick auf die Entwicklung der Täterpersönlichkeit oft nicht möglich. Ob man in diesen Fällen von „Persönlichkeitsschuld" spricht oder aber den Tatschuldbegriff entsprechend erweitert, ist nur eine terminologische Frage. 5. Die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld ist der Angelpunkt der 69 Verbrechenslehre 86 . Auch daß die Prüfung der Rechtswidrigkeit der der Schuld vorauszugehen hat, wird heute allgemein angenommen 8 7 . Die Rechtswidrigkeit betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Tat der Rechtsordnung widerspricht. Prüfung der Rechtswidrigkeit bedeutet demgemäß, daß eine Tat unter dem Gesichtspunkt ihres objektiven und personalen Handlungsunwerts, ihres Erfolgsunwerts und der in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe auf ihre Übereinstimmung mit der Rechtsordnung untersucht wird. Dabei bleibt die Rechtswidrigkeit trotz des personalen Charakters eines Teils ihrer Merkmale eine objektive Größe, weil das Recht an jedermann die gleichen Anforderungen stellt und die Verletzung des Rechts auch für jedermann prinzipiell die gleichen Konsequenzen hat. Bei der Schuld geht es dagegen um die ganz andere Frage, ob der Täter für seine rechtswidrige Tat persönlich verantwortlich gemacht werden kann. Prüfung der Schuld bedeutet demgemäß, daß untersucht wird, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen dem Täter wegen der Tat ein rechtlicher Vorwurf gemacht werden kann. Die heute herrschende Schuldauffassung geht damit von einem die Willensbildung des Täters bis zum Tatentschluß wertenden, deswegen normativen Schuldbegriff aus (oben Rdn. 15, 17) 88 . 6. Gegenstand des Schuldvorwurfs ist die fehlerhafte Willensbildung, die zu dem 70 rechtlich mißbilligten Tatentschluß geführt hat 8 9 . Damit ist jedoch nur ein formeller Anknüpfungspunkt gewonnen, der eine Differenzierung des Schuldgehalts der Tat nach Art und Schwere nicht ermöglicht. Abzustellen ist deswegen auf die rechtliche Gesinnung des Täters, die in der fehlerhaften Willensbildung Ausdruck gefunden hat 9 0 . Auf diese Weise entsteht ein materieller, abstufbarer Schuldbegriff, der 84

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Bockelmann AT § 29 III 3 a bb; Engisch ZStW 66 (1954) S. 359; Heinitz ZStW 63 (1951) S. 74 ff; Hirsch LK 9 Rdn. 158 vor § 51 ; Jescheck § 38 IV 3. Geilen Maurach-Festschrift S. 173 ff; Krümpelmann Welzel-Festschrift S. 338 ff; Rudolphi Henkel-Festschrift S. 199 ff. Jescheck AT § 39 I 1; Samson SK Rdn. 2 vor § 32; ScH.-Schroder-Lenckner Rdn. 50 vor § 13; Welzel Lb § 19 I; Wessels AT § 10 I 1. Rudolphi SK Rdn. 2 vor § 19. Hirsch LK 9 Rdn. 159 vor § 51; Jescheck AT § 38 II 3; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 113 vor § 13; Wessels AT § 10 II 2. Goldschmidt Österr. Zeitschrift für Strafrecht 1913 161; Frank-Festgabe Bd. I S. 432; Engisch Untersuchungen S. 22; Graf zu Dohna Verbrechenslehre S. 31 ff. So Gallas Beiträge S. 56; Jescheck AT § 38 II 5; Krümpelmann ZStW 87 (1975) S. 888 ff; Schmidhäuser AT 6/16 ff und 10/3 ff; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 119 vor § 13 ; Wessels AT § 10 I 3.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

Unterscheidungen hinsichtlich des Schuldgehalts der Tat, ζ. B. zwischen Vorsatzund Fahrlässigkeitsdelikten (unten Rdn. 75) oder zwischen Unrechtsbewußtsein und vermeidbarem Verbotsirrtum ermöglicht. Die Beziehung auf die Gesinnung des Täters erlaubt es ferner, die Schuld danach zu bemessen, in welchem Maße die Willensbildung des Täters hinter den Anforderungen an den maßstabgerechten Menschen zurückgeblieben ist. Selbstverständlich wird der Täter nicht wegen seiner Schuld allein, sondern wegen der rechtswidrigen, schuldhaften Tat zur Verantwortung gezogen. Gegenstand des Schuldvorwurfs ist demgemäß die rechtswidrige Tat mit Rücksicht auf die in ihr aktualisierte, dem Recht widersprechende Gesinnung. 71

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7. Als Kriterium für die Bewertung des in der Tat hervorgetretenen Mangels an Rechtsgesinnung kommt nach dem hier zugrunde gelegten Schuldbegriff (oben Rdn. 67) ebenfalls nur ein sozial-vergleichender Maßstab in Frage 91 . Es kommt demnach an auf das „Dafür-Können" „eines anderen", des „maßgerechten Menschen", den man sich nach Lebensalter, Geschlecht, Beruf, körperlichen Eigenschaften, geistigen Fähigkeiten und Lebenserfahrung dem Täter gleich zu denken hat. Dagegen macht das Zurückbleiben hinter dem Maß an Rechtsgesinnung, Sorgfalt und Willenskraft, das die Rechtsordnung von dem durchschnittlichen Bürger erwartet, die Schuld des Täters aus, weil er diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. Daß der Gesetzgeber selbst von einem solchen Maßstab ausgeht, zeigt die Regelung der Schuldunfähigkeit in § 20, die an bestimmte psychopathologische Ansnahmezustände anknüpft und damit in allen anderen Fällen seelischer Defekte die Schuldfähigkeit bejaht. II. Die Merkmale des Schuldbegriffs 1. Das Schuldurteil über die in der Tat aktualisierte rechtliche Gesinnung des Täters wird nicht pauschal aufgrund des Gesamteindrucks der Persönlichkeit des Beschuldigten gefällt, sondern stützt sich auf die im StGB festgelegten Schuldmerkmale. Darin liegt einerseits eine rechtsstaatliche Garantie für den Angeklagten, da der Richter die einzelnen Schuldmerkmale prüfen und bejahen muß, ehe er zur Verurteilung kommen kann. Andererseits äußert sich darin auch die formale Strenge des Strafrechts, da die Schuldfähigkeit (§ 20) und das Unrechtsbewußtsein (§ 17) negativ als Schuldausschlußgründe gefaßt sind, so daß diese beiden Merkmale schon dann zu bejahen sind, wenn für ihr Fehlen im konkreten Fall keine Anhaltspunkte vorliegen. Die Merkmale des Schuldbegriffs sind die Schuldfähigkeit, die in einzelnen Tatbeständen enthaltenen besonderen deliktstypischen Schuldmerkmale, die Schuldformen (Vorsatz und Fahrlässigkeit), das Unrechtsbewußtsein und die Entschuldigungsgründe. Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihrer Eigenschaft als Schuldformen bilden zusammen mit den besonderen Schuldmerkmalen den Schuldtatbestand, der den deliktstypischen Gesinnungsunwert einer Verbrechensform kennzeichnet und zusammen mit dem Unrechtstatbestand den Deliktstatbestand darstellt (oben Rdn. 41)92.

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Nowakowski Rittler-Festschrift S. 70; Grundzüge S. 62; JB1.1972 29; Jescheck AT § 39 III 2.

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Engisch DJT-Festschrift Bd. I S. 413; Gallas Beiträge S. 43 f; Jescheck AT § 42; Maihofer H. Mayer-Festschrift S. 199 f; Mezger NJW 1953 2; Schmidhäuser AT 8/4 ff; Tiedemann Tatbestandsfunktionen S. 229. Gegen den Schuldtatbestand Bockelmann AT § 12 A III 3; Hirsch LK 9 Rdn. 162 vor § 51 ; Maurach-Zipf AT § 24 I A; Wehe! Lb § 10 III. (36)

F. Die Schuld (Jescheck)

Vor § 13

2. Die Schuldfähigkeit bezeichnet das Mindestmaß an Fähigkeit zur Selbstbestim- 7 3 mung, das vom Gesetz für die strafrechtliche Verantwortlichkeit verlangt w i r d 9 3 . Fehlt es an der Schuldfähigkeit, so entfällt der Gegenstand des Schuldvorwurfs, weil die Tat nicht auf einer rechtlich mißbilligten Gesinnung beruht. Schuldunfähig sind Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr (§ 19). Schuldunfähig sind ferner Personen, die wegen einer der in § 20 genannten Störungen unfähig sind, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Die negative Fassung des § 20 wirkt wie eine Vermutung für das Vorhandensein der Schuldfähigkeit (RGSt. 21 131, 132). Besteht jedoch ein Zweifel an der Schuldfähigkeit, so ist diese nach dem prozessualen Grundsatz „in dubio pro reo" zu verneinen. Vermindert schuldfähig sind Personen, deren Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aus den in § 20 genannten Gründen erheblich herabgesetzt ist (§21) und die deswegen das Unrecht der Tat nicht erkannt oder die Steuerungsfähigkeit nicht besessen haben. §21 ist kein Fall der Schuldunfähigkeit, sondern stellt einen fakultativen Strafmilderungsgrund wegen verminderter Schuld dar. Bedingt schuldfähig sind Jugendliche, die zur Zeit der Tat 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind (§§ 1 Abs. 2, 3 JGG). 3. Deliktstypische Schuldmerkmale kommen in verschiedener Gestalt vor. Es gibt 74 einmal die objektiv gefaßten Schuldmerkmale, die freilich als Schuldminderungsgründe immer nur zugunsten des Täters eingreifen 9 4 . Es handelt sich dabei um gewisse äußere Umstände, die geeignet sind, eine den Schuldvorwurf abschwächende oder ausschließende Wirkung auszuüben, wobei der Gesetzgeber an ihr Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung geknüpft hat, daß sie auch tatsächlich von Einfluß auf die Willensbildung des Täters gewesen sind. Sie müssen dem Täter aber wenigstens bekannt gewesen sein, weil sie sonst nicht motivierend gewirkt haben können. Ein Beispiel ist die Privilegierung der nichtehelichen Mutter bei der Tötung des Kindes in oder gleich nach der Geburt (§ 217). Der Gesetzgeber geht in dieser Vorschrift von der Annahme aus, daß die nichteheliche Mutterschaft eine so schwere seelische Belastung darstellt, daß sie im Zusammenhang mit der Ausnahmesituation der Niederkunft den Entschluß zur Tat in einem wesentlich milderen Lichte erscheinen läßt (Küper GA 1968 324). Das Gegenstück dazu sind die subjektiv gefaßten Schuldmerkmale. Bei ihnen muß ebenfalls ein — wenn auch nur eingebildeter — schuldmindernder Sachverhalt vorliegen. Dieser muß aber tatsächlich motivierend auf die Willensbildung eingewirkt haben 9 5 . Çin Beispiel ist der Aussagenotstand (§ 157). Die dritte Gruppe sind die Gesinnungsmerkmale. Sie sind dann reine Schuldelemente, wenn sie den Schuldgehalt der Tat nicht lediglich in Anknüpfung an das Unrecht des betreffenden Tatbestandes kennzeichnen (ζ. B. Heimtücke oder Grausamkeit beim Mord, §211), sondern unmittelbar und ausschließlich den Schuldgehalt charakterisieren (ζ. B. die niedrigen Beweggründe beim Mord, §211, oder die Roheit und Böswilligkeit bei der Mißhandlung von Schutzbefohlenen, § 223 b) 9 6. 93

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Entgegen der h. L. wird die Schuldfähigkeit von Hirsch LK 9 Rdn. 163 vor § 51 nicht als selbständiges Schuldelement gewertet. Hierzu Hegler Frank-Festgabe Bd. I S. 252 ff; Jescheck AT § 42 II 1 ; v. Liszt-Schmidt AT § 4 2 VII; Mezger AT § 3 5 II 3; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 123 vor § 13; Thierfelder Objektiv gefaßte Schuldmerkmale S. 44 ff; Wessels AT § 10 IV. Gegen objektiv gefaßte Schuldmerkmale Blei AT § 49; Bockelmann AT § 12 A III 3. Jescheck AT § 42 II 2; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 123 a vor § 13 ; Wessels AT § 10 IV. Die herrschende differenzierende Auffassung vertreten Baumann AT § 2 0 I 2; Jescheck AT § 4 2 II 3 b; Lampe Das personale Unrecht S. 234; Langer Das Sonderverbrechen

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

75

4. Vorsatz und Fahrlässigkeit haben eine Doppelstellung 97 . Als Bestandteile des personalen Handlungsunrechts kennzeichnen sie den Unrechtsgehalt der Tat (oben Rdn. 40). Als Schuldformen sind sie zugleich Träger des Gesinnungsunwerts der Tat und damit auch Schuldbestandteile. Daß sich die Fahrlässigkeit nach einem doppelten Maßstab bestimmt, ist heute nahezu unbestritten 9 8 . Geprüft wird einmal, welches Verhalten zur Vermeidung von ungewollten Folgen objektiv nach Sachlage erforderlich ist, zum anderen, ob dieses Verhalten vom Täter nach seinen persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten verlangt werden konnte. Ebenso wie die Fahrlässigkeit ist aber auch der Vorsatz durch seine Stellung als personales Unrechtsmerkmal im Unrecht nicht „verbraucht" 9 9 , sondern er ist als Schuldform auch Schuldbestandteil, denn es macht für Art und Schwere des Schuldvorwurfs einen Unterschied, ob sich der Täter als Ergebnis des Motivationsprozesses zu einer Vorsatztat entschließt ober ob er es lediglich an der von ihm persönlich zu verlangenden Sorge hinsichtlich der Gefährdung fremder Rechtsgüter hat fehlen lassen. Der Vorsatz ist als Träger des gegen das Rechtsgebot gerichteten Handlungswillens Unrechtsmerkmal, als Träger des Gesinnungsunwerts Schuldbestandteil. Während die Schuldseite der Fahrlässigkeit immer geprüft werden muß — was von der Rechtsprechung freilich oft vernachlässigt wird (näher dazu Jescheck AT § 57 vor I) — ergibt sich bei den Vorsatztaten der Gesinnungsunwert der Tat in der Regel mittelbar aus dem personalen Unrecht, ohne daß es zusätzlicher Feststellungen bedürfte. Doch gibt es auch Fälle, in denen die Doppelstellung des Vorsatzes im Unrecht und in der Schuld praktische Konsequenzen hat. So ist bei einer Vorsatztat unter irriger Annahme rechtfertigender Tatumstände der Vorsatz als Kennzeichen des Handlungssinnes gegeben, dagegen als Ausdruck des Gesinnungsunwerts zu verneinen, weswegen die Tat nicht als Vorsatztat bestraft werden kann ( Jescheck AT § 41 III 2 d). So muß bei der vorsätzlichen „actio libera in causa" der Vorsatz nicht nur auf die Beseitigung der Schuldfähigkeit, sondern schon vor Eintritt der Schuldunfähigkeit auch auf die Begehung der tatbestandsmäßigen Handlung gerichtet sein, weil es sonst am Gesinnungsunwert und damit an der Schuld fehlen würde (,Jescheck AT § 40 VI 2).

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5. Ein Schuldmerkmal ist auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Die Anerkennung des Unrechtsbewußtseins als Schuldmerkmal durch die Grundsatzent-

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S. 346 f; Schmidhäuser AT 8 / 9 2 f f ; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 122 vor § 13; Stratenwerth v. Weber-Festschrift S. 187; Welzel Lb § 13 II 2 c; Wessels A T § 5 III 4. Abweichend werden die Gesinnungsmerkmale teils als personale Unrechtselemente (so Bockelmann AT § 12 A II 2 b ; Maurach-Zipf AT V Β 3), teils als reine Schuldbestandteile angesehen (so Lange J R 1949 166 f; Gallas Beiträge S. 57; Würtenberger Situation S. 56 f)· So im Anschluß an Gallas Beiträge S. 55 Cramer Ordnungswidrigkeitenrecht S. 51 f, 70; Jescheck AT § 24 III 5, § 39 IV 3; Lackner § 15 Anm. II 5 c; Roxin Kriminalpolitik S. 42; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 120 f vor § 13; Wessels § 5 III 5, § 10 V. Aus der Rechtsprechung sind zu nennen B G H VRS 14 30; B G H Z 24 21 ; O L G Köln N J W 1963 2381. Aus dem Schrifttum: Blei AT § 82 I; Bockelmann AT § 20 Β I 3; Burgstaller Das Fahrlässigkeitsdelikt S. 23 f; Engisch Untersuchungen S. 334 f f ; DJT-Festschrift Bd. I S. 428; Gallas Beiträge S. 53 f; Hirsch ZStW 74 (1962) S. 95; Jescheck A T § 54 I 3; Armin Kaufmann Z f R V 1964 45; Kienapfel J Z 1972 575; Maihofer ZStW 70 (1958) S. 184 f f ; H. Mayer Stud Β S. 129; Nowakowski JBl. 1972 31 f; Rudolphi JuS 1969 549; Schaffstein Welzel-Festschrift S. 558; Sch.-Schröder-Cramer § 1 5 Rdn. 122, 188; Schünemann JA 1975 516; Ulsenheimer JZ 1969 364; Welzel Fahrlässigkeit S. 11 ; Wessels AT § 15 I 1. So zu Unrecht Hirsch L K 9 Rdn. 160 vor § 51. (38)

G. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit und Strafausschließungsgründe (Jescheck)

fi

Vor §

13

Scheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 18. 3.1952 (BGHSt. 2 194, 201) ist ein Markstein in der deutschen Strafrechtsgeschichte. Der Gesetzgeber hat die Entwicklung durch Einführung des § 17 zum Abschluß gebracht. Aus der neuen Vorschrift ergibt sich zunächst durch Umkehrschluß, daß die Unrechtskenntnis Voraussetzung des vollen Schuldvorwurfs ist. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit wird beim erwachsenen, im Vollbesitz der geistigen Kräfte befindlichen Menschen vorausgesetzt. Nur wenn Anhaltspunkte für einen Verbotsirrtum vorhanden sind oder ein solcher in der Hauptverhandlung behauptet wird (§ 267 Abs. 2 StPO), ist die Frage des Fehlens des Unrechtsbewußtseins zu prüfen. Inhalt des Unrechtsbewußtseins ist nicht die Kenntnis des verletzten Rechtssatzes oder die Kenntnis der Strafbarkeit der Tat (BGHSt. 15 377, 382 ff), sondern das Wissen des Täters, daß die Tat der Gemeinschaftsordnung widerspricht und deswegen rechtlich verboten ist (materielle Rechtswidrigkeit, oben Rdn. 38). In der Regel wird dem Täter die Rechtswidrigkeit der Tat deutlich vor Augen stehen. Für die Bejahung des Unrechtsbewußtseins genügt es aber, daß der Täter die Rechtswidrigkeit seiner Handlung oder Unterlassung ernstlich erwägt und sich mit der Möglichkeit, gegen das Recht zu verstoßen, abfindet (bedingtes Unrechtsbewußtsein) (BGHSt. 4 1, 4; BGH LM § 59 Nr. 6; BGH JR 1952 285). Was der Gesetzgeber in § 17 positiv geregelt hat, ist der Verbotsirrtum: fehlt dem Täter die Verbotskenntnis, so handelt er ohne Schuld, wenn der Irrtum für ihn unvermeidbar war (S. 1); konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden (S. 2). 6. Wenn eine Tat tatbestandsmäßig und rechtswidrig ist und von einer schuldfä- 77 higen Person vorsätzlich oder fahrlässig und mit Unrechtsbewußtsein begangen wird, so kann sie ausnahmsweise dennoch straffrei bleiben, weil die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen keinen Schuldvorwurf erhebt. Diese Umstände heißen Entschuldigungsgründe. Im Gesetz als Entschuldigungsgründe anerkannt sind der entschuldigende Notstand (§ 35), die Überschreitung der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (§ 33) und das Handeln des Soldaten der Bundeswehr auf Befehl, wenn die Strafrechtswidrigkeit der Befehlsausführung nicht offensichtlich ist (§ 5 Abs. 1 WStG). Die entsprechende Regelung gilt für Vollzugsbeamte des Bundes bei Anwendung von unmittelbarem Zwang auf dienstliche Weisung (§ 7 Abs. 2 S. 2 UZwG). Vgl. näher Hirsch LK? Rdn. 153 vor § 51. G. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit und Strafausschließungsgründe Schrifttum Bemmann Zur Frage der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (1957); Bloy Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (1976); Haß Zu Wesen und Funktion der objektiven Strafbarkeitsbedingung usw., Rechtstheorie 3 (1972) S. 23; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip, 2. Aufl. (1976); Arthur Kaufmann Unrecht und Schuld beim Delikt der Volltrunkenheit, JZ 1963 425; Hilde Kaufmann Strafanspruch, Strafklagrecht (1968); Peters Zur Lehre von den persönlichen Strafausschließungsgründen, JR 1949 496; Radbruch Tat und Schuld, SchwZStr. 51 (1937) S. 249; Rittler Strafbarkeitsbedingungen, Frank-Festgabe Bd. II (1930) S. 1; Sax „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, JZ 1976 9, 80, 429; Schmidhäuser Objektive Strafbarkeitsbedingungen, ZStW 71 (1959) S. 545; Schwalm Gibt es objektive Strafbarkeitsbedingungen? M D R 1959 906; Schweikert Strafrechtliche Haftung für riskantes Verhalten? ZStW 70 (1958) S. 394; Stratenwerth Objektive Strafbarkeitsbedingungen im Entwurf eines StGB 1959, ZStW 71 (1959) S. 565; Stree Objektive Bedingungen der Strafbarkeit, JuS 1965 465 ; Tiedemann Objektive Strafbarkeitsbedingungen und die Reform des deutschen Konkursstrafrechts, Z R P 1975 129. (39)

Vor § 13 78

2. Abschnitt. Die Tat

Wenn eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung gegeben ist, so kann gleichwohl die Strafbarkeit fehlen mit Rücksicht auf zusätzliche Umstände, die weder zum Unrechts- noch zum Schuldtatbestand zählen, aber auch nicht bloße Prozeßvoraussetzungen sind. Solche Umstände sind einmal die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit, zum anderen die persönlichen Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe. Sie sind materiell-rechtlicher Natur und von den Prozeßvoraussetzungen zu unterscheiden. Diese besonderen Strafbarkeitsvoraussetzungen, deren Abgrenzung umstritten ist 100 , kennzeichnen den vom Gesetzgeber vorausgesetzten besonderen Grad der Beeinträchtigung der Rechtsordnung, während die Prozeßvorausetzungen (ζ. B. das Strafantragserfordernis) auf Zweckmäßigkeitsgründe Rücksicht nehmen, die der Durchführung eines Strafverfahrens entgegenstehen ( Jescheck AT § 53 I 3).

I. Die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit 79 1. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit sind Umstände, die das objektive Gewicht der Tat als Störung der Rechtsordnung näher charakterisieren, ohne jedoch zum Unrechts- oder Schuldtatbestand zu zählen^ 01 . Für die Strafbarkeit kommt es allein auf ihr Vorliegen oder NichtVorliegen an, während sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht auf sie zu beziehen brauchen. Der Irrtum entlastet den Täter nicht, da § 16 unanwendbar bleibt, der Täter ist aber auch nicht wegen Versuchs strafbar, wenn die Strafbarkeitsbedingung entgegen seiner Annahme fehlt. Es gibt zwei Arten von Strafbarkeitsbedingungen 1°2. Die echten Strafbarkeitsbedingungen sind Strafeinschränkungsgründe, bei denen der Verzicht auf Vorsatz und Fahrlässigkeit vom Schuldprinzip her nicht zu beanstanden ist, weil sich das Fehlen dieser Umstände nur zugunsten des Täters auswirken kann. Der Gesetzgeber bejaht in diesen Fällen trotz Vorliegens von Unrecht und Schuld des Strafbedürfnis erst, wenn noch ein weiterer Umstand hinzutritt, der entweder die Tat selbst oder die weitere Entwicklung des Sachverhalts nach der Tat betreffen kann und dem Geschehen eine besondere Note gibt 103 . Hierhin gehören die Angriffe gegen ausländische Staaten (§§ 102 ff), die nur dann strafbar sind, wenn die Bundesrepublik zu dem verletzten Staat diplomatische Beziehungen unterhält und außerdem die Gegenseitigkeit verbürgt ist (§ 104 a), weil nur dann jenes Mindestmaß an politisch-diplomatischem Kontakt besteht, das den Einsatz der Strafe zum Schutz dieser Beziehungen sinnvoll erscheinen läßt. Hierhin gehört auch die Zahlungseinstellung, Konkurseröffnung und Ablehnung des Eröffnungsantrags mangels Masse bei den Konkursdelikten (§§ 283 Abs. 6, 283 b Abs. 2, 283 c Abs. 3, 283 d Abs. 4). Die unechten Straf100

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Hilde Kaufmann Strafanspruch, Strafklagrecht S. 125 ff; Jescheck AT §52 II, §53 II; Stratenwerth AT I Rdn. 186 ff; Stree JuS 1965 465. Gegen objektive Strafbarkeitsbedingungen überhaupt Bemmann Objektive Bedingungen der Straftarkeit S. 52 ff. Blei AT § 32 IX 2; Bockelmann AT § 8 IV; Dreher § 16 Rdn. 32; Hirsch LK 9 Rdn. 187 ff vor § 51; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip S. 247 ff; Lackner Vorbem. III 5 b vor § 13; Maurach-Zipf AT § 21 III A 1; Rudolphi SK Rdn. 12 vor § 19; Schmidhäuser ZStW 71 (1959) S. 558; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 124 vor § 13; Stratenwerth ZStW 71 (1959) S. 567 ff; Wessels AT § 5 IV 1. Anders Sax JZ 1976 14 ff, der die Zugehörigkeit der objektiven Strafbarkeitsbedingungen zum (weiteren) Unrechtstatbestand betont. Jescheck AT § 53 I 2; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 124 a vor § 13; Tiedemann ZRP 1975 132; Wessels AT § 5 IV 1. Radbruch SchwZStr. 51 (1937) S. 255; Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 124 zu § 13; Stratenwerth ZStW 71 (1959) S. 567 f. (40)

G. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit und Strafausschließungsgründe (Jescheck)

Vor § 13

barkeitsbedingungen sind dagegen entweder verkappte Strafschärfungsgründe oder der Sache nach strafbegründende Tatbestandsmerkmale, die der Gesetzgeber aus kriminalpolitischen Gründen dem Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitserfordernis entziehen wollte ( H a ß Rechtstheorie 3 [1972] S. 33). Unechte Strafbarkeitsbedingungen der ersten Gruppe sind der Eintritt der schweren Folge bei der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 227) und die Begehung der Rauschtat beim Vollrausch (§ 330 a). Das einzige, aber praktisch wichtige Beispiel für die zweite Gruppe ist die Nichterweislichkeit der Wahrheit der behaupteten Tatsache bei der üblen Nachrede (§ 186) (BGHSt. 11 273, 274). Die unechten Strafbarkeitsbedingungen stellen eine Einschränkung des Schuldprinzips dar (Arthur Kaufmann JZ 1963 426 ff). Rechtsprechung und Lehre haben auf verschiedenen Wegen versucht, diese Strafvorschriften durch anpassende Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen oder durch Einführung neuer Zurechnungsprinzipien mit dem Schuldprinzip in Einklang zu bringen. Teils wird hinsichtlich der Unwahrheit der behaupteten Tatsache bei § 186 eine Sorgfaltswidrigkeit vorausgesetzt (Hirsch Ehre und Beleidigung S. 152 ff; Welzel Lb § 42 II 2 a), teils wird durch Einführung des „Risikogedankens" die zivilrechtliche Kategorie der Gefährdungshaftung in die §§ 186, 227 und 330 a ü b e r n o m m e n ^ 4 , teils wird für § 330 a die Voraussehbarkeit möglicher Straftaten verlangt (BGHSt. 10 247, 250; 17 333, 335). Alle diese Harmonisierungsversuche haben sich jedoch nicht durchgesetzt. Die Spannung zwischen den unechten Strafbarkeitsbedingungen und dem Schuldprinzip ist bestehen geblieben. Sie läßt sich nur in der Strafzumessung einigermaßen ausgleichen (Jescheck AT § 53 I 2 b). 2. Die Behandlung der objektiven Strafbarkeitsbedingungen ist durch ihre Stel- 80 lung im Strafrechtssystem bestimmt (Jescheck AT § 53 III). Als Voraussetzungen der Strafbedürftigkeit der Tat nehmen sie an den für die Tatbestandsmerkmale geltenden rechtsstaatlichen Sicherungen teil. So erstreckt sich auf sie die Garantiefunktion des Strafgesetzes (Art. 103 Abs. 2 GG), wird im Strafverfahren der Strengbeweis angewendet (§§ 244—256 StPO) und gilt das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit bei allen dem Angeklagten nachteiligen Entscheidungen des Gerichts (§ 263 StPO). Auf der anderen Seite betreffen die Strafbarkeitsbedingungen nicht die tatbestandsmäßige Handlung. Ihr Eintritt ist deswegen für Ort und Zeit der Tat gleichgültig. Nach Beendigung der Tat kann deswegen eine Beteiligung nur Begünstigung (§ 257) oder Strafvereitelung (§ 258) sein, auch wenn der Beitrag vor dem Eintritt der Bedingung geleistet wird. Da die Strafbarkeitsbedingungen nicht zum Tatbestand gehören, brauchen sich weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit auf sie zu beziehen (BGHSt. 21 334, 365 fi). II. Die persönlichen Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe 1. Die persönlichen Ausnahmen von der Strafbarkeit sind das Gegenstück der 81 objektiven Bedingungen der Strafbarkeit im Bereich persönlicher Momente (Stree JuS 1965 467). Auch hier handelt es sich um Umstände, die weder das geschützte Rechtsgut, noch die Begehungsweise der Tat, noch die in der Tat bekundete Rechtsgesinnung des Täters betreffen, sondern den Sinn der Bestrafung in dem betreffenden Ausnahmefall. Ihrem Wesen nach sind es Umstände, die das Strafbedürfnis hinsichtlich der Tat aus Gründen beseitigen, die mit der Person des Täters zusam104

(41)

Baumann AT § 31 1 ; Schwalm MDR 1959 906; Schweikert ZStW 70 (1958) S. 394 ff; Stree JuS 1965 465.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

menhängen. Man unterscheidet persönliche Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (Jescheck AT § 52 II; kritisch zur Terminologie Hirsch LK9 Rdn. 191 vor § 51). Die ersteren müssen zur Zeit der Tat vorliegen, die letzteren treten erst nach Begehung der Tat ein und beseitigen die bereits enstandene Strafbarkeit rückwirkend wieder. Zur ersten Gruppe gehört die Indemnität der Abgeordneten (Art. 46 Abs. 1 GG, § 36 StGB), zur zweiten der Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) und von vollendeter Tat (z. B. § 310 StGB). Die Abgrenzung ist im übrigen umstritten 105. 82

2. Da die persönlichen Strafausschließungsgründe ebenso wie die objektiven Strafbarkeitsbedingungen außerhalb von Unrecht und Schuld stehen, brauchen sich auch bei ihnen weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit des Täters auf sie zu beziehen. Als Merkmale des Strafbedürfnisses gehören sie jedoch zu den materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit. Deshalb gelten für sie die gleichen Bestimmungen wie für die Strafbarkeitsbedingungen (oben Rdn. 80). Auch der prozessuale Grundsatz „in dubio pro reo" ist anzuwenden (Jescheck AT § 52 III). H. Die Unterlassungsdelikte Schrifttum Androulakis Studien zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte (1963); Bertel Begehungs- oder Unterlassungsdelikt? JZ 1965 53 ; Böhm Die Rechtspflicht zum Handeln bei den unechten Unterlassungsdelikten, Diss. Frankfurt (1957); Böhm Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 177; Busch Über die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, Mezger-Festschrift (1954) S. 165; Busch Zur gesetzlichen Begründung der Strafbarkeit unechten Unterlassens, v. Weber-Festschrift (1963) S. 192; Dahm Bemerkungen zum Unterlassungsproblem, ZStW 59 (1940) S. 133; Drost Der Aufbau der Unterlassungsdelikte, GS 109 (1937) S. 1 ; Engisch Tun und Unterlassen, Gallas-Festschrift (1973) S. 163; Fuhrmann Der Irrtum über die Garantenpflicht usw., GA 1962 161; Gallas Unterlassene Hilfeleistung nach deutschem Strafrecht, Deutsche Landesreferate zum IV. Int. Kongr. f. Rechtsvergleichung (1955) S. 344; Gallas Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten (1963); Geilen Das Leben des Menschen in den Grenzen des Rechts, FamRZ 1968 121; Geilen Neue juristisch-medizinische Grenzprobleme, JZ 1968 145; Georgakis Hilfspflicht und Erfolgsabwendungspflicht im Strafrecht (1938); Grünwald Das unechte Unterlassungsdelikt, Diss. Göttingen (1957); Grünwald Oer Vorsatz des Unterlassungsdelikts, H. Mayer-Festschrift (1966) S. 281; Herdegen Der Verbotsirrtum in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BGH-Festschrift (1975) S. 195; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972); Jescheck-Goldmann Die Behandlung der unechten Unterlassungsdelikte im deutschen und ausländischen Strafrecht, ZStW 77 (1965) S. 109; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); Armin Kaufmann Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 173; Armin Kaufmann Unterlassung und Vorsatz, v. Weber-Festschrift (1963) S. 207; Arthur Kaufmann Die Bedeutung hypothetischer Erfolgsursachen im Strafrecht, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 200; Arthur Kaufmann Bemerkungen zum Irrtum beim unechten Unterlassungsdelikt, JZ 1963 504; Kienapfel Die Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen, ÖJZ 1976 197; Kienapfel Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen, ÖJZ 1976 281 ; Küper Noch einmal: Rechtfertigender Notstand, Pflichtenkollision und übergesetzliche Entschuldigung, JuS 1971 476; Lampe Die Problematik der Gleichstellung von Handeln und Unterlassen im Strafrecht, ZStW 79 (1967) S. 476; Maihofer Der soziale Handlungsbegriff, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 156; Meister Echtes und unechtes Unterlassungsdelikt, M D R 1953 649; Meyer-Bahlburg Beitrag zur Erörte-

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Näheres bei Bloy Strafausschließungsgründe S. 57, 73, 87, 211; Hirsch LK 9 Rdn. 192 vor § 51 ; Jescheck AT § 52 II. (42)

H. Die Unterlassungsdelikte (Jescheck)

Vor § 13

rung der Unterlassungsdelikte, Diss. Hamburg (1962); Meyer-Bahlburg Zur Garantenstellung bei den Unterlassungsdelikten, G A 1968 49; Νagier Die Problematik der Begehung durch Unterlassung, GS 111 (1938) S. 1 ; Ranft Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen im Strafrecht, JuS 1963 340; Roxin Zur Kritik der finalen Handlungslehre, ZStW 74 (1962) S. 515; Roxin Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW 74 (1962) S. 411; Roxin An der Grenze von Begehung und Unterlassung, Engisch-Festschrift (1969) S. 380; Samson Begehung und Unterlassung, Welzel-Festschrift (1974) S. 579; Sax Zur rechtlichen Problematik der Sterbehilfe usw., JZ 1975 137; Schaffstein Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum, Festschrift f. d. OLG Celle (1961) S. 175; Eb. Schmidt Der Arzt im Strafrecht (1939); R. Schmitt Zur Systematik der Unterlassungsdelikte, JZ 1959 432; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendung und Strafrecht (1974); Schöne Unterlassungsbegriff und Fahrlässigkeit, JZ 1977 150; Schiinemann Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte (1971); Schwarz Die Unterscheidung zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten, Diss. Freiburg i. Br. (1967); Spendel Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen, Eb. Schmidt-Festschrift (1961) S. 183; Spendel Zur Dogmatik der unechten Unterlassungsdelikte, JZ 1973 137; Struensee Die Struktur der fahrlässigen Erfolgsdelikte, JZ 1977 217; Welp Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung (1968); Zimmermann Zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte, NJW 1952 1321. I. Allgemeine Grundlagen 1. E b e n s o wie i m Zivilrecht ( S c h w e i g e n i m R e c h t s v e r k e h r ) h a t a u c h i m S t r a f - 8 3 recht n e b e n d e m p o s i t i v e n T u n d i e U n t e r l a s s u n g e r h e b l i c h e B e d e u t u n g . D i e U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e f a l l e n e b e n s o wie d i e B e g e h u n g s d e l i k t e u n t e r d e n O b e r b e g r i f f d e s „sozialerheblichen menschlichen Verhaltens" ( o b e n R d n . 28), a u c h f ü r sie gelten d i e beiden Grundkriterien des strafrechtlichen Handlungsbegriffs: Beherrschbarkeit u n d soziale R e l e v a n z d e s G e s c h e h e n s 1 0 6 . Alle U n t e r l a s s u n g e n , o b echte o d e r u n e c h t e , s i n d Z u w i d e r h a n d l u n g e n g e g e n G e b o t s n o r m e n 1 0 7 . D u r c h eine G e b o t s n o r m w i r d eine b e s t i m m t e H a n d l u n g a n g e o r d n e t , ein positives T u n also a n b e f o h l e n ; d i e R e c h t s v e r l e t z u n g b e s t e h t in d e r U n t e r l a s s u n g dieses T u n s . O b j e d o c h a u s e i n e m b e s t i m m t e n G e s c h e h e n d a s positive Tun oder die Unterlassung eines s o l c h e n als d e r f ü r d i e s t r a f r e c h t l i c h e B e u r t e i l u n g r e l e v a n t e A u s s c h n i t t h e r a u s z u g r e i f e n ist, k a n n in m a n c h e n F ä l l e n z w e i f e l h a f t sein 108. So ist d a s R e i c h s g e r i c h t im Z i e g e n h a a r f a l l v o n e i n e m U n t e r l a s s e n ausgeg a n g e n ( R G S t . 6 3 211), w ä h r e n d in W i r k l i c h k e i t ein p o s i t i v e s T u n ( E i n f ü h r u n g des n i c h t d e s i n f i z i e r t e n R o h m a t e r i a l s in d e n V e r a r b e i t u n g s p r o z e ß ) a n z u n e h m e n w a r 1 0 9 . M i t R e c h t w u r d e d a g e g e n bei e i n e m H e i l p r a k t i k e r d i e W e i t e r b e h a n d l u n g e i n e r k r e b s k r a n k e n P a t i e n t i n s t r a f r e c h t l i c h als U n t e r l a s s u n g d e r E i n w e i s u n g in d i e K l i n i k

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Daß diese Aussage „keinerlei sachliches Gewicht" besitzen soll — so Sch.-Schröder-Stree Rdn. 138 vor § 13 — ist nicht zuzugeben. 107 Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 3 ff; JuS 1961 173 f; Schmidhäuser AT 16/21; Stratenwerth AT I Nr. 1038; Wekel Lb § 26 I. Die ältere Lehre nimmt dagegen an, daß das unechte Unterlassungsdelikt zugleich gegen eine Verbotsnorm verstoße: Baumann AT § 18 II 1 ; Maurach AT 4 § 45 I C 1 ; R. Schmitt JZ 1959 432. 108 Zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 136 ff; Jescheck AT § 58 II 2. 109 Für Unterlassen Baumann AT § 18 II 1 ; Mezger AT § 15 II Fußn. 21. Für positives Tun zu Recht Blei AT § 84 II 1 ; Böhm Die Rechtspflicht zum Handeln S. 22 f; Engisch GallasFestschrift S. 184 ff; Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 139; Arthur Kaufmann Eb. Schmidt-Festschrift S. 212; Roxin ZStW 74 (1962) S.414; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 158 vor § 13. (43)

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

gewürdigt, da nicht die an sich unschädliche Naturheilmethode, sondern die Verzögerung der Operation zum Tode geführt hatte (RGSt. 75 324). Die Mitnahme eines Kleinkindes im Kraftwagen ohne Türsicherung ist positives Tun (anders OLG Karlsruhe, Die Justiz 1976 435). Positives Tun des verantwortlichen Führers eines Lastzugs ist die Überlassung des Steuers an den übermüdeten Beifahrer (anders wohl BGH NJW 1959 1979), Unterlassung das Nichtweiterfahren des Helfers, wenn der fahruntüchtige Halter das Steuer zurückverlangt (OLG Karlsruhe, JZ 1960 178). Einem fahrlässigen positiven Tun kann eine vorsätzliche Unterlassung auch nachfolgen (BGHSt. 7 287, 288). Auch kann ein rechtmäßiges positives Tun von einer fahrlässigen Unterlassung begleitet sein (BGHSt. 7 268, 272). In Rechtsprechung und Lehre werden für die Unterscheidung von Tun und Unterlassen verschiedene Verfahren angewendet. Die überwiegende Meinung stellt auf den „Schwerpunkt des Täterverhaltens" ab 1 ! 0 . Andere fragen, wogegen der rechtliche Vorwurf sich jeweils richtet 1 1 1 . Ein weiteres Kriterium ist der „soziale Sinn" des Geschehens 1 1 2 . Wieder andere wollen ein Verhalten, das sowohl Begehungs- als auch Unterlassungselemente enthält, „im Zweifel" als positives Tun betrachten 1 1 3 . Das richtige Verfahren für die Unterscheidung von Tun und Unterlassen besteht in der Anwendung des Kausalitätskriteriums 1 1 4 . Hat jemand einen tatbestandsmäßigen Erfolg durch ein objektiv tatbestandsmäßiges positives Tun verursacht, so ist dieses der für die strafrechtliche Prüfung maßgebende Anknüpfungspunkt. Danach ist weiter zu fragen, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Tat kommt allein das positive Tun für die strafrechtliche Würdigung in Betracht. Erst wenn feststeht, daß das aktive Handeln des Täters zwar vorsätzlich oder fahrlässig, aber sozialadäquat, rechtmäßig oder schuldlos war, muß weiter geprüft werden, ob der Täter ein zu erwartendes positives Tun, durch das der Erfolg abgewendet worden wäre, unterlassen hat. Positives Tun ist auch die Verhinderung oder der Abbruch eines fremden Rettungswerks115, so wenn jemand bei einem Badeunfall sich der Bootsfahrt des Rettungswilligen zu dem Ertrinkenden entgegenstellt, Unterlassung dagegen die Verweigerung der benötigten Hilfe, auch wenn dadurch eine Pflicht zur Hilfeleistung verletzt wird, ζ. B. die Verweigerung der Erlaubnis zur Benutzung des Rettungsboots durch den Eigentümer. Höchst zweifelhaft ist dagegen die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn der Retter selbst ein von

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BGHSt. 6 46, 59; OLG Stuttgart FamRZ 1959 74; Blei AT § 84 II 1 ; H. Mayer AT § 17 I; Maurach AT § 45 I C 3; Ranft JuS 1963 340 ff; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 158 vor § 13; Wessels AT § 16 I 2. Mezger JZ 1958 281; Zimmermann NJW 1952 1322. BGH NJW 1953 1924; Geilen JZ 1968 151; Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 135; Meyer-Bahlburg G A 1968 49; Eb. Schmidt Der Arzt im Strafrecht S. 78 ff. Arthur Kaufmann Eb. Schmidt-Festschrift S. 212; Spendet Eb. Schmidt-Festschrift S. 194. Böhm Die Rechtspflicht zum Handeln S. 18 ff; Grünwald Das unechte Unterlassungsdelikt S. 21 ff; Jescheck AT § 58 II 2; Kienapfel ÖJZ 1976 286 f; Roxin ZStW 74 (1962) S. 415 ff; Rudolphi SK Rdn. 7 vor § 13; Samson Welzel-Festschrift S. 589 ff; Welzel Lb § 26 II 3. Auch das Kriterium des „Energieeinsatzes" von Engisch Gallas-Festschrift S. 170 ff kommt auf die „Kausalitätsprobe" heraus, sofern man davon ausgeht, daß nur positives Tun kausal sein kann. Wie Engisch auch Androulakis Unechte Unterlassungsdelikte S. 55 f; Welp Vorangegangenes Tun S. 109 ff. Bockelmann AT § 17 F; Engisch Gallas-Festschrift S. 181 ff; Heimann-Trosien/Wolff LKy Einleitung Rdn. 141 ; Jescheck AT § 58 II 2; Roxin Engisch-Festschrift S. 387; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 159 vor § 13. (44)

H. Die Unterlassungsdelikte (Jescheck)

Vor § 13

ihm eingeleitetes Rettungswerk durch positives Tun abbricht, wenn ζ. B. der behandelnde Arzt die von ihm in Gang gesetzte Herz-Lungen-Maschine abstellt, weil er den Patienten sterben lassen will. Nach dem Kausalitätskriterium läge positives Tun vor, da es auf den K n o p f d r u c k des Arztes a n k o m m t 1 1 6 . Wenn man dagegen auf den Handlungssinn abstellt, dürfte das Nichtweiterhandeln maßgebend und damit ein Unterlassen anzunehmen sein 1 1 7 . 2. Die Unterlassungsdelikte gliedern sich in echte und unechte Unterlassungsde- 84 likte. Die Unterscheidung geht auf Heinrich Luden (Abhandlungen aus dem gemeinen teutschen Strafrechte, Bd. II [1840] S. 219 ff) zurück, der das Wesen der echten Unterlassungsdelikte in der Nichterfüllung eines Gebots zu einem bestimmten Handeln erblickte, während den unechten Unterlassungsdelikten die Verletzung eines fremden subjektiven Rechts eigen sei. Demgemäß wird nach der überlieferten Auffassung auch heute überwiegend angenommen, d a ß sich bei den echten Unterlassungsdelikten, wie der unterlassenen Hilfeleistung (§ 330 c) oder der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138), die tatbestandsmäßige Zuwiderhandlung in der Nichtvornahme der gebotenen Handlung erschöpft. Die echten Unterlassungsdelikte haben auf der Seite der Begehungsdelikte die schlichten Tätigkeitsdelikte (oben Rdn. 46) zum Gegenstück. Dagegen wird bei den unechten Unterlassungsdelikten dem Täter als „Garanten" für das geschützte Rechtsgut eine Pflicht zur Erfolgsabwendung auferlegt. Der Eintritt des Erfolges gehört hier zum Tatbestand. Dem Garanten, der seine Erfolgsabwendungspflicht verletzt, wird der Eintritt des Erfolges objektiv zugerechnet. Der Erfolg ist „seine Tat". Die unechten Unterlassungsdelikte sind darum das Gegenstück zu den Erfolgsdelikten (oben Rdn. 46) 11 ^. Diese Einteilung liegt offensichtlich auch dem neuen § 13 zugrunde (E 1962 Begründung S. 123; Sonderausschuß Protokolle S. 1644 f, 1860 0 · Zu Unrecht wird gegenüber der vorstehenden Unterscheidung das Bedenken erhoben, die Strafvorschriften, in denen echte Unterlassungsdelikte enthalten sind, wollten ebenso wie die unechten einen schädlichen Erfolg verhindern u n d forderten deshalb gleichfalls eine Tätigkeit des Unterlassenden in dieser Richtung 1 1 9 . Dies ist zwar als Beschreibung des Gesetzeszwecks an sich richtig, der Gesetzgeber macht hier jedoch dem Unterlassenden die Erfolgsabwendung nicht zur strafrechtlich sanktionierten Pflicht und

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So Blei AT § 84 II 2 b; Bockelmann AT § 18 F; Jescheck AT § 58 II 2; Samson WelzelFestschrift S. 601 ; Sax JZ 1975 137 ff. So Engisch Gallas-Festschrift S. 177 f; Geilen FamRZ 1968 126; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 107 f; Küper JuS 1971 476; Roxin Engisch-Festschrift S. 395 ff; Welzel Lb § 26 II 3; Wessels AT § 16 I 2. RGSt. 45 210, 213; BGHSt. 14 280, 281 ; Baumann AT § 18 I, II; Blei AT § 84 I; Bockelmann AT § 17 A I; Böhm JuS 1961 178; Busch v. Weber-Festschrift S. 193 f; Gallas Deutsche Landesreferate S. 349; Georgakis Hilfspflicht und Erfolgsabwendungspflicht S. 15 f; Heimann-Trosien/Wolff LK.9 Einleitung Rdn. 143; Jescheck AT § 58 III 2; Jescheck-Goldmann ZStW 77 (1965) S. 121 f; Maurach AT 4 § 45 I B, C; Mezger AT § 16 II, III; Rudolphi SK Rdn. 10 vor § 13 ; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendung S. 56 ff, 115 ff ; Wessels AT § 16 I 1. Ein Teil der Autoren verwendet in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung von Gebots- und Verbotsnorm (oben Rdn. 83 Fußn. 107), doch führt diese hier nicht weiter, da auch bei den unechten Unterlassungsdelikten nur gegen das (aus der Verbotsnorm abgeleitete) Gebot der Erfolgsverhinderung verstoßen wird. So Herzberg Die Unterlassung S. 22 f; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 206 ff; H. Mayer AT § 17 III 2 a; Schwarz Echte und unechte Unterlassungsdelikte S. 104; Welzel Lb § 26 II 1 c.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

den Eintritt eines schädlichen Erfolges deswegen auch nicht zum Tatbestandsmerkmal. Eine im Vordringen begriffene abweichende Meinung will dagegen echte und unechte Unterlassungsdelikte überhaupt nicht mehr nach dem Inhalt der Handlungspflicht u n d der Zurechnung des Erfolges unterscheiden, sondern allein nach einem rein äußerlich-formalen Kriterium. Ob ein echtes oder unechtes Unterlassungsdelikt vorliegt, soll sich allein danach bestimmen, ob das Gesetz einen entsprechenden Unterlassungstatbestand enthält; die echten Unterlassungsdelikte hätten ihre Regelung im Gesetz gefunden, die unechten seien dagegen außerhalb des Gesetzes durch Rechtsprechung u n d Lehre geschaffen w o r d e n ' 2 0 Gegen diese Meinung spricht jedoch, daß damit der sachliche Unterschied zwischen echten u n d unechten Unterlassungsdelikten verloren geht, daß der Anknüpfungspunkt für das Verständnis des § 13 preisgegeben wird und d a ß die im Gesetz selbst enthaltenen unechten Unterlassungsdelikte (z. B. § 109 zweite Handlungsform, § 223 b dritte Handlungsform) verkannt werden. Beispiele für echte Unterlassungsdelikte sind der Hausfriedensbruch durch unbefugtes Verweilen (§ 123 Abs. 1 zweite Handlungsform) (BGHSt. 19 295, 298; 21 224, 225), die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138), mehrere Sexualdelikte (§§ 174 ff) durch das Merkmal „oder an sich vornehmen läßt", die Nichtermöglichung nachträglicher Feststellungen nach Entfernung vom Unfallort (§ 142 Abs. 2), die unterlassene Hilfeleistung (§ 330 c). Beispiele für unechte Unterlassungsdelikte im StGB sind die Gesundheitsschädigung Abhängiger durch Vernachlässigung der Fürsorgepflicht (§ 223 b dritte Handlungsform), die Gefährdung des Straßenverkehrs durch Nichtkennzeichnung von liegengebliebenen Fahrzeugen (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 g), das Begehenlassen einer Körperverletzung durch einen Amtsträger in Dienstausübung (§ 340 zweite Handlungsform) (weitere Beispiele bei Jescheck AT § 58 III 4). 85

3. Über die Struktur der Unterlassung besteht trotz vieler Meinungsverschiedenheiten im einzelnen weitgehend Einigkeit: die Unterlassung hat ontologisch keine Realität, sondern sie entsteht erst durch ein Urteil. Unterlassen ist die Nichtvornahme einer erwarteten Handlung121. Ob damit freilich ein dem Tatbestand vorgelagerter Unterlassungsbegriff gewonnen ist, weil die Handlungserwartung nicht notwendigerweise rechtlich begründet sein müsse (so Engisch J Z 1962 190; Jescheck AT § 23 IV 1), ist bestritten. Die Frage kann hier aber offenbleiben, da es für die Struktur der strafrechtlich sanktionierten Unterlassung auf die rechtlich begründete Erwartung u n d damit auf die Nichtvornahme der vom Gesetz geforderten Handlung ankommt. Ein solcher normativer Begriff der Unterlassung wird in der Rechtsprechung allgemein vertreten (RGSt. 63 392, 394; OGHSt. 1 316, 317; BGHSt. 14 280, 281 f ; 17 166, 169 f; 21 50, 53 0 · Merkmal des Begriffs der Unterlassung ist weiter, daß die Vornahme der Handlung möglich gewesen sein m u ß 1 2 2 , wobei der Maß120

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Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 206 ff, 275 ff ; JuS 1961 174; Meyer-Bahlburg Unterlassungsdelikte S. 20 f; R. Schmitt JZ 1959 432; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 137 vor § 13; Stratenwerth AT I Nr. 987; Welzel § 26 II 1 c. Auf die Unterscheidung von echten und unechten Unterlassungsdelikten verzichtet ganz Schmidhäuser AT 16/18 f. Gallas Beiträge S. 26; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 125 ff; Jescheck AT § 23 IV 1; Maurach AT4 § 45 II A; Mezger AT § 18 II; Rudolphi SK Rdn. 4 vor § 13; Schmidhäuser AT 16/7 f; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 139 vor § 13. Dagegen Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 92 ff; Schaffstein Festschrift f. d. OLG Celle S. 201 f; Welzel Lb § 26 I. Maurach AT § 45 II C; Rudolphi SK Rdn. 2 vor § 13; Schmidhäuser AT 16/66. (46)

H. Die Unterlassungsdelikte (Jescheck)

Vor § 13

stab für das Möglichkeitsurteil ein objektiver ist (RGSt. 74 199, 200; 75 160, 164; OGHSt. 1 316, 317; BGHSt. 14 213, 216; 15 18, 22). Daraus ergibt sich für die Struktur der Unterlassung folgende Definition: „Dem Begriffe nach ist Unterlassen die — aus der Sicht des Beurteilers — ungenutzt gebliebene Möglichkeit zu handeln" (BGHSt. 19 295, 299). Zweifelhaft ist nur, ob zum Begriff der Unterlassung als Grundlage des Verbrechensaufbaus bereits die individuelle Handlungsfähigkeit des Unterlassenden gehört oder ob die „allgemeine Handlungsfähigkeit" genügt. Da es auf dieser Stufe der strafrechtlichen Prüfung noch nicht auf die individuelle Zurechenbarkeit des Untätigbleibens, sondern auf die strafrechtliche Zurechenbarkeit überhaupt ankommt, muß bei der Definition der Unterlassung die allgemeine Handlungsfähigkeit zugrunde gelegt werdenl 23 . Danach kann von einem Unterlassen begrifflich schon dann gesprochen werden, wenn „ein anderer" an der Stelle des Täters, den man sich im Vollbesitz der in der konkreten Situation erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu denken hat, zur Vornahme der erwarteten Handlung in der Lage gewesen wäre. II. Die Tatbestandsmäßigkeit der Unterlassung 1. Der Tatbestand der Unterlassungsdelikte ist anders aufgebaut als der Tatbe- 86 stand der Begehungsdelikte, weil das Kernstück hier nicht ein positives Tun, sondern das Unterbleiben der vom Gesetz geforderten Handlung ist. Die für den Tatbestand der Begehungsdelikte entwickelten Regeln (oben Rdn. 38 ff) müssen daher an die besonderen Gegebenheiten der Unterlassungsdelikte angepaßt werden. Da die Unterlassung keine Realität besitzt wie das positive Tun, sondern nur in der Enttäuschung der Erwartung eines bestimmten, dem Täter möglichen positiven Tuns gedacht werden kann, müssen in den Tatbestand der Unterlassung Merkmale aufgenommen werden, die im Tatbestand der Begehungsdelikte kein Gegenstück haben. So gehört zum Tatbestand aller Unterlassungsdelikte die individuelle Handlungsfähigkeit. Während die allgemeine Handlungsfähigkeit ein Merkmal des Unterlassungsbegriffs im Sinne des sozialerheblichen menschlichen Verhaltens ist (oben Rdn. 85), muß die Frage der Tatbestandsmäßigkeit der Unterlassung auf die konkrete Einzelperson bezogen werden, die als Unterlassungstäter in Betracht kommt 124 . Die individuelle Handlungsfähigkeit ist somit ein Merkmal des personalen Handlungsunrechts der Unterlassungsdelikte. Individuelle Handlungsfähigkeit bedeutet, daß es dem Täter möglich gewesen sein muß, in sinnvoller Weise das Erforderliche zu tun 1 2 5 . Das Möglichkeitsurteil ist zwar nach objektiven Gesichts-

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So Jescheck AT § 23 IV 2 b ; Maihofer Eb. Schmidt-Festschrift S. 177. Rechtsprechung und Lehre verlangen jedoch meist schon zum Begriff der Unterlassung die individuelle Handlungsfähigkeit: RGSt. 64 273, 276; BGHSt. 2 296, 298 f; 6 46, 57; Maurach AT § 45 II C; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 35 ff; Rudolphi SK Rdn. 2 vor § 13; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 141 ff vor § 13; Welzel Lb § 26 I. Rechnet man mit der herrschenden Meinung die individuelle Handlungsfähigkeit schon zum Begriff der Unterlassung (oben Rdn. 85 Fußn. 123), so ergibt sich die Zugehörigkeit zum Handlungsunrecht erst recht. Dagegen sieht Baumann AT § 18 I 2 die Unmöglichkeit der Gebotserfüllung als Rechtfertigungsgrund; v. Weber Grundriß § 16 II als Entschuldigungsgrund an. RGSt. 75 160, 164; OGHSt. 1 316, 319; BGHSt. 2 296, 298 f; 19 295, 296; BGH Daliinger MDR 1971 361 ; BGH MDR 1973 369 m. Anm. Blei; Heimann-Trosien/WoIffLK9 Einleitung Rdn. 128 ff; Jescheck AT § 59 II 2; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 142 vor § 13.

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2. Abschnitt. Die Tat

punkten zu fällen, wobei auf einen einsichtigen Beobachter bei Prüfung der Lage „ex ante" abzustellen ist (BGHSt. 14 213, 216; 19 295, 299), doch werden nicht nur äußere Faktoren einbezogen 12 6. Die Handlungsfähigkeit erfordert, daß einmal die äußeren Voraussetzungen (räumliche Nähe, geeignete Hilfsmittel), zum anderen aber auch die nötigen Kräfte (Körperkraft, technische Kenntnisse, intellektuelle Fähigkeiten) zur Vornahme der geforderten Handlung gegeben sind. Darüber hinaus aber muß der Unterlassungstäter sich die gebotene Handlung als mögliches Willensziel vorstellen oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wenigstens andeutungsweise vorstellen können 1 2 7 . 87

2. Der Sachverhalt, aus dem sich bei den Unterlassungsdelikten der Inhalt der Handlungspflicht und die Person des Handlungspflichtigen erkennen lassen, heißt tatbestandsmäßige Situation 128 . Der Tatbestand umschreibt diese in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlicher Genauigkeit. Die tatbestandsmäßige Situation ist bei den im Gesetz geregelten Unterlassungsdelikten durch den gesetzlichen Tatbestand selbst weitgehend, wenn auch nicht immer abschließend festgelegt. Bei den außerhalb des Gesetzes durch Umbildung von Begehungstatbeständen geschaffenen Unterlassungsdelikten muß das Fehlende sinngemäß ergänzt werden. So besteht bei der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138) die tatbestandsmäßige Situation darin, daß eine bestimmte schwere Straftat bevorsteht und durch rechtzeitige Anzeige noch verhindert werden kann (RGSt. 71 385, 386). Anzeigepflichtig ist, wer von dem Vorhaben glaubhafte Kenntnis erhält. Bei der unterlassenen Hilfeleistung (§ 330 c) kann die tatbestandsmäßige Situation sehr verschieden sein. Sie kann ζ. B. in der Einlieferung eines Patienten mit Schenkelhalsbruch in ein Krankenhaus bestehen (BGHSt. 21 50, 52 f)· Hilfspflichtig ist der leitende Chirurg. Bei einem Mordanschlag von Ehefrau und älterem Sohn auf den Ehemann und Vater besteht die tatbestandsmäßige Situation in der durch den Tatplan geschaffenen Lebensgefahr für das Opfer. Handlungspflichtig ist der in der Hausgemeinschaft lebende jüngere Sohn aufgrund der ihm für das Leben des Vaters obliegenden Garantenpflicht (BGHSt. 19 167) ( Jescheck LK § 13 Rdn. 22).

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3. Zum Tatbestand des Unterlassungsdelikts gehört weiter die Nichtvornahme der nach der tatbestandsmäOigen Situation erforderlichen Handlung durch den Handlungspflichtigen und Handlungsfähigen 1 2 9 . Die vom Gesetz geforderte Handlung kann in ihrer Beschaffenheit sehr verschieden und durch den Tatbestand auch in verschiedenem Umfange umschrieben sein. Sie besteht ζ. B. bei der Nichtanzeige einer geplanten schweren Straftat (§ 138) in der schnellstmöglichen Mitteilung an 126

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So aber Grünwald Das unechte Unterlassungsdelikt S. 14; Maurach AT § 45 II B; Schmidhäuser AT 16/66; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 143 vor § 13; Schiinemann Unterlassungsdelikte S. 30 f; Wessels AT § 16 II 2. So Engisch Kohlrausch-Festschrift S. 164; Gallas Beiträge S. 53; Jescheck AT § 59 II 2; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 110ff; Mezger AT § 16 II; Stratenwerth AT I Nr. 1031; Welzel Lb § 27 I 3 b. Heimann- Trosien/ Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 146; Jescheck AT § 59 I; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 96 ff; Rudolphi SK Rdn. 11 vor § 13; Schmidhäuser AT 16/63 ff; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 148 vor § 13; Welzel Lb § 27 I 1. Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 146; Jescheck AT §59 II 1; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 106; Rudolphi SK Rdn. 12 vor § 13; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 151 vor § 13; Stratenwerth AT I Nr. 1021; Welzel Lb § 27 A I 2, §28 A I 2; Wessels AT § 16 II 2. (48)

H. Die Unterlassungsdelikte (Jescheck)

Vor § 13

die Behörde oder den Bedrohten, beim Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr. 5) in der Führung der gesetzlich vorgeschriebenen Handelsbücher. Nach einem Verkehrsunfall m u ß der unverletzt gebliebene Kraftfahrer den von ihm überfahrenen Fußgänger entweder ins Krankenhaus bringen oder, wenn das infolge seines Zustandes zu gefährlich wäre, den Notarztwagen herbeitelefonieren (BGHSt. 7 287). Ein Arzt, dem ein schweres Krankheitsbild telefonisch mitgeteilt wird, muß sich sofort zu dem Patienten begeben und kann die Behandlung nicht mit der Bemerkung ablehnen, daß er den im Urlaub befindlichen Hausarzt nicht vertrete (BGHSt. 17 166). Am Tatbestand des vorsätzlichen Unterlassungsdelikts fehlt es schon dann, wenn der Täter sich erfolgslos bemüht hat, seine Handlungspflicht zu erfüllen (der Arzt findet ζ. B. infolge einer Adressenverwechslung das Haus des Patienten nicht). Wer mit Gebotserfüllungstendenz falsch handelt oder unbewußt zu wenig tut, kann nur wegen eines fahrlässigen Unterlassungsdelikts bestraft werden. Der Täter m u ß freilich im letzteren Falle auf die Wirksamkeit seiner Bemühungen vertraut h a b e n 130 Die Handlungspflicht braucht nicht persönlich erfüllt zu werden. Der Handlungspflichtige kann und m u ß gegebenenfalls Hilfe durch Dritte heranziehen, wird aber durch die Übertragung selbst nicht frei, sondern bleibt zur Überwachung des Dritten verpflichtet 1 3 1. 4. Die f ü r die Begehungsdelikte entwickelten Regeln über den Vorsatz (Schroe- 89 der LK § 15) müssen gleichfalls der Struktur der Unterlassungsdelikte angepaßt werden I 3 2 , denn einmal ist der objektive Tatbestand u n d damit der Gegenstand des Vorsatzes hier anders zusammengesetzt als bei den Begehungsdelikten, zum anderen fehlt es an der Steuerung des Tatgeschehens durch den Handlungswillen. Zum objektiven Tatbestand, auf den sich der Vorsatz beziehen muß (§ 16), gehören bei den Unterlassungsdelikten die tatbestandsmäßige Situation, die Nichtvornahme der vom Gesetz geforderten Handlung u n d die individuelle Handlungsfähigkeit unter den konkreten Umständen. Bei den unechten Unterlassungsdelikten (§ 13) treten ferner der tatbestandsmäßige Erfolg u n d die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit seiner Abwendbarkeit durch die geforderte und dem Täter mögliche Handlung hinzu ( B G H Dallinger M D R 1971 361). Bestandteile des Tatbestandes sind ferner bei den unechten Unterlassungsdelikten die Merkmale der Garantenstell u n g l 3 3 ; nicht dagegen die Handlungspflicht selbst (unten Rdn. 93). Der Täter m u ß sich endlich die konkrete Handlung wenigstens in Umrissen vorgestellt haben,

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Stratenwerth AT I Nr. 1048. BGHSt. 19 286; BGH NJW 1964 1631; OLG Celle VRS 29 23, 24; OLG Hamm 34 149; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 152 vor § 13. Die Auffassung von Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 66 ff, 110 ff, 309 ff; v. Weber-Festschrift S. 218 ff und Welzel Lb § 27 A I 3 b, daß es bei den Unterlassungsdelikten wegen der ontologischen Struktur der Finalität überhaupt keinen Vorsatz gebe, wird heute allgemein abgelehnt: so Engisch JZ 1962 189; Grünwald H. Mayer-Festschrift S. 286 ff; Jescheck AT § 59 VI 3; Roxin ZStW 74 (1962) S. 530; Spendel JZ 1973 141; Sch.Schröder-Cramer § 15 Rdn. 89; Schroeder LK 9 § 59 Rdn. 122. BGHSt. 16 155, 158; 19 295, 299 m. Anm. Geilen JuS 1965 426; BGH GA 1968 336; Androulakis Unterlassungsdelikte S. 251 ff; Blei AT § 89 I; Dreher § 16 Rdn. 12; Jescheck AT § 59 VI 1; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 129 ff, 306 ff; Arthur Kaufmann JZ 1963 504 ff; Lackner § 15 Anm. II 1 c; Maurach AT § 46 II Β 2, § 46 III D 2 b; Rudolphi SK Rdn. 25 vor § 13; Schaffstein Festschrift f. d. OLG Celle S. 198 f; Sch.-SchröderCramer § 15 Rdn. 92; Welzel Lb § 28 A III 1.

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2. Abschnitt. Die Tat

durch die er den tatbestandsmäßigen Erfolg hätte verhindern können 1 3 4 . Zweifelhaft ist die Frage, wie bei den Unterlassungsdelikten der Inhalt des Vorsatzes zu verstehen ist, da es hier zwar ebenso wie bei den Begehungsdelikten die Kenntnis der zum objektiven Tatbestand gehörenden Merkmale gibt, nicht aber die Steuerung des Geschehens durch die den Ablauf der Kausalität beherrschende Finalität. Diese Frage löst sich durch folgende Überlegungen. Es kann sein, daß der Täter angesichts der tatbestandsmäßigen Situation und im Bewußtsein der eigenen Handlungsfähigkeit geradezu den Entschluß faßt, gegenüber der von ihm erkannten Handlungserwartung untätig zu bleiben. In diesem Falle steuert der Handlungswille den Kausalverlauf zwar nicht, er ist aber doch dadurch wirksam, daß er eine eigene, dem Handlungsgebot entsprechende Tätigkeit des Handlungspflichtigen verhindert (BGHSt. 16 155, 159; OLG Köln NJW 1957 1609, 1610). Es kann jedoch auch sein, daß ein eigentlicher Entschluß des Unterlassungstäters zum Untätigbleiben nicht nachweisbar ist, sondern daß er in Kenntnis der tatbestandsmäßigen Situation und der eigenen Handlungsfähigkeit die Dinge treiben läßt (BGHSt. 19 295, 296). In derartigen Fällen genügt für den Vorsatz, daß der Täter die Merkmale des objektiven Tatbestandes kennt. Schwierigkeiten bereitet dabei die Differenzierung und Abgrenzung der verschiedenen Vorsatzarten (dazu Jescheck AT § 29 III). Für die Absicht, die ζ. B. als Bereicherungsabsicht beim Betrug (§ 263) durch Unterlassen in Betracht kommt, ist es ausreichend, wenn es dem Täter darauf ankommt, den rechtswidrigen Vermögensvorteil durch sein Schweigen zu erlangen. Hält der Täter es für sicher, daß der tatbestandsmäßige Erfolg durch sein Nichthandeln eintreten wird, ist direkter Vorsatz gegeben. Hält der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes ernstlich für möglich und findet er sich mit der Gefahr des Erfolgseintritts ab, so ist bedingter Vorsatz anzunehmen! 3 5 . 90

5. Fahrlässigkeit ist bei den im StGB geregelten Unterlassungsdelikten eine seltene Begehungsform. Sie kommt im Nebenstrafrecht häufiger vor (Beispiele bei Jescheck AT § 59 VII 1). Die im Gesetz nicht geregelten unechten Unterlassungsdelikte können aber immer durch Fahrlässigkeit begangen werden, wenn der entsprechende Begehungstatbestand dies vorsieht (z. B. §§ 222, 230, 309, 345 Abs. 2). Die Fahrlässigkeit hat im Bereich der Tötung und Körperverletzung durch Unterlassung sogar besondere praktische Bedeutung. Ihre Struktur ist im übrigen die gleiche wie bei den Begehungsdelikten, nur ergeben sich infolge der andersartigen Zusammensetzung des Tatbestandes zusätzliche Möglichkeiten der Fahrlässigkeit 136 . Der Sorgfaltsmangel kann sich auf die tatbestandsmäßige Situation, auf die Erkenntnis der eigenen Handlungsfähigkeit, auf die Ausführung der Rettungshandlung sowie

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BGH GA 1968 336; Bockelmann AT § 17 C II; Grünwald H. Mayer-Festschrift S . 2 9 4 f ; Herdegen BGH-Festschrift S. 199; Jescheck AT § 59 VI 2 b ; Maurach AT § 46 III D 2 a; Schaffstein Festschrift f. d. OLG Celle S. 201 Fußn. 67; Sch.-Schröder-Cramer §15 Rdn. 90; Wessels AT § 16 II 9. Geringere Anforderungen an den Vorsatz stellen Stratenwerth AT I Nr. 1044 und Rudolphi SK Rdn. 22 ff vor § 13 (generelle Vorstellung von der Möglichkeit der Rettung), ein Minimum fordern Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 110 ff, 309 ff; v. Weber-Festschrift S. 229 und Welzel Lb § 27 A I 3 b (Erkennbarkeit der Rettungsmöglichkeit). Jescheck AT § 59 VI 2 b; Rudolphi SK Rdn. 26 ff vor § 13; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 94; Stratenwerth AT I Rdn. 1047, 1050. Jescheck AT § 59 VII 2; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 172 ff; Schmidhäuser AT 16/98; Schöne JZ 1977 150 ff; Struensee JZ 1977 217 ff. (50)

H. Die Unterlassungsdelikte (Jescheck)

Vor § 13

weiter bei den unechten Unterlassungsdelikten auf den Erfolgseintritt, die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Verhinderung des Erfolges durch die dem Unterlassungstäter mögliche Handlung und auf die Merkmale der Garantenstellung beziehen. Bei den unechten Unterlassungsdelikten besteht weiter die Besonderheit, daß, wenn sie durch Fahrlässigkeit begangen werden, Garantenpflicht und Sorgfaltspflicht zusammenfallen, aber doch unterschieden werden müssen, damit ihr Inhalt und ihr Ausmaß richtig bestimmt werden können 1 3 7 . 6. Auf der Grundlage der Arbeiten von Freudenthal (Schuld und Vorwurf im gel- 91 tenden Strafrecht [1922]) und James Goldschmidt (Frank-Festgabe Bd. I S. 448 ff) hat früher der Gedanke eine Zeitlang Anerkennung gefunden, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit allgemein unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehe (Unzumutbarkeit als übergesetzlicher Entschuldigungsgrund). Diese Lehre ist jedoch abzulehnen und wird heute von der herrschenden Meinung für die Begehungsdelikte nicht mehr vertreten (näher Jescheck AT § 47 II). Für die Unterlassungsdelikte wird jedoch überwiegend angenommen, daß die Zumutbarkeit nicht nur unter den Voraussetzungen des § 35, sondern generell zu berücksichtigen sei. Konstruktiv wird dabei teils die Ansicht vertreten, daß die Handlungspflicht des Unterlassungstäters durch die Zumutbarkeit des von ihm verlangten Einsatzes eingeschränkt sei, so daß es dabei also um ein Tatbestandsproblem gehe 1 3 8 , zum Teil wird dagegen die überlieferte Meinung geäußert, daß es sich ebenso wie bei § 35 um ein Schuldproblem handele 1 3 9 . Die Rechtsprechung ist in dieser Frage uneinheitlich! 40 . D a s Problem hat für die Teilnahme praktische Bedeutung, da mit dem Entfallen des Tatbestandes wegen Unzumutbarkeit auch der Teilnahme die Grundlage entzogen wäre. Jedoch wird die Bedeutung der Zumutbarkeit für die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen eines Unterlassungsdelikts von der herrschenden Meinung weit überschätzt. Richtig ist folgendes: Bei einigen echten Unterlassungsdelikten läßt das Gesetz selbst die Handlungspflicht bei Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens ausdrücklich entfallen. Dies gilt allgemein für die unterlassene Hilfeleistung (§ 330 c) und in engen Grenzen für die Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138), indem dort eine Einschränkung bei Angehörigen (§ 139 III) und zugunsten des der Beteiligung an der Planung Verdächtigen gemacht wird (BGH FamRZ 1964 416, 418). Die Berücksichtigung der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei § 330 c und § 138 darf jedoch nicht auf andere echte Unterlassungsdelikte übertragen werden 1 4 1 . Bei den unechten Unterlassungsdelikten hat die Rechtsprechung in einigen Entscheidungen den Gedanken der Unzumutbarkeit als allgemeines Prinzip der Begrenzung der Garantenpflicht herangezogen (RGSt. 58 97, 98; 226, 227; 69 137 138

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Gallas Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten S. 32 ff. So Dreher § 13 Rdn. 16 a. E.; Gallas Deutsche Landesreferate S. 350; Henkel Mezger-Festschrift S. 279 f; Lackner § 13 Anm. 2 c; Lampe ZStW 79 (1967) S. 502 ff; H. Mayer AT § 29 II 3; Meyer-Bahlburg Unterlassungsdelikte S. 138; Sch.-Schröder-Stree Rdn. 155 vor § 13. Für §§ 138, 330 c auch Jescheck AT § 59 VIII 2. So Baumann AT § 18 I 2, II 4; Bockelmann AT § 17 E III; Böhm Die Rechtspflicht zum Handeln S. 103; Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 152; Kienapfel ÖJZ 1976 201; Maurach AT 4 § 46 III F 1; RudolphiSK Rdn. 31 vor § 13; Schmidhäuser AT 16/101; Stratenwerth AT I Nr. 1053 f; Welzel Lb § 27 III 2, § 28 III 2; Wessels AT § 16 V 2. Für Tatbestandsproblem RGSt. 72 20, 23; 77 125, 127; 77 301, 303; BGH 6 147, 151 f; 17 166, 170; BGH JR 1964 225, 226; OLG Karlsruhe M D R 1975 771; für Schuldausschließungsgrund BGHSt. 2 194, 204; 6 46, 57 f; 19 295, 298. Heimann- Trosien/ Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 151.

Vor § 13

2. Abschnitt. Die Tat

321, 324; 77 125, 127; BGHSt. 6 46, 47 f; 7 268, 271; BGH NJW 1964 731, 732). Dies ist jedoch nicht zu billigen. Es gibt keinen Grund, die Unzumutbarkeit bei den unechten Unterlassungsdelikten anders zu behandeln als bei den entsprechenden Begehungsdelikten. Den Garanten trifft die Pflicht zur Erfolgsabwendung mit gleichem Gewicht wie den Begehungstäter die Pflicht zur Unterlassung der Straftat. Die Gleichwertigkeit von positivem Tun und Unterlassen ist an besondere Voraussetzungen gebunden, nämlich an die Garantenstellung und an die Entsprechungsklausel hinsichtlich der besonderen Handlungsmerkmale bei bestimmten Erfolgsdelikten ( Jescheck LK § 13 Rdn. 4, 5). Liegen diese Voraussetzungen aber vor, so besteht kein Grund, den Unterlassungstäter bezüglich der Zumutbarkeit anders zu behandeln als den Begehungstäter. Die Minderung des Schuldgehalts der Tat, die beim unechten Unterlassungsdelikt gegenüber dem Begehungsdelikt regelmäßig gegeben sein wird, kann durch die Möglichkeit der Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 aufgenommen werden (Jescheck LK § 13 Rdn. 60). Auch beim Garanten kann deswegen die Unzumutbarkeit nicht allgemein, sondern nur im Rahmen des entschuldigenden Notstands (§ 35) berücksichtigt werden. III. Unrechtsbewußtsein und Gebotsirrtum bei den Unterlassungsdelikten 92

1. Bei den Begehungsdelikten bezieht sich das Unrechtsbewußtsein auf das Verbot der strafbaren Handlung, bei den Unterlassungsdelikten dagegen auf das Gebot, eine bestimmte Handlung vorzunehmen: der Täter muß wissen, daß er rechtlich dazu verpflichtet ist, die in der Tatsituation gebotene Handlung auszuführen. Dem Verbotsirrtum entspricht daher bei den Unterlassungsdelikten der Gebotsirrtum: der Täter verkennt, daß er durch die Gebotsnorm verpflichtet ist, die nach Sachlage erforderliche Handlung zu erbringen. Der Gebotsirrtum betrifft bei den Unterlassungsdelikten ebenso wie der Verbotsirrtum bei den Begehungsdelikten nicht den Tatbestand, sondern die Rechtswidrigkeit der Tat. Zum Tatbestand des echten Unterlassungsdelikts gehören nur die tatbestandsmäßige Situation, die erforderliche Handlung und die individuelle Handlungsfähigkeit, nicht aber die sich daraus für den Täter ergebende Handlungspflicht (BGHSt. 19 295, 298; 25 13, 18). Zum Tatbestand der unechten Unterlassungsdelikte gehören darüber hinaus — außer dem Erfolg und der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit seiner Abwendung — allein die Merkmale der Garantenstellung, nicht die Garantenpflicht selbst (BGHSt. 16 155, 158; BGH GA 1968 336). Nur auf die Handlungsbzw. Garantenpflicht bezieht sich beim echten und unechten Unterlassungsdelikt das Unrechtsbewußtsein und als Gegenstück dazu der Gebotsirrtum. Im übrigen werden Verbotsirrtum und Gebotsirrtum nach § 17 gleich behandelt 1 4 2 .

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2. Ein Unterschied besteht jedoch in dem Maßstab für die Beurteilung der Vermeidbarkeit des Gebotsirrtums'43. Die Pflicht zur Unterlassung von strafbaren Handlungen ist in der Regel selbstverständlich und für jedermann leicht erkennbar (so § 9 Abs. 2 österr. StGB). Die Pflicht zum Handeln versteht sich dagegen häufig nicht von selbst; die Möglichkeit eines Gebotsirrtums muß daher immer in Betracht 142

Blei AT § 89 I; Bockelmann AT § 17 E II; Busch Mezger-Festschrift S. 179; Dreher § 16 Rdn. 12; Fuhrmann GA 1962 161 ; Jescheck AT § 60 I 1 ; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 140; Maurach AT §46 III F 2; Preisendanz § 13 Anm. IV 2; Rudolphi SK Rdn. 25 vor § 13; Welzel Lb § 27 III 1, § 28 A III 1 ; Wessels AT § 16 V 1. 14 3 Jescheck AT § 60 I 2. (52)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

gezogen werden, während die Frage eines Verbotsirrtums nur aufgeworfen wird, wenn der Sachverhalt dazu Anlaß bietet. Die Unterlassungsdelikte liegen ferner nicht immer im Kerngebiet des Rechtsbewußtseins, sondern können, vor allem im Nebenstrafrecht, die mehr technischen Fragen der Abwicklung alltäglicher Geschäfte betreffen. Für den Unterlassungstäter muß in derartigen Fällen ein besonderer G r u n d bestehen, sich die Gebotsnorm vor Augen zu führen. Endlich ergibt sich bei den außerhalb des StGB durch U m f o r m u n g von Begehungsdelikten geschaffenen Unterlassungstatbeständen die Garantenpflicht nicht aus dem Strafgesetz selbst, sondern aus außerstrafrechtlichen Erwägungen, die neben die Verbotsnorm treten und bei den Begehungsdelikten keine Rolle spielen. Der Irrtum des Unterlassungstäters kann sich hier also sowohl auf die strafrechtliche Verbotsnorm, die für jedermann gilt, als auch auf die Garantenpflicht beziehen, die nur ihn persönlich trifft.

§13 Begehen durch Unterlassen (1) Wer es unterläflt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. (2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden. Schrifttum Vgl. auch die Schrifttumsangaben zu Rdn. 83 ff vor § 13. Bärwinkel Die Struktur der Garantieverhältnisse bei den unechten Unterlassungsdelikten (1968); Blei Garantenpflichtbegründung beim unechten Unterlassen, H. Mayer-Festschr. (1966) S. 119; Bockelmann Betrug verübt durch Schweigen, Eb. Schmidt-Festschr. (1961) S. 437; Drost Der Aufbau der Unterlassungsdelikte, GS 109 (1937) S. 1; Engisch Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931); Gallas Strafbares Unterlassen im Fall der Selbsttötung, JZ 1960 686; Geilen Stillschweigen des Angehörigen beim Mordkomplott, FamRZ 1964 385; Granderath Die Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung aus einem vorangegangenen gefährdenden Verhalten usw., Diss. Freiburg (1961); Grünwald Zur gesetzlichen Regelung der unechten Unterlassungsdelikte, ZStW 70 (1958) S. 412; Grünwald Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, JZ 1959 46; Hall Über die Kausalität und Rechtswidrigkeit der Unterlassung, Grünhut-Erinnerungsgabe (1965) S. 213; Henkel Das Methodenproblem bei den unechten Unterlassungsdelikten, MSchrKrim 1961 178; Herzberg Garantenpflichten aufgrund gerechtfertigten Vorverhaltens, JuS 1971 74; Herzberg Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, MDR 1973 89; Honig Die Intimsphäre als Kriterium strafbaren Begehens durch Unterlassen, Schaffstein-Festschr. (1975) S. 89; Jakobs Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt (1972); Arthur Kaufmann-Hassemer Der Überfallene Spaziergänger, JuS 1964 153; Kielwein Unterlassung und Teilnahme, GA 1955 225; Kienapfel Die Garantenpflichten usw., JB1. 1975 13, 80; Kugler Ingerenz und Selbstverantwortung, Diss. Bochum (1972); Langer Zum Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale", Lange-Festschr. (1976) S. 241 ; Lönnies Rücktritt und tätige Reue beim unechten Unterlassungsdelikt, NJW 1962 1950; Maihof er Oer Versuch der Unterlassung, G A 1958 289; D. Meyer Anstiftung zum Unterlassen, MDR 1975 286; J. Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit, ZStW 87 (1975) S. 605; Meyer-Bahlburg Zur gesetzlichen Regelung der unechten Unterlassungsdelikte, MSchrKrim. 1965 252; Nickel Die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte usw. (1972); Otto Vorangegangenes Tun als Grundlage strafrechtlicher Haftung, NJW 1974 528; (53)

§13

2. Abschnitt. Die Tat

Pfleiderer Die Garantenstellung aus vorangegangenem Tun (1968); Roxin Der Anfang des beendeten Versuchs usw., Maurach-Festschr. (1972) S. 213; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975); Rudolphi Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte und der Gedanke der Ingerenz (1966); Schröder Die sogenannte Rückkehrpflicht bei § 142 StGB, NJW 1966 1001; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965); Schubarth Die strafrechtliche Haftung des Geschäftsherrn, SchwZStR 92 (1976) S. 370; Stree Teilnahme am Unterlassungsdelikt, GA 1963 1; Stree Garantenstellung kraft Übernahme, H. MayerFestschr. (1966) S. 145; Ulmer Die deliktische Haftung aus der Übernahme von Handlungspflichten, JZ 1969 163; Vogler Die Bedeutung des § 28 StGB für die Teilnahme am unechten Unterlassungsdelikt, Lange-Festschr. (1976) S. 265; Wälder Die Kausalität im Strafrecht, SchwZStR 93 (1977) S. 113; E. A. Wolff Kausalität von Tun und Unterlassen (1965); Weimersdorf Zur Problematik des Versuchs beim unechten Unterlassungsdelikt, Diss. Münster (1976). Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist durch das 2. StrRG eingefügt worden. Die Fassung des § 13 schließt sich fast wörtlich an § 13 E 1962 an und übernimmt damit vor allem die nur allgemeine Umschreibung der Garantenstellung („wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, d a ß . . . " ) , während § 12 A E die Garantenstellung auf gesetzliche oder freiwillig übernommene Rechtspflichten u n d auf die Schaffung einer nahen Gefahr f ü r den Eintritt des Erfolges einzugrenzen suchte. Der Zweite Schriftliche Bericht des Sonderausschusses (BT-Drucksache V/4095 S. 8) legt dar, warum der Ausschuß in diesem Punkt dem § 13 E 1962 u n d nicht dem § 12 AE gefolgt ist. Weitere Materialien finden sich in Niederschriften Bd. 2 S. 267, 357; Bd. 12 S. 74, 242 sowie in Prot. V S . 1644,1860. Übersicht I.

II.

III.

IV.

Rdn. Voraussetzungen des u n e c h t e n Unterlassungsdelikts im Gesetz 1 1. Der tatbestandsmäßige Erfolg 2 2. Das Ausbleiben der e r f o r d e r l i c h e n H a n d l u n g . Die individuelle H a n d lungsfähigkeit 3 3. Die Garantenstellung als erstes Gleichstellungskriterium 4 4. Die E n t s p r e c h u n g im H a n d l u n g s u n recht als zweites Gleichstellungskriterium 5 5. W e i t e r g e h e n d e Auslegungen der Entsprechungsklausel 6 Die U n a n w e n d b a r k e i t des § 13 bei: . . . . 7 1. echten Unterlassungsdelikten 8 2. abschließender Sonderregelung des u n e c h t e n Unterlassens im Gesetz . . 9 3. Gleichstellung von T u n u n d Unterlassen im gesetzlichen Tatbestand . . 10 Die Bedeutung des § 13 f ü r die G a r a n t i e f u n k t i o n d e r Strafgesetze 1. Der bisherige Rechtszustand 2. Das Analogieverbot 3. Das Bestimmtheitsgebot

11 12 13 14

Erfolg und Kausalität bei den u n e c h t e n Unterlassungsdelikten 15 1. Der „gesetzmäßige Z u s a m m e n h a n g " zwischen Unterlassen u n d Erfolg . . . 16

2. 3.

Rdn. Die „hypothetische Kausalität" des Unterlassens 17 Die an Sicherheit g r e n z e n d e W a h r scheinlichkeit der A b w e n d u n g des Erfolges 18

Die G a r a n t e n s t e l l u n g insbesondere . . . . 1. O b h u t s p f l i c h t e n in bezug auf bestimmte Rechtsgüter a) N a t ü r l i c h e V e r b u n d e n h e i t . . . . aa) D e r Kreis d e r beistandspflichtigen Personen bb) Die Frage der Hausgemeinschaft cc) D e r Kreis d e r zu schützenden Rechtsgüter b) Enge G e m e i n s c h a f t s b e z i e h u n g e n c) Freiwillige Ü b e r n a h m e aa) Allgemeines bb) Ü b e r t r a g u n g von Garantenpflichten auf a n d e r e Personen cc) Pflichten kraft Stellung oder Beruf 2. Ü b e r w a c h u n g s p f l i c h t e n in bezug auf G e f a h r e n q u e l l e n im eigenen Zuständigkeitsbereich a) Vorangegangenes gefährdendes Tun

19 20 21 22 23 24 25 26 27

28 29

30 31 (54)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

VI.

Rdn. aa) Die n a h e (adäquate) G e f a h r des Erfolgseintritts 32 bb) Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens . . . . 33 cc) Das angemessene Verhältnis zwischen Pflichtwidrigkeit und Gefahr 34 b) Die Ü b e r w a c h u n g von G e f a h r e n quellen 35 aa) H e r r s c h a f t über G r u n d s t ü c k e und G e b ä u d e 36 bb) Sicherung von Baustellen . . 37 cc) S c h u t z v o r k e h r u n g e n bei Sportanlagen 38 dd) Sonstige gefährliche Anlagen 39 ee) Pflichten des K r a f t f a h r z e u g bzw. Tierhalters 40 c) Die Verantwortlichkeit f ü r das H a n d e l n a n d e r e r Personen . . . . 41 aa) Kontrollund Aufsichtspflichten aus Autoritätsverhältnissen 42 bb) Eheliche Lebensgemeinschaft 43 cc) H e r r s c h a f t über Räumlichkeiten 44 dd) G e s c h ä f t s h e r r n h a f t u n g . . . . 45 Der Versuch des u n e c h t e n Unterlassungsdelikts 46 1. Der Beginn des Unterlassungsver-

§13

Rdn. suchs 47 2. Die A b g r e n z u n g zwischen beendetem und u n b e e n d e t e m Unterlassungsversuch 48 3. D e r Rücktritt vom Unterlassungsversuch 49 VII. Die T e i l n a h m e bei den Unterlassungsdelikten 50 1. Die T e i l n a h m e a m Unterlassungsdelikt d u r c h positives T u n 51 a) A n s t i f t u n g u n d Beihilfe 52 b) Mittäterschaft zwischen Begehungs- und Unterlassungstäter . . 53 c) Mittelbare Täterschaft durch passiv bleibendes W e r k z e u g 54 2. Die T e i l n a h m e durch Unterlassen a m Begehungs- bzw. Unterlassungsdelikt 55 a) A n s t i f t u n g durch Unterlassen . . 56 b) Beihilfe durch Unterlassen . . . . 57 c) Mittäterschaft m e h r e r e r Unterlassungstäter 58 d) Mittelbare Täterschaft durch Unterlassen 59 VIII. Die S t r a f m i l d e r u n g nach § 13 Abs. 2 . . . 60 1. Die G r ü n d e der S t r a f m i l d e r u n g . . . 61 2. D e r fakultative C h a r a k t e r der Strafmilderung 62 3. Die S t r a f z u m e s s u n g bei § 13 Abs. 2 . 63 4. Doppelte Strafmilderungsmöglichkeit 64

I. Die neue Bestimmung regelt in den Grenzen, in denen dies gesetzgeberisch 1 nach dem gegenwärtigen Stand der Dogmatik möglich ist, die Voraussetzungen des unechten Unterlassungsdelikts (oben Rdn. 84 vor § 13) im Gesetz, und zwar im Allgemeinen Teil, während die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte früher ausschließlich Rechtsprechung und Lehre überlassen geblieben war (Heimann-Trosien/Wolff L K 9 Einleitung Rdn. 116 ff). Die Regelung der Materie des §13 im Gesetz wurde aus rechtsstaatlichen Gründen vorgenommen, da die Praxis der freien Modifikation der Tatbestände der Begehungsdelikte im Wege richterlicher Rechtsschöpfung angesichts der aus dem Bestimmtheitsgebot (Jescheck AT § 15 III 3) folgenden gesteigerten Anforderungen an den Gesetzestext mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr vereinbar erschien. Zu der Frage, inwieweit § 13 der Garantiefunktion des Strafgesetzes gerecht zu werden vermag, unten Rdn. 11 ff. Die Versuche einer konkreteren Fassung der Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts sind jedenfalls bisher unbefriedigend verlaufen. Dies gilt sowohl für die Regelung des Problems im Besonderen Teil' wie auch für die Kennzeichnung der einzelnen Garantenstelhmgen im Allgemeinen Teil 2 . Folgende Teilstücke der Problematik der unechten Unterlassungsdelikte sind im § 13 geregelt: 1

2

(55)

Vgl. etwa Busch v. Weber-Festschr. (1963) S. 192 ff; Grünwald ZStW 70 (1958) S. 425 ff; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendungen S. 243 ff. Dagegen zu Recht Meyer-Bahlburg MSchrKrim. 1965 252. So etwa Herzberg Die Unterlassung S. 362; ferner § 12 AE mit zum Teil kritischen Anmerkungen von Baumann GA 1967 335 f; Gallas ZStW 80 (1968) S. 16 f; Nowakowski ÖRiZ 1967 177 und der skeptischen Begründung des AE selbst (S. 203).

§13

2. Abschnitt. Die Tat

2

1. Erforderlich ist der Eintritt eines Erfolges, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört bzw. beim Versuch der Eintritt einer unmittelbaren Gefahr für das geschützte Handlungsobjekt bzw. die Erhöhung einer bereits bestehenden Gefahr (zum Beginn des Versuchs unten Rdn. 47). § 13 ist deswegen nur bei Erfolgsdelikten (oben Rdn. 46 vor § 13) anwendbar, d. h. bei Delikten, bei denen der Erfolg in der Verletzung oder konkreten Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts besteht3. Hinzu treten die Fälle der Beihilfe durch Unterlassen, weil die Haupttat als der tatbestandsmäßige Erfolg der Beihilfe im Sinne von § 13 anzusehen ist (unten Rdn. 57). Teilweise wird freilich angenommen, daß als Erfolg in § 13 nicht nur der Erfolg im Sinne der Erfolgsdelikte zu verstehen ist, sondern jedes tatbestandsmäßige Ereignis, das eine Strafvorschrift für die Vollendung des Tatbestandes voraussetzt 4 . Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da § 13 offensichtlich auf die Erfolgsdelikte i. e. S. zugeschnitten ist und durch eine erweiternde Auslegung den Grad an Bestimmtheit verlieren würde, der seinen Wert für die Rechtssicherheit ausmacht.

3

2. Vorausgesetzt wird ferner das Ausbleiben der nach der tatbestandsmäßigen Situation (oben Rdn. 87 vor § 13) zur Abwendung des Erfolges erforderlichen Handlung. Vom Ausbleiben einer erforderlichen Handlung läßt sich nur sprechen, wenn die Handlungsfähigkeit gegeben ist. Für den Begriff des Unterlassens als eines sozialerheblichen menschlichen Verhaltens genügt bereits die allgemeine Handlungsfähigkeit (oben Rdn. 34 vor § 13). Bei der Frage der Tatbestandsmäßigkeit der Unterlassung muß das Erfordernis der Handlungsfähigkeit jedoch auf den Einzelnen bezogen werden, der als Unterlassungstäter im konkreten Fall in Betracht kommt, denn nur die Unterlassung einer zur Erfolgsabwendung tauglichen Handlung, die der in Frage stehenden Person möglich gewesen wäre, kann Unrechtsqualität haben. Zum Tatbestand jedes Unterlassungsdelikts, also auch des unechten, gehört demnach die individuelle Handlungsfähigkeit (oben Rdn. 86 vor § 13).

4

3. Bei den Begehungsdelikten beruht die objektive Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges darauf, daß der Täter gehandelt und dadurch den tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht hat (oben Rdn. 48 vor § 13). Bei den unechten Unterlassungsdelikten reicht dagegen die Feststellung, daß der Beschuldigte durch eine ihm mögliche Handlung den Erfolg hätte verhindern können, nicht aus, um den Eintritt des Erfolges als seine Tat und das Unterbleiben des Eingreifens in den Kausalverlauf als von ihm zu verantwortendes Unrecht anzusehen. Eine Pflicht, bei drohender Gefahr überall helfend einzugreifen, wo man in Anbetracht seiner individuellen Handlungsfähigkeit helfen könnte, kann es nicht geben, weil sonst Unruhe, Unordnung und Unfrieden die sichere Folge wären 5 . Die objektive Zurechnung des Erfolges und die Gleichstellung der Nichtabwendung des Erfolges mit dessen Herbeiführung durch positives Tun setzt deswegen voraus, daß das Geschehen in den Verant-

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4 5

Bockelmann AT § 17 A II; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 4; Jescheck AT § 59 III 1 ; Lackner § 13 Anm. 3; Maurach-Gössel-Zipf A T § 46 II Β 1 b; Preisendanz § 13 Anm. III 1 und II 1 c; Rudolphi SK. § 13 Rdn. 14; Wessels AT § 16 II 1. So Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 3. Schon Feuerbach Lehrbuch 3. Aufl. (1805) § 24 verlangte für die Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts zutreffend einen besonderen Rechtsgrund, weil „die ursprüngliche Verbindlichkeit des Bürgers nur auf Unterlassungen geht". (56)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

wortungsbereich der als Unterlassungstäter in Betracht kommenden Person fällt. Der Unterlassungstäter m u ß als „Garant" für die Abwendung des Erfolges einzustehen haben (erstes Gleichstellungskriterium) 6 . Allen als Garantenstellung anerkannten sozialen Positionen liegt der G e d a n k e zugrunde, daß der Schutz des gefährdeten Handlungsobjekts von einer positiven Leistung des Garanten abhängt und daß die Beteiligten auf den aktiven Einsatz dieser Person im Rahmen seiner individuellen Handlungsfähigkeit vertrauen ( Vogler Lange-Festschr. S. 281). Deswegen verlangt § 13 für die Gleichstellung des Unterlassens mit dem positiven Tun bei der Herbeiführung eines tatbestandsmäßigen Erfolges, daß der Täter „rechtlich d a f ü r einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt". Durch das objektive Tätermerkmal der Garantenstellung gewinnen die unechten Unterlassungsdelikte den Charakter echter Sonderdelikte^. 4. Während das erste Gleichstellungskriterium die Gleichwertigkeit des Unter- 5 lassens mit dem positiven Tun und die der echten Kausalität des positiven Tuns mit der nur hypothetischen Kausalität des Unterlassens betrifft (unten Rdn. 16 f), geht es bei dem zweiten Gleichstellungskriterium um die Modalitäten der nach dem Tatbestand des Begehungsdelikts erforderlichen Handlung 8 . Die objektive Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges beruht bei den unechten Unterlassungsdelikten darauf, daß an die Stelle der Verursachung des Erfolges durch positives Tun die Nichtabwendung entgegen einer Garantenpflicht tritt. Neben den reinen Verursachungsdelikten, wie Totschlag (§ 212), Körperverletzung (§ 223), Sachbeschädigung (§ 303), fahrlässige Brandstiftung (§ 309), gibt es jedoch Begehungsdelikte, bei denen die Herbeiführung des Erfolges f ü r sich allein nicht ausreicht, sondern nur die Herbeiführung auf eine bestimmte Art und Weise tatbestandsmäßig ist. Beispiele für solche „verhaltensgebundenen Delikte" sind etwa der Mord, weil hier zur Verursachung des Todes eines anderen Menschen noch eines der besonderen Mordmerkmale des § 211 hinzutreten muß, ferner die Nötigung 1 , weil das abgenötigte Verhalten des Verletzten durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (§ 240) erzwungen worden sein muß, weiter der Betrug, weil der Vermögensschaden hier eine Täuschung u n d Irrtumserregung voraussetzt (§ 263). Das Handlungsunrecht besteht bei diesen Delikten nicht nur in der Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges, sondern auch in der Art u n d Weise seiner Herbeiführung durch ganz bestimmte Mittel. § 13 Abs. 1 zw. Halbsatz enthält deswegen als weiteres Merkmal des Tatbestandes des unechten Unterlassungsdelikts das Erfordernis, daß „das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun e n t s p r i c h t " 9 - W a n n diese Voraussetzung gegeben ist, läßt sich nur im konkreten Fall durch Auslegung des betreffenden verhaltensgebundenen Bege6

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Jescheck AT § 59 IV 1 ; Rudolphi Die Gleichstellungsproblematik S. 58 ff; Sch.-SchröderStree § 13 Rdn. 2; Schünemann Unechte Unterlassungsdelikte S. 279, 371 ff; Welp Vorangegangenes Tun S. 18 ff. Henkel MSchrKrim. 1961 179 ; Jescheck AT § 59 IV 1 ; Langer Sonderverbrechen S. 502 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II A 3 ; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 2 ; Welzel Lb S. 208. Rudolphi SK § 13 Rdn. 17, 18 spricht in diesem Zusammenhang plastisch einerseits von „Handlungs- oder Bewirkungsäquivalenz", andererseits von „Modalitätenäquivalenz". Blei AT § 87 II; Bockelmann AT § 17 Β II; Gallas Niederschriften Bd. 12 S. 80; ZStW 80 (1968) S. 19 f; Herzberg Die Unterlassung S. 66 f ; Jescheck AT § 51 V 1 ; Armin Kaufmann JuS 1961 177; Lackner § 13 Anm.4; Kienapfel ÖJZ 1976 199 f; Roxin JuS 1973 199; Rudolphi SK § 13 Rdn. 18; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 4; Schünemann Unechte Unterlassungsdelikte S. 371 f; Stratenwerth AT I Nr. 1035 ; Wessels AT § 16 II 8.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

hungstatbestandes ermitteln. Die Nichthinderung des Todes bei §211 muß z.B. „heimtückisch", die Nichthinderung des Eintritts der Zwangslage bei § 240 muß durch das Eintretenlassen einer „Gewaltwirkung", die Nichthinderung des Eintritts des Vermögensschadens bei § 263 durch eine der Täuschung entsprechende „Nichtaufklärung eines Irrtums" stattfinden. Die Beispiele zeigen, daß ein gewisses Maß an „Unbestimmtheit" mit der Entsprechungsklausel in unvermeidbarer Weise verbunden ist (unten Rdn. 14). 6

5. Allein die Gleichstellung im Handlungsunrecht bei verhaltensgebundenen Delikten ist der Sinn der Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 zw. Halbsatz. Weitergehende Auslegungen der Vorschrift sind abzulehnen. So kann das fehlende Handlungsunrecht nicht durch eine „Gesamtbewertung der Tat" aufgewogen werden 1 1 . Auch für eine zusätzliche Zumutbarkeitsprüfung gibt die Vorschrift keine Grundlage, da es sich nicht um die Abgrenzung der für das Unterlassungsdelikt typischen Schulderfordernisse, sondern um die Gleichstellung im Bereich des Unrechtstatbestandes handelt 1 2 .

7

II. Die Anwendbarkeit des § 13 ist auf die im Gesetz nicht geregelten unechten Unterlassungsdelikte beschränkt. Dies gilt insbesondere für die Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 zw. Halbsatz und für die Strafmilderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2 (unten Rdn. 60).

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1. Nicht anwendbar ist § 13 auf alle echten Unterlassungsdelikte (oben Rdn. 84 vor § 13). Die Frage, ob reine Tätigkeitsdelikte auch durch Unterlassen begangen werden können, kann daher an dieser Stelle offenbleiben. Dagegen greift § 13 ein, wenn es gilt, die Voraussetzungen der Beihilfe durch Unterlassen zu einem Begehungsdelikt abzugrenzen (oben Rdn. 2, unten Rdn. 57).

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2. Die Anwendung des § 13 ist ferner dann ausgeschlossen, wenn der Gesetzgeber selbst für Sonderfälle des unechten Unterlassungsdelikts eine abschließende Regelung getroffen hat 1 3 . Beispiele dafür sind im StGB etwa die Selbstverstümmelung (§ 109 zw. Handlungsform), die Gesundheitsschädigung Abhängiger durch Vernachlässigung der Sorgepflicht (§ 223 b dritte Handlungsform), die Gefährdung des Straßenverkehrs durch Nichtkennzeichnung liegengebliebener Fahrzeuge (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 g), das Begehenlassen einer Körperverletzung durch einen

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Die ursprüngliche Fassung des § 13 E 1962, wonach das Verhalten des Täters den Umständen nach der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun „gleichwertig" sein sollte, ist in § 13 des geltenden Rechts zu dem Erfordernis des „Entsprechens" abgeschwächt worden, da die in Abs. 2 vorgesehene fakultative Strafmilderung der Annahme der völligen Gleichwertigkeit entgegenzustehen schien (Zweiter Schriftlicher Bericht BT-Drucksache V/4095 S. 8) (unten Rdn. 61). In dieser Richtung aber Androulakis Unterlassungsdelikte S. 219 ff; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 17; Henkel MSchrKrim. 1961 178 f; Arthur Kaufmann-Hassemer JuS 1964 153. So zutreffend Blei AT § 87 II; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II Β 2 c; Roxin JuS 1973 198; Rudolphi SK § 13 Rdn. 18; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendungen S. 331; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 4; Wessels AT § 16 II 8. In der abgelehnten Richtung aber OLG Karlsruhe M D R 1975 771 ; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 17; zweifelnd Lackner § 13 Anm. 4. Lackner § 13 Anm. 5 b; Rudolphi SK § 13 Rdn. 4; Schmidhäuser AT 16/22. Anders vor allem Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 V A. (58)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

Amtsträger im Amt (§ 340), das unbefugte Gelangenlassen geheimer Gegenstände oder Nachrichten an einen anderen (§ 353 c Abs. 2), das Geschehenlassen von Amtsdelikten (§ 357) 14 . 3. Zu Recht wird endlich die Anwendbarkeit des § 13 auch bei denjenigen Straf- 10 Vorschriften verneint, bei denen Tun und Unterlassen im Tatbestand gleichgestellt sind. In diesen Fällen fehlt es zwar an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des unechten Unterlassungsdelikts, der Tatbestand des Begehungsdelikts zeigt jedoch eindeutig, daß das Unterlassen gleichgestellt ist. Die Garantenstellung ist im Gesetz selbst bezeichnet und die Auslegung ergibt im übrigen, daß die für den Tatbestand erforderliche Rechtspflichtverletzung ebenso durch positives Tun wie durch Unterlassen begangen werden kann. Dies gilt ζ. B. für § 217, § 266 und § 33615. Es wäre in der Tat unverständlich, wenn der Vormund, der vorsätzlich eine vermögenserhaltende Verfügung zugunsten des ihm anvertrauten Mündelguts unterläßt oder der Richter, der dem Beschuldigten entgegen § 140 StPO vorsätzlich keinen Verteidiger beiordnet, nach § 13 Abs. 2 milder bestraft werden könnte. III. Für die im Gesetz nicht geregelten unechten Unterlassungsdelikte stellt sich 11 die Frage, ob mit der gegenwärtigen Regelung der Garantiefunktion des Strafgesetzes Genüge getan ist. Die Einführung des § 13 bedeutet in dieser Beziehung nach überwiegender Ansicht jedenfalls einen Fortschritt 1 6 . 1. Abgesehen von den Ausnahmefällen, in denen Erfolgsdelikte nach ihrem 12 Wortlaut nicht bloß auf die Herbeiführung des Erfolges durch positives Tun, sondern auch auf das Unterlassen der Abwendung des Erfolges anzuwenden sind (ζ. B. §217), mußte bisher der Wortlaut der Begehungsdelikte bei der Ausdehnung auf Fälle pflichtwidrigen Unterlassens in dreifacher Weise an die neue Situation angepaßt werden: Einmal mußte man die Voraussetzung machen, daß Begehungstatbestände überhaupt durch Nichthinderung des Erfolges erfüllt werden können ; zweitens mußte, da nicht jeder Handlungsfähige, der untätig bleibt, auch Täter eines unechten Unterlassungsdelikts sein kann, festgelegt werden, welches der Kreis der Garanten ist, die als Täter strafrechtlich in Betracht kommen ; drittens bedurfte es der Annahme, daß für die objektive Zurechnung des tatbestandsmäßigen Erfolges ein hypothetisches Kausalurteil ausreicht. Diese Anpassung der Tatbestände der Erfolgsdelikte, die nach dem Gesetzestext ein positives Tun voraussetzen, an die Besonderheiten der Unterlassungssituation wurde durch die Rechtsprechung und Lehre im Wege der Umbildung und Ergänzung der Tatbestände vorgenommen (BGHSt. 16 155, 158). Die Frage der Vereinbarkeit dieses Verfahrens mit Art. 103 Abs. 2 G G stellte sich dabei unter zwei Gesichtspunkten. Einmal war es zweifelhaft, ob die Anerkennung von im Gesetz nicht geregelten unechten Unterlassungsdelikten mit bloß hypothetischer Kausalität nicht dem Analogieverbot ( Tröndle LK § 1 Rdn. 30) widerspricht. Zweitens mußte man sich fragen, ob die Abgrenzung des Täterkreises durch die Garantenmerkmale im Wege der Tatbestandsfortbildung seitens der Rechtsprechung mit dem Erfordernis der Bestimmtheit des Strafgesetzes vereinbar ist ( Tröndle LK § 1 Rdn. 12). 14 ,5 16

(59)

Weitere Beispiele bei Jescheck AT § 58 IV 4. Rudolphi SIC § 13 Rdn. 6; Schöne Unterlassene Erfolgsabwendungen S. 187, 204 ff. Jescheck AT § 58 IV 3 m. weit. Nachw.; zweifelnd Lackner § 13 Anm. 7; Rudolphi SK § 13 Rdn. 2.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

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2. Der doppelte Zweifel an der Vereinbarkeit der im Gesetz nicht geregelten unechten Unterlassungsdelikte mit dem Gesetzlichkeitsprinzip ist durch § 13 teilweise behoben worden. Bedenken hinsichtlich des Analogieverbots sind heute nicht mehr begründet^7, da der Gesetzgeber durch die neue Vorschrift selbst zum Ausdruck gebracht hat, daß nach dem Strafgesetz auch verantwortlich ist, wer pflichtwidrig den zum Tatbestand gehörenden Erfolg nicht abwendet, und da auf diese Weise zugleich klargestellt wird, daß der hypothetische Kausalzusammenhang zwischen erwarteter Handlung und Verhinderung des Erfolgseintritts für die objektive Zurechnung ausreicht.

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3. Dagegen ist dem Bestimmtheitsgebot durch § 13 noch nicht in vollem Umfang Genüge getan. Hinsichtlich der Garantenstellung enthält die neue Vorschrift zwar den Hinweis, daß die das Erfolgsabwendungsgebot auslösende Pflicht eine rechtliche und nicht bloß sittliche sein muß, doch fehlt es noch an einer näheren Kennzeichnung der Umstände, die als Garantenstellung in Betracht kommen. Desgleichen findet sich in § 13 Abs. 1 zw. Halbsatz zwar das Erfordernis, daß bei den Strafvorschriften mit besonderen Handlungsmerkmalen das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen muß, doch fehlt es an einer Richtlinie, unter welchen Voraussetzungen die Entsprechung zu bejahen ist, wenn das positive Handlungsmerkmal fehlt und durch etwas anderes ersetzt werden muß wie ζ. B. das Merkmal der Täuschung beim Betrug durch die Unterlassung der Aufklärung eines Irrtums (oben Rdn. 5). Nach beiden Richtungen ist jedoch eine präzisere Erfassung der Merkmale des unechten Unterlassungsdelikts im Allgemeinen Teil nach dem gegenwärtigen Stand der Dogmatik nicht möglich. Man wird sich daher mit der generalklauselartigen Regelung des Gesetzes und dem Bestimmtheitsgrad der durch Rechtsprechung und Lehre hierzu entwickelten Auslegungsergebnisse begnügen müssen. Der von manchen behauptete Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot 18 liegt jedenfalls nicht vorl9.

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IV. Der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts setzt nach § 13 den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges (oben Rdn. 2) bzw. beim Versuch den Eintritt einer Gefährdungslage voraus, die dem unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes bei den Begehungsdelikten im Sinne von § 22 gleichkommt (unten Rdn. 47). Der Erfolg muß ferner mit der ausgebliebenen Handlung dergestalt gesetzmäßig verbunden sein, daß diese den Erfolg abgewendet hätte, wenn sie vom Täter rechtzeitig vorgenommen worden wäre. Festgestellt werden muß also ζ. B. der Tod des Verletzten bei der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen der Rettungshandlung (BGHSt. 11 353, 356), das Fortbestehen des Verdachts bei der falschen Verdächtigung durch Unterlassen der Berichtigung (BGHSt. 14 240, 246), der Tod des Opfers durch Nichthinderung des Mordanschlags (BGHSt. 19 167). Im einzelnen gilt dafür folgendes: 17

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E b e n s o Baumann A T § 18 II 2 b ; Dreher-Tröndle § 13 R d n . 1; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II A 4 b ; Nickel Unechte Unterlassungsdelikte S. 194; Roxin E i n f ü h r u n g in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) S. 2 f ; Rudolphi SK § 1 3 R d n . 3; Sch.-Schröder-Stree §13 R d n . 5. So H. Mayer StudB § 16 III 4 ; Grünwald Z S t W 70 (1958) S. 418 f f ; Schöne Unterlassene E r f o l g s a b w e n d u n g e n S. 280, 342, 355; Stratenwerth AT I Nr. 988. So die Rechtsprechung schon zum f r ü h e r e n Recht seit RGSt. 10 100, 101 sowie die h. L. (oben F u ß n . 17). (60)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

1. Bei den Begehungsdelikten erfordert die objektive Zurechnung des Erfolges 16 als Mindestvoraussetzung, daß der Täter den Erfolg mitverursacht hat (oben Rdn. 48 vor § 13). Wird der tatbestandsmäßige Erfolg dagegen lediglich nicht abgewendet, so ist zu fragen, unter welchen Bedingungen hier die objektive Zurechnung stattfindet. Eine eigentliche Kausalität des Unterlassens in dem bei den Begehungsdelikten maßgeblichen Sinn des realen Bewirkens des Erfolges durch positives Tun gibt es bei den Unterlassungsdelikten nach überwiegender Meinung nicht 20 . Dies ist aber auch nicht erforderlich, da die objektive Zurechnung des Erfolges als Tat eines bestimmten Täters eine normative Voraussetzung der Strafbarkeit darstellt und damit nicht an den naturwissenschaftlichen Kausalbegriff gebunden ist, der allerdings eine bei der Unterlassung fehlende Kraftquelle mit meßbaren Wirkungen in der Außenwelt erfordert. Die unterlassene Handlung steht mit dem eingetretenen Erfolg dann in dem „gesetzmäßigen Zusammenhang", der bei den Begehungsdelikten in Gestalt der Kausalität vorausgesetzt wird (oben Rdn. 51 vor § 13), wenn das erwartete und dem Täter mögliche Tun den Erfolg abgewendet hätte 21 . Um diesen Zusammenhang festzustellen, wird die Testformel der Bedingungstheorie in der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre 22 dahin abgewandelt, daß die Kausalität der Unterlassung dann zu bejahen sei, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden könne, ohne daß der Erfolg entfiele (RGSt. 58 130, 131 ; 63 392, 393; 75 49, 50; BGHSt. 6 12; BGH VRS 10 359; BGH Dallinger MDR 1971 361). Jedoch greifen gegenüber der Brauchbarkeit des hypothetischen Eliminationsverfahrens an dieser Stelle die gleichen Bedenken durch, die gegen seine Verwendung für die Feststellung der Kausalität bei den Begehungsdelikten sprechen (oben Rdn. 50 vor §13). 2. Bei den unechten Unterlassungsdelikten ist freilich die absolute Gewißheit des 17 Vorliegens des gesetzmäßigen Zusammenhangs wie bei den Begehungsdelikten nicht möglich und darum auch nicht zu verlangen. Der Prüfung des Zusammenhangs wird hier nämlich nicht ein wirklicher, sondern nur ein gedachter Verlauf zugrunde gelegt, der mit voller Sicherheit nicht vorauszuberechnen ist, sondern nur Annäherungswerte erlaubt. Man spricht deshalb bei den unechten Unterlassungsdelikten von hypothetischer Kausalität (RGSt. 75 324, 327)23. D a r ¡ n liegt jedoch nichts Ungewöhnliches. Auch bei dem Eingriff in Rettungshandlungen, der nach herrschender Ansicht als positives Tun angesehen wird (oben Rdn. 83 vor § 13), kann nur ein hypothetisches Kausalitätsurteil abgegeben werden, da die Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens keine absolut sichere Voraussage darüber erlaubt, ob die Rettungshandlung, wenn sie ohne den Eingriff des Täters durchgeführt worden wäre, den Erfolg abgewendet hätte. 20

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So Bockelmann Eb. Schmidt-Festschr. S. 449; Dreher-Tröndle Rdn. 19 vor § 1; Gallas Beiträge S. 25 f. ; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 61; Arthur Kaufmann Eb. Schmidt-Festschr. S. 214 ff; Jakobs Studien S. 22; Lackner Vorbem. III 1 c bb vor § 13; Schmidhäuser AT 16/75; Rudolphi SK Rdn. 43 vor § 13; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 61; Stratenwerth AT I Nr. 1024; Walder SchwZStR 93 (1977) S. 152; Welzel Lb § 28 A I 3 c. Anders Androulakis Unterlassungsdelikte S. 80 ff; Baumann AT § 18 II 2 a; Hall Grünhut-Erinnerungsgabe S. 224; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 I C 2 c; SpendelSZ 1973 139. So Blei AT § 86 II; Bockelmann AT § 17 Β I 1 b; Böhm JuS 1961 178; Engisch Kausalität S. 29 ff; MSchrKrim. 1939 426 f; Weltbild S. 135 ff; Herzberg MDR 1971 882; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 61 ; Wessels AT § 16 II 3. Dreher-Tröndle Rdn. 19 vor § 1; Lackner Vorbem. III 1 c bb; Wessels AT § 16 II 3. Kritisch dazu Herzberg M D R 1971 881. Dreher-Tröndle Rdn. 19 vor § 1 ; v. Weber Grundriß § 7 IV; Welzel Lb § 28 A I 3 c.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

18

3. Um den Maßstab der Kausalitätsprüfung bei den unechten Unterlassungsdelikten dem der Prüfung bei den Begehungsdelikten möglichst anzugleichen, wird von Rechtsprechung und Lehre verlangt, daß die erwartete Handlung den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte (RGSt. 75 49, 50; BGHSt. 6 1 , 2 ; 7 2 1 1 , 2 1 4 ; BGH Dallinger MDR 1956 144)24. s 0 genügt eine bloß „begründete Aussicht", den betrunkenen und später tödlich verunglückten Kraftfahrer durch Zureden oder durch Verweigerung der Begleitung von der Weiterfahrt abzuhalten, nicht (BGH NJW 1954 1047, 1048). Die Unterlassung der Anbringung von Warnlampen an einer Baugrube ist für einen Unfall nicht ursächlich, wenn die Absperrbohlen von unbekannten Personen nachts entfernt worden waren und nicht auszuschließen ist, daß diese die aufzuhängenden Warnlampen ebenfalls beschädigt oder entwendet hätten (OLG Hamm NJW 1959 1551). Dagegen hat der Vater, der es beim Brand einer Dachwohnung unterläßt, seine kleinen Kinder in die Arme der auf der Straße aufgestellten Helfer zu werfen, den Tod der Kinder in den Flammen verursacht, wenn die Lebensrettung auf diesem Wege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelungen wäre (BGH Dallinger MDR 1971 361 f)· Auch bei der Prüfung der hypothetischen Kausalität greift der Grundsatz „in dubio pro reo" ein (BGH Dallinger MDR 1966 24; OLG Hamm NJW 1959 1551). Ist die objektive Zurechnung des Erfolges zu verneinen, kann aber immer noch eine Strafbarkeit wegen versuchten Unterlassungsverbrechens in Betracht kommen (unten Rdn. 46 ff).

19

V. Soll ein Handlungsfähiger strafrechtlich dafür verantwortlich gemacht werden, daß er es unterlassen hat, durch aktives Eingreifen in einen bevorstehenden oder schon im Gange befindlichen Kausalverlauf zum Schutz gefährdeter fremder Rechtsgüter tätig zu werden, muß ein „besonderer Rechtsgrund" (Feuerbach) nachgewiesen werden, aus dem sich die Handlungspflicht ergibt. Man nennt diesen besonderen Rechtsgrund heute Garantenstellung (oben Rdn. 4). Nach der ausdrücklichen Regelung des § 13 muß es sich dabei um rechtlich, nicht nur sittlich begründete Pflichten handeln (RGSt. 66 71, 73; BGHSt. 7 268, 271). Anerkannt ist ferner, daß die tatbestandsmäßige Situation des echten Unterlassungsdelikts (z. B. § 330 c) keine Garantenstellung begründet, weil es sich dort um allgemeine, jedermann treffende Rechtspflichten handelt (RGSt. 64 273, 276; 73 52, 55; BGHSt. 3 65, 67). Die überlieferte Einteilung der Arten der Garantenstellung stützt sich auf ihren formellen Entstehungsgrund (Baumann AT § 18 II 3). Anerkannt waren danach als Grundlage von Garantenpflichten Gesetz, Vertrag und vorangegangenes gefährdendes Tun (RGSt. 58 130, 131 ; 63 392, 394; BGHSt. 4 20, 22; 11 353, 355), wozu später noch die enge Lebensbeziehung getreten ist (RGSt. 69 321, 323; 74 309; BGHSt. 2 151, 153; 19 167, 169). Die neuere, von Armin Kaufmann begründete Lehre stellt dagegen auf Gegenstand und Inhalt der Rechtspflicht ab und bestimmt damit die Einteilung der Rechtspflichten nach materiellen Gesichtspunkten (BGHSt. 19 167, 168)25. Sie unterscheidet zwischen Obhutspflichten für bestimmte Rechtsgüter und 24

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Zu Unrecht wollen hierbei Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 I C 2 c; Roxin ZStW 74 (1962) S. 430; Rudolphi SK § 13 Rdn. 16; E. A. Wolff Kausalität S. 27 die bloße „Risikoerhöhung" ausreichen lassen. Diese genügt als Voraussetzung für die objektive Zurechnung des Erfolges nicht (Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 61). Bei der Fahrlässigkeitstat, bei der die Risikoerhöhungslehre zu Recht angewendet wird, liegt immerhin Kausalität durch positives Tun vor (Jescheck AT § 55 II 2 b aa), hier aber geht es erst um die Begründung der objektiven Zurechnung. Androulakis Unterlassungsdelikte S. 205 ff; Dreher-Tröndle § 1 3 Rdn. 5; Heimann-Tro(62)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

Überwachungspflichten in bezug auf bestimmte Gefahrenquellen, die im Zuständigkeitsbereich des Unterlassungstäters liegen. Durch die materielle Betrachtungsweise treten Inhalt und Abgrenzung der Garantenpflichten besser ins Blickfeld, doch dürfen auch die Entstehungsgründe nicht aus dem Auge verloren werden, da die Rechtsgrundlage der Pflicht für Inhalt und Abgrenzung ebenfalls bedeutsam ist. Geboten ist deswegen eine Verbindung von formeller und materieller Betrachtungsweise 26 . 1. Die Obhutspflichten in bezug auf bestimmte Rechtsgüter können entstehen aus 20 natürlicher Verbundenheit mit dem Träger des Rechtsguts, aus engen Gemeinschaftsbeziehungen und aus freiwilliger Übernahme. a) Der stärkste und einleuchtendste Rechtsgrund, aus dem sich Garantenpflich- 21 ten ergeben können, ist die natürliche Verbundenheit, die aber, um strafrechtliche Wirkungen zu äußern, auf einem rechtlichen Band beruhen muß. In Betracht kommt dafür allein die Familie, die als älteste, tief im Gefühlsleben der Menschen verwurzelte Gemeinschaftsbeziehung von Natur aus auf gegenseitigen Beistand und Schutz der Mitglieder gegründet ist, während Liebes-, Freundschafts- oder Nachbarschaftsbeziehungen nicht ausreichen (Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 17) 27 . Zweifelhaft ist jedoch, wie weit der Kreis der Garanten unter dem Gesichtspunkt der Familie gezogen werden darf (unten Rdn. 22), ob zusätzlich zu dem Familienband das Bestehen einer Hausgemeinschaft zu verlangen ist (unten Rdn. 23) und ob auch geringere Rechtsgüter als Leib, Leben und Freiheit durch aktiven Einsatz geschützt werden müssen. aa) Der Kreis der beistandspflichtigen Familienmitglieder wird nicht durch die 22 Definition des § 11 Abs. 1 Nr. 1 a bestimmt. Eine Garantenpflicht unter Verschwägerten ist nicht anzuerkennen (anders BGHSt. 13 162, 166), es sei denn, daß sich aus der Aufnahme in die Hausgemeinschaft eine besondere Abhängigkeit mit der dieser entsprechenden Fürsorgepflicht ergibt (RGSt. 73 389; RG DStr. 1936 178). Die Eltern sind den in der Hausgemeinschaft lebenden Kindern zum Schutz gegen Leibes- und Lebensgefahr verpflichtet (RGSt. 66 71, 74; BGHSt. 7 268, 272). Auch für Kinder gegenüber den Eltern wird eine gleiche Pflicht ohne weiteres bejaht,

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sien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 166; Henkel MSchrKrim. 1961 190; Jescheck-Goldmann ZStW 77 (1965) S. 123; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 283 ff; Lackner § 13 Anm. 3 b ; Maurach-Gössel-Zipf AT §46 II C l a ; Rudolphi Gleichstellungsproblematik S. 109; SK § 13 Rdn. 24 f; Schmidhäuser AT 16/40; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 8; Wessels AT § 16 II 4. Eine andere materielle Garantenlehre gründet Schiinemann Unterlassungsdelikte S. 237 auf die „Herrschaft über den Grund des Erfolges", doch wird damit kein zusätzlicher Gewinn für Unterscheidung und Abgrenzung erreicht (Sch.-SchröderStree ξ 13 Rdn. 15). Geilen FamRZ 1964 390 f; Heimann-Trosien/WolffLK9 Einleitung Rdn. 166; Jescheck AT § 59 IV 2; Rudolphi Gleichstellungsproblematik S. 54; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 8; Stree H. Mayer-Festschr. S. 146 f. Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 6; Heimann-Trosien/WolffLK9 Einleitung Rdn. 167 ff; Schmidhäuser AT 16/42; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 18; Welze! Lb § 28 A I 4 a; Wessels AT § 16 II 5 a. Dagegen will Schiinemann Unterlassungsdelikte S. 357 nur eine „tatsächliche personale Schutzherrschaft" gelten lassen, was zugleich zeigt, daß sein Kriterium zu eng ist.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

selbst wenn kein Abhängigkeitsverhältnis besteht (BGHSt. 19 167) 28 . Der Vater hat aufgrund natürlicher Verbundenheit mit dem noch ungeborenen Kinde die Pflicht, eine Abtreibungshandlung der Ehefrau zu verhindern ( R G DStr. 1936 179; B G H Dallinger M D R 1973 369), doch ist dieser Rechtsprechung durch die stark auf den Schutz und die persönliche Entscheidung der Frau abgestellten neuen §§218 ff wohl heute der Boden entzogen. Nichteheliche Schwangerschaft ist jedenfalls der ehelichen entgegen RGSt. 56 168, 169 gleichzustellen. Bejaht wird eine Beistandspflicht in Leibes- und Lebensgefahr auch für Großeltern gegenüber Enkeln (RGSt. 39 397, 398; 66 316, 317; 72 373, 374; OGHSt. 1 87) und für Geschwister. Eine Garantenpflicht besteht ferner im Verhältnis der Ehegatten zueinander, wobei die gesetzliche Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) die förmliche Grundlage bildet (RGSt. 64 273, 278; 71 187, 189; R G H R R 1933 Nr. 1624; BGHSt. 2 150, 153; OGHSt. 3 1, 4; O L G Oldenburg D A R 1955 300). Die Rechtsprechung erstreckt die Garantenpflicht aus natürlicher Verbundenheit auch auf das Verlöbnis (BGH J R 1955 104 m. zust. Anm. Heinitz)2?. 23

bb) Eine tatsächliche Hausgemeinschaft braucht zu dem bestehenden Familienb a n d grundsätzlich nicht hinzuzutreten, um die Garantenpflicht auszulösen. Ehegatten sind sich daher, jedenfalls in Leibes- und Lebensgefahr, gegenseitig zur Hilfe verpflichtet, auch wenn sie getrennt leben (Geilen F a m R Z 1961 148). Ganz ohne Bedeutung ist die Hausgemeinschaft jedoch nicht. Bei entfernteren Verwandtschaftsverhältnissen wird man auch das Bestehen einer effektiven Hausgemeinschaft voraussetzen müssen, um eine Garantenpflicht bejahen zu können, und ohne eine solche wird eine Garantenpflicht jedenfalls für andere Rechtsgüter als Leib, Leben und Freiheit zu verneinen sein (Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 19 f)·

24

cc) Die Antwort auf die Frage nach dem Kreis der Rechtsgüter, die in die Garantenpflicht einbezogen sind, hängt ebenfalls von der Nähe des persönlichen Verhältnisses und von dem Bestehen einer Hausgemeinschaft ab. Leib und Leben sind immer zu schützen, sofern eine Garantenpflicht überhaupt besteht. Das gleiche wird von der Freiheit zu gelten haben. Das Vermögen fällt dagegen nur in nahen persönlichen Verhältnissen unter die Schutzpflicht. Das Bestehen einer Hausgemeinschaft ist dabei ein zusätzliches positives Indiz.

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b) Eine Pflicht zur Hilfeleistung f ü r andere ohne das Bestehen eines natürlichen Bandes kann sich aus engen Gemeinschaftsbeziehungen ergeben3*). Maßgebend ist hier, d a ß aufgrund gegenseitigen Vertrauens gefährliche Unternehmungen gemeinsam begonnen, erhöhte Risiken eingegangen oder sonst zu treffende Sicherheitsvorkehrungen unterlassen werden (Expeditionen, Bergtouren, Segelfahrten, Freiballonflüge, Reisen mit besonderen Gefahrmomenten). Hierbei wird sich der Kreis der zu schützenden Rechtsgüter auf die durch die spezifischen Gefahren der Unternehmung betroffenen Bereiche beschränken. So ist der Führer einer Hochgebirgstour verpflichtet, den aus Schwäche zurückbleibenden Gefährten mit allen verfügbaren Kleidungsstücken (auch den eigenen) auszustatten, während er selbst Hilfe holt (Schweiz. BG Praxis 46 [1957] S. 302, 306; vgl. auch O G Bern SchwJZ 1945 42, 44 f)· 28

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Zustimmend Geilen FamRZ 1964 391. Kritisch dazu Jescheck AT § 59 IV 3 a; H. Mayer StudB §16 III l a ; Nickel Unechte Unterlassungsdelikte S. 186f; Rudolphi SK §13 Rdn. 49; Schiinemann Unterlassungsdelikte S. 357 f. Zustimmend Sch.-Schröder-Stree §13 Rdn. 18; dagegen Geilen FamRZ 1961 155 ff; Rudolphi SK § 13 Rdn. 49. Bärwinkel Garantieverhältnisse S. 137 ff; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 10; Lackner § 13 A n m . 3 a cc; Maurach-Gössel-Zipf

AT § 46 II C 4 a ; Sch.-Schröder-Stree

§ 13 R d n . 23 ff. (64)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

Aus dem Gesichtspunkt der engen Gemeinschaftsbeziehung kann sich eine Garantenpflicht bei tatsächlichem Zusammenleben in Hausgemeinschaft ergeben, auch wenn keine natürliche Familienbeziehung besteht. Die Aufnahme einer pflegebedürftigen Person macht jedenfalls die erforderliche Fürsorge zur Rechtspflicht (RGSt. 73 389, 391; 74 309, 311). Auch durch Aufnahme eines Gastes in die eigene Wohnung soll eine Garantenstellung des Wohnungsinhabers hinsichtlich schwerer Beeinträchtigung von Rechtsgütern des Gastes in dem eigenen Herrschaftsbereich begründet werden (BGH JR 1977 289 m. abl. Anm. Naucke) (unten Rdn. 44)3!. Dies wird auch bei homosexueller Lebensgemeinschaft angenommen (AG Duisburg MDR 1971 10 m. abl. Anm. Doehring MDR 1972 664) 32 . Aus einem Zechgelage folgt dagegen noch keine Garantenpflicht für das Geleit Betrunkener (BGH NJW 1954 1047). Auch aus der Betriebsgemeinschaft ergibt sich keine allgemeine Garantenpflicht zur Abwendung von Vermögensschäden für den Betriebsinhaber (anders BGHSt. 2 325, 326), sofern es sich nicht um freiwillige Übernahme handelt wie beim Werksschutz oder der Torwache 33 . c) Ein anerkannter Rechtsgrund der Entstehung einer Schutzposition für 26 bestimmte Rechtsgüter ist ferner die freiwillige Übernahme, entweder gegenüber dem Träger des gefährdeten Rechtsguts selbst oder gegenüber einem Dritten zugunsten des Gefährdeten 34 . aa) Wesentlich ist für die Begründung der Garantenpflicht, daß der Gefährdete 27 sich im Vertrauen auf die Einsatzbereitschaft des Garanten einer größeren Gefahr aussetzt, als er es sonst getan hätte, oder auf andere sonst zu treffende Schutzvorkehrungen verzichtet 35 . Maßgebend für die Garantenstellung ist nicht die Gültigkeit des Vertrages, vielmehr die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises durch den Garanten. Daher kann die Garantenpflicht auch ausnahmsweise über die Vertragszeit hinaus andauern (RGSt. 16 269, 271 ; 64 81, 84). Garant ist, wer als erfahrener Bergsteiger eine Bergtour zu führen (schweiz. BG Praxis 46 [1957] S. 302, 307), als Arzt Patienten zu behandeln (RG DR 1943 897), bei Diphtherieverdacht eine bakteriologische Untersuchung durchzuführen (RGSt. 74 350, 354), schmerzlindernde Mittel zu geben (BGH LM § 230 Nr. 6) oder als Bereitschaftsarzt einen nächtlichen Krankenbesuch zu machen hat (BGHSt. 7 211, 212) 36 . Garant ist ferner der Arbeitgeber, der Lohnsteuer abzuführen hat (BGHSt. 23 319, 322), der Gastwirt, der einen schwer betrunkenen Gast auf die belebte Straße hinausgeführt hat und dort sich selbst überläßt (BGHSt. 26 35, 39), der Verkehrsteilnehmer, der es

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Zustimmend Blei JA 1977 138; Maurach-Gössel-Zipf ΑΎ § 46 II C 4 a. Zustimmend Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II C 4 a. 33 Stree H. Mayer-Festschr. S. 147. 34 Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 7 ff; Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 183 ff; Jescheck AT § 59 IV 3 c; Lackner § 13 Anm. 3 a bb; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II C 3; Rudolphi SK § 13 Rdn. 58 ff; Schmidhäuser AT 16/45 ff; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 26 ff; Stratenwerth AT I Nr. 996 ff; Welzel Lb § 28 A I 4 a ß. 35 Blei H. Mayer-Festschr. S. 121 ff; Rudolphi SK § 13 Rdn. 58 ff; Schmidhäuser AT 16/45; Stree H. Mayer-Festschr. S. 155 ff; Ulmer JZ 1969 171; anders Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 184; Stratenwerth AT I Nr. 1001. 36 Eine allgemeine, über § 330 c hinausgehende Garantenpflicht der Ärzte in Krankheitsfällen gibt es jedoch nicht; im Text handelt es sich um Fälle der freiwilligen Übernahme der ärztlichen Pflichten. 32

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§13

2. Abschnitt. Die Tat

übernimmt, nach einem Unfall den nachfolgenden Verkehr zu warnen (BGH VRS 17 424). Auch Polizeivollzugsbeamte haben die Garantenpflicht, Straftaten in ihrem Amtsbereich zu verhindern (RG JW 1939 543; BGHSt. 8 186, 189; BGH NJW 1958 956) (unten Rdn. 29). Die Rechtsprechung hat die Garantenpflicht aufgrund freiwilliger Übernahme stark überdehnt: Pflicht zur Verhinderung von Diebstählen im Betrieb aufgrund des Arbeitsvertrages (BGHSt. 5 187, 190); Pflicht zur Mitteilung der zwischenzeitlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit an den vorleistungspflichtigen Vertragspartner beim Werkvertrag (BGHSt. 6 198). Pflichten aus freiwilliger Übernahme können von beiden Teilen widerrufen oder aufgekündigt werden (OLG Karlsruhe JZ 1960 178 m. zust. Anm. Welzet). 28

bb) Garantenpflichten aus Übernahme können, sofern es sich nicht um höchstpersönlich zu erfüllende Pflichten handelt, zur Ausführung auf andere Personen übertragen werden. So kann ein vom Bauherrn bestellter Bauleiter die Verkehrssicherungspflicht an der Baustelle (BGHSt. 19 286; OLG Karlsruhe VRS 48 199), der Fahrer eines Kraftfahrzeugs die Pflichten des Kraftfahrzeughalters (OLG Hamm VRS 15 288 ; 20 465), der Mieter die dem Hauseigentümer obliegende Streupflicht übernehmen (OLG Celle NJW 1961 1939). Der ursprüngliche Garant bleibt aber für Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen verantwortlich (BGHSt. 19 286, 288 f)· Der Übernehmende hat mit der Übernahme auch strafrechtlich für die Erfüllung der dem ursprünglichen Garanten obliegenden Pflicht einzustehen, was jedoch nicht ausschließt, daß dieser für die Verletzung seiner Auswahl- und Kontrollpflicht neben dem Verrichtungsgehilfen weiter haftet.

29

cc) Die Regeln über die sich aus freiwilliger Übernahme ergebenden Garantenpflichten gelten auch dann, wenn jemand schon aufgrund seines Berufs oder seiner Stellung einen besonderen Pflichtenkreis zu betreuen und in diesem Rahmen Gefahren für Rechtsgüter abzuwenden hat. Dies trifft zu für Amtsträger, insbesondere Polizeivollzugsbeamte, für Ärzte und Rechtsanwälte, für Betriebsinhaber mit besonderen Rechtspflichten, für privates Wachpersonal. Ein Polizeibeamter, der nicht gegen ein im Gange befindliches Verbrechen einschreitet, ist wegen Beihilfe, ein Arzt, der die Krankengeschichte seiner Patienten nicht gegen unbefugten Einblick schützt, wegen Geheimnisverletzung (§ 203), ein Verlagsinhaber, der durch seinen Beauftragten eine unerlaubte Werbung für jugendgefährdende Schriften vorsätzlich geschehen läßt, selbst als Täter verantwortlich (OLG Celle NJW 1969 759, 760).

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2. Die zweite Gruppe von Garantenstellungen beruht auf dem Grundgedanken, daß Garant ist, wer fremde Rechtsgüter gegen Gefährdungen zu schützen hat, die aus seinem Zuständigkeits- und Herrschaftsbereich stammen. Auch hier sind drei Untergruppen zu unterscheiden: das gefährdende Vorverhalten; die Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen, die im eigenen Verantwortungsbereich entstehen; die Kontrolle des Handelns von Personen, denen gegenüber der Garant Aufsichtspflichten hat. Die Tragweite der Garantenpflichten, die nicht aus der Sorge für bestimmte Rechtsgüter, sondern aus der Verantwortlichkeit für Gefahrenquellen entstehen, ist enger als der Pflichtenkreis, der aus der Schutzposition für bestimmte Rechtsgüter erwächst. Während dort der Garant das gefährdete Rechtsgut gegen jede Art von Beeinträchtigung zu schützen hat, sofern die Schutzpflicht dieses Rechtsgut überhaupt einschließt, hat der Garant hier nur die Gefahrenquelle selbst unter Kontrolle zu halten und die daraus entspringenden Schadensmöglichkeiten abzuwenden. (66)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

a) Die Garantenpflicht aus vorangegangenem gefährdenden Tun, das auch in 31 einem garantenpflichtwidrigen Unterlassen bestehen kann 3 7 (sog. Ingerenz), beruht auf dem allgemeinen Verbot, andere zu verletzen („neminem laede"), aus dem positiv das Gebot abgeleitet wird, Schäden für fremde Rechtsgüter abzuwenden, die aus einer von dem Unterlassenden geschaffenen Gefahr erwachsen können. Der Grundsatz ist in der Rechtsprechung seit jeher allgemein anerkannt 38 und wird auch von der weit überwiegenden Meinung im Schrifttum bejaht 39 . Um jedoch klarzustellen, daß für die Entstehung der Garantenpflicht nicht die bloße Verursachung jeder beliebigen Gefahr genügt (BGH NJW 1954 1047, 1048), muß der Gedanke der Ingerenz in dreifacher Hinsicht eingeschränkt werden : aa) Einmal muß das Vorverhalten die nahe (adäquate) Gefahr des Eintritts des 32 tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt haben. Die generelle Eignung des Vorverhaltens zur Herbeiführung eines bestimmten Schadens ergibt erst die Pflicht zu seiner Verhinderung. Diese Einschränkung ist in Rechtsprechung 40 und Lehre 41 anerkannt. Sie reicht aber zur Begrenzung der Garantenpflicht aus vorangegangenem Tun nicht aus, da sie diejenigen Fälle nicht auszuscheiden vermag, in denen der Täter die Gefahr in zulässiger Weise herbeigeführt hat (unten Rdn. 33). Hinzukommen muß weiter, daß die Untätigkeit den Grad der Gefahr oder die Höhe des Schadens vergrößert hat. So muß insbesondere der Kraftfahrer, der bei einem Unfall einen anderen in Lebensgefahr gebracht hat, als Garant für ärztliche Hilfe sorgen (BGHSt. 7 287, 288; BGH VRS 13 120, 122). Wer einen anderen betrunken macht, so daß dieser nicht mehr verantwortlich handeln kann, muß Gefahren für diesen selbst oder für dritte Personen, die aus der Trunkenheit entstehen, abwenden (BGHSt. 19 152, 155; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 40). Ist der Schaden bereits durch die Vorhandlung selbst vollständig eingetreten, bleibt kein Raum für eine Garantenpflicht zur Verhinderung weiterer Schäden, die sich daraus entwickeln können (Schröder NJW 1966 1002). bb) Zweitens muß das Vorverhalten objektiv pflichtwidrig (wenn auch nicht 33 schuldhaft) gewesen sein, weil aus rechtmäßiger Verursachung einer Gefahr nicht die schwere Belastung mit der Garantenpflicht für die Abwendung der aus der 37

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RGSt. 68 99, 104; Blei AT § 87 I 2 b; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 11 ; Drost GS 109 (1937) S. 23; Maurach-Gössel-Zipf AT §4611 C 5; Rudolphi SK §13 Rdn. 45; Sch.-SchröderStree § 13 Rdn. 32; Wessels AT § 16 II 6 c. Dagegen Androulakis Unterlassungsdelikte S. 125 f. RGSt. 58 244, 246; 60 77; 64 273, 276; 73 52, 57; 74 283; OGHSt. 1 357, 359; 2 63, 66; 3 1, 3; BGHSt. 4 20, 22; 25 218, 222; 26 35, 37; OLG Kassel NJW 1949 518; OLG Oldenburg NJW 1961 1938. Baumann AT § 18 II 3 c; Blei AT § 87 I 2; Bockelmann AT § 17 Β I 5 e; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 11; Kienapfel m 1975 83; Lackner § 13 Anm. 3 a dd; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II C 5; Rudolphi Gleichstellungsproblematik S. 120 f; SK § 13 Rdn. 38 ff; Schmidhäuser AT 16/50 ff; Sch.-Schröder-Stree §13 Rdn. 32 ff; Welp Vorangegangenes Tun S. 177 ff. Einschränkend (auf wenige Fallgruppen) Pfleiderer Vorausgegangenes Tun S. 199 ff; Welze! Lb § 28 A I 4 a. Ablehnend Roxin ZStW 83 (1971) S. 403; Schünemann Unterlassungsdelikte S. 106 ff, 165 ff, 231 ff, 308 ff; GA 1974 233 f. BayObLG NJW 1953 556; OLG Oldenburg NJW 1961 1938; OLG Schleswig SchlHA 1958 341. Blei AT § 87 I 2 b; Granderath Vorangegangenes gefährdendes Verhalten S. 156 ff; Kaufmann-Hassemer JuS 1964 149 ff; Kienapfel JB1. 1975 83; Herzberg Unterlassung S. 301; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II C 5; Rudolphi Gleichstellungsproblematik S. 120 f; Sch.Schröder-Stree § 13 Rdn. 34; Stratenwerth AT I Nr. 1004 f.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

Gefahr herrührenden Schäden entstehen kann 4 2 . Die Pflichtwidrigkeit muß in der Verletzung einer Norm bestehen, die gerade dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dient; abzulehnen ist deswegen BGHSt. 17 321, 323, wo die Pflicht zur Abwendung des Meineids im Ehescheidungsprozeß auf ein ehebrecherisches Verhältnis des Beklagten mit der Zeugin gegründet wird. Die Rechtsprechung hat die Pflichtwidrigkeit ursprünglich nicht als Merkmal der Garantenstellung aus vorangegangenem gefährdenden Tun angesehen. So sollte, wer einem anderen ohne Pflichtwidrigkeit ein Messer leiht, verpflichtet sein, gegen eine damit begangene Körperverletzung einzuschreiten und für die Erhaltung des Lebens des Verletzten als Garant zu sorgen (BGHSt. 11 355). Das Erfordernis der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens beginnt sich jetzt aber in der Rechtsprechung durchzusetzen. Aus dem Ausschank von Alkohol als einer „allgemein als sozialüblich anerkannten Verhaltensweise" folgt nicht die Pflicht des Gastwirts, strafbare Handlungen der Gäste zu verhindern (BGHSt. 19 152, 154; anders früher BGHSt. 4 20; vgl. ferner BGHSt. 26 35). Die Verletzung des Angreifers in Notwehr macht den Angegriffenen nicht zum Garanten für die Abwendung der aus der Verletzung zusätzlich entstehenden Körperschäden (BGHSt. 23 327). Ein Kraftfahrer, der sich verkehrsgerecht verhält, hat gegenüber dem allein schuldigen Unfallopfer keine Garantenstellung (BGHSt. 25 218, 221 m. zust. Anm. Rudolphi JR 1974 160; OLG Celle VRS 41 98; vgl. ferner OLG Köln NJW 1973 861, 862). Eine Besonderheit ist bei den Dauerdelikten zu beachten: wenn der Täter den deliktischen Zustand zunächst rechtmäßig geschaffen hat (ζ. B. durch Einsperrung des Angreifers in Notwehr), so ist er zur alsbaldigen Beseitigung des Zustandes verpflichtet, sobald die Notwehrlage endet. 34

cc) Endlich muß, damit geringere Pflichtwidrigkeiten im Rahmen des Vorverhaltens von der schweren strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Abwendung des Erfolges ausgenommen werden können, Art und Gewicht des in der Vorhandlung enthaltenen Pflichtverstoßes zu der Größe, Nähe und Bedeutung der Gefahr in einem angemessenen Verhältnis stehen, so daß es nach der Rechtsüberzeugung der Allgemeinheit berechtigt erscheint, den für das Vorverhalten Verantwortlichen auch für den Erfolgseintritt strafrechtlich haftbar zu machen 43 . Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn der Ingerent selbst ein bestehendes Schutzverhältnis aufhebt, indem er den Rechtsgutsträger oder schutzbereite Dritte ausschaltet, oder wenn er neue Gefahrenquellen eröffnet.

35

b) Eine zweite Gruppe von Garantenpflichten, aufgrund deren jemand fremde Rechtsgüter gegenüber Gefährdungen aus dem eigenen Herrschaftsbereich zu schützen hat, betrifft die Überwachung von Gefahrenquellen, deren Kontrolle dem Unterlassungstäter obliegt 44 . Es handelt sich dabei um Pflichten, die teilweise mit 42

43 44

So Blei AT § 87 I 2 c; Bringewat M D R 1971 716; Henkel MSchrKrim. 1961 183 ; Jescheck AT § 59 IV 4 a; Lackner § 13 Anm. 3 a d d ; Rudolphi Gleichstellungsproblematik S. 157 ff; SK Rdn. 39; Schmidhäuser AT 16/54; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 35; Wessels AT § 16 II 6 c. Anders Baumann AT § 18 II 3 c; Bockelmann AT § 17 Β I 6 c aa; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 11 ; Herzberg Unterlassung S. 294 ff; JuS 1971 74; Maurach-Gössel-Zipf AT § 46 II C 5 c; Stratenwerth AT I Nr. 1008 ff; Welp Vorangegangenes Tun S. 209 ff; wohl auch Otto NJW 1974 534. So Blei AT § 87 I 2 c; Jescheck AT § 59 IV 4 a; Ε. A. Wo/#KausaIität S. 42 f. Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 12; Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 186 ff; Granderath Vorangegangenes gefährdendes Verhalten S. 161 ff; Jescheck AT § 59 IV b; Preisendanz § 13 Anm. II 4 b ; Rudolphi SK Rdn. 26 ff; Schmidhäuser AT 16/57 ff; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 43 ff; Stratenwerth AT I Nr. 1018 ff; Wessels AT § 16 II 6 a. Kritisch dazu Blei AT § 87 I 4 b. (68)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

den im Zivilrecht entwickelten und dort von der Rechtsprechung im einzelnen festgelegten Verkehrssicherungspflichten übereinstimmen (BGH NJW 1961 868, 869 f; NJW 1962 791, 792). Die Garantenpflicht für die Überwachung von Gefahrenquellen ist unabhängig sowohl von der freiwilligen Übernahme der Obhut als auch von der Pflichtwidrigkeit des vorangegangenen Tuns oder Unterlassens. Sie tritt somit als selbständiger Gesichtspunkt für die Begründung einer Garantenpflicht neben die beiden anderen Garantenstellungen 45 , obwohl naturgemäß dann (unschädliche) Überschneidungen eintreten, wenn der Unterlassungstäter die Überwachung der Gefahrenquelle außerdem freiwillig übernommen hat oder wenn ihm bei der Entstehung oder Kontrolle der Gefahr ein pflichtwidriges Vorverhalten zur Last fällt. Der Grund für die Garantenpflicht aus der Überwachung von Gefahrenquellen im eigenen Herrschaftsbereich liegt darin, daß sich die Umgebung des Garanten darauf verläßt, daß, wer die Verfügungsgewalt oder Kontrolle über einen räumlich abgegrenzten Bereich ausübt, der anderen offensteht oder aus dem auf andere in gefährlicher Weise eingewirkt werden kann, die Gefahren beherrscht, die sich durch Zustände, Maschinen, Anlagen, Tiere oder Einrichtungen in oder aus diesem Bereich ergeben können. Verpflichtet ist der Garant zur Verhinderung der unmittelbar aus der Gefahrenquelle drohenden Schäden, nicht aber zur Abwendung weiterer aus der Verletzung herrührender Nachteile, es sei denn, daß er schon unter dem Gesichtspunkt des pflichtwidrigen gefährdenden Vorverhaltens oder der freiwilligen Übernahme zu einer zusätzlichen Aktivität verpflichtet ist. In diesem Falle hat die Konkurrenz der beiden Garantenpflichten praktische Bedeutung. Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden : aa) Garantenpflichten ergeben sich einmal aus der Herrschaft über Grundstücke 36 und Gebäude. Der Eigentümer eines Mietshauses muß dafür Sorge tragen, daß bei Dunkelheit das Treppenhaus beleuchtet wird, damit sich niemand verletzt (RGSt. 14 362, 363 0· Der Eigentümer muß ferner den Brand seines Hauses löschen, um Gefahren für andere aus der Feuersbrunst zu verhüten (OGHSt. 3 1, 3 f; RGSt. 64 273, 277 gründete die Pflicht noch auf den Versicherungsvertrag). Ein Kinderspielplatz muß zum Schutz der Benutzer vor der unmittelbar vorbeiführenden Eisenbahnstrecke mit einem Zaun umgeben werden (OLG Karlsruhe OLGSt. § 222 StGB S. 29). bb) Eine praktisch wichtige Quelle von Garantenpflichten ist ferner die Siehe- 37 rung von Baustellen. Bei einem Bau muß zum Schutz der dort Beschäftigten der Treppenhausschacht gesichert werden (BGH Dallinger MDR 1951 273, 274). Bei Dacharbeiten sind Schutzgerüste erforderlich (BGH Dallinger MDR 1953 270). Baustellen müssen abgesperrt und durch Warnlampen erkennbar gemacht werden (BGH VRS 16 28 ff; OLG Hamm NJW 1959 1551). Die Sicherungspflichten bei der Bauleitung und Bauausführung sind jedoch für die verschiedenen Beteiligten abgestuft (BGHSt. 19 286, 288 f; OLG Karlsruhe NJW 1977 1930; Gallas Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten [1963] S. 32 ff) und müssen von Fall zu Fall nach Lage des Sachverhalts bestimmt werden. cc) Sportanlagen müssen gegen Gefahren, die daraus für die Umgebung und für 38 die Sportler selbst entstehen können, gesichert werden. Ein Fußballplatz muß gegenüber der Bundesstraße, die daran vorbeiführt, und diese gegen den Platz 45

(69)

Kugler Ingerenz S. 147 ff; Otto NJW 1974 532; Schünemann Unterlassungsdelikte S. 284 ff. Zu Unrecht rechnet Welp Vorangegangenes Tun S. 209 ff die Garantenpflicht aus der Überwachung von Gefahrenquellen zur Ingerenz.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

abgeschirmt werden (BGH VRS 18 48, 51). Eine Sprungturmanlage muß in gefahrlosem Zustand erhalten werden (OLG Stuttgart VersR 1961 1026). Das Betreiben einer Reitbahn auf einem Ponyhof verpflichtet zum Einsatz von sachkundigen Aufsichtspersonen (OLG Karlsruhe OLGSt. § 222 StGB S. 35). Skipisten sind gegen außergewöhnliche, nicht ohne weiteres erkennbare und vermeidbare Gefahren zu sichern (BGH NJW 1971 1093, 1094 f; 1973 1379, 1380; OLG München NJW 1974 189; Hummel WW 1974 170 ff; Padrutt SchwZStr. 87 [1972] S. 63 ff). 39 dd) Schutzvorkehrungen sind ferner für sonstige gefährliche Anlagen notwendig. Regenkanäle eines Zementtrockenofens müssen Sicherungen gegen das Hineinstürzen besitzen (RGSt. 16 219). Entsprechendes gilt für einen Schacht (RG GA 45 275). Ein Steinbruch muß eingezäunt werden (BGH Daliinger MDR 1953 18, 20). Eine Grube an einem Behelfsweg muß zugeschüttet oder überbrückt werden (BGHSt. 3 203). Ein offener Schacht auf dem Hof einer Gaststätte ist abzudecken (RGSt. 57 148). Eine Förderanlage muß Sicherungen sogar zugunsten von verbotenerweise dort spielenden Kindern aufweisen (BayObLGSt. 1971 230, 232). 40

ee) Auch den Kraftfahrzeughalter trifft unter dem Gesichtspunkt der Sachherrschaft eine Garantenpflicht. Er muß verhindern, daß sein Fahrzeug von einem infolge Alkoholgenusses Fahruntüchtigen (BGHSt. 14 24; 18 6, 7; 18 359; BGH VRS 13 470; 14 197) oder von jemandem gelenkt wird, der keine Fahrerlaubnis besitzt (BGH VRS 12 51; 27 184, 186). Der Halter hat weiterhin dafür zu sorgen, daß sich das Fahrzeug in verkehrssicherem Zustand befindet (BGH VRS 17 43, 46; 17 389, 390; 22 211, 212; 37 271). Er muß ferner einschreiten, wenn der Fahrer in seiner Gegenwart Verkehrsverstöße begeht (BGHSt. 14 24, 28 f; BayObLG JZ 1959 638) oder das Kraftfahrzeug verkehrswidrig abstellt (BayObLGSt. 1962 278; OLG Stuttgart VRS 30 78). Bildet ein Fahrzeug nach einem Unfall ein Hindernis, so muß der Halter für die Warnung des Verkehrs und die Entfernung des Fahrzeugs aus dem Verkehrsraum sorgen, auch wenn er selbst an dem Unfall nicht schuld ist (BGHSt. 5 392, 394). Gegen unbefugte Benutzung muß er das Fahrzeug sichern (BGHSt. 17 289). Der Tierhalter ist in den Grenzen der Sorgfaltspflicht dafür verantwortlich, daß seine Tiere anderen Personen keinen Schaden zufügen (RGSt. 6 249; OLG Celle NJW 1970 202 f; OLG Bremen NJW 1957 72).

41

c) Ein letzter Grund der Entstehung von Garantenpflichten unter dem Gesichtspunkt der Abwendung von Gefahren aus dem eigenen Zuständigkeits- und Herrschaftsbereich ist die Verantwortlichkeit für das Handeln von Personen, denen gegenüber der Garant Autorität besitzt und daraus folgende Aufsichtspflichten hat 46 . Auch dieser Entstehungsgrund ist unabhängig sowohl vom vorangegangenen gefährdenden Tun als auch von freiwilliger Übernahme, er besitzt also selbständige Bedeutung. Es geht hier ebenfalls nicht um den Schutz bestimmter Rechtsgüter, die dem Garanten anvertraut sind, sondern um die Beherrschung von Gefahren, die, ähnlich wie bei der vorigen Fallgruppe von Sachen, hier von Personen ausgehen. Die Garantenstellung von vorgesetzten Amtsträgern (§ 357) und militärischen Vorgesetzten (§ 41 WStG) ist im Gesetz selbst geregelt. Entsprechendes ergibt sich für Schiffsoffiziere aus § 108 SeemG, ζ. B. die Verpflichtung, Schmuggelgeschäfte der Schiffsmannschaft zu unterbinden (RGSt. 71 176,177).

42

aa) Im Anschluß an diese gesetzlichen Regeln hat die Rechtsprechung vielfach Garantenpflichten aus Autoritätsverhältnissen abgeleitet, die mit Kontroll- und Auf46

Jescheck AT § 59 IV 4 c; Lackner § 13 Anm. 3 c; Rudolphi SK § 13 Rdn. 35 ff; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 51 ff; Stratenwerth AT I Nr. 993; Wesse/s AT § 16 II 6 b. (70)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

sichtspflichten verbunden sind. Erziehungsberechtigte haben dafür zu sorgen, daß die ihrer Aufsicht unterstehenden Minderjährigen keine Straftaten begehen (BGH FamRZ 1958 211 m. zust. Anm. Bosch). Desgleichen besteht eine Garantenpflicht des Lehrers hinsichtlich strafbarer Handlungen seiner Schüler während der Schulzeit und auf Ausflügen. Entsprechend gibt es eine gegenständlich beschränkte Garantenpflicht des Fahrlehrers in bezug auf Straftaten des Fahrschülers (KG VerkMitt 1966 Nr. 122). Das Gefängnispersonal ist dafür verantwortlich, daß die Gefangenen keine strafbaren Handlungen begehen (RGSt. S3 292). Dagegen bezieht sich die Verantwortlichkeit des Vorarbeiters nur auf die Ausführung der aufgetragenen Arbeiten, nicht auf die Verhinderung von Straftaten der Kollegen während der Arbeitszeit (OLG Karlsruhe G A 1971 281). bb) Keinerlei Hinderungspflichten in bezug auf Straftaten ergeben sich aus der 43 ehelichen Lebensgemeinschaft47 (anders RGSt. 64 162, 166; 74 283, 285; BGHSt. 6 322, 323 f; BGH NJW 1953 591; BGH Dallinger MDR 1973 369; OLG Schleswig Sehl HA 1954 285; zweifelnd jetzt aber BGHSt. 19 295, 297). Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB), auf die sich die Rechtsprechung dabei beruft, umfaßt nur Schutz und Hilfe zugunsten des anderen Ehegatten, nicht aber die Erhaltung fremder Rechtsgüter gegen diesen. Etwas anderes gilt nur, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflicht für gefährliche Personen, die in ähnlichen Fällen auch sonst anzunehmen wäre, für die Verhinderung von Straftaten des geisteskranken Ehegatten (RGZ 7048; BGH FamRZ 1961115). cc) Die Rechtsprechung entnimmt eine Garantenpflicht zur Abwehr von Strafta- 44 ten Dritter unter dem Gesichtspunkt des Herrschaftsbereichs auch aus der verantwortlichen Stellung in bestimmten Räumlichkeiten (RGSt. 58 299; 72 373; OGHSt. 1 87, 88; BGHSt. 27 10; BGH NJW 1966 1763; anders [nur § 330 c] BGH GA 1971 337). In einem Teil der Literatur hat diese Ansicht Zustimmung gefunden47®. Eine derartige Garantenstellung läßt sich jedoch nur dann begründen, wenn die Wohnung selbst wegen ihrer räumlichen Beschaffenheit oder Lage zu der Straftat ausgenutzt worden ist 48 . Dies wäre etwa der Fall, wenn eine Räumlichkeit, über die ein anderer die Herrschaftsmacht hat, als Unterschlupf für Straftäter, als Bereitstellungsplatz für kriminelle Unternehmungen oder als Beutelager genutzt oder wenn der Angriff gegen das Opfer durch die Gestaltung der Wohnung erleichtert oder dem Opfer dadurch die Gegenwehr oder Flucht erschwert wird. Die Garantenpflicht ergibt sich dann aus dem Gesichtspunkt der Überwachung einer Gefahrenquelle (oben Rdn. 35). dd) Auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Inhabers oder Leiters eines 45 Geschäftsbetriebes dafür, daß seine Angestellten bei der Ausführung ihrer Obliegenheiten keine Straftaten begehen, ist nur dann zu bejahen, wenn es sich um Fälle der freiwilligen Übernahme handelt (oben Rdn. 26), was etwa bei einem Vertragsverhältnis anzuerkennen wäre, oder wenn sich aus der Eigenart des Betriebes selbst Gefahren für die Allgemeinheit mit besonderen Überwachungspflichten des Leiters ergeben (ζ. B. Umweltschädigung, Lieferung mangelhafter Arzneimittel oder nicht 47

47a 48

(71)

Bärwinkel Garantieverhältnisse S. 153 ff; Geilen FamRZ 1961 157 ff; Jescheck AT § 59 IV 4 c; Lackner § 13 Anm. 3 c; H. Mayer Mat. Bd. I S. 275 („Sippenhaftung"!); Rudolphi SK § 13 Rdn. 36 a; Schmidhäuser AT 16/43; Sch.-Schröder-Stree§ 13 Rdn. 53. Blei AT § 87 I 4 c; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 12; Lackner § 13 Anm. 3 c. So Herzberg Die Unterlassung S. 332 f, 475; Jescheck §59 IV 4 b; Rudolphi SK § 13 Rdn. 37; Sch.-Schröder-Stree ξ 13 Rdn. 54; Schünemann Unterlassungsdelikte S. 361.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

verkehrssicherer Kraftfahrzeuge, Handel mit jugendgefährdenden Schriften, Ausstattung von Terroristen mit W a f f e n ) 4 9 . Weitergehend hat die Rechtsprechung eine Rechtspflicht des Geschäftsherrn zur Verhinderung strafbarer Handlungen des Untergebenen schon unter dem Gesichtspunkt der sorgfältigen Auswahl und Überwachung angenommen (RGSt. 58 130, 133), was einen im Zivilrecht entwickelten Gedanken unzutreffend auf das Strafrecht ausdehnt. Das schweizerische Bundesgericht hat eine Garantenpflicht des Unternehmers bejaht, strafbare Waffenlieferungen durch seine Angestellten zu verhindern (BGE 96 IV S. 155) 50 . Die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen ist im übrigen als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet (§ 130 OWiG). Eine dem § 357 f ü r Amtsträger u n d dem § 41 WStG für militärische Vorgesetzte entsprechende Bestimmung gibt es dagegen für den Bereich der Privatwirtschaft nicht, und sie darf deshalb auch nicht im Wege der Anerkennung eines unechten Unterlassungsdelikts eingeführt werden. 46

VI. Der Versuch ist sowohl bei den echten als auch bei den unechten Unterlassungsdelikten möglich 5 1 , und zwar sowohl in der Form des tauglichen als auch des untauglichen Versuchs. Jedoch ist der Versuch bei den echten Unterlassungsdelikten (oben Rdn. 84 vor § 13) nicht unter Strafe gestellt (z. B. §§ 138, 142 Abs. 2, 330 c). Bei den unechten Unterlassungsdelikten ist der Versuch dagegen von erheblicher praktischer Bedeutung. Die Strafbarkeit ergibt sich bei einigen der im Gesetz geregelten unechten Unterlassungsdelikte aus diesem selbst, so ζ. B. bei der Nichthinderung einer Gefangenenbefreiung durch Amtsträger (§ 120 Abs. 2, 3), beim Begehenlassen einer schweren Körperverletzung durch Amtsträger im Amt (§ 340 Abs. 2), beim Geschehenlassen einer rechtswidrigen Tat durch Untergebene seitens des Vorgesetzten, wenn es sich dabei um ein Verbrechen handelt (§ 357) und bei der mangelhaften Dienstaufsicht (§ 41 Abs. 1, 2 WStG). Wichtiger noch ist die Möglichkeit der Begehung eines strafbaren Versuchs durch Unterlassen bei allen anderen Erfolgsdelikten, wenn die Voraussetzungen der §§ 22, 23 vorliegen.

47

1. Zweifelhaft ist bei den unechten Unterlassungsdelikten der Zeitpunkt des Beginns des Versuchs. Die auf Begehungstaten zugeschnittene Formel des § 22 vom „unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes" führt hier nicht weiter, weil beim Unterlassungsversuch ein dem Ansetzen zur aktiven Tatbegehung vergleichbarer Moment nicht gegeben ist. Deshalb muß statt dessen auf den Zeitpunkt der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts durch das Unterbleiben der vom Täter erwarteten Rettungstat abgestellt werden, wobei zugleich vorausgesetzt wird, d a ß der Täter mit dem Willen untätig bleibt, den tatbestandsmäßigen Erfolg eintreten zu lassen, weil der Versuch nur vorsätzlich begangen werden kann (oben Rdn. 89 vor § 13). Die Fixierung dieser Grenze ist jedoch umstritten. Nach einer Meinung ist maßgebend der erste Zeitpunkt, an dem die 49

Rudolphi SK § 13 Rdn. 35 a. 50 Näher dazu Schubarth SchwZStR 92 (1976) S. 369 ff. 51 Baumann AT § 33 I 3; Grünwald JZ 1959 46 ff; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 201 ; Jescheck AT § 60 II ; Maihofer GA 1958 289 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT § 41 II B; Rudolphi SK Rdn. 50 vor § 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 27 vor § 22; Stratenwerth AT I Nr. 1056 ff; Wessels AT § 16 VI 1. Einschränkend Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 204 ff ; Welzel Lb § 28 A IV. Für Straflosigkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs Rudolphi SK Rdn. 55 vor § 13; Schmidhäuser AT 17/27 ( Wahndelikt). Für Straflosigkeit des Unterlassungsversuchs überhaupt Herzberg MDR 1973 89 f (Gesinnungsstrafrecht!). (72)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§ 1 3

Abwendung des Erfolges durch die erwartete Handlung möglich gewesen wäre 5 2 , nach einer anderen Meinung der letztmögliche Zeitpunkt 5 3 . Richtig ist es, den Beginn des Versuchs in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem durch Verzögerung der Rettungshandlung eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Handlungsobjekt entsteht bzw. eine bereits entstandene Gefahr sich vergrößert 5 4 oder in dem der Täter den Kausalverlauf aus der Hand gibt, so daß er außerstande ist, später noch helfend einzugreifen 5 5 . 2. Auch bei den Unterlassungsdelikten ist zwischen unbeendetem und beendetem 48 Versuch zu unterscheiden, wobei ebenso wie bei dem Begehungsdelikt nach der Vorstellung des Täters abgegrenzt werden muß 5 6 . Unbeendet ist der Versuch, wenn der Täter glaubt, die gebotene Handlung noch nachholen zu können, beendet, wenn nach seiner Vorstellung die Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung den Erfolg nicht mehr verhindern könnte. War bei einem Arbeitsunfall das Opfer schon tot, als sich der Garant über die Notwendigkeit von sofortigen Rettungsmaßnahmen klar wurde, hielt er den Verletzten aber in diesem Zeitpunkt noch für lebend und Hilfe für möglich, ohne etwas in dieser Richtung zu tun, liegt ein untauglicher beendeter Versuch des Totschlags vor (OGHSt. 1 357, 359 f)· Entsprechendes gilt für den Kraftfahrer, der den von ihm verletzten Fußgänger seinem Schicksal überläßt und das Weite sucht (BGHSt. 7 287, 288; BGH VRS 13 120, 123). Beendet ist der Versuch in diesem Falle, wenn der Kraftfahrer damit rechnet, daß er nicht mehr rechtzeitig zur Unfallstelle zurückkehren kann. 3. Auch beim Versuch des unechten Unterlassungsdelikts ist ein strafbefreiender 4 9 Rücktritt möglich 5 7 . Im Unterschied zu den Begehungsdelikten erfordert der Rücktritt vom Unterlassungsversuch jedoch stets ein positives Tun von seiten des Täters oder Teilnehmers. Gleichwohl ist die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch notwendig, weil nur beim beendeten Versuch das Risiko des Mißlingens der Erfolgsabwendung vom zurücktretenden Täter oder Teilnehmer zu tragen ist, beim unbeendeten Versuch dagegen nicht 5 8 . Nur wenn der Zurücktretende mit seinem Eingreifen zu lange zugewartet hat, so daß die Verhinderung des Erfolges allein durch riskantere Mittel als die ihm ursprünglich obliegende Hand52 Herzberg M D R 1973 89; Lönnies NJW 1962 1950; Maihofer GA 1958 297; Maurach-Gössel-Zipf AT § 41 II Β 2 c. 53 Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 210 ff; Wetzel Lb § 28 A IV. 54 Blei AT § 86 III 2; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 202; J. Meyer ZStW 87 (1975) S. 605 f; Rudolphi § 13 Rdn. 53 f; Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 50; Stratenwerth AT I Nr. 1058; Wessels AT § 16 VI 1. 55 Roxin Maurach-Festschr. S. 226. 56 Blei AT § 86 III 3; Grünwald JZ 1959 48 f; Jescheck AT § 60 II 2; Maihofer GA 1958 298; Sch.-Schröder-Eser § 24 Rdn. 27; Wessels AT § 16 IV 2. Für entbehrlich halten die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch Herzberg M D R 1973 93 ; Roxin Maurach-Festschr. S. 232 Fußn. 54; Rudolphi S Κ Rdn. 56 vor § 13; WeimersdorfVersuch beim unechten Unterlassungsdelikt S. 177, weil der Rücktritt beim unechten Unterlassungsdelikt immer in einer erfolgsabwendenden positiven Tätigkeit bestehen müsse (vgl. zu diesem Argument unten Rdn. 49). 57 Grünwald Das unechte Unterlassungsdelikt S. 91 ff; Jescheck AT § 60 II 3; Lönnies NJW 1962 1950 ff; Maihofer G A 1958 598; Sch.-Schröder-Eser § 2 4 Rdn. 27 ff; Wessels AT § 16 VI 2. 58 Jescheck AT § 60 II 3 ; Maihofer GA 1958 298 ; Sch.-Schröder-Eser § 24 Rdn. 30. (73)

§13

2. Abschnitt. Die Tat

lung erreicht werden kann, erscheint es gerechtfertigt, ihn mit der Gefahr des Mißlingens der Rettungstat zu belasten. Vor diesem Zeitpunkt kann das Mißlingen der Erfolgsverhinderung nur als fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt gewertet werden. 50

VII. Für die Problematik der Teilnahme sind bei den Unterlassungsdelikten zwei Fallgruppen zu unterscheiden : die Teilnahme am Unterlassungsdelikt durch positives Tun und die Teilnahme durch Unterlassen an einem Begehungs- oder Unterlassungsdelikt.

51

1. Teilnahme am Unterlassungsdelikt durch positives Tun ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich 59 . Hierfür gelten, da es sich nicht um Unterlassungen handelt, sondern um positives Tun, nicht die Regeln für die Unterlassungsdelikte, sondern die für das positive Tun. 52 a) Die Anstiftung besteht hier in der vorsätzlichen Herbeiführung des Entschlusses des Unterlassungstäters, in Kenntnis der tatbestandsmäßigen Situation und (bei unechten Unterlassungsdelikten) auch seiner Garantenstellung untätig zu bleiben. Ein derartiger Entschluß kann auch beim Unterlassen gefaßt werden (oben Rdn. 89 vor § 13). Beihilfe, regelmäßig in der Form psychischer Beihilfe, ist bei der Unterlassungstat ebenfalls möglich, z. B. durch Bestärkung des Unterlassungstäters in seinem Entschluß, untätig zu bleiben im Wege des Zuredens oder des Versprechens einer Belohnung. So ist Anstiftung zur Gläubigerbegünstigung (jetzt § 283 c) gegeben bei Herbeiführung des Entschlusses zur NichtStellung des Konkursantrags, den der Unterlassungstäter nach §§ 64, 65 GmbHG hätte stellen müssen (RGSt. 48 18, 21) und entsprechend Beihilfe, wenn der Teilnehmer den verantwortlichen Geschäftsführer durch Zureden in seinem Entschluß, untätig zu bleiben, bestärkt (BGHSt. 14 280, 282). Beihilfe ist die Förderung der Nichterfüllung von Anzeigeund Ablieferungspflichten (RGSt. 51 39, 41 ; 77 268, 269) oder die Bestärkung eines im Urlaub befindlichen Soldaten in seinem Entschluß, nicht rechtzeitig zur Truppe zurückzukehren (jetzt § 15 WStG) (RGSt. 27 157). Die Frage, ob die Vorschrift des § 28 Abs. 1 über die obligatorische Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 beim Fehlen straft>egründender besonderer persönlicher Merkmale auf die Garantenpflicht bei den unechten Unterlassungsdelikten angewendet werden muß, ist umstritten. Da die Garantenmerkmale nur die Gleichstellung von Begehung und Unterlassung im Erfolgsunrecht begründen und damit den möglichen Täterkreis abgrenzen sollen, so daß ihr Fehlen den Teilnehmer, bei dem sie nicht vorzuliegen brauchen, gar nicht entlastet, erscheint es richtig, diese Frage zu verneinen 60 . Die Gegenmeinung 59 Baumann AT § 37 II 2 b; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 7 ; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 205; Kielwein GA 1955 232; Lackner §26 Anm 3; Maurach-Gössel-Zipf AT § 50 III E; D. Meyer M DR 1975 287; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft S. 510 ff; LK § 26 Rdn. 31, § 27 Rdn. 35; Rudolphi SK Rdn. 49 f vor § 13; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 76 vor §25; Stratenwerth AT I Nr. 1074. Die Gegenmeinung von Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 190 ff und Welzel Lb § 27 V 1 beruht auf der nichtzutreffenden Prämisse, daß es einen Unterlassungsvorsatz nicht gebe. Die Annahme, daß statt dessen Täterschaft durch positives Tun vorliege, widerspricht den Grundsätzen der Teilnahmelehre und scheitert auch praktisch, wenn dem Teilnehmer die Täterqualität fehlt. 60 So Herzberg ZStW 88 (1976) S. 108 f; Geppert ZStW 82 (1970) S. 40 ff; Jescheck AT § 61 VII 4 a Fußn. 51 ; Lackner § 28 Anm. 2 a; Preisendanz § 28 Anm. 3; Sch.-Schröder-Cramer § 28 Rdn. 13. (74)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

gründet die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 auf den Gedanken, daß sich die Garantenpflicht strukturell nicht von der Pflicht des Amtsträgers unterscheide, die ihm anvertrauten Rechtsgüter vor Schaden zu bewahren, und daß sich die Beteiligten hier wie dort auf den Einsatz des Garanten verließen 6 1 . Da aber die Amtsträgereigenschaft eindeutig nach § 28 Abs. 1 behandelt wird, dürfe dies bei der Garantenpflicht nicht anders sein. b) Auch die Möglichkeit einer Mittäterschaft zwischen Begehungs- und Unterlas- 53 sungstätern wird angenommen 6 2 . Richtig ist es jedoch in diesem Fall, den aktiv Handelnden als Täter, den Unterlassenden dagegen als Gehilfen anzusehen, weil die Tatherrschaft immer beim Begehungstäter liegt (unten Rdn. 57). c) Endlich gibt es auch eine mittelbare Täterschaft durch positives Tun unter 54 Benutzung eines passiv bleibenden Werkzeugs, so wenn jemand als Garant einen Handlungsfähigen und Handlungswilligen durch Zwang oder Täuschung an der Erfüllung des ihm selbst obliegenden Gebots hindert 6 ^. Der Hintermann besitzt in diesem Fall als Garant die Tatherrschaft durch positives Tun, während das Werkzeug unter seinem Einfluß untätig bleibt. Gehilfe ist das Werkzeug in diesem Falle nicht, weil ihm die Garantenstellung fehlt, die es als Teilnehmer durch Unterlassen haben müßte, um strafbar zu sein. 2. Ganz andere Probleme stellen sich für die Teilnahme durch Unterlassen an 55 einem Begehungs- oder Unterlassungsdelikt. a) Eine Anstiftung durch Unterlassen ist nach überwiegender Ansicht rechtlich 56 nicht möglich, weil zur Anstiftung die Herbeiführung des Tatentschlusses beim Täter durch psychische Beeinflussung gehört 6 4 . Gewiß kann es sein, daß jemand den Tatentschluß im Täter wissentlich heranreifen läßt und untätig bleibt, obwohl er die Garantenpflicht haben würde, dessen Entstehung zu verhindern. In dieser Untätigkeit liegt jedoch nicht das typische Handlungsunrecht der Anstiftung. Vielmehr handelt es sich um Beihilfe durch Unterlassen, so wenn die Ehefrau erkennt, daß ihr Geliebter den Entschluß zur Tötung des der Verbindung im Wege stehenden Ehemannes faßt, der schließlich auch zur Tat führt, ohne daß sie ihn davon abzubringen versucht. b) Im Unterschied zur Anstiftung durch Unterlassen, die rechtlich nicht möglich 57 ist (oben Rdn. 56), kann Beihilfe nach ganz überwiegender Ansicht auch durch Unterlassen geleistet werden, sofern eine Garantenpflicht zum tätigen Eingreifen

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So Baumann AT § 37 III 2 b; Dreher-Tröndle § 28 Rdn. 6; Langer Lange-Festschr. S. 262; Samson SK § 28 Rdn. 18, 21 ; Stratenwerth AT I Nr. 934 und mit eingehender Begründung Vogler Lange-Festschr. S. 279 ff. So Maurach-Gössel-Zipf AT § 49 II B; Roxin LK § 25 Rdn. 112 (unter Beschränkung auf „Pflichtdelikte"); Sch.-Schröder-Cramer § 25 Rdn. 49; Stratenwerth AT I Nr. 1066 ff. Roxin Täterschaft und Tatherrschaft S. 472 ; Sch.-Schröder-Cramer § 25 Rdn. 39 ; Stree GA 1963 12. So Baumann AT § 37 I 2 b ß; Grünwald GA 1959 122; Jescheck AT § 64 III 6; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 292; H. Mayer AT § 49 III 1 c; D. Meyer MDR 1975 982; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft S. 484; Sch.-Schröder-Cramer §26 Rdn. 7. Dagegen Lackner §26 Anm. 3; Maurach-Gössel-Zipf AT §51 II A; Samson SK §26 Rdn. 5; Schmidhäuser AT 17/10, die eine Anstiftung durch Unterlassen des Eingreifens in den Vorgang der Entstehung des Tatentschlusses für möglich halten.

§13

2. Abschnitt. Die Tat

mit dem Ziel der Verhinderung der Haupttat besteht 6 5 . Auch bei der Unterlassung ist Kausalität der Beihilfe in dem Sinne zu fordern, „ d a ß der Beitrag des Gehilfen die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert" (Roxin LK § 27 Rdn. 2). Dies bedeutet für die Beihilfe durch Unterlassen, daß der erwartete Eingriff des Garanten in den Ablauf der Tat diese verhindert, erschwert, abgeschwächt oder f ü r den Täter riskanter gemacht hätte (RGSt. 53 292; 69 349, 350; 71 176, 178; 73 52, 54; B G H N J W 1953 1838; BGH Daliinger M D R 1951 149 f; O L G Braunschweig G A 1977 240; O L G H a m m HESt. 2 244; O L G Karlsruhe G A 1971 281). Anerkannt ist insbesondere die Meineidsbeihilfe durch Unterlassen (BGHSt. 4 327; 14 229; 17 321)66. Umstritten ist die Frage, ob und nach welchen Gesichtspunkten beim Unterlassen zwischen einer täterschaftlichen Mitwirkung an der Tat und bloßer Beihilfe unterschieden werden kann (zur Rechtsprechung u n d den verschiedenen Lehrmeinungen eingehend Roxin L K § 25 Rdn. 142 ff; ferner Heimann-Trosien/ Wolff L K 9 Einleitung Rdn. 206 f; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 78 ff vor § 25). Gegenüber der in diesem Punkte schwankenden und uneinheitlichen Rechtsprechung erscheint weiterhin die in einem Teil des Schrifttums vertretene Lehrmeinung zutreffend, wonach neben dem die Tatherrschaft ausübenden Täter eines vorsätzlichen Begehungsdelikts der Tatbeitrag des die Tat nicht hindernden Garanten grundsätzlich nur die Bedeutung der Beihilfe besitzt; die Tatherrschaft geht erst d a n n auf den Unterlassenden über, wenn der Täter den Tatablauf nicht mehr beherrscht 6 7 . 58

c) Weiterhin ist auch Mittäterschaft mehrerer Unterlassungstäter möglich 6 8 . Sie liegt immer d a n n vor, wenn mehrere Garanten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans und Tatentschlusses (Roxin L K § 2 5 Rdn. 119) eine auf denselben Erfolg bezogene Abwendungspflicht nicht erfüllen (RGSt. 66 74: Vater und Mutter sorgen beide nicht f ü r das gemeinsame Kind). Eine Differenzierung nach dem Tatherrschaftskriterium ist hier nicht möglich, weil, wenn mehrere Garanten gegenüber einem auf den tatbestandsmäßigen Erfolg zulaufenden Kausalprozeß untätig bleiben, jeder von ihnen die Abwendung des Erfolges ebenso viel und ebenso wenig in der H a n d hat wie der andere. Deswegen müssen regelmäßig alle als Mittäter oder bei fehlendem gemeinsamen Tatentschluß als Nebentäter behandelt werden. Wenn dagegen ein Garant einen anderen (handlungswilligen) Garanten zur Unterlassung nötigt (der Ehemann zwingt die Ehefrau, das gemeinsame Kind unversorgt zu lassen), so liegt unmittelbare Begehungstäterschaft vor. Ein f ü r die Unterlassungstäterschaft spezifischer Fall der Mittäterschaft ist d a n n gegeben, wenn mehrere Garanten eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, ζ. B. die gemeinsame Abgabe der Steuererklärung durch die zusammen veranlagten Ehe65

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So Baumann AT § 37 II 2 b α; Blei AT § 80 I; Busch LK9 § 49 Rdn. 11 ; Dreher-Tröndle §27 Rdn. 7; Frank §49 Anm. I 2; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 205; Lackner § 27 Anm. 4; Maurach-Gössel-Zipf AT § 52 II A 3; Preisendanz § 27 Anm. 3 b; Welze! Lb § 16 III 2; Wessels AT § 13 IV 3. Grundsätzlich ablehnend Grünwald GA 1959 110 ff; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 291 ff. Eingehend dazu Sch.-Schröder-Lenckner Rdn. 38 ff vor § 153. So Bockelmann AT § 26 I 2 b ; Gallas JZ 1952 372 ; 1960 687 Fußn. 67 ; Jescheck AT § 64 IV 5; Kielwein GA 1955 227; Lackner §27 Rdn. 4; Maurach-Gössel-Zipf AT §52 II A 3; Schmidhäuser AT 17/12. Busch LK9 § 47 Rdn. 6, 20; Dreher-Tröndle § 25 Rdn. 7; Heimann-Trosien/Wolff LK9 Einleitung Rdn. 203 ; Jescheck AT § 63 IV 2; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft S. 469 f; LK § 25 Rdn. 154; Stratenwerth AT I Nr. 1066 ff. (76)

Begehen durch Unterlassen (Jescheck)

§13

gatten. Dieser Fall entspricht der auch bei der Begehungstäterschaft auftretenden Konstellation, daß die Tat nur von allen Mittätern gemeinsam begangen werden kann. Eine rechtliche Besonderheit liegt darin nicht. d) Dagegen ist die Möglichkeit einer durch Unterlassen begründeten mittelbaren 59 Täterschaft zu verneinen69. Zwei Fallgruppen sind hierbei zu unterscheiden (Heimann-Trosien/Wolff LK 9 Einleitung Rdn. 204): Im ersten Falle ist es so, daß der Garant einen Erfolg nicht abwendet, den ein schuldlos Handelnder durch positives Tun herbeiführt 70 . Der Pfleger, der in dieser Weise die rechtswidrige Tat des Geisteskranken geschehen läßt, ist jedoch unmittelbarer Unterlassungstäter, weil es keinen Unterschied machen kann, ob der tatbestandsmäßige Erfolg durch einen schuldlos Handelnden herbeigeführt wird, der unter der Aufsicht des Garanten steht, oder durch Naturereignisse, denen der Garant entgegenwirken muß. Der andere Fall liegt dann vor, wenn der Garant einen Handlungsfähigen und Handlungswilligen daran hindert, das ihm selbst obliegende Rettungswerk auszuführen. Hier ist jedoch Begehungstäterschaft des Garanten anzunehmen (oben Rdn. 83 vor §13). VIII. Nach § 13 Abs. 2 kann die Strafe für das unechte Unterlassungsdelikt nach 60 den Vorschriften des § 49 Abs. 1 gemildert werden. Es muß sich jedoch um ein im Gesetz nicht geregeltes unechtes Unterlassungsdelikt handeln, wenn § 13 Abs. 2 Anwendung finden soll (oben Rdn. 9,10). 1. Die Milderungsmöglichkeit beruht darauf, daß häufig der Schuldgehalt der 61 Unterlassungstat geringer ist als der der Begehungstat (BT-Drucksache V/4095 S. 8) 71 . Ausnahmsweise kann aber auch der Unrechtsgehalt des unechten Unterlassungsdelikts trotz der beiden Gleichstellungskriterien geringer sein als der des betreffenden Begehungsdelikts. Dies hängt damit zusammen, daß das Handlungsunrecht des Unterlassens gegenüber dem positiven Tun weniger Gewicht besitzen kann, da das zweite Gleichstellungskriterium nur verlangt, daß das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun „entspricht" (oben Rdn. 5), während § 13 E 1962 noch die volle „Gleichwertigkeit" von Tun und Unterlassen bei den verhaltensgebundenen Tatbeständen vorausgesetzt und deswegen die Milderungsklausel abgelehnt hatte (Begründung S. 126). Auch in diesem Fall des geminderten Unrechts ist also § 13 Abs. 2 anzuwenden 72 . 2. Zu Recht hat der Gesetzgeber fur die unechten Unterlassungsdelikte nur eine 62 fakultative Strafmilderung vorgesehen, da auch in den Fällen, in denen § 13 an sich anwendbar ist (oben Rdn. 9, 10), der Unrechts- und Schuldgehalt der 69

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Grünwald GA 1959 122; Heimann-Trosien/WolffUL9 Einleitung Rdn. 204; Jescheck AT §60 III 1; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 195 ff; Roxin LK §25 Rdn. 155; Sch.-Schröder-Cramer § 25 Rdn. 37 ff; Stratenwerth AT I Nr. 1065. Mittelbare Täterschaft bejahen in diesem Fall Baumann AT § 36 I 4 a; Maurach-GösselZipf AT § 48 III A 1 ; Schroeder Der Täter hinter dem Täter S. 105. Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 20; Armin Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 300 ff; Lackner §13 Anm. 5 a; Preisendanz §13 Anm. IX; Roxin Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) S. 8 ff; Rudolphi SK §13 Rdn. 65; Sch.-Schröder-Stree §13 Rdn. 64; Schmidhäuser AT 16/22; Welzel Lb § 28 A VI. Kritisch dazu Schöne Unterlassene Erfolgsabwendung S. 338 ff. Herzberg Die Unterlassung S. 7 ff; Jescheck AT § 58 V 1.

§14

2. Abschnitt. Die Tat

Unterlassungstat dem des entsprechenden Begehungsdelikts durchaus gleichwertig sein kann 7 3 . § 13 Abs. 2 wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn die gebotene Handlung von dem Unterlassungstäter keine mehr oder weniger selbstverständliche Tätigkeit, sondern den außergewöhnlichen Einsatz eines rechtstreuen Willens verlangt. 63

3. Ebenso wie bei der Strafzumessung für den Versuch ( Jescheck AT § 49 V 2) hat der Richter bei der Anwendung des § 13 Abs. 2 zwei Entscheidungen zu treffen 74 . Einmal ist zu prüfen, ob der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat in ihrer Eigenschaft als Unterlassungsdelikt im Vergleich mit einem entsprechenden Begehungsdelikt überhaupt eine Strafmilderung verdient. Maßgebend dafür dürfen allein unterlassungsbezogene Erwägungen sein. Ist danach von der Strafmilderungsmöglichkeit des § 13 Abs. 2 Gebrauch zu machen und der mildere Strafrahmen des § 49 Abs. 1 zugunsten des Unterlassungstäters anzuwenden, so sind zweitens in dessen Grenzen alle Strafzumessungstatsachen (aber nicht mehr die unterlassungsbezogenen) gemäß § 46 zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung dürfte jedoch auch in diesem Falle ebenso wie bei der entsprechenden Problematik der Strafzumessung für den Versuch eine „Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit" vornehmen (BGHSt. 16 351, 353; 17 266). Dies erscheint jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn es beim Regelstrafrahmen bleibt, weil bei dessen Aufstellung der Umstand, daß eine Unterlassung vorliegen kann, nicht berücksichtigt worden ist (Jescheck AT § 49 V 2). Der Richter kann also und muß gegebenenfalls, auch wenn er § 49 Abs. 1 nicht anwendet, den Umstand, daß es sich um eine Unterlassung handelt, bei der Strafzumessung nach dem Regelstrafrahmen mildernd berücksichtigen.

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4. Handelt es sich um Beihilfe durch Unterlassen, so kann, wie auch sonst bei doppelter Strafmilderungsmöglichkeit, die nach § 27 Abs. 2 S. 2 zu mildernde Strafe nochmals gemildert werden 75 .

§14 Handeln für einen anderen (1) Handelt jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder 3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder 1.

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Bruns Strafzumessungsrecht, 2. Aufl. (1974) S. 458 f; Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 20; Herzberg Die Unterlassung S. 51 ff; Jescheck AT § 58 V 2; Lackner § 13 Anm. 5 a; Roxin Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) S. 9 („wenn das gebotene Tun in den normalen Regelablauf des Lebens von vornherein eingeplant ist"); Rudolphi SK § 13 Rdn. 65; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 64. Dreher-Tröndle § 13 Rdn. 20; Jescheck AT § 58 V 3; Rudolphi SK § 13 Rdn. 66; Sch.Schröder-Stree § 13 Rdn. 64. Rudolphi SK § 13 Rdn. 65; Sch.-Schröder-Stree § 13 Rdn. 64. (78)

Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. (2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten 1. beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder 2. ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Pflichten zu erfüllen, die den Inhaber dçs Betriebes treffen, und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebes vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrages für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist. Fassung des früheren § 50 a: (1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, 2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder 3. als gesetzlicher Vertreter eines anderen, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen. (2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten 1. beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder 2. ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Pflichten zu erfüllen, die den Inhaber des Betriebes treffen, und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebes vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unernehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrages für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden. (3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist. Schrifttum Blauth „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Strafrecht, 1968; Bruns Können die Organe juristischer Personen, die im Interesse ihrer Körperschaften Rechtsgüter Dritt.er verletzen, bestraft werden?, 1931 (StAbh, Heft 295); ders. Die Organeigenschaft des Täters als Strafänderungsgrund beim Handeln zugunsten der Körperschaft, DJ 1934 1589; ders. Über die Organ- und Vertreterhaftung im Strafrecht, JZ 1954 14; ders. Faktische Betrachtungsweise und Organhaftung, JZ 1958 461 ; ders. Ungeklärte materiell-rechtliche (79)

§14

2. Abschnitt. Die Tat

Fragen des Contergan-Prozesses, Festschrift f. Heinitz (1972) 317, 324; Demuth-Schneider Die besondere Bedeutung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für Betrieb und Unernehmen, BB 1970 642; Gallas Der dogmatische Teil des Alternativentwurfs, ZStW 80 (1968) 1; Herzberg Die Problematik der „besonderen persönlichen Merkmale" im Strafrecht, ZStW 88 (1976) 68, 110; Rimmelspacher Strafrechtliche Organ-, Vertreter- und Verwalterhaftung, erörtert am Beispiel der Vollstreckungsvereitelung, JZ 1967 472; ders. JZ 1967, 700; R. Schmitt Die strafrechtliche Organ- und Vertreterhaftung, JZ 1967 698; ders. Nochmals: Die strafrechtliche Organ- und Vertreterhaftung, JZ 1968 123; Schiinemann Besondere persönliche Verhältnisse und Vertreterhaftung im Strafrecht, Zeitschr. f. Schweizer Recht 1978 131; ders. Unternehmenskriminalität und Strafrecht 1979; Tiedemann Literaturbericht Nebenstrafrecht, ZStW 83 (1971) 792; Wiesener Die strafrechtl. Verantwortlichkeit von Stellvertretern und Organen 1971. Kommentare zum OWiG : Göhler OWiG 5. Aufl. 1977 Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 1968-1977 Rotberg Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl., 1969 Gesetzesmaterialien : Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, 57. Sitzung v. 13. 4.1967, 1096—1105 (Zit.: Protokolle); Entwurf des Einführungsgesetzes zum Ordnungswidrigkeitengesetz (Zit.: EEGOWiG) mit Begründung, Bundestags-Drucksache V/1319 62—66. Übersicht Rdn. Entstehungsgeschichte I. Die F u n k t i o n der Vorschrift auf d e m H i n t e r g r u n d der Rechtsentwicklung . . . II. § 14 im rechtspolitischen Meinungsstreit. Die U n k l a r h e i t e n d e r gesetzlichen Konzeption III. Die Ersatzvertretung als G r u n d g e d a n k e des § 14 IV. Die S t r a f b a r k e i t des H a n d e l n s f ü r einen a n d e r e n als Ergebnis einer von § 14 u n a b h ä n g i g e n Tatbestandsauslegung . . . V. Die besonderen persönlichen M e r k m a l e als M e r k m a l e , die eine Ersatzvertretung zulassen VI. Tatbestände, auf die § 14 A n w e n d u n g findet VII. Der Vertreter nach § 14 Abs. 1

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Rdn. . 32 VIII. Die Beauftragten nach § 14 Abs. 2 1. D e r A u f t r a g z u r Leitung oder Teilleit u n g eines Betriebes oder U n t e r n e h mens 33 D e r A u f t r a g z u r eigenverantwortlichen Erfüllung betriebsbezogener Pflichten 38 3. Das a u f t r a g s g e m ä ß e H a n d e l n f ü r eine Stelle, die A u f g a b e n der öffentlichen Verwaltung w a h r n i m m t 41 4. Das H a n d e l n „auf G r u n d des A u f t r a ges" 42 IX. Die Verantwortlichkeit des Vertretenen, des Betriebsinhabers oder Stellenleiters . 43 X. § 14 Abs. 3 44 XI. Irrtumsfragen 45

Entstehungsgeschichte D i e V o r s c h r i f t ist d u r c h d a s E i n f ü h r u n g s g e s e t z z u m G e s e t z ü b e r O r d n u n g s w i d rigkeiten ( E G O W i G ) v o m 24. 5. 1968 ( B G B l . I 503 f f ) als § 50 a in d a s S t G B eingestellt w o r d e n u n d seit d e m 1. 10. 1968 in e i n e r F a s s u n g in K r a f t , d i e v o m h e u t i g e n G e s e t z e s w o r t l a u t n u r in r e d a k t i o n e l l e n E i n z e l h e i t e n a b w e i c h t . § 50 a g e h t w i e d e r u m z u r ü c k a u f § 14 E 1962 ( B u n d e s t a g s - D r u c k s a c h e I V / 6 5 0 ) , d e r f o l g e n d e n W o r t l a u t g e h a b t h a t t e : „(1) H a n d e l t j e m a n d als v e r t r e t u n g s b e r e c h t i g t e s O r g a n e i n e r juristis c h e n P e r s o n , als M i t g l i e d eines s o l c h e n O r g a n s o d e r als gesetzlicher Vertreter eines a n d e r e n , so ist ein G e s e t z , n a c h d e s s e n T a t b e s t a n d b e s o n d e r e p e r s ö n l i c h e E i g e n s c h a f t e n , V e r h ä l t n i s s e o d e r U m s t ä n d e ( b e s o n d e r e p e r s ö n l i c h e M e r k m a l e ) d i e Strafb a r k e i t b e g r ü n d e n , a u c h auf d e n V e r t r e t e r a n z u w e n d e n , w e n n diese M e r k m a l e z w a r n i c h t bei i h m , a b e r bei d e m V e r t r e t e n e n v o r l i e g e n . (2) A b s a t z 1 ist a u c h d a n n a n z u (80)

Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

wenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis begründen sollte, unwirksam ist." Diese Entwurfsvorschrift ist später durch den Sonderausschuß für die Strafrechtsreform auf vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft und auf die Beauftragten der §§ 50 a Abs. 2 a. F., 14 Abs. 2 StGB ausgedehnt worden (zum Meinungsstreit darüber Rdn. 4 ff). Das geschah im Zusammenhang mit der Einführung des neuen Ordnungswidrigkeitengesetzes, in dem die auf diesem Gebiet besonders wichtige Problematik des Handelns für einen anderen in einer entsprechenden Weise geregelt werden sollte. Ursprünglich war vorgesehen, den neuen § 50 a im Bereich des OWiG für entsprechend anwendbar zu erklären (EEGOWiG, S. 62). Schließlich hat der Gesetzgeber aber doch eine entsprechende selbständige Vorschrift in das OWiG aufgenommen (ursprünglich § 10, heute § 9 OWiG). I. Die Funktion der Vorschrift auf dem Hintergrund der Rechtsentwicklung. Die 1 Vorschrift ist aus dem Bedürfnis entstanden, denjenigen strafrechtlich fassen zu können, der für einen anderen handelt, ohne die tatbestandsspezifische Täterqualifikation aufzuweisen. Wenn etwa Vorstandsmitglieder einer AG bei einer der Gesellschaft drohenden Zwangsvollstreckung Vermögensstücke beiseiteschaffen, um die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, kann die AG mangels Handlungsfähigkeit strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Aber auch auf die Vorstandsmitglieder ist § 288 nach einer frühen, grundlegenden Entscheidung (RGSt. 16 121) nicht unmittelbar anzuwenden, weil keine gegen ihre Person gerichtete Zwangsvollstreckung droht und sie auch nicht Bestandteile ihres Vermögens (sondern vielmehr des Gesellschaftsvermögens) beiseiteschaffen. Entsprechende Probleme treten auch bei anderen Vorschriften des StGB (§§ 170 b, 283 ff, 290, 330), vor allem aber in den unübersehbar zahlreichen Bestimmungen des Nebenstrafrechts auf, wenn etwa jemand für den als Täter bezeichneten „Gewerbetreibenden", „Arbeitgeber" oder „Unternehmer" handelt. Der Zweck des § 14 liegt darin, die strafrechtliche Haftung auf die in dieser Vorschrift bezeichneten Organe, Vertreter und Beauftragten zu erstrecken; die Bestimmung will zur Schließung von Strafbarkeitslücken den Täterkreis der Sonderdelikte erweitern und versteht sich somit als Strafausdehnungsgrund. Rechtsprechung, Schrifttum und Gesetzgebung hatten in den Jahrzehnten vor 2 Einführung der neuen Vorschrift mit den Problemen, die sich aus dem „Handeln für einen anderen" ergaben, auf verschiedene Weise fertig zu werden versucht 1 . Teils wurden, wie im Falle des § 288, die unbefriedigenden Strafbarkeitslücken als bis zu einer gesetzlichen Regelung unvermeidlich in Kauf genommen 2 . In anderen Fällen wurden Vorschriften im Wege der Auslegung mit Hilfe einer sog. „faktischen Betrachtungsweise" auf das Handeln von Vertretern erstreckt. So hat RGSt. 8 269 den Ehemann einer Pfandleiherin, die alleinige Geschäftsinhaberin war, gleichwohl 1

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Die erste umfassende Untersuchung lieferte Bruns mit seiner Monographie aus dem Jahre 1931 (Strafr. Abh, Heft 295); aber auch die beiden späteren Schriften von Blauth (1968) und Wiesener (1971) beschäftigen sich eingehend mit dem vor Einführung des § 50 a bestehenden Rechtszustand. Einen guten Überblick gibt auch Schäfer in seinem Referat „Handeln für einen anderen" (Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 4. Band, 1958, Anhang Nr. 49, S. 545—556). Allerdings hat Rimmelspacher eingehend die Auffassung zu begründen versucht, daß § 288 unmittelbar auf gesetzliche Vertreter, Organe und Amtswalter anzuwenden, § 50 a (heute: § 14) also überflüssig sei. Dagegen jedoch R. Schmitt JZ 1967 698.

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2. Abschnitt. D i e Tat

als „Pfandleiher" nach § 290 bestraft, weil er dieses Gewerbe — wenn auch ohne Konzession — „tatsächlich" betrieben habe. Entsprechend hat RGSt. 24 353 ff den Vormund eines Brauers als „Brauer" im Sinne des Brauergesetzes betrachtet, weil er der eigentliche Leiter des Betriebes war. Ferner hat BGHSt. 11 102 unter teilweiser Abkehr von der Rspr. des RG ausgesprochen, wenn eine Handelsgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit Kommissionär im Sinne des BörsG (§ 95) sei, so sei strafrechtlich derjenige als Kommissionär anzusehen, der das Kommissionsgeschäft für sie tatsächlich ausführe 3 . In anderen Urteilen hat das RG den von Bruns4 sog. „Grundsatz der Übertragung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit oder der Tatbestandsergänzung" entwickelt, demzufolge „dem Vertreter einer juristischen Person . . . an Stelle der letzteren" die Erfüllung ihrer Verpflichtungen obliege, so daß er „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen" auch an ihrer Stelle strafrechtlich hafte, wenn die Nichterfüllung solcher Verpflichtungen unter Strafe gestellt sei (RGSt. 33 261, 264) 5 . Schließlich hatte der Gesetzgeber in zahlreichen Einzelvorschriften (zuerst im früheren § 244 der KO von 1877) die strafrechtliche Haftung auf Vertreter erstreckt, wobei freilich diese Regelungen untereinander wesentliche Abweichungen aufwiesen 6 . 3

Die in Rdn. 2 skizzierte Vorgeschichte zeigt, daß § 14 über den Zweck der Lükkenschließung hinaus auch der Rechtsklarheit und Rechtsvereinfachung dienen soll. Die Vorschrift soll Auslegungsschwierigkeiten und -Widersprüche beseitigen und den zahlreichen Einzelregelungen, die es im Nebenstrafrecht in vielfältig verschiedener Form schon gab, eine einheitliche Grundlage im Allgemeinen Teil geben. Diese Sondervorschriften sind daher, soweit ihr Geltungsbereich von der neuen Vorschrift erfaßt wurde, durch Artikel 140 EGOWiG sämtlich aufgehoben worden. Von den alten Vorschriften über die Vertreterhaftung ist nur § 131 des Seemannsgesetzes erhalten geblieben, weil der Stellvertreter des Kapitäns nicht unter die Personen fällt, für die §§ 14 StGB, 9 OWiG eine Haftungserstreckung anordnen.

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II. § 14 StGB im rechtspolitischen Meinungsstreit. Die Unklarheiten der gesetzlichen Konzeption. Rechtspolitisch ist der Versuch, das „Handeln für einen anderen" erstmals zusammenfassend zu regeln und der bisherigen Rechts- und Meinungszersplitterung Einhalt zu gebieten, höchst umstritten geblieben. Vom Standpunkt der „faktischen Betrachtungsweise" aus (Rdn. 2), die das „Handeln für einen anderen" durch Auslegung der einzelnen Tatbestände erfassen zu können glaubt, wird § 14 teils für überflüssig, teils nach Wortlaut und Reichweite für verfehlt erklärt, weil sich die vom Gesetzgeber als strafausdehnend gedachte Vorschrift durch ihre Beschränkung auf einen Teil der gewillkürten Vertreter als in unangemessener Weise strafeinschränkend darstelle 7 . Auch sonst wird vielfach beanstandet, daß

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Zur „faktischen Betrachtungsweise" zuletzt ausführlich mit weiteren Beispielen Wiesener S. 1 0 1 - 1 0 8 ; BlauthS. 3 7 - 4 1 . StrafrAbh., Heft 295 S. 15. Grundlegende Kritik an diesem Verfahren bei Bruns, wie Anm. 4, S. 86—92, der darin einen Verstoß gegen das Analogieverbot sieht; vgl. ferner Blauth S. 3 5 — 3 7 ; Wiesener S. 108 f. Eine Übersicht gibt die Begründung zum E 1962, Bundestags-Drucks. I V / 6 5 0 ; ferner Blauth S. 41—46. Wiesener S. 14 f f , 185 f f ; vgl. a u c h Rimmelspacher J Z 1967 479. (82)

Handeln für einen anderen (Roxin)

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§ 14 die Haftung nicht auf alle gewillkürten Vertreter ausgedehnt h a b e 8 ; die Regelung schaffe Strafbarkeitslücken und Abgrenzungsprobleme und fordere „dazu heraus, rechtswidrige Handlungen durch solche Vertreter ausführen zu lassen, die der strafrechtlichen Vertreterhaftung nicht unterfallen" 9 . Auf der anderen Seite ist aber auch die Ausdehnung der H a f t u n g auf einen Teil der gewillkürten Vertreter schon als zu weitgehend e m p f u n d e n worden, so daß der E 1962 (vgl. Entstehungsgeschichte) auf eine entsprechende Vorschrift noch ganz verzichtet hatte. Man befürchtete, d a ß der Haftungsbereich in unübersehbarer Weise ausgeweitet und daß es möglich werden könnte, höchstpersönliche Treupflichten nach Belieben auf Vertreter abzuwälzen 1 0 . Der Alternativentwurf (§ 13) wiederum hatte den Kreis der Vertretenen auf juristische Personen, verwandte Personenvereinigungen und Zweckvermögen einschränken, in diesen Fällen jedoch die Haftung auf jeglich gewillkürte Vertretung erstrecken wollen 1 1 . Was aber jenseits der Detailkritik das harte Verdikt von Sachkennern, demzu- 5 folge der neue § 14 im ganzen „mißlungen" 1 2 bzw. „sprachlich und sachlich verunglückt" 1 3 sei, als nicht ganz ungerechtfertigt erscheinen läßt, ist das Fehlen einer fundierten Gesamtkonzeption, das auf einer noch unzureichenden wissenschaftlichen Durchdringung der Materie beruht. Das kann hier nur k n a p p angedeutet werden. 1. Es ist dem Gesetzgeber nicht gelungen, über den Anwendungsbereich der Vor- 6 schrift die Klarheit zu schaffen, die er schaffen wollte. So heißt es z. B. in der Begründung des E 1962 1 4 zur Rechtfertigung der neuen Vorschrift, es sei „nach geltendem Recht zweifelhaft, ob der Vorstand eines rechtsfähigen Vereins wegen ungenehmigten Glücksspiels nach § 284 StGB bestraft werden kann, wenn er f ü r den Verein gehandelt hat, aber nicht er, sondern der Verein der ,Veranstalter' des Glücksspiels ist". Zweifelhaft ist jedoch gerade, ob nicht in einem solchen Falle, wie es die eindringlichen Analysen von Bruns15, Blauth16 und Wies ene r^ einleuchtend gemacht haben, der Vorstand als „Veranstalter" anzusehen ist, so daß § 284 unmittelbar auf den Vorstand anzuwenden ist, das Problem der Vertreterhaftung sich von vornherein nicht stellt und die Vorschrift über § 14 hinaus auf jeden gewillkürten Vertreter zutrifft. Wenn man also zweifelt, ob hier ein Fall der Vertreterhaftung vorliegt, so sind diese Zweifel durch das Gesetz, das sie ausräumen wollte, keineswegs gemindert worden. Entsprechendes gilt für die übrigen Fälle, die früher mit Hilfe der sog. „faktischen Betrachtungsweise" (dazu Rdn. 2) gelöst wurden. Zum Anwendungsbereich näher unten Rdn. 11 ff. 8

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Bruns JZ 1958 461 (464); R. Schmitt JZ 1968 123 (124); Tiedemann Wirtschaftsrecht u. Wirtschaftskriminalität, Bd. 1, 1976 S. 203, 155 f; Schünemann Unternehmenskriminalität S. 142 ff. R. Schmitt JZ 1968 124. Vgl. etwa die Stellungnahmen von Koffka, Gallas und Baldus bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, 4. Bd., 1958 S. 313, 315, 316. Vgl. dazu R. Schmitt JZ 1968 123 ff; kritisch dazu Dreher, 57. Sitzung des Sonderausschusses v. 13. 4. 1967, Protokoll, S. 1099 f; Wiesener S. 185. Wiesener S. 190. Tiedemann, wie Anm. 8, S. 302. Bundestags-Drucksache IV/650 S. 127. Strafrechtliche Abhandlungen, Heft 295 S. 61 f. S. 130 f. S. 49-53.

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2. Abschnitt. Die Tat

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2. Auch über den eigentlichen Rechtsgrund der Haftung von Organen, Vertretern und Beauftragten ist der Gesetzgeber nicht zu hinreichender Klarheit gekommen. Der Wortlaut des § 14 stellt darauf ab, daß die strafbegründenden Merkmale nicht beim strafbaren Vertreter oder Beauftragten, sondern beim Vertretenen bzw. Betriebsinhaber vorliegen. Wie erklärt sich dann aber die Verhängung der vollen Täterstrafe gegen den Extraneus, wenn nach § 28 sogar beim Teilnehmer der Mangel strafbegründender Merkmale strafmildernd wirkt? In Wirklichkeit ist das nur dadurch erklärlich, daß eine Pflichtenübertragung auf den Vertreter bzw. Beauftragten stattfindet, wie denn auch § 14 II Nr. 2 ausdrücklich verlangt, der Beauftragte müsse „in eigener Verantwortung Pflichten zu erfüllen" haben, „die den Inhaber des Betriebes treffen". Ist das aber richtig, so liegen die entscheidenden strafbegründenden Merkmale eben doch beim Beauftragten vor. Dadurch gerät in die gesetzliche Konzeption ein Bruch, der eine widerspruchsfreie Auslegung erschwert' 8 .

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3. Diese Divergenzen führen auch zu großen Schwierigkeiten beim Verständnis des in § 14 verwendeten Zentralbegriffs der „besonderen persönlichen Merkmale". Die Verwendung derselben Benennung in § 28 und die ausdrückliche Verweisung des § 28 auf § 14 suggerieren die Annahme, daß der Gesetzgeber in beiden Bestimmungen denselben Begriffsinhalt gemeint habe. Wenn aber § 28 auf dem Gedanken beruht, daß die den Täter bindenden Pflichten den Teilnehmer nicht treffen, während § 14 gerade die Pflichtenübertragung voraussetzt, müssen die Begriffe in beiden Bestimmungen durchaus verschieden umgrenzt werden, was durch den identischen Gesetzeswortlaut in verwirrender Weise verschleiert wird 19 .

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III. Die Ersatzvertretung als Grundgedanke des § 14. § 14 beruht auf der im Wirtschaftsverkehr verbreiteten Erscheinung, daß jemand Pflichten eines anderen wahrnimmt. Bei Personenverbänden ( § 1 4 Abs. 1 Nr. 1, 2) folgt das aus dem Umstand, daß „diese juristischen Gebilde sich notwendig und immer durch natürliche Personen vertreten lassen müssen" 2 0 ; bei gesetzlichen Vertretern ( § 1 4 Abs. 1 Nr. 3) ergibt es sich aus der rechtlichen Handlungsunfähigkeit des Vertretenen. Bei den Beauftragten des § 14 Abs. 2 zwingt die Entwicklung des Wirtschaftslebens zur Pflichtenwahrnehmung durch andere Personen : „In unserer modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft ist es einfach nicht möglich, daß der Inhaber des Betriebes alle Pflichten erfüllt, die der Betrieb mit sich bringt. Er ist gezwungen, sich der Mithilfe anderer Personen zu bedienen, die für ihn auch die Pflichten erfüllen" 2 l. Der Strafgesetzgeber trägt diesen nicht von ihm geschaffenen, sondern vorgefundenen Gegebenheiten Rechnung, indem er denjenigen, der die Pflichten eines anderen wahrnimmt, bei deren Verletzung mit derselben Strafe bedroht, die den anderen treffen würde, wenn er selbst diese Pflicht verletzen könnte oder würde. § 14 zieht also die strafrechtlichen Konsequenzen aus der „Möglichkeit ersatzweiser Wahrnehmung

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Das wird sehr gut herausgearbeitet bei WiesenerS. 185—191 und passim. Das ist zuerst in der Monographie von Blauth (1968) klar erkannt und im Anschluß an ihn schon vor der Veröffentlichung seines Buches von seinem Lehrer Gallas auf der Strafrechtslehrertagung in Münster präzis zusammengefaßt worden, ZStW 80 (1968) 21 f. Alternativ-Entwurf eines StGB, AT, 1969, S. 49. So Göhler als Vertreter des Bundesjustizministeriums zur Begründung des neuen § 14 Abs. 2, in: Protokolle, S. 1096. (84)

Handeln für einen anderen (Roxin)

eines Pflichtenkreises" 22 . Es handelt sich, wie Schiinemann23 res, als eine Form der Übernahme einer Garantenstellung".

§14 sagt, um „nichts ande-

Aus dieser Einsicht ergeben sich die leitenden Gesichtspunkte für die Auslegung 10 des § 14: Die Bestimmung bezieht sich von vornherein nur auf sog. Pflichtdelikte (zu diesem Begriff Roxin LK § 25 Rdn. 16). Auch bei diesen kommt eine Heranziehung des § 14 aber nur unter zwei Voraussetzungen in Betracht: Erstens darf die Strafvorschrift sich nicht schon ihrem Wortlaut nach und unabhängig von § 14 auf den Fall des Handelns für einen anderen erstrecken (vgl. näher IV); und zweitens kann § 14 nur dort eingreifen, wo ein Pflichtenkreis seiner Art nach von einem anderen als dem ursprünglich Verpflichteten wahrgenommen werden kann (vgl. näher V). IV. Die Strafbarkeit des Handelns für einen anderen als Ergebnis einer von § 14 11 unabhängigen Tatbestandsauslegung. Wo die Strafdrohung sich von vornherein auf einen Ersatzvertreter bezieht, braucht sie nicht durch § 14 auf ihn erstreckt zu werden. Derartige Tatbestände fallen also, obwohl sie sachlich in dieselbe Kategorie gehören, von vornherein nicht unter § 14 und unterliegen auch nicht den Einschränkungen dieser Bestimmung 24 . Wenn ζ. B. der Vorstand eines rechtsfähigen Vereins im Namen des Vereins verbotene Glücksspiele nach § 284 StGB betreibt, wird man den Vorstand selbst als „Veranstalter" ansehen müssen, auch wenn die zivilrechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen dem Verein und dem Spieler entstehen 2 5 . Da nur natürliche Personen im strafrechtlichen Sinne „handeln" und somit etwas „veranstalten" können, besteht keine Veranlassung, denjenigen, der das Glücksspiel tatsächlich ins Werk setzt, nicht auch als „Veranstalter" im strafrechtlichen Sinne zu betrachten. Das führt freilich zu der Konsequenz, daß auch der „Vermögensverwalter eines wohlhabenden Pensionärs" 2 6 ggf. aus § 284 bestraft werden kann, obwohl § 14 einen solchen Fall der gewillkürten Stellvertretung nicht erfassen würde. Aber diese sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des direkt und des über § 14 haftenden Vertreters hätte sich nur vermeiden lassen, wenn § 14 die Verantwortlichkeit auf alle gewillkürten Vertreter ausgedehnt hätte. Auch in § 286 (unerlaubte Veranstaltung einer öffentlichen Lotterie) wird man den für einen anderen Handelnden als unmittelbar von der Vorschrift erfaßt ansehen müssen, so daß es des § 14 nicht bedarf. In entsprechender Weise ist im Falle des § 266 der Vertreter oder Beauftragte des Vermögensfürsorgepflichtigen selbst als treupflichtig zu betrachten, auch wenn der Betreute nicht einmal etwas davon weiß, daß der von ihm bestellte Vermögensfürsorger zur Erfüllung des Auftrages andere Personen herangezogen hat 2 7 . Einer besonderen Haftungserstreckungsvorschrift bedarf es also immer dann 12 nicht, wenn der Tatbestand die soziale Funktion oder die Pflicht, an die die Haf22 23 24

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WiesenerS. 171. Zeitschr. f. Schweizer Recht 1978 S. 155. Ebenso Sch.-Schröder-Lenckner 19, Rdn. 4, wo das Problem, das in Lehrbüchern und Kommentaren sonst oft übergangen wird, eine relativ ausführliche Behandlung erfährt. Vgl. Rdn. 6 und die Anm. 15—17 genannten Autoren, die auch weitere Nachweise liefern; a. A. RGSt. 57 190 ff und ζ. B. Sch.-Schröder-Lenckner19, Rdn. 10 a; Jescheck AT 3 § 23 VI

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WiesenerS. 53. Vgl. BGHSt. 2 324 f; 13 330 ff; zum ganzen Sch.-Schröder-Lenckner™ Rdn. 5; ders., § 266, Rdn. 33, 34.

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2. Abschnitt. Die Tat

tung anknüpft, unmittelbar selbst beschreibt. § 14 ist demgegenüber dort notwendig, wo der Gesetzgeber zivilrechtliche Statusbezeichnungen verwendet, die auf einen Ersatzvertreter nicht zutreffen. Besonders anschaulich hat das jüngst SchünemanrßZ beschrieben: „Das Problem der strafrechtlichen Vertreterhaftung resultiert . . . aus der mangelnden Deckung der eigentlichen' (d. h. dogmatisch und kriminalpolitisch sinnvollen) Unrechtsstruktur des Tatbestandes und seiner sprachlichen Fassung im Gesetz. Der Gesetzgeber hat die Täterstellung nämlich in zahlreichen F ä l l e n . . . nicht durch das dynamische Herrschaftsverhältnis, sondern durch den statischen Begriff des persönlichen Status umschrieben, etwa als Kommissionär, Kaufmann, Pfandleiher, Bauleiter, Arbeitgeber, Gewerbetreibender... Der entscheidende Mangel liegt... darin, daß die . . . Statusbezeichnungen auch nach dem sozialen Sprachgebrauch an der Person haften und einem funktionalen Verständnis nicht zugänglich sind. Ein Arbeitgeber ist nun einmal — und insoweit dekken sich zivilrechtliche Bedeutung und sozialer Sprachgebrauch — nicht schon derjenige, der für den Arbeitgeber irgendwelche Funktionen ausübt, sondern allein der Inhaber des Unternehmens selbst...". Die Vorschrift des § 14 ist also eigentlich nur ein Produkt des legislatorischen Sprachgebrauches, so daß die Einschränkung des § 14 Abs. 2 auf einen Teil der gewillkürten Vertreter teleologisch nicht zu rechtfertigen ist. 13

Eine besondere Fallgruppe bilden die Unterlassungsdelikte, für die § 14 nach dem Gesagten nur insoweit in Betracht kommen kann, wie der Tatbestand eine über die allgemeinen Garantenstellungen hinausgehende Täterqualifikation voraussetzt, die bei einem Ersatzvertreter nicht vorliegt 29 . Wenn es ζ. B. im Tatbestand eines echten Unterlassungsdelikts wie §225 ArbeitsförderungsG heißt: „Wer als Arbeitgeber . . . Beiträge, die er einbehalten oder erhalten hat, der Einzugsstelle vorenthält, wird . . . bestraft", so kann ein mit der Ablieferung beauftragter Prokurist, der sich dieser Pflicht entzieht, wegen fehlender Arbeitgeberqualifikation nicht direkt, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 aus dieser Vorschrift bestraft werden. Oder, um ein etwas entlegenes Beispiel zu nennen: Wenn § 4 der VO zur Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit des Tabaks den „Eigentümer" und „Nutzungsberechtigten" gewisse Anzeigepflichten auferlegt, sind deren Vertreter strafrechtlich nur über § 14 faßbar. Dasselbe gilt auch für unechte Unterlassungsdelikte, deren Tatbestand schon im Falle der Begehung eine besondere Qualifikation voraussetzt, wie es ζ. B. in § 64 BSeuchG der Fall ist: „Wer als Unternehmer . . . Wasser als Trinkwasser zur Verfügung stellt, das den Anforderungen e i n e r . . . Rechtsverordnung nicht entspricht." Der Vertreter des Unternehmers kann, wenn das Trinkwasser durch Unterlassung erforderlicher Maßnahmen verunreinigt wird, nur über § 14 bestraft werden, weil er nicht selbst Unternehmer ist. 14 Im übrigen spielt § 14 bei unechten Unterlassungsdelikten deswegen keine Rolle, weil dem Ersatzvertreter selbst eine Garantenstellung zuzusprechen ist, die eine unmittelbare strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet (eingehend Blauth S. 114—122). Wenn etwa der Geschäftsführer einer GmbH, die ein Transportunternehmen betreibt, es unterläßt, die ihm zur Beförderung übergebenen wertvollen Geräte vor Schaden zu bewahren 30 , so ist er unmittelbar aus § 303 zu bestrafen, weil ihn selbst eine Erfolgsabwendungspflicht trifft. Auch aus vorangegangenem 28

Unternehmenskriminalität und Strafrecht, S. 129. Ebenso Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 6. 30 Vereinfachung von Beispielen bei Blauth S. 115/116. 29

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Tun kann eine solche Garantenpflicht entstehen. Hat der Bautrupp einer Baufirma (AG) eine Brücke fehlerhaft gebaut, ohne daß den Organen der AG daraus ein Vorwurf zu machen ist, so wird ein Vorstandsmitglied, das davon erfährt, aus dem vorangegangenem Tun unmittelbar selbst erfolgsabwendungspflichtig 30 . Das Vorstandmitglied haftet also unabhängig von § 14 wegen Körperverletzung oder Tötung durch Unterlassen, wenn es nichts unternimmt und daraufhin durch den Einsturz der Brücke Menschen zu Schaden kommen. Die Unanwendbarkeit des § 14 im Regelfall der unechten Unterlassung führt natürlich auch hier zu einer den Rahmen des § 14 überschreitenden Haftung gewillkürter Vertreter, ζ. B. zu einer „Garantenpflicht des für einen privaten Wagenpark verantwortlichen Garagenmeisters" oder zur „Garantenpflicht des Dritten, der bei einem Unfall für einen anderen die Hilfeleistung übernimmt" 31 . V. Die besonderen persönlichen Merkmale als Merkmale, die eine Ersatzvertre- 15 tung zulassen. Über die Frage, was ein „besonderes persönliches Merkmal" i. S. des § 14 sei, herrscht größte Unklarheit. Damit sind nicht die zahlreichen Probleme gemeint, die schon im Rahmen des § 28 bei der Auslegung dieses Begriffs auftreten (vgl. eingehend Roxin LK § 28 Rdn. 17—43). Überaus zweifelhaft ist schon die Vorfrage, ob und ggf. inwieweit der Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale" in §§ 14 und 28 übereinstimmt (vgl. schon Rdn. 8). Die Auffassungen stehen hier schroff gegeneinander. Während der Gesetzgeber, wie die Verwendung derselben Bezeichnung und die Verweisung des § 28 Abs. 1 auf § 14 Abs. 1 zeigen, anscheinend die Begriffe in beiden Bestimmungen für gleichbedeutend hielt (so wohl auch EEOWiG S. 63) und ebenso Langer32 bei den „besonderen persönlichen Merkmalen" des § 14 von ihrer „begrifflichen Identität mit denen des § 28 StGB" spricht, meint Herzberg33 gerade umgekehrt: „Die gleichlautende Terminologie und mehr noch die Verweisung der einen Vorschrift auf die andere führen irre; was hier und was dort gemeint ist, steht zueinander in einem gegensätzlichen Verhältnis"; danach fallen unter die eine Vorschrift also immer nur die besonderen persönlichen Merkmale, denen diese Qualität bei der anderen Vorschrift nicht zukommt. Herrschend ist heute eine zwischen den Extremen stehende Lehre, die von 16 Blauth34 begründet worden ist, demzufolge sich „das Verhältnis beider Tätermerkmalsgruppen . . . am besten mit dem Bild zweier sich überschneidender Kreise veranschaulichen" läßt. Er meint, für § 14 kämen nur „erfolgsbezogene" Pflichtenstellungen in Frage (S. 86 f)> während Pflichtenstellungen von besonderem personalethischen Gehalt keine Vertreterhaftung zuließen. Danach ist ζ. B. die Eigenschaft als Schuldner in § 288 ein „besonderes persönliches Merkmal" i. S. des § 14, weil es hier vor allem darauf ankommt, den Erfolg einer VollstreckungsVereitelung zu verhindern, einerlei, ob der Schuldner selbst oder sein Vertreter sie vornimmt; dagegen fällt die Beamteneigenschaft nicht unter § 14, weil der sozialethische Deliktsunwert des Beamtenhandelns durch einen Nichtbeamten auch dann nicht verwirklicht werden kann, wenn er für den Beamten handelt. Gallas hat das im Anschluß an Blauth in großer Klarheit und Bündigkeit formuliert 35 . Nach seiner Lehre muß in §§ 14 31

Beispiele von Sch.-Schröder-Lenckner^ Rdn. 6.

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Zum Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale", Lange-Festschr. (1976) 255. ZStW 88 (1976) 110 ff (114). S. 52 ff, 92 ff, 109 ff (114). ZStW 88 (1968) 22.

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2. Abschnitt. Die Tat

und 28, was die „besonderen persönlichen Merkmale" betrifft, „jeweils ein anderer Ausschnitt aus diesen Merkmalen gemeint s e i n . . . Das ergibt sich schon daraus, daß die besonderen Tätermerkmale bei dem Vertreter in einem belastenden, beim Teilnehmer dagegen in einem entlastenden Sinne berücksichtigt werden. Das aber, was den Teilnehmer zu entlasten geeignet ist, nämlich die höchstpersönliche Natur des betreffenden Tätermerkmals, schließt eine Belastung des Vertreters gerade aus. Eigenschaften wie Gewohnheitsmäßigkeit, Gesinnungsmerkmale wie .böswillig', ,aus Gewinnsucht' usw., das besondere Treueverhältnis zwischen Beamten und Staat müssen beim Handelnden selbst vorliegen. Für eine Vertreterhaftung kommen vielmehr grundsätzlich nur objektive Tätermerkmale in Frage, die wie .Unternehmer', .Arbeitgeber', .Schuldner', .Gläubiger' soziale Stellungen bezeichnen, deren auf einen bestimmten Erfolg gerichtete Funktionen ohne Veränderung ihres Inhalts auch von einem damit beauftragten Extraneus wahrgenommen werden können . . . Die persönlichen Merkmale der Vorschrift über die Vertreterhaftung und die der Teilnehmervorschrift stehen also, vorbehaltlich gewisser Überschneidungen in Grenzfällen, in einem reziproken Verhältnis zueinander. In der einen Vorschrift sind die höchstpersönlichen Tätermerkmale sinngemäß ausgeschlossen, in der anderen gerade sie gemeint." An diese grundlegenden Ausführungen haben sich die meisten Autoren angeschlossen, soweit sie dem Problem überhaupt nähere Aufmerksamkeit schenken 36 . 17

Tatsächlich wird in der Lehre von Blauth/Gallas Entscheidendes erkannt, wenn auch etwas überspitzt gedeutet. Denn die „Ersatzvertretung", auf der § 14 beruht, setzt voraus, daß die Pflichten des Vertretenen durch einen anderen wahrgenommen werden können. Beispielsweise kann der gesetzliche Vertreter eines Beamten niemals die spezifischen Beamtenpflichten erwerben, so daß die Beamteneigenschaft, die in § 28 das Paradebeispiel eines „besonderen persönlichen Merkmals" darstellt, in § 14 diesem Begriff gerade nicht unterfällt. Entsprechendes gilt für die zahlreichen Schweigepflichten des § 203, die nicht vertretungsweise wahrgenommen und verletzt werden können. Man sollte daraus nur nicht einen prinzipiellen Gegensatz derart konstruieren, daß dem § 28 allein personal-ethische und dem § 14 nur erfolgsbezogene Pflichtenstellungen subsumiert werden können — eine Annahme, auf die auch die Lehre Herzbergs zurückgeht, der § 28 nur auf „werthaltige" und § 14 in diametralem Gegensatz dazu nur auf „wertneutrale" Merkmale anwenden will 37 . Denn einerseits fallen entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Lehre auch erfolgsbezogene Pflichtenstellungen ohne besondere „Treupflicht" unter § 28 38 , und andererseits umschreiben auch rechtsgutsbezogene Pflichtenstellungen keineswegs immer besondere persönliche Merkmale i. S. des § 14. Beispielsweise geht es bei der Wartepflicht des § 142 allein um die Verhinderung bestimmter Erfolge (der Vereitelung von Ersatzansprüchen), ohne daß zwischen dem Unfallverursacher und Geschädigtem eine spezielle Treupflicht bestünde. Trotzdem ist die Täterqualifikation des § 142 kein besonderes persönliches Merkmal i. S. des § 14. weil die Wartepflicht an die Person des Unfallverursachers gebunden ist, auf dessen Verhalten und Verfassung es für die Klärung der Unfallbeteiligung entscheidend ankommt. Es ist daher ausgeschlossen, daß ein anderer die Wartepflicht wahr36

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Dreher-Tröndlt?8 Rdn. 2; Jescheck3 §23 VI 2; LacknerAnm.4; Sch.-Schröder-Lenckner]9 Rdn. 8; S K-Samson2 Rdn. 9 ff; Tiedemann Wirtschaftsrecht1 S. 155. ZStW 88 (1976) 68 ff und speziell zu § 14 110-116. Zu Herzbergs Lehre im Rahmen des § 28 ausführlich Roxin LK § 28 Rdn. 2 7 - 2 9 . Näher Roxin LK § 28 Rdn. 38 ff. (88)

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nimmt 39 . Andererseits wird man der Unterhaltspflicht des § 170 b nicht jeden sozial-ethischen Bezug bestreiten können, so daß die Anwendbarkeit des § 14 auf diesen Tatbestand schon bei den Beratungen der großen Strafrechtskommission sehr umstritten war 40 . Da jedoch bei Unterhaltspflichten „zumindest eine kumulative Schuldübernahme möglich" 4 !, ihre Wahrnehmung durch andere also zulässig ist, bestehen keine Bedenken dagegen, den Vormund eines Unterhaltspflichtigen, der das Vermögen seines Mündels verwaltet, ggf. in Anwendung von § 14 Abs. 1 Nr. 3 nach § 170 b zu bestrafen 42 . Die Frage, ob ein Tätermerkmal als „besonderes persönliches Merkmal" i. S. des 18 § 14 angesehen werden kann, sollte also weniger aus Erwägungen über die Beziehung der §§ 14, 28 zueinander, als allein danach beantwortet werden, ob eine durch einen Tatbestand umschriebene Pflicht auch durch einen anderen als den dort Bezeichneten wahrgenommen werden kann; ist eine solche Wahrnehmung prinzipiell möglich und hat sie im konkreten Fall stattgefunden, so überträgt § 14 die strafrechtliche Verantwortung auf den Vertreter bzw. Beauftragten. Will man das Verhältnis, in dem die Tätermerkmalsgruppen der §§ 14, 28 zueinander stehen, durch ein Kreismodell verdeutlichen, so handelt es sich nicht um zwei gegeneinander isolierte, noch um zwei sich überschneidende, sondern um zwei ineinanderliegende Kreise: Aus der großen Menge der Pflichtdelikte, die allesamt dem §28 Abs. 1 unterfallen 43 , schneidet § 14 den kleineren Kreis von Delikten heraus, deren Pflichtenstellungen durch Vertreter oder Beauftragte wahrgenommen werden können. Welche Tatbestände das sind, ist nur im Wege der Einzelanalyse festzustellen. Doch ist an dem von Gallas konstatierten „reziproken" Verhältnis der Merkmale in §§ 14, 28 zueinander so viel richtig, daß Pflichtenstellungen mit stärkerer sozial-ethischer Durchfärbung, auf die sich freilich der Geltungsbereich des § 28 nicht beschränkt, selten austauschbar sind und damit auch meist nicht unter § 14 fallen. Aus dem Dargelegten ergibt sich auch, daß subjektive, täterpsychische Merk- 19 male von vornherein nicht als „besondere persönliche Merkmale" i. S. des § 14 angesehen werden können. Ob und ggf. inwieweit subjektive Umstände als strafbegründende Merkmale dem § 28 Abs. 1 subsumiert werden können, ist äußerst umstritten 44 . Doch ist das für die Auslegung des § 14 irrelevant; hier müssen sie schon deshalb ausscheiden, weil subjektive Merkmale nicht übertragbar sind, sondern der individuellen Handlung unlösbar anhaften. Beispielsweise können Merkmale wie „Rücksichtslosigkeit" oder „Böswilligkeit" (dazu Roxin LK § 28 Rdn. 9) nicht bei einem Vertretenen vorliegen, der überhaupt nicht gehandelt hat 45 ; dies ist von vornherein nur bei sozialen Statusbezeichnungen (wie „Arbeitgeber", „Unternehmer", „Gläubiger" usw.) möglich.

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Roxin Täterschaft und Tatherrschaft3 (1975) S. 371 f; eingehend Blauth S. 131 f und Wiesen er S. 177, gegen Welze! S. 46. Vgl. Niederschriften über die Beratungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 4, 1958, S. 313, 316, 319, 320. Sch.-Schröder-Lenckner^9 Rdn. 10 a. Ausführlich Blauth S. 125 ff; Wiesener S. 176 f; Sch.-Schröder-Lenckner, wie Anm. 41; a. A. wegen der „Höchstpersönlichkeit" der Unterhaltspflicht Dreher-Tröndle38, Rdn. 2. Roxin LK § 28 Rdn. 37 ff. Näher Roxin LK § 28 Rdn. 7 ff, 2 6 - 2 8 , 33,42. Blauth S. 57/58; im Ergebnis ebenso Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 8.

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2. Abschnitt. Die Tat

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Keine Anwendung findet § 14 auch auf Delikte mit „egoistisch beschränkter Innentendenz" 46 wie §§ 242, 246 StGB47. Wenn also ein Vertreter oder Beauftragter seiner Fa. eine fremde Sache verschafft, ist dies, sofern darin nicht ein „Sichzueignen" gesehen werden kann, strafrechtlich nicht zu fassen, und zwar auch nicht über § 14, weil der Drittzueignung das „Handeln im eigenen Interesse" abgeht, das der Tatbestand der §§ 242, 246 nach h. M. erfordert. Der Gesetzgeber hat das Problem gesehen. Der Entwurf 1958 sah im Anschluß an einen Vorschlag des Bundesjustizministeriums4** in § 14 Nr. 2 ausdrücklich eine Vertreterhaftung für den Fall vor, daß „die Strafbarkeit ein Handeln im eigenen Interesse voraussetzt und der Vertreter im Interesse des Vertretenen handelt". Diese Vorschrift ist schon im Entwurf 1959 I wieder gestrichen worden, weil die weiteren Beratungen zu dem Ergebnis geführt hatten, daß, weil die egoistische Tendenz ein entscheidendes Strafwürdigkeitskriterium sein kann, diese Konstellationen nur von Fall zu Fall im Besonderen Teil geregelt werden könnten. Bei der Hehlerei (§ 259) ist inzwischen eine solche Vertreterhaftung eingeführt worden, indem das Merkmal „seines Vorteils wegen" durch die „Absicht" ersetzt wurde, „sich oder einen anderen zu bereichern". Dagegen sind bei Diebstahl und Unterschlagung die §§ 235, 240 E 1962, die jede Drittzueignung in den Tatbestand einbeziehen wollten, bisher nicht Gesetz geworden, so daß eine Klärung der um die Drittzueignung kreisenden Probleme hier nach wie vor fehlt 49 . Auch wenn im Schrifttum neuerdings Elemente der Zueignungsabsicht von einzelnen Autoren als „besondere persönliche Merkmale" i. S. des § 28 angesehen werden 50 , kommt dieses Merkmal also für § 14 keinesfalls in Betracht.

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Aus der vorstehend geschilderten Umgrenzung des Kreises der besonderen persönlichen Merkmale ergibt sich, daß deren Ausdifferenzierung in „Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände" für § 14 ohne besondere praktische Bedeutung ist. Denn wenn persönliche „Eigenschaften" solche Merkmale sind, die dem Täter — wie Alter, Geschlecht, uneheliche Mutterschaft — unlösbar anhaften (Roxin LK § 28 Rdn. 36), scheiden sie mangels Vertretbarkeit für § 14 von vornherein aus. Auch persönliche „Umstände" können hier kaum in Betracht kommen, da diese Merkmale nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem vorübergehende seelische Haltungen (z. B. Gesinnungsmerkmale) bezeichnen sollen, die bei § 14 keine Rolle spielen (Roxin LK § 28 Rdn. 36); BayObLG NJW 1969 1495 nennt zwar Zahlungseinstellung und Konkurseröffnung nach §§ 283 ff als besondere persönliche „Umstände", doch liegt die Annahme eines persönlichen „Verhältnisses" hier ebenso nahe. Bei denjenigen Pflichtdelikten, deren Aufgabenkreis eine Vertretung zuläßt und die allein dem § 14 unterfallen, handelt es sich demnach durchweg um persönliche Verhältnisse51, auf deren Nennung der Gesetzgeber sich hätte beschränken können 52 . 46

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Der Ausdruck stammt von Bruns, StrafrAb., Heft 295, S. 14; eingehend dazu Blauth S. 143-149. So für § 246 StGB auch OLG Karlsruhe Justiz 1975 314. In: Niederschriften über die Beratungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 2, 1958 Anhang Nr. 17 S. 43. Weitere Beispiele aus dem Nebenstrafrecht bei Schiinemann Unternehmenskriminalität, S. 141. Dazu Roxin LK § 28 Rdn. 26, 27. Ebenso Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 9—11. Blauth S. 162 hat den Vorschlag gemacht, nur von „besonderen persönlichen Beziehungen" zu sprechen. (90)

Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

VI. Tatbestände, auf die § 14 Anwendung findet. Der Anwendungsbereich des 22 § 14 reduziert sichwiach dem Dargelegten im Verhältnis zu dem des § 28 um zwei große Gruppen von Tatbeständen: Wo Pflichtenkreise zwar vertretungsweise wahrgenommen werden können, der Tatbestand aber, wie überwiegend bei § 266 oder den unechten Unterlassungsdelikten, den Vertreter unmittelbar erfaßt, regelt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit unabhängig von § 14 und trifft über die Grenzen dieser Vorschrift hinaus alle gewillkürten Vertreter (Rdn. 11 — 14); und wo ein Pflichtenkreis, wie bei Amts- und Standesdelikten, durch Vertreter überhaupt nicht ersatzweise wahrnehmbar ist oder es an einem Pflichtenkreis, wie bei subjektiven Merkmalen, gänzlich fehlt, scheidet jede Vertreterhaftung von vornherein aus (Rdn. 15—20). Daraus erklärt sich, daß es trotz der zahlreichen Vorschriften, auf die § 28 Anwendung findet, Mühe macht, im StGB Tatbestände zu entdecken, für die § 14 wirksam werden kann. In Betracht kommen im wesentlichen nur die Positionen des Schuldners im Konkurs (§§ 283 ff) 5 3 und in der Zwangsvollstreckung (§288), des Pfandleihers (§290) sowie die Stellung als Unterhaltspflichtiger (§ 170 b) und als Bauleiter (§ 330) 54 . Sehr viel umfangreicher ist das Anwendungsgebiet des § 14 im Nebenstrafrecht. Hier werden für zahlreiche soziale Sonderbereiche Pflichten statuiert, deren Verletzung strafbar ist und deren Träger durch bestimmte soziale Statusbezeichnungen als Täter gekennzeichnet werden; bei der ersatzweisen Wahrnehmung dieser Pflichten überträgt dann § 14 die strafrechtliche Verantwortlichkeit auf den Vertreter oder Beauftragten, auf den die soziale Statusbezeichnung nicht unmittelbar zutrifft. Beispiele: Strafvorschriften, die sich auf den „Arbeitgeber" beziehen (§ 225 ArbeitsförderungsG, § 58 Abs. 5, 6 JugendarbeitsschutzG, §21 Abs. 3, 4 MutterschutzG, § 529 ReichsversicherungsO); „Unternehmer" (§64 SeuchenG); „Halter eines Kraftfahrzeugs" (§21 StraßenverkehrsG); „Halter eines Luftfahrzeugs" (§60 Abs. 1 Nr. 1, 2 LuftverkehrsG); „Reeder" (§§ 122, 123 SeemannsG); „Kaufmann" (§ 34 DepotG); „Veranstalter oder Gewerbetreibender" (§ 13 d. Ges. zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit); „Inhaber einer Verkaufsstelle oder eines Betriebes des Friseurhandwerks" (§ 25 LadenschlußG) usw. Freilich finden sich auch im Nebenstrafrecht zahlreiche Vorschriften, die, ohne auf eine bestimmte Statusbezeichnung abzuheben, beispielsweise ein „Herstellen" oder „In-den-Verkehr-Bringen" unter Strafe stellen und auf Vertreter oder Beauftragte unabhängig von § 14 angewendet werden können. Ferner wird der Einzugsbereich des § 14 dadurch verkleinert, daß in den Nebengesetzen viele Verstöße nur als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden; für sie gilt § 9 OWiG, der § 14 inhaltlich völlig entspricht. VII. Der Vertreter nach § 14 Abs. 1. § 14 Abs. 1 Nr. 1 setzt voraus, daß jemand 23 als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs handelt. Eine juristische Person ist eine Dauerorganisation von Personen oder Zwecken 55 mit eigener Rechtspersönlichkeit. Ob sie dem bürgerlichen 53

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55

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Übersicht über die einzelnen in Betracht kommenden Merkmale bei Dreher-Tröndle38 vor § 283 Rdn. 21 ; ferner BGH NJW 1969 1494 f; BayObLG NJW 1969 1495. Obwohl hier auch eine direkte Anwendbarkeit des § 330 auf Vertreter in vielen Fällen möglich ist. Vgl. Gallas Die strafrechtl. Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten 1963 ; ferner Blauth S. 122-123; OLG Hamm NJW 1969 2211. Für den Begriff der juristischen Person muß im einzelnen auf das Schrifttum zum bürgerlichen und öffentlichen Recht verwiesen werden. Vgl. statt aller Lange-Köhler BGB Allgemeiner Teil 16 (1977) § 27 m. w. Nachw..

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2. Abschnitt. Die Tat

Recht (Verein, AG, KGaA, GmbH, Genossenschaft, rechtsfähige Stiftung) oder dem öffentlichen Recht (rechtsfähige Anstalten und Körperschaften) angehört, ist für die Anwendbarkeit des § 14 einerlei. Ist freilich eine juristische Person nicht wirksam entstanden, kommt auch eine Vertreterhaftung nicht in Betracht. 24 Organe sind Personen oder Gremien, durch welche die juristische Person Beschlüsse faßt und handelt; beim Verein sind Organe ζ. B. der Vorstand (§ 26 BGB) und die Mitgliederversammlung (§ 32 BGB), bei anderen juristischen Personen, wie der AG und der Genossenschaft, kommt noch der Aufsichtsrat hinzu (§§ 95 ff AktG, 9 GenG). Wenn § 14 von „vertretungsberechtigten" Organen spricht, so sind damit die Organe gemeint, die für die juristische Person nach innen und außen die Geschäfte führen, also ζ. B. der Vorstand im Gegensatz zur Mitgliederversammlung und dem Aufsichtsrat 56 . Nicht gemeint ist, daß im Einzelfall eine wirksame rechtsgeschäftliche Vertretung vorliegen muß, die bei der Begehung strafbarer Handlungen nicht möglich ist; auch braucht die Straftat des Organs nicht in einer rechtsgeschäftlichen Handlung zu bestehen. Ferner braucht der Bestellungsakt selbst, wie § 14 Abs. 3 zeigt, nicht wirksam zu sein. Die Fassung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 stellt weiterhin klar, daß nicht nur das Handeln des Organs im ganzen (etwa bei einem Ein-Mann-Vorstand), sondern auch das Handeln eines einzelnen Vorstandsmitgliedes die Vertreterhaftung auslösen kann; ob das Handeln nach der internen Geschäftsverteilung in den Aufgabenkreis eines anderen Vorstandsmitgliedes gefallen wäre, ist unerheblich 57 . 25

Des weiteren unterstellt § 14 Abs. 1 Nr. 2 die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft der Vertreterhaftung. Personenhandelsgesellschaften sind die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft des HGB. Beide Gesellschaften hat der Gesetzgeber zwar nicht mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet, ihnen aber doch weitgehende rechtliche Selbständigkeit verliehen. Sie können unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden (§§ 124, 161 Abs. 2 HGB). Der Gesetzgeber hat es daher für möglich gehalten, die besonderen persönlichen Merkmale der in Betracht kommenden Tatbestände, wie „Unternehmer", „Arbeitgeber", „Veranstalter", „Herstellen", „Verbreiten" in der einzelnen Personenhandelsgesellschaft für gegeben zu erachten und nicht in der Person der Gesellschafter, so daß deren strafrechtliche Verantwortlichkeit dann erst durch § 14 Nr. 2 begründet werden würde.

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Ob diese gesetzgeberische Annahme jedoch richtig ist, erscheint mehr als zweifelhaft (Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 20 a). Denn da diese Gesellschaften nun einmal keine juristischen Personen sind, können nicht nur bei „faktischer" Betrachtungsweise, sondern auch unter rechtlichen Aspekten die Gesellschafter selbst Schuldner, Unternehmer, Arbeitgeber usw. sein, so daß sie unabhängig von § 14 Normadressaten sind. § 14 läuft dann insoweit leer, weil die betreffenden Merkmale gerade nicht beim Vertretenen, sondern von vornherein beim Vertreter vorliegen. Selbst bei einem mehr nach faktischen Gesichtspunkten bestimmbaren Begriff wie dem des „Kraftfahrzeughalters" ist es fraglich, ob man mit BayObLGSt. 1976 44 die Personenhandelsgesellschaft als „Halter" ansehen und die strafrechtliche 56

Zur „Vertretungsberechtigung" bei juristischen Personen und Personengesellschaften im einzelnen näher Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 14—21; Rotberg OWiG § 10 Rdn. 4 - 1 2 . 57 OLG Koblenz VRS 39 118; Sch.-Schröder-Lenckner™ Rdn. 18. (92)

Handeln für einen anderen (Roxin)

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Verantwortlichkeit der Gesellschafter nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 bestimmen kann. Die Ergebnisse muten jedenfalls, wie Lenckner (aaO) richtig darlegt, ungereimt an, wenn man sie mit dem Fall einer nicht unter Nr. 2 zu subsumierenden Gesellschaft vergleicht: „Nicht strafbar ist danach zwar der nicht vertretungsberechtigte OHGGesellschafter, der einem Dritten nach § 21 StVG ein Firmenfahrzeug überläßt, wohl aber u. U. der nicht vertretungsberechtigte BGB-Gesellschafter und der stille Gesellschafter, da diese selbst Fahrzeughalter sein können." § 14 Abs. 1 Nr. 2 gilt nur für vertretungsberechtigte Gesellschafter. Zur Vertre- 27 tung berechtigt sind bei der OHG alle Gesellschafter, soweit sie nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind (§ 125 HGB), bei der KG die persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 161, 170 HGB). Bei der GmbH und Co. KG ist vertretungsberechtigter Gesellschafter an sich die GmbH ; doch sieht die Rspr. auch deren Geschäftsführer als „vertretungsberechtigten Gesellschafter" an 5 8 . Bei mehreren vertretungsberechtigten Gesellschaftern ist ungeachtet der internen Aufgabenverteilung jeder einzelne Normadressat. Im übrigen gilt für den Begriff der Vertretungsberechtigung das zu Rdn. 24 Ausgeführte. § 14 Abs. 1 Nr. 2 erstreckt sich nicht auf die Vertreter sonstiger nicht rechtsfähi- 28 ger Personenvereinigungen, ζ. B. eines nicht rechtsfähigen Vereins oder einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die Begründung zu EEGOWiG (S. 63) führt dazu aus, da diese Art von Zusammenschlüssen keine rechtliche Selbständigkeit hätten, könnten sie nicht die strafbegründenden „persönlichen" Merkmale aufweisen. So werde ζ. B. das Arbeitsverhältnis nicht mit der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts begründet, sondern unmittelbar mit den Gesellschaftern. Hier können also auch nach Meinung des Gesetzgebers die Gesellschafter (und entsprechend die Vorstandsmitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins) unmittelbar zur Verantwortung gezogen werden. § 14 Abs. 1 Nr. 3 erstreckt die Vertreterhaftung auf alle sonstigen gesetzlichen 29 Vertreter. Damit sind nicht nur die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen gemeint, wie Eltern, die Mutter eines nichtehelichen Kindes, der Vormund und der Pfleger, sonder auch die sog. Parteien kraft Amtes, wie Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Abwickler, Nachlaßverwalter und Testamentsvollstrecker (EEGOWiG S. 63). Alle drei Fälle des § 14 Abs. 1 setzen voraus, daß der Normadressat „als Organ" 30 (Nr. 1), „als Gesellschafter" (Nr. 2) oder „als gesetzlicher Vertreter" (Nr. 3) handelt. Dabei umfaßt der Begriff des „Handelns" sowohl das Tun wie das pflichtwidrige Unterlassen. „Als" Normadressat handelt prinzipiell nur der, der in Wahrnehmung eines Aufgabenkreises für den Vertretenen tätig wird oder Gebotenes pflichtwidrig unterläßt. Wer nur unter Ausnutzung seiner Stellung im eigenen Interesse handelt, begeht daher die Tat nicht „als" Organ usw., so daß § 14 auf ihn keine Anwendung findet (BGH NJW 1969 1494 f). Beispielsweise haftet „bei eigennützigen Handlungen des Geschäftsführers zum Nachteil der Gesellschaft, namentlich bei einem Beiseiteschaffen von Vermögensstücken durch Untreue" (BGH aaO), der Vertreter auch dann nicht nach §§ 14, 288, wenn dadurch eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft vereitelt wird (Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 26).

58 KG JR 1972 121 m. Anm. Göhler; OLG Köln JHB1. NRW 1973 39; OLG Stuttgart MDR 1976 690; Dreher-Tröndhî38 Rdn. 3; Lackner12 Anm. 2 a; Sch.-Schröder-Lenckner}9 Rdn. 22; Demuth-Schneider BB 1970 643. (93)

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2. Abschnitt. Die Tat

Lenckner (aaO) meint, ein Handeln im Interesse des Vertretenen sei nicht notwendig erforderlich; vielmehr genüge es, wenn „die Handlung ihrer Art n a c h . . . als Wahrnehmung der Angelegenheit des Vertretenen" erscheine. „Hat ζ. B. der gesetzliche Vertreter eines Schuldners dessen Handelsbücher so verändert, daß sie keine Übersicht des Vermögenszustandes gewähren, so ist er nach § 283 I Nr. 5 auch dann strafbar, wenn er dies nicht im Interesse des Schuldners, sondern in eigenem Interesse (ζ. B. Verdeckung von Unregelmäßigkeiten) getan hat." Das kann nicht überzeugen ; denn wenn eine solche Handlung nicht dem Schuldner dient (sondern nur ihrer Art nach so erscheinen könnte), steht der Vertreter nicht an der Stelle des strafrechtlich verantwortlichen Schuldners, so daß ihn auch nicht die für den Schuldner bestimmte Strafe treffen darf 5 9 . Er handelt nicht „als Vertreter", sondern als Fälscher im eigenen Interesse und ist dementsprechend (ζ. B. wegen Urkundenfälschung), nicht aber nach der für den Schuldner geltenden Norm zu bestrafen. Schwierigkeiten kann das Handeln „als" Normadressat auch bei mehreren Verpflichteten machen. Die Geschäftsführung einer Gesellschaft ist in der Regel auf mehrere Vorstandsmitglieder oder Gesellschafter nach einem Plan aufgeteilt. Bei Unterlassungsdelikten ergibt sich dann die Frage, welches Organ oder welcher Gesellschafter als Adressat der Gebotsnorm nach Abs. 1 zu gelten hat, wen also die Pflicht trifft, für die Gesellschaft die unter Strafdrohung gesetzlich gebotene Handlung vorzunehmen, etwa eine Auskunft zu erteilen oder die Beschäftigten über die Unfallgefahren zu belehren. An sich trifft jedes Organ und jeden Gesellschafter die Pflicht, für die juristische Person oder Gesellschaft zu handeln. Da jedoch eine interne Geschäftsverteilung wegen der Vielfalt der zu erfüllenden Pflichten unerläßlich ist, fehlt es in der Regel an der Pflichtwidrigkeit einer Unterlassung, wenn jemand eine gebotene Handlung, die in den Aufgabenbereich eines anderen fällt, nicht vornimmt oder gegen die Pflichtwidrigkeit eines anderen nicht einschreitet 60 . Da er jedoch Normadressat bleibt, kann er trotzdem als Vertreter zur Verantwortung gezogen werden, wenn er im konkreten Fall untätig geblieben ist, obwohl er die Pflichtverletzung des anderen Organs erkannt hat oder nach den Umständen hätte erkennen müssen 6 !. 32

VIII. Die Beauftragten nach § 14 Abs. 2. Der Gesetzgeber hat durch den im E 1962 noch nicht enthaltenen § 14 Abs. 2 die Vertreterhaftung auf die Fälle der gewillkürten Stellvertretung erstreckt, in denen ein besonders praktisches Bedürfnis dafür hervorgetreten war. Zur prinzipiellen Umstrittenheit dieser Regelung und zur vielfach erhobenen Forderung nach Einbeziehung aller gewillkürten Vertreter vgl. Rdn. 4 ff. Die „Mittellösung" des Gesetzes, die den gewillkürten Vertreter nicht ganz in die Vertreterhaftung einbezieht, ihn aber auch nicht grundsätzlich davon ausschließt, führt zu großen Abgrenzungsschwierigkeiten und zu bisweilen wenig einleuchtenden Differenzierungen ; einen Verstoß gegen den gesetzlichen Bestimmtheitsgrundsatz wird man darin aber noch nicht sehen können 62 . 59

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61 62

Wie hier wohl auch Demuth-Schneider BB 1970 644; Schiinemann Untemehmenskriminalität, S. 152 f. BayObLG NJW 1974 1341 ; OLG Koblenz VRS 39 118; OLG Hamm DAR 1975 51 ; näher Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 29—32. OLG Hamm NJW 1971 817; DAR 75 51 ; näher Demuth-Schneider BB 1970 644 f. Sch.-Schröder-Lenckner^9 Rdn. 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Demuth-Schneider BB 1970 645 ; Jescheck AT 3 § 23 VI 2. Die zahlreichen durch die Gesetzesfassung entstehenden Strafbarkeitsliicken werden bei Schiinemann Unternehmenskriminalität, S. 144 ff., geschildert. (94)

Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

1. Der Auftrag zur Leitung oder Teilleitung eines Betriebes oder Unternehmens. 33 Ein Betrieb ist eine planmäßig und meist auch räumlich zusammengefügte Einheit mehrerer Personen und Sachmittel unter einheitlicher Leitung zur Erreichung des auf eine gewisse Dauer gerichteten Zweckes, Güter oder Leistungen materieller oder immaterieller Art hervorzubringen oder zur Verfügung zu stellen. Der Zweck braucht nicht wirtschaftlicher Art zu sein. Unter den Begriff fallen also nicht nur Industrie-, Handels- und Handwerksbetriebe, sondern auch Büros, die Kanzlei eines Rechtsanwaltes, die Praxis eines Arztes, Apotheker, Krankenhäuser und sonstige karitative Einrichtungen, Theater usw. Die rechtliche Form ist gleichgültig. Inhaber eines Betriebes kann also ein Einzelkaufmann ebenso wie eine juristische Person sein. Dagegen ist der Privathaushalt kein Betrieb, weil sein Zweck nicht in der Hervorbringung von Gütern oder Leistungen für Dritte besteht. Dem Betrieb ist in § 14 Abs. 2 Satz 2 das Unternehmen gleichgestellt. Wie der 34 Begriff des Unternehmens von dem des Betriebes abzugrenzen ist, ist unklar und umstritten. Göhler, der bei den Beratungen des Sonderausschusses das Bundesjustizministerium vertrat, hat ausgeführt 63 , dem Ministerium gehe es bei der Aufnahme des „Unternehmens" in den Gesetzestext nicht um eine Begriffsabgrenzung, „sondern allein darum, alles zu erfassen, was im technischen Sinne als Unternehmen oder als Betrieb angesehen werde. Der Satz 2 sei aufgenommen worden, weil im Nebenstrafrecht der Begriff .Betrieb' und zum anderen der Begriff,Unternehmen' verwendet werde. Der Begriff ,Unternehmen' werde wohl dann gebraucht, wenn es sich um eine mehr kaufmännische Einrichtung handle, der Begriff ,Betrieb', wenn es sich mehr um eine technische Einrichtung handle". Andere wollen unter einem Unternehmen einen „Komplex von mehreren Betrieben" verstehen 6 4 oder den Betrieb als „technisch-organisatorische", das Unternehmen als „rechtlich-wirtschaftliche" Einheit betrachten 65 . Da die Rdn. 33 gegebene Definition des „Betriebes" bei extensiver Auslegung den Begriff des Unternehmens in seinen verschiedenen Bedeutungsnuancen umfaßt, liegt die Bedeutung des § 14 Abs. 2 S. 2 nur in der Klarstellung, daß jedenfalls kein Unternehmen ausgeschlossen sein soll. § 14 Abs. 2 Nr. 1 erfaßt zunächst den Betriebsleiter. Man versteht darunter den- 35 jenigen, dem die Geschäftsführung verantwortlich übertragen ist und der dementsprechend auch selbständig an Stelle des Betriebsinhabers handelt 66 . Aus der Beauftragung mit der Betriebsleitung ergibt sich eo ipso die Überwälzung der Inhaberpflichten, so daß es anders als in Abs. 2 Nr. 2 einer zusätzlichen Beauftragung nicht bedarf; doch muß selbstverständlich der Betriebsleiter, um in die Pflichten des Betriebsinhabers einzutreten, seine Stellung tatsächlich angetreten haben, so daß insoweit die bloße Beauftragung noch nicht genügt. Auf die Bezeichnung des Betriebsleiters (Direktor oder dgl.) kommt es nicht an; es entscheidet allein die Funktion. Die Betriebsleitung kann auch bei mehreren Personen liegen, wenn sie den Betrieb in allen seinen Teilen gemeinsam zu leiten haben. Nicht zu den Betriebsleitern gehört, wer nur mit der Beaufsichtigung eines Betriebes beauftragt ist; diese Aufsichtspersonen, die früher in Sondervorschriften des Nebenstrafrechts teilweise in die Vertreterhaftung einbezogen worden waren, unterstehen ihr heute 63 64

65 66

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Protokolle S. 1104. Dreher-Tröndltß* Rdn. 8; Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 30 („Überbau für mehrere Betriebe"). Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 52; ähnlich Rotberg OWiG § 9 Anm. 31. Ebenso Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 32; Göhler OWiG 5 § 9 Anm. 6 Aa.

§14

2. Abschnitt. Die Tat

nur unter den Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Nr. 2, weil die bloße Beaufsichtigungsfunktion nicht ohne weiteres einen vollen Pflichteneintritt zur Folge hat 6 7 . 36

Dem Betriebsleiter gleichgestellt ist der Teilleiter eines Betriebes oder Unternehmens. Dadurch wird sowohl die Leitung eines vom Gesamtbetrieb räumlich getrennten Zweigbetriebes („Nebenstelle", „Filiale", „Zweigstelle", „Werk" als besondere Fabrikationsanlage) wie die Leitung einer Abteilung im Gesamtbetrieb (ζ. B. „ E i n k a u f , „ V e r k a u f , „Fabrikation", „kaufmännischer Leiter", „technischer Leiter") erfaßt. Die Abteilung muß aber, damit ihre Leitung als Teilleitung des Gesamtbetriebes gelten kann, eine gewisse Selbständigkeit und Bedeutung besitzen; wer in einem Warenhaus nur den Verkauf einzelner Artikel leitet, fällt nicht unter diese Vorschrift. Die Bezeichnung als „Abteilungsleiter" macht jemanden also noch nicht ohne weiteres zum Teilbetriebsleiter i. S. des § 14 Abs. 2 Nr. 1. Ebenso kommt es bei einem Prokuristen stets auf die Umstände des Einzelfalles an (OLG Hamm, M D R 1974 425). Entsprechendes gilt für den Handlungsbevollmächtigten. Entscheidend ist nie die rechtliche Stellung, sondern immer nur die Funktion im Rahmen des Betriebes.

37

§ 14 Abs. 2 Nr. 1 setzt voraus, daß den Auftrag zur Leitung der Betriebsinhaber oder ein sonst Beauftragter erteilt hat. Ist Betriebsinhaber eine juristische Person, so sind zur Beauftragung die geschäftsführenden Organe (Vorstand, Geschäftsführer) befugt, also deren gesetzliche Vertreter. Bei Mehrgliedrigkeit kommt es auf die Geschäftsverteilung an. Befugt zur Beauftragung sind aber auch Personen, die nicht gesetzliche Vertreter der juristischen Person sind, aber von deren gesetzlichen Vertretern mit der Wahrnehmung bestimmter Geschäfte der juristischen Person betraut sind, wenn zu ihrem Aufgabenkreis die Organisation des Betriebes oder eines Teils des Betriebes gehört. Die Befugnis zur Beauftragung kann sich auch aus besonderen gesetzlichen Vorschriften ergeben. Dazu rechnen ζ. B. die Vorschriften über die gerichtliche Bestellung eines Abwicklers oder die Bestellung eines besonderen Vertreters durch die Mitgliederversammlung eines eingetragenen Vereins. Die Befugnis eines anderen als des Betriebsinhabers zu Erteilung des Auftrags kann sich auch aus einer entsprechenden Vollmacht des Inhabers oder aus seiner Stellung (ζ. B. als Prokurist) herleiten (EEGOWiG S. 64).

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2. Der Auftrag zur eigenverantwortlichen Erfüllung betriebsbezogener Pflichten. § 14 Abs. 2 Nr. 2 dehnt die strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Handeln für einen anderen auf solche Personen aus, die vom Betriebsinhaber oder einem sonst Befugten ausdrücklich beauftragt sind, in eigener Verantwortung Pflichten zu erfüllen, die den Inhaber des Betriebes als solchen treffen. Während bei den in Nr. 1 Genannten die Verantwortlichkeit mit dem allgemeinen Auftrag, den Betrieb zu leiten, eintritt, bedarf es in diesen Fällen also eines ausdrücklichen Auftrages zur Pflichtenwahrnehmung. „Diese Einschränkung scheint notwendig, weil es sich mit der bloßen Wahrnehmung von Aufgaben für einen anderen nicht von selbst versteht, daß insoweit auch dessen Pflichten übernommen werden. Der Betriebsleiter oder der sonst dazu Befugte muß dies also ausdrücklich klarstellen" (EEGOWiG S. 65) 68 . Es muß dabei deutlich gemacht werden, daß im sachlich abgesteckten 67 Näher EEGOWiG S.64; 68 Scharfe Kritik an dieser der sich auf empirische ausdrücklichen Auftrag ordentlich erschwert.

GöhlerOWiG5 § 9 6 A c; Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 32. Regelung bei Schünemanrt Unternehmenskriminalität, S. 148 ff., Ermittlungen bezieht, denen zufolge die Notwendigkeit, einen nachzuweisen, die Verfolgung der einschlägigen Delikte außer-

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Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

Rahmen des Auftrages diejenigen Pflichten zu erfüllen sind, die an sich der Betriebsinhaber als solcher zu erfüllen hätte; die Übertragung muß also betriebsbezogene Pflichten betreffen. Der Auftrag muß nicht notwendig (sollte aber zweckmäßigerweise) schriftlich erteilt sein. Es genügt eine mündliche Beauftragung, die nicht nach außen bekannt gemacht zu werden braucht (KG VRS 36 269), nicht aber eine stillschweigende Beauftragung (OLG Stuttgart Justiz 1969 126). Immer jedoch muß dem Beauftragten eine klare Vorstellung von Art und Umfang der von ihm zu erfüllenden Pflichten vermittelt werden. Dabei wird auf die gesetzlichen Vorschriften hinzuweisen sein. Doch wird es nicht immer notwendig sein, auf jede einzelne in Betracht kommende Pflicht besonders aufmerksam zu machen. „Sonst müßte ζ. B. der Betriebsinhaber, der einem Angestellten den Auftrag erteilt, für den verkehrssicheren Zustand der Fahrzeuge des Betriebs zu sorgen, ihn über alle einschlägigen Vorschriften der StVZO unterrichten" (Göhler5 § 9 OWiG 6 Β a). Es ist vielmehr ausreichend, wenn der Beauftragte über die von ihm zu erfüllenden Pflichten der Sache nach hinreichend unterrichtet wird, ohne daß ihm jede einzelne der Pflichten ausdrücklich übertragen werden muß (EEOWiG S. 65). Fehlt eine ausdrückliche Beauftragung, so wird der Betriebsinhaber, sein gesetzlicher Vertreter oder die mit der Betriebsleitung betraute Person unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen werden können, wenn er nicht bereits als Täter der konkreten Pflichtverletzung anzusehen ist 69 . Der Auftrag muß darauf gerichtet sein, daß der Beauftragte die ihm übertrage- 39 nen Pflichten in eigener Verantwortung zu übernehmen hat. Verantwortung über die Erfüllung der Pflichten eines anderen kann nur begründet werden, wenn es dem Beauftragten insoweit auch möglich ist, in dem Wirkungskreis des anderen selbständig zu handeln. Verantwortung setzt Freiheit des Handelns und damit die Befugnis zur Entscheidung voraus (EEGOWiG S. 65). Bei den Beratungen im Sonderausschuß wurde von den Vertretern des Bundesarbeitsministeriums vorgeschlagen, im Gesetzestext die Worte „in eigener Verantwortung" durch die Worte „im Rahmen der ihm übertragenen Entscheidungsbefugnis" zu ersetzen. Der Ausschuß hat sich nach eingehender Debatte für den Text des Entwurfs entschieden, weil die eigene Entscheidungsbefugnis im Begriff der Verantwortung enthalten und die Grundlage der Verantwortung sei (Protokolle, S. 1100 ff)· Eigene Verantwortung bedeutet, daß der Beauftragte nicht zu bloßer Mitverantwortung herangezogen worden sein darf, sondern in eigener, wenn auch vielleicht nachträglich und von oben geprüfter Befugnis 70 die Entscheidung frei und verantwortlich treffen muß, die zunächst der ursprünglich Verpflichtete zu treffen hatte. Er muß in der Lage sein, von sich aus ohne Weisung des Betriebsinhabers oder eines sonst dazu Befugten die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erfüllung der Pflichten notwendig sind (Göhlet& § 9 OWiG 6 Β b). Unter Umständen kann sogar ein bloßer Sachbearbeiter diese Entscheidungsfreiheit haben (Rebmann-Roth-Herrmann OWiG §9 Rdn. 47); auch bei Prokuristen kommt es auf den Einzelfall an (OLG Hamm MDR 1974 425). Der Beauftragte braucht nicht notwendig Angehöriger des Betriebes zu sein ; es kommen auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte usw. in Frage, wenn sie den

69 Göhlet5 § 9 OWiG 6 B a; KG JR 1972 121 m. Anm. Göhler. 70 Demuth-Schneider BB 1970 645; Dreher-Tröndle™ Rdn. 13; Göhler5 OWiG §9 6 B b ; Samson SK 2 Rdn. 5; Sch.-Schröder-Lenckner^9 Rdn. 38. (97)

§14

2. Abschnitt. Die Tat

Unternehmer nicht lediglich beraten sollen, sondern selbständig in seinem Interesse tätig werden d ü r f e n 7 1 . 40

Eine Pflichtenübertragung zu eigener Verantwortung soll nach der Gesetzesbegründung nicht zulässig sein, „wenn sie außerhalb des Sozialadäquaten liegt, so ζ. B. wenn der Inhaber einer Verkaufsstelle ein Lehrmädchen damit beauftragt, in .eigener Verantwortung' für die Einhaltung der Ladenschlußzeiten zu sorgen, selbst wenn er ihr die Entscheidungsbefugnis einräumt, nach ihrem Ermessen den Laden zu öffnen oder zu schließen" ( E E G O W i G S. 65). Das Schrifttum ist dem überwiegend gefolgt 7 2 . Doch hat sich auch Widerspruch erhoben 7 3 . Tatsächlich läßt sich dem Gesetzeswortlaut eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Sie sollte auch nicht getroffen werden. Denn sie führt wegen der Vagheit des Begriffes der Sozialadäquanz zu unlösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten. Der Auftraggeber wird, wenn er seine Pflichten einer gänzlich inkompetenten Person zu „eigener Verantwortung" überträgt, von seiner Verantwortung ohnehin nicht entlastet (vgl. Rdn. 43), während dem unkundigen Beauftragten ggf. ein Verbotsirrtum oder seine jugendliche Verantwortungsunfähigkeit zugutegehalten werden k a n n ; liegen aber schuldausschließende Umstände nicht vor, braucht er auch nicht von Strafe freigestellt zu werden.

41

3. Das auftragsgemäße Handeln für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Nach § 14 Abs. 2 S. 3 ist die Überwälzungsvorschrift des Satzes 1 „sinngemäß anzuwenden", wenn „jemand auf G r u n d eines entsprechenden Auftrages für eine Stelle" handelt, „die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt". Derartige Stellen „sind auf vielfältigen Sachbereichen Pflichten unterworfen, deren Verletzung durch natürliche Personen strafbar wäre. Die Personen, die für die Stellen handeln, wären gegenüber den in Betrieben und Unternehmen tätigen Personen bevorzugt, wenn sie wegen gleicher Pflichtverletzungen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten" ( E E G O W i G S. 65). Die Vorschrift bezieht sich, wie der Wortlaut ausdrücklich klarstellt, nicht nur auf Verwaltungsstellen im engeren Sinne, sondern auf alle Stellen, die „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung" wahrnehmen, ζ. B. auch auf Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Aus der Gleichstellung mit Betrieben u n d Unternehmen ergibt sich aber, daß die Stellen fiskalisch tätig werden oder sonst als Teilnehmer am Rechts- und Wirtschaftsleben Verpflichtungen haben müssen, die denen von Betriebsinhabern entsprechen, ζ. B. als Halter von Kraftfahrzeugen oder Eigentümer von Sachen (Dreher-Tröndle38 Rdn. 18). Die nur „sinngemäße" Anwendung des Satzes 1 hat der Gesetzgeber deshalb angeordnet, weil bei den öffentlichen Stellen ein „Inhaber" fehlt, dessen Pflichten wahrgenommen werden könnten; an die Stelle des Betriebsinhabers tritt der Leiter der Stelle oder derjenige, der sonst zur Übertragung von Pflichten befugt ist. Selbstverständlich kann die sinngemäße Anwendung des Satzes 1 auch nie dazu führen, daß ein Nichtamtsträger wegen eines echten Amtsdeliktes bestraft wird; denn die Amtsträgereigenschaft ist nicht übertragbar u n d fällt nicht unter die „besonderen persönlichen Merkmale" (Rdn. 17). 71

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Demuth-Schneider BB 1970 646; Göhler OWiG 5 § 9 6 B; Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 50. Demuth-Schneider BB 1970 645; Dreher-Tröndle38 Rdn. 13; Göhler OWiG 5 § 9 6 Β b; Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 48; ebenso auch StA Mannheim NJW 1976 585. Rotberg § 10 OWiG Rdn. 27; Sch.-Schröder-Lenckner™ Rdn. 40. (98)

Handeln für einen anderen (Roxin)

§14

4. Das Handeln „auf Grund des Auftrages". So, wie der Vertretene in den Fällen 42 des § 14 Abs. 1 „als" Normadressat handeln muß, setzt die Ausdehnung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf die in § 14 Abs. 2 genannten Personen voraus, daß sie auf Grund des ihnen erteilten Auftrages handeln. Die Verantwortungserstrekkung betrifft also nur die Pflichten, die den Inhaber des Betriebes in dieser seiner Eigenschaft treffen, d. h. sie gilt nur hinsichtlich eines betrieblichen Handelns im Bereich der übertragenen Pflichten, bei Nr. 1 also im Bereich der Betriebs- oder Teilbetriebsleitung. Dabei ist mit einem Handeln „auf Grund des Auftrages" natürlich nicht die Erfüllung, sondern gerade die Verletzung der betriebsbezogenen Pflichten gemeint. Der Begriff „Handeln" ist auch hier in dem umfassenden Sinne zu verstehen, daß dazu auch das pflichtwidrige Unterlassen gehört. IX. Die Verantwortlichkeit des Vertretenen, des Betriebsinhabers oder Stellenlei- 4 3 ters. Die Haftung des Vertreters oder des Beauftragten bedeutet nicht, daß Vertretene oder Auftraggeber, soweit sie als natürliche Personen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können, von ihrer Verantwortung eo ipso entlastet sind. Vielmehr läßt das Wörtchen „auch" in § 14 Abs. 1 und 2 („auch auf den Vertreter", „auch auf den Beauftragten") erkennen, daß Vertreter und Beauftragte nur neben dem Vertretenen oder Auftraggeber verantwortlich sind 7 4 . Der Vertretene usw. bleibt also Normadressat. Er ist nicht nur strafbar, wenn er selbst ebenfalls durch aktives Handeln gegen die entsprechende Norm verstößt, sondern vor allem auch dann, wenn er die Pflichtverletzung des Vertreters oder Beauftragten erkennt und vorsätzlich geschehen läßt; da er eine Garantenstellung einnimmt, haftet er dann wegen vorsätzlicher Begehung durch Unterlassen. Handelt der Vertretene oder Auftraggeber unvorsätzlich, so ist seine Fahrlässigkeitshaftung allerdings dadurch gemindert, daß seine Sorgfaltspflichten herabgesetzt sind; denn der Sinn der Bestellung von Betriebsleitern oder sonst eigenverantwortlich handelnden Pflichtenwahrnehmern liegt gerade darin, daß der Vertretene oder Auftraggeber sich bei notwendiger Arbeitsteilung von eigener Verantwortung entlasten will und muß. Hier kommt eine eigene Fahrlässigkeitshaftung also nur dann in Frage, wenn konkrete Indizien dem Vertretenen oder Auftraggeber die Erkenntnis einer Pflichtverletzung des Vertreters oder Beauftragten hätte aufdrängen müssen oder wenn ein Verschulden bei der Auswahl oder Beaufsichtigung auch als Pflichtverletzung im Rahmen der konkreten Strafvorschrift erscheint 7 5 . Liegt nur eine allgemeine Verletzung der Aufsichtspflicht vor, ohne daß darin ein Verstoß gegen die vom Vertreter oder Beauftragten verletzte Strafvorschrift erblickt werden kann, so kann dieses Verhalten nach § 130 OWiG geahndet werden. Gegen juristische Personen kann u. U. eine Geldbuße nach § 30 OWiG verhängt werden. X. § 14 Abs. 3. Nach § 14 Abs. 3 sind die Absätze 1 und 2 auch dann anzuwen- 4 4 den, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist (ζ. B. wegen Formmangels). Damit soll

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KG VRS 36 269; JR 1972 121 m. Anm. Göhler; OLG Celle NJW 1969 759; OLG Hamm NJW 1971 817; NJW 1974 72; VRS 51 234; OLG Koblenz M D R 1973 606; OLG Düsseldorf VRS 39 446. Im einzelnen: KG VRS 36 269; BayObLGSt. 1976 47; OLG Celle NJW 1969 759; OLG Hamm NJW 1974 72 VRS 51 234; Göhler OWiG 5 § 9 6 E; Sch.-Schröder-Lenckner19 Rdn. 7; Rebmann-Roth-Herrmann OWiG § 9 Rdn. 57.

§14

2. Abschnitt. Die Tat

klargestellt werden, daß es nur darauf ankommt, ob „der Vertreter oder Beauftragte im Wirkungskreis des eigentlichen Normadressaten mit dessen Einverständnis oder dem Einverständnis des hierzu Befugten dessen Stellung tatsächlich eingenommen hat" (EEGOWiG S. 65). Strittig ist, ob wenigstens die Befugnis zur Erteilung eines Auftrages nach Absatz 2 rechtswirksam bestanden haben muß; richtigerweise ist das nicht zu fordern, weil sich an der allein entscheidenden Faktizität der Vertreteroder Beauftragtenstellung durch das Fehlen der Bestellungsbefugnis nichts ändert 7 6 . Wo es allerdings auch an dieser Faktizität fehlt, wie bei der Bestellung eines Strohmannes, der die Pflichten nur scheinhaft übernimmt und realiter gar nicht tätig wird, kann auch mit Hilfe von § 14 Abs. 3 eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht begründet werden 7 7 . Ferner muß in den Fällen des § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 die juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft wirksam entstanden sein, weil sich Absatz 3 nur auf das Vertretungs- oder Auftragsverhältnis als solches bezieht (Sch.-Schröder-Lenckner 19 Rdn. 48). 45

XI. Irrtumsfragen. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen vorsätzlicher Tat setzt hier wie sonst voraus, daß der Täter die sachlichen Umstände kennt, die ihn zum Täter machen. Ein Irrtum darüber ist Tatbestandsirrtum. Irrt der Täter bei Kenntnis der sachlichen Umstände lediglich über das seine Pflicht begründende Gebot oder Verbot, so befindet er sich im Verbotsirrtum. In den Fällen der unbewußten Fahrlässigkeit ist erforderlich, daß er die seine Täterqualität begründenden Umstände nicht erkannt hat, daß ihm dies aber bei Anwendung gehöriger Sorgfalt möglich gewesen wäre.

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Sch.-Schröder-Lenckneri9 Rdn. 44, 48; anders Busch Voraufl. §50 a Rdn. 27; DreherTröndle** Rdn. 18; Göhler OWiG 5 § 9, 9. Göhler OWiG 5 § 9, 9; Sch.-Schröder-Lenckner™ Rdn. 48. (100)

Vorbemerkungen (Schroetter)

Vor § 15

Vorbemerkungen zu den §§ 15—18 I. Gegenstand der §§ 1 5 - 1 8 Die §§ 15—18 StGB behandeln Vorsatz, Fahrlässigkeit und Unrechtseinsicht. 1 Obwohl ein zusammenfassender Oberbegriff für diese Materien fehlt und die Institute verschiedenen Stufen des Verbrechensaufbaus angehören, besteht genetisch und auch nach wie vor sachlich ein enger Zusammenhang. Vorsatz und Fahrlässigkeit wurden früher als „Schuldarten", „Schuldformen", „Schuldstufen" oder „Schuldelemente" zusammengefaßt. In der neueren dogmatischen Entwicklung wurden allerdings mindestens wesentliche Bestandteile der Fahrlässigkeit in die Rechtswidrigkeit, ζ. T. sogar in den Tatbestand abgeschoben. Die finale Handlungslehre hat auch den Vorsatz in den Tatbestand verwiesen und hierbei vielfältige Zustimmung gefunden. Die Unrechtseinsicht kämpfte um ihre Anerkennung zunächst im Rahmen des Vorsatzes; ihre Bestätigung hat sie freilich schließlich in der Schuld gefunden. Trotz des unterschiedlichen Standorts im Verbrechensaufbau handelt es sich in allen Fällen um subjektive Voraussetzungen der Strafbarkeit, angesichts zusätzlicher subjektiver Tatbestandselemente um subjektive Grundvoraussetzungen der Strafbarkeit. Hierbei ist der Begriff „subjektiv" freilich mißverständlich, aber als Gegensatz zum „objektiven" Tatbestand anerkannt. Die Zusammengehörigkeit der Materie zeigt sich auch in dem zumeist übergreifenden Charakter des Schrifttums. Lediglich zur Vermeidung einer unpraktischen Aufgliederung wird das Vorsatz, Fahrlässigkeit und Unrechtseinsicht übergreifende Schrifttum hier bei § 16 StGB aufgeführt. II. Fragmentarische Regelung Die Regelung der subjektiven Grundvoraussetzungen der Strafbarkeit ist auch 2 nach der Reform von 1975 sehr fragmentarisch. § 15 enthält lediglich eine gesetzestechnische Vorschrift. § 16 behandelt nur einen Ausschnitt aus dem Vorsatz sowie in Abs. 2 das Sonderproblem der irrtümlichen Annahme der Umstände eines milderen Tatbestandes. Die Bestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit selbst fehlt dagegen im Gesetz! Die bisher schon höchst unvollkommene Regelung der Fahrlässigkeit ist sogar noch zu einem bloßen Hinweis auf das „Unberührtbleiben" einer entsprechenden Strafbarkeit verkümmert (§ 16 Abs. 1 S. 2). Die Bestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit war schon bei der Schaffung 3 des preuß. StGB von 1851 bewußt der Wissenschaft und Rechtsprechung überlassen worden: „Denn die Lehre von dolus und culpa gehört ganz eigentlich der Jurisprudenz an. Sie in einem Strafgesetzbuch erschöpfend zu behandeln, ist unmöglich. Geht der Gesetzgeber überhaupt darauf ein, so setzt er sich immer der Gefahr aus, entweder zu viel oder zu wenig zu geben, und durch die der richterlichen Beurteilung gesetzten Schranken mehr Schaden als Nutzen zu stiften"!. Die Neuregelung hat zwar erstmals den Verbotsirrtum geregelt (§ 17), doch ist 4 ein so bedeutsames und umstrittenes Problem wie die Behandlung des Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes nach wie vor ungelöst geblieben (s. u. § 16 Rdn. 47 ff). Der E 1962 (§§ 1 5 - 2 1 , 39 Abs. 2, 3, 40 Abs. 2, 3) und der AE (§§ 16—20) hatten eingehendere Regelungen vorgesehen. In der Wissenschaft wurde mehrfach wie früher Skepsis gegenüber einer gesetzlichen 1

(i)

Kommissionsbericht der II. Kammer, Drucksache Nr. 140, S. 35 f. Zur Geschichte eingehend v. Hippel VDA III 472 ff.

Vor § 15

2. Abschnitt. Die Tat

Regelung geäußert (ZStW 80 (1968) 28 f, 37 ff, 122). Der Gesetzgeber hat diese Hinweise gern aufgegriffen und seine Askese mit der „Gefahr der Erstarrung der weiteren dogmatischen Entwicklung" begründet (BTDrucks. V/4095 S. 8 f)· Indessen steht die UnVollständigkeit des Gesetzes in bedenklichem Gegensatz zu dem Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB. Es erscheint kaum tragbar, die Lösung so grundsätzlicher und für die Strafbarkeit folgenreicher Fragen der Lehre und der Rechtsprechung mit den für sie unvermeidbaren Kontroversen zu überlassen 2 . Die dogmatische Entwicklung kann nicht auf Kosten der Rechtssicherheit geschützt werden. III. Systematik der §§ 1 5 - 1 8 StGB 5

Angesichts des fragmentarischen Charakters der Regelung kann eine Systematik nur im Ansatz sichtbar werden. Immerhin ist erkennbar, daß das Gesetz zunächst das Erfordernis von Vorsatz und Fahrlässigkeit im allgemeinen behandelt (§ 15), dann zum Tatbestandsirrtum übergeht, der in der Tat nur die Kehrseite des Vorsatzes darstellt und zugleich in der Regel Fahrlässigkeit bedeutet (§ 16). Der anschließend behandelte Verbotsirrtum (§ 17) hängt mit dem Tatbestandsirrtum wiederum nur durch das Merkmal des Irrtums zusammen. § 18 befaßt sich dagegen anläßlich einer besonderen Deliktsart erneut mit dem Erfordernis von Vorsatz und Fahrlässigkeit. Er stellt daher eine Sonderregelung gegenüber § 15 dar und wäre sachgemäß im Anschluß an diesen, wegen der möglichen Durchbrechung von dessen Regel (s. § 15 Rdn. 2 Anm. 1) am besten als dessen Satz 2 eingeordnet worden. Die Reihenfolge des Gesetzes beruht auf dem E 1962 (§§ 15—22). Er begründet die Hintanstellung der dem § 18 entsprechenden Vorschrift damit, daß sie „den Grundsatz des Schuldstrafrechts auch bei den sogenannten erfolgsqualifizierten Straftaten durchführt", „damit wie schon die vorausgegangene Vorschrift über den Verbotsirrtum zugleich Fragen der Schuld behandelt" und somit den sachgemäßen Übergang zu den folgenden Vorschriften über die Schuldunfähigkeit bilde (Begr. S. 123). Diese Auffassung ist auch unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Standes der Dogmatik nicht haltbar. Denn schon damals wurde die Fahrlässigkeit mehr oder weniger der Rechtswidrigkeit oder dem Tatbestand zugeordnet, während der Verbotsirrtum als reines Schuldproblem anerkannt war und zugleich in engem Zusammenhang mit den §§ 20, 21 StGB gesehen wurde (s. § 17 Rdn. 50). Im übrigen behandelt die entsprechende Vorschrift des E 1962 ebenso wie § 18 StGB die Fahrlässigkeit gar nicht substanziell, sondern lediglich als subjektive Voraussetzung der Strafbarkeit, so daß sich auch von hieraus die Einbeziehung in § 15 StGB ergibt. IV. Überblick über die Kommentierung

6

1. Die unter Rdn. 2 geschilderte fragmentarische Regelung bietet für die Kommentierung gewisse systematische Probleme, die zu starken Unterschieden im Standort der behandelten Sachfragen in der vorhandenen Kommentarliteratur geführt haben. Bald werden mehr oder weniger alle Probleme von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen des § 15 erörtert, während für § 16 nur noch Randprobleme übrig bleiben (so Lackner, Sch.-Schröder-Cramer), bald beschränkt sich umgekehrt die Kommentierung des § 15 auf dessen gesetzestechnische Funktion, während alle sachlichen Probleme von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Rahmen des 2

Ebenso Nowakowski Probleme der österreichischen Strafrechtsreform (1972), S. 13 f; Dreher Heinitz-Festschr. S. 207, 208, 227; Roxin JuS 1973 197, 202. (2)

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln (Schroeder)

§15

§16 behandelt werden (so der SK, wobei die Fahrlässigkeit als „Anhang zu § 16" behandelt wird), bald folgt eine Aufgliederung der Materie auf die §§ 15 und 16 (Dreher/Tröndle). In der folgenden Kommentierung werden unter § 15 nur die grundsätzlichen Probleme der Strafbarkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie ihr Verhältnis zueinander behandelt. Der Inhalt von Vorsatz und Fahrlässigkeit wird unter § 16 erläutert. Dort wird auch das übergreifende Schrifttum aufgeführt. 2. Wegen der Abschiebung weiter Teile von Vorsatz und Fahrlässigkeit in Tatbe- 7 stand und Rechtswidrigkeit einerseits, der Entdeckung anderer Schuldelemente durch den normativen Schuldbegriff andererseits sind die §§ 15 — 18 StGB nicht mehr wie früher (vgl. Mezger LK 8 § 59 Anm. 25, 26) der Ort für eine Darstellung der allgemeinen Schuldlehre. Diese wird vielmehr im L K ' ° von Jescheck Vor § 13 Rdn. 65 ff behandelt.

§15 Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Schrifttum S. bei § 16. Entstehungsgeschichte Eingefügt durch das 2. StrRG mit geringfügiger sprachlicher Veränderung gegenüber § 15 E 1962 und § 16 Abs. 1 AE. Vorläufer auch § 10 OWiG. Übersicht I. II. III.

IV.

Rdn. 1 3

Präzisierungsfunktion Gesetzestechnische F u n k t i o n Limitierungsfunktion 1. E i n s c h r ä n k u n g der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit 2. Keine Strafe o h n e Vorsatz oder Fahrlässigkeit Das kriminalstatistische Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit

5 6 7

Rdn.

V.

Das dogmatische Verhältnis zwischen Vorsatz u n d Fahrlässigkeit 1. Schwererbewertung des Vorsatzes . . 8 2. Plus-Minus- oder Aliud-Verhältnis? . 9 3. Vorsatz und Fahrlässigkeit als Deliktstypen 12 4. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen 13 5. N e u e Versuche zur Z u s a m m e n f a s sung 16

I. Präzisierungsfunktion Mit der Bestimmung, daß fahrlässiges Handeln nur bei ausdrücklicher Anord- 1 nung des Gesetzes strafbar ist und ein Schweigen des Gesetzes hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen automatisch in die klare Entscheidung für das Vorsatzerfordernis transformiert wird, beseitigt die Vorschrift eine Unklarheit des bisherigen Rechts (vgl. 9. Aufl. § 59 Rdn. 6). Sie dient damit dem vom Rechtsstaat über Art. 103 Abs. 2 GG geforderten Gebot der Gesetzesbestimmtheit, das auch die Bewußtseinsbeziehung zum Handeln umfaßt (BGHSt. 23 167, 171). Diese Funktion gilt — über Art. 1 EGStGB 1974 — vor allem für das Nebenstrafrecht (Sonderausschuß 5. Wahlp. S. 1633, 1775). (3)

§15 2

2. Abschnitt. Die Tat

Hierbei ist jedoch folgendes zu beachten : a) Für eine ganze Reihe von Tatbeständen, die sog. erfolgsqualifizierten Delikte, wird die erforderliche „ausdrückliche" Bedrohung der Fahrlässigkeit ihrerseits mittelbar durch die allgemeine Vorschrift des § 18 StGB vorgenommen 1 . b) Eine Form der Fahrlässigkeit ist auch die in zahlreichen Tatbeständen verlangte Leichtfertigkeit (s. näher § 16 Rdn. 208 ff)· Die Formulierung „ausdrücklich" in § 15 ist daher unglücklich; der „Ausdruck" Fahrlässigkeit braucht im Gesetz nicht verwendet zu sein, um die Strafbarkeit über das vorsätzliche Handeln hinaus zu erstrecken. c) Es gibt sowohl fahrlässigkeits- als auch vorsatzfreie Deliktsumstände. S. hierzu § 16 Rdn. 8 ff. d) Es gibt Merkmale mit spezieller Irrtumsregelung. S. hierzu § 16 Rdn. 56. e) Umgekehrt ist selbst bei „ausdrücklicher" Strafdrohung für fahrlässiges Handeln zu prüfen, ob dies wirklich hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale gilt oder ob nicht eine Auslegung ergibt, daß einzelne Tatbestandsmerkmale, insbesondere die eigentliche Handlung, ihrer Natur nach Vorsatz verlangen, finaler Natur sind. Dieser von RGSt. 48 321, 323 für das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit festgestellte Grundsatz muß auch für das neue Recht gelten. Mit Recht beschränkt die Literatur daher ζ. B. die Fahrlässigkeit bei § 163 StGB auf bestimmte „Bezugspunkte" (Maurach BT § 75 II D 2; Lackner § 163 2). Gegen eine derartige Einschränkung des § 21 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 StVG durch BayObLG VRS 32 144 allerdings BGH NJW 1972 1677; OLG Celle VRS 35 300. Grundsätzlich hierzu unter dem Gesichtspunkt des „teilweisen Tatbewußtseins bei Fahrlässigkeitsdelikten" Schmidhäuser 10/107.

II. Gesetzestechnische Funktion § 15 StGB hat außerdem eine gesetzestechnische Funktion: Er fügt in alle Tatbestände, in denen nichts über die subjektiven Voraussetzungen gesagt ist, das Vorsatzerfordernis ein. Damit erlaubt er umgekehrt dem Gesetzgeber, in den — weitaus überwiegenden — Fällen, in denen nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, diese Einschränkung nicht besonders zum Ausdruck bringen zu müssen. In etwas übertriebenem Perfektionismus hat der Gesetzgeber denn auch im EGStGB 1974 das Wort „vorsätzlich" in zahlreichen Einzeltatbeständen gestrichen (vgl. BTDrucks. 7/550 S. 191). 4 Aus § 15 StGB ergibt sich aber mittels eines Umkehrschlusses sogar, daß auch dann, wenn das Gesetz nur fahrlässiges Handeln mit Strafe bedroht, auch vorsätzliches Handeln strafbar ist. Dies entspricht auch dem materiellen Plus-Minus-Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit (s. u. Rdn. 8). Bei den einfachen fahr3

1

Backmann MDR 1976 969, 974 sieht hierin eine „Ausnahme von dem Grundsatz des § 15". Diese Auffassung ist dann zwingend, wenn der Ausdruck „das Gesetz" in § 15 StGB nicht das Strafrecht insgesamt, sondern den jeweiligen Einzeltatbestand meint. Für diese Auffassung spricht in der Tat § 16 Abs. 2 StGB, dagegen allerdings die Entstehungsgeschichte des § 2 StGB (näher F.-C. Schroeder Der zeitliche Geltungsbereich der Strafgesetze, Bockelmann-Festschr. S. 785 ff, 790 f)· In beiden Fällen bleibt eine beklagenswerte Widersprüchlichkeit des Gesetzes, im ersten Fall zwischen den §§ 15 und 18 StGB, im zweiten zwischen dem Gesetzesbegriff in den §§ 15 und 16 StGB! Im übrigen ist § 18 StGB nicht auf § 15 StGB abgestimmt und jedenfalls insofern eine „Ausnahme von § 15" (näher § 18 Rdn. 1). (4)

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln (Schroeder)

§15

lässigen Erfolgsdelikten ist diese Erwägung zwar bisher theoretisch, weil der Gesetzgeber in allen Fällen auch entsprechende Vorsatztatbestände geschaffen hat. Wichtig ist dieser Grundsatz aber für einige erfolgsqualifizierte Delikte, bei welchen der Gesetzgeber sich mit dem Erfordernis der Leichtfertigkeit hinsichtlich der schweren Folge begnügt hat (s. u. § 18 Rdn. 10). III. Limitierungsfunktion 1. Einschränkung der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit § 15 StGB schränkt die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit nicht endgültig ein. Denn 5 er läßt die Möglichkeit einer ausdrücklichen Einbeziehung der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit in die Einzeltatbestände offen. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in dem gleichzeitig in Kraft getretenen EGStGB 1974 in einigen Fällen Gebrauch gemacht (z. B. § 330 StGB, vgl. BTDrucks. 7/550 S. 191). Aber mittelbar besitzt die Vorschrift dadurch, daß sie den Gesetzgeber zur ausdrücklichen Aufnahme der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit in jeden einzelnen Tatbestand zwingt, auch eine diese Strafbarkeit limitierende Funktion. Mindestens läßt sie erkennen, daß der Gesetzgeber die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit als seltener als die des Vorsatzes ansieht. Das deutsche Strafrecht kennt daher weder eine generelle Strafbarkeit der Fahrlässigkeit bei allen Delikten (wie ζ. B. das Strafrecht der Sowjetunion) noch ein allgemeines crimen culpae (wie ζ. B. das spanische Strafrecht; s.u. § 16 Rdn. 3). Darin kommt zugleich zum Ausdruck, daß die Fahrlässigkeit als weniger strafwürdig anzusehen ist als der Vorsatz. In der Tat verfügt das Strafgesetzbuch nur über 23 reine Fahrlässigkeitstatbestände (§§ 97 Abs. 2, 163, 222, 230, 264 Abs. 3, 283 Abs. 4 Nr. 1, 283 Abs. 5 Nr. 1, §§ 283 b Abs. 2, 309, 310 a Abs. 2, 310 b Abs. 4, 311 Abs. 5, 314, 315 Abs. 5, §§ 315 a Abs. 3 Nr. 2, 315 b Abs. 5, 315 c Abs. 3 Nr. 2, 316 Abs. 2, 317 Abs. 3, 326, 330 Abs. 4, 330 a, 345 Abs. 2). Dem stehen — nach Abzug bloßer Qualifizierungen und Privilegierungen — rd. 225 Paragraphen gegenüber, die Vorsatztatbestände enthalten 2 . Das Verhältnis zwischen Vorsatz- und reinen Fahrlässigkeitstatbeständen beträgt also rd. 10:1. Dazu treten freilich noch 39 Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (s. dazu Rdn. 13 und § 18 Rdn. 31). 2. Keine Strafe ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeit Der Grundsatz, daß strafbar nur vorsätzliches Handeln ist, soweit nicht das 6 Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht, enthält mittelbar die Bestimmung, daß bei Fehlen von Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Strafbarkeit gegeben ist, was sich freilich auch aus dem Schuldgrundsatz ergeben würde (vgl. E 1962 Begr. S. 128), der seinerseits wieder auf dem Rechtsstaatsprinzip beruht (BVerfGE 20 323, 331; 25 269, 185). Das Reichsgericht hat diesen Grundsatz auch unter der Geltung der Analogievorschrift verteidigt (RGSt. 71 192, 195 f)· Über die Vorsatz- und Fahrlässigkeitsfreiheit einzelner Deliktsmerkmale s. § 16 Rdn. 8 ff. 2

(5)

Eine Zählung der in diesen Paragraphen enthaltenen Einzeltatbestände unterblieb, da der Unterschied zwischen Paragraphen mit mehreren Tatbeständen und Mischtatbeständen (vgl. Binding Die Normen und ihre Übertretung, 1. Bd., 3. Aufl. 1916, S. 205 ff) rein formal ist. Paragraphen, die — wie z. B. die §§ 315 ff — sowohl Vorsatz- als auch reine Fahrlässigkeitstatbestände enthalten, wurden bei dieser Gegenüberstellung doppelt berücksichtigt.

§15

2. Abschnitt. Die Tat

IV. Das kriminalstatistische Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 7

Die Einschränkung der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit gegenüber dem Vorsatz (s. o. Rdn. 5) hat keine Einschränkung der kriminalstatistischen Häufigkeit der Fahrlässigkeit gegenüber dem Vorsatz zur Folge gehabt. Denn bei den unter Strafe gestellten Tatbeständen überwiegt das fahrlässige Verhalten. So wurden 1978 in der Bundesrepublik einschl. West-Berlin 7 055 vorsätzliche, aber 9 485 fahrlässige Brandstiftungen polizeilich ermittelt. Bei den Tötungen betrug das Verhältnis zwischen den vorsätzlichen und den fahrlässigen Taten zwar 2 564 : 858, bei den Körperverletzungen 154 261 : 17 239. Doch ist hierbei zu berücksichtigen, daß die weitaus häufigste Begehungsweise einschlägiger Straftaten, nämlich der Straßenverkehr, von der polizeilichen Kriminalstatistik seit 1963 nicht mehr erfaßt wird. Ein vollständiges Bild ergibt sich insoweit nur hinsichtlich der Aburteilung. Die Zahl der abgeurteilten Personen betrug 1978 bei Tötung Körperverletzung

Vorsatz 844 41 179

Fahrlässigkeit 5 635 102 2323

V. Das dogmatische Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 1. Schwererbewertung des Vorsatzes 8

Wie sich aus der in § 15 zum Ausdruck kommenden Limitierung der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit (s. o. Rdn. 5), im übrigen aus der regelmäßig geringeren Strafdrohung für fahrlässiges Handeln ergibt, bewertet der Gesetzgeber das vorsätzliche Handeln als schwererwiegend als das fahrlässige. Nach der überkommenen Lehre ist dieses Übergewicht im Bereich der Schuld, nach der finalen Handlungslehre im Bereich der Rechtswidrigkeit anzusiedeln. Danach besteht „die dogmatische Funktion des Vorsatzbegriffes" darin, „schwerere und leichtere Unrechtsart bzw. Schuldform voneinander zu trennen" (Armin Kaufmann v. Weber-Festschr. S. 207, 213). 2. Plus-Minus- oder Aliud-Verhältnis?

9

Nach der Rechtsprechung und der h. L. stehen Vorsatz und Fahrlässigkeit aber wegen ihrer grundlegend anderen Voraussetzungen (Kenntnis — Unkenntnis) und der zusätzlichen normativen Voraussetzungen der Fahrlässigkeit nicht im Verhältnis des Mehr zum Weniger, sondern in einem Aliud-Verhältnis. Dieses soll insbesondere die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo" (BGHSt. 4 340, 343, 344 gegen RGSt. 41 389, 391), aber auch eine Wahlfeststellung unmöglich machen 4 . In der Tat können Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht hinsichtlich eines und desselben Tatbestandsmerkmals bejaht werden 5 . Es gibt lediglich ein „Grenzgebiet, auf 3

4 5

Errechnet aus: Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 1978 (1979), und: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Rechtspflege, Reihe 3, Strafverfolgung, 1978 (1979). Die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 226 StGB) wurde sowohl als fahrlässige Tötung als auch als vorsätzliche Körperverletzung gezählt. BGHSt. 17 210, 211 ff. Eingehend hierzu Tröndle LK § 1 Rdn. 100 ff; Wolter S. 154 ff. Ein Zusammentreffen ist allerdings möglich hinsichtlich unterschiedlicher Merkmale eines Tatbestandes (s. Rdn. 13), hinsichtlich mehrerer Erfolge einer Handlung sowie hinsichtlich in Tateinheit stehender unterschiedlicher Tatbestände (RGSt. 48 250, 251; RG DR 1943 753), ggf. auch über die Vermittlung eines dritten Delikts (BGHSt. 20 269, 273). (6)

Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln (Schroeder)

§15

welchem sich Vorsatz und Fahrlässigkeit derart eng berühren, daß ihre sichere Unterscheidung und Ermittlung im Einzelfalle häufig der menschlichen Erkenntnis entzogen sind" (RGSt. 41 389, 391)6. Auch kann aus dem Fehlen von Vorsatz nicht auf das Vorliegen von Fahrlässigkeit geschlossen werden 7 . Das zum Vorsatz führende sichere Wissen der Tatbestandsverwirklichung (s. § 16 Rdn. 81 ff) kann durch Zufall erlangt und damit normalerweise nicht erlangbar gewesen sein. Umgekehrt verbietet sich bei Bejahung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit die Prüfung der jeweils anderen Form, nicht allerdings bei bloßem Verdacht (RGSt. 59 83; OLG Hamburg JR 1950 409). Erst recht verbietet sich ein Rückgriff auf die Fahrlässigkeit, wenn — wie bei der Teilnahme am Selbstmord — das vorsätzliche Verhalten straflos ist (BGHSt. 13 162, 168). In diesem Fall ist argumento a maiore ad minus auch die festgestellte Fahrlässigkeit straflos (s. § 16 Rdn. 183 m. Nachw.). Dies spricht indessen ebensowenig gegen ein logisches Stufenverhältnis wie die 10 Tatsache, daß aus der Nichtbeweisbarkeit einer schweren Körperverletzung nicht ohne weiteres eine einfache gefolgert werden kann. Es gibt Sachverhalte, die einen solchen „Anlaß" zur Erkennbarkeit (s. § 16 Rdn. 138) enthalten, daß sie nur die Wahl zwischen der Annahme von Erkennbarkeit für oder positiver Kenntnis durch den Täter lassen. Neuerdings mehren sich daher die Stimmen für ein Stufenverhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit 8 . Die hier seit der 9. Aufl. vertretene Wiederannäherung von Vorsatz und Fahrlässigkeit nach Spezialisierung und Gegenstand (§ 16 Rdn. 3 ff) sowie die Reduzierung der Sorgfaltspflichtverletzung von einer positiven Voraussetzung der Fahrlässigkeit auf eine bloße Ausscheidung des erlaubten Risikos (§ 16 Rdn. 157 ff) sind geeignet, diese Auffassung zu unterstützen. Auch die Formulierung des § 18 StGB „wenigstens Fahrlässigkeit" spricht für diese Auffassung. Die Rechtsprechung umgeht die Folgen ihrer o. a. Auffassung dadurch, daß sie 11 alle Fahrlässigkeitstatbestände zugleich als Auffangtatbestände für nicht nachweisbar vorsätzliches Handeln ansieht (BGHSt. 17 210, 212 f). Damit traut sie die dem Richter verwehrte Zusammenfassung rechtsethisch und psychologisch unvergleichbarer Taten ungeniert dem Gesetzgeber zu; sie unterstellt sie ihm darüber hinaus und nimmt dabei in Wahrheit eine gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende Analogie vor {Maurach-Zipf AT 1 § 10 III 2; Wolter S. 86). 3. Vorsatz und Fahrlässigkeit als Deliktstypen Vorsatz und Fahrlässigkeit wurden früher als „Schuldarten", „Schuldformen", 12 „Schuldstufen" oder „Schuldelemente" zusammengefaßt 9 . Diese Zusammenfassung 6

7

8

9

(7)

Vgl. auch E 1962 Begr. S. 526. Anhand psychopathischer Fälle behauptet Wimmer ZStW49 (1929) 175, 684 sogar eine „volle und engste Berührung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit in ganzer Breite", eine „minimale psychische Differenz" und einen „vielleicht gar nicht so schmalen Grenzstreifen, wo wir die Frage nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht mehr exakt beantworten können". Er leitet hieraus die Forderung nach Beseitigung größerer Unterschiede im Strafmaß her. Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 4. Nicht einschlägig dagegen die immer wieder hierfür zitierte Entscheidung RGSt. 71 192, 195 f; s. dazu o. Rdn. 6. Hall aaO und Mezger-Festschr. S. 229, 241 ; Jakobs GA 1971 257, 260; Tröndle LK. § 1 Rdn. 101; Dreher/Tröndle Rdn. 19; Wolter Alternative und eindeutige Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage im Strafrecht. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1972), S. 98, 201 ff. So auch jetzt noch Baumann §§ 24 III, 26 ff; Schmidhäuser 8/34.

§15

2. Abschnitt. Die Tat

geriet schon dadurch ins Wanken, daß Exner{Das Wesen der Fahrlässigkeit [1910], S. 193) und vor allem Engisch S. 26 ff, 326 ff als wesentliches Merkmal der Fahrlässigkeit die Verletzung der objektiven Sorgfalt entwickelten, die ihren dogmatischen Sitz mindestens in der Rechtswidrigkeit haben mußte. Durch die finale Handlungslehre wurde die „Auflösung der Zwangsehe" zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit {Maurach Schuld und Verantwortung im Strafrecht [1948], S. 24) weiter vorangetrieben. Damit wurden Vorsatz und Fahrlässigkeit zu Grundlagen gänzlich unterschiedlicher Deliktstypen ( Welzel§§8 II, 11 ff, 18; Wessels AT § 15 I 1), „Grundformen" des strafbaren Verhaltens (Maurach-Zipf AT 1 §§ 14 II 1, 19 ff; Maurach-Gössel AT 2 §§ 42 ff; Jescheck vor § 24, vor § 54, § 54 I 3; Stratenwerth Rdn. 141, 145, 1081 0 mit Auswirkungen auf fast allen Stufen des Verbrechensaufbaus 10 . Diese Auffassung wird durch die moderne Strafgesetzgebung gefördert, die in § 15 von „vorsätzlichem" und „fahrlässigem Handeln" und häufig von „vorsätzlichen Straftaten" (z. B. §§ 48, 56 g, 66 StGB) oder „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Taten" (§§ 26, 27 StGB) spricht. 4. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen 13 Der unter Rdn. 12 geschilderten Auffassung steht jedoch vor allem entgegen, daß Vorsatz und Fahrlässigkeit in einem und demselben Tatbestand zusammentreffen können. „Klassischer Fall" sind — allerdings erst seit der gesetzgeberischen Klarstellung 1953 — die sog. erfolgsqualifizierten Delikte nach § 18. Ähnlich strukturiert sind die jüngeren Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination (s. § 18 Rdn. 5). Aber auch sonst gibt es Tatbestände, bei denen grundsätzlich Vorsatz erforderlich ist, hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale aber Fahrlässigkeit genügt (z. B. §§ 138 Abs. 3, 283 Abs. 4 StGB, § 5 EdelmG, § 18 UnedelmG). Darüber hinaus hat die Auslegung ζ. T. die „ausdrückliche Bedrohung" der Fahrlässigkeit nach § 15 auf einzelne Tatbestandsmerkmale eingeschränkt (s. o. Rdn. 2 a. E.). 14

De lege ferenda eröffnet sich mit dieser Tatbestandskonstruktion eine Möglichkeit, die durch die „eingeschränkte Schuldtheorie" entstehenden untragbaren Strafbarkeitslücken (s. § 16 Rdn. 52) zu stopfen, ohne zu der von Welzel § 22 II und JZ 1955 456 mit Recht perhorreszierten allgemeinen Erweiterung der Strafbarkeit auf fahrlässiges Handeln zu gelangen (vgl. § 158 E 1962; Schmidhäuser1 110/106). 15 Da sich die Pönalisierung der Fahrlässigkeit in diesen Tatbeständen nur auf außerhalb der Handlung liegende Erfolge oder Eigenschaften der Tatobjekte bezieht, ist der Wortlaut des § 15 auch insofern falsch (s. schon o. Rdn. 2). Hinsichtlich des Begriffs „vorsätzliche Tat" in den §§ 26, 27, 48, 56 g, 66 StGB versucht § 11 Abs. 2 StGB einen Ausweg, indem er die Erfolgsdelikte mit Vorsatz-FahrlässigkeitsKombination insgesamt als vorsätzliche Straftat bewertet. Dieser Ausweg ist jedoch sowohl dogmatisch als auch vom Gerechtigkeitsempfinden her fragwürdig (s. u. § 18 Rdn. 32).

10

Erstmals wohl bei Welzel Der Allgemeine Teil des deutschen Strafrechts in seinen Grundzügen (1940). v. Weber Grundriß des tschechoslowakischen Strafrechts (1929) und Zum Aufbau des Strafrechtsystems (1935) hat zwar die Selbständigkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Tatbestand herausgearbeitet, die beiden Formen aber anschließend wieder zusammengeführt. I»)

Irrtum über Tatumstände (Schroetter)

§16

5. Neue Versuche zur Zusammenfassung Die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (Rdn. 13) zwingen dazu, Vorsatz 16 und Fahrlässigkeit wieder stärker zusammenzuführen als bisher. Hinsichtlich der erforderlichen Spezialisierung und des Gegenstandes wird dies hier seit der 9. Aufl. (§ 59 Rdn. 15 ff) versucht (s. u. § 16 Rdn. 3 ff) 11 · Auch die Reduzierung der Sorgfaltspflichtverletzung von einer positiven Voraussetzung der Fahrlässigkeit zu einer bloßen Ausscheidung des erlaubten Risikos (9. Aufl. §59 Rdn. 176 ff; jetzt § 16 Rdn. 157 ff) wirkt sich dahingehend aus. Umgekehrt hatte sich schon Engisch S. 347 f darum bemüht, die Sorgfaltspflichtverletzung auch für die Vorsatzdelikte nachzuweisen. Vgl. auch Krauß ZStW 76 (1964) 45 ff; Jakobs G A 1971 257, 260. Neuerdings geht die Tendenz dahin, die Schuldseite des fahrlässigen Delikts so zu entlasten, daß sie strukturell derjenigen des Vorsatzdelikts gleicht. Armin Kaufmann ZfRV 1964 41 ff, 51 f erreicht dies durch einen Verzicht auf die Pflicht zur Voraussicht des Erfolgs und damit eine Beschränkung der Fahrlässigkeitsschuld auf die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit (zust. Welzel § 22 III 5). Mit der Einordnung der Sorgfaltspflichtverletzung in den Tatbestand entfallen auch bei der Rechtswidrigkeit alle Unterschiede ( Welzel § 18; Armin Kaufmann ZfRV 1964 41 ff, 46). Bei Stratenwerth Rdn. 1153 ff; Jakobs S. 138 f; Samson SK Anh. zu § 16 Rdn. 34 und Maurach-Gössel AT 2 § 44 ergibt sich das gleiche aus der Einordnung der subjektiven Anforderungen an die Sorgfaltspflichtverletzung in den Tatbestand. Bei Jakobs S. 34 ff, 47, 83 ist Oberbegriff von Vorsatz und Fahrlässigkeit die Vermeidbarkeit mit der Untergliederung in aktuell gesteuerte (beabsichtigte) und bloß steuerbare Folgen, die sich wiederum in bewußt steuerbare (schlicht vorsätzliche) und unbewußt steuerbare (fahrlässige) gliedern.

§16

Irrtum über Tatumstände (1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würde, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden. Schrifttum Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1930); Hall Fahrlässigkeit im Vorsatz (1959); v. Hippel Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum VDA 3 373; Jakobs Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt (1972); Kasielke-Lander-H.-D. Schmidt-Strauß Psychologische Aspekte zum Problem der Fahrlässigkeit und des Vorsatzes, Staat und Recht 1964 668 ; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip^ (1960); Krauß Erfolgsunwert und Handlungsunwert im Strafrecht, ZStW 76 (1964) 19; Krümpelmann Die strafrechtliche Behandlung des Irrtums, Deutsche strafrechtliche Landesreferate zum X. Internationalen Kongreß für Rechtsverglei-

11

(9)

Unzutreffend daher der Schluß von Triffterer Bockelmann-Festschr. 201, 205, 221, daß Elemente, die sowohl bei Vorsatz- als auch bei Fahrlässigkeitsdelikten gefordert und in gleicher Funktion eingesetzt werden, allgemeine Verbrechenselemente sein müssen.

§ 1 6

2. A b s c h n i t t . D i e T a t

c h u n g B u d a p e s t 1 9 7 8 ( B e i h e f t z u r Z S t W ) ( 1 9 7 8 ) , S . 6 f f ; Lorenz M e n s c h e n ( 1 9 6 4 ) ; Niese

Der Maßstab des einsichtigen

F i n a l i t ä t , V o r s a t z u n d F a h r l ä s s i g k e i t ( 1 9 5 1 ) ; Oehler

Z w e c k m o m e n t i n d e r r e c h t s w i d r i g e n H a n d l u n g ( 1 9 5 9 ) ; Roxin

Das

Z u r e c h n u n g i m S t r a f r e c h t , H o n i g - F e s t s c h r . S. 1 3 3 ; S p o r t u n d R e c h t , h r s g . v o n F.-C. u n d H. Kauffmann

( 1 9 7 2 ) ; Triffterer

objektive

G e d a n k e n zur Problematik der Schroeder

D i e „objektive Voraussehbarkeit" (des Erfolges und des

Kausalverlaufs) — unverzichtbares Element im Begriff der Fahrlässigkeit oder V e r b r e c h e n s e l e m e n t a l l e r E r f o l g s d e l i k t e ? , B o c k e l m a n n - F e s t s c h r . S. 2 0 1 ; Warda s t r a f r e c h t l i c h e n I r r t u m s l e h r e , J u r a 1 9 7 9 1, 7 1 , 1 1 3 , 2 8 6 ;

Wolter

allgemeines

Grundzüge der

Alternative und

eindeutige

Verurteilung auf mehrdeutiger T a t s a c h e n g r u n d l a g e im Strafrecht. Zugleich ein Beitrag Abgrenzung v o n Vorsatz und

Fahrlässigkeit im Strafrecht (1972);

Wolter

Adäquanz-

zur und

Relevanztheorie. Zugleich ein Beitrag zur objektiven Erkennbarkeit b e i m Fahrlässigkeitsdelikt, G A 1 9 7 7 2 5 7 ; Zielinski

H a n d l u n g s - u n d E r f o l g s u n w e r t i m U n r e c h t s b e g r i f f ( 1 9 7 3 ) . S. i m übri-

gen die A n g a b e n zu den einzelnen Abschnitten.

Entstehungsgeschichte Fassung durch das 2. StrRG. Abs. 1 nur eine modernere Formulierung von § 59 i. d. F. von 1871, dessen Abs. 1 (jetzt § 16 Abs. 1 S. 1) seinerseits aus dem preußischen StGB von 1851 stammt. Abs. 2 neugeschaffen.

Ubersicht Rdn. I. A l l g e m e i n e s 1. B e d e u t u n g d e r V o r s c h r i f t 1 2. F u n k t i o n v o n Vorsatz u n d Fahrlässigkeit 2 II. D e r G e g e n s t a n d von Vorsatz bzw. F a h r l ä s sigkeit 1. S p e z i a l i s i e r u n g u n d K o n k r e t i s i e r u n g a) T a t b e s t a n d s b e z o g e n h e i t 3 b) W e i t e r e K o n k r e t i s i e r u n g 4 c) T a t u m s t a n d s b e z o g e n h e i t 4 2. U m s t ä n d e , d i e z u m g e s e t z l i c h e n T a t b e stand gehören 5 3. U m s t ä n d e , d i e n i c h t z u m g e s e t z l i c h e n Tatbestand gehören a) A u ß e r t a t b e s t a n d s m ä ß i g e Eigens c h a f t e n ( e r r o r in p e r s o n a sive objecto — aberratio ictus — Objektwechsel) 8 b) c)

d)

e)

Der Kausalverlauf Die Rechtswidrigkeit (allgemein) aa) V o r s a t z - u n d S c h u l d t h e o r i e . . . bb) N e b e n s t r a f - u n d O r d n u n g s w i d rigkeitenrecht, Blankettgesetze cc) R e c h t s w i d r i g k e i t s m e r k m a l e in Einzeltatbeständen Das Unterfallen der Tatumstände unter den gesetzlichen Tatbestand (Subsumtionsirrtum) Tatsächliche Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen aa) G r u n d s ä t z l i c h e B e h a n d l u n g . .

17 36 38 40

41

47

bb) Kumulation mit A n n a h m e eines nichtexistenten Rechtfertigungsgrundes 53 cc) V o r l i e g e n a n d e r e r t a t s ä c h l i c h e r Voraussetzungen 54 dd) Zweifel 55

Rdn. f) g) h)

M e r k m a l e m i t spezieller I r r t u m s r e gelung 56 Die Schuldfähigkeit 57 Schuldausschließungsgründe aa) A n n a h m e nichtanerkannter S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e . . 58 bb) A n n a h m e der Voraussetzungen eines a n e r k a n n t e n Schuldausschließungsgrundes 59

i)

Strafausschließungs- und -aufhebungsgründe j) Objektive Strafbarkeitsbedingungen k) P r o z e ß v o r a u s e t z u n g e n 1) S t r a f b a r k e i t s b e g r ü n d e n d e M e r k male der echten Mischtatbestände des O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n r e c h t s . . 4. S t r a f e r s c h w e r e n d e U m s t ä n d e a) A l l g e m e i n e s b) V o r a u s s e t z u n g e n u n b e n a n n t e r Strafschärfungsgründe c) R e g e l b e i s p i e l e d) R ü c k f a l l 5. S t r a f m i l d e r n d e U m s t ä n d e a) I r r t ü m l i c h e A n n a h m e b) V e r k e n n u n g c) S u b j e k t i v g e f a ß t e M i l d e r u n g s gründe d) U n b e n a n n t e Strafmilderungsgründe e) A b s e h e n v o n S t r a f e u n d R e t o r s i o n . III. Vorsatz 1. W e s e n des Vorsatzes 2. F o r m e n des Vorsatzes a) A b s i c h t b) W i s s e n t l i c h k e i t

60 61 62

63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 74 76 81 (10)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder) Rdn. Bedingter Vorsatz aa) A b g r e n z u n g 85 bb) Rettungsabsicht 94 cc) Bedingter Vorsatz u n d G e f ä h r dungsvorsatz 95 dd) Denkgesetzlicher Ausschluß des bedingten Vorsatzes 96 ee) B e g r ü n d u n g im Urteil . . . . 97 d) Vorstellung der notwendigen Verb i n d u n g einer Tatbestandsverwirklichung mit e i n e m als ungewiß angestrebten Erfolg 98 e) Mitbewußtsein 99 3. „Bedingter Handlungswille" 101 4. Alternativvorsatz 106 5. Vorsatz u n d A f f e k t 107 6. Vorsatz u n d automatisierte bzw. Reflexhandlungen 110 7. Z e i t p u n k t des Vorsatzes a) Allgemeines 111 b) Zweiaktige Delikte 112 8. T a t b e s t a n d s i r r t u m 113 IV. Fahrlässigkeit 1. D e r legislative R a h m e n 116 2. Die beiden F o r m e n d e r Fahrlässigkeit a) G r u n d l a g e n 117 b) Die A b g r e n z u n g zwischen bewußter u n d u n b e w u ß t e r Fahrlässigkeit im einzelnen 118 c) Bewußte Fahrlässigkeit u n d Gefährdungsvorsatz 120 d) G l e i c h e r Unrechts- u n d Schuldgehalt 121 3. D e f i n i t i o n e n und K o n s t r u k t i o n e n im Überblick 122 4. Die Fahrlässigkeit als K e n n t n i s oder E r k e n n b a r k e i t d e r Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung a) Allgemeines 127 b) K e n n t n i s u n d E r k e n n b a r k e i t . . . . 1 2 8 c) Möglichkeit d e r Tatbestandsverwirklichung aa) Möglichkeit 129 bb) Typisierung der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung 130 cc) Spezialisierung d e r Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung 131 d) F a k t o r e n der E r k e n n b a r k e i t aa) Erforderlichkeit d e r Spezifizierung 132 bb) E r k e n n t n i s m i t t e l 133 cc) E r k e n n b a r k e i t der Erkenntnismittel 136 dd) Zeit 137 ee) D e r „Anlaß" 138 e) D e r Z e i t p u n k t d e r E r k e n n b a r k e i t aa) Allgemeines 139 bb) Fahrlässige Tätigkeitsübernahme 140 cc) Späterer Erfolgseintritt 143 f) Doppelter M a ß s t a b 144 c)

(11)

Rdn. Die E r k e n n b a r k e i t bei verkehrsgem ä ß e r Sorgfalt aa) Allgemeines 149 bb) D i f f e r e n z i e r u n g nach Verkehrskreisen 150 cc) Verkehrskreise mit herabgesetzten Sorgfaltsanforderungen 151 dd) G e n a u e P r ü f u n g der Faktoren der Erkennbarkeit 153 ee) D i f f e r e n z i e r u n g nach Rechtsgütern u n d G e f a h r n ä h e 154 h) Die E r k e n n b a r k e i t f ü r den Täter . . 1 5 5 i) Der Nachweis der E r k e n n b a r k e i t . 1 5 6 Sorgfaltspflichtverletzung — erlaubtes Risiko 157 Abstrakte G e f ä h r d u n g s v e r b o t e als Beweisanzeichen f ü r die E r k e n n b a r k e i t und U m r e i ß u n g des erlaubten Risikos . 159 Der Vertrauensgrundsatz a) Vertrauensgrundsatz u n d Sorgfaltspflicht 168 b) Vertrauensgrundsatz und Erkennbarkeit 169 c) G ü t e r a b w ä g u n g 170 d) Auslegung von T a t b e s t a n d s m e r k m a l e n abstrakter G e f ä h r d u n g s v e r bote 171 e) Der Vertrauensgrundsatz als Prinzip d e r Eigenverantwortlichkeit . . 172 f) A u s n a h m e n vom Vertrauensgrundsatz 173 g) U m k e h r u n g des Vertrauensgrundsatzes 175 h) A u s d e h n u n g über den Verkehrsbereich h i n a u s 176 H a n d e l n auf f r e m d e s Risiko — Einwilligung — Selbstgefährdung a) Sorgfaltspflicht 177 b) Einwilligung 178 c) Selbstgefährdung und-Verletzung .181 E r k e n n b a r k e i t u n d erlaubtes Risiko in bezug auf H a n d l u n g e n a n d e r e r 184 Erfolgseintritt auch bei nichtfahrlässigem Alternativverhalten a) A u s w i r k u n g e n der Fahrlässigkeitskonzeption 185 b) Die Unterlassungslösung 187 c) Die Z u s a m m e n h a n g s l ö s u n g e n . . . 188 d) Die Risikoerhöhungslösung 189 e) Relevanz hypothetischen Kausalverlaufs 185 f) E i n s c h r ä n k u n g e n 192 g) G r ö ß e r e r Schaden 194 E r k e n n b a r k e i t u n d erlaubtes Risiko in einzelnen Lebensbereichen a) S t r a ß e n v e r k e h r 195 b) Gesundheitswesen 197 c) Lebensmittelrecht 200 d) Bauwesen 201 e) Militärwesen 202 f) Sport 203 g)

5. 6.

7.

8.

9. 10.

11.

§ 1 6

§16

2. Abschnitt. Die Tat Rdn.

g) S o n s t i g e s 12. Straflosigkeit leichter Fahrlässigkeit a) Leichtfertigkeit

.207 208

Rdn. b)

A l l g e m e i n e Straflosigkeit leichter 215 Fahrlässigkeit? V. Vorsatz u n d Fahrlässigkeit bei d e n Unterlassungsdelikten 216

I. Allgemeines 1

1. Die Vorschrift behandelt — in negativer Formulierung — einen Ausschnitt aus den Voraussetzungen des Vorsatzes. Die schon bisher höchst unvollständige Regelung der Fahrlässigkeit ist zu einem bloßen Hinweis auf das „Unberührtbleiben" einer entsprechenden Strafbarkeit verkümmert (Abs. 1 S. 2). Die in Abs. 2 enthaltene Regelung der irrtümlichen Annahme der Voraussetzungen privilegierender Tatbestände wurde schon bisher aus der Regel des Abs. 1 hergeleitet (s. u. Rdn. 68). Zu den Gründen dieser Legislativaskese s. o. Vor § 15 Rdn. 4. Da aber § 16 die einzige Vorschrift des Strafgesetzbuches darstellt, die sich überhaupt mit dem Inhalt von Vorsatz und Fahrlässigkeit beschäftigt, muß versucht werden, den Inhalt dieser beiden subjektiven Grundvorausssetzungen der Strafbarkeit von hier aus unter Einbeziehung der Lehre und Rechtsprechung zu entwickeln. Weitere Fixpunkte für die Bestimmung von Vorsatz und Fahrlässigkeit ergeben sich aus anderen Vorschriften, insbesondere aus § 17, der die Unrechtseinsicht eigenen Regeln unterstellt.

2

2. Die gemeinsame Funktion von Vorsatz und Fahrlässigkeit ist im Gefolge der Aufspaltung in verschiedene Deliktstypen (s. § 15 Rdn. 12) weitgehend aus dem Blick geraten. Beide sind jedoch subjektive Grundvoraussetzungen der Strafbarkeit (s. Vor § 15 Rdn. 1). Da andere Faktoren der Vermeidbarkeit wie die generelle und die aktuelle Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht oder zum Handeln nach dieser Einsicht und Zwangslagen durch andere Rechtsinstitute erfaßt werden (§§ 17, 19, 20, 21, 35 StGB), besteht die Funktion von Vorsatz und Fahrlässigkeit offensichtlich darin, die Strafbarkeit auf solche Fälle zu beschränken, in denen die für die Steuerung des Verhaltens maßgeblichen Tatsachen der Kenntnis des Täters zugänglich waren.

II. Der Gegenstand von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit 1. Spezialisierung und Konkretisierung 3 a) Tatbestandsbezogenheit. Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen, wie sich aus § 16 StGB ergibt, auf einen bestimmten Tatbestand bezogen sein. Für den Vorsatz genügt daher — im Gegensatz zu im anglo-amerikanischen Rechtskreis vertretenen Lehren — nicht eine allgemeine deliktische Absicht (BGHSt. 10 35, 39; 17 259, 261). Allerdings läßt sich über die Formen des dolus eventualis (s. u. Rdn. 85 ff) und des Mitbewußtseins (s. u. Rdn. 99 f) eine erhebliche Bandbreite des Vorsatzes auf zahlreiche, wenn auch bestimmte, Tatbestände beziehen (vgl. Schröder JR 1968 305). Das gleiche gilt mutatis mutandis für die Fahrlässigkeit; das deutsche Recht kennt nicht ein allgemeines crimen culpae 1 . Das Erfordernis der Tatbestandsbezogenheit von Vorsatz und Fahrlässigkeit wird vor allem bei der actio libera in causa praktisch^. Nimmt der Täter irrtümlich die Umstände eines anderen Tatbestandes an, als er tatsächlich verwirklicht, so kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen 1

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Vgl. Binding Normen IV 323; Mezger Lb. § 46 II 3; Boldt ZStW 68 (1956) 367. - Anders ζ Β. Art. 565 spanisches StGB (hierzu Cordoba Roda ZStW 81 [1969] 425 ff). BGHSt. 17 259, 261 f; 21 381, 382 m. Anm. Schröder JR 1968 305, Cramer JZ 1968 273. ( 12)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Straftat nur in Betracht, wenn der vom Täter angenommene Tatbestand vollständig in dem von ihm verwirklichten Tatbestand enthalten ist oder umgekehrt (ζ. B. Wilderei — Unterschlagung, Diebstahl — Unterschlagung), sog. Plus-Minus-Verhältnis (Jagusch LK 8 §292 Anm. 6; abl. v. Lübbecke M D R 1974 119 ff; grundsätzlich F.-C. Schroeder GA 1979 321, 327). b) Weitere Konkretisierung. Im übrigen muß der Täter „die nach Gegenstand, 4 Zeit und Ort usw. bestimmte Zuwiderhandlung gegen ein Gesetz wenigstens in allen wesentlichen Beziehungen, wenn auch nicht mit sämtlichen Einzelheiten der Ausführung" in seine Vorstellung und seinen Willen aufgenommen haben (RGSt. 51 305, 311; 70 257, 258). Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine grobe, in ihren Auswirkungen noch ungeklärte Formel. Es muß für den Vorsatz ausreichen, daß der Täter das Tatobjekt nur gattungsmäßig bestimmt, daß ihm gleichgültig ist, welchen Menschen, welche fremde Sache er trifft, wer der Eigentümer ist 3 . Diese Möglichkeit wird bei der Erörterung des error in persona, der aberratio ictus und der Abweichung des Kausalverlaufs oft übersehen (Jescheck §29 V 6 ; Jakobs S. 99 Anm. 191; RGSt. 70 257, 258; BGH GA 1955 123); es handelt sich dabei jedoch nicht um die Frage, ob der Vorsatz konkretisiert sein muß, sondern ob bei einer Konkretisierung deren Nichteintritt den Vorsatz ausschließt (s. Rdn. 8 ff). Bei der Teilnahme sieht die Rechtsprechung vom Vorsatz hinsichtlich Ort, Zeit und sonstigen Modalitäten der Haupttat ausdrücklich ab (RGSt. 67 343, 344). Bei der Fahrlässigkeit besteht die Vorfrage, wie weit objektiv die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung konkretisiert sein muß. S. dazu Rdn. 131. Zu der hier einschlägigen Erkennbarkeit BGH NJW 1973 1379, 1382: Nicht ausreichend allgemeine Voraussicht möglicher Folgen ; erforderlich, daß gerade auch der eingetretene Erfolg als Ergebnis eines rechtswidrigen Handelns oder Unterlassens im Bereich dessen lag, was der Täter sich in dem Zeitpunkt vorstellen konnte und mußte, indem er sich zu entscheiden hatte, ob er handeln sollte oder nicht. Die hierbei zitierte Entscheidung BGHSt. 20 315, 321, 323 sagt allerdings explizit zu dieser Frage nichts. c) Tatumstandsbezogenheit. Vorsatz und Fahrlässigkeit sind nach § 16 StGB schließlich tatumstandsbezogen. Vorsatz des § 308 StGB liegt daher nicht vor, wenn der Täter Baumaterialien für landwirtschaftliche Erzeugnisse hält und umgekehrt, Fahrlässigkeit nach § 224 StGB nicht, wenn er zwar eine dauernde Entstellung, nicht aber den Verlust des Sehvermögens hätte erkennen können und umgekehrt (zahlreiche weitere Beispiele bei F.-C. Schroeder G A 1979 321 ff). Auch die Grundsätze der Wahlfeststellung sind hier entgegen RGSt. 35 285 und Wolff LK § 306 Rdn. 13 nicht anwendbar. Nur wenn das Gesetz die möglichen Angriffsformen oder Angriffsobjekte offensichtlich erschöpfend oder jedenfalls bis auf unbedeutende Randbereiche erfassen will, ist ein Irrtum über Tatbestandsalternativen unbeachtlich (eingehend F.-C. Schroeder GA 1979 321 ff)· 2. Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit sind erforderlich hinsichtlich der „Umstände, die 5 zum gesetzlichen Tatbestand gehören". Diese Formulierung ist unsinnig, da sie Faktizität und Normativität miteinander vermengt. Gemeint sind Umstände, die unter die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands fallen (vgl. auch Abs. 2!). Dieser Begriff ist umfassend. Darunter fallen die tatbestandsmäßige Handlung, das Tatobjekt, der Erfolg, besondere Tatmittel oder -modalitäten, besondere Erfor3

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Zutr. Bemmann M D R 1958 817, 818; Loewenheim JuS 1966 310, 313 f; Schröder JR 1968 305; Hillenkamp S. 88 ff; BGHSt. 21 381, 383.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

dernisse hinsichtlich der Tatzeit oder des Tatorts. Diese Umstände können sinnlich wahrnehmbar oder Gebilde der Gedankenwelt sein. Über den Wortlauf des § 16 Abs. 1 StGB hinaus müssen auch Tatbestandsmerkmale, die von der Rechtspr. zusätzlich zu den Merkmalen des gesetzlichen Tatbestands entwickelt worden sind, sog. ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, von Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit umfaßt sein (Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 16). 6

Ob zu den „Tatumständen" auch subjektive Tatbestandselemente gehören, ist umstritten 4 . Eine rein terminologische Frage ist es dagegen, ob man den Irrtum im Rahmen von Absichtsmerkmalen als Tatbestandsirrtum bezeichnet u n d § 16 StGB anwendet (so Hirsch J Z 1963 149 f Anm. 8; RGSt. 49 140, 143; 64 210, 213) oder aber die Absicht unmittelbar entfallen läßt (so BGH G A 1968 121). Wegen der Anführung des Merkmals „rechtswidrig" in einigen Absichtsmerkmalen bewährt sich die Verwendung der Kategorie des Tatbestandsirrtums auch hier (vgl. Schröder D R i Z 1956 69,71).

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Bei der Bestimmung der „Tatumstände" kann die Vergegenwärtigung der Rechtsfolgen bei dem Komplementärfall, der irrigen A n n a h m e bei objektivem Nichtvorhandensein, Hilfe leisten. Bei der irrigen A n n a h m e von Umständen, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, liegt nach h. L. ein strafbarer Versuch vor, während bei anderen Merkmalen ein strafloses Wahnverbrechen gegeben ist. Dieses Umkehrverhältnis, diese Reziprozität zwischen Tatbestandsirrtum und Versuch einerseits, Verbotsirrtum und Wahnverbrechen andererseits, wird nur hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen durch die strenge Schuldtheorie (s. Rdn. 47) durchbrochen (s. Roxin Offene Tatbestände S. 158 ff; Maurach N J W 1962 716, 717, 770 ff). Demgemäß überprüft die Rechtsprechung die Einordnung in die „Tatumstände" vielfach a n h a n d der Konsequenzen für die irrtümliche Annahme 5 . Im übrigen läßt sich nur negativ bestimmen, was nicht unter die „Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören" fällt. 3. Umstände, die nicht zum gesetzlichen Tatbestand gehören a) Außertatbestandsmäßige Eigenschaften (error in persona sive objecto — aberratio ictus — Objektwechsel) Schrifttum Backmann Die Rechtsfolgen der aberratio ictus, JuS 1971 113; Bemmann Zum Fall RoseRosahl, MDR 1958 817; Herzberg Aberratio ictus und abweichender Tatverlauf, ZStW 85 (1973) 867; Hillenkamp Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf (1971); Loewenheim Error in obiecto und aberratio ictus — OLG Neustadt NJW 1964 311, JuS 1966 310; Noack Tatverlauf und Vorsatz, Diss. Hamburg 1966. S. ferner die Schrifttumsangaben vor Rdn. 116. 4

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Dagegen Welzel NJW 1953 329 Anm. 14, Lb. § 13 I 5; Beling Lehre vom Tatbestand (1930), S. 12; Hegler Frank-Festgabe I S. 292 f; Sax JZ 1976 13 f, 84; Warda Jura 1979 74 ff. Dafür Engisch Mezger-Festschr. S. 133, Rittler-Festschr. S. 171 f. Vgl. noch Roxin Offene Tatbestände S. 109. Vgl. BGH St. 3 248, 255; 16 155, 160; OLG Stuttgart NJW 1962 65, 66; dazu Baumann NJW 1962 16; Maurach NJW 1962 716; Sax JZ 1964 241, 244; Schaffstein Festschr. OLG Celle (1961), S. 175; Foth JR 1965 366. Gegen den „Umkehrschluß aus § 59 (jetzt § 16) StGB" allerdings Spendel ZStW 69 (1957) 441, NJW 1965 1881, JuS 1969 314; Traub JuS 1967 113; Engisch Festschr. f. Heinitz (1972), S. 185 ff. (14)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

aa) Unbeachtlich sind im Tatbestand nicht genannte Eigenschaften von Perso- 8 nen oder Sachen, insbesondere die Eigenschaft als bestimmte Person oder die Zugehörigkeit einer Sache zu einer Person (error in persona sive objecto). Ein Irrtum hierüber führt nur zu einem Irrtum im Tatmotiv, der jedoch ebenfalls unbeachtlich ist. Auch bei der Fahrlässigkeit ist die fehlende Erkennbarkeit der Verletzung gerade dieser Person unbeachtlich. Das gleiche gilt aber auch für andere nicht zum Tatbestand gehörige Tatumstände: der Glaube, mit einem Stein zu werfen, während es sich in Wahrheit um einen Lehmklumpen handelt, oder den Schrotlauf statt des Kugellaufs eines Drillings zu betätigen (RGSt. 26 61), schließt den Vorsatz ebensowenig aus wie der Glaube, beim Erhängen trete der Tod durch Genickbruch ein, während er in Wahrheit durch Ersticken eintritt (error in instrumento sive modo). Entscheidend ist also, daß die genannten Eigenschaften nicht „zum Tatbestand gehören", nicht etwa, daß der Täter überhaupt einen Menschen töten wollte^ oder daß das vorgestellte und das getroffene Objekt gleichwertig sind 7 . Denn diese Auffassungen führen zwangsläufig auch bei der aberratio ictus zum Vorsatz, was von der ganz h. L. abgelehnt wird (s. u. Rdn. 9) 8 . Anders ist es jedoch, wenn die betreffenden Tatumstände zum gesetzlichen Tatbestand gehören wie z. B. die Eigenschaft des Opfers als Kind, Frau, Beamter usw., die Grausamkeit einer Tötung oder die Gefährlichkeit eines Werkzeugs. bb) Wenn der Täter dagegen ein konkret angezieltes Tatobjekt verfehlt, mit der 9 gleichen Handlung aber ein gleichwertiges Tatobjekt trifft (aberratio ictus), ist nach ganz h. L. kein Vorsatz, sondern allenfalls Fahrlässigkeit gegeben (hinsichtlich des verfehlten Ziels bleibt freilich zugleich ein Versuch übrig) 9 . Die Begründung hierfür ist allerdings schwieriger, als es zunächst erscheint, und vor allem durch neuere Untersuchungen über die Abweichung des Kausalverlaufs (s. u. Rdn. 25) wieder problematisch geworden. Hier liegt zwar auch eine „Abweichung des Kausalverlaufs" vor, jedoch mit einer spezifischen, weitergehenden Auswirkung, deren „Wesentlichkeit" andererseits erst zu begründen ist. Eine Konkretisierung des Vorsatzes ist entgegen Jescheck (§ 29 V 6 c) nicht erforderlich (s. o. Rdn. 4). Der Hinweis, daß der konkrete Vorsatz logisch und psychologisch nicht den allgemeinen Vorsatz umfaßt (Herzberg ZStW 85 [1973] 867, 878 ; Rudolphi SK § 16 Rdn. 33 ; Wessels § 7 IV 2), übersieht, daß es hier darum geht, den (in aller Regel) konkreten Einzelfall unter die zwangsläufig generalisierenden Tatbestandsmerkmale zu subsumieren, und bleibt die Begründung dafür schuldig, daß der Täter überhaupt einen generellen Vorsatz haben muß. Bemmann sieht darin, daß die Handlung „die Richtung verläßt", eine wesentliche Abweichung des Kausalverlaufs (MDR 1958 817,

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Nachw. für diese früher häufig vertretene Ansicht bei Bemmann M D R 1958 817. So Blei § 36 I 1 a; Jeschek § 29 V 6 a. Der Einwand, daß der Vorsatz, einen bestimmten Menschen zu töten, psychologisch und logisch nicht den Vorsatz umfasse, „einen" Menschen zu töten (Bemmann M D R 1958 817; Herzberg ZStW 85 [1973] 867, 878), übersieht dagegen wiederum, daß es hier darum geht, den (in aller Regel, s. o. Rdn. 4) konkreten Vorsatz unter die zwangsläufig generalisierenden Tatbestandsmerkmale zu subsumieren. RGSt. 2 335, 337; 3 384; 19 179, 180; 54 349, 350; 58 27, 28. Abw. nur v. WeberS. 75; Welzel § 13 I 3 d; Noll ZStW 77 (1965) 5; Loewenheim JuS 1966310; für persönlichkeitsunabhängige Rechtsgüter auch Hillenkamp S. 112 ff; früher M. E. Mayer Lehrbuch 1923 S. 330 f; Beling S. 325; Frank § 59 III 2 c; Liszt-Schmidt § 40 II 1 b ß\ weit. Nachw. bei Bemmann M D R 1958 818.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

818 f; ähnlich Backmann JuS 1971 113, 118). Diese naturalistische Auffassung müßte indessen einerseits auch ohne aberratio auf ein anderes Objekt jede „Richtungs-Abweichung" des Kausalverlaufs als wesentlich ansehen, andererseits bei einer „aberratio" durch Dazwischenspringen eines anderen den Vorsatz bejahen. Nach Jakobs entspricht die nicht gesehene Abweichungsgefahr nicht der gesehenen Verletzungsgefahr (S. 99). Wolter ZStW 89 (1977) 649, 650 Anm. 5 vermißt die Kenntnis der Gefährlichkeit in Richtung auf das verletzte Objekt, die jedoch durchaus gegeben sein kann. Die Erklärung für den Fortfall des Vorsatzes bei der aberratio ictus liegt vielmehr darin, daß der Täter gezeigt hat, daß er die Kausalfaktoren nicht so beherrscht, wie es für eine vorsätzliche Vollendung erforderlich wäre. Sein Angriff ist fehlgegangen; die Verletzung des anderen, gleichwertigen Objekts beruhte nur auf einer ungewöhnlichen Konstellation von Umständen, die der Täter bestenfalls hätte erkennen können. 10 Auch die Tatsache, daß dem Täter die Verletzung des anderen Objekts — nachträglich — genau so recht ist, macht sie nicht zur bewußt gesteuerten Verletzung, sondern ist ein unbeachtlicher dolus subsequens. Der von Roxin (WürtenbergerFestschr. 109, 123) hierfür ins Spiel gebrachte Begriff der „Planverwirklichung" läuft entweder auf einen dolus subsequens oder eine Ersetzung des konkreten Vorsatzes durch einen Gattungsvorsatz hinaus. Zu erwägen wäre daher allenfalls, schon vor der Tat anzusetzen und die unmotivierte Konkretisierung des Täters für unbeachtlich zu erklären. Im übrigen ist ein Mittel für die Erfassung der nicht ausreichend motivierten Spezifizierung des Tatobjekts auch die Versagung der nur fakultativen Strafmilderung beim Versuch. 11

cc) Die Abweichungsmöglichkeiten und die damit verbundenen rechtlichen Probleme potenzieren sich, wenn es nicht um punktförmige Abgriffsobjekte wie das Leben oder das Eigentum geht, so daß Abweichungen immer eine andere Person erfassen, sondern um großflächige Angriffsobjekte wie Sachen oder den menschlichen Körper. Diese Fälle sind bisher nur wenig erörtert. Während vielfach weitgehend eine unwesentliche Abweichung des Kausalverlaufs angenommen wird'O, plädieren andere immerhin bei gefährlicheren Verletzungen als vorgestellt für eine wesentliche Abweichung' 1 . Wenn man mit der h. L. bei der aberratio ictus auf eine andere Person oder Sache den Vorsatz verneint (s. o. Rdn. 9), kommt man kaum umhin, ihn auch bei der aberratio in bezug auf einen anderen Körper- oder Sachteil abzulehnen. Wer eine Fensterscheibe einwerfen will, aber statt dessen die in die Hauswand eingemauerte Mutter Gottes trifft, begeht nur eine versuchte und eine fahrlässige Sachbeschädigung. Andernfalls müßte der unsorgfältige Notwehrexzeßtäter immer wegen Vorsatz haften. Bisher hat auch wohl niemand den Arzt, der statt der Haut versehentlich einen wichtigen Nerv durchtrennt, wegen vorsätzlicher Körperverletzung verantwortlich gemacht. RGSt. 73 257 hat einen Lehrer, der einer Schülerin mit einem leichten Buch auf den Kopf schlagen wollte, ihr dabei aber das Auge ausschlug, nur wegen fahrlässiger Körperverletzung bestraft. Die „Wesentlichkeit" der Abweichung kann kaum nach dem Motiv des Handelnden bestimmt werden. Vgl. noch den Sachverhalt OLG Bremen MDR 1959 771: Versuch eines

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OLG Bremen M D R 1959 777; Noack S. 59; Schröder JR 1971 207; Backmann JuS 1971 113, 118 (der Hinweis auf das Verbleiben „innerhalb ein- und derselben Kausalrichtung" bleibt völlig unbegründet); F.-C. Schroeder Sport und Recht S. 25 und LK 9 § 59 Rdn. 29; Horn SK § 223 Rdn. 24; Schmidhäuser 10/47; Wolter ZStW 89 (1977) 649, 663. H Stree GA 1960 291 ; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 55. (16)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Mohammedaners, einer Frau wegen einer Beleidigung eine „Marke" im Gesicht beizubringen, führt nur zu Verletzungen am Hals. Freilich wird hierbei das Problem der Fragwürdigkeit „unmotivierter" Vorsatzkonkretisierungen (s. o. Rdn. 10) noch akuter. Bei Bagatellabweichungen wird der Täter jedoch in aller Regel dolus eventualis (s. u. Rdn. 85 ff) oder Mitbewußtsein (s. u. Rdn. 99 ff) haben. Der error in objecto (der Täter will dem schlafenden Opfer das Gesicht verunstalten, verwechselt es aber in der Dunkelheit mit dem Hinterkopf) ist selbstverständlich auch hier unbeachtlich. Für § 225 StGB bedeutet diese Auffassung, daß der Körperverletzungsvorsatz 12 jedenfalls bei Eintritt anderer schwerer Folgen ausgeschlossen isti 2 . Das gleiche muß aber nach den o. a. Grundsätzen auch gelten, wenn die gleiche Folge an einem anderen Körperteil als geplant eintritt (z. B. Entstellung am Halsansatz statt im Gesicht) 13 . dd) Zielt der Täter das Handlungsobjekt nicht unmittelbar an, sondern schaltet 13 er technische Mittel dazwischen (Zeitbombe, Absenden eines Paketes mit vergiftetem Schnaps an den Ehemann, Telefon bei der Beleidigung), so bleibt die Identität des Opfers wiederum außerhalb des Vorsatzes; wird ein anderer getroffen, so liegt ein unbeachtlicher error in persona sive objecto vor (so im Ergebnis auch Backmann JuS 1971 113, 119; Blei AT § 36 I 1 c, jedoch mit einer nicht überzeugenden Unterscheidung zwischen „Zufall bei den üblichen Aberrationsfällen" und hier bestehender Gewißheit). Dieser Gedanke war auch bei OLG Neustadt NJW 1964 311 zu beachten. ee) Die h. L. und Rechtsprechung halten den error in persona sive objecto auch 14 beim Teilnehmer und Mittäter für unbeachtlich 14 . Hiergegen erhebt sich für den Anstifter seit einiger Zeit begründeter Widerspruch insbesondere mit dem Argument, der Anstifter könne bei einem anschließenden Vorgehen gegen das richtige Handlungsobjekt nicht Anstifter zu zwei Taten sein 15 . Roxin lehnt auch eine Mittäterschaft ab (aaO S. 287). Der error in persona des Tatmittlers ist schon mehrfach als aberratio ictus beim Hintermann bewertet worden ( Welzel § 13 I 3 d γ\ Baumann § 27 I 2 b bei Gutgläubigkeit des Tatmittlers auch Sch.-Schröder-Eser § 25 Rdn. 36). Diese Ansätze sind zu dem Grundsatz zu erweitern: für Beteiligte, die mit dem Täter nur durch ein geistiges Band (Veranlassung bei der Anstiftung und der mittelbaren Täterschaft, gemeinsamer Tatentschluß bei der Mittäterschaft) verbunden sind, wird der error in persona des Ausführenden zu einer aberratio ictus mit der Folge fahrlässiger Täterschaft, zu der allerdings eine Beteiligung am Versuch hinzutritt (so jetzt auch Hillenkamp S. 49 ff). Dies gilt natürlich nicht für den Fall, daß der Veranlasser den error in persona bewußt einplant. Hier verbleibt es bei der vorsätzlichen Anstiftung oder mittelbaren Täterschaft (s. Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter [1965], S. 146).

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Maurach-Schroeder 1 § 9 II C 2, allerdings nur hinsichtlich der schweren Folge. Einschränkend Hirsch LK 9 § 225 Rdn. 3; Horn SK § 225 Rdn. 4. Α. A. OLG Bremen M D R 1959 777; Horn SK § 225 Rdn. 4. Preuß. Obertribunal GA 1859 332; BGHSt. 11 268; Schröder JR 1958 428; Backmann JuS 1971 119 f. Bemmann MDR 1958 820; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft 3 (1975), S. 215; Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972), S. 57 f.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

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ff) Die gleichen Erwägungen gelten für die actio libera in causa, da auch hier der Täter im Zeitpunkt der Tatausführung mit sich im Zustand der Vollverantwortlichkeit nur durch ein geistiges Band verbunden ist, wie überhaupt die actio libera in causa vielfach als Fall der mittelbaren Täterschaft angesehen wird 1 6 . Der error in persona im Zustand der actio libera in causa ist daher, wenn er durch den unfreien Zustand hervorgerufen ist, eine aberratio ictus 1 7 .

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gg) Nach den gleichen Grundsätzen wie die aberratio ictus ist auch die Abänderung eines auf ein bestimmtes Objekt konkretisierten Vorsatzes bei den mehraktigen Delikten (s. dazu auch Rdn. 112) zu entscheiden. Wer daher zwei Mädchen betäubt, um die eine unbeobachtet durch die andere geschlechtlich zu mißbrauchen, sich nach der Betäubung aber dem anderen Mädchen zuwendet, ist nicht wegen Vergewaltigung, sondern nur wegen Sexuellen Mißbrauchs Widerstandsunfähiger strafbar. Wer einbricht, um eine bestimmte Sache zu stehlen, sich dann aber für eine andere Sache entscheidet, erfüllt nicht das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB 1 8 . b) Der Kausalverlauf Schrifttum Maiwald D e r „dolus generalis". Ein Beitrag zur Lehre von der Z u r e c h n u n g , ZStW 78 (1966) 30; Maurach A d ä q u a n z der Versuchung oder der Fahrlässigkeit, G A 1960 97; H. Mayer Das Problem des sogenannten dolus generalis, J Z 1956 109; Roxin G e d a n k e n zum „ D o l u s Generalis", Wiirtenberger-Festschr. 109; Wolter Der Irrtum über den Kausalverlauf als Problem objektiver Erfolgszurechnung, Z S t W 89 (1977) 649.

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Nach der Rechtsprechung sind Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf unbeachtlich, die „unerheblich" (RGSt. 70 257, 258; BGH GA 1955 123, 125), „gering" sind (BGHSt. 14 193, 194), „sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen" (BGH GA 55 123, 125; BGHSt. 7 325, 329).

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Diese Rechtsprechung hat sich allerdings vornehmlich an den Fällen der Erfolgsherbeiführung auf Grund irrtümlicher Annahme eines bereits erfolgten Erfolgseintritts und des unerwarteten Eintritts der Schuldunfähigkeit vor der Tatvollendung, d. h. von unerwarteten Defekten beim Täter selbst entwickelt. Abgesehen von diesen besonderen Fallkonstellationen bietet die Rechtsprechung überraschend wenige Beispiele. RGSt. 70 257, 258 nennt den Fall: Tötungsversuch mittels Beilhieben, Todeseintritt durch Wundinfektion nur als abgrenzendes Beispiel. BGHSt. 9 240; Unbeachtlichkeit des Fallens des Verdachts auf einen anderen bei der falschen Anschuldigung (§ 164 StGB) erweckt Bedenken, da auch nach dem BGH die Ehre des anderen wenigstens auch Rechtsgut des § 164 ist; dementsprechend ist diese Entscheidung auch vielfach i. S. einer Unbeachtlichkeit der aberratio ictus schlechthin ( Welzel § 13 I 3 d 5 Stratenwerth ZStW 71 (1959) 51, 56 u. ö.; Gallas Ndschr. XII 111 ; Germann SchwZStR 77 371; Roxin JuS 1964 53, 60 f; Lackner § 15 II 3 b aa; Grünwald Festschr. H. Mayer S. 288; Wolter S. 178 f. 106 Vgl. aber BGE 86 IV 17 und Germann SchwZStR 77 378 ff. 107 § 18 Abs. 2 E 1962; Welzel § 13 I 2 c a. E.; Philipps ZStW 85 (1973) 27, 30 f Anm. 7. Aus der Praxis s. BGH VRS 36 20, 22. 104

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§16

2. Abschnitt. Die Tat

Formel, daß der Täter sich „um des erstrebten Ziels willen" mit dem Erfolg abfindet (BGH NJW 1963 2237; Ambrosius S. 54; Germann SchwZStR 77 379), besagt nichts, da der Täter auch bei der bewußten Fahrlässigkeit um seines Zieles willen handelt. 91 In der letzten Zeit ist mehrfach versucht worden, den dolus eventualis mit Hilfe der Entscheidungstheorie zu begreifen und zu bestimmen. Die diesbezüglichen Versuche in der DDR sind allerdings als gescheitert anzusehen. § 6 Abs. 2 StGB der DDR verlangt lediglich eine „Entscheidung zum Handeln", wobei sich der Täter mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung „bewußt abfindet" 108 . Nach Philipps ZStW 85 (1973) 27, 38 soll Vorsatz vorliegen, wenn der Handelnde sich bewußt für ein Verhalten entscheidet, das mit der Rechtsordnung — und beim bedingten Vorsatz: mit einer in der Rechtsordnung geltenden Risikomaxime — unverträglich ist. Diese Auffassung schein allerdings darauf hinauszulaufen, alle Fälle der bewußten Eingehung eines nicht erlaubten Risikos dem bedingten Vorsatz zuzuschlagen. Der Begriff der Entscheidung wird ferner verwendet von Roxin JuS 1964 53, 58 ff; Stratenwerth ZStW 71 (1959) 51, 56, 60 und Lb. Rdn. 253, 304, 305. 92 Die Einwilligungstheorie ist eine Ausweitung des Willenselements, die Wahrscheinlichkeitstheorie eine Ausweitung des Wissenselements des Vorsatzes (s. o. Rdn. 74). Besteht der direkte Vorsatz aus Wissen und Wollen und umfaßt dementsprechend die beiden Formen des Anstrebens und des sicheren Wissens (s. o. Rdn. 81), so liegt es auf der Hand, für den dolus eventualis die beiden Formen des dolus directus, das Anstreben und das sichere Wissen, entsprechend auszuweiten und damit entweder ein Billigen oder aber eine zwischen sicherem Wissen und bloßem FUr-möglich-Halten stehende Erfolgsvorstellung ausreichen zu lassen. Wer den Erfolgseintritt für wahrscheinlich, „leicht möglich" hält, kann sich nicht durch eine bloße seelische Verdrängung vor dem Vorsatz „drücken", sondern muß durch den Einsatz von Gegenfaktoren die objektive Gefahrlage verändern (vgl. BGH NJW 1968 660, 661; Armin Kaufmann ZStW 70 (1958) 64 ff), durch kompensierende Verhaltensbemühungen die Gefahrsituation entschärfen (R. Schröder-D. Seidel NJ 1972 198, 202 f)· Der — somit auch hier vorgenommenen — Einbeziehung der Wahrscheinlichkeit wird entgegengehalten, daß die Grenze zur Möglichkeit zu unbestimmt sei (Germann SchwZStR 77 361 ; Jescheck § 29 III 3 d aa). Indessen ist die Grenze zwischen dem „sicheren" Wissen und dem Für-möglich-Halten ebenfalls fließend (vgl. Mezger LK 8 § 59 II 19 b, 20 a; Armin Kaufmann ZStW 70 [1958] 80 0, und außerdem arbeitet die Rechtsprechung seit langem mit dem Gefahrbegriff. Ein wichtiges Indiz für das Für-wahrscheinlich-Halten ist die vorherige Ausprobierung weniger gefährlicher Ausführungsweisen (vgl. BGHSt. 7 363). Die Rechtsprechung steht der Wahrscheinlichkeitstheorie näher, als sie zugibt. Es wurde schon erwähnt, daß sie das „Billigen" zu einem „Billigen im Rechtssinn" erweitert, das weitgehend einer Wahrscheinlichkeitsvorstellung gleichkommt (vgl. BGHSt. 7 363). Bei dem Schutzalter von Jugendlichen begnügt sie sich mit der „Vorstellung der Möglichkeit" der Unterschreitung (BGH NJW 1953 152; BayObLG MDR 1963 333), ebenso bei der Unbescholtenheit nach § 182 a. F. StGB 108 Vergebliche Versuche zur Effektivierung der Entscheidungstheorie bei Lekschas-Miirbe in: Strafrecht der DDR. Lehrkommentar zum StGB (1969), § 6 Anm. 2, 3; R. Schröder-D. Seidel NJ 1972 198; Lekschas-Seidel-Dettenborn Studium zur Schuld (1975), S. 57 ff. Vgl. schon o. Rdn. 74. Eingehend F.-C. Schroeder Jahrb. f. Ostrecht XIV/1 (1973), S. 9 ff. (48)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

(BGH NJW 1951 530). Bei der Notzucht und Gewaltunzucht, bei der die Einwilligung nach der abzulehnenden, aber h. L. die Tatbestandsmäßigkeit und damit ein diesbezüglicher Irrtum den Vorsatz ausschließt, verlangt die Rechtsprechung sogar, daß sich der Täter über die Einwilligung Gewißheit verschafft hat (RG JW 1935 2734; BGH GA 1956 316; zust. Maurach GA 1956 305). BGH VRS 16 351 hält hinsichtlich aller gegebenen, vom Täter nicht beeinflußbaren Tatsachen (vgl. dazu schon o. Rdn. 74, 78, 82), insbesondere der Verursachung eines nicht unerheblichen Schadens bei § 142 StGB, das bloße „Rechnen mit" für ausreichend (vgl. auch BGH VRS 4 55; OLG Celle NJW 1956 1330; Härtung JZ 1953 398). Sämtliche auf die Billigung oder Voraussicht der Tatbestandsverwirklichung 93 abstellenden Definitionen des dolus eventualis müssen zwangsläufig die Fälle ausschließen, in denen dem Täter die Tatbestandsverwirklichung völlig gleichgültig ist und er sich daher auch über die „Ernstlichkeit" oder Nähe der Gefahr gar keine Gedanken macht. Auf den Hinweis auf die Gefahr oder den Gedanken an sie folgt hier die Reaktion „Daran kann ich jetzt nicht denken!". Zu denken ist ferner an Fälle absoluter Gleichgültigkeit wie bei der lebensgefährdenden Quälerei von KZInsassen. Andererseits passen hierauf aber auch nicht die Umschreibungen der bewußten Fahrlässigkeit als „Hoffen" oder „Vertrauen" auf das Ausbleiben des Erfolgs. In der Einbeziehung dieser Fälle in den dolus eventualis, ja in ihrer Erfassung überhaupt, liegt das Verdienst der Gleichgültigkeitstheorie (Exner S. 131; Engisch S. 186 ff), deren Verwendung zur generellen Umschreibung des Vorsatzes allerdings zu der Konstruktion einer „relativen Gleichgültigkeit" gezwungen ist (Engisch S. 198, 233). Den gleichen Effekt wie die Gleichgültigkeitstheorie erreichen Armin Kaufmann (ZStW 70 [1958] 75) und Lampe (Das personale Unrecht [1967], S. 197) mit dem Erfordernis des Einsatzes von Gegenfaktoren bzw. des Einsatzes überhaupt und Philipps (ZStW 85 [1973] 39) durch die Aufstellung „strikter Risikoregeln" für sozial unerwünschte oder überflüssige Handlungen. Aus der Praxis RG HRR 1928 Nr. 791; RGSt. 65 127; BGHSt. 2 150, 156; BGH NJW 1960 1821, 1822 (mit untauglichem Versuch, die Gleichgültigkeit als „Einverständnis" mit dem tatbestandsmäßigen Erfolg anzusehen); abl. BGH NJW 1953 152; 1968 660, 661. Bedenklich unsicher erscheinen die Versuche, in diesen Fällen hypothetisch auf die Einstellung des Täters bei Nichtgleichgültigkeit (Stratenwerth Rdn. 306) oder auf seine Wahrscheinlichkeitseinschätzung (E. A. Wolff Gall as-Fest sehr. S. 225; Haft ZStW 88 [1976] 385) abzustellen. Bedingter Vorsatz ist somit gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und billigt, für wahrscheinlich hält oder ihr völlig gleichgültig gegenübersteht. bb) Rettungsabsicht. Die Absicht, ein Rechtsgut zu retten, verdrängt allerdings 94 die Möglichkeit eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich seiner Verletzung. Wer ein Tier erschießen will, das sein Kind angefallen hat, und sein Kind trifft, hat keinen Tötungsvorsaz. Der Grundsatz ist ferner wichtig für den ärztichen Heileingriff 1 0 9 . Hierzu bedarf es weder eines Rückgriffs auf das Merkmal der „Billigung" 1 1 0 noch einer generellen Verlagerung der Bestimmung des dolus eventualis auf die Bewer-

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Vgl. Maurach-Zipf 1 § 22 III Β 3 a. E.; Maurach-Schroeder 1 § 8 II 3; Bockelmann recht des Arztes (1968), S. 70 f. So Mezger S. 345; Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 10; Blei AT § 35 II 2 b.

Straf-

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2. Abschnitt. Die Tat 111

tung des Tatmotivs . Eine Rechtfertigung 1 1 2 versagt bei einem Putativnotstand, wenn z. B.der Hund mit dem Kind nur spielen wollte. Dieser Fall unterscheidet sich von der allgemeinen Annahme einer rechtfertigenden Sachlage, die auch die Verletzung anderer Rechtsgüter als des geretteten gestattet 1 1 3 . 95

cc) Bedingter Vorsatz und Gefährdungsvorsatz. Wenn auch die These, daß der dolus eventualis ein Gefährdungsvorsatz sei, keinen Einwand gegen diese Form des Vorsatzes bilden kann (Engisch S. 187), so ist sie doch insofern bedeutsam, als sie dazu führen müßte, daß bei den Gefährdungsdelikten umgekehrt ein dolus eventualis nicht möglich ist (vgl. Engisch S. 405 ff). Gewiß darf die Gefahr nicht als reales Ereignis verselbständigt oder auf einzelne gefährliche Umstände isoliert werden (Engisch S. 406 f gegen v. Hippel VDA 3 529 Anm. 4). Indessen verlangt der Begriff der Gefahr nach h. L. eine Wahrscheinlichkeit, ein Naheliegen des Erfolgseintritts 1 1 4 . Damit sind seine Voraussetzungen strenger als das bloße Für-möglich-Halten beim dolus eventualis. Der Täter kann daher auch eine Gefahr als Naheliegen des Erfolgseintritts mit dolus eventalis für möglich halten 1 1 5 . Zum Vorsatz der Gefahr s. im übrigen BGHSt. 22 67, 73 ff. Danach schließt die Annahme einer plötzlichen Wendung, etwa durch Schutzmaßnahmen des Bedrohten (hier: Beiseitespringen des mit dem Kraftfahrzeug bedrohten Polizeibeamten), die Gefahr nicht aus, vielmehr wird hier die Gefahr als Nötigungsmittel eingesetzt. Andererseits reicht die bloße Teilnahme am Straßenverkehr in Trunkenheit nicht aus, einen Vorsatz der konkreten Gefährdung zu begründen (OLG Celle NJW 1955 1331; OLG Hamm NJW 1964 1418). Bei Kraftfahrern werden sogar wegen der Selbstgefährdung in der Regel ein Bewußtsein der Gefahr oder eine Einwilligung nicht vorliegen 1 1 6 .

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dd) Denkgesetzlicher Ausschluß des bedingten Vorsatzes. In einer Reihe von Fällen ist der bedingte Vorsatz schon nach logischen Grundsätzen ausgeschlossen. Eine eigene innere Tatsache kann der Täter nicht mit bedingtem Vorsatz vortäuschen (RGSt. 30 333; OLG Hamm GA 1957 220; KG VRS 37 438). Dagegen kann ein Schuß, mit dem der Täter einen Polizeibeamten in Deckung zwingen und am Weiterschießen hindern will, gezielt und von der Vorstellung eines möglicherweise tödlichen Erfolges getragen sein (BGH bei Dallinger M D R 1974 547). S. ferner o. Rdn. 74 a. E.

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ee) Begründung im Urteil. An die Begründung des bedingten Vorsatzes im tatrichterlichen Urteil stellen die Revisionsgerichte strenge Anforderungen, insbeson111

So Bockelmann Täterschaft und Teilnahme (1949), S. 24 Anm. 44 = Untersuchungen (1957), S. 53 Anm. 44; vgl. aber jetzt Strafrecht des Arzts (1963), S. 70 f. 112 H. Mayer(\953), S. 253; WelzelUm die finale Handlungslehre (1949), S. 21 und Lb. § 13 I 2 c βßß\ Schmidhäuser 10/94; Wolter S. 178 Anm. 164. 113 Abw. Stratenwerth ZStW 71 (1959) 51, 66. Bei dem Beispiel des Bankkredits zur Sanierung eines konkursbedrohten Schuldners geht es aber gerade nicht um eine Rettung des zuletzt gewährten Bankkredits. 114 Vgl. zuletzt BGHSt. 18 272; Jescheck § 26 II 2. Α. A. Schröder ZStW 81 (1969) 8 und Sch.Schröder-Cramer Vor § 306 Rdn. 4. 115 v. Hippel VDA 3 529; Wolter S. 188; RGSt. 59 23 f; BGHSt. 22 67, 74; BGHSt. 26 176, 182; OLG Celle NJW 1954 612; BayObLG NJW 1954 730; OLG Hamm NJW 1954 1418; OLG Braunschweig NJW 1954 486. 116 Härtung DAR 1953 141, 145; OLG Braunschweig NJW 1954 486; OLG Celle NJW 1955 1331; OLG Düsseldorf NJW 1956 1043; BayObLG NJW 1955 1448 m. zust. Anm. Dahs; OLG Köln NJW 1960 1213. A.A. Straube NJW 1955 407. Vgl. noch Horn Konkrete Gefährdungsdelikte (1973), S. 204 ff. (50)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§ 16

dere bei Tötungsdelikten. Sie beanstanden u. a., wenn das angefochtene Urteil feststellt, der Täter habe mit dem Eintritt des Erfolges gerechnet und ihn „billigend in Kauf genommen", die Entscheidung sich jedoch nicht mit den Feststellungen des Urteils zur Persönlichkeit des Täters (BGH 1 StR 404/76 bei Holtz MDR 1977 105) oder zum Tatgeschehen auseinandersetzt (BGH 4 StR 620/76 bei Holtz MDR 1977 458). Der Tatrichter muß im Urteil zu erkennen geben, daß er die Möglichkeit von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit gesehen und geprüft hat, indem er sich mit ihnen im einzelnen auseinandersetzt (BGH G A 1979 106, 108). d) Vorstellung der notwendigen Verbindung einer Tatbestandsverwirklichung mit 98 einem als ungewiß angestrebten Erfolg. Dieser Fall wird vielfach mit der „Wissentlichkeit" (s. o. Rdn. 81 ff) unter dem Oberbegriff der mit dem beabsichtigten Erfolg als notwendig verbunden vorgestellten Folgen zusammengefaßt 1 1 7 . Jedenfalls steht er wegen der engen Verknüpfung der Tatbestandsverwirklichung mit der Absicht dem dolus directus gleich 1 1 8 . e) Mitbewußtsein Schrifttum Bockelmann Bemerkungen über das Verhältnis des Strafrechts zur Moral und zur Psychologie, Gedächtnisschr. f. Radbruch (1968), S. 252; Platzgummer Die Bewußtseinsform des Vorsatzes. Eine strafrechtsdogmatische Untersuchung auf psychologischer Grundlage (1964); Roxin Bespr. von Platzgummer (s. o.), ZStW 78 (1966) 248; Schewe Bewußtsein und Vorsatz (1967); Schmidhäuser Über Aktualität und Potentialität des Unrechtsbewußtseins, Festschr. f. H. Mayer (1966), S. 317.

Frank hat zuerst auf Differenzierungen innerhalb der Begriffe „Wissen" und 99 „Vorstellung" aufmerksam gemacht' 1 9 . Die Unterscheidung zwischen einem für den Erfolg erforderlichen „Daran-Denken" und einem für die übrigen Tatumstände ausreichenden „Wissen" konnte freilich nicht befriedigen (eingehende Darstellung der Kritik bei Platzgummer S. 1 ff, 55 ff). Mezger verlangte nachdrücklich eine Aktualität des Wissens, die jedoch auch eine Gefühlswarnung sein könne (LK 8 § 59 Anm. 9). Auch diese Auffassung ist inzwischen von Platzgummer überzeugend widerlegt worden (S. 53 ff). Platzgummer stellt statt dessen auf den von Rohracher entwickelten Begriff des „Mitbewußtseins" ab: „ein Bewußtsein, das zwar nicht explizit beachtet wird, das aber mit einem anderen beachteten Bewußtseinsinhalt mitbewußt ist und implicite notwendig auch mitbeachtet werden muß. Das Mitbewußte kann daher auch mitgewollt werden" (S. 83). Dies sei der Fall bei der Bedeutungskomponente räumlich wahrnehmbarer Merkmale (z. B. besondere Eigenschaften des Tatopfers oder -ortes) und bei dauerndem Begleitwissen hinsichtlich Qualitäten oder besonderer Pflichtverhältnisse des Täters oder allgemeiner Zeitumstände mit lebensgestaltender Bedeutung für den Täter (z. B. „zur Kriegszeit", „im Frieden") (S. 83 ff). Allerdings besitze das Mitbewußtsein einen geringeren Unwert als das wirkliche Daran-Denken (S. 93). Diese Lehre hat weitgehende Anerkennung

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(51)

v. Hippel VDA 3 S. 494 ff; Engisch S. 170 ff; Blei AT § 35 III (vgl. aber a. E.); Welzel §13 1 2 c λ und NJW 1962 20; Oehler NJW 1966 1635; Gallas ZStW 80 (1968) 28; Stratenwerth Rdn. 292 f. Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 8; Lackner § 15 II 3 a cc; RGSt. 5 317. Zweifelnd E 1962 Begr. S. 129 f. Aufbau des Schuldbegriffs (1907), S. 29; Kommentar § 59 I a. E.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

erfahren, wenn auch hinsichtlich des Mitbewußtseins der Bedeutungskomponente noch Präzisierungen erforderlich erscheinen (vgl. Roxin ZStW 78 [1966] 255; Blei AT § 36 VI). Schmidhäuser weitet den assoziations- und wahrnehmungspsychologischen Ansatz zum sprachpsychologischen und -philosophischen aus, wonach der Täter die Tatumstände sachgedanklich, nicht notwendig sprachgedanklich, erfaßt haben müsse (H.-Mayer-Festschr. S. 322 ff). Problematischer erscheint die Formel Bockelmanns\ Kenntnis i. S. des § 16 liege vor, wenn das, was der Täter wisse, erkenne und voraussehe, aktuelle Kenntnis wäre, sofern er es zum Gegenstand der Reflexion machte (Radbruch-Gedächtnisschr. S. 254, 255). Aus der Praxis s. BayObLG NJW 1977 1974 (Untergebenenmißhandlung nach § 30 WStG). Grundlegend gegen Platzgummer vom Boden der Gestaltpsychologie aus Schewe (S. 47 ff). Seine Kriterien (Orientierung über die Position der Handlung im Bezugssystem der rechtlich-sozialen Zusammenhänge) sind jedoch sehr unscharf und laufen auf eine bedenkliche Ausweitung des Vorsatzes hinaus (s. bes. S. 120 ff). Das Problem wird nach wie vor unter dem Stichwort „Bewußtsein" der Tatumstände erörtert. Es wäre jedoch der Klärung dienlich, wenn anerkannt würde, daß hier praktisch neben dem (sicheren) „Wissen" eine weitere Form des Vorsatzes herausgearbeitet worden ist. Der Wortlaut des § 16 StGB kann ohnehin nicht als verbindliche Schranke für die Umgrenzung des Vorsatzes dienen (s. o. Rdn. 1, 74, u. 113 ff)· Allerdings ist eine Erosion des Vorsatzbegriffs zu vermeiden. Daher ist die Beschränkung der möglichen Gegenstände des Mitbewußtseins nach der Lehre von Rohracher und Platzgummer im Auge zu behalten. 100 „Blitzartiger Tatentschluß" schließt das Bewußtsein von den Tatumständen nicht aus (OGHSt. 1 143, 145; BGHSt. 2 60, 61); der Täter erfaßt dabei die Tatumstände „mit einem Blick" (BGHSt. 6 120, 121; 329, 331; BGHSt. 23 119, 121; BGH GA 1971 113, 114). Zum Bewußtsein von einem niedrigen Beweggrund als „blitzartigem Antrieb" s. OGHSt. 2 344, 345. 3. „Bedingter Handlungswille" Schrifttum Arzt Bedingter Entschluß und Vorbereitungshandlung, JZ 1969 54; Less Genügt „Bedingtes Wollen" zum strafbaren Verbrechensversuch? G A 1956 33; W. Schmid Bedingter Handlungswille beim Versuch und im Bereich der strafbaren Vorbereitungshandlungen, ZStW 74 (1962) 48; J. Schröder Der bedingte Tatentschluß, Diss. Hamburg 1969.

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Die menschliche Willensbildung ist ein komplizierter, oft langwieriger Prozeß. Zwischen dem nichtexistenten und dem fertigen Verwirklichungswillen liegt, außer bei den sog. antriebsunmittelbaren Handlungen 120> e j n mehr oder weniger breites Stadium der Unschlüssigkeit, der Abwägung von Hinderungs- und Beweggründen und ihrer Erhebung zu zunächst aufschiebenden, dann schließlich auflösenden Bedingungen. Tritt der Erfolg ein, wenn der Verwirklichungswille das Stadium der Endgültigkeit erreicht hat, so bieten sich keine Probleme. Anders jedoch, wenn der Erfolg schon vorher eintritt oder aber nach Vornahme von Ausführungshandlungen ausbleibt (§ 22 StGB). Hier stellt sich die Frage, ob der für den Versuch, nach h. L. im ersteren Fall schon für die Vollendung (s. o. Rdn. 34), erforderliche Vorsatz gegeben ist. Das Problem zeigt sich schließlich noch von der anderen Seite, wenn

120 Vgl. Lersch A u f b a u der P e r s o n " (1970), S. 481 ff. (52)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

das Gesetz auf die Herbeiführung des Tatentschlusses abstellt, wie bei der Anstiftung und bei den §§ 213 (vgl. BGHSt. 21 14) und 216 StGB. Das Für-möglich-Halten, sich später zur Tat zu entscheiden, reicht für den dolus 1 0 2 eventualis nicht ausl21. Auf der anderen Seite ist es einleuchtend, daß jedes deliktische Handeln je nach dem Grad des Selbstvertrauens des Täters mehr oder weniger von Zweifeln über seine Realisierbarkeit begleitet ist, daß jeder Verwirklichungswille unter dem Vorbehalt gewisser tatsächlicher Voraussetzungen steht, „auf hypothetischer Tatsachengrundlage beruht" (vgl. W. Schmid ZStW 74 [1962] 51, 53 0 , und daß ein derartiger Vorbehalt unbeachtlich bleiben muß. Das gilt auch, wenn der Täter nur „für den Fall" der Existenz oder des Erscheinens des Handlungsobjekts handeln will ( R G D J Z 1903 106: Abtreibungshandlung für den Fall der eingetretenen Schwangerschaft; BGHSt. 5 149: Urkundenfälschung für den Fall einer Geschäftsprüfung durch das Finanzamt; weitere Beispiele zur Urkundenfälschung bei W. Schmid ZStW 74 [1962] 68). Bei Vorbereitungstatbeständen, insbesondere § 30 Abs. 2 StGB, sind solche Vorbedingungen naturgemäß noch häufiger als sonst (vgl. BGHSt. 12 306; BGH GA 1971 54, 55). Damit wird aber das Problem des bedingten Handlungswillens nicht zu einem „Scheinproblem"I 2 2 . Denn zwischen den möglichen Vorbehalten bestehen erhebliche Differenzen. Es geht daher auch nicht an, den gesamten verbleibenden Bereich als „Tatentschluß mit Rücktrittsvorbehalt" dem Vorsatz zuzuschlagen 1 23. Aber auch das von der h. L. für den Entschluß i. S. von § 43 StGB a. F. (Versuch) 1 0 3 zugrunde gelegte Kriterium, ob der Täter die Tatbegehung von einem von seinem Willen unabhängigen Umstand abhängig macht 12 4 5 bleibt unbefriedigend. Das gilt zunächst für Entscheidungshilfen wie: ich schieße nur, wenn das Opfer von rechts kommtl25. E s gilt ferner für sonstige Voraussetzungen für das „Ob" der Tat, soweit sie nicht bloß deren Ausführbarkeit betreffen, wie die Bewahrheitung der Untreue der Ehefrau (a. A. Strafgericht Basel-Stadt SchweizJZ 1959 231). Bei einem verfrühten Eintritt des Erfolgs liegt keine (wohl unwesentliche) Abweichung des Kausalverlaufs vor, sondern es fehlt am Vorsatz überhaupt 1 26. Die h. L. m u ß vor allem bei der Abhängigmachung der Gegenwehr von einem Angriff zu untragbaren Ergebnissen gelangen. Der Begriff des „Entschlusses" u n d kriminalpolitische Gründe würden bei § 22 1 0 4 StGB an sich die Einbeziehung bedingter Entschlüsse gestatten, doch entspricht dies nicht dem Begriff des „Versuchs", bei welchem nur eine „Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat" (vgl. § 24 Abs. 1 StGB) in Frage kommt, nicht aber eine Beab-

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RGSt. 68 339, 341 und h. L. A. A. Arzt JZ 1969 54. Gegen ihn zuletzt Roxin SchröderGedächtnisschr. 151 ff m. Nachw. 122 So Baumann § 33 III; vgl. auch W. Schmid ZStW 74 (1962) 59; BGHSt. 12 306, 310. '23 So W. Schmid ZStW 74 (1962) 54 ff (vgl. aber aaO S. 76 0 ; Jescheck § 29 III 3 e. 124 Less G A 1956 41; Maurach-Gössel 2 § 4 1 II A 1; Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 18; W. Schmid ZStW 74 (1962) 77; RGSt. 16 133 und öfter; BGHSt. 21 17; BGH G A 1971 54, 55; kompletter Überblick über die frühere Rechtsprechung bei W. Schmid ZStW 74 (1962) 59 ff. 125 Vgl. J. Schröder S. 1 f, 5 f, 23 ff. Eindringliches Beispiel der Mörder Kühnapfel bei Schneickert Kriminaltaktik (1939), S. 253 f. Dazu auch Thomae Der Mensch in der Entscheidung (1960), S. 208. 126 Ebenso J. Schröder S. 32 ff; vgl. auch Bockelmann JZ 1954 473; s. o. Rdn. 34. (53)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

sichtigung unter Vorbehalt 1 2 7 . Andernfalls würde in allen Fällen der ernsthaften Drohung mit einer Lebensgefahr (z. B. §§ 177, 249, 255 StGB) bereits ein Tötungsversuch vorliegen. Die Erfüllung der Bedingung reicht allerdings wegen des schon vorhandenen „bedingten" Entschlusses für die Verursachung des Tatentschlusses nach §213 StGB nicht aus; daher im Ergebnis zutreffend BGHSt. 21 16 ff, nicht jedoch in der Bewertung des „bedingten" Entschlusses als Vorsatz. Auch die Anstiftung greift nicht ein 1 2 8 . Für Bedingungen, die nur eine bestimmte Ausführungsart betreffen (das Opfer soll „auf der Flucht" erschossen werden, wird aber schon vorher getroffen), wird man zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bedingungen unterscheiden müssen. Selbst bei Abschluß der Täterhandlung ist ein bedingter Wille, der zum Vorsatz nicht genügt, nicht ausgeschlossen, nämlich bei Einschaltung technischer Hilfsmittel : geht eine Selbstschußanlage, die sich mittel einer Fotozelle nur nachts einschalten soll, am Tage los, so fehlt es am Vorsatz; auch der Versuch beginnt erst mit der Nacht. Daher ist der Begriff des bedingten Handlungswillens für die Umreißung des Problems zu eng ( J. Schröder S. 4). 105

Ein wirklicher Entschluß mit bloßem Rücktrittsvorbehalt läßt dagegen den Vorsatz nicht entfallen. Die Umdeutbarkeit auflösender Bedingungen in aufschiebende 1 2 9 steht dem nicht entgegen; die Unterscheidung entspricht vielmehr der Tatsache, daß auflösende Bedingungen eine stärkere Entschlossenheit zur Tat zum Ausdruck bringen. Auch begünstigt die partielle Herausnahme des bedingten Entschlusses aus dem Vorsatz nicht den scharf kalkulierenden Verbrecher (so Less GA 1956 39; Arzt JZ 1969 56), sondern privilegiert sachgerecht den eben noch nicht ganz entschlossenen Täter und ermuntert den Täter, sich Bedingungen zu setzen, zu zaudern. Wieder anders sind Aufforderungen unter einer Bedingung zu behandeln. Hier tritt die Wirksamkeit der Aufforderung erst mit dem Vorliegen der Bedingung ein 1 3 0 . 4. Alternatiworsatz (dolus alternativus) Schrifttum Jakobs Die Konkurrenz von Tötungsdelikten mit Körperverletzungsdelikten (1967); Lampe Genügt für den Entschluß des Täters in § 43 StGB sein bedingter Vorsatz? NJW 1958 332; Nowakowski Der alternative Vorsatz, JurBl. 1937 465; Remy Zur Frage, ob für den Entschluß des Täters in § 43 StGB bedingter Vorsatz genügt, NJW 1958 700; Schneider Über die Behandlung des alternativen Vorsatzes, GA 1956 256. 127

Α. A. die ganz h. L., s. o. Rdn. 102. Α. A. auch J. Schröder S. 71 ff, der jedoch — ebenso wie Arzt JZ 1969 54 ff — weitgehend bloße Vorbereitungshandlungen annehmen will. Roxin Schröder-Gedächtnisschr. S. 157 f will mit der hier herangezogenen Rücktrittsregelung den Bereich des „Entschlusses" gerade umgekehrt über die von der Rspr. verlangte „Endgültigkeit" hinaus erweitern. Seine Ablehnung des „Vorbehalts, es vielleicht doch nicht zu tun", deckt sich mit der hier Rdn. 105 vorgenommenen Beurteilung des Entschlusses unter Rücktrittsvorbehalt. 128 Vgl. F.-C. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 156 ff; Arzt JZ 1969 57 f. 129 Hiermit begründet Schmid ZStW 74 (1962) 57 seine starke Ausweitung dieser Fallgruppe (s. o. Rdn. 102), Arzt seine generelle Annahme von Vorsatz (s. o. Rdn. 102) und Roxin Schröder-Gedächtnisschr. S. 149, die Unmöglichkeit der Unterscheidung zwischen Tatgeneigtheit und Entschluß mit Rücktrittsvorbehalt. !30 a . A. RGSt. 26 199, 201; 41 142; RG SeuffBl. 72 66; RG JW 1928 2218; W.Schmid ZStW 74(1962) 60 f. (54)

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§16

Umstritten ist die Beurteilung des Vorsatzes hinsichtlich zweier Tatbestandsverwirklichungen, die sich tatsächlich gegenseitig ausschließen, ζ. B. Diebstahl oder Unterschlagung je nach dem Gewahrsam, Diebstahl oder Wilderei je nach der Fremdheit des Tieres, Sachbeschädigung oder Körperverletzung, Vollstreckungsvereitelung bzw. Verstrickungsbruch oder Unterschlagung (weitere Beispiele bei Nowakowski JurBl. 1937 465). Die 6 . - 8 . Aufl. gliederten diese Fälle unsachgemäß zwischen dem dolus alternativus und generalis auf. Bis auf die zwangsläufig ausscheidende Wissentlichkeit entspricht hierbei der Vorsatz bezüglich der einzelnen Tatbestandsverwirklichungen den o. Rdn. 76 ff aufgeführten Formen 131 . Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Täter diese Tatbestandsverwirklichungen jeweils nur alternativ beabsichtigt, für wahrscheinlich hält oder wünscht. Entgegen Remy (NJW 1958 701) ist dies nicht nur ein unbeachtlicher zusätzlicher Wille, nicht beides zusammen zu vollenden. Es geht daher nicht an, ihm beide Tatbestandsverwirklichungen als vorsätzlich zuzurechnen'32. Hinweise auf den dolus eventualis (Jakobs S. 148; Stratenwerth Rdn. 298) helfen nicht weiter, da dort der eine Erfolg rechtsneutral ist. Vorsatz liegt vielmehr nur hinsichtlich einer Tatbestandsverwirklichung vor (so auch Oetker JW 1935 1415). Die Auffassung, diesen Vorsatz jeweils für das vollendete Delikt zu „verbrauchen" (so Nagler-Mezger LK 8 § 59 21 d, e), ist ein unbilliges Erfolgsstrafrecht und läßt das Problem für den beiderseitigen Fehlschlag offen. Auch besteht kein „dubium", bei welchem „mitius" zu entscheiden ist (so Nagler LK 7 § 43 II; Lampe NJW 1958 333), sondern es muß die Gefährlichkeit des Täters voll geahndet werden. Daher ist Vorsatz des schwereren Delikts anzunehmen, womit gleichzeitig Vorsatz des leichteren Delikts entfällt 133 . 5. Vorsatz und Affekt Ob der Affekt den Vorsatz ausschließen kann, ist noch weniger geklärt als seine 107 Bedeutung für die Schuldfähigkeit (vgl. Lange LK §§20, 21 Rdn. 28). Die Frage wird von vielen aufgeworfen, aber nur von wenigen explizit bejaht 134 , von Vertretern der finalen Handlungslehre aus naheliegenden Gründen abgelehnt 135 . Der BGH hat in BGHSt. 6 329, 332 f anerkannt, daß einem Täter infolge hochgradiger affektiver Erregung das Bewußtsein einzelner Tatbestandsmerkmale nicht nachgewiesen werden konnte. S. auch BGH GA 1975 306 mit Hinweisen auf weitere einschlägige unveröffentlichte Urteile des BGH. In BGHSt. 11 18, 23 stellt der BGH fest, daß der Täter in seltenen Ausnahmefällen durch den Höchstgrad seiner Erregung in eine Lage gerate, in der er gänzlich die Selbstbesinnung verliere, was 131

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Oetker JW 1935 1415; Jakobs S. 147, 154 f, 162; Welzel § 13 I 2 d. Zu pauschal Jescheck § 29 III 4. Unzutr. Schneider GA 1956 257. So Welzel § 13 I 2 d ; Jescheck §29 III 4; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 81; Jakobs S. 147 ff; Remy NJW 1958 701. So auch v. Buri Über Causalität und deren Verantwortung (1873), S. 33 ff; Weißenborn GS 50 214; Nowakowski JurBl. 1937 467; Schneider G A 1956 259, 264; Lampe NJW 1958 332; Jagusch LK 8 § 43 I 2 c; Frank VDA 3 192 f. Z. B. Hall Fahrlässigkeit im Vorsatz (1959), S. 39 ff, 58 ff. Aus dem früheren Schrifttum s. Wimmer Über die Bestrafung triebhaften Handelns, ZStW 47 (1926) 101 ; Über das Fehlen des Bewußtseins von Tatbestandsmerkmalen bei ungeordneten Triebhandlungen, ZStW 49 (1929) 675. Gegen ihn Klee Vorsatz und Triebhaftigkeit der Handlung, ZStW 48 (1927/28) 1. Welzel Vom Bleibenden und vom Vergänglichen in der Strafrechtswissenschaft (1964), S. 19. Anders aber Stratenwerth Unbewußte Finalität? Welzel-Festschr. 289, 305.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

u. a. auf „einem völligen Mangel des Selbstbewußtseins im Sinne des intellektuellen Wissens um das eigene Sein des Täters und über seine Beziehungen zur Umwelt" beruhen könne. Daß es sich hierbei um seltene Ausnahmefälle handelt, schließt entgegen Welzel (aaO) ihre Relevanz nicht aus. Im übrigen versucht Welzel unter Berufung auf Rauch (NJW 1958 2091 f)> diesen Fall als bloße „Bewußtseinsverengung" anzusehen. Rauch stellt aber fest, daß der Affekttäter „nicht oder nur ungenau, bruchstückhaft auffaßt, was sich in der Peripherie seines Aufmerksamkeitsfeldes abspielt". Auch nach BGHSt. 11 139, 144 kann den Täter „starke Erregung" am Erkennen der Tatumstände hindern. 108

Von psychologischer Seite aus wird der Vorsatz bei Affekttaten zwar bejaht, jedoch unter Abstrichen am überkommenen Vorsatzbegriff. Platzgummer136 stellt auch hier (vgl. schon o. Rdn. 99) auf das Mitbewußtsein ab. Schewe137 will den Vorsatz auf die Zielgerichtetheit der Handlung beschränken, die zwar ein subjektives Moment, einen psychischen Faktor, einen Steuerungs- oder Bewußtseinsfaktor enthalte, jedoch die subjektiven Erlebnisse Zielvorstellung, Vorsetzung, Wille und Entschluß ausscheide. Ambrosius138 begnügt sich mit einer „fixierten Zielvorstellung". Auch Bockelmann hält den Vorsatz mit seiner Rdn. 99 erwähnten Formel für gegeben (Radbruch-Gedächtnisschr. S. 252, 255 0· Vgl. noch Henkel Studium generale 1960 229, 237 ff.

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Lebhaft diskutiert wurde die Vorsatzqualität von Affekthandlungen bei der Schaffung des StGB der DDR von 1968. Ursprünglich sollten — freilich auch aufgrund der Ausgestaltung des Vorsatzes als „Entscheidung" (s. Rdn. 74, 91) mit ihrer starken Betonung der Vorwegnahme — Affekttaten vorsätzlichen Taten lediglich gleichgestellt werden 139 . Im endgültigen Text wurde diese Gleichstellung beseitigt, so daß die Affekttaten wieder unmittelbar unter den Vorsatz fallen, da für den Begriff der „Entscheidung" ein Minimum an Überlegung ausreiche, das auch bei Affekttaten gegeben sei 140 . Immerhin wurde der unverschuldete Affekt wegen Beeinträchtigung der „Entscheidungs/äAigfceiY" als „Schuldminderung" anerkannt (§ 14 StGB).

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6. Vorsatz und automatisierte bzw. Reflexhandlungen Welzel hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß bei automatisierten Handlungen wie Spazierengehen und Autofahren die finale Steuerung zweifelhaft sei; sie werde jedoch durch die Automatisierung gerade unterstützt 141 . Nachweise für eine gewisse Kontrolle des Bewußtseins bietet Gössel Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung (1966), S. 78. Vgl. auch Spiegel Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen, DAR 1968 283. Hingegen weist Hall Fahrlässigeit im Vorsatz (1959), S. 13 ff auf eine Ambivalenz zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit hin. Jescheck Eb. Schmidt-Festschr. S. 139, 148 nimmt Vorsatz 136 137

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Die Bewußtseinsformen des Vorsatzes (1964), S. 31 ff, 92 ff. Reflexbewegung, Handlung, Vorsatz (1972), S. 90 ff, bes. S. 113. Untersuchungen zur Vorsatzabgrenzung (1966), S. 73. Lupke NJ 1964 144, 148; Lekschas-Loose-Renneberg Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch o. J. (1964), S. 83 ff. Mürbe-Schmidt NJ 1965 606, 607; Friebel NJ 1966 682 ff; Lekschas NJ 1967 137 ff; Hartmann- Dettenborn-Fröhlich NJ 1967 217 ff. Eingehend F.-C. Schroeder, Schuld als Entscheidung, Jahrb. f. Ostrecht XIV/1 (1973), S. 9 ff. S. auch Lekschas-Seidel-Dettenborn Studien zur Schuld (1975), S. 159 ff. Das neue Bild des Strafrechtssystems (1951), S. 11 ; vgl. jetzt Lb. §§ 8 I 1 b, 20 II 2. (56)

§16

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

nur an, wenn die Handlung von einer Zielvorstellung getragen ist, nicht aber bei dem automatischen Bremsen eines Kraftfahrers angesichts eines Hindernisses. Derartige Akte sieht auch Welzel als „automatisierte Handlungsbereitschaften" an, bei denen nur ggf. die Nichtberücksichtigung der erkennbaren Funktionsgrenzen zur unbewußten Fahrlässigkeit führt (Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte, S. 32 ff = Lb. § 20 II 2). Eine Art „Gesamtvorsatz" vermag also zwar sich stereotyp wiederholende Einzelakte zu tragen (die als solche regelmäßig straflos sind), nicht aber Reaktionen in besonderen Situationen, wobei natürlich die Grenzen wiederum fließend sind. Demgegenüber stellen Ambrosius und Schewe auf das fehlende Gefahrbewußtsein ab 1 4 2 . Für einen weitgehenden Ausschluß des Vorsatzes auch Stennert Die strafrechtliche Behandlung von reflektorischen und automatisierten Verhaltensweisen, Diss. Göttingen 1975. Fahrlässigkeit ist dagegen möglich (Jakobs Beiheft zur ZStW 1974 33 ff; Stennert aaO S. 243 ff)· Nach einer verbreiteten Auffassung soll es in diesen Fällen schon an einer Handlung f e h l e n . Erheblich weiterer Begriff der automatisierten und reflexartigen Handlung (bei Handlungen infolge Verwirrung) und damit Vorsatzausschluß bei Arbab-Zadeh NJW 1965 1049, 1051 (vgl. auch BGH VRS 36 36). 1 4 3

7. Zeitpunkt des Vorsatzes a) Allgemeines. Der Vorsatz muß zum Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Hand- 111 lung vorliegen. Ein ihr vorhergehender (dolus antecedens) oder nachfolgender Vorsatz (dolus subsequens) reichen ebensowenig aus, wie der Fortfall des Vorsatzes im Zeitpunkt des Erfolgseintritts den Tatvorsatz entfallen läßt (arg. § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB). Ein erheblich späterer Erfolgseintritt als vom Täter angenommen kann allerdings nach der Rspr. eine erhebliche Abweichung des Kausalverlaufs (s. o. Rdn. 30) sein (BGHSt. 11 119, 123). Fälle des dolus subsequens begegnen häufiger bei der Hehlerei (vgl. BGHSt. 10 151; 15 53) und bei der Verwirklichung von Diebstahlsqualifikationen bzw. Regelbeispielen für besonders schwere Fälle (vgl. BGH GA 1960 245; vgl. aber BGHSt. 9 253 m. Anm. Maurach JR 1957 28). In den Fällen der Erfolgsherbeiführung vor oder nach dem vom Täter angenommenen Zeitpunkt überspielen die Rspr. und die h. L. die Unzulässigkeit des dolus subsequens und antecedens durch die Annahme einer unbeachtlichen Abweichung des Kausalverlaufs. Hiergegen o. Rdn. 30 ff. b) Zweiaktige Delikte Schrifttum Dreher Zum Meinungsstreit im Bundesgerichtshof um § 237 StGB, NJW 1972 1641; Dreher Nochmals §237 StGB, JZ 1973 276; Eser Zum Verhältnis von Gewaltanwendung und Wegnahme beim Raub, NJW 1965 377; Hruschka Zum Tatvorsatz bei zweiaktigen Delikten, insbesondere bei der Entführung des § 237 n. F. StGB, JZ 1973 12; Hruschka Rückkehr zum dolus subsequens? JZ 1973 278 ; Schröder Anmerkung zu BGHSt. 24 90, JZ 1971 435 ; Schröder Anmerkung zu BGH JZ 1972 288, JZ 1972 289.

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Ambrosius Untersuchungen zur Vorsatzabgrenzung (1966), S. 75; Schewe Reflexbewegung, Handlung, Vorsatz (1972), S. 30. AG Castrop-Rauxel DAR 1965 331 unter Berufung auf Undeutsch; Franzheim NJW 1965 2000; zweifelnd auch Spiegel DAR 1968 283, 288. Dagegen OLG Frankfurt VRS 28 364; OLG Hamm NJW 1975 657 = JZ 1974 716 m. weit. Nachw.; Schewe aaO S. 34 ff, 46 ff; Stratenwerth Welzel-Festschr. S. 289, 294 ff.

§16 112

2. Abschnitt. Die Tat

Bei zweiaktigen Delikten entsteht das Problem, ob der Vorsatz hinsichtlich des zweiten Aktes bereits bei Vornahme des ersten gegeben sein muß. Ζ. T. wird dies vom Gesetz ausdrücklich verlangt, ζ. B. bei den §§ 146 Abs. 1 Nr. 3, 202 Abs. 2, 177, 178, 249 StGB. Hierbei genügt allerdings die Ausnutzung der fortdauernden Gewaltanwendung (BGHSt. 20 32; OLG Frankfurt NJW 1970 342, 343; einschränkend Eser NJW 1965 377, 380). Wo dies nicht der Fall ist, genügt es, daß der erforderliche Vorsatz jeweils nur bei Vornahme des jeweiligen Teilaktes gegeben ist. Dies gilt sicher für Tatbestände, bei denen der erste Teilakt als bereits vorhandene Situation dargestellt wird, wie ζ. B. bei den §§ 239 a und 239 b Abs. 1 2. Alt., 252 StGB. Es muß aber auch gelten, wenn beide Teilakte als Handlungen formuliert sind (a. A. Hruschka JZ 1973 12, 278). Dies war für § 147 2. und 3. Alt. a. F. anerkannt (Nachw. Schroeder LK 9 § 59 Rdn. 129). Danach besteht kein Anlaß, bei § 237 StGB anders zu entscheiden! 4 4 . Hierfür spricht auch das argumentum e contrario aus der Formulierung des § 177 2. Alt. StGB a. F., zumal es auch dem Gesetzgeber kaum entgangen sein kann. Daß diese Tatbestände damit „in zwei unabhängig nebeneinanderstehende Teilakte aufgelöst" werden (BGH NJW 1972 647; vgl. auch Schröder JZ 1972 436), trifft nur für den subjektiven Tatbestand zu. Die innere Verknüpfung der Teilakte besteht darin, daß der Täter eine von ihm selbst geschaffene Lage „ausnutzt" und damit das Unrecht steigert (vgl. auch Dreher NJW 1972 1641). Dieser Fall liegt in seinem Unrechtsgehalt genau auf der Mitte zwischen der bloßen Ausnutzung einer fremdgeschaffenen Situation (z. B. § 179 StGB) und der Ausnutzung einer schon zu diesem Zweck geschaffenen Situation (z. B. §§ 146 Abs. 1 Nr. 3, 177 StGB). 8. Tatbestandsirrtum

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Das Nichtkennen von „Umständen, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören", wird von einem verbreiteten Sprachgebrauch als „Irrtum" über Tatumstände bezeichnet (so auch die Überschrift zu § 16 StGB). Das ist mißlich, weil unter einem „Irrtum" nicht nur der allgemeine Sprachgebrauch, sondern auch das StGB (§ 263) eine positive Fehlvorstellung verstehen, unter das Nichtkennen aber auch das rein negative Fehlen von Kenntnis fällt (BayObLG MDR 1963 333, 334). Ein „Irrtum über Tatumstände" liegt außerdem auch dann vor, wenn der Täter gerade umgekehrt fälschlich Tatumstände annimmt, die unter einen gesetzlichen Tatbestand fallen, sog. umgekehrter Irrtum (s. o. Rdn. 7).

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Der (aus den §§ 19 E 1962, 19 AE übernommene) Begriff „Irrtum über Tatumstände" vermeidet zwar gegenüber dem überkommenen Begriff „Tatbestandsirrtum" Verwechslungen mit dem Verbotsirrtum in Form der Tatbestandsunkenntnis (s. u. § 17 Rdn. 9), läßt aber dafür das weitere Merkmal der Zugehörigkeit zum Tatbestand außer acht und präjudiziert damit die eingeschränkte Schuldtheorie (s. o. Rdn. 47 ff). Das gilt auch für die Bezeichnung „Sachverhaltsirrtum" {Hardwig GA 1956 369, 370 f), die überdies auf den unbrauchbaren Unterschied zwischen Tatund Rechtsirrtum hindeutet.

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Die Formulierung des § 16 Abs. 1 StGB ist schließlich noch insofern mißglückt, als für den Vorsatz nicht ein „Kennen" der Tatumstände erforderlich ist, sondern 144

Dreher 3 u n d N J W 1972 1641; J Z 1973 276; Maurach-Schroeder 1 § 18 V D ; Blei JA 1971 590; BGHSt. 24 90. A . A . Schröder J Z 1971 435; 1972 289; Sch.-Schröder-Eser §237 Rdn. 6; Hruschka J Z 1973 12, 278; Mösl § 237 Rdn. 7; B G H 1 StR 89/69 bei Daliinger M D R 1970 197; B G H N J W 1972 647. (58)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

ein Für-möglich-Halten ausreicht und für die „Absicht" sogar nicht einmal dieses erforderlich ist (s. o. Rdn. 76). Auf der anderen Seite kann es am Vorsatz nicht nur wegen der Unkenntnis, sondern auch wegen des NichtVorliegens des voluntativen Elements fehlen. Der „Tatbestandsirrtum" umfaßt daher nur einen Teil der Fälle fehlenden Vorsatzes; der Begriff ist insofern wenig ergiebig. IV. Fahrlässigkeit Schrifttum Binavince Die vier Momente der Fahrlässigkeitsdelikte (1969); Boldt Zur Struktur der Fahrlässigkeits-Tat, ZStW 68 (1956) 335; Deutsch Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt (1963); Dubs Die fahrlässigen Delikte im modernen Strafrecht, SchwZStR 78 31; Exner Das Wesen der Fahrlässigkeit (1910); Frisch Das Fahrlässigkeitsdelikt und das Verhalten des Verletzten (1973); C. Gessner Die bewußte Fahrlässigkeit, Diss. Saarbrücken 1959; Gössel Die Fahrlässigkeitsdelikte, ZStW 91 (1979) 270; Jakobs Das Fahrlässigkeitsdelikt, Dtsch. strafrechtl. Landesreferate zum XI. Internationalen Kongreß für Rechtsvergl. Teheran 1974 (Beiheft ZStW) (1974), S. 6 ff; Armin Kaufmann Das fahrlässige Delikt, Zschr. f. Rechtsvergl. 1964 41 ; Arthur Kaufmann Die finale Handlungslehre und die Fahrlässigkeit, JuS 1967 145; Maihofer Zur Systematik der Fahrlässigkeit, ZStW 70 (1958) 159 ; Münzberg Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung (1966); Nowakowski Zur Theorie der Fahrlässigkeit, Jur. Bl. 1953 506; NowakowskiZu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, JZ1958 335,338; Preuß Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht (1974); Rehberg Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko" (1962); Roeder Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau (1969); Roxin Täterschaft und Tatherrschaft^ (1967), S. 527 ff; Rudolphi Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm in der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre, JuS 1969 549; Schaffstein Handlungsunwert, Erfolgsunwert und Rechtfertigung bei den Fahrlässigkeitsdelikten, Welzel-Festschr. S. 557 ff; H.-D. Schmidt Fahrlässigkeit und Entscheidung, in: Psychologie und Rechtspraxis, hrsg. von H.-D. Schmidt und Kasielke, (1967); F.-C. Schroeder Die Fahrlässigkeitsdelikte ZStW 91 (1979) 257; Schünemann Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits- und Gefährdungsdelikte, JA 1975 435, 511, 575, 647, 715, 787; Schünemann Neue Horizonte der Fahrlässigkeitsdogmatik? Zur Stellung der individuellen Sorgfaltswidrigkeit und des Handlungserfolges im Verbrechensaufbau, Schaffstein-Festschr. S. 159 ff; Walder Probleme bei Fahrlässigkeitsdelikten, Zschr. des Bern. Juristenvereins 104 (1968) 161 ff; Welzel Die finale Handlungslehre und die fahrlässigen Handlungen, JZ 1956 316; Welzel Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte (1961); Welzel Ein unausrottbares Mißverständnis? Zur Interpretation der finalen Handlungslehre, NJW 1968 425.

1. Der legislative Rahmen

Auch der neue Allgemeine Teil enthält keine Definition der Fahrlässigkeit. Zu 116 den Gründen hierfür und den Bedenken dagegen s. o. Vor § 15 Rdn. 2 ff. Fahrlässiges Handeln ist sehr viel seltener strafbar als vorsätzliches (s. o. § 15 Rdn. 5). Gleichwohl begegnet es wie der Vorsatz bei allen Tatbestandstypen: Begehungsund Unterlassungsdelikten, darunter echten (z. B. § 138 Abs. 3 StGB) und unechten, Erfolgsdelikten und Tätigkeitsdelikten (z. B. §§ 163, 316 Abs. 2 StGBl 4 5), Verletzungs- und Gefährdungsdelikten (vgl. vor allem Welzel § 18 12). Häufig genügt Fahrlässigkeit auch nur hinsichtlich einzelner Tatbestandsmerkmale, während im übrigen Vorsatz erforderlich ist (s. o. § 15 Rdn. 2, 12). Die etwas alberne Bestimmung, daß bei NichtVorliegen des Vorsatzes wegen Unkenntnis von Tatumständen 145

Vgl. Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 13 und schon Binding Normen 4 353 ff. Unzutr. Welzel § 18 I 2.

(59)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit „unberührt bleibt" (§ 16 Abs. 1 S. 2 StGB), ergibt immerhin, daß bei Unkenntnis von Tatumständen Fahrlässigkeit in Betracht kommt. Nach unten bildet die Grenze der Fahrlässigkeit, wie sich aus den §§ 222, 230 StGB, aber auch aus § 18 StGB ergibt, die bloße Verursachung. Nach oben bildet die Grenze wegen des Plus-Minus-Verhältnisses (s. o. § 15 Rdn 9) der Vorsatz. 2. Die beiden Formen der Fahrlässigkeit 117

a) Grundlagen. Wer daher bei dem bloßen Fürmöglichhalten eines Erfolgseintritts Vorsatz bejaht, für den kommt Fahrlässigkeit nur noch bei Unkenntnis der Tatbestandsverwirklichung in Betracht 1 4 6 . Werden dagegen für den (bedingten) Vorsatz mit der h. L. (s. Rdn. 85 ff) neben dem bloßen Fürmöglichhalten weitere Kriterien wie die Billigung, ein Sichabfinden oder ein Fürwahrscheinlichhalten verlangt, so ist Fahrlässigkeit auch dann möglich, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält. Damit ergeben sich für die h. L. zwei „Arten" bzw. „Formen" der Fahrlässigkeit: die bewußte (luxuria) und die unbewußte Fahrlässigkeit (negligentia). Die Unterscheidung der beiden Formen der Fahrlässigkeit ist aus Gründen der exakten Feststellung des — konkretisierungsbedürftigen — Verbrechensmerkmals der Fahrlässigkeit geboten und darf nicht zugunsten der Suche nach einem Wesensmerkmal „der" Fahrlässigkeit vernachlässigt werden (gegen Kohlrausch-Lange § 59 IV 3). Die Abscheidung der bewußten Fahrlässigkeit erleichtert ferner eine exakte Abgrenzung zum bedingten Vorsatz 147 .

118

b) Die Abgrenzung zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit im einzelnen. Der eben geschilderten Funktion der Abscheidung der bewußten Fahrlässigkeit entspricht nur eine Definition, die auf den gleichen Wissensstand wie beim dolus eventualis, nämlich das schlichte Fürmöglichhalten, abstellt. Im Gegensatz dazu verlangt Jescheck (§ 54 II 1) ein Bewußtsein der konkreten Gefahr i. S. einer Erfolgswahrscheinlichkeit (vgl. § 26 II 2). Ausdrücklich für eine Wahrscheinlichkeit anstelle der bloßen Möglichkeit auch Nagler/Mezger LK 8 § 59 Anm. 23 b aa. Anders die h. L.; für bewußte Fahrlässigkeit bei einem „Rest an Möglichkeitsvorstellung" vor allem Gallas Niederschriften 12 260. Andererseits gibt es einen so geringen Grad an Möglichkeitsvorstellung, daß das Handeln nicht mehr als pflichtwidrig erscheint (vgl. Gallas Niederschriften 12 251; Engisch S. 389, 404 f). Gegen die Begründung der Vorstellung der Möglichkeit mit allgemeinen Gefährlichkeitserwägungen mit Recht OLG Stuttgart NJW 1976 1852, 1853. Wer die Anforderungen an die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der bewußten Fahrlässigkeit höher schraubt, muß wenigstens die unbewußte Fahrlässigkeit entsprechend erweitern. Wenn daher Jescheck (§ 54 II 1) die unbewußte Fahrlässigkeit als Nichtdenken an die Möglichkeit einer Verletzung bestimmt, so klafft zwischen ihr und der bewußten Fahrlässigkeit eine Lücke.

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Schätzt der Täter die Erfolgsmöglichkeit irrtümlich geringer ein als sie in Wirklichkeit ist, so „steckt" in der bewußten Fahrlässigkeit „noch ein Stück unbewußter Fahrlässigkeit" 1 4 8 . Führt die Fehleinschätzung zu einer die Handlung nicht mehr als pflichtwidrig erscheinen lassenden geringen Möglichkeitsvorstellung, so liegt 146

147 148

So Schröder Sauer-Festschr. S. 224 ff ; Sch.-Schröder bis zur 17. Aufl. §59 Rdn. 18; Zielinski S. 162 ff; Schmidhäuser 10/51 f, 86 ff und GA 1957 305; 1958 161. Maurach-Gössel 2 § 43 IV C 1 b; Jescheck § 54 II 1 ; Binavince S. 142. E 1962, Begr., S. 132; ebenso Engisch S. 389. A. A. Baldus Niederschriften 12 261: echte unbewußte Fahrlässigkeit. (60)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

echte unbewußte Fahrlässigkeit vor (Engisch S. 405). Gegen ein generelles Irrtumsmoment bei der Fahrlässigkeit mit Recht Engisch S. 256 ff, bes. S. 265. Dafür Exner S. 138; Mezger LK 8 § 59, 23 a; Roeder S. 49 m. Nachw. c) Bewußte Fahrlässigkeit und Gefährdungsvorsatz. Die bewußte Fahrlässigkeit 120 wird häufig als Gefährdungsvorsatz angesehen 1 4 9 . Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Gefährdungsvorsatz mit der Möglichkeit der Verletzung immer den Verletzungsvorsatz enthalte (so Binavince S. 155 0 , denn dann wären Gefährdungstatbestände überflüssig. Indessen ergibt sich wie beim bedingten Vorsatz eine Unterscheidung dann, wenn man den Begriff der Gefahr enger definiert als die bloße Möglichkeit des Erfolgseintritts und eine Wahrscheinlichkeit, ein Naheliegen der Gefahr verlangt (s. o. Rdn. 95). Vgl. auch Nowakowski (JurBl. 1953 506, 507 und JZ 1958 335, 339 Anm. 44 a), der auf den Unterschied zwischen objektivem Gefahrund subjektivem Möglichkeitsurteil abstellt. Eine bloß subjektiv weitergehende Gefahrvorstellung könnte allerdings im Fall der Fahrlässigkeit nur bei zufälligem, atypischem Erfolgseintritt praktisch werden. Eine Deckung zwischen bewußter Fahrlässigkeit und Gefährdungsvorsatz ergibt sich aber wiederum dann, wenn man für erstere eine Erfolgswahrscheinlichkeit verlangt (dagegen o. Rdn. 118). S. noch Wolter S. 188 ff. Nach Engisch ist das Verhältnis von bewußter Fahrlässigkeit und Gefährdungsvorsatz „praktisch nicht sehr bedeutsam" ; hinsichtlich der Strafwürdigkeit verlaufe zwischen Verletzungsvorsatz und bewußter Fahrlässigkeit eine Grenze (S. 409 f). Immerhin ergibt die Widerlegung der Gleichsetzung der bewußten Fahrlässigkeit mit dem Gefährdungsvorsatz, daß auch bei Gefährdungsdelikten bewußte Fahrlässigkeit möglich isti 5 0 . d) Gleicher Unrechts- und Schuldgehalt. Die bewußte und die unbewußte Fahr- 121 lässigkeit unterscheiden sich nicht generell in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt. Vielmehr kann gerade die schon zur NichtVoraussicht der Schadensmöglichkeit führende Unaufmerksamkeit schwerer wiegen als das Vertrauen auf den Nichteintritt des Erfolgs 1 5 1 . Der bewußt Fahrlässige hat immerhin das Aufmerksamkeitsgebot erfüllt; bei einer Strengerbestrafung würde der Aufmerksame benachteiligt. Allerdings schränkt die Nähe der Gefahr, die häufig zu einer bewußten Fahrlässigkeit führen wird, das erlaubte Risiko ein (s. Rdn. 162). Im Gegensatz dazu stehen offensichtlich die Auffassungen, die den Schuldcharakter der unbewußten Fahrlässigkeit überhaupt bestreiten 1 5 2 . Anders ist auch die Auffassung in der D D R 1 5 3 .

149 Engisch S. 401 ff m. Nachw.; Schaffstein Festschr. f. OLG Celle (1961), S. 180; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip (1961), S. 154 m. Nachw.; vgl. auch Jescheck § 54 II 1 Anm. 23 a. 150 v. Hippel VDA 3 532; Nowakowski aaO. A. A. Engisch S. 405 f. Zum analogen Problem beim dolus eventualis s. Rdn. 106. 151 H. L., vgl. Jescheck § 54 II 1 ; Maurach-Gössel Τ 2 § 43 IV C 1 b; BGH NJW 1962 1780, 1781 ; OLG Karlsruhe DAR 1968 220. Α. A. Arzt Schröder-Gedächtnisschr. S. 119, 128. 152 Vgl. zuletzt Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 156 ff m. Nachw. Für Straflosigkeit der unbewußten Fahrlässigkeit de lege ferenda auch Wolter S. 209 f Anm. 319. 153 J. Lekschas-W. Loose-J. Renneberg Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, o . J . (1964), S. 134; §§ 7 ff StGB D D R ; Lekschas-Seidel-Dettenborn Studien zur Schuld (1975), S. 57 ff. Dazu eingehend F.-C. Schroeder Jahrb. f. Ostrecht XIV/1 (1973), S. 9 ff. (61)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

122

3. Definitionen und Konstruktionen im Überblick. Über die Bestimmung der Fahrlässigkeit im 19. Jahrhundert s. Exner S. 12 ff. Das RG und die StGB-Entwiirfe von 1913—1927 definierten die Fahrlässigkeit im wesentlichen übereinstimmend dahingehend, daß der Täter die Sorgfalt außer Acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und deshalb nicht voraussieht, daß sich der Tatbestand der strafbaren Handlung verwirklichen kann, oder, obwohl er dies für möglich hält, darauf vertraut, daß es nicht geschehen w i r d 1 5 4 . Hiernach besteht die Fahrlässigkeit in einem Erkenntnismangel oder einer Fehleinschätzung, die auf einem Mangel an gebotener und möglicher Sorgfalt beruhen. Die unscharfe Verknüpfung von Verpflichtung und Fähigkeit, Umständen und persönlichen Verhältnissen wurde mit Recht a n g e g r i f f e n ' 5 5 Präziser ist insofern § 6 Abs. 1 österr. StGB von 1974: „Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, d a ß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht". Vgl. auch Art. 18 Abs. 3 Schweiz. StGB von 1937: „Ist die Tat darauf zurückzuführen, daß der Täter die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat, so begeht er das Verbrechen oder Vergehen fahrlässig. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist." Bei den Beratungen zur Großen Strafrechtsreform wurde an dieser Definition und Konstruktion hinsichtlich der unbewußten Fahrlässigkeit festgehalten. Zu Unrecht glaubte man dagegen, daß mit der genannten Formulierung die Fälle der bewußten Fahrlässigkeit ohne Erkenntnisfehler (s. o. Rdn. 119) nicht gedeckt würden (s. Niederschriften 12 258 f; E 1962, Begr., S. 132). Auch mit Rücksicht darauf, daß die Pflichtwidrigkeit trotz ungerechtfertigten Vertrauens auf das Ausbleiben des Erfolgs entfallen könne (Bockelmann Niederschriften 12 260; Gallas Niederschriften 12 262), wurde die unbewußte Fahrlässigkeit definiert als: wer es für möglich hält, daß er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, jedoch pflichtwidrig und vorwerfbar im Vertrauen darauf handelt, daß er ihn nicht verwirklichen werde (§ 18 Abs. 2 E 1962).

123

Allerdings hat das RG gleichzeitig auch andere Konstruktionen der Fahrlässigkeit entwickelt, bei welchen das Schwergewicht mehr auf der Sorgfaltswidrigkeit der äußeren Handlung liegt. Nach RGSt. 8 67 setzt die Fahrlässigkeit neben dem objektiv pflichtwidrigen oder sonst den Anforderungen sorgfältiger und gewissenhafter Handlungsweise zuwiderlaufenden Verhalten subjektiv die Zurechenbarkeit des durch dieses Verhalten herbeigeführten schädigenden Erfolges zur Schuld voraus, und hierzu ist erforderlich, daß der Täter den Eintritt dieses Erfolgs bei Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt auch hätte voraussehen können und müssen (weniger eindeutig RGSt. 3 208: nicht schon dann, wenn . . . , vielmehr erforderlich, daß . . . ) . Hiernach besteht also die Fahrlässigkeit in einem doppelten Sorgfaltsmangel: einer äußerlich unsorgfältigen Handlung und einer zu einem Erkenntnismangel führenden Sorgfaltspflichtverletzung. Schließlich hat das R G auch für den Erkenntnismangel auf das Erfordernis einer Sorgfaltspflichtverletzung verzichtet und die Fahrlässigkeit nur noch als 154

RGSt. 56 343, 349; 58 134; 61 318, 320; 67 12, 18; §§ 19 KE, 14 E 1919, 19 E 1927.

155

Eb. Schmidt

Der Arzt im Strafrecht (1939), S. 173; Roeder S. 50 Anm. 13. (62)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

erfolgsherbeiführende Sorgfaltspflichtverletzung u n d Vorhersehbarkeit definiert (RGSt. 50 417, 418 f; 67 12, 19 — in dieser Entscheidung wird diese Fahrlässigkeitskonstruktion unvermittelt neben die o. Rdn. 122 geschilderte gestellt!). Die Selbständigkeit der Pflichtwidrigkeit neben der Vorhersehbarkeit betonen besonders RGSt. 30 25 („Leinenfänger-Fall") u n d 57 172. Grundsätzlich hat Engisch 1930 die Verletzung der äußeren Sorgfalt als fehler- 1 2 4 haftes äußeres Verhalten herausgestellt, die allein vorliegen könne, bis auf wenige Ausnahmefälle (automatisierte H a n d l u n g e n ) aber zu der Verletzung der inneren Sorgfalt hinzutrete, wenn auch mit ihr in einer kontinuierlichen Reihe von Mitteln zur A b w e n d u n g der Tatbestandsverwirklichung verkettet oder gar unabscheidbar (S. 273 ff, 346). D a n e b e n verlangte Engisch eine Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung, die sich zwar wiederum aus einer Sorgfaltspflicht ergeben könne, aber zwecks Vermeidung eines regressus ad infinitum nicht wieder hierauf gestützt werden dürfe, sondern kraft innerer Evidenz bestehen müsse, so d a ß das bloße Interesse an der Vermeidung von Tatbestandsverwirklichungen genüge (S. 365 ff, 410 ff). D a r a u s ergibt sich die Definition: Fahrlässigkeit bedeutet (bewußte oder) erkennbare Tatbestandsverwirklichung durch Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, wobei die Erkennbarkeit eine solche bei Erfüllung der Rechtsbeachtungspflicht sein kann, aber nicht sein muß (S. 372). Engisch sah die Verletzung der Sorgfaltspflicht als Tatbestandsmerkmal an (S. 277 f, 344 ff). N a c h Jescheck handelt fahrlässig, wer den Tatbestand eines Strafgesetzes infolge ungewollter Verletzung einer Sorgfaltspflicht verwirklicht u n d dies pflichtwidrig nicht erkennt oder dies zwar für möglich hält, aber pflichtwidrig darauf vertraut, d a ß der Erfolg nicht eintreten werde. Elemente der Fahrlässigkeit sind auf der Ebene der Rechtswidrigkeit Verletzung der objektiv gebotenen Pflicht zu innerer u n d äußerer Sorgfalt u n d Erfolgseintritt, auf der Ebene der Schuld subjektive Erkennbarkeit u n d Erfüllbarkeit der objektiven Sorgfaltspflicht u n d des Erfolges (§§ 54 ff). Welzel hat nach mehrfacher Modifizierung seiner Auffassung die Fahrlässigkeit bestimmt als Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nebst Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung auf der Tatbestandsseite u n d individuelle Erkennbarkeit der Sorgfaltswidrigkeit auf der Schuldseite. Die Sorgfalt verlangt ein einsichtiges Erkennen von G e f a h r e n u n d ein besonnenes Sich-Einstellen d a r a u f ; die Sorgfaltswidrigkeit ist eine Überschreitung des sozialadäquaten, erlaubten Risikos (§§ 18, 22 III 5). Maurach begnügte sich f ü r den Tatbestand der fahrlässigen Delikte mit dem Erfolgseintritt u n d ordnete die Verletzung der generellen, objektiven Sorgfaltspflicht, die sich mit den Grenzen des erlaubten Risikos deckte, in die von ihm gebildete „Tatverantwortung" als erste, ein Unwerturteil über den Täter enthaltende, Stufe der „Zurechenbarkeit" ein, w ä h r e n d die Verletzung der individuellen Sorgfalt Schuldmerkmal war (AT §§ 42 ff). In bemerkenswerter Weiterentwicklung u n d in partieller Vorwegnahme der A u f f a s s u n g von Stratenwerth u n d Jakobs (s. u. Rdn. 125) will Rehberg auch die individuelle Sorgfalt zur Tatverantwortung ziehen (S. 118 ff). Armin Kaufmann hat die Verlagerung von der Voraussichtspflicht zur Sorgfaltsverletzung noch weiter getrieben u n d verzichtet auf erstere völlig; bei ihrer Erfüllung w ü r d e geradezu Vorsatz gegeben sein. Die Schuld verlangt Fähigkeit zum Erkennen der Rechtswidrigkeit, d. h., hier der Sorgfaltswidrigkeit u n d — nur mittelbar durch deren Erfolgsbezogenheit — des Erfolges ( Z f R V 1964 41 ff, 45 ff). (63)

§16

2. Abschnitt. D i e Tat

Auch der AE beschränkt sich auf die Sorgfaltspflichtverletzung: Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er verpflichtet und fähig ist, und deshalb einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht (§ 18). Die Voraussehbarkeit sei nur eine von mehreren Voraussetzungen der Sorgfaltspflichtverletzung (Begr. S. 57). 125

Während die überkommene Auffassung die Abscheidung der objektiven Sorgfaltsverletzung ablehnte, da sie die Fahrlässigkeit insgesamt in der Schuld ansiedelte, wird die Abscheidung neuerdings dadurch aufgehoben, daß schon für den Tatbestand die Berücksichtigung der individuellen, dem Täter möglichen Sorgfalt verlangt wird (Stratenwerth Rdn. 1094 ff; Jakobs S. 64 ff; Samson SK Anh. zu § 16 Rdn. 13). Immerhin behalten die Sorgfaltsregeln auch nach diesen Autoren ihren Sinn, sei es als Maßstab für das Übernahmeverschulden (Stratenwerth Rdn. 1095), sei es als Erfahrungssätze (Jakobs S. 67, 68). Für Stratenwerth besteht die Fahrlässigkeit somit in Erfolg, Verletzung der individuellen Sorgfaltspflicht = Überschreitung des erlaubten Risikos und individueller Erkennung bzw. Erkennbarkeit des Risikos; alle diese Elemente liegen auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit, während die Rechtswidrigkeit und die Schuld keine Besonderheit aufweisen (Rdn. 1083 ff)· Jakobs erklärt die äußere Sorgfalt zur bloßen Konsequenz der unter dem Motiv zur Erfolgsvermeidung stehenden inneren Sorgfalt (S. 50 ff).

126

Die Anknüpfung an die Verletzung der äußeren Sorgfalt hat zusätzliche Einschränkungen erforderlich gemacht. Diese werden in der letzten Zeit zunehmend als eigenständige Elemente der Fahrlässigkeit verselbständigt. So besteht die Fahrlässigkeit nach Burgstaller aus der objektiven Sorgfaltswidrigkeit und dem objektiv zurechenbaren Erfolg, der wiederum Kausalzusammenhang, Risikozusammenhang und Risikoverletzung gegenüber einem rechtmäßigen Alternativverhalten verlangt. Nach Samson (SK Anh. zu § 16) verlangt die Fahrlässigkeit eine Unsorgfältigkeit und eine zurechenbare Verursachung, die sich aus dem Rechtswidrigkeitszusammenhang und der Berührung des Schutzbereiches der Norm zusammensetzt. Gössel bestimmt die Fahrlässigkeit als individuell vorausgesehene oder voraussehbare (subjektiver Tatbestand) unsorgfältig-vermeidbare Rechtsgutsbeeinträchtigung (objektiver Tatbestand); die Vermeidbarkeit umfaßt den „finalen Schutzzweckzusammenhang" und den „realen Zusammenhang" (Maurach-Gössel AT 2 §§ 42 ff). 4. Die Fahrlässigkeit als Kenntnis oder Erkennbarkeit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung

127

a) Allgemeines. Grundlegendes Merkmal der Fahrlässigkeit ist die Kenntnis oder Erkennbarkeit der Möglichkeit der Verwirklichung des äußeren Tatbestandes. In ihrer Möglichkeit erkannte oder erkennbare Tatbestandsverwirklichungen können vermieden werden, und jedermann hat die Pflicht, bei seinem Verhalten seine Erkenntniskräfte einzusetzen, um die Möglichkeit von Tatbestandsverwirklichungen zu erkennen und damit die Möglichkeit zu gewinnen, sie zu vermeiden.

128

b) Kenntnis und Erkennbarkeit. Es wurde schon o. Rdn. 117 dargelegt, daß nach h. L. Fahrlässigkeit nicht nur bei einer Erkennbarkeit, sondern auch bei aktueller Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gegeben ist, sofern nicht bedingter Vorsatz vorliegt. Diese Form der Fahrlässigkeit wirft aber keine weiteren Probleme auf. Statt der hier verwendeten Begriffe der Kenntnis und Erkennbarkeit ist häufig von der Voraussicht bzw. Vorhersicht und der Voraussehbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit die Rede. Diese Begriffe stellen jedoch auf eine zeitliche Differenz zwischen (64)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Erkennbarkeit und Tatbestandsverwirklichung ab. Sie können nur eine Ergänzung bilden, ebenso wie das Ais-sicher-Voraussehen gegenüber dem Wissen beim Vorsatz (s. o. Rdn. 81). Die Fahrlässigkeit besteht häufig darin, daß der Täter bei seinem Handeln Tatumstände nicht kennt, die sein Verhalten tatbestandsmäßig machen. Die Versuche, zwischen einer „Zukunfts-" und einer „Gegenwartsfahrlässigkeit" zu unterscheiden (Boldt ZStW 55 [1935] 44, 70 f), sind heute aufgegeben (Boldt ZStW 68 [1956] 335, 359 f)· c) Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung aa) Möglichkeit. Als Gegenstand der Kenntnis bei der bewußten Fahrlässigkeit 129 wurde bereits o. Rdn. 118 die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung genannt. Der gleiche Bezugsgegenstand muß aber auch für die Erkennbarkeit gelten. Man könnte hier annehmen, die Kategorie der Möglichkeit sei bereits in dem Merkmal der Erkennbarkeit enthalten, wodurch sich zugleich die schlagkräftige Umschreibung: Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung oder Möglichkeit der Kenntnis der Tatbestandsverwirklichung, ergeben würde. Indessen geht es nicht an, die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung in die speziell auf den intellektuellen Sektor der Kenntnis bezogene Möglichkeit einzubeziehen. Gerade die erforderliche Spezifizierung des letzteren Möglichkeitsurteils zeigt, daß seine Basis eine andere ist als die der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung. Zwischen diesen beiden Auffassungen liegt die Ansicht, wenigstens eine hohe Wahrscheinlichkeit (Binding Normen IV 560 ff) oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu verlangen (Engisch S. 385). Indessen hat Engisch seine Auffassung später dahingehend modifiziert, der Erfolg dürfe „nicht schlechthin unwahrscheinlich" sein 1 5 6 . bb) Typisierung der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung. Die Möglichkeit 130 der Tatbestandsverwirklichung umreißt ein weites Feld. Eine Potenzierung ergibt sich besonders daraus, daß nicht nur ein Eingriff der Handlung des Täters in einen — relativ — statischen Zustand der Umwelt zu berücksichtigen ist, wobei wieder Eigenschaften der Gefahrenquelle, der Kreis der denkbaren Objekte und ihre Eigenschaften in Rechnung zu stellen sind. Darüber hinaus ist der Mensch von einer Umwelt höchst dynamischer Kausalfaktoren umgeben, die ihrerseits entweder menschliche Handlungen zu Gefahrenquellen machen oder überhaupt erst schutzwürdige Objekte in den Gefahrenbereich bringen können. Zu diesen dynamischen Kausalfaktoren gehören nicht nur Naturkräfte, sondern auch Handlungen anderer Menschen. Dieses immense Feld der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gilt es in Rechnung zu stellen, wenn über ihre Erkennbarkeit geurteilt wird. cc) Spezialisierung der Möglichkeit. Das Problem einer Spezialisierung der Mög- 131 lichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist bisher weitgehend vernachlässigt. Die Rechtsprechung stellt zwar grundsätzlich auf die Erkennbarkeit der Gefährlichkeit der Einzelhandlung ab. So ζ. B. BGHSt. 5 271, 274: „Umfang und Maß der Sorgfaltspflicht richten sich . . . nach der Verkehrserfahrung, aus der sich ergibt, daß bestimmte Fahrweisen mit bestimmten ihnen eigentümlichen Gefahren verbunden sind". Es wird also nicht etwa auf das Führen eines Kraftfahrzeugs als solches abgestellt. Die Rechtsprechung hat jedoch bei dem sog. Übernahmeverschulden nicht nur den Zeitpunkt der Erkennbarkeit vorverlegt (s. u. Rdn. 140 ff), sondern auch den Gegenstand der Erkennbarkeit von der Gefährlichkeit der Einzelhandlung auf die Gefährlichkeit der Tätigkeit schlechthin verschoben (RGSt. 67 12, 20), ohne 156

(65)

Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931), S. 45 f; vgl. auch schon Untersuchungen S. 163.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

diese beträchtliche Ausweitung näher zu reflektieren. Hier dürfte auch der berechtigte Kern der Auffassung Maurachs liegen, wonach bei dem erlaubten Risiko allein tatbestandserheblich die einzelne Betriebshandlung sei, während der riskante Gesamtbetrieb aus der Tatbestandsmäßigkeit ausscheide (jetzt Maurach-Gössel AT 2 § 43 II A 2 b). Zahlreiche Anwendungsfälle des Vertrauensgrundsatzes und des erlaubten Risikos beruhen nur darauf, daß zuvor das gefährliche Verhalten unzulässig generalisiert wurde. Vgl. zur Konkretisierung der Erkennbarkeit Rdn. 4. d) Faktoren der Erkennbarkeit 132

aa) Erforderlichkeit der Spezifizierung. Die Erkennbarkeit ist ein Möglichkeitsurteil. Es faßt indessen nur zusammen, was von einer ganzen Kette von Faktoren abhängt. Damit das Urteil über die Erkennbarkeit nicht zu einem groben Pauschalurteil wird, bedarf es der Zerlegung und Typisierung in die bei der Erkenntnis und Erkennbarkeit beteiligten Faktoren. Eine solche Zerlegung und Typisierung ist bisher nur selten unternommen worden (Engisch S. 420 ff ; Deutsch S. 97 ff ; Lorenz S. 105 ff) und kann hier nur ansatzweise erfolgen. Allgemein erscheint eine sehr viel stärkere Einbeziehung der Ergebnisse der modernen Psychologie geboten, als dies bisher geschehen ist (anders insoweit die ältere Literatur, z. B. Exner; S. Fischer Das Vergessen als Fahrlässigkeit [1934]). Das gilt sowohl für abstrakte wissenschaftliche Arbeiten als auch für die Hinzuziehung von Sachverständigen im konkreten Prozeß. Von psychologischer Seite aus wird es allerdings angesichts erheblicher Vorbehalte gegenüber der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre als „Glück" bezeichnet, bislang selten zu Gutachten über die Fahrlässigkeit herangezogen zu werden 1 5 6 3 . Wenig abgesichert erscheint die weitgehende Deutung der Fahrlässigkeit als verdrängte, unbewußte Aggressivität („Fahrlässigkeitsneurose") bei Arno Plack Plädoyer für die Abschaffung des Strafrechts (1974), S. 124, 142, 239 ff.

133

bb) Erkenntnismittel. Die Tatbestandsverwirklichung resultiert aus dem Eingreifen der Handlung des Täters in bestimmte tatsächliche Gegebenheiten. Für die Erkenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung sind also erforderlich die Kenntnis der tatsächlichen Situation, die Voraussicht der eigenen Handlung mit ihren Auswirkungen auf die Situation, die Kenntnis von Erfahrungssätzen und schließlich die Anwendung dieser Erfahrungssätze auf die tatsächliche Situation. Bei jedem dieser Faktoren kann der Fehler der Erkenntnis angesiedelt sein, für jeden dieser Faktoren ist das Urteil der Erkennbarkeit gesondert zu stellen. Für die Erkenntnis der tatsächlichen Situation sind erforderlich bestimmte körperliche Fähigkeiten, nämlich die Sinne, ferner technische Hilfsmittel zur Erweiterung der Sinneskräfte wie Brillen, Mikroskope, Röntgenapparate, Stethoskope, Hörgeräte usw., die Erinnerung von Tatsachen (selbst wenn mit den Sinnesorganen und allen technischen Hilfsmitteln nicht ermittelt werden kann, daß sich an einer bestimmten Straßenstelle häufig Eis bildet, kann dies u. U. durch Erinnerung ermittelt werden), die Erinnerung und Anwendung bestimmter Erfahrungssätze (auch wer nicht mit Sinnen, technischen Hilfsmitteln und Tatsachenerinnerung ermitteln kann, daß die Straße glatt ist, kann dies durch Erinnerung und Anwendung des Erfahrungssatzes, daß nasse Straßen bei Kälte glatt werden), und schließlich der Wille und die aktuelle Fähigkeit, alle diese Eigenschaften einzusetzen. Hierbei sind 156a Haddenbrock im Handbuch der forensischen Psychiatrie, hrsg. von (1972), S. 941.

Göppinger-Witter (66)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

wieder für die mehrfach erwähnte Erinnerung ein Erinnerungsvermögen bzw. Gedächtnis erforderlich, für die Anwendung von Erfahrungssätzen intellektuelle Fähigkeiten. Für die zur Kenntnis der Gefahr erforderliche Kenntnis von Erfahrungssätzen sind wieder Erinnerungsvermögen bzw. Gedächtnis, für die Anwendung dieser Erfahrungssätze intellektuelle Fähigkeiten erforderlich. Die meisten hier genannten Fähigkeiten, nämlich Sinneskräfte, Erinnerungsvermögen, Wille und intellektuelle Fähigkeiten setzen sich wieder zusammen aus Anlage und Schulung. Nach der Rechtsprechung kann das Gedächtnis durch bloße Anspannung nicht 134 dazu gebracht werden, richtig tätig zu werden, ist der Vorgang der Erinnerung kein willkürlicher und ihr Versagen als solches nicht vorwerfbar; vorwerfbar ist aber die Nichtbenutzung vorhandener äußerer Hilfsmittel (RGSt. 22 297; 25 122; BGHSt. 14 52, 54). Vgl. auch RGSt. 63 370, 372: Vorwerfbarkeit eines „fest eingewurzelten" Irrtums nur bei Vorhandensein äußerer Hilfsmittel (von RGSt. 71 174, 175 allerdings als Fall der „Leichtfertigkeit" angesehen, s. u. Rdn. 213). Zum Vergessen als Fahrlässigkeit s. ferner Sigrid Fischer Das Vergessen als Fahrlässigkeit, StrafrAbh. Heft 346 (1934); Arthur Kaufmann Schuldprinzip S. 157 f. Erkenntnismittel für Tatsachen und Erfahrungssätze können auch Mitteilungen 135 anderer sein (vgl. Lorenz S. 117 f), insbesondere von Fachleuten (BGHSt. 5 124: Arzt für die Feststellung des Todes; BGHSt. 10 133: sachkundige Hilfe für den Vertrieb von Jugendschriften). cc) Erkennbarkeit der Erkenntnismittel. Da sie nur Mittel der Erkennbarkeit 136 sind, müssen die Erkenntnismittel ihrerseits erkennbar sein. Dies gilt besonders für die Benutzung von technischen Hilfsmitteln und die Hinzuziehung von Sachverständigen (BGHSt. 5 124), aber auch für die Benutzung der Sinne (Wahrnehmung von Gasgeruch und dgl.). Ebenso muß erkennbar sein, daß technische Erkenntnismittel u . U . versagen können (BGHSt. 7 307, 310: Warnanlage für Abfall des Bremsluftdrucks in Lkw; BGH VRS 8 211, 213; OLG Hamm VRS 16 142, 145; OLG Karlsruhe NJW 1975 838, 839: Benzinuhr). dd) Zeit. Soweit bei den im vorhergehenden genannten Faktoren Leistungen 137 erbracht werden müssen, spielt die verfügbare Zeit eine wesentliche Rolle (vgl. auch Engisch S. 422 f ; BGHSt. 14 52, 54). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Entscheidungszeit mit der Zahl der Alternativen ansteigt (sog. Hicksches Gesetz) und daß bei der Einschätzung von Gefahren die erforderliche Dauer nicht etwa kontinuierlich mit der Größe der Gefahr wächst, sondern bei gleicher Wahrscheinlichkeit von Schadenseintritt und gutem Ausgang am größten ist (H.-D. Schmidt Psychologie und Rechtspraxis [1967], S. 150 ff). Über weitere Folgen hieraus s. Rdn. 153. Allerdings müssen gefahrbringende Handlungen, auch bei großem Aufwand, ggf. verschoben werden (BGHSt. 20 315, 330: militärisches Übungsschießen). ee) Der „Anlafl". Engisch hat daraufhingewiesen, daß es neben der Erkennbar- 138 keit kraft einer Erkenntnisverschaffungspflicht eine solche kraft innerer Evidenz gebe, ja zur Vermeidung eines regressus ad infinitum geben müsse. Allerdings sah er hierin durchaus einen Fall der Erkennbarkeit, und dementsprechend hielt er auch, wenn der Täter sich nicht zu genauerer Betrachtung „veranlaßt" gefühlt habe, einen Vorwurf für möglich (S. 369 ff)· Nowakowski verlangt, daß dem Täter Umstände bewußt geworden sein müssen, die für eine maßgerechte Persönlichkeit eine Warnung enthalten (JurBl. 1953 506, 508; vgl. auch JZ 1958 335, 389). Neuer(67)

§16

2. Abschnitt. D i e Tat

dings hat Schmidhäuser für die Fahrlässigkeit ein „teilweises Tatbewußtsein" verlangt (10/100 f; Schaffstein-Festschr. S. 144). Vgl. auch Jakobs S. 83 ff. Hieran ist jedenfalls soviel richtig, daß das Erkennenkönnen desto leichter ist, je mehr Tatsachen und Erfahrungssätze dem Täter aktuell geläufig sind. Im übrigen muß aber eine Erkennbarkeit auch dann bejaht werden, wenn der Täter keinen ihm bewußten Anlaß für das Erkennen hat. Jedermann trifft die Pflicht, umsichtig zu sein und bei seinem Verhalten auf die wichtigsten Tatumstände zu achten, die dann Anlaß für weitere Erkenntnismöglichkeiten sind. Ebenso wie der Mensch „bei allem, was er zu tun im Begriffe steht, sich bewußt zu machen hat, ob es mit den Sätzen des rechtlichen Sollens in Einklang steht" (BGHSt. 2 194, 201), hat er darauf zu achten, daß aus seinem Verhalten keine tatsächlichen Schäden entstehen. Andernfalls würde — wie bei der Beschränkung der Strafbarkeit auf die bewußte Fahrlässigkeit — gerade der umsichtige Rechtsgenosse härter behandelt als der gleichgültige. Vgl. auch BGHSt. 6 193, 197: anlaßgebende äußere Umstände; Nowakowski JZ 1958 389: „Umstände, die einen qualifizierten Hinweis auf die Möglichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung enthalten". Dementsprechend nimmt die Rechtsprechung beim Vergessen an, daß zwar das Gedächtnis durch bloße Willensanstrengung nicht zu einer richtigen Tätigkeit gebracht werden könne, das Versagen der Erinnerung als solches nicht vorwerfbar sei, daß aber tatsächliche Anhaltspunkte und äußere Hilfsmittel zu benützen seien, die bei entsprechender Beachtung die Erinnerung hätten hervorrufen müssen (RGSt. 57 234; 63 370; RG JW 1936 260; H R R 1938 631; BGHSt. 14 52, 54; vgl. schon o. Rdn. 153). Eine Krankenschwester, die eine ärztliche Anordnung falsch verstanden hat, hat ohne weitere besondere Umstände keinen Anlaß, ausdrückliche Fragen an andere Krankenschwestern zu stellen (BGHSt. 3 92, 96). Vgl. zum gleichen Problem bei der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums u. § 17 Rdn. 33. e) Der Zeitpunkt der Erkennbarkeit 139

aa) Allgemeines. Die Erkennbarkeit muß grundsätzlich im Zeitpunkt des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens gegeben sein. Das RG hat gelegentlich verlangt, daß die Erkennbarkeit des Erfolgs spätestens im Zeitpunkt der Pflichtverletzung vorliegen müsse (RGSt. 50 417, 419; 67 12, 19), doch lassen diese Entscheidungen mit ihrer Abspaltung der Sorgfaltspflicht von der den Erfolg herbeiführenden Handlung die Problematik der Sorgfaltspflichtverletzung (s. Rdn. 157 ff) besonders deutlich werden.

140

bb) Fahrlässige Tätigkeitsübernahme. U. U. ist jedoch das Fehlen der Erkennbarkeit im Zeitpunkt des tatbestandsverwirklichenden Verhaltens selber wieder vorhersehbar. So ist die Blendwirkung bei anfänglichem Nichtabblenden entgegenkommender Fahrzeuge nicht nur vorhersehbar, sondern „jedem Kraftfahrer bekannt" (BGHSt. 2 188, 189). Hingegen braucht der Verkehrsteilnehmer mit einem vorzeitigen Aufblenden entgegenkommender Fahrzeuge nach dem Vertrauensgrundsatz (s. u. Rdn. 168 ff) nicht zu rechnen (BGH VRS 15 450, 451 a. A. noch BGHSt. 1 309, 312).

141

Hierher gehört bei der Übernahme von Tätigkeiten die Vorhersehbarkeit, daß dem Täter für die Erkennung der dabei entstehenden Gefahren die erforderlichen Erkenntnisfähigkeiten und -mittel sowie das Erfahrungswissen fehlen 1 5 7 . Statt des 157

Vgl. Jescheck A T §§ 55 I 3 a, 57 II 2, 3; Maurach-Gössel2 § 43 II Β 1 a; Sch.-Schröder-Cramer^ 15 Rdn. 196; Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 16; Stratenwerth Rdn. 1103, 1135; RGSt. 67 12, 20; B G H S t . 10 133. Z u r D o g m e n g e s c h i c h t e Schick Ö J Z 1974 257, 281, 284 ff. (68)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

überkommenen Begriffs „Übernahmeverschulden" spricht man angesichts der modernen Entwicklung der Fahrlässigkeitsdogmatik besser von fahrlässiger Tätigkeitsiibernahme. Mit Recht verweisen Maurach-Gössel AT 2 § 43 II Β 1 a auf die Parallele zur actio libera in causa. Diese Konstruktion schränkt die Möglichkeit der actio libera in causa bei der Fahrlässigkeit stark ein, macht sie aber nicht überflüssig 158. Angesichts der rasanten Entwicklung der Naturwissenschaft und Technik ist es heutzutage voraussehbar, daß ohne ständige Fortbildung die möglichen Fähigkeiten zur Gefahrerkenntnis fehlen (vgl. schon RGSt. 67 12, 23 für Heilberufe). Personen mit schlechtem Gedächtnis können dessen Versagen voraussehen 1 5 9 . Allerdings darf dies nicht dazu führen, eine Voraussehbarkeit für Gefahren in 142 allen Lebenslagen und damit mittelbar eine unbeschränkte Ausbildungs-, Fortbildungs- u n d Gedächtnissicherungspflicht zu postulieren 1 6 0 . Hier muß eine die Grenzlinie zwischen den beiden Extremen bezeichnende Formel erst noch gefunden werden. Engisch stellt darauf ab, ob eine Tatbestandsverwirklichung „am Horizont erscheint" (S. 321). Die Vorhersehbarkeit bzw. Informationspflicht gilt jedenfalls für unmittelbar bevorstehende Tätigkeiten. Wer die Absicht hat, bei Gelegenheit ein Auto zu kaufen und zu lenken, braucht nicht vorauszusehen, daß ihm dabei eventuell die zur Gefahrerkenntnis nötigen Fähigkeiten fehlen, wohl aber der, der sich anschickt, Auto zu fahren (vgl. Engisch S. 318). Eisenbahner können bei Erlaß neuer Vorschriften voraussehen, daß diese in unmittelbarer Zukunft anzuwenden sein werden. Wer dagegen überzeugt ist, im Lehrberuf ohne Züchtigungsrecht auszukommen, kann nicht voraussehen, daß sein schlechtes Gedächtnis in bezug auf eine Mitteilung über die Blutereigenschaft eines Schülers einmal relevant sein wird (BGHSt. 14 52, 55). cc) Späterer Erfolgseintritt. Häufig tritt bei Fahrlässigkeitstaten der Erfolg erst 143 längere Zeit nach dem Verhalten ein. Diese Frist kann, etwa bei Fehlern beim Hausbau, Jahre betragen (s. ζ. B. BGHSt. 11 119). Dabei kann es sogar so sein, daß das Handlungsobjekt zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung noch gar nicht existiert, so, wenn bei dem Einsturz eines fehlerhaft gebauten Hauses fünf Jahre nach dem Bau ein dreijähriges Kind getötet wird. Vgl. auch B G H Z 8 243 : fahrlässige Schädigung eines später gezeugten Kindes durch Infektion der Mutter mit Lues. Hierauf stützte das LG Aachen im Contergan-Verfahren die Annahme einer fahrlässigen Körperverletzung gegenüber den geschädigten Kindern (JZ 1971 507, 509). Dabei war allerdings das hier nicht erörterbare Problem der Systematik der Tötungs-, Körperverletzungs- u n d Abtreibungstatbestände mit eventuellen Sperrwirkungen zu berücksichtigen (vgl. dazu Armin Kaufmann J Z 1971 569; MaurachSchroeder BT 1 §§ 1 III 1, 5 IV 1, 8 I 3 m. Nachw.). f) Doppelter Maßstab. Es besteht heute Einigkeit darüber, daß eine Bestrafung 144 wegen fahrlässiger Tatbegehung voraussetzt, daß der Täter die Tatbestandsverwirklichung nach seinen persönlichen Fähigkeiten erkennen konnte. Jedoch wurde der Prüfung dieser Fähigkeiten schon im Rahmen der Einordnung der gesamten Fahr-

158

Zutr. Jescheck § 40 VI 2 gegen Horn GA 1969 289 f. Kritisch Schick ÖJZ 1974 257, 281, 286 f. 159 S.Fischer Das Vergessen als Fahrlässigkeit (1934), S. 81 ff; Jakobs S. 86 Anm. 165; BGHSt. 14 52, 54. 160 Engisch S. 318 ff; Jakobs S. 151 ; Schick ÖJZ 1974 257 ff, 281 ff. Vgl. auch die Forderung nach Spezialisierung der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung, o. Rdn. 131. (69)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

lässigkeit in die Schuld ein objektiver Maßstab vorgeschaltet, so daß es zu einem „doppelten Maßstab" kam 1 6 1 . Diese Aufspaltung hat durch die zunehmende Einordnung der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung in die Rechtswidrigkeit oder den Tatbestand eine sehr viel stärkere Fundierung erfahren. 145 Für Armin Kaufmann (ZfRV 1964 41, 52) und ihm folgend Welzel (§ 22 III 5) geht allerdings die Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung in der Erkennbarkeit der Sorgfaltswidrigkeit und damit im Unrechtsbewußtsein auf. Gegen die Anlegung eines doppelten Maßstabes wenden sich auf dem Boden der Einordnung der gesamten Fahrlässigkeit in die Schuld Dreher (MOR 1971 366) und Oehler162. Dabei wird vor allem auf die Unmöglichkeit der Gewinnung eines objektiven Maßstabs sowie auf die ungerechtfertigte Privilegierung überdurchschnittlich Befähigter verwiesen. Dem letzteren Einwand wird freilich von Anhängern des doppelten Maßstabs wieder dadurch zu begegnen versucht, daß in die objektive Voraussehbarkeit wenigstens auch das Sonderw/sien des Täters einbezogen w i r d ^ a . Rehberg lehnt den doppelten Maßstab mit dem Hinweis ab, daß schuldgelöste Maßregeln gegenüber Zurechnungsunfähigen nicht eher als bei Zurechnungsfähigen möglich seien ; in Anlehnung an die Lehre Maurachs will er generelle und individuelle Sorgfalt im Rahmen der Tatverantwortung behandeln (S. 180 ff). In Weiterentwicklung dieser Auffassung ist neuerdings aus dem Grundsatz „ultra posse nemo obligatur" die Konsequenz gezogen worden, den persönlichen Maßstab bereits in den Tatbestand zu ziehen und damit ebenfalls den doppelten Maßstab aufzugeben'63 Eine weitere Auffassung vertritt schließlich Gössel: er anerkennt den doppelten Maßstab hinsichtlich der Erkennbarkeit und will nur für die Fähigkeiten den individuellen Maßstab bereits im Tatbestand berücksichtigen (Maurach-Gössel AT 2 § 43 II A 3 b). 146 Für den doppelten Maßstab spricht jedoch Folgendes. Der objektive Maßstab hat eine wichtige standardbildende Funktion. Generalprävention kann heute nicht mehr als aktuelle Abschreckung vor der Tatbegehung, sondern nur noch als langfristiger sozialpsychologischer Prozeß der „Internalisierung" von Rechtsnormen verstanden werden' 6 4 . Hierzu bedarf es objektiver Normen. Über den Begriff des „Übernahmeverschuldens" drängt überdies der objektive Maßstab ohnehin wieder in die Beurteilung ein (vgl. Rehberg S. 183 f; Stratenwerth Rdn. 1095). 147 Die Ausscheidung von Sonderfähigkeiten dient dem Gleichheitssatz (Jescheck § 54 I 3). Freilich ließe sich auch eine an die individuellen Fähigkeiten angepaßte Gleichheit vertreten. Eine andere Auffassung ergibt sich auch, wenn man nicht von dem Verbot fahrlässiger Handlungen, sondern von der Haftung für jegliche Schädigung (wie in bestimmten Fällen im Zivilrecht) ausgeht: dann erscheint das Erfordernis der Fahrlässigkeit als sozialnotwendige Erhaltung der Bewegungsfreiheit, wobei der Sonderbegabte auf Kosten anderer einen von ihm nicht benötigten Spielraum erhält (Deutsch S. 68 ff, 126 ff, 143 und NJW 1976 2289, 2293). 161 Nachw. zum älteren Schrifttum bei Engisch S. 349 ff. Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung (1959), S. 74 f und Eb.Schmidt-Festschr. S. 246 ff. 162a Welzel § 18 I 1 a λ ; Jescheck § 55 I 2 b 3 (vgl. aber § 54 I 3 und Fahrlässigkeit S. 12); Blei AT § 82 II 1 ; Burgstaller S. 65 f; Wolter G A 1977 269. 163 Stratenwerth Rdn. 1164 ff; Jakobs S. 64 ff; Otto JuS 1974 707; Samson SK Anh. zu § 16 Rdn. 13. Widersprüchlich Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 139 f, 192 f. 164 Zust. Wolter G A 1977 265; Triffterer Bockelmann-Festschr. S. 208. 162

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Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Entscheidend ist aber, daß die Einbeziehung von Sonderfähigkeiten in das Fahrlässigkeitsurteil freiwillige Vorkehrungen zur Erfolgsverhütung in bedenklicher Weise lähmen muß. Die Bereitschaft, noch nicht allgemeinverbindliche Sicherheitsvorkehrungen an Kraftfahrzeugen (ζ. B. Heckscheibenwischer) anzuschaffen, vor Operationen besonders komplizierte Voruntersuchungen durchzuführen, sich über besonders unfallträchtige Straßenstellen zu informieren usw., würde schlecht belohnt und letztlich gehindert, wenn alle dabei gewonnenen Fähigkeiten sofort zur Pflicht würden'65. Dies gilt auch für das Sonderwissen. Soll der freiwillige Besuch von Fortbildungskursen mit der Inpflichtnahme des erworbenen Wissens bestraft werden? Die Unterscheidung zwischen Sonderwissen und Sonderfähigkeiten übersieht, daß es hier nicht um die Nichtbeachtung eines aktuellen Wissens geht (dann würde Vorsatz vorliegen!). Die Vergegenwärtigung von Wissen verlangt aber eine Fähigkeit. Allerdings unterliegen Sonderfähigkeiten immer wieder der Tendenz, sich zur Pflicht zu entwickeln. Dies geschieht entweder dadurch, daß das zunächst Freiwillige durch weite Verbreitung zum Verkehrsgemäßen, zum Standard wird, oder dadurch, daß der Inhaber auf Grund seiner Fähigkeiten besondere Rechte verlangt, wie etwa eine besonders hohe Vergütung bei einer Anstellung. Der Erfassung dieses Prozesses der fortlaufenden Standardisierung dient die starke Differenzierung des ersten Maßstabes nach „Verkehrskreisen" (s. u. Rdn. 150 ff). Schließlich ist die Lehre von der Einbeziehung des persönlichen Maßstabs in die 148 Rechtswidrigkeit gezwungen, die Rechtswidrigkeit bei der Notwehr anders zu definieren und damit den Begriff der Rechtswidrigkeit aufzuspalten (vgl. bes. Jakobs S. 16 ff). Wenn diese Schwierigkeit auch systematisch bewältigt werden kann, so bleibt sie doch ein Mangel (Münzberg S. 191 ff; Schiinemann JA 1975 515). g) Die Erkennbarkeit bei verkehrsgemäßer Sorgfalt aa) Allgemeines. Die o. Rdn. 146 geschilderte Funktion des ersten Maßstabs 149 kann nur ein gedachter Beobachter erfüllen, der weder allwissend ist nach Art des Laplace'schen Geistes 1 6 6 noch auch nur ein undifferenzierter „einsichtigster" oder „einsichtiger" Mensch 1 6 7 . Die Erkennbarkeit und damit der Einsatz der Rdn. 132 ff geschilderten Faktoren der Erkennbarkeit bestimmen sich vielmehr nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, und der Verkehr differenziert. bb) Differenzierung nach Verkehrskreisen. Er differenziert einmal vom Täter aus 150 nach „Verkehrskreisen", die durch längerfristige Elemente wie Beruf, Stellung und länger oder wiederholt ausgeübte Tätigkeiten bestimmt werden. Beispiele: Ärzte und nichtärztliche Heilbehandler (RGSt. 67 12, 23); gewissenhafte Kraftfahrer (BGHSt. 12 81, 83 f; 16 145, 151); Jugendschriftenhändler (BGHSt. 10 133); Offiziere (BGHSt. 20 315, 321).

165 Gegen die Inpflichtnahme von Sonderfähigkeiten auch v. Hippel II 363 Anm. 3; Roeder S. 54 f m. weit. Nachw.; Frisch S. 80, 94; Burgstaller S. 66; Schünemann JA 1975 514 f und Schaffstein-Festschr. S. 167 (allerdings unter fragwürdigem Hinweis auf den Vertrauensgrundsatz). Differenzierend zwischen privaten und beruflichen Sonderfähigkeiten Wolter GA 1977 270 f. 166 Exner S. 138 f; Rümelin AcP 90 171 ff. Dagegen auch Engisch S. 264 f; Lorenz S. 81 ff. 167 Traeger Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht (1904), S. 159; Engisch S. 284, 301, 313 f, 366, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931), S. 55 ff und DJT-Festschr. S. 429; Lorenz S. 94 ff. (71)

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2. Abschnitt. Die Tat

Dabei unterliegen die Verkehrskreise einer weitgehenden Spezialisierung, mit welcher insbesondere zum Standard gewordene Sonderfähigkeiten (s. o. Rdn. 147) in Anspruch genommen werden. Beispiele: Führer schwerer Lastkraftwagen (BGHSt. 7 307, 309), Rennfahrer (BGHZ 5 318, 320), regelmäßige Benutzer einer bestimmten Straße usw. 151

cc) Verkehrskreise mit herabgesetzten Sorgfaltsanforderungen. Die Abgrenzung von Verkehrskreisen mit herabgesetzten Sorgfaltsanforderungen gegenüber der dem Täter individuell möglichen Sorgfalt ist der Lehre vom doppelten Maßstab bisher nicht überzeugend gelungen. Während Deutsch (S. 130 ff) für das Zivilrecht mit der Rechtsprechung Jugend, hohes Alter und Geschlecht als Verkehrskreise anerkennt, weitere Kriterien wie insbesondere einzelne Körperfehler aber ablehnt (S. 130 ff), werden in der strafrechtlichen Literatur vielfach ohne prinzipielle Klärung folgende Merkmale zur individuellen Vorhersehbarkeit geschlagen und damit der Differenzierung nach Verkehrskreisen entzogen: körperliche Mängel, Verstandesfehler, Wissens- und Erfahrungslücken, mangelhafte intellektuelle Begabung, fortschreitender Altersabbau, fehlende Fahrpraxis (Jescheck § 57 II 2), Bildungs- und Ausbildungsstand, intellektuelle Begabung und Gedächtniskraft, spezielle Sachkenntnis (Maurach-Gössel 2 § 43 IV C 3 a), von der sozialen Stellung verlangter Bildungsstand ( Welzel § 22 III 5). Ζ. T. wird hierbei versucht, nur Mängel der Sinnesorgane in die Beurteilung der objektiven Vorhersehbarkeit einzubeziehen (Lorenz S. 114f; Wolter GA 1977 269; vgl. auch Engisch DJT-Festschr. S. 429 Anm. 62); ζ. T. werden — wie Rdn. 145 erwähnt — gerade die Schwierigkeiten dieser Abgrenzung gegen den doppelten Maßstab und für die Anlegung eines streng individualisierten Maßstabes, sei es im Bereich der Schuld, sei es im Bereich des Tatbestandes, ins Feld geführt.

152

Aus dem o. Rdn. 146 für die Anlegung des doppelten Maßstabs angeführten Grund einer nicht nur aktuellen Generalprävention, sondern einer längerfristigen Internalisierung der Rechtsnormen ergibt sich, daß eine Unterscheidung zwischen wandelbaren und unwandelbaren Eigenschaften zu erfolgen hat. Bei unwandelbaren Mängeln der Erkenntnisfaktoren ist in der Tat die Postulierung der Rechtswidrigkeit der Nichterkenntnis sinnlos. Freilich ist hierbei der Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens, besser: der fahrlässigen Übernahme, zu berücksichtigen (s. Rdn. 140 ff).

153

dd) Genaue Prüfung der Faktoren der Erkennbarkeit. Innerhalb der Verkehrskreise darf das Urteil über die Erkennbarkeit nicht unter Berufung auf seinen normativen Charakter mehr oder weniger „über den Daumen gepeilt" werden, sondern es bedarf einer genauen Durchprüfung der einzelnen Faktoren der Erkennbarkeit (s. o. Rdn. 132 ff) auf ihr Versagen und dessen Gründe hin. Mußte der Täter — wie häufig — unsichere Geschehensabläufe vorausberechnen, insbesondere verschiedene Reaktionsmöglichkeiten eines anderen Menschen, so sind die Alternativenhäufung und die damit verbundene Problematik, insbesondere der Zeitfaktor, zu berücksichtigen. Hier kann die Entscheidungstheorie wertvolle Hilfe leistende Steht — wie häufig — für die Wahl der Handlungsalternative nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung, so kann in Umkehrung des Hickschen Gesetzes (s. Rdn. 137) nur eine begrenzte Zahl der Alternativen subjektiv verarbeitet werden. Die Nichtberücksichtigung aller Alternativen kann hier nicht nur nicht fehlerhaft,

168

Vgl. H.-D. Schmidt

Psychologie und Rechtspraxis (1967), S. 142 ff. (72)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§

16

sondern zur Vermeidung einer Überforderung geradezu geboten gewesen sein. Angesichts der zunehmenden Entscheidungszeit bei gleicher Wahrscheinlichkeit der Alternativen (s. Rdn. 137) kann zur Vermeidung einer entscheidungsmäßigen Überforderung sogar eine Fehleinschätzung geboten sein (H.-D. Schmidt aaO S. 145, 151). Für die Beurteilung dieser Fragen dürften häufig Sachverständige hinzuzuziehen sein. ee) Differenzierung nach Rechtsgütern und Gefahrnähe. Der Verkehr differenziert 154 nicht nur vom Täter aus nach Verkehrskreisen, sondern auch vom Rechtsgut aus nach dem Rang des Rechtsguts und der Nähe der Gefahr. Je höher also der Rang des gefahrbedrohten Rechtsguts, je näher die drohende Gefahr, desto höher die Erkennbarkeit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung und umgekehrt (vgl. Engisch S. 285 ff, 304, 323). Nachw. für erhöhte Anforderungen an die Erkennbarkeit bei Gefahren für Leib oder Leben s. u. Rdn. 197, 200. h) Die Erkennbarkeit für den Täter. Die Kriterien der Erkennbarkeit für den 155 Täter ergeben sich weitgehend aus den Ausführungen unter Rdn. 152. Wegen des Rdn. 140 ff erörterten Gesichtspunkts des Übernahmeverschuldens, besser: der fahrlässigen Tätigkeitsübernahme, entfällt die Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung für den Täter allerdings im wesentlichen nur bei überraschendem Auftreten von Erkenntnisunfähigkeit. Beispiele: Plötzliches und unerwartetes Auftreten von Ermüdungserscheinungen bei einem Kraftfahrer (BGH VRS 5 374, 375; 7 181, 182; BGH DAR 1954 208; 1958 194; vgl. auch BGH VRS 14 361); falsche Maßnahmen im Straßenverkehr infolge Bestürzung über eine unverschuldete plötzlich drohende Gefahr (BGH VRS 4 91 ; 10 213; 16 126; 19 108; 23 369; 26 203), wie ζ. B. Ausweichen auf die Gegenfahrbahn (BGH 4 StR 82/67 v. 9. 6. 67); Notwehr in unerwarteter Gefahr, wobei die Notwehrhandlung infolge Bestürzung einen unbeteiligten Dritten verletzt (RGSt. 58 27, 30); Putativnotwehrexzeß infolge Bestürzung, Furcht oder Schrecken (BGH NJW 1968 1885). i) Der Nachweis der Erkennbarkeit. Die Erkennbarkeit ist ein Urteil über die 156 Möglichkeit des Erkennens der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung (s. Rdn. 129, 132 ff). Diese Möglichkeit selbst muß allerdings mit der üblicherweise erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehen. Wenn daher eine besondere Narkoseanfälligkeit auch bei Hinzuziehung eines Facharztes möglicherweise nicht entdeckt worden wäre, fehlt die Erkennbarkeit (OLG Köln 22. 11. 66 - 34 KMs 3/66 StA Köln, mitgeteilt bei Wessels JZ 1967 449 f; vgl. auch BGHSt. 21 59). Zum Indizien- und Anscheinsbeweis bei der Fahrlässigkeit s. Volk GA 1973 161. 5. Sorgfaltspflichtverletzung — erlaubtes Risiko Schrifttum Kienapfel Das erlaubte Risiko im Strafrecht (1966); Oehler Die erlaubte Gefahrsetzung und die Fahrlässigkeit, Eb.-Schmidt-Festschr. (1961), S. 232; Rehberg Zur Lehre vom „Erlaubten Risiko" (1962); Roeder Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau (1969); Schmidhäuser Fahrlässige Straftat ohne Sorgfaltspflichtverletzung, Schaffstein-Festschr. S. 129.

Im Vorhergehenden wurde die Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit der Tatbe- 157 Standsverwirklichung entwickelt. Es wurde jedoch Rdn. 123 f dargelegt, daß schon (73)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

in der Rechtsprechung des RG, vor allem aber in der Wissenschaft seit Engisch das Schwergewicht der Fahrlässigkeit auf die Außerachtlassung der gebotenen äußeren Sorgfalt gelegt wird. Gegen den unzutreffenden und zu Fehlern führenden Ausdruck „Sorgfaltswidrigkeit" mit Recht Hardwig ZStW 78 (1966) 1, 27; das gleiche gilt für den Ausdruck „Sorgfaltsverletzung". Eine eigenständige Funktion dieses Merkmals kann jedoch nicht anerkannt werden. Zunächst gibt es Fahrlässigkeitstatbestände mit konkreter Handlungsumschreibung wie die §§315 Abs. 4, 5, 315 a Abs. 3, 315 b Abs. 4, 5, 315 c Abs. 3, 326 StGB, bei denen die Sorgfaltspflichtverletzung selbst abschließend umschrieben ist. Im übrigen entbehrt das Erfordernis der Sorgfaltspflichtverletzung jeder begrenzenden Funktion. Normierte Sorgfaltspflichten liegen nur in den wichtigsten Lebensbereichen vor. Eine Abhilfe ist auch nicht zu erwarten. Eine abschließende Umreißung der Sorgfaltspflichten „gehört als Planwirtschaft' des Sozialverhaltens vorerst in den Bereich dogmatischer Utopie" 169 . Daraus folgt, daß eine positive Umschreibung der Sorgfaltspflicht zum allgemeinen Verbot gefährlicher Handlungen zwar nicht hinsichtlich der Häufigkeit der vorkommenden Fälle, wohl aber hinsichtlich der Vielfalt der denkbaren gefährlichen Handlungen im Verhältnis der Ausnahme zur Regel steht. Auch die Versuche zu einer Typisierung der Sorgfaltspflicht gelangen entweder über ganz grobe Gruppierungen nicht hinaus, so: Unterlassung gefährlicher Handlungen, Vornahme äußerer Handlungen, Rechtsbeachtung (Engisch S. 283 ff; weitgehend zust. Jescheck§ 55 I), Konkretisierung der Pflicht aus Tatbestand, typischer Situation, Position beim Zusammenwirken mehrerer und Täterschaftsform (Roxin Täterschaft und Tatherrschaft 2 [1967], S. 528 ff), oder sie enden in einer uferlosen Kasuistik (Nagler LK 8 § 59 Anm. 23 b bb). In den vielen Fällen, in denen demnach eine normierte Sorgfaltspflicht fehlt, wird sie von dieser Auffassung kurzerhand aus allgemeinen Erwägungen herbeigezaubert: Das RG landete schließlich bei der „Rücksicht auf das Allgemeinwohl" (RGSt. 30 25, 28), der „durch das menschliche Zusammenleben allgemein gebotenen billigen Rücksicht auf Gesundheit und Leben anderer" (RGSt. 57 172, 173; BGHSt. 7 112, 115). Liegt aber eine normierte Sorgfaltspflicht vor, so soll deren Verletzung oder die Einhaltung auch wiederum keineswegs notwendig eine Sorgfaltspflichtverletzung oder -einhaltung darstellen, sondern diese nur i n d i z i e r e n 1 7 0 , Geradezu ans Groteske grenzt es, daß die Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung außerdem noch ein aufwendiges dogmatisches Gebäude errichten mußte, nur um die Fälle wieder auszuscheiden, in denen das Verhalten gar nicht den „Schutzbereich" der von ihr zuvor ermittelten „Sorgfaltspflicht" verletzt! S. dazu u. Rdn. 186, 188. 158 Die Anknüpfung des Fahrlässigkeitsurteils an die Verletzung der gebotenen äußeren Sorgfalt hat zu der fehlerträchtigen Auffassung geführt, daß die Fahrlässigkeit in der Unterlassung der Sorgfalt bei einer an sich erlaubten Tätigkeit bestehe 171 , eine Auffassung, die dann wiederum die Hereinnahme des persönlichen Maßstabs der Erkennbarkeit bzw. Sorgfaltspflicht in den Tatbestand und damit die 169 Hirsch ZStW 83 (1971) 140,164; vgl. auch Fr.-Chr. Schroeder Sport und Recht S.27. Α. A. Roxin Kriminalpolitik und Strafrechtssystem (1970), S. 22. " 0 Engisch S. 360 ff; Jescheck § 55 I 3 d; Deutsch S. 157 ff; Welzel § 18 I 1 a a. E.; h. L.; s. näher Rdn. 163 ff. 171 S. z. B. Niese S. 62; Armin Kaufmann Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie (1954), S. 284 f; weit. Nachw. bei Binavince S. 37 ff. (74)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Aufgabe des doppelten Maßstabs zur Folge hatte (s. o. Rdn. 125, 145). Alle Ausführungen über die bloße Sorgfaltswidrigkeit des Handlungsvollzuges können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß letztlich diese gefahrträchtige Handlung unterlassen werden muß, daß der Täter nicht die gleiche Handlung sorgfältig vornehmen, sondern nur eine andere Handlung vornehmen darf 1 7 2 . Daraus erklärt sich, daß die Möglichkeiten sorgfältigen Handelns regelmäßig weitaus zahlreicher sind als die unsorgfältigen Handelns, so daß die Postulierung einer Sorgfaltspflicht ein ganzes Bündel von Handlungsalternativen postulieren müßte (vgl. Binavince S. 52). Die Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung verführt außerdem dazu, die Sorgfaltspflicht mit der Garantenstellung gleichzusetzen (so z. B. BGH JR 1979 429 m. abl. Anm. Hirsch). Schließlich reduziert sie die fahrlässigen Erfolgsdelikte auf Ungehorsams- und abstrakte Gefährdungsdelikte 173 u n c j führt zu einer dogmatisch unsauberen Aufsaugung der Rechtfertigungsgründe 174 . Damit ergibt sich: die sog. Sorgfaltspflichtverletzung ist nichts anderes als die Art und Weise der äußeren Handlung, die den Erfolg letztlich herbeiführt. Der Versuch einer Typisierung und Umgrenzung der Sorgfaltspflicht ist ebenso fruchtlos, wie es bei der vorsätzlichen Tötung die Typisierung der Begehungsmittel wäre (vgl. auch Jakobs S. 74). Die Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung findet daher zusehends mehr Gegner 1 7 5 ; auch ihre Anhänger wenden sich der von ihnen sog. „kognitiven Fahrlässigkeit" zu 1 7 6 . Allerdings ist das menschliche Sozialleben, insbesondere in seiner modernen 159 technisierten Form, ohne Zulassung gewisser voraussehbarer Schäden, eines gewissen Risikos, undenkbar. Die Rechtsprechung zur sog. Sorgfaltspflicht kann daher nicht als positive Umreißung der Voraussetzungen der Fahrlässigkeit verstanden werden, sondern nur als Anerkennung bzw. Ablehnung eines erlaubten Risikos. Dieser Gesichtspunkt bildet auch bei Anhängern der Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung jedenfalls einen Unterfall der letzteren 177 . Bei anderen Autoren wiederum ist das erlaubte Risiko nur die „Kurzbezeichnung für diejenigen Verhaltensweisen, durch die die objektive Sorgfaltspflicht nicht verletzt wird" 178 . Das erlaubte Risiko wird häufig auch unter dem Begriff der Sozialadäquanz erörtert, sei es wiederum im Rahmen der Sorgfaltspflichtverletzung ( Welzel §18 I 1 a ß\ Jescheck § 55 I 2 b), sei es selbständig (Schaffstein ZStW 72 [1960] 369, 385; Jakobs Landesreferat S. 13); dagegen Hirsch ZStW 74 (1962) 78, 93 ff; Ζφ/ZStW 82 (1970) 633, 652. Gegen den Begriff des erlaubten Risikos in diesem Zusammenhang Jescheck § 56 III 1 ; Kienapfel S. 27 f.

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Vgl. auch Nowakowski JZ 1958 335, 337; Oehler Eb. Schmidt-Festschr. S. 291 ; jetzt auch Armin Kaufmann ZfRV 64 41, 46 und Welzel-Festschr. S. 393, 410; Jakobs S. 61 ; Zielinski S. 169 ff; Frisch S. 87. Jakobs S. 66 f; Zielinski S. 170 f. Lorenz S. 35 f; Münzberg S. 108; Rehberg S. 148; Frisch S. 115. Schmidhäuser Schaffstein-Festschr. S. 129 ff; Wolter GA 1977 267. S. auch Otto JuS 1974 702, 705. Zielinski S. 278 ff. Engisch S. 285 ff, 303 ff, 323 f; Welzel § 18 I 1 λ β und Fahrlässigkeit und Verkehrsdelikte S. 25; Jescheck §§ 55 I 3 b, 56 III 1 ; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 144; Schünemann JA 1975 575 ff; Frisch S. 105 ff; Burgstaller S. 39 ff. Maurach A T 4 §43 II (anders jetzt Maurach-Gössel AT 2 §44 I B, C); ebenso Rehberg S. 226 ff, 235.

2. Abschnitt. Die Tat

§16 160

Der Gesichtspunkt des erlaubten Risikos bzw. der dahin verstandenen Sorgfaltspflicht oder Sozialadäquanz wird vielfach auch für das vorsätzliche Delikt in gleicher Weise für relevant gehalten 1 7 9 . Hierin liegt eine weitere Bestätigung dafür, daß die „Sorgfaltspflichtverletzung" keine eigenständige Funktion erfüllt. Im übrigen kann dazu hier nicht näher Stellung genommen werden; unter dem Gesichtspunkt des unterschiedlichen Unwertgehalts von Vorsatz und Fahrlässigkeit erscheint eine unterschiedliche Erlaubnis des Risikos durchaus vertretbarl 8 0 .

161

Die Erlaubnis des Risikos dient einem doppelten Zweck: einmal — unabhängig von der Kenntnis oder Erkennbarkeit — der Ermöglichung bestimmter sozial anerkannter Tätigkeiten, zum anderen der Entlastung der Aufmerksamkeit in schwierigen Situationen und damit der Konzentration der Aufmerksamkeit auf Sondergefahren (s. o. Rdn. 153).

162

Der Bereich des erlaubten Risikos bemißt sich zunächst nach dem Wert bzw. Nutzen der ausgeübten Tätigkeit einerseits, der Art und dem Umfang des drohenden Schadens andererseits. Ferner sind aber auch in Beziehung zu setzen die Größe der Gefahr bzw. Wahrscheinlichkeit des Schadens einerseits, der Grad der Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung andererseits. Die ausgeübte Tätigkeit bedarf keiner Unentbehrlichkeit; andererseits genügt aber auch keine bloße soziale Üblichkeit (bedenklich Schünemann JA 1975 576). Erforderlich ist vielmehr soziale Anerkennung, wie ζ. B. beim Sport. K a n n das Risiko durch Sicherheitsvorkehrungen verringert oder gar ausgeschlossen werden, so ist der erforderliche Aufwand hierfür als dritte Komponente in die Kalkulation einzubeziehen und insbesondere gegen das Ausmaß der Risikoverringerung abzuwägen. Sozial anerkannte Tätigkeiten dürfen nicht durch Vorsichtsanforderungen so eingeschränkt werden, daß sie ihres eigentlichen Wesens entkleidet werden, ζ. B. ein Fußballspiel nicht mehr nach seinen normalen Regeln ausgetragen werden kann (BayObLGSt. 60 270 = J R 1961 74) oder das Skilaufen auf ein Abrutschen im Schrittempo reduziert wird (Fr.-Chr. Schroeder Sport und Recht S. 28). Zu den Kriterien des erlaubten Riskos s. noch Engisch S. 288 f, 304, 323. 6. Abstrakte Gefährdungsverbote als Beweisanzeichen für die Erkennbarkeit und als Umreißung des erlaubten Risikos Schrifttum Lenckner Technische Normen und Fahrlässigkeit, Engisch-Festschr. S. 490; Volk Anscheinsbeweis und Fahrlässigkeit im Strafprozeß, GA 1973 161.

163

In zahlreichen Vorschriften sind abstrakte Gefährdungsverbote aufgestellt. Deren Verletzung oder Einhaltung, die Wahrnehmung daraus folgender Vorrechte (ζ. B. Vorfahrtsrecht) und bei geschlossenen Regelsystemen (vgl. Deutsch S. 167, 171; Fr.-Chr. Schroeder Sport und Recht S. 27 f) die Vornahme nicht verbotener Handlungen entscheidet nicht unmittelbar über das Vorliegen der Fahrlässigkeit. Dies ist für die Auffassung der Fahrlässigkeit als Kenntnis oder Erkennbarkeit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung (o. Rdn. 127 ff) selbstverständlich, wird aber auch von der Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung (o. Rdn. 123 f, 157 f)

179

Nowakowski JZ 1958 335, 390; Jescheck § 25 IV 1 ; Krauß ZStW 76 (1964) 19, 47; Jakobs S. 87 f; Schmidhäuser9/31, 47; PreußS. 211 ff. Weit. Nachw. bei Kienapfels. 12 f.

180 v g l

auci,

zipf

ZStW 82 (1970) 633 f f : Differenzierung nach Absicht u n d Wissentlichkeit. (76)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

trotz des Widerspruchs zu ihren Grundlagen anerkannt 1 8 ^. Wegen einer von dem von der Norm vorausgesetzten Regelfall abweichenden konkreten Situation oder sogar wegen eines generellen Irrtums des Normgebers (v. Hippel VDA 3 571 Anm. 2; Engisch S. 362; Deutsch S. 164) kann eine Abweichung von der Norm geboten und daher ihre Überschreitung geboten, ihre Einhaltung fahrlässig sein (RGSt. 59 341; 60 86; 65 158; BGH VRS 37 555: Einhaltung detaillierter Unfallverhütungsvorschriften u. U. nicht ausreichend). Das Gefährdungsverbot kann „so abstrakt" sein, daß es eine Gefahr schlechterdings nicht indizieren kann. Bei Übertretung der Norm kann ferner Fahrlässigkeit entfallen, wenn sonstige ausreichende Sicherungsvorkehrungen getroffen wurden (RGSt. 57 148, 151). Schließlich kann sich die Verhütungsvorschrift gegen andere Gefahren richten als tatsächlich eingetreten (ζ. B. BGHSt. 4 182, 186: Verbot des Überholens an Straßenkreuzungen soll den einmündenden Verkehr, nicht den Überholten schützen; vgl. aber BGHSt. 10 369, 371 : Gebot des Linksgehens für Fußgänger soll nicht nur diese selbst, sondern auch den Kraftverkehr schützen). Zu beachten ist, daß in der StVO und ebenso in den FIS-Regeln für den Skilauf 164 (s. Rdn. 167) die abstrakten Gefährdungsverbote durch ein generelles Verbot konkreter Gefährdung (§ 1 StVO, FIS-Regel 1) ergänzt und überlagert werden, so daß der geschilderte Konflikt zwischen abstraktem Gefährdungsverbot und konkreter Fahrlässigkeit weitgehend ausgeschaltet wird (vgl. auch Deutsch S. 165 f). Hier setzt sich jedoch zusehends die Auffassung durch, daß die Einhaltung ausdrücklicher Regeln auch bei einem Zuwiderlaufen gegen die Belange der Verkehrssicherheit keinen Vorwurf begründen kann (Müller StVO § 1 Rdn. 6; Jagusch § 1 StVO Rdn. 6, allerdings auch hierbei wieder mit den einschränkenden Zusätzen „im allgemeinen" und „in der Regel"). Vgl. auch BayObLGSt. 59 13, 14: „Eine Ausnahme kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ganz offensichtlich die Beachtung einer Verkehrsregel die Gefahr eines Unfalls hervorrufen könnte und durch die Außerachtlassung der Regel diese Gefahr vermieden würde". Ebenso für das Zivilrecht Deutsch (S. 168, 170). Dies ist einleuchtend, da in die Straßenverkehrsordnung die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des erlaubten Risikos (s. Rdn. 159 ff) in regelmäßigen Abständen eingearbeitet werden. Eine Reihe von Entscheidungen erweckt demgegenüber den Anschein einer 165 Abhängigkeit der Fahrlässigkeit von der Übertretung bzw. Einhaltung abstrakter Gefährdungsverbote, ζ. B. BGHSt. 6 30, 33; 11 296, 298; 13 169, 172, vor allem die berühmte Entscheidung zur Anerkennung des „verkehrsrichtigen Verhaltens" BGHZ 24 21, 26 (dagegen auch Bockelmann NJW 1960 1282; Deutsch S. 167). Bedenklich auch BGHSt. 15 386; 17 181, 184: Erkennbarkeit bei Nichtbenutzung aller an einem Kraftfahrzeug angebrachten Sicherungsvorrichtungen, auch wenn der Täter deren Notwendigkeit nicht durchschaut; mindestens mußte er sie durchschauen können. Übrigens trifft der vom BGH enwickelte Grundsatz schon deshalb nicht zu, weil viele Sicherungseinrichtungen nur für den Fall besonderer Gefahren oder des festgestellten Versagens anderer Sicherungeinrichtungen vorgesehen sind (vgl. BGHSt. 17 181, 184 selbst und Isenbeck NJW 1962 1971). In diesen Grenzen sind die abstrakten Gefährdungsverbote jedoch als „Ergebnis 166 einer auf Erfahrung und Überlegung beruhenden umfassenden Voraussicht möglicher Gefahren" Beweisanzeichen für die Erkennbarkeit (RGSt. 56 343; 73 370, 373; 181

(77)

Α. A. Maurach-Gössel AT 2 § 43 II A 4 a, der sich aber eigenartigerweise auch nur bis zu einer „unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung" zu gehen traut.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

76 1; BGHSt. 4 182, 185; 12 75, 78). Das gleiche muß aber auch umgekehrt für die Einhaltung der Vorschriften, die Wahrnehmung daraus folgender Vorrechte und bei geschlossenen Systemen die Vornahme nicht verbotener Handlungen gelten. Zum Indizien- u n d Anscheinsbeweis bei der Fahrlässigkeit Volk G A 1 9 7 3 161. 167

Als solche Vorschriften kommen u. a. in Betracht: Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände, ggf. konkretisiert durch Gerichtsentscheidungen (vgl. Deutsch S. 160), Verwaltungsvorschriften, innerdienstliche u n d innerbetriebliche Instruktionen, insbesondere militärische Zentrale Dienstvorschriften — ZDV — (BGHSt. 20 315), anerkannte Regeln beruflicher Tätigkeit, insbesondere die lex artis der ärztlichen Heilkunde, N o r m e n der Technik, ζ. B. D I N - N o r m e n , V D E - N o r m e n (Verb a n d Deutscher Elektrotechniker), VDI-Richtlinien (Verein Deutscher Ingenieure), Regeln des Deutschen Vereins von Gas- u n d Wasserfachmännern, D V G W (hierzu Lenckner Engisch-Festschr. S. 490 ff), Sportregeln (hierzu Fr.-Chr. Schroeder Sport und Recht S. 26 f), insbesondere die Regeln für den Skilauf der Fédération Internationale de Ski (FIS), abgedr. bei Schroeder-Kauffmann Sport und Recht S. 264, behördliche Genehmigungen ( R G JW 1936 2911), in einem Krankenhaus bestehende Übung (BGHSt. 6 282, 287).

7. Der Vertrauensgrundsatz Schrifttum Böhmer Der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr in der Rechtsprechung, JR 1967 291 ; Clauß Vertrauen zum „Vertrauensgrundsatz"? JR 1964 207; Giilde Der Vertrauensgrundsatz als Leitgedanke des Straßenverkehrsrechts, JW 1938 2785; Stratenwerth Arbeitsteilung und ärztliche Sorgfaltspflicht, Eb.-Schmidt-Festschr. (1961), S. 383. a) Vertrauensgrundsatz und Sorgfaltspflicht 168

Der Vertrauensgrundsatz wurde 1938 mit der Begründung entwickelt: „Ließe man gegenüber den Schwachen die Zügel locker, so förderte man diejenigen, welche ihre Pflichten gegenüber der Volksgemeinschaft mangelhaft oder gar nicht erfüllen und dadurch ihr Volk schädigen, zum Nachteil der pflichtgetreuen Verkehrsgenossen. Entschiedener K a m p f den Verkehrswidrigkeiten und Schluß mit jeder schwächlichen Nachsicht gegenüber den Verkehrssündern!" (Gülde JW 1938 2785). Selbst wenn man die zeitbedingte Terminologie ausklammert, so m u ß der Vertrauensgrundsatz f ü r die Deutung der Fahrlässigkeit als Sorgfaltspflichtverletzung letztlich doch immer eine Belohnung des sorgfältigen Verkehrsteilnehmers, ja sein Einsatz zur Durchsetzung der Verkehrsdisziplin, bleiben. b) Vertrauensgrundsatz und Erkennbarkeit

169

Die Auffassung der Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung kann den Vertrauensgrundsatz zunächst insoweit integrieren, als es sich um Urteile über die Erkennbarkeit handelt: vorschriftswidriges Verhalten anderer ist für den Täter in der Regel nicht erkennbar. Dieser Gesichtspunkt wird von der Rechtsprechung in der Tat häufig berücksichtigt. Der dabei regelmäßig verwendete Ausdruck „nicht rechnen müssen mit" ist nur ein Synonym für das „nicht für möglich halten müssen" (s. o. Rdn. 127 ff). In diesem Sinne RGSt. 70 71, 73; B G H N J W 1 9 5 2 35; B G H S t . 4 182, 187; 188, 191; Rehberg S. 225. Hierzu unter dem Gesichtspunkt der Abweichung des Kausalverlaufs schon o. Rdn. 19 ff. (78)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

c) Güterabwägung. Indessen treten neben dieses Urteil über die Erkennbarkeit 170 (und nicht immer exakt von ihm geschieden) häufig Gesichtspunkte der Güterabwägung: Förderung des flüssigen Verkehrs (RG JW 1936 450, 451), Bedürfnisse des täglichen Lebens und Wesen, Eigenart und Erfordernisse des Kraftwagenverkehrs (RGSt. 70 71, 74; 72 55; 73 239, 241), Flüssigkeit des Straßenverkehrs (BGHSt. 3 49, 51), Sinn und Zweck der Vorfahrtsregelung (BGHSt. 4 47,48, 50, 52). In dieser Ausprägung ist der Vertrauensgrundsatz insbesondere erforderlich, um die Strafbarkeit der bewußten Fahrlässigkeit, für die ja die Kenntnis der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ausreicht (s.o. Rdn. 118), einzuschränken. Schon begrifflich knüpft der Vertrauensgrundsatz an die Definition der bewußten Fahrlässigkeit als „Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolgs" (s. o. Rdn. 122) a n i 8 2 , in zahlreichen Entscheidungen heißt es daher, daß der Täter sich auf ein verkehrsgemäßes Handeln verlassen, darauf vertrauen durfte: RGSt. 71 80, 85; BGHSt. 8 200, 203 (Vertrauensgrundsatz trotz der Erfahrung, daß selbst völlig unvernünftiges Verhalten im Straßenverkehr keine Seltenheit geworden ist); BGHSt. 9 92, 95 (Vertrauen darauf, daß ein Kind, das sich in naher Begleitung eines es offensichtlich beobachtenden und behütenden und deshalb für seine Sicherheit verantwortlichen Erwachsenen befindet, sich nicht ohne weiteres aus diesem Schutzbereich entfernen und in den Gefahrenbereich des Straßenverkehrsbereichs begeben werde — einleuchtender wäre hier die Anknüpfung des Vertrauens an die Aufsicht des Erwachsenen gewesen); BGHSt. 12 81, 83 und BGH VRS 15 450, 451 (Vertrauensgrundsatz als unerläßliche Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf des Verkehrs); BGHSt. 12 162, 164 (Unzumutbarkeit der Abstandnahme vom Überholen, obwohl Vordermann ohne Richtungsänderungsanzeige zur Straßenmitte wechselt); BGHSt. 13 169, 172. Diese Erwägungen gehören damit in den Bereich des erlaubten Risikos (s. o. Rdn. 159 ff; Samson SK Anh. zu § 16 Rdn. 21; vgl. auch Frisch S. 95 ff). d) Auslegung von Tatbestandsmerkmalen abstrakter Gefährdungsverbote. Schließ- 171 lieh wird noch in einigen Entscheidungen die Frage des Vertrauenkönnens in einzelne Merkmale abstrakter Gefährdungsverbote hineininterpretiert. Hierher gehören BGHSt. 4 47, 49 f: keine „Unübersichtlichkeit" der Kreuzung für den Vorfahrtberechtigten; BGHSt. 7 118: zulässige Geschwindigkeit des Vorfahrtberechtigten — hier lag allerdings kein Fahrlässigkeitsdelikt vor; BGHSt. 8 200: Geschwindigkeit beim Überholen; BGHSt. 13 169, 171 und BayObLG NJW 1960 59: keine Unübersichtlichkeit der Fahrbahn bei Vorbeifahrt an haltenden Omnibussen; BGHSt. 17 299 : „Unübersichtlichkeit" einer Kreuzung für den Vorfahrtberechtigten bei Wartepflicht seinerseits gegenüber von rechts kommenden Fahrzeugen. e) Der Vertrauensgrundsatz als Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Stratenwerth 172 (Rdn. 1154 ff und Eb.-Schmidt-Festschr. S. 383 ff) will den Vertrauensgrundsatz sowohl von der Vorhersehbarkeit als auch vom erlaubten Risiko lösen und allein auf das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit gründen mit der Folge einer Ablehnung der u. Rdn. 173 aufgeführten Einschränkung. Hiergegen mit Recht Jakobs S. 88 f Anm. 170; Burgstaller S. 63. f) Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz. Der Vertrauensgrundsatz gilt nur, 173 solange nicht besondere Umstände einen „triftigen Anlaß" zum Erkennenmüssen 182

(79)

Das übersieht Clauß JR 1964 207 (noch schärfer in: General Semantics. II. Tl. Studien im Recht [1970], S. 123 ff) mit seiner heftigen Kritik an der „1938 erdachten" „Perversion" des Vertrauensbegriffs als Einschränkung von Sorgfaltspflichten.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

geben (RGSt. 70 71, 74; 71 25, 28; 72 55, 56; 73 239, 241; BGHSt. 4 47, 51; 9 92, 93 f; 12 81, 83; BGH VRS 15 450, 451. Abi. Jakobs ZStW 89 [1977] 1, 14, 30), sich dem Kraftfahrer eine Verkehrslage darbietet, die das Vertrauen aus irgendeinem Grund nicht völlig rechtfertigt (BGHSt. 10 3, 4; sehr weitgehend). Dies gilt allgemein gegenüber Kindern und sonstigen sich erfahrungsgemäß im Verkehr unsicher bewegenden, vor allem älteren und gebrechlichen Personen (BGHSt. 12 162, 165 f; 13 169, 173; 14 97, 99). 174

Außerdem läßt die Rechtsprechung den Vertrauensgrundsatz nicht gelten, wenn „Verkehrswidrigkeiten so häufig begangen werden, daß ein gewissenhafter Fahrer verständigerweise mit ihnen rechnen muß" (BGHSt. 12 81, 83; 13 169, 173; BGH VRS 15 450, 451) 1 8 3 . Dies ist etwa der Fall bei einer gesetzlichen Neuregelung des Verkehrs für eine Übergangszeit (BGHSt. 12 51, 83; BGH VRS 15 450, 451), muß aber auch für sonstige Neuregelungen gelten. Schließlich versagt die Rechtsprechung die Berufung auf den Vertrauensgrundsatz dann, wenn sich der Täter selbst verkehrswidrig verhalten hat. Diese Formulierung kann leicht zu Mißverständnissen führen. Grundlage der Versagung kann nicht eine Sanktion für die eigene Verkehrswidrigkeit sein, sondern nur die Tatsache, daß das verkehrswidrige Verhalten den anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Abweichen von dem vorschriftsmäßigen Verhalten veranlaßt hat (BGH VRS 14 294, 295; BayObLG NJW 1975 2076; bedenkliche Verkürzung dagegen bei BGH VRS 15 450, 451; BGHSt. 9 92, 93). Abzulehnen daher Mühlhaus S. 61, der geradezu von einer „Verwirkung" des Vertrauens spricht. Stratenwerth begründet den Ausschluß des Vertrauensgrundsatzes mit dem Verbot der Risikoerhöhung (Rdn. 1160).

175

g) Umkehrung des Vertrauensgrundsatzes. Der Vertrauensgrundsatz bedeutet bisher, daß man mit vorschriftswidrigem Verhalten anderer nicht zu rechnen braucht, auf vorschriftsmäßiges Handeln anderer vertrauen darf. Er enthält somit eine Herabsetzung der Anforderungen. Indessen muß der Grundsatz angesichts der Wechselbezüglichkeit des Vertrauens auch umgekehrt werden: Das vorschriftsmäßige Verhalten anderer ist erkennbar, der Täter muß darauf vertrauen. Das Vertrauen wird also zur Pflicht, und zwar nicht erst zur Vermeidung von Schäden, sondern ggf. schon zur Entlastung von zu vielen Handlungsalternativen (s. o. Rdn. 153). Die „Ausnahmen vom Vertrauensgrundsatz" (s. o. Rdn. 173 f) verwandeln sich hierbei folgerichtig von Belastungen zu Entlastungen des Täters; dementsprechend dürfen sie nicht fälschlich angenommen werden.

176

h) Ausdehnung Uber den Verkehrsbereich hinaus. Der Vertrauensgrundsatz wird ζ. T. über den Bereich des Straßenverkehrs hinaus auf alle Formen menschlichen Zusammenwirkens übertragen 1 8 4 . Indessen müssen hierbei zusätzliche Einschränkungen gemacht werden für Fehler bei der Beaufsichtigung, Kontrolle und Überwachung des Verhaltens anderer Personen (Stratenwerth Rdn. 1158; vgl. auch Frisch S. 100 ff), während der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr gerade darauf 183

184

Zust. Frisch S. 102; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 149; Jakobs S. 88 f Anm. 170 (aufgegeben ZStW 89 [1977] 1, 13, 30). Abi. Stratenwerth Rdn. 1156. So Exner Frank-Festgabe I S. 569, 577 (hier sogar umgekehrt der Vertrauensgrundsatz im Verkehr nur als Unterfall der allgemeinen Frage: „Unter welchen Umständen ist es pflichtwidrig, darauf zu vertrauen, daß der andere seine Pflicht tun werde?"); Welzel § 1 8 I l a / ? ; Stratenwerth Eb.-Schmidt-Festschr. S. 383 ff und grundsätzlich Lehrbuch Rdn. 1154 ff; Lenckner Engisch-Festschr. S. 490, 506; Sch.-Schröder-Cramer § 1 5 Rdn. 151 ; Rehberg S. 225 f; Frisch S. 100. (80)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

beruht, daß sich hier Personen ohne jede nähere Beziehung aufeinander einstellen müssen. Zur Pflicht des Arztes zur Überwachung von Hilfspersonal BGHSt. 3 91 ; 6 282; BGH NJW 1955 1487; Stratenwerth Eb.-Schmidt-Festschr. S. 490 ff. Zur Pflicht des Bauherrn im Verhältnis zum Bauunternehmer OLG Hamm NJW 1969 2211; Gallas Die stafrechtliche Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten (1964). Zum Vertrauen auf Auskünfte eines Rechtsanwalts und Einhaltung der Schweigepflicht BGHSt. 20 342, 350 (heute angesichts der Politisierung gewisser Rechtsanwälte in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrechtzuerhalten). 8. Handeln auf fremdes Risiko — Einwilligung — Selbstgefährdung Schrifttum Geppert Rechtfertigende „Einwilligung" des verletzten Mitfahrers bei Fahrlässigkeitsstraftaten im Straßenverkehr? ZStW 83 (1971) 947; Roxiη Zum Schutzzweck der Norm bei fahrlässigen Delikten, Gallas-Festschr. S. 241 ; Zip/Einwilligung und Risikoübernahme im Strafrecht (1970).

a) Sorgfaltspflicht. RGSt. 57 172 hat bei einem Handeln im Interesse des Opfers 177 und bei dessen klarer Vorstellung von der Gefahr (Übersetzen über die Memel bei stürmischem Wetter) die Sorgfaltspflichtwidrigkeit entfallen lassen. Indessen wurde schon damals betont, daß dies nur für die sog. Übernahmefahrlässigkeit (s. o. Rdn. 140 ff) gelte, während die Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Ausführung selbst bestehen bleibe (RGSt. 57 172, 174). An diesem Merkmal haben denn auch alle nachfolgenden Entscheidungen den Fortfall der Fahrlässigkeit scheitern lassen und den angeführten Grundsatz lediglich als obiter dictum wiederholt: RG JW 1925 2250 (Tötung eines Motorradsozius, der nur die fehlende Fahrberechtigung, nicht aber sonstige Schäden des Motorrades gekannt, freilich auch gegen die wilde Fahrt keine Einwendungen erhoben hatte); BGHSt. 4 88, 93 (Tötung nach Herausforderung zum Boxkampf); BGHSt. 6 232, 234 f (Mitfahrt mit betrunkenem Kraftfahrer); BayObLG NJW 1957 1245, 1246 (Tötung des Soziusfahrers); OLG Karlsruhe NJW 1967 2321, 2322 (Mitfahrt mit betrunkenem Kraftfahrer). BGHSt. 7 112 (Wettfahrt eines Motorradfahrers mit einem angetrunkenen Mopedfahrer) bezeichnete als maßgebliche Umstände des Einzelfalles das etwaige Einverständnis voll verantwortlicher Personen mit der klar erkannten Gefahr, Anlaß und Zweck des Unternehmens, die etwaigen Vorsichtsmaßregeln sowie das Maß der Sorglosigkeit und die Größe der Gefahr. Danach ist seit RGSt. 57 172 in keinem Fall mehr die Sorgfaltspflicht verneint worden. Dieses Merkmal ist auch — abgesehen von seiner grundsätzlichen Problematik (s.o. Rdn. 157 f) — schwerlich geeignet, den maßgebenden Gesichtspunkt adäquat zu berücksichtigen! 8 5 . b) Einwilligung. Für diese Fälle, vor allem die Teilnahme an gefährlichen Kraft- 178 fahrzeugfahrten, wird heute vielfach die Lehre von der Einwilligung abgelehnt, da sie gekünstelt und fiktiv sei. Zipf arbeitet mit dem Begriff der Sozialadäquanz, der freilich nur bei sozialer Anerkennung gegeben ist 1 8 6 . Die Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen hat seit BGHZ 34 355 den Gesichtspunkt der Einwilligung gänzlich

185

186

(81)

Α. A. Hirsch ZStW 74 (1962) 78, 95 f; Geppert ZStW 83 (1971) 991 ff; Preuß S. 143 f ; Maurach-Gössel AT 2 § 43 II Β 1 b ; Frisch S. 86 ff; für die fahrlässige Förderung eines Selbstmords auch Roxin S. 546; van Eis NJW 1972 1476 (s. auch u. Rdn. 183). S. 64 ff. Kritisch gegen die Konstruktion Zipfs auch Frisch S. 35, 159.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

verworfen und wendet § 254 BGB als Konkretisierung des gegen Treu und Glauben verstoßenden Verbots des venire contra factum proprium an. Roxirt stellt ab auf den „Schutzzweck der Norm" und verneint eine Fahrlässigkeitshaftung dort, wo die einverständliche Fremdgefährdung einer Selbstgefährdung gleichstehe. Dies sei u. a. dann der Fall, wenn der Gefährdete das Risiko im selben Maße übersehe wie der Gefährdende, der Schaden die Folge des eingegangenen Risikos und nicht hinzukommender anderer Fehler sei und der Gefährdete für das gemeinsame Tun die gleiche Verantwortung trage wie der Gefährdende (Gallas-Festschr. S. 241, 249 ff). Nach Otto ist der Zurechnungszusammenhang unterbrochen (JuS 1974 710); Burgstaller lehnt mit der Einwilligung überhaupt eine Straffreiheit weitgehend ab (S. 158 ff). 179 Gewiß fließen auch in die Lehre von der Einwilligung über die Beurteilung der konkludenten Erteilung Gesichtspunkte der Sozialadäquanz ein. Indessen liegt der Vorzug der „liberalistischen" Figur der Einwilligung (Becker DJ 1938 1722) darin, daß sie individuellen Begrenzungen und Modifikationen mehr Raum gibt. Freilich darf die „Einwilligung" hierbei nicht i. S. der Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewußten Fahrlässigkeit verstanden werden, da dann in der Tat bei der Risikoübernahme so gut wie nie eine Einwilligung vorliegen würde! 87 . Die Einwilligung in ein riskantes Verhalten umfaßt zwar nicht notwendig alle Folgen (h. L., vgl. die Nachw. bei Hirsch LK 9 § 226 a Rdn. 4; ferner BayObLGSt. 60 226), wohl aber bei unwidersprochener Unterwerfung darunter 188 . Für eine Lösung nach Einwilligungsgrundsätzen auch Rudolphi SK Vor § 1 Rdn. 81a und Hillenkamp JuS 1977 166, 172; weitgehende Anlehnung an die Regeln der Einwilligung bei Frisch S. 116 ff. 180

Freilich ist hierbei zu berücksichtigen, daß nach h. L. eine Einwilligung in eine Lebensgefährdung nicht möglich ist (vgl. zuletzt Zipf S. 73). Indessen erscheint es fragwürdig, die eigenartige und de lege ferenda mit Recht angegriffene 189 Bestimmung des § 216 StGB auf die bloße Lebensgefährdung zu übertragen 190 .

181

c) Selbstgefährdung und -Verletzung. Zu beachten ist, daß es sich bei einigen der hier behandelten Sachverhalte nicht um eine Fremdverletzung unter Einwilligung, sondern um eine Selbstgefährdung und damit -Verletzung gehandelt hat. So in dem Fall RGSt. 57 172: der Kahn, in dem die Opfer freiwillig Platz genommen hatten, wurde vom Sturm umgeschlagen. Hier ergibt sich die Straflosigkeit bereits aus dem Grundsatz der Straflosigkeit der Beteiligung an der Selbstverletzung 191 . Das gleiche muß aber auch — entsprechend der Rechtsprechung zum gemeinsamen Doppelselbstmord (vgl. BGHSt. 19 135, 138) — für die gemeinsame Selbstgefährdung gelten (zutr. Rudolphi JuS 1969 549, 557). Eine „Mitwirkung an fremder fahrlässiger Selbstverletzung bei gemeinsamer gefährlicher Tätigkeit" nimmt auch BGHSt. 7

187

BGHZ 34 355; Zip/aaO S. 75; Geppert ZStW 83 (1971) 978, 980 ff. 188 Näher hierzu Fr.-Chr. Schroeder Sport und Recht S. 30 ff; Schaffstein Welzel-Festschr. S. 565 ff. !89 Arthur Kaufmann ZStW 83 (1971) 251 f; R. Schmitt Maurach-Festschr. S. 113, 117 f. Für § 216 StGB jedoch Hirsch Welzel-Festschr. S. 775 ff. 190 Dagegen auch Schaffstein Welzel-Festschr. S. 571; Frisch S. 130 ff; Samson SK Anh. zu § 16 Rdn. 33. 191 Zutr. Sch.-Schröder-Lenckner Vor §32 Rdn. 103; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft 2 (1967), S. 546, Gallas-Festschr. S. 246 und van Els NJW 1972 1476, 1477 unter zusätzlicher Heranziehung der Leerformel der Sorgfaltspflicht (s. o. Rdn. 177). (82)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

112, 115 an. Unzutreffend ist es daher, wenn dort die Straflosigkeit noch von Anlaß und Zweck des Unternehmens, etwaigen Vorsichtsmaßnahmen sowie Maß der Sorglosigkeit und Größe der Gefahr abhängig gemacht wird 1 9 2 . Um eine straflose Selbstgefährdung handelt es sich auch, wenn sich jemand frei- 182 willig in eine von einem anderen geschaffene Gefahr begibt. Α. A. BGHSt. 17 359: Seelsorger begibt sich zu fahrlässig angesteckten Pockenkranken 1 9 3 . Andernfalls stünde es jedermann frei, den Gefahrverursacher zum Täter zu machen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn eine Verpflichtung zur Selbstgefährdung besteht wie bei medizinischem Personal, Feuerwehrleuten 1 9 4 . Eine diametral entgegengesetzte Auffassung vertritt Roxin195 : die Rechtsordnung dürfe nicht das von ihr selbst dem Hilfsverpflichteten aufgebürdete Risiko auf den Unfallverursacher „abwälzen". Die Rettungspflicht wird jedoch ex ante statuiert; der Täter kann erkennen, daß er mit seiner Handlung diesen Komplex auslöst. Bedenklich ist allerdings die verbreitete Tendenz, die Verpflichtung zur Rettung in weitestem Umfang anzunehmen 1 9 6 . Eine weitere Ausnahme von der Straflosigkeit der Veranlassung zur Selbstgefährdung muß aber auch bei freiwilligen 7?e«ungihandlungen bestehen, wobei freilich die Selbstgefährdung und die zu verhütende Gefahr hinsichtlich Art und Nähe der drohenden Schäden in einem vernünftigen Verhältnis stehen müssen 1 9 7 . Straflos ist schließlich auch die fahrlässige Förderung eines Selbstmords, die sich 1 8 3 bei Vorsatz als (straflose) Teilnahme darstellen würde. Dies folgt schon aus dem Plus-Minus-Verhältnis zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit (s. § 15 Rdn. 10) 198 . Die Strafbarkeit wird jedoch von der Rechtsprechung für die Untätigkeit nach eingetretener Handlungsunfähigkeit wieder bejaht (BGH NJW 1960 1821; BayObLG N J W 1973 565). Diese Inkonsequenz wird jedoch mit Recht überwiegend abgelehnt 1 9 9 . Zu berücksichtigen ist allerdings, daß bei der Veranlassung zur Selbstverletzung eine Täterschaft bei geringerer Unfreiheit des Opfers anerkannt wird als 192

Für Straflosigkeit auch Roxin Gallas-Festschr. S. 246; Schaffstein Welzel-Festschr. S. 569 f; Otto JuS 1974 710. Dagegen Frisch S. 136. 193 Dagegen auch Rutkowsky NJW 1963 165; Schünemann JA 1975 721; Frisch S. 151 f. 194 Frisch S. 151 ; Maurach-Gössel AT 2 § 43 II Β 2 b; Jakobs ZStW 89 (1977) 1, 32. 195 Honig-Festschr. S. 133, 142 f und Gallas-Festschr. S. 241, 247 f unter Aufgabe seiner Auffassung in „Täterschaft und Tatherrschaft", 2. Aufl. (1967), S. 547. Zust. Burgstaller S. 115. 196 So Rudolphi JuS 1969 549, 557; Maurach-Gössel AT 2 § 43 II Β 2 b: auch kirchenrechtliche Dienstpflicht. Vgl. auch BGHSt. 17 359, 360: „Gebot des Gewissens". 197 Deutsch JZ 1967 641, 643; Rudolphi JuS 1969 549, 557. Α. A. auch hier Roxin aaO; Burgstaller S. 115. 198 Bockelmann ZStW 66 (1954) 117 ; Heinitz JR 1955 105 ; Grünwald GA 1959 121 ; Gallas JZ 1960 649, 690; Otto JuS 1974 709 f; Sax JZ 1975 146; BGHSt. 24 342. Abi. Kohlhaas JR 1973 53 und NJW 1973 548. Roxin Täterschaft und Tatherrschaft 2 (1967), S. 545; GallasFestschr. S. 245 und van Eis NJW 1972 1476 stellen auch hier auf die Leerformel der fehlenden Sorgfaltspflicht bzw. des Schutzzwecks der Norm (s. o. Rdn. 157 ff), Welp JR 1972 427 auch hier auf die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche (s. u. Rdn. 184) ab. Α. A. Schilling JZ 1979 159, 162, 167, der indessen auf die (dem fahrlässig Handelnden aber regelmäßig nicht bekannte!) Einwilligung abstellt und noch dazu eine Änderung des § 216 StGB verlangt. 199 Gallas JZ 1960 689; Sch.-Schröder-Eser Vor § 211 Rdn. 42 f; Maurach-Schroeder 1 § 1 VI 4; Friebe GA 1959 166; Grünwald GA 1959 121; Heinitz JR 1954 405; 1955 105; 1961 29; Dreher JR 1967 269; Bringewat NJW 1973 540; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft S. 475; Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 176 f unter Verwendung des Gedankens der actio libera in causa. (83)

§ 16

2. Abschnitt. Die Tat

sonst 2 0 0 . In diesen Fällen muß konsequenterweise auch eine Fahrlässigkeitshaftung eintreten (a. A. Roxin Gallas-Festschr. S. 245 f)· Daher hat B G H J R 1979 429 (m. Anm. Hirsch) bei der Verursachung des Todes von Rauschgiftsüchtigen durch die Verordnung von Suchtmitteln im Ergebnis zutreffend Fahrlässigkeit bejaht (die Strafbarkeit wurde allerdings fälschlich auf die aus der Garantenstellung des Arztes folgende Sorgfaltspflicht gestützt, s. dazu o. Rdn. 158). 9. Erkennbarkeit und erlaubtes Risiko in bezug auf Handlungen anderer 184

Eine besondere Problematik bietet die Frage, inwieweit die nichtgewollte Tatbestandsverwirklichung durch Ermöglichung, Hervorrufung oder Förderung von Handlungen anderer als Fahrlässigkeit gewertet werden kann, um so mehr, als hinsichtlich der Fahrlässigkeit nach h. L. keine Unterscheidung nach Täterschaft und Teilnahme möglich ist. An drei Stellen des überkommenen Systems hat sich bisher eine Sonderstellung der Handlungen anderer herauskristallisiert: 1. sie liegen als „Zwischenursachen" außerhalb der Lebenserfahrung (s. Rdn. 21 f); 2. sie brauchen nach dem „Vertrauensgrundsatz" nur bei besonderem Anlaß in Rechnung gestellt zu werden (s. Rdn. 169 ff); 3. bewußte und freie Selbstverletzungen oder -gefährdungen können dem fahrlässigen Förderer oder Veranlasser nicht zugerechnet werden (s. Rdn. 181 ff). Es wurde schon dargelegt, daß eine Ausdehnung des Vertrauensgrundsatzes über den Bereich des Zusammentreffens Unbekannter ohne nähere Informationsmöglichkeit hinaus unzulässig erscheint (Rdn. 176). Bei vorsätzlichen Handlungen anderer wird jedoch vielfach eine Strafbarkeit fahrlässiger Förderung generell abgelehnt. Die Lehren von der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs und vom Regreßverbot sind heute allerdings überwiegend aufgegeben 2 0 1 . Häufig wird „in der Regel" die Erkennbarkeit abgelehnt 2 0 2 . Nach Welp (Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung [1968], S. 274 ff, 283 ff u n d J R 1972 427, 429) umfaßt der Verantwortungsbereich einer Person niemals das vorsätzliche Fehlverhalten eines Dritten. Otto verneint in diesen Fällen die „Steuerbarkeit des Geschehensablaufs" (MaurachFestschr. S. 91, 99 f und JuS 1974 702, 706); Jakobs will die Strafbarkeit des mittelbaren Verursachers unter Anlehnung an die Terminologie N. Luhmanns darauf beschränken, daß er sich „an oder nach einer durch deliktische Planung bestimmten Welt ausrichtet" (ZStW 89 [1977] 1, 23). Stratenwerth will eine Strafbarkeit für die Mitwirkung an Vorsatzdelikten nur d a n n zulassen, wenn j e m a n d erkennbar zu einem Delikt entschlossen ist (Rdn. 1161 ff). Hier ist in der Tat ein eindeutiger Fall von Abhängigkeit des Täters gegeben 2 0 3 . Indessen muß als Gefahr der Tatbestandsverwirklichung die Tatgeneigtheit anderer und damit deren Erkennbarkeit ausreichen (RGSt. 58 366, 368; 64 316, 370; BGHSt. 7 268, 272). Freilich ist hierbei zu 200

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Fr.-Chr. Schroeder aaO S. 90 ff, 129 f; hierauf laufen auch die Beispiele von Kohlhaas JR 1973 53 ff hinaus. Nachw. bei Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 33 f, 197 f; Jakobs ZStW 89 (1977) 1 ff. Bejahung des Regreßverbots in neuerer Zeit bei H. Mayer StudB § 15 II 3; Lampe ZStW 71 (1959) 579, 615; Naucke ZStW 76 (1964) 409. Engisch Der finale Handlungsbegriff, in: Probleme der Strafrechtserneuerung (1944), S. 141, 176; Gallas Mat. 1 121, 130; Roxin S. 542. Vgl. Schroeder aaO S. 143 ff. Zust. Schmidhäuser 14/49 f u n d Einführung VI 9 d 4; Jakobs ZStW 89 (1977) 1,25. (84)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

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berücksichtigen, daß es auch bei fahrlässigen Delikten eigenhändige und Sonderdelikte gibt 204 . Noch weitergehend beschränkt Schmidhäuser 14/97 den Einheitstäterbegriff auf bloße fahrlässige Verursachungstatbestände. 10. Erfolgseintritt auch bei nichtfahrlässigem Alternativverhalten Schrifttum Bindokat Versari in re illicita und Erfolgszurechnung, JZ 1977 549; Fincke Arzneimittelprüfüng, strafbare Versuchsmethoden: „erlaubtes" Risiko bei eingeplantem fatalen Ausgang (1977); Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit (1971); Kahrs Das Vermeidbarkeitsprinzip und die condicio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht (1968); Arthur Kaufmann Die Bedeutung hypothetischer Erfolgsursachen im Strafrecht, Eb.-Schmidt-Festschr. (1961), S. 200; Klußmann Pflichtwidrigkeit und hypothetischer Kausalverlauf bei Fahrlässigkeitsdelikten, NJW 1973 1097, 1220; Otto Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht, MaurachFestschr. S. 91; Roxin Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei fahrlässigen Delikten, ZStW 74 (1962) 411 ff; Roxin Besprechung von Ulsenheimer, Das Verhältnis zwischen Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei den Fahrlässigkeitsdelikten (1965), ZStW 78 (1966) 214 ff; Roxin Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, Honig-Festschr. S. 133 ff; Rudolphi Vorhersehbarkeit und Schutzzweck der Norm in der strafrechtlichen Fahrlässigkeitslehre, JuS 1969 549; Samson hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972); Seebald Nachweis der modifizierten Kausalität des pflichtwidrigen Verhaltens, GA 1969 193 ff ; Spendet Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen, Eb.-Schmidt-Festschr. S. 183 ff; Spendel Conditio-sine-quanon-Gedanke und Fahrlässigkeitsdelikt, JuS 1964 14 ff; Stratenwerth Bemerkungen zum Prinzip der Risikoerhöhung, Gallas-Festschr. S. 227; Ulsenheimer Das Verhältnis zwischen Pflichtwidrigkeit und Erfolg bei den Fahrlässigkeitsdelikten (1965); Ulsenheimer Erfolgsrelevante und erfolgsneutrale Pflichtverletzung im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte, JZ 1969 364 ff.

a) Auswirkungen der Fahrlässigkeitskonzeption Die Auffassung der Fahrlässigkeit als Verletzung der äußeren Sorgfalt (s. o. Rdn. 185 123 f, 157 f) hat in zahlreichen Fällen den Einwand provoziert, der Erfolg wäre auch bei sorgfaltspflichtgemäßem Verhalten eingetreten, z. B. : das Rezept, ohne welches der Apotheker die gefährliche Arznei verabfolgte, wäre vom Arzt ohnehin erneuert worden (RGSt. 15 151); der mit Kokain betäubte Patient wäre auch an einer Betäubung mit Novocain gestorben (RG HRR 26 Nr. 2302); der Eidespflichtige hätte auch bei Einholung von Erkundigungen keine zuverlässigen Auskünfte erhalten (RGSt. 2 126); die unterlassene Desinfektion erarbeiteter Materialien (chinesische Ziegenhaare) wäre nutzlos gewesen (RGSt. 63 211); der Radfahrer wäre infolge seiner Trunkenheit auch bei Einhaltung des ordnungsgemäßen Abstandes unter den überholenden LKW gekommen (BGHSt. 11 1). Für die Auffassung der Fahrlässigkeit als Kenntnis oder Erkennbarkeit der 186 Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erweist sich ein Teil dieser Fälle als bloße Korrektur der durch die Sorgfaltspflichtlehre selber geschaffenen Schwierigkeiten. Im Apotheker-Fall RGSt. 15 151 war die Gefährlichkeit des Medikaments auch für den Arzt, den der Apotheker hätte befragen sollen, nicht erkennbar (zutr. Münzberg S. 135). Damit fehlte es an der Fahrlässigkeit; hinsichtlich der Erkennbarkeit ist der Hinweis auf einen hypothetischen Kausalverlauf völlig überflüssig. Das Gleiche gilt für den Meineidsfall RGSt. 6 126 204a . Auch die Verzögerung des 204 Schröder v. Weber-Festschr. S. 233 ff und Sch.-Schröder-Cramer § 25 Rdn. 29. 204a Auch in RGSt. 52 325, 328 hat die Rechtspr. bei absoluter Unerkennbarkeit die Fahrlässigkeit mühselig mangels „Kausalität" abgelehnt. Zust. Engisch S. 316. (85)

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2. Abschnitt. Die Tat

Erfolgseintritts bei Anwendung letztlich zum Scheitern verurteilter Erkennungsbemühungen, von der Sorgfaltspflichtverletzungslehre mühselig mit Hilfe der im folgenden zu schildernden Konstruktionen für straflos erklärt (BGHSt. 21 59; Wessels JZ 1967 449; Hardwig JZ 1968 289; Ulsenheimer JZ1969 364; Sch.-Schröder-Cramer § 15 Rdn. 168), fällt von vornherein nicht unter die Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit. Indessen bleiben auch für die Auffassung der Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung Fälle übrig, in denen der Erfolg auch bei einem Verhalten eingetreten wäre, bei welchem er für den Täter nicht erkennbar gewesen wäre oder im Bereich des erlaubten Risikos (s. o. Rdn. 159 ff) gelegen hätte, das Alternativverhalten also nicht fahrlässig gewesen wäre. Diese Fälle sind sowohl in der rechtlichen Konstruktion als auch im Ergebnis überaus umstritten. Überblick über die Lösungsversuche bis 1965 bei Ulsenheimer und bei Roxin ZStW 74 (1962) 413 ff. Eine generelle Unbeachtlichkeit des nichtfahrlässigen Alternativverhaltens wird nur von einer Minderheit vertreten 20413 . Im übrigen lassen sich die Lösungsversuche wie folgt gruppieren: b) Die Unterlassungslösung 187

Im Schrifttum ist früher häufig eine differenzierende Lösung der Fälle aus einer unterschiedlichen Einordnung als Begehungs- oder Unterlassungsdelikt hergeleitet worden, wobei die Kausalität im ersten Fall regelmäßig bejaht, im zweiten Fall regelmäßig abgelehnt wurde. Zu diesen heute allgemein abgelehnten Versuchen und gegen sie überzeugend Roxin ZStW 74 (1962) 411, 413 ff; Ulsenheimer S. 82 ff.

c) Die Zusammenhangslösungen 188 Die Rechtsprechung lehnt nach anfänglichen Schwankungen den Kausalzusammenhang ab, sofern aufgrund erheblicher Tatsachen Zweifel bestehen, die die Überzeugung von der an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs vernünftigerweise ausschließen. Dabei wird die Kausalität allerdings nicht als „rein naturwissenschaftliche Verknüpfung", sondern als „Bedeutsamkeit für den Erfolg nach rechtlichen Bewertungsmaßstäben" verstanden. So BGHSt. 11 1, 5, 7; 24 31, 34; BGH VRS 15 38, 39; 16 432, 437; 23 373, 375; 24 205, 206; 25 262, 263; 32 37; 36 36; 37 276, 278; BGH NJW 1968 1532; BGH bei Dallinger MDR 1971 150; OLG Stuttgart DAR 1963 335; OLG Hamm VRS 25 124; OLG Köln VRS 29 118. Zahlreiche Lösungsversuche bejahen zwar die Kausalität, verlangen aber zusätzlich, daß zwischen der Sorgfaltspflichtwidrigkeit bei der Fahrlässigkeit und dem Erfolg ein bestimmter Zusammenhang bestehen müsse (Nachweise bei Roxin ZStW 74 [1962] 411, 419 ff und Ulsenheimer S. 44 ff sowie JZ 1969 364). Hierher gehört auch die im Zivilrecht entwickelte Lehre vom „Schutzbereich", „Schutzzweck" der N o r m 2 0 5 , ferner trotz aller Distanzierungsversuche auch Ulsenheimer, der auf die Schutzwirkung der Sorgfaltspflicht abstellt und diese mit der condicio-sine-qua-

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Spendet Eb. Schmidt-Festschr. S. 183 ff, 194 ff u n d JuS 1964 14 ff; Reinelt N J W 1968 2152; Bindokat J Z 1977 549. v. Caemmerer Das Problem des Kausalzusammenhangs im Privatrecht (1956) und Das Problem der überholenden Kausalität im Schadensersatzrecht (1962); J. G. Wolf Normzweck im Deliktsrecht (1962); H. S toll Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht (1968). (86)

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non-Formel ermittelt (S. 143 ff). Diese Auffassung ist existenziell mit der abzulehnenden Auffassung der Fahrlässigkeit als Verletzung der äußeren Sorgfalt (s. o. Rdn. 123 f, 157 f) verbunden. Sie ermittelt die „Schutzwirkung" weitgehend anhand der abstrakten Gefährdungsverbote und negiert damit deren bloß indizielle Funktion (s. o. Rdn. 163 ff). Alle Zusammenhangslösungen stimmen im Ergebnis darin überein, daß sie für den Zusammenhang nach allgemeinen Beweisgründen eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit verlangen müssen, so daß schon die bloße (freilich nicht ganz entfernte, BGHSt. 11 1, 4) Möglichkeit eines Erfolgseintritts bei nichtfahrlässigem Alternativverhalten zu einem Freispruch führt. d) Die Risikoerhöhungslösung Vor allem gegen das Ergebnis dieser Auffassung richtet sich das von Roxin 189 ZStW 74 (1962) 411 entwickelte und in Honig-Festschr. S. 133 ff weitergeführte „Prinzip der Risikoerhöhung". Danach soll eine Strafbarkeit immer dann gegeben sein, wenn der Täter mit seiner Tat die Gefahr gesteigert, das Risiko erhöht hat. Roxin geht davon aus, daß der Gesetzgeber nur ein „sehr geringes" Risiko erlaube, nicht aber mehr ein erhöhtes (ZStW 74 [1962] 411, 433). Diese Auffassung führt zu einer erheblichen Erweiterung der Strafbarkeit gegenüber den Zusammenhangslösungen und damit auch der Rechtsprechung; sie deckt sich praktisch mit der gelegentlich in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, die eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts bei pflichtgemäßem Verhalten verlangt (RGSt. 15 151 — hier allerdings Freispruch wegen Annahme eines Unterlassungsdelikts, s. o. Rdn. 187 - ; RGSt. 63 211, 213; BGH 4 StR 431/52 bei Dallinger M D R 1953 20). Diese Auffassung hat in der letzten Zeit verbreitete Zustimmung gefunden, teils unmittelbar ( S c h a f f s t e i n Honig-Festschr. S. 169, 171 f; Otto Maurach-Festschr. S. 91, 101 ff; Burgstaller S. 135 ff), teils wenigstens vom Ergebnis her. In engem Anschluß an Roxin verlangt Stratenwerth Rdn. 1106 ff, daß der Erfolg aufgrund einer über das erlaubte Risiko hinausgehenden Rechtsgutsgefährdung eingetreten ist, will allerdings allgemein auch für das vorsätzliche Begehungsdelikt die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts genügen lassen (Rdn. 1120, 218). Auf dem Boden der Lehre vom „Zusammenhang" (s. Rdn. 188) vertritt das Risikoerhöhungsprinzip Lackner § 15 III 1 a bb. Jescheck stellt ebenfalls auf den „Zusammenhang" ab, schaltet aber dazu unvermittelt noch das Prinzip der „objektiven Zurechnung" ein, für welches die „Mittelmeinung" der Risikoerhöhung maßgeblich sei (§ 55 II 2 b). Nach Maurach-Gössel ist die Risikoerhöhung ein Indiz für die adäquate Kausalität zwischen Handlung und Erfolg (AT 2 § 43 III C 2 b). Walder Zschr. d. Bern. Juristenvereins 104 (1968) 161, 178 ff und ihm folgend RudolphiJuS 1969 549, 554 verbinden das Risikoerhöhungsprinzip mit der Lehre vom Schutzzweck der Norm: dieser gehe dahin, über das erlaubte Maß hinausgehende Gefährdungen zu unterbinden. Zum gleichen Ergebnis wie das Risikoerhöhungsprinzip gelangen ferner E. A. Wolff Kausalität von Tun und Unterlassen (1965) S. 27 und Kahrs Das Vermeidbarkeitsprinzip und die condicio-sine-qua-non-Formel im Strafrecht (1968) S. 238. Gegen das Risikoerhöhungsprinzip spricht — abgesehen von praktischen 190 Schwierigkeiten bei der Feststellung der Risikoerhöhung ( Ulsenheimer S. 136 und JZ 1969 364, 366 Anm. 29), der Erforderlichkeit einer gewissen ex-post-Anreicherung des Gefahrbegriffs, da ex ante Pflichtwidrigkeit und Risikoerhöhung zusammenfallen (Ulsenheimer S. 134 und JZ 1969 364, 366; Samson S. 46 f und SK Anh. (87)

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zu § 16 Rdn. 27) und Bedenken aus dem Grundsatz in dubio pro reo (Samson S. 47) — , daß die Fahrlässigkeitstatbestände damit zu Gefährdungstatbeständen werden 2 0 6 . Diesen Einwänden ist vor allem Stratenwerth mit einer Umstellung des Risikourteils auf eine ex-post-Beurteilung entgegengetreten (Gallas-Festschr. S. 227 ff), ohne sie freilich völlig entkräften zu können 2 0 7 . Schünemann versucht den Einwänden durch eine weitgehende Modifizierung der Risikoerhöhungslehre zu entgehen, indem er nicht das reale und das hypothetische Verhalten, sondern die ex post ermittelte und die ex ante bestehende Sorgfaltsnorm miteinander vergleichen will und nach dem Sinn der letzteren für die Erfolgsreduzierung fragt (JA 1975 651 ff)· Bedenken gegen das Risikoerhöhungsprinzip auch bei Münzberg (S. 139); für das Zivilrecht auch bei Deutsch (JZ 1966 556, 557 0 und Hanau (S. 130 ff). Das Abstellen auf die Überschreitung des erlaubten Risikos überzeugt — ebenso wie die Lehre von der Schutzwirkung der Norm — konstruktiv deswegen nicht, weil die gleiche Problemlage auch gegeben ist, wenn als Alternative nicht das — regelmäßig typisierte — erlaubte Risiko, sondern lediglich eine Unerkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung gegeben ist. Gegen die Berücksichtigung eines Alternativverhaltens in diesem Fall allerdings OLG Hamm NJW 1972 1531,1533. e) Hypothetischer Kausalverlauf 191

Es handelt sich um die Relevanz eines hypothetischen Kausalverlaufs. Wenn auch zu den neuerdings aufgekommenen Bedenken gegen den Ausschluß derartiger hypothetischer Kausalverläufe 2 0 8 hier nicht generell Stellung genommen werden kann, so muß doch jedenfalls die Tatsache beachtlich sein, daß der Täter selbst auf jeden Fall ein Verhalten vorgenommen hätte, das den Erfolg unvorhersehbar oder mit erlaubtem Risiko möglicherweise auch herbeigeführt hätte. Insofern wird ein erlaubtes Alternativverhalten beispielsweise auch zur Begründung der Rechtfertigung fahrlässigen Verhaltens durch Notwehr herangezogen (Stratenwerth Rdn. 1119). In diesen Fällen beschränkt sich das Unrecht des Täters auf eine bloße Pflichtwidrigkeit, ohne daß diese den Erfolg verursacht. Das hiergegen geltend gemachte Bedenken, daß damit bei jeder riskanten Handlung jegliche Sorgfalt außer acht gelassen werden könne 2 0 9 , ist zunächst einmal übertrieben: wie bei allen allgemeinen Deliktsmerkmalen dürfen die Beweisanforderungen nicht überspannt werden, erst bei besonders hervorgetretenen Umständen ergibt sich eine Pflicht zur Berücksichtigung 2 1 0 . Im übrigen ist bei Erkennbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung auch die Alternativhandlung grundsätzlich zu unterlassen; das ausnahmsweise erlaubte Risiko setzt eine geringe Gefahr voraus. Schließlich zeigt gerade dieser Einwand noch einmal sehr deutlich, daß hier die Fahrlässigkeitstatbestände zu erfolgsirrelevanten Gefährdungsverboten umfunktioniert werden. Das berechtigte Interesse an erfolgsirrelevanter Sorgfalt kann nur de 206

Baumann § 19 III 2 c β a. E.; Schaffstein Honig-Festschr. S. 169, 173; Otto MschrKrim. Bd. 50 95, 96; Jakobs S. 96 Anm. 185 und Landesreferat S. 29; Geilen JZ 1973 320, 322; Samson S. 151 ff; Fincke S. 60 ff. 207 Dagegen wiederum Samson Welzel-Festschr. S. 579, 593 Anm. 68 und SK Anh. zu § 16 Rdn. 27 a; Fincke S. 49 ff; teilweise auch Schünemann JA 1975 649 ff, der jedoch die o. a. Einwände mit anderen Modifizierungen der Risikoerhöhungslehre entkräften will. 208 Arthur Kaufmann Eb.-Schmidt-Festschr. S. 200 ff; Kahrs aaO; Samson aaO. 209 Roxin ZStW 74 (1962) 411, 422; 78 (1966) 214, 218; Honig-Festschr. S. 133, 139; Rudolphi JuS 1969 549, 554. 210 Eb. Schmidt Lehrk. zur StPO und zum GVG, Tl. I 2 (1964), Rdn. 380; BGHSt. 11 1, 4 f. (88)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

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lege ferenda durch entsprechende Gefährdungsdelikte gesichert werden (vgl. Samson S. 159). Vgl. hierzu noch Seebald GA 1969 193 ff; Kahrs aaO S.133 (Strafbarkeit der Vernichtung geringfügiger Erfolgsvermeidungsmöglichkeiten nur bei Leichtfertigkeit); Jakobs S. 91 ff (Straflosigkeit der „Auslösung eines Lebensrisikos", Strafbarkeit der Verwirklichung der Gefahr des erkannten Modells). f) Einschränkungen Bei dem von ihr grundsätzlich angenommenen Fortfall der Kausalität (s. 192 Rdn. 188) macht die Rechtsprechung die Einschränkung, daß von dem wirklichen, nicht von einem gedachten Kausalverlauf auszugehen sei, die Prüfung der Ursächlichkeit erst mit dem Eintritt der konkreten kritischen Verkehrslage einsetzen dürfe, die unmittelbar zu dem schädlichen Erfolg geführt habe. Mit dieser Begründung wurden folgende Einwände für unbeachtlich erklärt: Der Unfall hätte sich auch ereignet, wenn der Fußgänger auf der gleichen Straßenseite in umgekehrter Richtung und damit auf der richtigen Straßenseite gegangen wäre (BGHSt. 10 369, 370), wenn für die Sicherung eines Lkw-Anhängers statt eines erkennbar defekten Bremsklotzes die unerkennbar defekte Feststellbremse benutzt worden wäre (BGHSt. 17 181, 186), wenn der zu dicht und zu schnell an einem haltenden Omnibus vorbeifahrende Täter in ausreichendem Abstand vorbeigefahren wäre (BGH NJW 1968 1532), wenn der Täter mit der gleichen Geschwindigkeit nüchtern (BGHSt. 24 31; BGH VerkMitt. 1965 25; OLG Celle VRS 36 276) oder mit vorschriftsmäßiger Bereifung (BGH VRS 32 37 ; 37 276) gefahren wäre, wenn der Täter mit einer seinem Abblendlicht angepaßten Geschwindigkeit gefahren wäre, dabei aber nicht so stark wie tatsächlich, sondern nur pflichtgemäß gebremst hätte (BGH VRS 54 436). Die Ablehnung der Heranziehung eines gedachten Kausalverlaufs steht aller- 193 dings in Widerspruch zu der von der Rechtsprechung selbst befolgten hypothetischen Betrachtungsweise 211 . Welche Verhaltensweise „unmittelbarer" ist, läßt sich etwa bei der Wahl zwischen zu engem und zu schnellem Vorbeifahren an einem Omnibus (BGH NJW 1968 1532) oder zwischen betrunkenem und zu schnellem Fahren (BGHSt. 24 31, 34) kaum ermitteln (v. Lehmann NJW 1971 1142). Im übrigen lassen sich die Fälle nicht über einen Kamm scheren, sondern weisen wesentliche Unterscheidungsmerkmale auf. Im Fall BGHSt. 10 369, 370 entfaltet die Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung einmal mehr ihre unseligen Wirkungen (s. o. Rdn. 157 f). Das Linksgehgebot dient zwar auch dem Schutz des Kraftverkehrs, aber nicht durch Vertreibung der Fußgänger auf die andere Straßenseite und damit vor die dort fahrenden Fahrzeuge, sondern dadurch, daß die Fußgänger die auf ihrer Straßenseite fahrenden Fahrzeuge von vorn kommen sehen (vgl. Kahrs aaO S. 182). In der Konstruktion der Fahrlässigkeit als Erkennbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgedrückt: für den Täter war erkennbar, daß er von hinten kommenden Fahrzeugen nicht ausweichen konnte und sie damit gefährdete; fuhr das Fahrzeug an einer unübersichtlichen Stelle so schnell, daß er auch bei Zuwendung des Gesichts nicht mehr hätte ausweichen können, war das Verhalten des Täters nicht relevant (vgl. auch Sch.-Schröder-Cramer§ 15 Rdn. 162; Roxin ZStW 74 [1962] 411, 443). BGHSt. 17 181, 186 erscheint dagegen zutreffend, da sich der Täter, wenn er sich für eine mögliche Handlungsalternative entschieden hat, nicht darauf berufen kann, welche anderen Handlungsalternativen er — vielleicht! — ergriffen hätte. Bei BGH NJW 1968 1532 scheitert dieser Gesichtspunkt jedoch wiederum daran, 211 Vgl. auch Reinelt NJW 1968 2152, 2153; Kahrs aaO S. 184; Krümpelmann BockelmannFestschr. S. 459.

(«y»

§16

2. Abschnitt. Die Tat

daß hier im Gegensatz zu der Auffassung des BGH keine echte Alternativität der Handlungsweisen bestand, da das Vorbeifahren in engem Abstand gleichzeitig eine Abweichung von dem erlaubten Risiko des Vorbeifahrens im Sicherheitsabstand enthielt. BGHSt. 24 31 und BGH VRS 32 37; 37 276 schließlich sind unzutreffend entschieden, da der Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber dem betrunkenen und dem mit unzulässiger Bereifung fahrenden Kraftfahrer entgegen BGHSt. 24 31, 36 nicht an eine einzelne Handlung anknüpft, sondern über den Begriff des Übernahmeverschuldens an das Führen des Kraftfahrzeugs im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit bzw. mit unzulänglicher Bereifung als solches (s. Rdn. 140 ff). Die Auffassung des BGH, der Täter müsse seine Fahrgeschwindigkeit an seinen Zustand anpassen, enthält ein venire contra factum proprium hinsichtlich der Annahme dieses Übernahmeverschuldens und der absoluten Fahruntüchtigkeit gemäß §316 StGB bzw. der Unzulässigkeit der Bereifung gemäß § 36 Abs. 2 StVZO. Abi. auch vom Standpunkt der Lehre vom Schutzbereich der verletzten Pflicht Sch.-SchröderCramer § 15 Rdn. 165 und Schiinemann JA 1975 718, unter dem Gesichtspunkt der grotesken Benachteiligung des betrunkenen Fahrers Knauber NJW 1971 627; v.Lehmann NJW 1971 1142 f; Möhl JR 1971 249 f; Maiwald Dreher-Festschr. S. 437 ff. Unzutr. auch BGH VRS 54 436, da der Täter auf eine über die rechtlichen Anforderungen hinausgehende Schutzmaßnahme nicht rechtsverbindlich festgelegt werden kann. 194

g) Kann nach diesen Grundsätzen dem Täter nur die Herbeiführung eines größeren Schadens als ohnehin unvermeidbar vorgeworfen werden, so kommt es darauf an, ob der jeweilige Tatbestand eine Erfassung gestattet. Dies ist bei den meisten Tatbeständen der Fall, da sie auch die relative Verschlechterung eines Zustande umfassen. So für die Körperverletzung Schröder NJW 1971 1143; Sch.-SchröderCramer § 15 Rdn. 170; Blei JA 1971 378; Lackner § 15 III 1 a bb; Klußmann NJW 1973 1097, gegen OLG Oldenburg NJW 1971 631 f. Grundsätzlich für die Berücksichtigung (nur) der Schadensintensivierung Samson (S. 96 ff, insbes. S. 100, 108). 11. Erkennbarkeit und erlaubtes Risiko in einzelnen Lebensbereichen

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a) Straßenverkehr. Zahlreiche frühere Entscheidungen sind durch die StVO vom 16. 11. 70 (BGBl. I S. 1565, ber. 1971 S. 38) überholt, deren Bestimmungen Beweisanzeichen für die Erkennbarkeit enthalten (s. o. Rdn. 166). So sind überholt BGHSt. 5 271 (Rückschaupflicht beim Überholen auf Autobahnen) durch § 5 Abs. 4 S. 1 StVO, BGHSt. 14 201 und 15 178 (zweite Rückschaupflicht des Abbiegers nur in Ausnahmefällen) durch § 9 Abs. 1 S. 4 StVO, BGHSt. 16 89 (Pflicht zur Sicherung liegengebliebener schwerer Kraftfahrzeuge durch zwei Sicherungsleuchten) durch § 15 S. 2 StVO, BGHSt. 17 223 durch § 4 Abs. 1 S. 1 StVO.

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Für jemand, der sich auf der Autobahn nach dem Überholen nicht alsbald wieder nach rechts einordnet, ist es erkennbar, daß sich dort ein schnelleres Fahrzeug nähert (BayObLG NJW 1975 2076 m. abl. Anm. Booß). Beim Liegenbleiben von Fahrzeugen wegen Benzinmangels muß sich die Erkennbarkeit auf die Unfallträchtigkeit gerade der jeweiligen Straßenstelle beziehen (OLG Karlsruhe NJW 1975 838, 839). Auch für Personen mit vegetativ labilem Blutdruck ist ein Bewußtseinsverlust beim Autofahren erkennbar (BGH NJW 1976 2307). Bei Fahren mit offenem Fenster ist mit dem Hereinfliegen von Fremdkörpern zu rechnen und die Fahrweise darauf einzustellen (OLG Hamm JZ 1974, 716; OLG Celle VRS 36 306, 309). Zu den Anforderungen an den betrunkenen Fahrer BGHSt. 24 31, OLG Karlsruhe VRS 73 112 und Maiwald Dreher-Festschr. S. 437 ff. (90)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

Führer schwerer Lastkraftwagen mit Luftdruckbremsen haben sich vor der Einfahrt in längere, steile Gefällstrecken durch einen Blick auf den Luftdruckmesser zu vergewissern, ob sie genügend Luftdruck in den Bremsbehältern haben (BGHSt. 7 307, 309). Ein Kraftfahrer muß — jedenfalls auf einer auch dem Fußgängerverkehr dienenden Straße — damit rechnen, daß ein auf der Fahrbahn liegendes Hindernis ein Mensch ist; an dem für das Gegenteil erforderlichen Grad von Gewißheit wird es in der Regel bei Nacht fehlen (BGHSt. 10 3 f)· Bei der Vorbeifahrt an in der Gegenrichtung (BGHSt. 13 169) oder in der eigenen Fahrtrichtung (BayObLG NJW 1960 59) haltenden Omnibussen ist erkennbar, daß Personen hinter dem Fahrzeug einige Schritte in die Fahrbahn treten und daher bei einem Vorbeifahren in kleinerem Abstand als 2 m oder schneller als in Anhaltegeschwindigkeit gefährdet werden; mit leichtsinnigem Überqueren der Fahrbahn braucht der Kraftfahrer auf Grund des Vertrauensgrundsatzes nicht zu rechnen (bestätigt von BGH NJW 1968 1532 m. Nachw.). Anders bei besonderen Umständen wie Nähe einer Schule, eines Kinderspielplatzes oder eines Altenheims oder bei einem Schulbus (BGHSt. 13 169, 176). Das Stehenbleiben eines überraschten Fußgängers bietet keine Gewähr dafür, daß er nicht weiterläuft (BGHSt. 14 97). Die Beschädigung einer entlang der Straße verlaufenden Fernmeldeleitung nach §317 StGB ist nicht grundsätzlich unerkennbar (BGHSt. 15 110). Beim Abstellen eines Fahrzeugs auf abschüssigem Gelände muß der Kraftfahrer eine doppelte, bei besonders starkem Gefälle eine dreifache Sicherung gegen das Abrollen des Fahrzeugs treffen (BGHSt. 17 181 m. Anm. Isenbeck NJW 1962 1971). Zur Problematik der Pflicht zur Benutzung aller vorhandenen Sicherungsvorkehrungen s. Rdn. 165. Auf die Versicherung des Kraftfahrzeughalters, das Fahrzeug sei in Ordnung, darf sich der Benutzer eines fremden Kraftfahrzeugs wenigstens hinsichtlich der Reifen auch dann nicht verlassen, wenn der Kraftfahrzeughalter eine Autoritätsperson ist und selbst mitfährt (BGHSt. 17 277). Für Fahrer von Kranken-, Polizei- und Feuerwehrfahrzeugen ist vorhersehbar, daß die zugelassenen Abweichungen von den allgemeinen Fahrvorschriften andere Straßenbenutzer in Verwirrung bringen können und deshalb eine erhöhte Unfallgefahr einschließen (RGSt. 65 158, 159; BGH NJW 1952 191, 192); dies dürfte jedoch nicht für das Verhalten gegenüber anderen Kraftfahrern gelten, die genauen Vorschriften unterliegen — hier muß der Vertrauensgrundsatz gelten. Auch kann das erlaubte Risiko höher sein (aaO). Das Gebot des Fahrens auf Sicht gilt auch für Reiter auf öffentlichen Wegen; bei Wahrnehmung einzelner Fußgänger oder Radfahrer besteht besonderer Anlaß zur Vorsicht, da mit weiteren Fußgängern oder Radfahrern gerechnet werden muß (BayObLG GA 1972 210). Zur Fahrlässigkeit der Verantwortlichen bei der fehlerhaften Errichtung und Unterhaltung von Verkehrsanlagen s. Baumann Archiv f. Unfallforschung 1964 273 ff und Menken NJW 1977 794 ff m. Nachw. Ein Fahrschüler handelt nur dann fahrlässig, wenn die Folge für ihn nach seinem eigenen Wissen und Können erkennbar war; ein Fahrlehrer muß Fahrstunden und Fahrprüfung bei unsicheren Fahrschülern unter Umständen durchführen, die eine Gefährdung Dritter ausschließen (OLG Hamm NJW 1979 993). Zahlreiche weitere Beispiele bei § 222 Rdn. 14 ff. b) Gesundheitswesen Da aus medizinischen Maßnahmen die schwersten Folgen entstehen können, sie 197 große, lebensbedrohende Gefahren enthalten, können zusätzliche Mühen verlangt werden (BGHSt. 3 92, 95), sind an das Maß der anzuwendenden Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen (BGH 1 StR 505/71 bei Daliinger M D R 1972 385). Hohe (91)

§16

2. Abschnitt. Die Tat

Anforderungen an die Sorgfaltspflicht sind deshalb zu stellen, weil der Patient Fehler des Arztes und seiner Hilfspersonen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen rechtzeitig erkennen und selbst Gegenmaßnahmen treffen kann (BGHSt. 6 282, 288). Es sind nicht nur die typischen Folgen von Fehlern erkennbar, sondern bei von der Regel abweichendem Krankheitsverlauf und besonderer körperlicher Verfassung des Patienten auch abweichende Folgen (BGHSt. 6 282, 289). Erkennbar ist auch der Mißbrauch von zur Therapie verordneten Suchtmitteln durch Rauschgiftsüchtige (BGH JR 1979 429 m. Anm. Hirsch, s. auch o. Rdn. 183). 198

Ein Arzt, der im Gegensatz zur sog. „Schulmedizin" steht, darf sich über deren Erfahrungen nicht ohne weiteres hinwegsetzen (BGH NJW 1960 2253). Zugunsten des Täters müssen dabei auch erst nach der Tat gewonnene Erkenntnisse berücksichtigt werden (BGH NJW 1962 1780, 1781). Der Arzt muß ein Mittel anwenden, das bei einer bestimmten Krankheit besonders wirksam ist und infolgedessen im Verhältnis zu allen anderen Heilmitteln einen solchen Vorzug hat, daß die anderen neben ihm erkennbar weit zurücktreten (RGSt. 74 60 0· Weitergehend RGSt. 64 263, 270: keine Fahrlässigkeit, wenn ein Arzt das ihm als das wirksamste bekannte Heilmittel nicht aus bloßem Leichtsinn oder aus irgendwelchen unsachlichen Gründen nicht anwendet, sondern weil er aus wohlerwogenen Gründen an diese Wirksamkeit nicht glaubt und die scheinbare Wirksamkeit auf andere Umstände zurückführt. Zu den Pflichten des Narkosearztes Uhlenbruck NJW 1972 2201 ; BGH NJW 1974 1424.

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Mindestens erhebliche körperliche Eingriffe dürfen nur auf Grund ärztlicher Diagnose und nicht auf bloßes Hörensagen hin vorgenommen werden (BGHSt. 3 91, 96). Der Arzt darf im allgemeinen davon ausgehen, daß andere geprüfte Medizinalpersonen diejenigen Kenntnisse besitzen, die in der Prüfung nachzuweisen sind. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker und mag vielfach auch für geprüfte Krankenschwestern gelten. Ausnahmen bei besonderen Umständen, insbesondere unregelmäßigem Ausbildungsgang (BGHSt. 3 91, 96). Über mündliche Aufträge an Hilfspersonen s. Rdn. 207. Dabei keine Besonderheiten bei der Verordnung von häufig verwendeten Mitteln (BGHSt. 6 282, 286). In jeder ordentlich geleiteten Krankenanstalt ist eine Nachschau der für die vorbereitete Spritze verwendeten leeren Ampullen durch den Arzt üblich und Ergebnis einer auf Überlegung und Erfahrung aufgebauten umfassenden Voraussicht möglicher Gefahren (BGHSt. 6 282, 285, 287). Ein Arzt kann erkennen, daß ein Arzt, der von der im Operationsplan vorgesehenen Narkoseart abweicht, dabei eine fälschlich für diese Narkoseart vorbereitete Spritze verwendet (BGH 1 StR 505/71 bei Daliinger M D R 1972 384 f). Krankenschwestern brauchen Anordnungen des Arztes grundsätzlich nicht nachzuprüfen (BGHSt. 3 92, 98; 6 282, 288), insbesondere auch nicht anderweitige Angaben von Arzneimittelherstellern durchzulesen (BGHSt. 6 282, 288). Näher Bockelmann Das Strafrecht des Arztes, in: Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, hrsg. von A. Ponsold* (1967), S. 39 ff; (auch als: Strafrecht des Arztes [1968], S. 85 ff); Engisch Die rechtliche Bedeutung der ärztlichen Operation, in: Fehler und Gefahren bei chirurgischen Operationen, hrsg. von R. Stich und Κ. H. Bauer4 (1958), S. 1537 ff. Eingehend § 222 Rdn. 12.

200

c) Lebensmittelrecht. An die Sorgfaltspflichten der Hersteller und Verkäufer von Lebensmitteln müssen im Interesse der Volksgesundheit höchste Anforderungen gestellt werden. Ihre wirtschaftlichen Belange müssen demgegenüber zurücktreten (92)

Irrtum über Tatumstände (Schroetter)

§16

(BGHSt. 2 384, 385; zust. BayObLG GA 1973 150, 152). Dies gilt in gleicher Weise auch hinsichtlich der Kennzeichnungspflichten des Herstellers von Lebensmitteln in bezug auf die von ihm in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse, vor allem wenn es darauf ankommt, den Verbraucher durch eine wahre und klare Kennzeichnung und Aufmachung vor möglicher Irreführung und Täuschung zu schützen (BayObLG G A 1973 150, 152). Der Hersteller von Lebensmitteln kann erkennen, daß von Zutatenlieferanten geliefertes Reklamematerial für das Endprodukt inhaltlich nicht zutrifft (BayObLG GA 1973 150, 152). d) Bauwesen. Die Verantwortung für die Bauausführung trägt grundsätzlich der 201 Bauunternehmer; dieser Haftungsübergang wirkt auch zugunsten derjenigen Personen, die wie ein Oberbauleiter im Auftrage des Bauherrn dessen Belange gegenüber dem Bauunternehmer wahrnehmen. Der Bauherr behält aber weiterhin die Verantwortung für die Auswahl des beauftragten Unternehmers; nimmt er wahr, daß der Bauunternehmer in bestimmter Weise nachlässig arbeitet oder daß eine neue Gefahrenquelle entsteht, welcher der beauftragte Bauunternehmer mit seinen Mitteln und Kenntnissen möglicherweise nicht gewachsen ist, muß er — ggf. durch Bestellung eines Fachmanns — einschreiten (BGHSt. 19 286). Anders, wenn der Bauherr sich die Bauaufsicht ganz oder zum Teil vorbehalten hat, wobei es auf die Tatsache der Bauleitung, nicht auf die vertragliche Ausgestaltung ankommt (RGSt. 57 205 ; BGHSt. 19 286, 288). Vom Bauunternehmer eingesetzte örtliche Bauleiter und Subunternehmer trifft eine eigene Verantwortlichkeit, neben welcher die allgemeine Aufsichtspflicht des Bauunternehmers jedoch bestehen bleibt (OLG Karlsruhe NJW 1977 1930). Häufig liegt hier eine längere Zeitspanne zwischen Handlung und Erfolg (s. Rdn. 143). S. im übrigen die Erl. zu § 330 StGB; ferner Gallas Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der am Bau Beteiligten (1963). e) Militärwesen. Der Leiter eines Übungsschießens muß eine genügende Anzahl 202 von Sicherheitsorganen schaffen, beim Scharfschießen mit verbundenen Waffen eine lückenlose ggf. bis in die Feuerstellungen reichende und in allen Gliedern wirksame Sicherheitsorganisation. Der Sicherheitsoffizier der Leitung braucht und kann nicht die Einschläge im Gelände persönlich überprüfen, muß aber die Einhaltung der Gefahrenbereichsgrenzen durch die Festlegung und laufende Überprüfung von Feuerkommando-Grenzwerten sicherstellen und die ihm nachgeordneten Sicherheitsorgane entsprechend einweisen. Der Sicherheitsgehilfe ist zur Kontrolle und richtigen Durchführung der Befehle des Schießenden verpflichtet, der Stellungsoffizier zur selbständigen Bildung des Feuerkommandos nach Seiten und Entfernung (BGHSt. 20 315). Dort ferner zu den Einzelumständen der Verantwortlichkeit des Zugführenden und Schießenden, des Kontrollraumoffiziers und des Schießsicherheitsoffiziers der Kommandantur. f) Sport. Wichtige Beweisanzeichen für die Vorhersehbarkeit (s. Rdn. 166) und 203 Regelungen des erlaubten Risikos enthalten für den organisierten Sport die Kampfund Spielregeln (vgl. F.-C. Schroeder Sport und Recht S. 21, 26 0 , für den unorganisierten Skisport die Regeln der Fédération Internationale de Ski (FIS), abgedr. bei Schroeder-Kauffmann Sport und Recht (1972), S. 264. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht auch bei Skipisten, insbesondere, wenn 204 die Skifahrer dorthin mit einer Bergbahn befördert werden; dies gilt jedoch nur für atypische und unerkennbare Gefahren, nicht für normale und zwangsläufig mit einer Abfahrt verbundene Gefahren ; eine Pflicht zur Sperrung der Piste oder Stillegung der Bergbahn besteht nicht (BGH NJW 1971 1093; 1973 1379, 1380 m. Anm. (93)

§16

2. Abschnitt. D i e Tat

Hepp 2085 und Hummel 1974 170 — Jennerbahn — ). Letzteres ist angesichts der verbreiteten Unterschätzung der Gefährlichkeit des Skilaufens und des Prestigedenkens der Skiläufer zweifelhaft (vgl. F.-C. Schroeder aaO S. 36). Dazu sowie zur Strafbarkeit des Liftunternehmers und des Skilehrers Hummel bei SchroederKauffmann aaO S. 71 ff. 205

Zum Zusammenstoß von Skiläufern Lossos aaO S. 57 ff. Für einen in der Fallirne eines Hanges schnell fahrenden Skifahrer ist es voraussehbar, daß ein langsamerer Fahrer auf einer festen Querroute seinen Weg kreuzt (OLG Karlsruhe NJW 1959 1589 = VersR 1959 862), auf der in voller Breite befahrenen Piste in Bögen seinen Weg quert (BGH NJW 1972 627, 628; OLG Stuttgart NJW 1964 1859), daß er an einem mit Querspuren vieler anderer Fahrer durchzogenen Stück des Hanges mit einem querenden Fahrer zusammenstößt (LG Stuttgart 3 NS 1262/62, zitiert bei Kettnaker VersR 1964 212, 219), daß ein vorausfahrender langsamerer Skifahrer am Ende des Hanges einen Bogen fährt (OLG Köln NJW 1962 1110, 1111), daß er deshalb auf einen langsamer vor ihm fahrenden Skifahrer auffährt, weil dieser eine geringe Seitwärtsbewegung macht (OLG Köln VersR 1969 550). Es ist für ihn aber nicht voraussehbar, daß ein seitlich aus der zu beobachtenden Piste entschwundener Skifahrer plötzlich wieder seinen Weg kreuzt (OLG Karlsruhe NJW 1964 55, 56). Ein Skiläufer ist verantwortlich für einen Unfall, der durch seine unkontrolliert schnelle Fahrweise auf einer jedermann zugänglichen Piste entsteht, ebenso wie ein anderer, der blindlings in eine Abfahrtstrecke hineinfährt (OLG München NJW 1966 2404). Für einen Skiläufer ist es voraussehbar, daß er infolge eines notwendigen Ausweichmanövers bei nicht genügender Beobachtung der Piste oder zu hoher Geschwindigkeit auf einen anderen Skifahrer auffährt (OLG Düsseldorf MDR 1966 504) oder daß er infolge unvernünftiger Fahrweise (ungenügender Sicherheitsabstand, Unterlassen eines Ausweichmanövers, Notsturzes etc.) eine außerhalb der Piste stehende Person verletzt (OLG München VersR 1960 164), oder daß sich Streckenarbeiter auf einer noch in Bearbeitung befindlichen Rennstrecke aufhalten (OLG München NJW 1966 2406, 2408). Es ist für ihn jedoch nicht voraussehbar, daß er, von der Piste abgedrängt, beim Versuch, einer anderen Person auszuweichen, stürzt und diese Person verletzt (LG f. ZRS Wien NJW 1966 305). Für einen Skianfänger ist es erkennbar, daß er infolge eines mißglückten Stemmbogens in unkontrollierter Fahrt und ohne Notsturz andere Skifahrer verletzt (OLG Karlsruhe bei Lossos bei Schroeder-Kauffmann Sport und Recht, S. 64; LG Freiburg bei Hummel aaO S. 77). Für einen erfahrenen Skifahrer ist es voraussehbar, daß hinter einer gefährlichen und unübersichtlichen Stelle der Piste ein gestürzter Skifahrer liegt, der sich infolge seiner Verletzungen nicht aus der Spur begeben kann (OLG München H R R 1942 Nr. 572), oder daß an unübersichtlichen Gefällstrecken eines öffentlichen Weges andere Personen ein Hindernis für seine Fahrt bilden (BayObLGSt. 57 90 = VRS 13 353). Es ist für ihn aber nicht voraussehbar, daß ein auf der Abfahrtstrecke aufsteigender Fußgänger seine Abfahrt behindert und nach dem Erkennen der Gefahr nach links (nicht nach rechts) ausweicht (AG Freiburg MDR 1963 500). Es ist für einen Skifahrer auf abschüssigem Gelände selbst bei Verwendung einer Kandaharbindung stets voraussehbar, daß er bei einem Sturz einen nicht durch Fangriemen gesicherten Ski verliert (LG Köln NJW 1972 639). Rechtsvergleichend zum Skirecht Pichler und Padrutt bei Schroeder-Kauff mann aaO S. 83 ff sowie BGH NJW 1973 1379 m. Nachw. Zur Fahrlässigkeit im Zivilrecht Kleppe Die Haftung bei Skiunfällen in den Alpenländern (1967). (94)

Irrtum über Tatumstände (Schroetter)

§16

Für einen Fußballspieler ist die Verletzung eines Mitspielers bei Begehen einer 206 Regelwidrigkeit („gefährliches Spiel") voraussehbar, insbesondere, wenn er nach dem Ball schlägt, obwohl der Torwart diesen bereits in Händen hat (BayObLG NJW 1961 2072, 2073; OLG Neustadt/Weinstr. M D R 1956 548, 549; vgl. dazu auch BGH VersR 1957 290, 291). g) Sonstiges. Übermittlungsfehler durch Versprechen, Hör- und Schreibfehler 207 sind jedem Einsichtigen geläufig (BGHSt. 3 91, 95; 6 282, 286). Auf die Rechtsauskunft und die Einhaltung der Schweigepflicht durch einen Rechtsanwalt darf man vertrauen (BGHSt. 20 342, 350; angesichts der zunehmenden Politisierung einzelner Rechtsanwälte in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrechtzuerhalten). Weitere Fälle bei § 222 Rdn. 17. Zum Jugendschutz durch Zeitschriftenhändler s. BGHSt. 8 80, 88; 10 133; OLG Hamburg JR 1973 382. Zur Fahrlässigkeit bei der Brandstiftung eingehend Geerds in : Grundlagen der Kriminalistik, hrsg. von H. Schäfer, Bd. 8/1, Brandkriminalistik (1972), S. 62 ff. Zur Fahrlässigkeit bei Nebenwirkungen einer Notwehrhandlung BGHSt. 27 23, 24 f. 12. Straflosigkeit leichter Fahrlässigkeit a) Leichtfertigkeit Schrifttum Arzt Leichtfertigkeit und recklessness, Schröder-Gedächtnisschr. (1978), S. 119 ff; Hall Über die Leichtfertigkeit. Ein Vorschlag de lege ferenda, Mezger-Festschr. (1954), S. 229 ff; Lohmeyer Was ist „leichtfertig" i. S. des § 402 RAbgO? NJW 1960 1798; Maiwald Der Begriff der Leichtfertigkeit als Merkmal erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1974 257; Maurach Probleme des erfolgsqualifizierten Delikts bei Menschenraub, Geiselnahme und Luftpiraterie, Heinitz-Festschr. (1972), S. 403, 414 ff.

Eine Reihe von Tatbeständen verlangt „leichtfertiges Handeln", z. B. §§ 97 208 Abs. 2, 109 g Abs. 4, 138 Abs. 3, 264 Abs. 3, 283 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2, 345 Abs. 2 StGB, vor allem aber die neuartigen erfolgsqualifizierten Delikte der §§ 176 Abs. 3, 177 Abs. 3, 178 Abs. 3, 239 a Abs. 2, 239 b Abs. 2, 251, 316 c Abs. 2 StGB; ferner §§218 Abs. 2 Nr. 2, 310 b Abs. 3 S. 2, 311 Abs. 3, 311a Abs. 3 S. 2 StGB (Erfolgsqualifikation als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall). Aus dem Nebenstrafrecht s. z. B. §§ 21, 41 Abs. 3 WStG. Die Umschreibung als grobe Fahrlässigkeit (RG JW 1936 388, 389; RGSt. 71 34, 209 37, 174, 176; 74 257; BGHSt. 14 240, 255; 20 315, 323 f, 327; BayObLGSt. 56 13, 16; BayObLG NJW 1959 735; § 18 Abs. 3 E 1962; h. L.) gibt nur eine allzu grobe Pauschale. Im Zivilrecht wird sie entsprechend § 276 Abs. 1 S. 2 BGB ebenso nichtssagend als besonders schwerwiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt umschrieben (RGZ 141 129, 131 ; 163 106; BGHZ 10 14, 16). Vgl. ferner aaO: „dasjenige unbeachtet geblieben, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen". Der gleichen Strafwürdigkeit von bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit 210 würde es widersprechen, auf das Kriterium der Vorsatznähe abzustellen 2 ! 2 . Hiergegen mit Recht auch Maurach S. 416 f; Jakobs Landesreferat S. 32; Maiwald GA 1974 260 f; Tenckhoff ZStW 88 (1976) 897, 900. Leichtfertigkeit wird jedoch für 212

(95)

So BGH DStZ(B) 1959 499; Lohmeyer NJW 1960 1798, 1799 für § 402 AbgO. Vgl. auch Hall S. 244, 248: so hochgradige Fahrlässigkeit, daß sie den Vorwurf des Vorsatzes verdient; Arzt Schröder-Gedächtnisschr. S. 128.

§16

2. Abschnitt. Die Tat

gewöhnlich bewußte Fahrlässigkeit sein 2 1 3 . Auch eine Kenntnis der Sorgfaltspflicht ist — wenn man dieses Merkmal überhaupt anerkennt (dagegen o. Rdn. 157 f) — nicht erforderlich (BGHSt. 20 315, 323 f; vgl. hierzu auch § 8 Abs. 1 StGB der DDR). 211

Nach § 18 Abs. 3 E 1936 handelt leichtfertig, wer „aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit" handelt 2 1 4 . Nach E 1962, Begr. S. 132 bedeutet Leichtfertigkeit entweder Nichterkennen der Tatbestandsverwirklichung in grober Achtlosigkeit oder Hinwegsetzen über die erkannte Möglichkeit in frivoler Rücksichtslosigkeit oder Verletzung einer besonders ernst zu nehmenden Pflicht 2 1 5 . Für Rücksichtslosigkeit oder Frivolität auch Bockelmann Verkehrsstrafrechtl. Aufsätze und Vorträge (1967), S. 217. Auf die Rücksichtslosigkeit i. S. des § 315 c StGB als Handeln „aus eigensüchtigen Beweggründen in frevelhafter Weise" stellt — für die §§ 239 a, 239 b und 316 c StGB — auch Maurach ab (Heinitz-Festschr. S. 417). Auch diese Häufung von negativen Charakterisierungen hilft kaum weiter.

212

Da die Tatbestände regelmäßig eine dem zu schützenden Rechtsgut angemessene Strafdrohung enthalten, darf insbesondere der Wert des Rechtsguts nicht noch einmal berücksichtigt werden. Bedenklich daher die Berücksichtigung einer „besonders ernst zu nehmenden Pflicht" nach E 1962 Begr. S. 132 und Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 20. Zutreffend aber BGHSt. 20 315, 323: Nichtbefolgung einer wichtigen Dienstvorschrift ohne Rücksicht auf deren Kenntnis. Auch die Nähe der Gefahr kann für sich nichts besagen.

213

Andererseits ist auch die verbreitete resignierte differenzierende Auslegung der Leichtfertigkeit für die einzelnen Tatbestände (Lohmeyer NJW 1960 1798; Maurach aaO S. 415 ff) ebenso willkürlich wie verfrüht. Leichtfertigkeit wird besonders dann vorliegen, wenn ein besonderer „Anlaß" zur Erkennbarkeit gegeben ist (s. Rdn. 138). Aber auch ohne „Anlaß" wird sich bei einer Durchprüfung der Faktoren der Erkennbarkeit (s. Rdn. 132 ff) im Einzelfall ergeben, daß eine besonders unverzeihliche Außerachtlassung eines derartigen Faktors vorliegt. Entsprechend dem bei der Bestimmung der Fahrlässigkeit anzulegenden doppelten Maßstab (s. o. Rdn. 144 ff) ist auch hier erforderlich, daß sowohl die generelle als auch die persönliche Erkennbarkeit besonders grob vernachlässigt wurden. Der Täter muß in der Lage gewesen sein, die das Urteil „leichtfertig" begründenden Tatsachen zu erfassen, nicht aber dieses Urteil selbst nachzuvollziehen (a. A. Maiwald GA 1974 264 f). Eingehend RGSt. 71 174, 175: erforderlich hartnäckiges, schuldhaftes Festhalten am Irrtum, ErkennenmimeM, Behinderung durch eingewurzeltes Erinnerungsbild zu berücksichtigen. Es könne die Rechtsprechung zu § 193 StGB herangezogen werden. „Betriebsblindheit" und geringe praktische Erfahrung schließen die Leichtfertigkeit aus (BGHSt. 20 315, 323 f, 327).

214

Bei den Beratungen zu den §§ 239 a, 239 b, 316 c StGB sollten mit dem Merkmal „leichtfertig" vor allem Kurzschlußhandlungen von Mittätern sowie atypische Gefährdungen wie z. B. Gesundheitsschäden anfälliger Personen durch die bloße Aufregung ausgeschaltet werden (Sonderausschuß VI/1170 f, 1550, 1572 ff). Dies allein genügt jedoch nicht. Bei der Leichtfertigkeit hinsichtlich einer Erfolgsqualifi213

214 215

Bockelmann Verkehrsstrafrechtl. Aufsätze und Vorträge (1967), S. 217 f. Ebenso Sonderausschuß VI/1573 f; BTDrucks. V I / 2 7 2 2 S. 2 (zu § 239 a Abs. 2 StGB). Zust. Lohmeyer NJW 1960 1798, 1799 und Düsseldorf DStZ (B) 1959 352 für § 402 AbgO. Zust. Dreher/Tröndle § 15 Rdn. 20; Maiwald G A 1974 259. (96)

Irrtum über Tatumstände (Schroeder)

§16

zierung ist zu beachten, daß dieses Merkmal eine über die bloße Verwirklichung des gefährlichen Grundtatbestandes hinausgehende Fahrlässigkeit verlangt, damit nicht die Erfolgsqualifizierung auf eine bloße Erfolgshaftung hinausläuft (s. § 18 Rdn. 34). b) Allgemeine Straflosigkeit der leichten Fahrlässigkeit? Gegen die Strafbarkeit 215 der leichten Fahrlässigkeit sind immer wieder grundsätzliche Bedenken geltend gemacht worden. Insbesondere wird verlangt, die Tatbestände der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung auf leichtfertiges Handeln zu beschränken 2 1 6 . § 16 Abs. 2 AE will „geringfügig fahrlässiges Verhalten" generell straffrei lassen. Die Begründung verweist auf Beweisschwierigkeiten (S. 55) und erfaßt damit bereits das geltende Recht. So in der Tat Stratenwerth Rdn. 1138. Zust. Roxin ZStW 84 (1972) 993, 1014, allerdings mit Bedenken hinsichtlich der Überschreibung eines Beweisgrundsatzes ins materielle Recht. Auch im französischen, englischen und nordamerikanischen Strafrecht wird die Fahrlässigkeit entsprechend einengend ausgelegt (Lang-Hinrichsen Mat. 2 381, 412). Indessen dürfte hier § 153 StPO ausreichende Möglichkeiten bieten. Die beachtliche Einschränkung der Strafbarkeit der unbewußten Fahrlässigkeit im StGB der D D R auf bewußte Pflichtwidrigkeit, verantwortungslose Gleichgültigkeit oder Gewöhnung auf Grund disziplinloser Einstellung (§ 8) ist von der Rechtsprechung unterlaufen worden 2 1 7 . V. Vorsatz und Fahrlässigkeit bei den Unterlassungsdelikten Schrifttum Androulakis Studien zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte (1963); Börker Der Irrtum des Unterlassungstäters über die Rechtspflicht zum Handeln, JR 1956 87; Engisch Bespr. von Armin Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, JZ 1962 189; Fuhrmann Der Irrtum über die Garantenpflichten bei den unechten Unterlassungsdelikten, GA 1962 161; Geilen Unterlassene Verbrechensanzeige und ernsthafte Abwendungsbemühung — BGHSt. 19, 295, JuS 1965 426; Grünwald Der Vorsatz des Unterlassungsdelikts, H.-MayerFestschr. S. 281 ; Hardwig Vorsatz bei Unterlassungsdelikten, ZStW 74 (1962) 27; Heinitz Der Irrtum des Täters über die Rechtspfiicht zum Handeln bei den echten Unterlassungsdelikten, JR 1959 285; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972); Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); Armin Kaufmann Unterlassung und Vorsatz, v. Weber-Festschr. S. 207; Arthur Kaufmann Bemerkungen zum Irrtum beim unechten Unterlassungsdelikt, JZ 1963 504; Schöne Unterlassungsbegriff und Fahrlässigkeit, JZ 1977 150; Struensee Die Struktur der fahrlässigen Unterlassungsdelikte, JZ 1977 217.

Auch bei den Unterlassungsdelikten sind Gegenstand von Vorsatz bzw. Fahrläs- 216 sigkeit die „Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören". Während die Rechtspflicht zum Handeln bei den Unterlassungsdelikten früher bald zur Rechtswidrigkeit, bald zum Tatbestand gerechnet wurde, ist heute eine Aufspaltung herrschend: die tatsächlichen Voraussetzungen der Handlungspflicht gehören zum Tat-

216

217

( womit § 18 StGB überflüssig würde. Indessen liegt die eigentliche Problematik auch dieser Delikte nicht in der durch § 18 StGB angeordneten Voraussetzung, sondern darin, daß es für die Teilnahme, den Versuch sowie die §§ 48, 56 g und 66 StGB darauf ankommt, ob sie insgesamt als „vorsätzlich" einzustufen sind. S. hierzu eingehend Schroeder LK 9 § 56 Rdn. 49 f und Tröndle LK §11 Rdn. 94 ff. c) Mischtatbestände des Ordnungswidrigkeitenrechts Auch bei den Mischtatbeständen des Ordnungswidrigkeitenrechts führen die die 6 Strafbarkeit begründenden Merkmale nicht zu einer „höheren Strafe" für eine Folge einer „Tat", da ohne sie nur eine bußbedrohte Ordnungswidrigkeit vorliegt. Hinsichtlich gesetzlich bestimmter Erschwerungsmerkmale (sog. unechte Mischtatbestände) müssen auf jeden Fall Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegen. Dieser Fall gleicht dem Erfolgsdelikt mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination nach Rdn. 5 (vgl. auch Krey/Schneider NJW 1970 641). Das Gleiche muß aber auch für die Merkmale echter Mischtatbestände, z. B. § 2 WiStG, gelten 5 . Das Problem wird sich praktisch dadurch erleichtern, daß der Gesetzgeber eben wegen der erwähnten Rechtsprechung seit längerem die Schaffung neuer echter Mischtatbestände vermeidet (vgl. BTDrucks. V/1269 S. 27 f)· S. auch § 16 Rdn. 63. 2. „Besondere" Folge der Tat a) Ausscheidung der unbenannten Strafschärfungsgründe Die Formulierung „besondere Folge der Tat" hat sich aus der des „bestimmten 7 Erfolgs" (§62 VE 1909) über die der „im Gesetz besonders bezeichneten Folge" 4

5

(123)

Lekschas Über die Strafwürdigkeit von Fahrlässigkeitsverbrechen (1958); Lekschas Zur Neuregelung der Schuld im künftigen Strafgesetzbuch (1959); Lekschas NJ 1960 498 ff; Lekschas-Loose-Renneberg Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, o. J. (1964), S. 116 ff; § 8 Abs. 1 StGB D D R ; Simson-Geerds Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht (1969), S. 178. Α. A. BGHSt. 11 263 für § 6 Abs. 2 Nr. 1 WiStG. Dagegen mit Recht Baumann § 27 I 2 a und JZ 1961 564; Lang-Hinrichsen G A 1957 225 ff und ZStW 73 (1961) 230; KohlrauschLange § 59 V 3 b ; Rudolphi Unrechtsbewußtsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (1969), S. 87 ff. Für entsprechende Anwendung des § 18 StGB Tiedemann S. 228 Anm. 141, 245 ff.

§ 1 8

2. Abschnitt. Die Tat

(§§ 25 KE, 17 E 1919) und die der „besonders bezeichneten Folge" (§ 15 E 1925) entwickelt; auch die jetzige Formulierung soll diese Eigenschaft zum Ausdruck bringen 6 . Damit scheiden aus die unbenannten Strafschärfungsgründe einschließlich der Regelbeispiele. Allerdings ist hierbei nach h. L. § 18 StGB entsprechend anzuwenden 7 . b) Ausscheidung der konkreten Gefährdung 8

In neuerer Zeit hat der Gesetzgeber als Qualifikation auch die bloße Gefährdung eingeführt, z. B. in § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Noch häufiger ist die Gefährdung als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles, z.B. in §§113 Abs. 2 Nr. 2, 121 Abs. 3 Nr. 3, 125 a Nr. 3 StGB, 11 Abs. 4 Nr. 1, 2 BetäubMVerkG, bei dem jedoch § 18 StGB ggf. entsprechend anzuwenden ist (s. o. Rdn. 7 mit Nachw. zur Gegenmeinung). Indessen ist § 18 StGB seinerzeit eingefügt worden, um die reine Erfolgshaftung auf die Mindestverschuldung zu reduzieren, nicht aber, um bei modernen Tatbeständen die Haftung auf Fahrlässigkeit auszuweiten. Diese Auffassung wird gestützt durch die Begründung des E 1962 (S. 185, 284, 417, 468, 609) 8 , das Erfordernis der Leichtfertigkeit bei der tatsächlichen Tötung in § 251 StGB 9 und schließlich die bei Fahrlässigkeit regelmäßig weiter nach unten reichenden Strafrahmen! 0 . Diese Auffassung wird von Literatur und Rechtsprechung nahezu einhellig 11 vertreten, allerdings überwiegend mit unhaltbarer Begründung. Nach BGHSt. 26 176, 181 soll es sprachlich nicht möglich sein, eine Gefahr als „Folge" einer Tat zu bezeichnen. Die dabei zugrundegelegte Definition der Tatfolge ist indessen nur eine — heute überholte 1 2 — Definition des Erfolgsdelikts. Zuzugeben ist dem BGH lediglich, daß der E 1962 die Gefahr nicht als „besondere Folge" angesehen hat (s. o.). Fragwürdig ist die Anknüpfung an das „Wesen" und den Zweck der erfolgsqualifizierten Delikte 1 ^ (s. o. Rdn. 2). Auch der Hinweis darauf, daß das Gesetz sonst bei fahrlässiger Gefahrverursachung stets eine besondere Regelung trifft (Sch.-Schröder-Eser § 250 Rdn. 24), trägt nicht, da es sich in den genannten Fällen um Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination handelt (s. o. Rdn. 5), so daß § 18 von vornherein nicht eingreift. 6

RegE eines 3. StRÄndG, Verhandl. des Dtsch. Bundestages, I. Wahlp., Drucks. Nr. 3713 S. 33. 7 Maurach-Zipf AT 2 § 63 I Β 2 b ; Jescheck § 29 II 3 b; E 1962 Begr. S. 185; Backmann M D R 1976 969 A n m . 4 ; Koffka LK 9 § 13 Rdn. 45 m. weit. Nachw.; Wewefa MaurachFestschr. S. 300 f; Frisch GA 1972 321. Α. A. Dreher/Tröndle Rdn. 3; Gössel LangeFestschr. S. 222. 8 Vgl. Wessels Maurach-Festschr. S. 300; v. Bubnoff LK § 125 a Rdn. 13 (die Ausführungen stammen von Hübner aus der 9. Aufl.). 9 Maurach-Schroeder BT 1 § 36 II Β 2. 10 Meyer-Gerhards Subjektive Gefahrmomente, „Schuldform" der Regelbeispiele und Begriff der „besonderen Folge" (§ 18 StGB) - BGHSt 26, 176, JuS 1976 228, 232. 11 Α. A. für echte Qualifikationen, nicht für Regelbeispiele Dreher/Tröndle Rdn. 3 ff; bei dem einzigen praktischen Fall, nämlich § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB, folgen sie indessen der hier vertretenen Ansicht (Rdn. 7)! Wenn Gössel Lange-Festschr. S. 221 gegen die N i c h t a n w e n d u n g " des § 18 StGB auf § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB polemisiert, so geht es ihm offensichtlich mehr um die Einordnung als erfolgsqualifiziertes Delikt als um die Rechtsfolge des § 18 StGB und wird damit die Rdn. 2 dargelegte Gefahr der Verfälschung der Diskussion evident. 12 Vgl. Küper Gefährdung als Erfolgsqualifikation? NJW 1976 543, 544; Backmann M D R 1976 969, 970 f. 13 Küper NJW 1976 543 ff; Backmann MDR 1976 969, 972; Rudolphi SK Rdn. 2. (124)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

3. Durch Erfolgsintensivierung qualifizierte Delikte D i e §§ 312, 314, 321 Abs. 2, 326 2. Alt. S t G B k n ü p f e n zwar a u c h a n eine beson- 9 dere Folge der T a t eine h ö h e r e Strafe. Hier besteht j e d o c h die Besonderheit, d a ß s c h o n d e r G r u n d t a t b e s t a n d eine Folge verlangt, die in der „ b e s o n d e r e n F o l g e " enthalten ist: bei d e n §§ 312, 314, 321 S t G B eine G e f a h r , bei § 326 S t G B einen Schad e n . D i e „ b e s o n d e r e F o l g e " tritt d a h e r nicht in vollem U m f a n g zu d e m G r u n d t a t b e s t a n d hinzu, s o n d e r n ein gewisser „ S o c k e l " v o n ihr ist bereits in d e m G r u n d t a t b e s t a n d e n t h a l t e n . Es ist eine t e r m i n o l o g i s c h e Frage, o b m a n diese T a t b e s t ä n d e zu d e n erfolgsqualifizierten Delikten i. S. des § 18 S t G B r e c h n e n will. In d e r Sache k a n n § 18 S t G B j e d e n f a l l s insoweit n i c h t z u m Z u g e k o m m e n , als er f ü r die gesamte Folge Fahrlässigkeit ausreichen läßt. D e n n d a m i t w ü r d e d a s E r f o r d e r n i s der selbs t ä n d i g e n S t r a f b a r k e i t des G r u n d d e l i k t s ü b e r s p r u n g e n . D a h e r ist f ü r die § § 3 1 2 , 314, 321 Abs. 2 S t G B eine vorsätzliche G e f ä h r d u n g zu verlangen. H i e r h e r gehört auch § 221 Abs. 3 S t G B , w e n n m a n die Aussetzung mit d e r h. L. als k o n k r e t e s G e f ä h r d u n g s d e l i k t ansieht (Maurach-Schroeder BT 1 § 4 II A m. N a c h w . ) 1 4 . Bei d e n §§ 224, 225 S t G B wird dieses P r o b l e m n u r d e s h a l b nicht a k u t , weil hier die „ b e s o n d e r e F o l g e " a n einen G r u n d t a t b e s t a n d a n g e k n ü p f t wird, der seinerseits eine gewisse Folge u n d n a c h § 15 S t G B f ü r diese Vorsatz verlangt. 4. Erfolgsqualifizierte Delikte mit Regelung des subjektiven Tatbestandes E i n e R e i h e von erfolgsqualifizierten Delikten enthält selbst B e s t i m m u n g e n ü b e r 1 0 die subjektiven V o r a u s s e t z u n g e n hinsichtlich der Folge. I m bisherigen Recht w a r dies vor allem § 225 StGB, der eine „absichtliche H e r b e i f ü h r u n g der F o l g e " verlangt. D a s gleiche verlangt § 74 Abs. 2 V i e h s e u c h e n G . N e u e r d i n g s verlangen zahlreiche T a t b e s t ä n d e hinsichtlich der s c h w e r e n Folge Leichtfertigkeit, n ä m l i c h die §§ 176 Abs. 4, 177 Abs. 3, 178 Abs. 3, 239 a Abs. 2, 239 b Abs. 2, 251, 310 b Abs. 3 S. 2, 311 Abs. 3, 311 a Abs. 3 S. 2, 316 c Abs. 2 StGB. In diesen Fällen b e d a r f es d e r A n o r d n u n g des § 18 S t G B nicht bzw. k a n n die o. R d n . 1 festgestellte E r w e i t e r u n g der subjektiven V o r a u s s e t z u n g e n ü b e r § 15 S t G B h i n a u s nicht z u m Z u g e k o m m e n . § 18 bestätigt hier aber, d a ß eine S t r a f b a r k e i t auch bei Vorsatz eintritt (s. § 15 R d n . 4 u n d u. R d n . 25). 5. Vorsätzliche und fahrlässige erfolgsqualifizierte Delikte Die o. R d n . 3 ff geschilderten V o r a u s s e t z u n g e n t r e f f e n vor allem bei T a t b e s t ä n - 11 d e n mit vorsätzlicher G r u n d h a n d l u n g zu. Es gibt j e d o c h a u c h erfolgsqualifizierte Delikte mit fahrlässiger G r u n d h a n d l u n g , z. B. §§ 283 Abs. 5 N r . 2, 309, 326 1. Alt. StGB. 6. D i e Tatbestände im einzelnen U n t e r § 18 S t G B fallen d e m n a c h die §§ 176 Abs. 4, 177 Abs. 3, 178 Abs. 3, 221 1 2 Abs. 3, 224 Abs. 1, 225, 226, 229 Abs. 2, 239 Abs. 2 (str. f ü r die Alternative d e r D a u e r , vgl. Schäfer L K 9 R d n . 33) u n d Abs. 3, 239 a Abs. 2, 239 b Abs. 2, 251, 283 Abs. 2 u n d 5 N r . 2 i. V. m. Abs. 1 N r . 5 - 7 , 307 N r . 1, 309 letzter Halbs., 315 a Abs. 1 N r . 1 1. Alt., 315 c Abs. 1 N r . 1 a (s. hierzu o. R d n . 5), § 316 c Abs. 2, 324 letzter Halbs., 340 Abs. 2 StGB.

14

(125)

Vgl. auch Geilen Welzel-Festschr. S. 680 Anm. 52.

§18

2. Abschnitt. Die Tat

Aus dem Nebenstrafrecht kommen in Betracht: § 16 Abs. 3 AbfallbeseitigungsG, § 45 Abs. 3 AtomG, § 65 Abs. 2 Bundes-SeuchenG, § 7 Abs. 3 NitritG, § 40 Abs. 3 SprengstoffG, § 74 Abs. 2 ViehseuchenG, § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WHG. III. Die Rechtsgüter der Erfolgsqualifikation 13

Auch nach der Ausscheidung zahlreicher verwandter Erscheinungen (o. Rdn.3 ff) verbergen sich hinter der formal gleichen Struktur der erfolgsqualifizierten Delikte materiell beträchtliche Unterschiede im Verhältnis der Rechtsgüter von Grunddelikt und Qualifikation. In der überwiegenden Zahl der Fälle besteht die Qualifikation in der Verursachung des Todes. Damit wird das Rechtsgut Leben an einen ein ganz anderes Rechtsgut schützenden Grundtatbestand angekoppelt. Regelmäßig enthält aber der Grundtatbestand ein Verhalten, das häufig die Gefahr des Todes enthält, insbesondere Gewalt (z. B. §§ 177 Abs. 3, 178 Abs. 3, 239 a Abs. 2, 239 b Abs. 2, 251, 316 c Abs. 2 StGB). In anderen Fällen beinhaltet die Qualifikation dagegen nur eine Intensivierung des bereits vom Grunddelikt erfaßten Schadens, wie insbesondere bei den §§ 224, 225, 239 Abs. 2 (Dauer der Freiheitsentziehung) StGB. § 226 StGB steht insofern auf der Grenze zwischen den beiden Gruppen, als die Tötung nach der Rechtsprechung des BGH immer eine Körperverletzung als „notwendiges Durchgangsstadium" enthält (BGHSt. 16 123). Eine dritte Gruppe besteht darin, daß ein abstraktes Gefährdungsdelikt durch den Eintritt der konkreten Gefährdung oder Verletzung qualifiziert wird (§§ 283 Abs. 2 und 5 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 5 - 7 gegenüber § 283 b, 315 a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt., 315 c Abs. 1 Nr. 1 a gegenüber § 316 StGB).

IV. Das Verhältnis zwischen Tat und besonderer Folge 14 Ferner ergeben sich höchst unterschiedliche Konstellationen des Verhältnisses zwischen Folge und Tat. Die „Folge" kann der Tat in gewissem zeitlichem Abstand nachfolgen oder sofort eintreten, sie kann erst durch weitere Zwischenursachen eintreten oder schließlich umgekehrt schon durch einen Teil des Tatbestandes oder durch Versuchs- oder Begleithandlungen herbeigeführt werden. Die Prüfung dieser Konstellationen ergibt wiederum unterschiedliche Arten von erfolgsqualifizierten Delikten. 1. Späterer Eintritt der besonderen Folge 15

Bei den erfolgsqualifizierten Delikten denkt man zunächst an die Fälle, in denen die besondere Folge als „weiterer", „späterer" Erfolg von einem „ersten", „früheren" Erfolg verursacht wird, „nach sich gezogen" wird, ihm „nachfolgt", „sich aus ihm entwickelt" 15 . Hiernach kommt es entscheidend auf die zeitliche Zäsur an. „Besondere" bedeutet hier also: zeitlich abgesondert. Hierher gehört zweifellos ein großer Teil der Erfolgsqualifizierungen, so etwa, wenn eine Verletzung infolge fortlaufender Verschlimmerung zum Tode führt (§ 226 StGB). Diese Struktur ist gelegentlich zum Wesen der erfolgsqualifizierten Delikte erklärt worden 1 6 . Das ist jedoch unzutreffend, wie die folgenden Fallkonstellationen ergeben. 15

Engisch Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände (1931), S. 69 f; M. E. Mayer S. 120; Schmidhäuser 10/112. So die in Fußn. 15 Genannten. (126)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

2. Sofortiger Eintritt der besonderen Folge Denn es wäre zweifellos absurd, § 225 StGB nur dann anzuwenden, wenn der 16 Täter „beabsichtigt", daß sich die in § 224 StGB genannten schweren Folgen erst später ergeben, nicht aber dann, wenn er sie unmittelbar „beabsichtigt". Die Rechtsprechung hat § 225 StGB daher mit Recht auch in diesen Fällen angewendet. Das gleiche muß aber auch bei § 224 StGB gelten. Auch hier wäre es absurd, nur denjenigen nach § 224 StGB zu bestrafen, dessen Schuß infolge einer Wundentzündung zum Verlust eines Körpergliedes führt, nicht aber denjenigen, dessen Schuß diese Folge sofort herbeiführt. Allerdings ergibt sich hierbei eine Schwierigkeit dadurch, daß § 224 StGB eine vorsätzliche Körperverletzung verlangt. Diesem Erfordernis wird jedoch dadurch Genüge getan, daß in der schweren Körperverletzung eine einfache Körperverletzung enthalten ist. Bei § 226 StGB ergibt sich das gleiche daraus, daß der BGH unter Zustimmung der h. L. für jede Tötung eine Körperverletzung als „notwendiges Durchgangsstadium" ansieht (BGHSt. 16 123). Daraus folgt die Möglichkeit, eine fahrlässige Tötung mit Körperverletzungsvorsatz unter § 226 StGB zu subsumieren 1 7 . Bei denjenigen erfolgsqualifizierten Delikten, bei denen die besondere Folge ein anderes Rechtsgut betrifft als das Grunddelikt (s. o. Rdn. 13), ist der sofortige Erfolgseintritt sogar die Regel. In diesen Fällen trifft freilich der Wortlaut des § 18 StGB nicht mehr zu, da die „Tat" bereits eine tatbestandsmäßige Handlung voraussetzt (s. o. Rdn. 3). 3. Eintritt der besonderen Folge über Zwischenursachen Nicht selten tritt die Folge nicht unmittelbar durch die Vollendung des Grund- 17 delikts ein, sondern über weitere Zwischenursachen, ζ. B. die Todesfolge über einen durch die Körperverletzung ausgelösten Sturz, über einen Fluchtversuch oder Selbstmord des Opfers oder über das Eingreifen Dritter. Die Rechtsprechung hat hierzu das Erfordernis einer „unmittelbaren" Herbeiführung der Folge entwickelt (RGSt. 44 139; OGHSt. 2 335, 337; BGHSt. 19 382, 387) und dieses später im Sinne der von vielen verlangten adäquaten, typischen Verursachung 1 8 , des „Niederschlags der für den Grundtatbestand eigentümlichen Gefahr" gedeutet (BGH NJW 1971 152; BGH 1 StR 120/75 bei Dallinger M D R 1976 16). Die Rechtsprechung kommt hierbei allerdings zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen 19 . Das Bedürfnis nach einer Einschränkung folgt zum großen Teil aus der exzessiven Annahme der Fahrlässigkeit bei bloßer Vorhersehbarkeit des Erfolges „im Endergebnis" durch die Rechtsprechung. Die dabei gebotene grundsätzliche Einschränkung (s. § 16 Rdn. 23 ff) läßt eine weitere Einschränkung hier weitgehend überflüssig werden 2 0 . Bemerkenswerterweise hat die Rechtsprechung sogar bei einem Fall der „culpa generalis", während sie beim „dolus generalis" normalerweise den Vorsatz bejaht (s. § 16 Rdn. 32), eine Fahrlässigkeit wegen Unvorhersehbarkeit dieses Kausalverlaufs abgelehnt (BGH NJW 1955 1427: der Täter würgte das Notzuchts17

18

19 20 (127)

Vgl. RGSt. 44 137, 138; Sch.-Schröder-Stree §226 Rdn. 4 und Schröder JR 1971 208; Hirsch LK 9 § 226 Rdn. 3. M. E. Müller Die Bedeutung des Kausalzusammenhangs im Straf- und Schadensersatzrecht (1912), S. 64; Boldt ZStW 55 (1935) 49 f; Lange ZStW 59 (1939) 574, 583 Anm. 47; Oehler ZStW 69 (1957) 503, 513; Ulsenheimer GA 1966 257, 258 und JZ 1973 64, 67 f; BGH NJW 1971 152, 153; Gössel Lange-Festschr. S.232; Geilen Welzel-Festschr. S. 681. Eingehend Geilen Welzel-Festschr. S. 655 ff. Vgl. auch Geilen Welzel-Festschr. S. 661.

§18

2. Abschnitt. Die Tat

opfer ohne Tötungsvorsatz und ertränkte es in fälschlicher Annahme des Todes). Ablehnung der Fahrlässigkeit hinsichtlich des Überfahrenwerdens eines Niedergeschlagenen auch bei BGH 5 StR 297/62. 18

Im übrigen ist auf folgendes hinzuweisen. Der Fluchtversuch beruht — außer bei der Freiheitsberaubung — regelmäßig nicht auf der Grundhandlung, sondern auf der Angst vor weiteren Handlungen des Täters. Eine Folge der Tat kann er daher nur sein bei der Freiheitsberaubung und bei Delikten, bei denen bereits ein Teil der Tatbestandsverwirklichung für die Erfolgsqualifizierung genügt, wie bei der Vergewaltigung (s. u. Rdn. 22). Bei den übrigen Delikten kann der Fluchtversuch dagegen keine Folge der Tat darstellen 2 !. Auch bei dem Versuch der Flucht aus einer Freiheitsberaubung ist aber zu prüfen, ob diese wirklich Folge der Freiheitsberaubung ist oder aber auf der Furcht vor weiteren Angriffen des Täters beruht 2 2 . Wenn die fahrlässige Mitverursachung eines Selbstmordes straflos ist (BGHSt. 24 342; näher § 16 Rdn. 183), kann sie auch bei der Erfolgsqualifizierung nicht berücksichtigt werden 2 3 . Anders ist es bei einer der mittelbaren Täterschaft entsprechenden Überlegenheit des Täters, wobei sich die Grenzen zwischen Teilnahme und mittelbarer Täterschaft beim Selbstmord zuungunsten des Veranlassers verschieben 24 .

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Weitere Fälle aus der uneinheitlichen Rechtsprechung: keine Erfolgsqualifizierung, wenn das Opfer infolge einer Körperverletzung stürzt und dadurch stirbt (OGHSt. 2 335; a. A. OGHSt. 1 357, 359; BGH 1 StR 360/53 bei Daliinger MDR 1954 150). Erfolgsqualifizierung, wenn das Opfer auf der Flucht unter einen Eisenbahnzug gerät (BGH 1 StR 203/60 nach Pfeiffer-Maul-Schulte § 178 2). Keine Erfolgsqualifizierung, wenn das Opfer bei der Verfolgung des Räubers stürzt und umkommt (BGHSt. 22 362, 363 m. Anm. Maurach JR 1970 70). Erfolgsqualifizierung, wenn das Opfer infolge der Körperverletzung weitere Mißhandlungen von Dritten erleidet und dadurch umkommt (OGHSt. 3 99, 100). Keine Erfolgsqualifizierung, wenn der Täter im Anschluß an ein Sittlichkeitsdelikt und veranlaßt durch dieses das Opfer vorsätzlich tötet (OGH NJW 1950 710). Erfolgsqualifikation, wenn der Tod auf Grund unerkennbaren Leberleidens und ärztlichen Kunstfehlers eintritt (BGH 1 StR 120/75 bei Dallinger M D R 1976 16). 4. Eintritt der besonderen Folge durch einen Teil des Grundtatbestandes

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§ 251 StGB a. F. knüpfte die Erfolgsqualifikation ausdrücklich an die Gewalt und damit nur an einen Teil der für § 249 StGB erforderlichen Tatbestandsmerkmale. Die Neufassung durch das EGStGB 1975 stellt auf eine Verursachung „durch den Raub" ab. Das kann sicher nicht bedeuten, daß nur solche Todesverursachungen erfaßt werden, die auf dem gesamten Raub, d. h. Gewalt und Wegnahme in

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BGH 1 StR 360/53 bei Dallinger M D R 1954 150. Nach B G H N J W 1971 152 = J R 1971 205 m. Anm. Schröder fehlt es an der „Unmittelbarkeit" u n d der Verwirklichung der „spezifischen Gefahr", nach B G H 1 StR 259/68 an der Vorhersehbarkeit. Geilen WelzelFestschr. S. 659 sieht die Ursächlichkeit in der durch die bereits erlittenen Schmerzen ausgelösten Panik. 22 Bedenklich daher BGHSt. 19 382, 386 f; vgl. auch Geilen Welzel-Festschr. S. 673. Für gänzliche Ausscheidung auch des Fluchtversuchs aus § 239 Abs. 3 StGB Widmann M D R 1967 972 f. 23 Geilen Welzel-Festschr. 662. A. A. R G D R 1945 22; Maurach-Schroeder BT 1 § 15 I I I ; Sch.-Schröder-Eser § 239 Rdn. 15; Schäfer LK 9 § 239 Rdn. 38. 24 Vgl. F.-C. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 90 ff, 129 f. (128)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

Zueignungsabsicht, beruhen. Fraglich kann nur sein, ob eine Todesverursachung durch die Wegnahme genügt, ζ. B. bei einem lebenswichtigen Medikament 25 ; die — regelmäßige — Todesverursachung schon durch die Gewalt muß in jedem Falle genügen. Allerdings trifft der Wortlaut des § 18 StGB auch in diesem Fall nicht mehr zu, da die Qualifikation Folge nur eines Teils der tatbestandsmäßigen Handlung ist, so daß es an einer „Tat" fehlt (s. o. Rdn. 3). Außerdem ist nicht zu verkennen, daß durch diese Auffassung eine Disharmonie im System des Besonderen Teils entsteht. Denn bei dieser Auffassung wird Grund der Qualifizierung nur noch die Gewalt. Bei der bloßen Gewalt, d. h. bei § 240 StGB, fehlt aber eine entsprechende Qualifizierung! Hier bleibt nur die — nicht sehr befriedigende — Erklärung, daß das Wegnahme- und Zueignungsmotiv die Gewalt selbst qualifiziert. Die Rechtsprechung hat nach und nach in ζ. T. bedenklicher Weise auch zahlrei- 21 che andere Tatbestände auf diese Möglichkeit der Erfolgsqualifikation erweitert. RGSt. 40 321 hatte noch für die §§ 309 und 178 a. F. StGB eine Verursachung durch die Vollendung des Grundtatbestandes verlangt. Groteskerweise beruft sich RG JW 1933 2059 m. zust. Anm. Gallas auf diese Entscheidung für die gegenteilige Auffassung, wonach die Verursachung des Todes durch die Gewalt genüge. Ebenso später RGSt. 69 332 (mit der Begründung, unter das Wort „Handlungen" in § 178 falle jede Ausführungshandlung nach § 43 a. F.), BGHSt. 19 102. Noch einen Schritt weitergehend BGH NJW 1965 2411 : Verursachung des Todes durch ein Versehen bei der Drohung mit einer Schußwaffe. Ebenso für § 307 Nr. 1 StGB BGHSt. 7 37 (anders allerdings, wenn es nicht einmal zu einer Brandstiftung kommt, sondern diese fehlschlägt und statt dessen eine Explosion erfolgt, BGHSt. 20 230). Zur Beurteilung der übrigen erfolgsqualifizierten Delikte im Schrifttum s. Ulsenheimer GA 1966 265 Anm. 46. Für die §§ 177 Abs. 3, 178 Abs. 3 StGB ist allerdings eine abweichende Behänd- 22 lung gegenüber § 251 StGB in der Tat nicht einsichtig. Die Anknüpfung der Todesfolge an den Beischlaf oder die sexuelle Handlung würde den Tatbestand auf überaus seltene Fälle reduzieren. Die Neufassung der §§ 177 Abs. 3, 178 Abs. 3 StGB durch das 4. StrRG, wonach der Tod nicht mehr durch die „in den §§ 176 und 177 bezeichneten Handlungen", sondern durch „die Tat" verursacht sein muß, erleichtert diese Auslegung (ohne sie freilich mit dem Gesetzeswortlaut völlig vereinbar zu machen, s. o. Rdn. 20). Auch hier ist die Gewalt wenigstens durch ein besonders verwerfliches Motiv qualifiziert. Das hier behandelte Problem wird vielfach nur unter dem Problem der Möglich- 23 keit des Versuchs der erfolgsqualifizierten Delikte (s. dazu u. Rdn. 37) erörtert und mit ihm vermengt. Voraufzugehen hat aber die Frage, ob diese Tatbestände überhaupt, und auch bei Vollendung des Grundtatbestandes, anwendbar sind, wenn die „besondere Folge" schon durch einen Teil des Grundtatbestandes herbeigeführt wird. Die hier kritisierte Auslegung vermag allerdings das Erfordernis einer Vollendung des Grundtatbestandes nicht mehr zureichend zu begründen und müßte im Ergebnis zu einer Vollendung des erfolgsqualifizierten Delikts auch bei bloßem Versuch des Grundtatbestandes führen (Stree GA 1960 291; Hirsch LK 9 §224 Rdn. 5).

25 Dafür Maurach-Schroeder Blei JA 1974 236. (129)

BT 1 §36 II C 1; Sch.-Schröder-Eser

§ 251 Rdn. 4. Dagegen

§18

24

2. Abschnitt. Die Tat

5. Eintritt der besonderen Folge durch Versuchs- oder Begleithandlungen RGSt. 44 139 hat zwar eine Verursachung des Todes durch den die Körperverletzung unmittelbar hervorrufenden Tätigkeitsakt (Auslösung des Schusses durch die Berührung des anderen mit dem Gewehr) ausreichen lassen, eine Verursachung durch Versuchs- und zufällige Begleithandlungen dagegen nachdrücklich abgelehnt. Der BGH läßt dagegen eine Verursachung durch die bloße auf den Erfolg gerichtete Tätigkeit genügen, verlangt aber andererseits eine vollendete Körperverletzung, und zwar neben der bloßen „Durchgangsverletzung" (BGHSt. 14 110, 112; BGH 1 StR 525/74 bei Dallinger M D R 1975 196) 26 . Diese Einschränkung läßt sich jedoch mit der Ausgangsposition des BGH nicht begründen 2 7 . Die Nichtberücksichtigung wesentlicher Abweichungen des Kausalverlaufs tendiert zu einer mit dem Grundsatz „nulla poena sine lege" nicht vereinbaren Einbeziehung des bloßen Versuchs des Grundtatbestandes (vgl. Sch.-Schröder-Stree §226 Rdn. 4; Maurach JR 1970 71). In diesen Fällen kommt daher nur ein Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts in Betracht (s. u. Rdn. 37). V. Die subjektiven Beziehungen zu der besonderen Folge 1. Einbeziehung des Vorsatzes

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§ 18 StGB ordnet an, daß hinsichtlich der Erfolgsqualifikation „wenigstens" Fahrlässigkeit vorliegen muß. Damit ordnet er an, daß auch die vorsätzliche Herbeiführung der Folge unter den Tatbestand des erfolgsqualifizierten Delikts fällt. Dies ist unerläßlich für die Erfolgsqualifikationen, die lediglich eine Intensivierung der Rechtsgutsverletzung enthalten (s. o. Rdn. 13), ohne daß ein entsprechender Vorsatztatbestand zur Verfügung steht (z. B. §§ 224 in der Form des dolus eventualis, 239 Abs. 2 StGB). Aber auch in vielen anderen Fällen enthält das erfolgsqualifizierte Delikt mindestens eine höhere Mindeststrafe als die vorsätzliche Herbeiführung des Erfolgs allein. Die Ausklammerung der vorsätzlichen Erfolgsherbeiführung aus dem erfolgsqualifizierten Delikt wäre daher eine krasse Ungerechtigkeit 28 . Die Erwähnung nur der Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit in dem jeweiligen Tatbestand steht nicht entgegen 29 . Dagegen sprechen neben den genannten teleologischen Erwägungen nicht nur der Wille des Gesetzgebers (so auch Rudolphi JR 1976 74), sondern auch der Wortlaut der §§ 15 (s. § 15 Rdn. 4 und o. Rdn. 10) und 126 StGB, da nur vorsätzliche Erfolgsqualifikationen angedroht werden können (Dreher/Tröndle § 126 Rdn. 5).

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Ζ. T. wird eine „Sperrwirkung" der Strafdrohung des erfolgsqualifizierten Delikts nach unten vertreten 3 0 . Dies ist jedoch materiell eine Anwendung der erfolgsqualifizierten Tatbestände, die lediglich verbal getarnt wird. Lediglich bei § 226 StGB wird vielfach schon die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 211 ff StGB abgelehnt (s. u. Rdn. 44). 26

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Zust. Dreher/Tröndle § 226 Rdn. 1 ; Geier LM § 226 Nr. 7; Stree G A 1960 290 ff; Tröndle G A 1962 328. So mit Recht Stree G A 1960 291; Deubner NJW 1960 1068; Geier LM § 226 Nr. 7; Sch.Schröder-Stree § 226 Rdn. 4; Schröder JR 1971 207 f. Vgl. BGHSt. 9 135; 19 102, 106; Traub NJW 1956 370; Hruschka G A 1967 43; Rudolphi JR 1976 74. Α. A. BGHSt. 26 175; Rudolphi JR 1976 74; Maiwald G A 1974 270; Tenckhoff ZStW 88 (1976) 912 ff; Lackner § 251 4. Lackner § 2 3 9 a 7, § 251 4. Zust. Tenckhoff ZStW 88 (1976) 914 ff. (130)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

Allerdings ergeben sich hieraus schwierige Konkurrenz-Probleme (s. u. Rdn. 44) 27 und ferner differenzierende Lösungen für den Versuch und die Teilnahme (s. u. Rdn. 36). Den entscheidenden Unterschied zwischen der fahrlässigen und der vorsätzlichen Erfolgsherbeiführung hat schon 1908 Radbruch herausgestellt: „Das durch die vorsätzliche Herbeiführung des Erfolgs qualifizierte Delikt ist kriminalpsychologisch etwas ganz anderes als das durch die zufällige und die fahrlässige Herbeiführung qualifizierte Delikt, es ist in Wahrheit eine durch das Mittel qualifizierte Herbeiführung des Erfolgs, will sich deshalb in den Rahmen des durch den Erfolg (ζ. B. Tod) bloß qualifizierten Delikts nicht fügen und strebt zu dem auf den Erfolg gerichteten Verbrechen (ζ. B. Tötung) hin" (VDA 2 234). Aus diesen Gründen ist de lege ferenda immer wieder eine Ausscheidung der Fälle der vorsätzlichen Erfolgsherbeiführung verlangt worden 3 1 . Vielfach wird auch versucht, den Begriff der erfolgsqualifizierten Delikte auf die Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination zu reduzieren 3 2 . Der E 1962 wollte die vorsätzliche Erfolgsherbeiführung ausscheiden und verzichtete dementsprechend auf das Wort „wenigstens", sah aber bezeichnenderweise im Besonderen Teil wieder Ausnahmen vor (s. Begr. S. 136). 2. Genaue Feststellung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit Die Formulierung „wenigstens fahrlässig" darf nicht etwa dahingehend verstan- 28 den werden, daß eine Feststellung der Erfüllung der Mindestgrenze genüge. Vielmehr ist eine genaue Feststellung von Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich und lediglich bei Nichtaufklärbarkeit eine Bestrafung nach dem „Auffangtatbestand" der Fahrlässigkeit (BGHSt. 17 210) zulässig (Hruschka GA1967 45 f)· 3. Der Zeitpunkt von Vorsatz oder Fahrlässigkeit Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich der besonderen Folge müssen bei Bege- 29 hung des Grundtatbestandes vorliegen. Mit Recht hat daher die Rechtsprechung den erst nach Begehung eines Sittlichkeitsdelikts entstandenen Tötungsvorsatz (OGH NJW 1950 710) und die -fahrlässigkeit (BGH NJW 1955 1327) nicht ausreichen lassen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob bereits bei der Tat Vorsatz bzw. Fahrlässigkeit hinsichtlich der Herbeiführung der Folge durch eine Anschlußtat vorlagen. Dann tritt das Problem der „Unmittelbarkeit" hinzu (s. o. Rdn. 17 ff). 4. Die Erfordernisse der Fahrlässigkeit im einzelnen Die Erfordernisse der Fahrlässigkeit bestimmen sich nach den allgemeinen 30 Grundsätzen (s. § 16 Rdn. 127 ff). Hierzu hinsichtlich Zwischenursachen bzw. Abweichungen des Kausalverlaufs schon o. Rdn. 17 ff. Forderungen, die Erfordernisse hier auf die generelle Adäquanz zu beschränken, bestehen nur de lege ferenda 3 3 . Da die Bejahung des Grundtatbestandes bereits die objektive und subjektive Pflichtwidrigkeit feststellt, kann sich die Prüfung auch für die Anhänger des Erfordernisses einer Sorgfaltspflichtverletzung bei der Fahrlässigkeit (dagegen § 16 Rdn. 157 0 auf die Feststellung der objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit

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Radbruch VDA 2 234; Kofjka Niederschriften 2 243 ; Hirsch GA 1972 65 f. Hardwig GA 1965 97; Hirsch GA 1972 65 ff. Jescheck Niederschriften 2 249 ff ; Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip (1961), S. 245; Hardwig G A 1965 99 ff.

§18

2. Abschnitt. Die Tat

beschränken 3 4 . Dies entspricht auch den Entwürfen bis 1919 (s. Rdn. 7). S. noch BGHSt. 22 248, 249: bei versuchter Tötung sei eine Fahrlässigkeit hinsichtlich einer in Wahrheit eingetretenen Körperverletzung nicht denkbar, da dies auf den Vorwurf hinauslaufe, der Täter habe es bei der beabsichtigten Tötung an der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt fehlen lassen. Indessen kann der Tötungswille durchaus eine Sorgfaltswidrigkeit hinsichtlich der fremden Gesundheit umfassen 3 5 . VI. Die erfolgsqualifizierten Delikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination 31 Wie Rdn. 11 und 25 dargelegt, gibt es bei den erfolgsqualifizierten Delikten hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen bezüglich Grunddelikt und Erfolgsqualifikation folgende Kombinationen: Vorsatz — Vorsatz Vorsatz — Fahrlässigkeit Fahrlässigkeit — Fahrlässigkeit 36 . In einem Teilbereich sind die erfolgsqualifizierten Delikte also Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen. Wenn auch die vielfach behauptete Beschränkung des Begriffs der erfolgsqualifizierten Delikte auf diese Gruppe hier zurückgewiesen wurde (Rdn. 2, 25 ff), so handelt es sich doch zweifellos um die größte Gruppe. Auf der anderen Seite ist der Begriff der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination umfassender, da er auch Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination umfaßt (s. o. Rdn. 5 und § 15 Rdn. 13). Die erfolgsqualifizierten Delikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination bilden also einen engeren Ausschnitt sowohl aus den erfolgsqualifizierten Delikten als auch aus den Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen. 32

Da eine Reihe allgemeiner Vorschriften auf „Vorsatztaten" abstellt (§§ 26, 27, 48, 56 g, 66 StGB) und ein Versuch bei Fahrlässigkeitstaten nicht möglich ist, stellt sich die Frage, wie die erfolgsqualifizierten Delikte mit Vorsatz-FahrlässigkeitsKombination hierbei einzuordnen sind. § 11 Abs. 2 StGB bestimmt: „Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt". Diese Bestimmung ist hinsichtlich der erfolgsqualifizierten Delikte nicht so problematisch wie hinsichtlich der Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Denn in den erfolgsqualifizierten Delikten mit Vorsatz-FahrlässigkeitsKombination ist — nach den o. Rdn. 3 entwickelten Begriffsmerkmalen — immer eine vorsätzliche (strafbedrohte) Tat enthalten. Die in den §§ 48, 56 g, 66 StGB ver34

35 36

Kofflca Niederschriften 2 242; Jescheck Niederschriften 2 248 und Lb. § 54 III 2; Sch.Schröder-Cramer § 18 Rdn. 5; BGHSt. 24 213, 215; Meisenberg NJW 1972 694; LeschkasLoose-Renneberg Verantwortung und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, S. 111 ; §§ 7, 8, 11 Abs. 2 StGB DDR; Art. 18 Abs. 3, 119 Ziff. 3, 122 Ziff. 2, 123 ZifT. 3. Schweiz. StGB; vgl. auch Stratenwerth Rdn. 1110. Leicht einschränkend BGH 1 StR 120/75 bei Daliinger M DR 1976 16: Vorhersehbarkeit „entscheidendes Merkmal". Α. A. Hirsch G A 1972 73 Anm. 44 a auf Grund einer abweichenden Fahrlässigkeitskonstruktion; OLG Frankfurt NJW 1963 2381. Abi. auch Hirsch LK9 Vor § 223 Rdn. 8, 10, 11 ; Jakobs NJW 1969 437. Die Kombination Fahrlässigkeit-Vorsatz ist entgegen Gössel Lange-Festschr. S. 223 nicht denkbar. (132)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

langten Mindeststrafen „wegen einer vorsätzlichen Tat" sind so niedrig, daß sie innerhalb des Strafrahmens sämtlicher Grunddelikte der erfolgsqualifizierten Delikte verbleiben und daher auch durch die Strafzumessung für das vorsätzliche Grunddelikt (vgl. § 46 Abs. 2 StGB : „verschuldete" Auswirkungen der Tat) gedeckt sind. Für den Fortsetzungszusammenhang sollte das starke Gewicht des Grundtatbestandes ausreichen, den nach der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre erforderlichen Gesamtvorsatz zu begründen, zumal eine beachtliche Mindermeinung auch bei Fahrlässigkeitstaten einen Fortsetzungszusammenhang zuläßt37. Es verbleibt die Problematik der Teilnahme und des Versuchs. Hierfür gibt § 11 Abs. 2 StGB ohnehin nur eine allgemeine Richtlinie, die näherer Konkretisierung bedarf (s. u. Rdn. 36 ff). Grundsätzlich können die erfolgsqualifizierten Delikte mit Vorsatz-Fahrlässig- 33 keits-Kombination sowohl als Vorsatzdelikte mit fahrlässiger Qualifikation als auch umgekehrt als Fahrlässigkeitsdelikte mit typisierter vorsätzlicher Pflichtverletzung aufgefaßt werden38. Die letztere Betrachtungsweise kann zwar als Alternativmodell wichtige Einsichten vermitteln, kann jedoch entgegen Seebald GA 1964 167 nicht zur Grundlage der Beurteilung der erfolgsqualifizierten Delikte gemacht werden, da angesichts der Konkurrenzvorschriften das darin enthaltene vorsätzliche Unrecht ganz verloren ginge (vgl. schon Radbruch VDA 2 231). VII. Erfolgsqualifizierte Delikte und Schuldgrundsatz

Die erfolgsqualifizierten Delikte werden auch nach Einführung des § 56 = § 18 34 n. F. StGB vielfach noch als Verstoß gegen das Schuldprinzip angesehen39. Indessen kann sich dieser Vorwurf allenfalls auf die nach dem geltenden Recht teilweise zu hohen Strafdrohungen beziehen; grundsätzlich ist dagegen ein Verstoß gegen das Schuldprinzip nicht ersichtlich40. Der Grund für eine spürbare Höherbestrafung des erfolgsqualifizierten Delikts liegt darin, daß der Täter entweder einen über den Grundtatbestand hinausgehenden Erfolg will oder einwilligend in Kauf nimmt oder — bei Fahrlässigkeits-Fahrlässigkeits-Kombinationen — fahrlässig verwirklicht oder aber — bei den erfolgsqualifizierten Delikten mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination — die durch die typische Gefährlichkeit des Grundtatbestandes gegebene Warnung in den Wind schlägt41. Anders ausgedrückt: aus der großen Zahl von Sorgfaltspflichtverletzungen greifen die erfolgsqualifizierten Delikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination besonders gefahrenträchtige heraus und ver37

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Für die Möglichkeit des Fortsetzungszusammenhangs Kohlrausch-Lange § 56 IV 5; Egon Scheider JZ 1956 752 mit beachtlicher Deutung der umstrittenen Entscheidung OGHSt. 2 343, 347 in dieser Richtung; Lackner Vor § 52 IV 2 a cc sogar für Erfolgsdelikte mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination; weitere Nachw. bei BGHSt. 22 67, 71. So Oehler ZStW 69 (1957) 516; Seebald GA 1964 167; Gössel Lange-Festschr. 234 f. Vgl. auch § 8 Abs. 1 StGB DDR. Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip 2 (1976), S. 246; AE Vorbem. vor § 108; Jescheck § 54 III 2; Sch.-Schröder-Cramer §18 Rdn. 1; Blume NJW 1965 1261; vgl. schon Löffler Schuldformen des Strafrechts (1895), S. 28 und VDB 5 369 f. Schmidhäuser 10/117 ; Hirsch ZStW 83 (1971) 140,160 und GA 1972 65, 67, 75, 77. Vgl. auch Arthur Kaufmann Das Schuldprinzip 2 (1976), S. 243 f m. Nachw. aus dem älteren Schrifttum; Hardwig GA 1965 97, 100; Boldt ZStW 68 (1956) 335, 356; Oehler ZStW 69 (1957) 503, 513; Blei AT § 83 II; Ulsenheimer GA 1966 257, 268; Hirsch GA 1972 65, 71. A. A. Schubarth ZStW 85 (1973) 754, 767 ff und wohl auch Tiedemann S. 237 ff. Maiwald hält das kriminelle Ziel der Grundhandlung für maßgeblich (GA 1974 266).

§18

2. Abschnitt. D i e Tat

langen überdies insoweit Vorsatz; es handelt sich hier um den besonders strafwürdigen Typ der Fahrlässigkeit aufgrund bewußter Pflichtverletzung. Freilich werden die geschichtlich entstandenen erfolgsqualifizierten Delikte des geltenden Rechts dieser inneren Natur noch nicht in allen Fällen gerecht. Ferner besteht hier zweifellos eine gewisse Paradoxie: wird die in der Verwirklichung des Grundtatbestandes enthaltene Gefahr zu groß und damit die dadurch gegebene Warnung zu mächtig, so ist die Vorhersehbarkeit des schweren Erfolgs mit der Verwirklichung des Grundtatbestandes automatisch gegeben und läuft das erfolgsqualifizierte Delikt wiederum auf eine bloße Erfolgshaftung hinaus (vgl. Hirsch GA 1972 65, 74) Indessen werden diesbezügliche Bedenken ausgeräumt, wenn bei derartigen Tatbeständen die über die einfache Fahrlässigkeit hinausgehende Leichtfertigkeit (s. § 16 Rdn. 208 ff) verlangt wird, was neuerdings häufiger der Fall ist (s. Rdn. 10). 35 Das spezifische Unrecht der erfolgsqualifizierten Delikte könnte in anderer Weise nur unbefriedigend geregelt werden 42 . Eine Regelung über die Idealkonkurrenz würde eine unsachgemäße Einführung des Asperationsprinzips für alle Fälle der Idealkonkurrenz verlangen und dabei noch die Fälle der Intensivierung eines Schadens für das gleiche Rechtsgut (s. o. Rdn. 13) nicht erfassen. Zur Vermeidung dieser Mängel bliebe nur die Möglichkeit der Schaffung „schwerer Fälle", die indessen die Schuldfrage nur in das schwammige Gebiet der Strafzumessung verlagern w ü r d e 4 3 . Auch von hier aus erhalten die erfolgsqualifizierten Delikte ihre innere Berechtigung. VIII. Teilnahme

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Nach § 18 StGB trifft die schwerere Strafe bei „wenigstens Fahrlässigkeit" im Gegensatz zu § 56 StGB a. F. ausdrücklich auch den Teilnehmer. Damit ist für den Teilnehmer auf seine eigene Fahrlässigkeit abzustellen bzw. eine Teilnahme an erfolgsqualifizierten Delikten mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination möglich, obwohl die für die Teilnahme erforderliche „vorsätzlich begangene Tat" (§§ 26, 27 StGB) hier nur hinsichtlich des Grunddelikts vorliegt (vgl. auch § 11 Abs. 2, s. o. Rdn. 32). Es wurde schon dargelegt, daß die Auffassung dieser Delikte als Fahrlässigkeitstaten mit vertypter vorsätzlicher Sorgfaltspflichtverletzung das darin enthaltene Vorsatzunrecht völlig vernachlässigt. Im übrigen führt diese Auffassung, indem sie für die Einhaltung der „strengen" Voraussetzungen der §§ 26, 27 StGB kämpft, zu einer erheblichen Schlechterstellung des Teilnehmers ; beim fahrlässigen Delikt ist nach allgemeinen Regeln eine Differenzierung der Tatbeiträge unmöglich, wird jeder Tatbeitrag zur Täterschaft! Schon aus diesem Grunde darf der Vorsatzteil der Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination nicht vernachlässigt werden. Das erfolgsqualifizierte Delikt mit Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination besteht nun einmal aus Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat. Die einschneidenden Wirkungen der Fahrlässigkeit für den Teilnehmer dürfen nur hinsichtlich des Fahrlässigkeitsteils angenommen werden, während hinsichtlich des Vorsatzteils die Teilnahmevorschriften mit ihrer fakultativen Strafmilderung eingreifen. Teilnahme am Grunddelikt verbindet sich hier mit fahrlässiger Nebentäterschaft an der Folge 44 . Die genannten Einwände gelten auch für die Auffassung Oehlers, der Teilnahme am Grunddelikt und Täterschaft hinsichtlich § 222 StGB zur Täterschaft nach § 226

42 43 44

Vgl. Arthur Kaufmann aaO S. 245 ; Hirsch ZStW 8 3 (1971) 160 f u n d G A 1972 67 ff. Dafür jedoch Jescheck Niederschriften 2 247 ; Blume N J W 1965 1261. So die h. L. : B G H S t . 19 339, 341 f ; Rudolphi S K Rdn. 6 ; Schmidhäuser 11/128.

(I.U)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

StGB verbinden will (GA 1954 33, 37 f)· Zu restriktiv ist der Vorschlag von Ziege, beim Teilnehmer hinsichtlich der Folge mindestens dolus eventualis zu verlangen (NJW 1954 179). IX. Versuch Infolge der Zweigliedrigkeit der Tatbestände ergeben sich folgende Varianten : 37 1. der Grundtatbestand wurde nur versucht, die Folge ist aber eingetreten 2. der Grundtatbestand wurde vollendet, die Folge ist aber ausgeblieben 3. der Grundtatbestand wurde nur versucht, und außerdem ist die Folge ausgeblieben. Im Fall 1 kommt dazu noch die Unterscheidung, ob die Folge (a) fahrlässig oder (b) vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Bei den Fällen 2 und 3 spielt diese Unterscheidung keine Rolle, da bei Ausbleiben der Folge ohnehin nur ein diesbezüglicher Vorsatz berücksichtigt werden kann. Die Fälle 1 b bis 3 betreffen daher erfolgsqualifizierte Delikte mit Vorsatz hinsichtlich der Erfolgsqualifikation, die ζ. T. gar nicht mehr als erfolgsqualifizierte Delikte angesehen werden (s. o. Rdn. 25). 1. Eintritt der Folge bei Versuch des Grundtatbestandes Die früher verbreitete Ablehnung des Versuchs in diesen Fällen (Nachw. bei Ulsenheimer GA 1966 262 f) wird heute nicht mehr vertreten. Es ergeben sich zwei Möglichkeiten : a) Bei Fahrlässigkeit hinsichtlich der Folge wirkt sich wiederum die o. Rdn. 13 ff 38 vorgenommene Typisierung der erfolgsqualifizierten Delikte aus. Ein Versuch ohne Vollendung des Grundtatbestandes ist nur möglich bei denjenigen Erfolgsqualifikationen, die nicht einen sich aus dem Erfolg des Grunddelikts entwickelnden Erfolg verlangen. Dementsprechend hat die Rechtsprechung einen Versuch bei den §§ 178, 251, 307 Nr. 1 StGB bejaht (RGSt. 62 422; 69 332; BGHSt. 7 37, 39; BGH bei Daliinger MDR 1971 363). Die o. Rdn. 24 ζ. T. vorgebrachten Bedenken gelten auch hier. Eingehende Wiedergabe von Rechtsprechung und Literatur und Beurteilung der übrigen Erfolgsqualifikationen bei Ulsenheimer GA 1966 259 ff. Zu §§ 239 b, 316 c StGB s. Maurach Heinitz-Festschr. S. 412 ff. Ulsenheimer GA 1966 267 ff will demgegenüber auf das materielle Kriterium abstellen, ob sich in der Folge bereits die typische Gefahr des Grunddelikts niedergeschlagen hat. Diese Auffassung kommt überwiegend zum gleichen Ergebnis wie hier, enthält aber einerseits die Gefahr, daß die Grenzen des Tatbestandes außer acht gelassen werden, und berücksichtigt andererseits nicht, daß die §§ 224—226 StGB jeweils als Durchgangsstadium Körperverletzungen enthalten (s. o. Rdn. 13 ff)· Im übrigen ist erforderlich, daß der Versuch des Grundtatbestandes für sich strafbar ist, da andernfalls die Erfolgsqualifikation strafbegründende Wirkung hätte (Ulsenheimer GA 1966 269 ff; Schäfer LK 9 § 239 Rdn. 34). Schon von daher scheiden die §§ 221 Abs. 3, 224, 239 Abs. 2 und 3, 321 Abs. 2 und 340 Abs. 2 für eine Versuchsstrafbarkeit aus. b) Bei Vorsatz hinsichtlich der Folge gelten die unter Rdn. 38 dargelegten 39 Gesichtspunkte mit Ausnahme des Erfordernisses der Versuchsstrafbarkeit, da insofern kein Unterschied gegenüber sonstigen Vorsatztatbeständen besteht 45 . 45

(135)

Vgl. Kofjka Niederschriften 2 238; Hirsch GA 1972 75 Anm. 50. Α. A. Ulsenheimer GA 1966 275, jedoch aufgegeben in Bockelmann-Festschr. S. 418.

§18

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2. Abschnitt. Die Tat

2. Vollendung des Grundtatbestandes und Ausbleiben der Folge Hier ist ein Versuch möglich, der allerdings infolge der Konkurrenzregeln (s. u. Rdn. 43 f) vielfach nicht relevant wird. So ist angesichts des § 225 StGB ein Versuch des § 224 nur gegeben, wenn der Täter hinsichtlich der schweren Folge mit bedingtem Vorsatz handelt (BGHSt. 21 194). Gegen einen Versuch in diesem Fall Schröder JZ 1967 368 (zust. Tiedemann S. 236) mit nicht überzeugender Einheitswertung der Erfolgsqualifikation als vorsatzfreies Merkmal. 3. Versuch des Grundtatbestandes und Ausbleiben der Folge Auch hier ist der Versuch strafbar 46 . Entsprechend den Ausführungen unter Rdn. 38 ist dabei auch nicht erforderlich, daß der Versuch des Grundtatbestandes strafbar ist 47 . 4. Ein Rücktritt vom Versuch ist jedenfalls möglich, wenn der Täter den Eintritt der zunächst vorsätzlich erstrebten Folge (Fälle 2, 3) freiwillig verhindert hat. Bei Versuch in Form des Eintritts der schweren Folge schon bei Versuch des Grunddelikts (Fall 1) ist nach allgemeinen Regeln ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch möglich (RG H RR 1941 Nr. 521; Sch.-Schröder-Eser§ 24 Rdn. 26). Dieses Ergebnis wird vielfach als unbefriedigend empfunden (Schneider JZ 1956 752). Radbruch hatte eine einschlägige „Zusatzbestimmung zum Rücktrittsparagraphen" verlangt (VDA 2 252). Ulsenheimer will einen Rücktritt schon de lege lata ausschließen, weil sich im Erfolg bereits die tatbestandsmäßige Gefahr niedergeschlagen habe und daher die ratio legis der erfolgsqualifizierten Delikte (s. o. Rdn. 38) erfüllt sei 48 . Indessen wurde schon o. Rdn. 20 ff die Anknüpfung des qualifizierenden Erfolgs an einen Teil der Tatbestandshandlung beklagt. Es geht nicht an, dem Täter auch noch die Möglichkeit des Rücktritts vom Versuch des Grunddelikts abzuschneiden. X. Zusammentreffen 1. Allgemeines. Sofern und soweit man anerkennt, daß die erfolgsqualifizierten Tatbestände auch die vorsätzliche Herbeiführung des Erfolgs umfassen (s. o. Rdn. 25), sagt die Verurteilung wegen des erfolgsqualifizierten Delikts nichts über die subjektiven Voraussetzungen hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung. Die Idealkonkurrenz mit den die unmittelbare Erfolgsherbeiführung erfassenden Tatbeständen ist daher wichtig zur Klarstellung 49 . Die fahrlässige Tötung kann dabei wiederum in der Form des § 226 StGB e r f o l g e n S O . 46

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So auch Hirsch LK 9 § 224 Rdn. 29; Sch.-Schröder-Cramer § 224 Rdn. 10; RGSt. 69 521. Α. A. Schröder JZ 1967 368. A. A. Ulsenheimer G A 1966 278; dagegen auch SchröderJZ 1967 369. Zur Problematik des Rücktritts vom Versuch erfolgsqualifizierter Delikte, BockelmannFestschr. S. 405 ff, 414 ff. BGHSt.28 18,20; Jescheck §67 III; Maurach-Zipf ATI §35 V A a ; Rudolphi SK Rdn.9; Sch.-Schröder-Cramer § 18 Rdn. 6. Der BGH hat dies auch für die a. F. der §§ 178 (BGHSt. 19 101, 106 für § 211 StGB; BGHSt. 20 269, 271 für § 222 StGB) und 251 StGB (BGHSt. 9 135, 136) bejaht. Die spätere Ablehnung der Idealkonkurrenz zwischen den §§ 251 und 211 StGB (BGHSt. 26 175 m. zust. Anm. Rudolphi JR 1976 74) beruht auf der Auffassung, daß Tatbestände, die für den qualifizierenden Erfolg Leichtfertigkeit verlangen, den Vorsatz nicht mehr erfassen. Dagegen o. Rdn. 10, 25. A. A. BGH NJW 1965 2116 unter Berufung auf Schröder NJW 1956 1738. Dagegen mit Recht Jescheck § 67 III 3 Anm. 19; Fuchs NJW 1966 868. (136)

Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen (Schroeder)

§18

Die Klarstellung ließe sich allerdings auch erreichen, wenn Idealkonkurrenz nur bei Vorsatz hinsichtlich der Folge, bei Fahrlässigkeit dagegen Gesetzeskonkurrenz angenommen würde ( Widmann M D R 1966 554 ff). Weniger praktikabel erscheint der Vorschlag Hruschkas, die Klarstellung durch eine stark differenzierte Urteilstenorierung zu erreichen (GA 1967 47 ff). 2. § 226 StGB. Für § 226 StGB wird dagegen eine Idealkonkurrenz mit den die 4 4 unmittelbare Erfolgsherbeiführung erfassenden Tatbeständen nur selten vertreten, u n d auch hier nur für § 222, nicht aber für die §§ 211 ff StGB 5 1 . Vielmehr besteht weitgehende Einigkeit über das Ergebnis, daß § 226 StGB neben den Tötungstatbeständen nicht zur Anwendung kommt, seinerseits aber § 222 StGB verdrängt. Die Begründung hierfür ist jedoch kontrovers, in sich uneinheitlich und ζ. T. unscharf. Hinsichtlich des Vorrangs des § 226 vor § 222 StGB wird überwiegend Spezialität (BGHSt. 8 54), von BGHSt. 20 269, 271 dagegen Subsidiarität angenommen. Der Vorrang der §§211 ff StGB bleibt überwiegend unerklärt 52 . Z . T . wird versucht, schon den Tatbestand des § 226 StGB abzulehnen 5 3 . Dies widerspricht jedoch nicht nur der Begründung des Vorrangs des § 226 gegenüber § 222 StGB, sondern erscheint auch sachlich unzutreffend: der Täter kann durchaus die Absicht haben, dem Opfer eine Verletzung beizubringen, die erst später zum Tode führt. Daher ist die Lösung über die Konkurrenz vorzuziehen, die indessen wegen der engen Berührung der Handlungen (besonders durch BGHSt. 16 123) und der absoluten Unnötigkeit der jeweils verdrängten Tatbestände (s. besonders § 226 Abs. 2 StGB!) nur die Gesetzeskonkurrenz sein kann.

51 Kohlrausch-Lange §56 III 5; Boldt ZStW 68 (1956) 335, 356; Oehler ZStW 69 (1957) 519 ff. 52 Dreher/Tröndle § 226 Rdn. 1, 2; Hruschka GA 1967 44; Maurach-Schroeder BT 1 § 9 II D 2; Sch.-Schröder-Stree § 226 Rdn. 12; Welzel§ 39 VI. 53 OGHSt. 2 357, 363 (allgemein falsch zitiert als OGHSt. 1 357, 364); Schröder NJW 1956 1737, 1739; Jescheck§ 69 III 3; Hirsch LK 9 § 226 Rdn. 1, 8. (137)

Schuldunfähigkeit des Kindes (Lange)

§ § 19, 20

§19 Schuldunfähigkeit des Kindes Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist Schrifttum zur Kinderkriminalität Bräutigam, Hdb. der forensischen Psychiatrie 1 (1972) S. 792; Göppinger Krim. 3 S. 352 ff, 364 ff ; ders. Angewandte Kriminologie im Strafverfahren, Kriminologie und Strafverfahren (1976) ( = Kriminologische Gegenwartsfragen 12) S. 62 ff ; Huber, Gerd, Hdb. der forensischen Psychiatrie 1 (1972) S. 736 f; Langelüddeke und Bresser Gerichtliche Psychiatrie, 4. Aufl. (1976) S. 336, mit weiterer Literatur; Trauisen Delinquente Kinder und ihre Legalbewährung (1976) ( = Beiträge zur empirischen Kriminologie 1), sowie die dort angegebene Literatur.

Die Bestimmung ersetzt den bisherigen § 1 Abs. 3 JGG. Das 2. StrRG hat sie 1 wegen der allgemeinen Bedeutung dieser Grenzziehung für den Schuldgrundsatz in das StGB übernommen. Inhaltlich stellt sie eine unwiderlegliche Vermutung der Schuldunfähigkeit auf, 2 die angesichts des Umfangs und der subjektiven Qualität der Kinderkriminalität weithin eine Fiktion ist. Welche kriminologische und dogmatische Problematik sich hinter solcher Grenzziehung verbirgt, zeigt ein Blick auf das englische Recht. Es läßt die Strafmündigkeit mit 10 Jahren beginnen. Sachgemäßer war die Fassung des § 1 Abs. 3 JGG, die sich darauf beschränkte, 3 das Kind als strafrechtlich nicht verantwortlich zu erklären, also eine negative Prozeßvoraussetzung zu errichten. Allerdings führte diese Fassung zu Kopfzerbrechen darüber, ob Jugendliche oder Erwachsene Beteiligte an der Tat des Kindes sein könnten (vgl. Dallinger-Lackner § 1 JGG Rdn. 38 ff). Das war unnötig. Prozeßvoraussetzungen und deren Verneinung sind den materiellen Fragen vorgelagert, berühren sie aber nicht. Daß Verantwortliche mittelbare Täter oder Beteiligte sein können, war angesichts des § 29 und früher des § 50 StGB immer schon rechtens. Über die Kriminologie und Kriminalistik der Kinderkriminalität gibt in erster 4 Linie die polizeiliche Kriminalstatistik Aufschluß. Die erfaßte Beteiligung von Kindern an der Gesamtkriminalität ist von 7,1 % im Jahre 1973 über 6,7% im Jahre 1974 auf 6,2 % im Jahre 1975 zurückgegangen. Der allgemeine Bevölkerungsrückgang dürfte sich hierbei kaum schon auswirken. Der prozentuale Rückgang der Kinderkriminalität bleibt deshalb doppelt bemerkenswert, da die Häufigkeitsziffer der Straftaten von 1973 bis 1975 von 4131 über 4419 auf 4721 gestiegen ist. Selbstverständlich fehlt diesen Zahlen die Kraft einer endgültigen Aussage. Nähere Untersuchungen können hier nicht angestellt werden.

§20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. (1)

§21

2. Abschnitt. Die Tat §21 Verminderte Schuldfähigkeit

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.! Schrifttum A. Allgemeines Alzheimer Das Delikt als Symptom, Der medizinische Sachverständige 58 (1962) 169—175; Arbab-Zadeh Zurechnungsfähigkeit, Rauschtat und spezifisches Bewußtsein, NJW 1974 1401 — 1404; Arnold Person und Schuldfähigkeit, Psychologie und Praxis 9 (1965) 97—115; Baumann Soziale Verantwortlichkeit ohne soziale Freiheit? (zu Haddenbrock JZ 1969 121 ff), JZ 1969 181; in der Beek Praktische Psychiatrie (1957); Bernsmann und Kisker § 20 StGB und die Entschuldbarkeit von Delinquenz diesseits biologisch-psycho(patho)logischer Exkulpationsmerkmale, MschrKrim. 1975 325—339; Binder Die Geisteskrankheit im Recht (1952); Binswanger Leitfaden der forensischen Psychiatrie (1945); Bleuler Lehrbuch der Psychiatrie, 10. Aufl. (1960); Bochnik Krankheit, Handwörterbuch der Kriminologie, 2. Aufl. 1 (1966) 482—496; Bodenheimer Das Problem der Zurechnungsfähigkeit in psychotherapeutischer Schau, Schweizer Archiv für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 83/84 (1959) 222—236; de Boor Über forensisch bedeutsame Vorentscheidungen, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 22 (1962) 5 1 - 5 9 ; Brauneck Der strafrechtliche Schuldbegriff, GA 1959 261-272; Bresser Jugendzurechnungsfähigkeit oder Strafmündigkeit? ZStW 74 [1962] 579—594; ders. Der Psychologe und § 51 StGB, NJW 1958 248—250; Bumke Lehrbuch der Geisteskrankheiten, 7. Aufl. (1948); Burkhardt Das Zweckmoment im Schuldbegriff, GA 1976 321-341; Buytendijk Die biologische Sonderstellung des Menschen, Hdb. Neur. Psych. 5 117—135 ; Dietrich Manie — Monomanie — Soziopathie und Verbrechen (1968); Ehrhardt Die Schuldfähigkeit in psychiatrisch-psychologischer Sicht, Schuld, Verantwortung, Strafe (1964) S. 227—263; ders. und Villinger Forensische und administrative Psychiatrie, Psychiatrie der Gegenwart 3 (1961) 181-350; Engisch Um die Charakterschuld, MschrKrim. 1967 108-122; Frankl Existentielle Frustration als ätiologischer Faktor in Fällen von aggressivem Verhalten, LangeFestschr. S. 649—657; Gehlen Über den Wandel ethischer Anschauungen, Lange-Festschr. S. 639—648; Geilen Sukzessive Zurechnungsunfähigkeit, Unterbringung und Rücktritt — BGHSt. 23 356, JuS 1972 73—79; Gerchow Medizinisch-psychologische Gesichtspunkte zur Bedeutung „unterbewußter" (kausaler) Strebungen bei Vorsatztaten, DZGerMed. 55 (1964) 4—15; Gerichtliche Psychologie (1962); Göppinger Psychopathologische und tiefenpsychologische Untersuchungsmethoden und ihr Aussagewert für die Beurteilung der Täterpersönlichkeit und der Schuldfähigkeit, NJW 1961 241—245; Gottschick Die medizinische Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, Der medizinische Sachverständige 53 (1957) 109—116; Grebing Die Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung 1975 in Göttingen, ZStW 88 [1976] 162, 165; Gruhle Der §51 StGB vom Standpunkt des Psychiaters, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) 84—87; Gschwind Die zivil- und strafrechtliche Stellung der Geisteskranken, Hoff Lehrbuch der Psychiatrie 2 (1956) 833—865; Haddenbrock Das Paradox von Ideologie und Pragmatik des § 51 StGB, NJW 1967 285—287; ders. Die psychopathologische Diagnose und ihre normative Bewertung, Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 278—287; ders. Strafrechtliche Handlungsfähigkeit und „Schuldfähigkeit" (Verantwortlichkeit); auch Schuldformen, Hdb. for. Psychiatrie 2 863—946; ders. Die Unbestimmtheitsrelation von Freiheit und Unfreiheit als methodologischer Grenzbegriff der forensischen Psychiatrie, Der Nervenarzt 32 (1961) 145—152; Haft er Normale Menschen? Zurechnungsfähigkeit, Zurechnungsunfähigkeit, SchwZStr. 66 (1951) 1—21; Hallermann Bemerkungen über die Beurteilung der Zurech1 Der gemeinsame Abdruck der §§ 20, 21 dient nur der leichteren Vergleichbarkeit ihrer Texte. Über ihr sachliches Verhältnis zueinander vgl. Rdn. 75 ff.

ο

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§ 2 1

nungsfähigkeit, DZGerMed. 41 (1952) 77—82; Handbuch der forensischen Psychiatrie 1 u. 2 (1972) („zitiert Hdb. for. Psychiatrie"); Handbuch der gerichtlichen Psychiatrie, 3. Aufl. (1934) („zitiert Hdb. d. gerichtl. Psych."); Handbuch der Neurosenlehre und Psychotherapie 1—5 (1959—61) („zitiert Hdb. Neur. Psych."); Harsch Schuldbegriff unter tiefenpsychologischen Gesichtspunkten, Verbrechen — Schuld oder Schicksal? (1969) S. 102—121; Heldmann Strafrechtliche Sonderbehandlung der Frau? Ein Beitrag aus dem Problemkreis der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit, MschrKrim. 1957 86—104; Hellenthal Die Regelung der Zurechnungsfähigkeit in den Rechtsordnungen des deutschen und französischen Sprachkreises (1959); Herold Zur Beurteilung der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit, Medizinische Klinik 58 (1963) 32—33; Hirschmann Die Indikation zur Psychotherapie bei Rechtsbrechern aus der Sicht des Psychiaters, NJW 1961 245—249; Horn Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit (1969) ( = StrafrAbh. N. F. 5); Huber, G. Das Problem der Schuldfähigkeit in der Sicht des psychiatrischen Sachverständigen, Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie und ihrer Grenzgebiete 36 (1968) 454—473; Hülle Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit durch den Tatrichter, JZ 1952 296—297; Jäger, H. Anmerkung zu Problemen der Zurechnungsfähigkeit, Der medizinische Sachverständige 55 (1959) 19—20; Kallwass Der Psychopath (mit vergleichender Untersuchung des E 62 und des AE) (1968); Kaufmann, Arthur Das Schuldprinzip (1961); Kaufmann, Hilde und Pirsch Das Verhältnis von § 3 J G G zu § 51 StGB, JZ 1969 3 5 8 364; Klee Die Zurechnungsfähigkeit als Strafempfänglichkeit, DStR 1943 65—80; Kohlhaas Zur Beurteilung Hirnverletzter als Prozeßbeteiligter, SJZ 1949 Sp. 878—879; den. Die Rechtsprechung zu §51 StGB, Heilen statt Strafen (1957) S. 268—283; Kolle Psychiatrie, 5. Aufl. (1961); ders. Die Schuldfrage aus der Sicht des Psychiaters, NJW 1960 2 2 2 3 - 2 2 2 7 ; Krause, W.F.J. Ladendiebstahl und Zurechnungsfähigkeit, MschrKrim. 1963 49—73; Lange Die Bedeutung der Tiefenpsychologie und der N a r k o a n a l y s e . . . , DZGerMed. 41 (1952) 64—76; ders. Der kriminologische Standpunkt, Hdb. Neur. Psych. 5 (1961) 404—454; Langelüddeke Gerichtliche Psychiatrie, 2. Aufl. (1959); ders. und Bresser Gerichtliche Psychiatrie, 4. Aufl. (1976) („zitiert Bresser Gerichtl. Psychiatrie"); Leferenz Die rechtsphilosophischen Grundlagen des § 51 StGB, Der Nervenarzt 19 (1948) 364—372; ders. und Rauch Über die Begutachtung der Zurechnungsfähigkeit, Kurt Schneider-Festschr. (1947) S. 239—249; Lenckner Strafe, Schuld und Schuldfähigkeit, Hdb. for. Psychiatrie 1 3—286; Lindenberg Hirnverletzung und Kriminalität, JR 1950 393—396; v. Liszt Die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit, v. Liszt Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge 2 (1905) S. 214—229; Loose Philosophische Aspekte der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit und ihre Bedeutung für eine wirksame Strafrechtsprechung, Staat und Recht 1966 1172— 1181 ; Lubbers Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit von Carpzow bis zur Gegenwart (1938) ( = StrafrAbh. 385); Mergen Krankheit und Kriminalität, Münchener medizinische Wochenschrift 110 (1968) 1869—1873; ders. Strafrechtsnorm, Schuld und soziale Wirklichkeit, Lange-Festschr. S. 627—637; Mezger Kriminalpsychologische Probleme im Strafrecht (1943); ders. Der § 51 StGB und der Strafrichter, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) 71—83; ders. Persönlichkeit und strafrechtliche Zurechnung (1926); ders. Probleme der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit (1949) („zitiert Mezger Probleme"); ders. Das Typenproblem in Kriminologie und Strafrecht (1955); ders. Das Verstehen als Grundlage der Zurechnung (1951); ders. Zurechnungsfähigkeit, R. v. Frank-Festschr. 1 (1930) S. 519—538; Möller Methodische Grundprobleme der Psychiatrie (1976); Moser Psychoanalyse und Justiz, ZRP 1971 106—111; Müller-Dietz Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967); Oehler Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher. Das Verhältnis von § 3 J G G und § 51 StGB, Münchener medizinische Wochenschrift 107 (1965) 174—175; Osterhaus Forensische Bedeutung von Medikamenten im Straßenverkehr, Blutalkohol 2 (1963/64) 395—414; Peter Die psychiatrische Begutachtung von Motorfahrzeugführern (1960); Ponsold Zurechnungsfähigkeit bei Verkehrsdelikten, PonsoldLb^ S. 274—276; Schaffstein Die Jugendzurechnungsunfahigkeit in ihrem Verhältnis zur allgemeinen Zurechnungsfähigkeit, ZStW 77 [1965] 191—208; Schipkowensky Epilepsie und Zurechnungsfähigkeit, MschrKrim. 1963 241—250; ders. Schwachsinn und Verbrechen (1962); Schneider, Kurt Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, 4. Aufl. (1961); ders. Klinische Psychopathologie, 6. Aufl. (1962); ders. Die psychopathischen Persönlichkeiten, 9. Aufl. (1950); Schulte, Walter Kriminalität aus psychiatrischer Sicht, Verbrechen — Schuld oder (3)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

Schicksal? (1969) S. 142—157; Schwalm Die strafrechtliche Regelung der Zurechnungsfähigkeit, Vorträge im Landeskriminalpolizeiamt Niedersachsen 3 (1966) 16—36; Schwenk Freispruch Unschuldiger wegen Zurechnungsunfähigkeit, NJW 1964 1455—1458; Sieverts Einige Bemerkungen zur strafrechtlichen Verantwortung, Zur Strafrechtsreform (1968) ( = Beiträge zur Sexualforschung 43) S. 113—118; Staak und Schewe Die Beurteilung der strafrechlichen Verantwortlichkeit als medizinisch-juristisches Grenzproblem, Der medizinische Sachverständige 1971 61—69; Strotzka Schuld und Strafe in sozialpsychiatrischer Sicht, Berliner Ärzteblatt 79 (1966) 683—686; Stumpft Der forensische Standpunkt, Hdb. Neur. Psych. 5(1960) 367—403; ders. Kriminologie und Psychiatrie, Psychiatrie und Gesellschaft (1958) S. 243— 250; ders. Motiv und Schuld (1961); Thomae Bewußtsein, Persönlichkeit und Schuld, MschrKrim. 1961 114—121; Tumlirz Der § 51 StGB in psychologischer Sicht, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) 88—101 ; Undeutsch Die Entwicklung der gerichtspsychologischen Gutachtertätigkeit (1954); Wanner Schizophrenie und Kriminalität, MschrKrim. 1954 1—33; v. Winterfeld Hirnverletzte im Strafrecht, NJW 1951 781—783; Witter Die Beurteilung Erwachsener im Strafrecht, Hdb. for. Psychiatrie 2 966—1094; Würtenberger Zur Problematik der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit, JZ 1954 209—213; Wyrsch Gerichtliche Psychiatrie, 2. Aufl. (1955); Zech Einführung in Erscheinungsformen und Behandlung geistig-seelischer Störungen sowie ihre forensische Beurteilung, Vorträge im Landeskriminalpolizeiamt Niedersachsen 2 (1965) 45—53. B. Zum Freiheitsproblem von Baeyer Die Freiheitsfrage in der forensischen Psychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Entschädigungsneurosen, Der Nervenarzt 28 (1957) 337—343; Bockelmann Erwiderung auf den Beitrag Schörcher, ZStW 77 [1965] 253—261; ders. Schuld, Schicksal und Verantwortung, Freiheit und Determination (1966) S. 89—120; ders. Willensfreiheit und Zurechnungsfähigkeit, ZStW 75 [1963] 372—392; Danner Die Determiniertheit des Wollens, Konsequenzen für Erziehung und Kriminalprophylaxe, H. v. Hentig-Festschr. S. 97—132; ders. Gibt es einen freien Willen? (1967) ( = Kriminologische Schriftenreihe 24) (dazu Engisch Literaturbericht, ZStW 87 [1975] 297, 319); ders. Zum Problem der Kriminalstrafe aus deterministischer Sicht, Kriminalistik 22 (1968) 63—66 und 125—128; Delpos Selbstbestimmung und Wahlfreiheit des Straftäters, ZblJugR 1976 2 9 - 3 0 (zu Dannerebendort 1975 3 2 1 - 3 2 6 ) ; Graf zu Dohna Ein unausrottbares Mißverständnis, ZStW 66 [1954] 505—514; Engisch Um die Charakterschuld, MschrKrim. 1967 108—122; ders. Die Lehre von der Willensfreiheit in der strafrechtsphilosophischen Doktrin der Gegenwart, 2. Aufl. (1965); Haddenbrock Freiheit und Unfreiheit der Menschen im Aspekt der forensischen Psychiatrie, JZ 1969 121 — 127; ders. Die Unbestimmtheitsrelation von Freiheit und Unfreiheit als methodologischer Grenzbegriff der forensischen Psychiatrie, Der Nervenarzt 32 (1961) 145—152; Hannibal Willensfreiheit und Verantwortlichkeit, Der Nervenarzt 34 (1963) 124—125; Hardwig Rechtsform, freier Wille, Schuld, MschrKrim. 1973 2 8 8 - 2 9 9 ; Keller, Wilhelm Freiheit, Wille und Schuld, Der Nervernarzt 33 (1962) 97—106; ders. Das Problem der Willensfreiheit, Hdb. Neur. Psych. 5 (1960) 541—587; Mangakis Über das Verhältnis von Strafrechtsschuld und Willensfreiheit, ZStW 75 [1963] 499—540; Mezger Über Willensfreiheit, Sitzungsberichte der Bay. Akad. d. Wiss. Jg. 1944/46, 9 (1947); Neufelder Schuldbegriff und Verfassung, GA 1974 2 8 9 - 3 0 7 ; Nowakowski Freiheit, Schuld, Vergeltung, Th. Rittler-Festschr. (1957) S. 55—88; Rensch Problematik des freien Willens in biologisch-philosophischer Sicht, DZGerMed. 55 (1964) 3—4; Roxi η Kriminalpolitische Überlegungen zum Schuldprinzip, MschrKrim. 1973 316—325; Schafer Zum Problem des freien Willens in der Kriminologie, MschrKrim. 1976 69—77; Schewe Rechtsdogmatische und forensisch-psychiatrische Aspekte des Willensproblems, DZGerMed. 62 (1968) 124—129; ders. „Subjektiver Tatbestand" und Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, Lange-Festschr. S. 687—701; Schörcher Gegen die vergeltende Übelszufügung des deutschen Schuldstrafrechts, MschrKrim. 1967 260—263; ders. Zum Streit um die Willensfreiheit, ZStW 77 [1965] 2 4 0 - 2 5 2 ; Welzel Persönlichkeit und Schuld, ZStW 60 [1940] 4 2 8 - 4 7 4 ; Witter Determinationsstruktur und Freiheitsgrad bei der rechtlichen Beurteilung von Neurosen, Der Nervenarzt 30 (1959) 221—224; ders. Psychologie, anthropologische Psychiatrie und forensische Freiheitsfrage, NJW 1959 1573—1574; ders. Psychopathologie, Krankheitsbegriff und forensische Freiheitsfrage, Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 288—303. (4)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§ 2 1

C. Gründe der Schuldunfähigkeit in der Beeck und Wuttke Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit eines noch nicht erwachsenen „Erwachsenen", N J W 1973 2245—2246; Binder Zur Diagnostik des schuldausschließenden bzw. schuldvermindernden Affekts bei kurzschlüssigen Tötungsdelikten, MschrKrim. 1974 159—164; de Boor Bewußtsein u n d Bewußtseinsstörungen (1966) („zitiert de Boor Bewußtsein"); ders. Über ein weiteres Kriterium zur forensischen Beurteilung von Affekttätern, Hallermann-Festschr. (1966) S. 14—21; Bresser u n d Fotakis Sogenannte Primitivreaktionen u n d ihre Beurteilung, ZStW 79 [1967] 449—475; Brickenstein Zur strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit und weiteren Dienstfähigkeit straffällig gewordener Soldaten, Der Nervenarzt 36 (1965) 32—39; Cabanis Beitrag zur Frage einer Beeinflussung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durch organische Ursachen, MschrKrim. 1962 19 — 23; ders. und Bayreuther Forensisch-psychiatrische Beurteilung u n d Psychopathologie der Narkolepsie, D Z G e r M e d . 56 (1965) 392—410; Dietrich Sucht u n d Haschisch — aus der Sicht des Psychiaters, Münchener medizinische Wochenschrift 1971 109—116; Ehrhardt Zur Problematik der forensischen Beurteilung von Affekthandlung unter Alkoholeinfluß, Richter und Arzt (1956) S. 59—65; ders. Rauschgiftsucht, PonsoldLb. S. 116—136; ders. Zum Stand der Diskussion über die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Bürger-Prinz-Festschr. (1968) S. 259—293; Eisen Krankhafte Störung der Geistestätigkeit in psychiatrisch-forensischer Einteilung u n d Begutachtung nach § 51 StGB, Der medizinische Sachverständige 56 (1960) 204—205; Ernst Sexualverbrechen in psychiatrischer Sicht, Kriminalistik 1968 242—245 und 365—367; Ewald Beitrag zur forensischen Beurteilung von Delikten in abnormen Schlafzuständen, Der Nervenarzt 38 (1967) 371—373; Feldmann Zur Beurteilung der Täterpersönlichkeit im Hinblick auf die qualifizierenden Merkmale des Mordes, MschrKrim. 1966 204—211; Geilen Zur Problematik des schuldausschließenden Affekts, Maurach-Festschr. S. 173—195; Gerson Ein Beitrag zur „Bewußtseinsstörung durch hochgradigen Affekt", MschrKrim. 1966 215—219; Grüner und Schewe Über Fahrlässigkeit u n d Zurechnungsfähigkeit bei toxisch beeinflußten Tätern, D Z G e r M e d . 57(1966) 111 — 112; Hadamik Über die Bewußtseinsstörung bei Affektverbrechern, MschrKrim. 1953 11—21; ders. Leidenschaft und Schuld (mit Erwiderung zu Oehler G A 1956 1—6), G A 1957 101 — 108; Haddenbrock Medizinisch-psychiatrisches oder (und) psychologisches Kriterium der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit (Schuldfähigkeit), Psychologische Rundschau 17 (1966) 1 — 12; Hallermann Uber Aggression u n d Affekt, Kriminologische Aktualität 5 (1971) 33—40; Heinitz Der Überzeugungstäter im Strafrecht, ZStW 78 [1966] 615—637; Heiss Die Bedeutung der nicht krankhaften Bewußtseinsstörungen u n d der seelischen Ausnahmezustände für die Zurechnungsfähigkeit aus der Sicht des Psychologen, Gerichtliche Psychologie (1962) S. 223—243; HiobZur Typologie des Brandstifters, MschrKrim. 1970 110—123; Huszär Die gerichtspsychiatrische Bedeutung der behandelten progressiven Paralyse, Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 18 (1966) 227—230; Jescheck Die Bedeutung nicht krankhafter Bewußtseinsstörungen und seelischer Ausnahmeerscheinungen für die Zurechnungsfähigkeit aus der Sicht des Juristen, Gerichtliche Psychologie (1962) S. 208—222; Kretschmer Medizinische Psychologie, 12. Aufl. (1963); Krümpelmann Motivation u n d H a n d l u n g im Affekt, Welzel-Festschr. S. 327—341; Lenz Die forensische Bedeutung von Bewußtseinsstörungen, MschrKrim. 1975 267—272; Lindinger Ein Beitrag zur Beurteilung der Straftaten Schizophrener, Der Nervenarzt 34 (1963) 107—113; Mezger und Mikorey Affekt u n d Zurechnungsfähigkeit, MschrKrim. Biol. 1938 444—476; Mürbe und Schmidt Einige Probleme der Schuld im Strafrecht, Neue Justiz 19 (1965) 6 0 6 - 6 1 0 ; Noll Der Überzeugungstäter im Strafrecht, ZStW 78 [1966] 638—662; Oehler Zum Eintritt eines hochgradigen Affekts während der Ausführungshandlung, G A 1956 1—6; Ponsold Alkohol u n d Zurechnungsfähigkeit, PonsoldLb. S. 252—258; Rasch Schuldfähigkeit, PonsoldLb. S. 55—89; ders. u n d Petersen Kriminalität innerhalb endogen-phasischer Depressionen, MschrKrim. 1965 187—197; Rauch Begutachtung der Zurechnungsfähigkeit bei nicht krankhaften Bewußtseinsstörungen, Der medizinische Sachverständige 56 (1960) 199 — 203; Reckel Die Stellung von Affektvarianten in der forensisch-psychiatrischen Begutachtung, Der medizinische Sachverständige 1970 181 — 187; Rößmann Über den psychologischen Vorgang bei Affekthandlungen, Neue Polizei 1966 252—254; Roestel Über zwei straffällige jugendliche Diabetiker, MschrKrim. 1966 219—222; Scharfetter Neuere Forschungen auf dem Gebiet der

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§ 2 1

2. Abschnitt. Die Tat

Affektpsychosen, besonders der Depressionen, Deutsche medizinische Wochenschrift 1971 432—435; Schewe Zumutbarkeit und Zurechnungsfähigkeit, Hallermann-Festschr. (1966) S. 7 6 - 8 8 ; Schlüter Affekt und § 51 StGB aus psychiatrischer Sicht, NJW 1971 1070-1072; ders. Die Problematik des § 42 b StGB in seiner Verbindung mit § 51 Abs. 2 StGB aus der Sicht eines Anstaltspsychiaters, NJW 1968 2276—2277; Schmidt, Andreas Probleme der Kriminalität geisteskranker Täter (1970) ( = Kriminologische Forschungen 8); Schmidt, Hans Dieter Die Frage der psychologischen Kriterien für die Beurteilung der Schuldfähigkeit, Psychologische Rundschau 17 (1966) 80—90; Schulte. Walter Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Epileptikers im Anfallsintervall, Der Nervenarzt 28 (1957) 167—170; Seibert Affektive Einengung des Bewußtseins und § 51 StGB, NJW 1966 1847—1849; Spiegel Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen, DAR 1968 283—293; Steigleder Gewalttaten unter protrahiertem Affekt, DZGerMed. 59 (1967) 141 — 148; Strunk Anwendung des § 105 J G G bei einem 33jährigen Angeklagten? MschrKrim. 1968 135—136; Stutte Das Blutzuckermangel-Syndrom in seiner forensischen Bedeutung, MschrKrim. 1965 67—88; ders. Die Psychopathologie hypoglykämischer Zustandsbilder in bezug auf ihre rechtlichen Auswirkungen, Fortschritte der Medizin 84 (1966) 450—452; Täschner und Wanke Zurechnungsfähigkeit bei Drogenkonsumenten, MschrKrim. 1974 151 — 158; Tat, Täter, Zurechnungsfähigkeit (1965); Thomae Bewußtsein, Persönlichkeit und Schuld, MschrKrim. 1961 114—121; ders. und H. D. Schmidt Psychologische Aspekte der Schuldfähigkeit (im Sinne des § 51 StGB bzw. 24, 25 E 1962), Hdb. der Psychologie 11 (1967) 3 2 6 - 3 9 6 ; Undeutsch Forensische Psychologie (dort: Affekt), Handwörterbuch der Kriminologie, 2. Aufl. (1966) S. 219—227; ders. Zurechnungsfähigkeit bei Bewußtseinsstörung, P o n s o l d L b / S. 130—145; Walder Der Affekt und seine Bedeutung im schweizerischen Strafrecht, SchwZStr. 81 (1965) 24—67; Witter Affekt und Schuldunfähigkeit, MschrKrim. 1960 20—31 ; ders. Affekt und strafrechtliche Verantwortlichkeit, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 5 (1962) 89—97; ders. und Luthe Die strafrechtliche Verantwortlichkeit beim erweiterten Suizid, MschrKrim. 1966 97—113; Wyrsch Über „schwere Bewußtseinsstörung" (Art. 10 StGB) und „in seinem Bewußtsein beeinträchtigt" (Art. 11 StGB), SchwZStr. 84 (1968) 113—148; Zech Die Kriminalität der ManischDepressiven und ihre forensische Begutachtung, Der medizinische Sachverständige 55 (1959) 1-8.

D. Insbesondere: Der Krankheitsbegriff Haddenbrock Zur Frage eines theoretischen oder pragmatischen Krankheitsbegriffs bei Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, MschrKrim. 1955 183—192; ders. Die psychopathologische Diagnose und ihre normative Bewertung, Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 278—287; Lange Der juristische Krankheitsbegriff, Die Zurechnungsfähigkeit bei Sittlichkeitsstraftätern (1963) ( = Beiträge zur Sexualforschung 28) S. 1—20; ders. Krankheitsbegriff und Zurechnungsfähigkeit, DZGerMed. 55 (1964) 15—30; Ohm Die normativen Grundlagen des zum Wesen der Unzurechnungsfähigkeit gehörenden Krankheitsbegriffes, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 193 (1955) 474—491; Rauch und Leferenz Einige Bemerkungen zur Abhandlung von Haddenbrock (MschrKrim. 1955 183—192) und Erwiderung von Haddenbrock, MschrKrim. 1956 182—192; Schneider, Kurt Klinische Psychopathologie, 6. Aufl. (1962) S. 6—10; Witter Die Bedeutung des psychiatrischen Krankheitsbegriffs für das Strafrecht, Lange-Festschr. S. 723—735; ders. Psychopathologie, Krankheitsbegriff und forensische Freiheitsfrage, Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 288—303. E. Triebabweichungen Bürger-Prinz und Rasch Krankhafte sexuelle Verhaltensweisen, Die Zurechnungsfähigkeit bei Sittlichkeitsstraftätern (1963) ( = Beiträge zur Sexualforschung 28) S. 21—31; Dallinger Aus der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen [betr. XXY-Chromosome], MDR 1971 185—187; Giese Die fachärztliche Behandlung von Sexualdelinquenten, MschrKrim. 1958 219—225; ders. Zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit homosexueller Handlungen, Der medizinische Sachverständige 54 (1958) 266—267; ders. Homosexuelle Fehlhaltungen und Perversionen, Die Zurechnungsfähigkeit bei Sittlichkeitsstraftätern (1963) ( = Beino

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

träge zur Sexualforschung 28) S. 32—41; Haddenbrock Das psychiatrische Gutachten zur Beurteilung der Schuldfähigkeit von Triebtätern mit besonderer Berücksichtigung der Pädophilie, Die Pädophilie und ihre strafrechtliche Problematik (1965) ( = Beiträge zur Sexualforschung 34) 2 56—68; Hirschmann Die biologisch bedingten Triebabweichungen und ihre forensischen Auswirkungen, Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre 34 (1957/58) 417—436; Huber, G. Zur forensisch-psychiatrischen Beurteilung pädophiler Sexualdelinquenten, Die Pädophilie und ihre strafrechtliche Problematik (1965) ( = Beiträge zur Sexualforschung 34) 2 42—55; Klimmer Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für homosexuelle Handlungen, Der medizinische Sachverständige 54 (1958) 210—216; Magyar und Szabó Kriminalpsychiatrische Beurteilung sexueller Aberrationen, ArchKrim. 156 (1975) 85—94; Mezger Die biologisch bedingten Triebabweichungen und ihre strafrechtliche Beurteilung, Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre 34 (1957/58) 437—443; Rommeney Zur Sexualkriminalität der männlichen Rückbildungsjahre, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) 57—70; Schwarz, Hanns Sexualdelikte in forensisch-psychiatrischer Sicht, Die Begutachtung und Behandlung erwachsener und jugendlicher Täter (1966) S. 145—160; Stutte Kriminelle Entgleisungen unter Sexualhormon-Wirkung, MschrKrim. 1967 153 — 162; Wyrsch Die sexuellen Perversionen und die psychiatrisch-forensische Bedeutung der Sittlichkeitsdelikte, Psychiatrie der Gegenwart 3 (1961) 351—396. F. Psychopathien und Neurosen von Baeyer Diskussionsbemerkung zur Frage der Beurteilung der Schuldfähigkeit psychopathisch-neurotischer Rechtsbrecher, Der Nervenarzt 32 (1961) 225—227; ders. Erwiderung auf die Diskussionsbeiträge von Haddenbrock (Der Nervenarzt 38 [1967] 466—468) und Gottschick (ebendort 468), Der Nervenarzt 39 (1968) 178—179; ders. Zur Frage der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit von Psychopathen, Der Nervenarzt 38 (1967) 185—192; ders. Neurose, Psychotherapie und Gesetzgebung, Hdb. Neur. Psych. 1 (1959) 627—690; Binder Die psychopathischen Dauerzustände und die abnormen seelischen Reaktionen und Entwicklungen, Psychiatrie der Gegenwart 2 (1960)'180—202; Bittner Zum Problem der sogenannten Pseudopsychopathien, MschrKrim. 1968 115—123; Dänzer-Vanotti Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit von Psychopathen, Die medizinische Welt 1962 1415—1420 und 1446—1451; Dukor Die Zurechnungsfähigkeit der Psychopathen, SchwZStr. 66 (1951) 418—439; Ehrhardt Zur Frage der strafrechtlichen Behandlung von Psychopathen, MschrKrim. 1963 272—276; Gottschick Zur Frage der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit von Psychopathen (zu von Baeyer Der Nervenarzt 38 [1967] 185—192), Der Nervenarzt 38 (1967) 468; Gruhle Die Zurechnungsfähigkeit der Psychopathen, PonsoldLb. 2 S. 146—160; Haddenbrock Zur Frage der Verantwortungsfähigkeit auch „schwerer" Psychopathen (zu v. Baeyer Der Nervenarzt 38 [1967] 185-192), Der Nervenarzt 38 (1967) 466—468; ders. Zum Problemkreis Schuldfähigkeit, „Steuerungsfähigkeit" und Gefährlichkeit psychopathischer Persönlichkeiten, MschrKrim. 1965 89—91; Hafner Psychopathen (1961); Hallermann Die gerichtsmedizinische Beurteilung der Persönlichkeitseigenheiten des Querulanten, DZGerMed. 57 (1966) 85—90; ders. Über den Wandel des Psychopathiebegriffes, DZGerMed. 51 (1961) 588—594; Kranz Abgrenzung gegenüber Psychopathie und Psychose, Hdb. Neur. Psych. 1 (1959) 263—296; Leferenz Die Anwendbarkeit des § 51 StGB auf die kriminellen Psychopathen, SJZ 1949 Sp. 251—254; Müller-Suur Zur Frage der strafrechtlichen Beurteilung von Neurosen, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 194 (1955/56) 368—382; Petrilowitsch Abnorme Persönlichkeiten (1960); ders. und Baer Psychopathie 1945—1966, Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie und ihrer Grenzgebiete 1967 558—606 und 617—649, dort insbes. 621—626; Phillip und Wilschke Beiträge zur neurotisch bedingten Delinquenz, MschrKrim. 1966 212—215; Schneider, Kurt Die psychopathischen Persönlichkeiten, 9. Aufl. (1950); Schultz, J. H. Grenzgebiete der ärztlichen Psychotherapie. Vortrag auf der 4. Lindauer Psychotherapiewoche 1953; ders. Grundfragen der Neurosenlehre (1955); ders. Medizinische Psychologie, Psychotherapie 1956 21—41; Steigleder Kritische Bemerkungen zum Begriff der Psychopathie, DZGerMed. 57 (1966) 90—99; ders. Mörder und Totschläger, Die forensisch-medizinische Beurteilung von nicht geisteskranken Tätern als psychopathologisches Problem (1968); Stumpft Zur Psychopathologie und Dynamik destruktiver Tropismen, (7)

§ 2 1

2. Abschnitt. Die Tat

Lange-Festschr. S. 737—741; Veldenz und Geisler Psychopathie und Querulantentum, Die Kriminologie in der Praxis (1966) ( = Kriminologische Schriftenreihe 22) S. 141 — 145; Waider Zur strafrechtlichen Beurteilung psychopathischer Personen, G A 1967 193—199; Weber, W. Die strafrechtliche Beurteilung abnormer (psychopathischer) Personen nach geltendem Recht und de lege ferenda, Diss. Köln 1965; Weigand Hilfsbereitschaft für schwache Mitbürger psychopathisch oder kriminell? (zu v. Baeyer Der Nervenarzt 38 [1967] 185—192), Der Nervenarzt 40 (1969) 325—326; Witter Determinationsstruktur und Freiheitsgrad bei der rechtlichen Beurteilung von Neurosen, Der Nervenarzt 30 (1959) 221—224; ders. Zur medizinischen und rechtlichen Beurteilung von Neurosen, N J W 1964 1166—1172; Wyrsch Über psychische Norm und ihre Beziehung zur Urteils- und Zurechnungsfähigkeit, SchwZStr. 73 (1958) 382-400. G. Verminderte Schuld Aschaffenburg Zur Frage: Verminderte Zurechnungsfähigkeit, Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben 5 (1929) 242—252; in der Beeck Praktische Psychiatrie (1957); Binder Über die Behandlung der vermindert zurechnungsfähigen Delinquenten (1945); Gschwind Die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in ihrer Bedeutung für den Betroffenen, ZStW 88 [1976] 66—67; Mergen Zum Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 StGB, G A 1955 193—203; Schweling Die Strafmilderung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit, M D R 1971 9 7 1 - 9 7 3 ; Spendei § 51 Abs. 2 StGB u n d das Problem der Strafzumessung, N J W 1956 775—777; Wilmanns Die sogenannte verminderte Zurechnungsfähigkeit als zentrales Problem der Entwürfe zu einem deutschen Strafgesetzbuch (1927).

H. Actio libera in causa und § 330 a, Irrtumsfragen Arbab-Zadeh Forensische und kriminologische Aspekte der modernen Psychopharmaka, Kriminalistik 21 (1967) 355—359; ders. Verhältnis der Blutalkoholkonzentration zur Schuldfähigkeit, Kriminalistik 19 (1965) 502—505; Breitenecker und Kaiser Bewußtseinsstörungen durch Alkohol, Lebensversicherungsmedizin 1970 88—92; Bruns Zur neuesten Rechtsprechung über die Strafbarkeit der Volltrunkenheit, J Z 1958 105—111 ; Cramer Der Vollrauschtatbestand als abstraktes Gefährdungsdelikt (1962); Derwort Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Rauschtäters, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 6 (1964) 70—82; Dreher Verbotsirrtum u n d § 51 StGB, G A 1957 97—100; Flück Alkoholrausch und Zurechnungsfähigkeit (1968); Gaisbauer Die Bedeutung der Bewußtlosigkeit für die Umsatzgeschwindigkeit des Alkohols u n d die Rückrechnung in der verkehrsrechtlichen Praxis, N J W 1968 1 H i l l 72; ders. Zur Frage der kombinierten Medikament-Alkohol-Wirkung und Zurechnungsfähigkeit, Kraftfahrt und Verkehrsrecht (1967) S. 342—346; ders. Zusammenwirken von Alkohol und Übermüdung in der verkehrsrechtlichen Praxis, N J W 1968 191 — 192; Gerchow Medizinisch-forensische Probleme bei der Beurteilung der Fahrtüchtigkeit unter Berücksichtigung dispositioneller Einflüsse (Alkohol, Medikamente, Ermüdung), Der Nervenarzt 38 (1967) 192—199; Hallermann u n d Steigleder Alkohol u n d Strafrecht, MschrKrim. 1968 1 0 4 - 1 1 5 ; Horn Actio libera in causa — eine notwendige, eine zulässige Rechtsfigur? G A 1969 289— 306; Hruschka Der Begriff der actio libera in causa und die Begründung ihrer Strafbarkeit — BGH St. 21 381, JuS 1968 554—559; Iränyi Die gerichtsärztliche Beurteilung des pathologischen Rausches, Psychiatrie, Neurologie u n d medizinische Psychologie 18 (1966) 267—270; Kaufmann, Armin Die Schuldfähigkeit u n d Verbotsirrtum, Eb. Schmidt-Festschr. S. 319—332; Kaufmann, Arthur Unrecht und Schuld beim Delikt der Volltrunkenheit, K a u f m a n n , Arthur Schuld u n d Strafe (1966) S. 264—291 ; Krause, Fr. W. Betrachtungen zur actio libera in causa, insbesondere in der Form vorsätzlicher Begehung, H. Mayer-Festschr. S. 305—316; Leopold und E. Müller Forensische Betrachtungen zur abnormen Alkoholverträglichkeit, Blutalkohol 5 (1968) 243 — 247; Maurach Fragen der actio libera in causa, JuS 1961 373 — 382; Mezger und Mikorey Volltrunkenheit u n d Rauschtat gemäß § 330 a StGB, MschrKrimPsych. 27 (1936) 410—430; Puppe Die Norm des Vollrauschtatbestandes, G A 1974 98—115; Rasch Qualität und Erlebnistönung forensisch relevanter Rauschzustände, Blutalkohol 3 (1965/66) 583—590; Roeder Das Schuld- und Irrtumsproblem beim Vollrausch, Th. Rittler-Festschr. (1957) IM

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§ 2 1

S. 211—242; Schewe Juristische Probleme des § 330 a StGB aus der Sicht des Sachverständigen, Blutalkohol 1976 87—99; Schneider, Alfred Zurechnungsfähigkeit und Promille, Blutalkohol 3 (1965/66) 1 6 5 - 1 6 8 ; Schneidewin Vollrausch und Wahlfeststellung, JZ 1957 3 2 4 327; Schröder, H. Verbotsirrtum, Zurechnungsfähigkeit, actio libera in causa, GA 1957 297— 304; Schwarz, Otto Rauschtat und Wahlschuldfeststellung, NJW 1957 401—402; Schwinghammer Die Rechtsfigur der actio libera in causa und ihr Anwendungsbereich über den Rahmen des § 51 StGB hinaus, Diss. München 1966; Weber, H. v. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Rauschtat, Stock-Festschr. (1966) S. 5 9 - 7 4 . J. Verfahren, Sachverständige Arbab-Zadeh Medizin und Recht. Ein Beitrag zum Sachverständigenproblem im Strafprozeß, Medizinische Klinik 1972 346—350; Arnau An den Rand eines psychiatrischen Gutachtens geschrieben, Berliner Ärzteblatt 1972 110—118; Blau Der Strafrechtler und der psychologische Sachverständige, ZStW 78 [1966] 153—183, insbes. 169 ff; Biomeyer Zur zivilrechtlichen Haftung des gerichtlichen Sachverständigen, ZRP 1974 214—221 ; Bockelmann Strafrichter und psychologischer Sachverständiger, GA 1955 321—335; Bresser Die Ermittlung des subjektiven Tatbestands, Lange-Festschr. S. 665—685; ders. Der Psychologe und § 51 StGB, NJW 1958 248—250; ders. Der Sachverständige und das Bundeszentralregistergesetz, NJW 1973 537—540; Cabanis Psychologe und Psychiater, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 29 (1972) 56—59; Ehrhardt Zur Frage des forensischen Beweiswertes kriminologisch-psychiatrischer Aussagen, MschrKrim. 1967 233—239; Fischer, P.-A. Probleme des Sachverständigengutachtens bei der Pädophilie, Die Pädophilie und ihre strafrechtliche Problematik (1965) ( = Beiträge zur Sexualforschung 34) 2 30—41; Geller Berechtigte Kritik am Sachverständigen? MschrKrim. 1967 251—259; Haddenbrock Die juristisch-psychiatrische Kompetenzgrenze bei Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit im Lichte der neueren Rechtsprechung, ZStW 75 [1963] 460—477; ders. Methodologische Überlegungen über die Zuständigkeit psychiatrischer und psychologischer Sachverständiger im Strafprozeß unter Berücks. des 1. u. 2. StrRG, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 29 (1972) 17—25; ders. Der Psychiater im Strafprozeß, DRiZ 1974 37—41 ; Heinitz Richter und medizinischer Sachverständiger im neuen Strafrecht, Münchener medizinische Wochenschrift 1970 736—740; Jessnitzer Juristen und Mediziner — Verständigungsschwierigkeiten, Blutalkohol 1974 65—79; Kahnt Gerichtsmedizinische Gutachterprobleme . . . , NJW 1971 1868—1870; Kamcke Der medizinische Gutachter als Gehilfe des Richters, Berliner Ärzteblatt 77 (1964) 633— 643; Kohlhaas Zweifelsfragen zur Anwendung des § 51 StGB aus der Sicht des Sachverständigen, Der medizinische Sachverständige 56 (1960) 121 — 124; Krauß Der psychiatrische und psychologische Sachverständige im Strafverfahren, Kriminologie und Strafverfahren (1976) S. 87—98; Lange Ist die Anwendung von Narkoanalyse im Strafverfahren zulässig? DZGerMed 43 (1954/55) 552—561 ; Leferenz Richter und Sachverständiger, Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 5 (1962) 1 — 11; Luthe Bemerkungen zur „Krise der Begutachtung", NJW 1975 1446—1450; Maisch Methodische Aspekte-psychologisch-psychiatrischer Täterbegutachtung . . . , MschrKrim. 1973 189— 198; Mayer, Hellmuth Der Sachverständige im Strafprozeß, Mezger-Festschr. S. 455— 476; Mezger Der psychiatrische Sachverständige im Prozeß (1918); Müller-Luckmann Der Psychologe als Gutachter. Abgrenzung zu den Aufgaben des Psychiaters, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 29 (1972) 26—32; Oehler Der Sachverständige als Richter, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 29 (1972) 33—41; Peters, Karl Persönlichkeitsbegutachtung und Sachverständiger unter dem Blickwinkel der in der BRD durchgeführten Wiederaufnahmeverfahren, Beiträge zur gerichtlichen Medizin 29 (1972) 1 — 13; ders. Die prozeßrechtliche Stellung des psychologischen Sachverständigen, Hdb. der Psychologie 11 (1967) 768—800; Rasch Normen und Maßstäbe für die Beurteilung der Täterpersönlichkeit, Der medizinische Sachverständige 61 (1965) 271—279; Rauch Wer ist psychiatrischer Sachverständiger? DRiZ 1955 2 9 1 - 2 9 2 ; Rom Die Bedeutung des psychiatrischen Gutachtens im schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1953; Schlüter Affekt und § 5 1 StGB aus psychiatrischer Sicht, NJW 1971 1 0 7 0 - 1 0 7 2 ; Schmidt, Eb. Richter und Sachverständiger in ihrem Zusammenwirken bei kriminologischen Problemen, Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 258—273; Undeutsch Zur Problematik des psychologischen Sachverständigen, Lange-Festschr. S. 703—721; Weinack Zum nervenärztlichen Ol

§ 2 1

2. Abschnitt. Die Tat

Gutachten im Strafverfahren, Diss. H a m b u r g 1965; Wimmer Parapsychologen als Sachverständige? N J W 1976 1 1 3 1 - 1 1 3 3 ; Wyrsch Der Psychiater im Strafverfahren, SchwZStr. 76 (1960)233-250. K. Schuldfähigkeit und Strafrechtsreform Baumann Der Schuldgedanke im heutigen deutschen Strafrecht und vom Sinn staatlichen Strafens, Baumann Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform (1965) S. 135—157; de Boor Bewußtsein u n d Bewußtseinsstörungen. Ein zweiter Beitrag zur Strafrechtsreform (1966) („zitiert de Boor Bewußtsein"); ders. Über motivisch unklare Delikte (1959); Busse Unklare Doppelregelung des Verbotsirrtums im 2. StrRG, M D R 1971 985; Cabanis Strafrechtsreform u n d Psychiatrie, Münchener medizinische Wochenschrift 1970 731—736; Ehrhardt Schuldfähigkeitsbestimmung u n d Maßregelrecht nach dem Strafgesetzentwurf 1960 in psychiatrischer Sicht, Strafrechtspflege u n d Strafrechtsreform (1961) S. 147—158; ders. Zum Stand der Diskussion über die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Bürger-Prinz-Festschr. (1968) S. 259—293; ders. Strafrechtsreform, Begutachtung und Therapie von erwachsenen und jugendlichen Tätern außerhalb der D D R : Deutsche Bundesrepublik, Die Begutachtung und Behandlung erwachsener u n d jugendlicher Täter (1966) S. 233—236; Grebing Die Diskussionsbeiträge der Strafrechtslehrertagung 1975 in Göttingen, ZStW 88 [1976] 162, 165; Gutachten u n d Stellungnahmen zu Fragen der Strafrechtsreform mit ärztlichem Einschlag (1958); Haddenbrock Personale oder soziale Schuldfähigkeit (Verantwortungsfähigkeit) als Grundbegriff der Zurechnungsnorm? MschrKrim. 1968 145—159; Herold Oie verminderte Schuldfähigkeit im Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs, Berliner Ärzteblatt 73 (1960) 640—641; Horstkotte Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über die Strafbemessung (§§ 13—16, 60 StGB), J Z 1970 122—128; Kaufmann, Arthur Dogmatische und kriminalpolitische Aspekte des Schuldgedankens im Strafrecht, J Z 1967 553—560; Kaufmann, Hilde Die Regelung der Zurechnungsunfähigkeit im E 1962, J Z 1967 139—144; Krümpelmann Die Neugestaltung der Vorschriften über die Schuldfähigkeit durch das 2. Strafrechtsreformgesetz v. 4. 7. 1969, ZStW 88 [1976] 6—39; Kurz Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit nach neuem Strafrecht, M D R 1975 893—896; Lange Grundfragen der deutschen Strafrechtsreform, SchwZStr. 70 (1955) 3 7 3 - 3 9 7 ; ders. Strafrechtsreform (1972) S. 91 f f ; Leferenz Der Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuchs in kriminologischer Sicht, ZStW 70 [1958] 25—40; ders. Die Neugestaltung der Vorschriften über die Schuldfähigkeit durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. 7. 1969 (Diskussionsbeitrag zu dem Referat von Krümpelmann), ZStW 88 [1976] 40—45; Lekschas Die Grundzüge von Verantwortung u n d Schuld, Die Begutachtung und Behandlung erwachsener u n d jugendlicher Täter (1966) S. 21—27; Meyer, Joachim-Ernst Psychiatrische Diagnosen und ihre Bedeutung für die Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20/21 (Erw. Fassung der Diskussionsbemerkung zum Referat Krümpelmann), ZStW 88 [1976] 46—56; Mueller, Gerhard O. W. Eine amerikanische Stellungn a h m e zum Entwurf eines Strafgesetzbuches E 1960, ZStW 73 [1961] 2 9 7 - 3 3 9 ; Nass Die strafrechtliche Problematik sexueller Tötungsdelikte, Nass Die kriminologische Beurteilung sexueller Tötungsdelikte (1966) ( = Strafrecht, Strafverfahren, Kriminologie 16) S. 90—106; Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 4 (1958) 127—151; 12 (1959) 374—386; Nyirö und Irányi Affektivität und Zurechnungsfähigkeit, Die Begutachtung und Behandlung erwachsener und jugendlicher Täter (1966) S. 65—73 ; Rauch Schuldfähigkeit nach dem Entwurf zum Strafgesetzbuch, N J W 1958 2089—2092; Äosifcop/Schuld u n d Strafe, G e d a n k e n zur Strafrechtsreform, MschrKrim. 1960 65—76; Frhr v. Schlotheim Schuld u n d Strafe, MschrKrim. 1960 220— 223; Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit (§§ 23—25). Anhörung von Sachverständigen (E 62), Sonderausschuß, 4. Wahlperiode, 34. u. 35. Sitzung (1965) S. 635—692; v. Schumann. Das neue deutsche Sittenstrafrecht vom ärztlichpsychologischen und soziologischen Standpunkt, Medizinische Monatsschrift 19 (1965) 354—357; ders. Die Schuldfähigkeit bei Sittlichkeitsdelinquenten vom Standpunkt des Arztes, Der Nervenarzt 36 (1965) 264—268; Schwalm Schuld u n d Schuldfähigkeit im Licht der Strafrechtsreformgesetze . . . , J Z 1970 487—495; ders. Die Schuldfähigkeit nach dem Strafgesetzentwurf 1960, M D R 1960 537—542; Schwarz, Jürgen und Wille § 51 StGB — gestern, heute und morgen, N J W 1971 1061 — 1065; Seelig Zum Problem der Neufassung des §51 StGB. I III)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§ 21

Mezger-Festschr. S. 213—228; S tree Rechtswidrigkeit und Schuld im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 461—471 ; Szewczyk Die Begutachtung der Zurechnungsfähigkeit, Die Begutachtung und Behandlung erwachsener und jugendlicher Täter (1966) S. 29—64; Venzlaff Ist die Restaurierung eines „engen" Krankheitsbegriffs erforderlich, um kriminalpolitische Gefahren abzuwenden? (Erw. Diskussionsbemerkung zum Vortrag von Krümpelmann), ZStW 88 [1976] 5 7 - 6 5 ; v. Winterfeld Die Bewußtseinsstörung im Strafrecht, NJW 1975 2229—2232.

Entstehungsgeschichte In der unmittelbaren Entstehungsgeschichte der §§ 20, 21 war Hauptstreitpunkt die Frage, ob nicht krankhafte seelische Störungen, insbes. Handlungen in hochgradigem Affekt, Triebdelikte, durch Psychopathie oder Neurosen ausgelöste Taten den krankhaften gleichgewertet werden könnten und sollten. Die in BGHSt. 14 30 kumulierende Rechtsprechung (Übersicht bei Schwalm Sonderausschuß, 4. Wahlperiode, 35. Sitzung S. 673 ff) hatte dieses Ergebnis durch extensive Interpretation des Krankheitsbegriffs in §51 a. F. bereits vorweggenommen. In erster Lesung wollte die Große Strafrechtskommission diese Lösung legalisieren. Der von der Bundestagsvorlage 1962 übernommene E 2. Lesung setzte dem auf Grund der Beschlüsse einer Unterkommission der Großen Strafrechtskommission, der u. a. die Psychiater Kurt Schneider, Ernst Kretschmer, Ehrhardt und Villinger angehörten, eine differenzierende Lösung entgegen, die für jene Fallgruppen nur die Möglichkeit der Strafminderung vorsah. Der Sonderausschuß des Bundestages kehrte zur fakultativen Gleichstellung mit krankhafter seelischer Störung zurück; dabei blieb es. Vgl. im einzelnen BT Drucks. V/4095; Prot. 4. Wahlperiode S. 635, 673, 763; Prot. 5. Wahlperiode S. 8, 241, 449, 462, 477, 1736, 1782, 1790, 1860. Dazu ausführlich Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 78 ff, 109 ff. Aus früheren Reformstadien ist § 14 E 1930 hervorzuheben. Er sah bei erheblich verminderter Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit eine obligatorische und nur bei solchen Bewußtseinsstörungen, die auf einem selbstverschuldeten Rauschzustand beruhten, eine fakultative Strafmilderung vor. Interessant ist auch, daß der Gesetzgeber hier zu der Frage, ob der Rausch als krankhafte seelische oder als Bewußtseinsstörung aufzufassen ist, Stellung nahm. Aufschlußreich für zurückliegende Lösungsversuche namentlich Lubbers Strafr.Abh. 385 (1938). Von Interesse ist heute wieder die Darstellung der pragmatischen Ansätze bei Feuerbach und Liszt, der einspurig biologischen oder psychologischen Bestimmungen sowie der frühen, später zeitweise wieder verschütteten Erkenntnis, daß es weder Pyromanie noch Kleptomanie gibt. Daß die letztere auch heute noch in der Praxis angenommen wird, darüber vgl. D. Peters, Richter im Dienste der Macht (1973); dazu Lange, JahrreißFestschr. S. 125 f. Übersicht Rdn.

Rdn. I.

II.

(in

Allgemeines zu §§ 20, 21 S t G B 1. Schuldfähigkeit als Schuldvoraussetzung 2. Die §§ 20, 21 setzen eine Handlung voraus 3. M a ß s t a b der Schuldfähigkeit . . Die S c h u l d u n f ä h i g k e i t des § 20 1. „Biologische" G r ü n d e a) K r a n k h a f t e seelische Störung, Bewußtseinsstörung, Abartigkeiten

b)

1—

2 2.

3 4-

11

12—13 3.

Einsichts- u n d Steuerungsunfähigkeit c) Z e i t p u n k t der U n f ä h i g k e i t Die k r a n k h a f t e seelische Störung a) K r a n k h e i t s p r o z e ß ; psychiatrischer Krankheitsbegriff b) Störung Übersicht über die k r a n k h a f t e n u n d a b n o r m e n Vorgänge und Z u s t ä n d e des Seelenlebens

14

15-

16

2. Abschnitt, Die Tat

§ 2 1

Rdn. a)

4.

5.

Psychosen aa) Die organischen Geisteskrankheiten bb) Die sog. e n d o g e n e n Geisteskrankheiten . . cc) Die toxischen Störungen b) Die tiefgreifende Bewußtseinsstörung aa) T r u n k e n h e i t bb) Hypnose cc) Hochgradiger A f f e k t . . c) Tiefgreifend d) Schwachsinn u n d schwere a n d e r e seelische Abartigkeiten aa) Schwachsinn bb) Psychopathien cc) Neurosen dd) Triebdelikte e) Schwere d e r Abartigkeit . . Einzelfragen a) Moralisches Irresein . . . . b) Partielle Schuldfähigkeit . . c) Psychose im Anfangsstadium d) Postpsychotische Defekte u. a e) M o n o m a n i e n f) Simulation und Dissimulation Die sog. psychologischen G r u n d l a g e n des Gesetzes . . . . a) Einsichtsunfähigkeit . . . . b) Steuerungsunfähigkeit . . . c) Geisteskrankheit und Abnormität aa) Geisteskrankheit . . . . bb) A b n o r m i t ä t e n (1) R e c h t s f o l g e n d e r Geisteskrankheit . (2) Rechtsfolgen des Schwachsinns . . . (3) Rechtsfolgen der Psychopathie . . . . (4) Rechtsfolgen der Neurosen (5) Rechtsfolgen d e r Triebhandlungen .

18 19 20 III. 21—23 24— 26 27 28-29 30

31 32— 33 34— 41 42—45 4 6 - 47 48 49 50 51 52 53— 54 IV. 55 56— 57 58 59— 61 62 63 64 65 66 67 68

Rdn. Der f ü r §§ 20, 21 S t G B maßgebende Z e i t p u n k t Actio libera in causa 70— 72 7. T e m p o r ä r e S c h u l d u n f ä h i g k e i t . 73 8. Die rechtliche Bedeutung und die W i r k u n g der S c h u l d u n f ä higkeit 74 Die sog. v e r m i n d e r t e Schuldfähigkeit des § 2 1 1. Begriff 75 2. Einzelfragen a) G e m i n d e r t e Schuld 76— 78 b) § 21 und Verbotsirrtum . . 79 c) Die K a n n - B e s t i m m u n g . . . 80— 84 3. G e g e n l ä u f i g e T e n d e n z e n in Rspr. und Literatur 85— 88 4. S t r a f r a h m e n 89 5. Voraussetzungen der Strafmilderung a) „Biologische" G r ü n d e . . . 90 b) Erhebliche V e r m i n d e r u n g d e r Einsichts- und Steuerungsfähigkeit 91—94 6. Die W i r k u n g e n der so umschriebenen S c h u l d m i n d e r u n g a) fakultative S t r a f m i l d e r u n g . 95— 98 b) Maßregel nach § 63 99 7. Z u m Verhältnis von § 20 und § 21 ! 100 Verfahrensrechtliches 1. P r ü f u n g s p f l i c h t des G e r i c h t s . . 101 2. Wahlfeststellung 102 3. K o n k u r r e n z 103 4. Im Zweifel Freispruch 104 5. Erwägung d e r S t r a f m i l d e r u n g bei Regelstrafe 105 6. B e s c h r ä n k u n g des Rechtsmittels 106 7. Richter und Sachverständiger . 107 a) Entscheidungspflicht des Gerichts 108 b) Praktische Bedeutung . . . 109 c) Rechtspolitische Tragweite 110 d) Dogmatische Problematik . 1 1 1 e) Sein und Sollen 112—113 f) I n d i z b e d e u t u n g des G u t achtens 114-116 g) Unzulässige Fragen 117

6.

17

69

I. Allgemeines zu §§ 2 0 , 2 1 StGB 1

1. § 20 StGB bildet die juristisch-psychiatrische Grundlage für die Ermittlung der strafrechtlichen Schuldfähigkeit, einer wesentlichen Voraussetzung der strafrechtlichen „Schuld", der „Vorwerfbarkeit" einer Unrechten Tat gegenüber einer bestimmten Person.

2

Die Schuldfähigkeit ist Voraussetzung der Schuld. Abweichend insofern ( M e r k mal der Schuld) Jeschectë § 40 I u n d hier die Voraufl. Die Schuldfähigkeit ist nicht Handlungsfähigkeit, wie das R G früher angenommen hat; so aber noch H. Mayer 11:>

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

StudB S. 107; nicht rechtliche Verpjlichtungsfähigkeit wie bei Ad. Merkel, Hold v. Ferneck und Kohlrausch; nicht Straffähigkeit wie bei Feuerbach, v. Liszt, Radbruch, Klee, vgl. Maurach-Zipf AT § 36 I Β sowie Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 91 f (unter zutreffendem Hinweis auf § 65 StGB) und Burkhardt GA 1976 321, 324. Demgegenüber ist für Haddenbrock Hdb. for. Psychiatrie 2 924 ff und früher sowie für Witter Lange-Festschr. S. 729 Verantwortungsfähigkeit der Angelpunkt der Schuldfähigkeit. Wie hier sehen Sch.-Schröder Lenckner § 20 Rdn. 1 und MaurachZipf AT §§ 35 VI, 44 III die Zurechnungsfähigkeit als Schuld Voraussetzung an, ebenso Kienapfel Strafrecht AT (1975) S. 200, Baumann8 § 25 I 1, Schwalm JZ 1970 491, Rudolphi, Horn, Samson, Schreiber (SK AT) Rdn. 5 vor § 19, Dreher37 § 1 Vorbem. 32. Für Nowakowski Das österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen (1955) S. 82 ist die Zurechnungsfähigkeit nicht das erste, grundlegende, sondern das letzte, gegenüber bloßen Sicherungsvoraussetzungen differenzierende Schuldelement. Weiteres hierzu bei der Abgrenzung gegen § 21 Rdn. 74, 75. 2. Da die Straftat immer eine „Handlung" ist, scheiden gewisse menschliche 3 Betätigungsweisen von vornherein aus dem Bereich des Strafrechts und damit der §§ 20, 21 StGB aus. Fehlt es demnach an einer „Handlung" als gewolltem Tun eines Menschen überhaupt, so wird mangels eines Substrats das Zurechnungsurteil von vornherein unmöglich. Diesen Zuständen der vollen Bewußtlosigkeit ist eigentümlich, daß der Willensapparat und die finale Selbstbestimmung völlig — auch im Unbewußten — ausgeschaltet sind. Sie unterscheiden sich von den Zuständen bloßer „Bewußtseinsstörung" in §§ 20, 21 StGB. Sie können natürliche Prozesse sein wie der tiefe Schlaf, ferner tiefe Ohnmacht oder schwerste Fieberdelirien; die volle Betäubung kann aber auch durch Einwirkungen von außen her kommen. Von besonderer Bedeutung ist die Stillegung durch Menschenhand, ζ. B. durch Schläge auf den Kopf oder durch Narkotisierung, sei es, daß diese durch eine andere Person unmittelbar geschieht, sei es unter deren Druck durch das Opfer selbst: RGSt. 58 99. Die vorgenannten Gruppen von Zuständen treten überhaupt nicht in den Blickbereich der Schuldforschung und damit auch nicht in den der §§ 20, 21 StGB, die ja eine Handlung erfordern und voraussetzen: GA 1942 65. Umschreibung der Handlungsfähigkeit jetzt bei Haddenbrock Hdb. for. Psychiatrie 2 875 ff : „durch mehr oder weniger intensive geistige Stellungnahme mitbestimmtes, d. h. mehr oder weniger sinn- und zielbewußtes Willensverhalten". Dies treffe prinzipiell auch für kurzschlüssige Affekt- und Triebhandlungen zu, soweit die Bewußtseinslage überhaupt noch eine gewisse Besinnung erlaube. Nach Schewe (Reflexbewegung — Handlung — Vorsatz [1972] und Lange-Festschr. S. 687 ff) unterfallen auch automatisierte Verhaltensweisen (ζ. B. im Straßenverkehr) und Fälle sinnloser Trunkenheit u. U. dem Handlungsbegriff, der nicht auf das bewußte Wollen beschränkt werden könne (hierzu vgl. OLG Köln Blutalkohol 1973 415). Dem ist auf dem Boden der heute weithin anerkannten Schichtentheorie der Persönlichkeit (Rothacker) zuzustimmen, ohne daß der so erweiterte Handlungsbegriff das Strafrechtssystem in Frage stellt, wie Stratenwerth ZStW 85 [1973] 469 ff meint. Gegen überspitzten Psychologismus bei der Ermittlung des subjektiven Tatbestandes Bresser LangeFestschr. S. 665 ff, 681 und Schewe ebendort S. 687 ff, 699. - OLG Frankfurt VRS 28 364 bejaht bei einem unvermittelten Ausweichmanöver, um einem Hasen auszuweichen, zutreffend die Handlung; zust. Baumann% S. 392, wohl auch Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 36; a. A. Franzheim NJW 1965 2000. Vgl. auch OLG Hamm NJW 1975 657, ferner Blutalkohol 1975 406: Fahrt am Steuer eines PKW ist als willensabhängiges Verhalten nicht durchführbar. Eingehend zum automatisierten, I l.'l

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unterbewußt richtigen, eingeschliffenen Verhalten am Steuer und seiner Notwendigkeit Hans Peter S. 14 ff (Schrifttum A). 4

3. Die Rechtsordnung kann an die Rechtsgenossen nur solche Anforderungen stellen, die ihrer individuellen Aufnahmefähigkeit und ihrem individuellen Können entsprechen. Das Haftungsregulativ der Schuld knüpft mithin an den Vorwurf der Rechtspflichtvergessenheit so an, daß die konkrete Straftat für den Täter vermeidbar gewesen sein muß. Konnte er den Rechtsverpflichtungen überhaupt nicht genügen, so erübrigt sich von vornherein die Frage, ob er sein Können voll eingesetzt habe, damit entfällt die weitere Schuldfrage. Das Schuldurteil befaßt sich demgemäß zunächst mit der Vorfrage nach der generellen Schuldfähigkeit des Täters zur Zeit der Tat. Erst nach Bejahung dieser Vorfrage wird die Frage nach dem konkreten Verschulden, das ζ. B. infolge Irrtums trotz Schuldfähigkeit entfallen kann, gestellt. Das Schuldurteil muß also nach der Technik des heutigen Gesetzes mehrstufig in getrennten Gedankengängen gebildet werden.

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Die Frage nach der Schuldfähigkeit des Täters im einzelnen Fall führt nach Mezger (vgl. LK 8 ) zu der allgemeinen Frage, ob und inwieweit denn der Mensch überhaupt anders handeln konnte, als er gehandelt hat; denn nur aus einer Einsicht in dieses allgemeine Problem könne die hier entscheidende Frage beantwortet werden, ob und inwieweit er im einzelnen Fall anders hätte handeln können als er gehandelt hat. Das aber ist die Frage nach der sog. Willensfreiheit, das Problem des Determinismus oder Indeterminismus. Ohne eine Stellungnahme dazu bleibe die Erörterung über die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit an der Oberfläche und müßten auch rein praktische Fragen der Abgrenzung schließlich unbeantwortet bleiben. Auch Welzel § 19 IV, Maurach AT § 36 I B, Jescheck? § 37 I glauben dieser Frage nicht ausweichen zu dürfen. Demgegenüber meint Bockelmann, Schuldunfähigkeit sei nicht dasselbe wie Unfreiheit, vielmehr Andersartigkeit, ein Abweichen vom Normalen (ZStW 75 [1963] 377 und 77 [1965] 253). Ebenso jetzt Witter, vgl. Rdn. 2, sowie Göppinger Krim. 3 S. 182 mit weiteren Nachweisen S. 184 und Hinweis auf neuere Forschungsansätze S. 189 ff; im Ergebnis auch Rudolphi-Horn-Samson-Schreiber (SK AT) § 20 Rdn. 4. Hierzu Lange Bockelmann-Festschr. (1978). Mezger geht von der Erwägung aus, daß die Erhebung eines „Schuldvorwurfs" für ein bestimmtes Handeln als sinnvoll nur dann erscheint, wenn damit die Feststellung verbunden wird, der als schuldig Bezeichnete „hätte anders handeln können". Demgegenüber steht die Erwägung, daß unser Denken überall an die strenge Kategorie der Kausalität geknüpft sei („erkenntnistheoretischer Determinismus"), sich also auch den menschlichen Willensakt nur so vorstellen könne, daß er durch das, was ihm vorhergeht, eindeutig und unabänderlich in seinem Daß und Wie bestimmt ist (Mezger Sitzungsberichte der Bay. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse 1944/46 9 S. 3). Dieser Bestimmung gegenüber scheint also nichts von „Freiheit" („Indeterminismus") übrigzubleiben. Für diese Betrachtungsweise hat man sich insbesondere auf Kant und seine Kategorientafel (Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., Nachdr. [1952]) berufen (Willensfreiheit S. 241 ff). Diese Kategorientafel ist aber gewonnen aus und orientiert an dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Weltbild und für dieses gemeint; dieses Weltbild selbst ist aber heute sehr viel „indeterministischer" geworden als in der „Physik von gestern", an die sich die Juristen meist noch halten. Es ist auch darüber hinaus äußerst problematisch, ob die im Gebiete der körperlichen Naturwissen( 14)

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schaft geltenden Grundsätze ohne weiteres auf die hier interessierende seelisch-geistige Welt und ihr Geschehen übertragen werden dürfen, wie es oft geschieht. Es bleibt zu beachten, daß körperliches und seelisches Geschehen nicht von vornherein einander gleichzustellen und für letzteres die streng kausale Bindung nicht unbedingt zu postulieren ist; denn ein solches Postulat würde die Eigenart der seelisch-geistigen Vorgänge übersehen, für welche als Besonderheit die „Teilhabe an überpersönlichen Werten" (Mezger-Blei AT 1 7 S. 165 mit Zitaten) und der Gedanke der „Spontaneität" (Willensfreiheit S. 27) kennzeichnend sind. Wir erkennen in all dem heute deutlicher, daß die „Kategorien" unseres Denkens nicht rein apriorisch und unbedingt gelten, sondern gegenstandsgebunden sind (Mezger Sitzungsberichte d. Bay. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse 1955,4 S. 24—25). So ist der erkenntnistheoretische Determinismus heute fragwürdig geworden. Wenn man auf Grund dieser Erwägungen annimmt, daß dem Menschen in seinem Handeln „Freiheit" geschenkt oder auferlegt ist, so müssen wir aber uns doch darüber klar sein, daß uns ein durchgreifendes Kriterium dafür fehlt, wie weit nun im einzelnen Fall dem Menschen solche Freiheit des Handelns zustand. Mit Mezger (LK 8 ) wird man für das Strafrecht noch folgendes erwägen müssen. 6 Die Frage, ob der Täter im Augenblick der Tat wirklich „anders hätte handeln können", vermögen wir im empirischen Bereich nicht zu entscheiden, es fehlt uns ein sicheres Kriterium dafür, wann diese Möglichkeit gegeben ist und wann nicht. Aber das praktische Leben und so auch das Recht stellen an den Menschen der sozialen Gemeinschaft bestimmte normative Anforderungen, die sich danach richten, was man von einem Menschen in dieser äußeren und inneren Situation üblicherweise zu fordern in der Lage ist. Das Recht als generelle (allgemeine) Regel des sozialen menschlichen Zusammenlebens muß „generalisieren", d. h. auf allgemeingültige Begriffe und Gepflogenheiten abstellen. Es muß sich an das halten, was unter bestimmten „typischen" Umständen „möglich" ist. Schuldig im Sinne des Strafrechts ist deshalb der, der diesen an ihn gerichteten allgemeinen Anforderungen nicht entspricht. Schuld im strafrechtlichen Sinne gibt es daher insoweit, als nach den gesamten äußeren und inneren Umständen des Falles mit dem Urteil über die rechtswidrige Tat der Vorwurf verbunden werden kann, „man" hätte unter diesen Umständen „anders handeln können". Bei solcher Sachlage steht zunächst die Schuld auch des einzelnen individuellen Täters für das Strafrecht fest. Es kommt im Strafrecht zwar immer auf das individuelle „anders handeln können" an; aber als praktischer Maßstab steht uns zu der erforderlichen Feststellung nur die Bezugnahme auf das generelle Handeln und Handelnkönnen zur Verfügung. Daraus ergibt sich ferner die für unsere Erörterung richtungsweisende und grundlegende Folgerung: jene „Umstände" des einzelnen Falles können so gelagert sein, daß sie aus besonderen tatsächlichen Erwägungen des Einzelfalles ein generelles, „man hätte anders handeln können" ausschließen. Dann entfällt die Schuld im Einzelfall. Kritisch zu Mezgers Generalisierung Engisch Die Lehre von der Willensfreiheit . . . (1963) S. 20, Maurach-Zipf AT § 36 I B. Zu diesem Streit ist zu bemerken: Die normative Karte darf nicht zu früh ausgespielt werden. Schon unter dem Gesichtspunkt der Generalisierung darf man die Stufe nicht überspringen, die durch die Frage bezeichnet wird: Welche Fähigkeit zur Steuerung und Hemmung hat dieser Täter (nicht: „man") sonst gezeigt? Damit ist das Problem auf die empirische Ebene zurückgelenkt. In diesem Wissenschafts(15)

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bereich liegt es insofern ähnlich wie in der Strafzwecklehre, als man entweder einen relativen Determinismus bzw. Indeterminismus annimmt oder das Freiheitsproblem ausklammert (so insbes. Haddenbrock MschrKrim. 1968 145 ff, 153); dazu Rdn. 2. Zur Frage der Generalisierung jetzt auch Rudolphi-Horn-Samson-Schreiber (SK AT) § 20 Rdn. 25, 26. 7

Im empirischen Bereich gewann die Psychologie, Psychopathologie und Kriminalpsychologie „neuere Einsichten in die Struktur des Willens und seine Stellung im Ganzen des Menschseins", die „Freiheit als Grundzug und Konstituens der menschlichen Existenz" aufweisen. So Ritter von Baeyer (Hdb. Neur. Psych. 1 633 ff) im Anschluß an die Willenspsychologie von Wilhelm Keller (ebendort 5 541 — 587) und Paul Ricoeur Philosophie de la volonté (1949). Adolf Portmann (Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen [1951] und Propyläen-Weltgeschichte IX 2 S. 559 ff, 577 ff) hat für diese Neubegründung der Freiheit durch den Nachweis der biologischen Sonderstellung des Menschen die naturwissenschaftlichen Fundamente geliefert; im gleichen Sinne vgl. Buytendijk Hdb. Neur. Psych. 5 117-135. 8 Ohne daß hier zu diesen Lehren im einzelnen Stellung zu nehmen wäre, zeigt der Stand der empirischen Wissenschaften jedenfalls so viel: auch wenn man das Freiheitsproblem nicht ausklammert, gerät die normativ fundierte Annahme der Schuldfähigkeit nicht notwendig in Konflikt mit der Empirie, die vielmehr (so Keller) ihrerseits an das Freiheitsbewußtsein anknüpft. Trotz neuerer deterministischer Gegenstimmen (Schörcher ZStW 77 [1965] 240, Danner, hypothetisch auch Engisch MschrKrim. 1967 113, 118) kann deshalb heute das Freiheitsproblem insoweit als entschärft gelten. Die Strafjustiz arbeitet keineswegs „unter der Belastung eines unlösbaren Dilemmas, indem sie an einem in der Metaphysik verankerten Schuldstrafrecht festhält, aber gleichzeitig wissenschaftlich begründete Gutachten verlangt, die über die Zurechnungsfähigkeit und damit die Schuld nichts aussagen können, es sei denn, sie kommen zu einer Verneinung" (so aber Schörcher ZStW 77 [1965] 240). Das hier zugrunde liegende reduzierte Menschenbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist nicht nur von der Willenspsychologie Ricoeurs und Keller überholt, sondern auch von der heutigen Anthropologie, für die Arnold Gehlen Theorie der Willensfreiheit... (1965) zu nennen ist, und in der Philosophie vom Existentialismus (Jaspers, Heidegger, Sartre) und Personalismus (Helmut Kuhn). Ein Freiheitsspielraum wird heute weithin von den empirischen Wissenschaften nicht nur für möglich gehalten, sondern postuliert (weitere Nachweise bei Lange SchwZStr. 70 [1955] 373 ff)· Er hat daher zumindest den Beweis des ersten Anscheins für sich. Mehr ist für die Legitimation des Schuldstrafrechts nicht erforderlich, weil es nicht möglich ist. Wir stehen hier an den Grenzen des Unerforschlichen. Individuum est ineffabile. Daß auch Geisteskranke gelegentlich Freiheitsillusionen haben, mag sein, stellt jene empirische Legitimation des prima-facie-Beweises aber nicht in Frage. 9

Abzulehnen ist die These von Welzel § 20 I, wonach Schuld Abhängigbleiben vom kausalen Zwang der Antriebe seitens eines Subjekts bedeutet, das sinngemäßer Selbstbestimmung fähig ist. Das Verbrechen sei darum „durch und durch das Produkt kausaler Faktoren". Im Bereich des § 20, in dem sich Strafrecht und Kriminologie unausweichlich begegnen, haben diese Formeln für Trieb- und Affekthandlungen heuristischen Wert. Aber in der Verallgemeinerung: „böser Wille ist kausale Abhängigkeit von wertwidrigem Antrieb und insofern unfreier Wille" wird überseI IM

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hen, daß auch wertwidrige Entscheidungen durchaus auf sinnvollen Entschließungen innerhalb der Freiheitssphäre beruhen können und ferner, daß sie in anderer Wertsphäre (Religion, Sittlichkeit, Liebe, Freundschaft) durchaus werthaft sein mögen. Diese Skala reicht vom Überzeugungs- und Gewissenstäter bis zum altruistischen Handeln aus Freundschaft oder Mitleid oder im Konflikt, der falsch entschieden wird. Gegen Welzel Leferenz Fortschritte der Neurologie . . . 22 (1954) 369. Vgl. auch Lange Hdb. Neur. Psych. 5 453. Sehr klare Übersicht über den Streitstand neuerdings bei Jescheck? § 37, der 10 allerdings die moderne Anthropologie wohl zu indeterministisch auffaßt. Er folgt (wie auch Heinitz ZStW 63 [1951] 76) der Lehre Engischs (MschrKrim. 1967 110) vom Einstehenmüssen des Täters für seinen Charakter, die ihrerseits auf Graf zu Dohna (Willensfreiheit und Verantwortlichkeit [1907]) zurückgeht. Der eigene Standpunkt in diesen Fragen ist auf der Grundlage der neueren Entwicklung der empirischen Wissenschaften vom Menschen in SchwZStr. 70 (1955) 373 ff; Hdb. Neur. Psych. 5 404 ff; DJT-Festschrift (1960) 1 345 ff; Schuld, Verantwortung, Strafe (1964) S. 277 ff entwickelt worden; vgl. ferner Rdn. 5. Weitgehend übereinstimmend u. a. Hilde Kaufmann JZ 1962 197. Das Gesetz setzt nach alledem in begründeter Weise voraus, daß ein erwachse- 11 ner Täter, der den Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirklicht, generell die Eigenschaften besitzt, die ihn für diese Tat verantwortlich sein lassen. Dies ist für das Gesetz das „Normale", demgegenüber eine „abnorme" innere Lage des Täters erst näherer Darlegung bedarf. Aber damit ist nicht gesagt, daß der Beweis der Zurechnungsunfähigkeit nun ohne weiteres dem Täter aufgebürdet würde. Das in dieser Hinsicht wichtige und bedeutsame Urteil RGSt. 21 (1891) 131 ff sagt treffend: Die Zurechnungsfähigkeit „bildet die Voraussetzung jeder Schuld und muß daher wie jedes andere Tatbestandsmerkmal dem Angeklagten nachgewiesen werden. . . . Entstehen daher nach dem Ergebnisse der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, so hat der Richter zu prüfen, ob er gleichwohl noch die Überzeugung von dem Erwiesensein jenes Schuldmerkmales erlangt hat, oder ob er wegen Nichterwiesenseins freisprechen muß". Mit diesem Stichwort „begründete Zweifel" ist die maßgebende Richtlinie der Beurteilung zutreffend hervorgehoben. Es ergibt sich daraus folgender Rechtszustand: der Richter darf im allgemeinen von der „Zurechnungsfähigkeit" des erwachsenen Menschen ausgehen, bis sich (bei gewissenhafter Prüfung) „Zweifel" an ihr ergeben, und zwar müssen es „begründete" Zweifel sein. Gelingt es nicht, diese „begründeten Zweifel" zu widerlegen, so hat der Richter auf Freispruch zu erkennen. Auch nach der weiteren Rspr. genügt die bloße Unerweislichkeit der Zurechnungsunfähigkeit noch nicht zur Haftbarmachung: RGSt 70 128; 73 45; BGHSt. 3 173; 8 124; OLG Köln GA 1965 156. Wie hier Maurach-Zipf AT § 36 I C, Jescheck3 § 40 I. II. Die Schuldunfähigkeit des § 20 1. Das Gesetz nennt bestimmte biologische Gründe, als deren Folge Schuldunfä- 12 higkeit in Betracht zu ziehen ist. Diesen „zweistöckigen" Aufbau pflegt man mit dem wenig glücklichen Ausdruck der biologisch-psychologischen oder gemischten Methode zu bezeichnen. Richtiger sprechen Rudolphi-Horn-Samson-Schreiber (SK AT) §20 Rdn. 3 von biologisch-normativer Methode; ähnlich schon Jescheck? § 40 III 1 Anm. 19. a) Als biologische Gründe nennt das Gesetz krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewußtseinsstörung, Schwachsinn, schwere andere seelische Abartigkeit. (17)

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b)

Als Folgen nennt es die Unfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. c) In dieser Verfassung muß der Täter bei Begehung der Tat sein. Darüber Rdn. 7 0 - 7 2 . Rdn. 13 — 55 beschäftigen sich mit den „biologischen" und Rdn. 56 ff mit den „psychologischen" Voraussetzungen des § 20 StGB. Beide sind alternativ aufgebaut, was aber nicht ausschließt, daß sich die „biologischen" Merkmale überschneiden (ein schwerer Alkoholrausch ζ. B. wird meist unter dem Gesichtspunkt der „Bewußtseinsstörung" geprüft, er ist aber als „Vergiftung" des Zentralnervensystems medizinisch gesehen auch eine „krankhafte seelische Störung"). 13

Nach Nagler (LK 6 ) ist die Aufzählung der biologischen oder existentiellen Voraussetzungen des § 51 a. F., jetzt § 20, nicht erschöpfend; so ζ. B. schon v. Wächter Deutsches Strafrecht, Vorlesungen (1881) S. 133; Hälschner Das allg. deutsche Strafrecht 1 224; Mezger Probleme S. 168 (anders noch Mezger Lb S. 289); a. A. v. Hippel II 225; Sauer AT S. 165; OehleriR 1951 68 f; Maurach-Zipf AT § 36 II B. Auch in den Beratungen des Sonderausschusses wurde der Gedanke der Analogie erwogen. In der Tat ist diese nach allgemeinen Grundsätzen zulässig (a. A. Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 112). Doch muß der Grundgedanke der Bestimmung: die Beschränkung der Schuldunfähigkeit auf schicksalhafte Persönlichkeitsausfälle oder Mängel, in denen die Eigengesetzlichkeit des Handelns aufgehoben oder entscheidend beeinträchtigt ist, streng gewahrt bleiben; vgl. Rdn. 28.

2. Die krankhafte seelische Störung. Als „biologischen" Grund der Schuldunfähigkeit nennt das Gesetz in erster Linie die krankhafte seelische Störung. 14

a) „Krankhafte Störung des Seelenlebens im engeren psychiatrischen Sinne ist die Durchbrechung des seelischen Sinnzusammenhanges durch einen sinnfremden körperlichen Krankheitsvorgang (Krankheitsprozeß)". Diese Form des Krankheitsbegriffs vertrat namentlich Kurt Schneider: „Krankheit gibt es nur im Körperlichen, und eine krankhafte seelische Erscheinung ist für uns ausschließlich eine solche, deren Dasein durch krankhafte Veränderungen des Leibes bedingt ist. So sind krankhaft die im engeren Sinne organischen (körperlich bedingten) und toxischen (auf Vergiftung beruhenden) Psychosen (Geisteskrankheiten) und sicher auch die schizophrenen und zyklothymen, auch wenn wir bis heute nichts Greifbares über die ihnen zugrundeliegenden Krankheiten wissen (aber solche körperlichen Krankheitsvorgänge bei ihnen als sicher voraussetzen müssen)." Dennoch sind auch die beiden endogenen Psychosen (Schizophrenie und Zyklothymie) eindeutig durch das Auftreten von normalerweise bei nichtpsychotischen Menschen nicht auftretenden psychischen Phänomenen, d. h. psychotischen Phänomenen ersten Ranges (Kurt Schneider) als Krankheiten bestimmbar (Miiller-Suur Hdb. Neur. Psych. 1 252). Diesen engen Krankheitsbegriff hatte jedoch, wie es K. Schneider selbst empfahl, schon die Unterkommission der Großen Strafrechtskommission aufgegeben: Lange Hdb. Neur. Psych. 5 441. Gegen einseitige somatische Begründung oder Postulierung und für einen auch psychologisch begründeten, durch qualitative und deshalb nicht verstehbare und nachvollziehbare Veränderung des Erlebens gekennzeichneten psychiatrischen Krankheitbegriff jetzt Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 477—481 ; 2 968 f; Lange-Festschr. S. 723—735 und Langelüddeke-Bresser (im folg. Bresser) Gerichtl. Psychiatrie* S. 9 6 - 1 0 0 . ι im

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b) Der Ausdruck „Störung" ist in §§ 20, 21 StGB im weitesten Sinne zu verste- 15 hen. Er darf nicht nur auf eine Störung in dem Sinne bezogen werden, daß notwendig zuvor ein „ungestörtes" Seelenleben vorhanden gewesen sein müßte, in das erst eine „Störung" eingebrochen wäre. Angeborene und erworbene, vorübergehende und dauernde Störungen können unter den gesetzlichen Wortlaut fallen. Denn dieser denkt an eine Störung im Sinne einer Abweichung von der „normalen" Geistestätigkeit überhaupt. Krankhafte seelische Störungen können auf den verschiedenartigsten Gründen 16 beruhen, z. B. auf Hirnverletzungen, Vergiftungen, Entwicklungsstörungen, Altersrückbildungen (bei ihnen kann äußerliche geistige Geordnetheit einen Hirnabbauprozeß verdecken: BGH NJW 1964 2213), aber auch auf seelischen Konflikten; sie können vorübergehend (wie z. B. Schreck-, Erschöpfungs- oder Schwangerschaftspsychosen : dazu RGSt.7 426 0 oder dauernd auftreten ; sie können angeboren oder nachträglich entstanden sein. Zur forensischen Überbewertung der Chromosomenanomalie XYY Witter Lange-Festschr. S. 727 und — namentlich auch methodologisch — S. 731 f. Vgl. auch Göppinger Krim. 3 S. 137 f mit weiteren Nachweisen. 3. Übersicht über die für § 20 StGB in Betracht kommenden krankhaften und abnormen Vorgänge und Zustände des Seelenlebens a) Psychosen (echte Geisteskrankheiten) und sonstige somatisch bedingte oder 17 postulierte Störungen. Sie beruhen auf einem aktuellen körperlichen (somatischen) Einbruch in den Sinnzusammenhang des Seelischen. Sie können als somatische Vorgänge „erklärt", aber nicht „verstanden" werden. Kurt Schneider (Klinische Psychopathologie 1 0 S. 9) sagt dazu: „Man kann in die klinische Psychopathologie keinerlei Einsicht haben, wenn man sich nicht zwei Dinge klargemacht hat: 1. Es gibt seelische Abnormitäten einerseits als abnorme Spielarten seelischen Wesens und andererseits als Folgen von Krankheiten. 2. In dieser zweiten Gruppe sind die üblichen diagnostischen Begriffe und Benennungen teils somatologisch, teils psycho(patho)logisch. Die Diagnostik ist hier zweispurig". Die eigentlichen Geisteskrankheiten (Psychosen) sind demnach Vorgänge, die als bekannte oder postulierte Erkrankungen des Hirns oder sonst des zentralen Nervensystems gesamtorganisch bedingt sind, einen festen Komplex typischer Merkmale aufweisen und in einer erfahrungsgemäß ermittelten Gesetzlichkeit ablaufen. „Maßgeblich für die Feststellung einer Krankheit des Geistes ist (aber) nicht der zugrunde liegende nachgewiesene oder vermutete körperliche Krankheitsvorgang, sondern die psychopathologische Störung." So Witter Lange-Festschr. S. 727 mit eindrucksvollen Beispielen; vgl. Rdn. 14. Im einzelnen zählen hierher: aa) die organischen Geisteskrankheiten (organischen Psychosen). Bei den organi- 18 sehen Geisteskrankheiten sind körperliche Krankheitsvorgänge im Gehirn bzw. solche, die sich im Gehirn auswirken, unmittelbar nachweisbar, so bei der progressiven Paralyse, der Hirnsyphilis, der senilen Demenz, der Hirnarteriosklerose, bei Hirngeschwülsten und Gehirnverletzungen, wobei am Ende dieser Reihe die echte Epilepsie steht; bb) die sog. endogenen Geisteskrankheiten (endogenen Psychosen). So nennt man 19 üblicherweise diejenigen Geisteskrankheiten, bei denen wir zunächst nur die Veränderung der seelischen Funktion selbst beobachten, den genauen Nachweis einer Gehirnerkrankung und ihrer anatomischen Grundlage aber nicht oder noch nicht (I9)

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erbringen können. Daß auch sie eine entsprechende somatische Grundlage besitzen, darf aber angenommen werden. Außer den schon Rdn. 14 gekennzeichneten Phänomenen spricht hierfür nach Kurt Schneider auch, daß sich diese Psychosen in erdrückender Mehrzahl nicht an Erlebnisse anschließen, keinesfalls von ihnen im Sinne der Erlebnisreaktion motiviert sind (wie die Neurosen). Vor allem „zerreißen sie die Geschlossenheit, die Sinngesetzlichkeit, die Sinnkontinuität der Lebensentwicklung". Mit der in der amerikanischen, psychoanalytisch beeinflußten Psychiatrie vertretenen Auffassung, die die Psychosen im Begriff der Neurose aufgehen läßt, setzt sich Kranz Hdb. Neur. Psych. 1 266 ff eingehend und scharf auseinander: „Promiskuierungen", „Begriffsvermengungen". Ebenso scharf ablehnend jetzt Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 106. Echte Grenzfälle zwischen krankhafter seelischer Störung (Rdn. 14—19, 49—55) und schweren seelischen Abartigkeiten (Rdn. 31—48) sind nach gegenwärtigem Wissensstande der Schwachsinn, sofern die Alternative „nur Variation oder krankheitsbedingter Defekt" gelegentlich unentscheidbar bleibt, die leichten körperlich begründbaren seelischen Veränderungen, die Paranoia und die Zwangsneurose (im Gegensatz zur Fremd-, Schicht- und Kernneurose im Sinne von J.-H. Schultz). So Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 506 ff und ihm folgend Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 104—112. Unter den unzweifelhaften krankhaften seelischen Störungen sind zu unterscheiden die beiden großen Formenkreise des schizophrenen und des zirkulären (manisch-depressiven) Irreseins; 20

cc) die toxischen Störungen. Bei diesen liegt der seelischen Störung eine Vergiftung irgendwelcher Art zugrunde, sei es daß diese endogen aus dem Körper und seinen Vorgängen selbst, sei es daß diese exogen von außen her stammt; auch die Störungen auf dem Boden des Alkoholismus (Rdn. 12, 23—26, 72, 96, 101) gehören hierher.

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3 b) die tiefgreifende Bewußtseinsstörung. Zum umstrittenen Begriff des Bewußtseins von psychologischer Seite eingehend H. Thomae und H. D. Schmidt Hdb. der Psychologie 11 (1967) S. 337 ff mit reicher Übersicht über Lit. und Rspr.; ferner Arbad-Zadeh NJW 1974 1401. BGHSt. 11 20 setzt sich mit Hadamik MschrKrim. 1953 11 und Gruhle Gutachtentechnik (1955) S. 22 auseinander. Zahlreiche Nachweise auch bei de Boor Bewußtsein S. 25 ff. Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 101 unter Bezug auf Rasch (PonsoldLb. S. 59) 116 f kritisch zu „tiefgreifend". Vgl. Rdn. 30. Zur Kompetenzfrage zwischen Psychologen und Psychiatern Thomae-Schmidt Handbuch der Psychologie 11 (1967) S. 348 ff; Bresser Anm. zu BGH NJW 1959 2315; Haddenbrock MschrKrim. 1968 145 ff, 149 sowie die Referate von Arnold und Panse Prot. 4. Wahlperiode, 34. Sitzung S. 644 ff und S. 642 ff ; neuerdings von psychiatrischer Seite besonders Haddenbrock Hdb. for. Psychiatrie 2 926 ff, von psychologischer Seite Undeutsch Lange-Festschr. S. 711 ff mit reichem Rspr.-Material. Bresser Gerichtl. Psychiatrie unterscheidet scharf zwischen generalisierender psychiatrischer und individualisierender psychologischer Aussage; jene betreffe die Schuldfähigkeit, diese die Schuld (S. 115 ff). Vorbehalte gegen das „vereinfachende Schema", daß für die Beurteilung nichtkranker Persönlichkeiten grundsätzlich der Psychologe, für die kranker der Psychiater zuständig sei (BGH JR 1970 151 mit Anm. Peters) bei OLG Karlsruhe GA 1972 316; vgl. Rdn. 107 f, 115. — Allgemein zu diesen Fragen Schrifttum J. 22 Bewußtseinsstörung ist Störung (Trübung oder teilweise Ausschaltung) des Selbstbewußtseins oder des Bewußtseins der Außenwelt oder der Beziehungen beider und damit Störung der Selbstbestimmung: RGSt. 63 46; 64 353; 67 149; 73 121. Die CO)

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Bewußtseinsstörung kann länger dauernd oder nur vorübergehend, physiologisch oder pathologisch (krankhaft bedingt) sein. Der letzte Fall gehört aber schon unter die „krankhafte seelische Störung", vgl. Rdn. 23. Typisch für vorübergehende Bewußtseinsstörungen sind Schlaf, Ohnmächten, leichtere Fieberdelirien oder Halluzinationen (Verwechslung von Vorgängen des Innenlebens mit Außengeschehnissen), aber auch Dämmerzustände zwischen Schlaf und Wachen (bedeutsam in Sonderheit für pflichtwidrige Unterlassungen) oder aus epileptischem, hysterischem oder schizophrenem Anlaß, schwere Übermüdungen: HRR 39 1063, unüberwindliches Schlafbedürfnis, etwa infolge Alkohols: HRR 39 1274, aber auch infolge angestrengten Autofahrens zumal bei Nacht, und vor allem alkoholische Störungen, Hypnose und höchst gesteigerte Affekte, von denen nachstehend besonders die Rede sein soll. Dabei können Teile des Bewußtseins in Wirksamkeit bleiben, so daß komplizierte Handlungen in solchen Zuständen möglich sind, ζ. B. Reisen in hysterischen oder epileptischen Dämmerzuständen. Die Literatur kennt solche Dämmerzustände von stunden-, tage- oder wochenlanger Dauer. Bestimmte Ausfallserscheinungen wie etwa Erinnerungslosigkeit, Erinnerungslücken oder unkontrolliertes Verhalten sind gewichtige Anzeichen für mangelnde Einsichts- oder Hemmungsfähigkeit. Das Fehlen solcher Erscheinungen allein beweist aber nicht die Schuldfähigkeit: BGH bei Daliinger M D R 1972 752 unter Hinweis auf BGHSt. 11 20 (s. Rdn. 21). Die Abgrenzung gegenüber der „krankhaften seelischen Störung" (Rdn. 14 ff) ist 2 3 durchaus flüssig. Vielfach, namentlich im Gebiete des Alkoholismus (wo schon der übliche Rausch medizinisch betrachtet eine Intoxikationspsychose darstellt), kann man die Erscheinungen ebenso gut hier wie dort einreihen und betrachten. Vgl. aber auch BGH NJW 1969 563 betr. Dauerrausch (Rdn. 24). Von diesen Grenzfragen zu unterscheiden ist der Standpunkt Undeutschs PonsoldLb. 2 S. 130—145 sowie Handwörterbuch der Kriminologie (1966) S. 205 ff. Nach ihm ist Bewußtseinsstörung der Oberbegriff für alle psychischen Zustände im Sinne der jetzigen §§ 20, 21. Kritisch dazu de Boor Bewußtsein S. 114 ff. Besonderes Interesse im vorliegenden Zusammenhang beanspruchen der Alkoholismus, die Hypnose und die höchstgesteigerten Affekte. aa) Den für die Strafrechtspflege wichtigsten Fall einer Bewußtseinsstörung bil- 24 det die Trunkenheit. Ausführlich mit Literatur und statistischen Nachweisen GöppingerKrim} S. 169 ff; Sch.-Schröder-Lenckner § 20 Rdn. 16, 17. Lehrreicher Fall: Mezger-Mikorey MschrKrimPsych. 27 (1936) 410 ff; Fall eines pathologischen Rauschzustandes ArchKrim. 58 (1914) 70 ff, 94—97. Zur Trunkenheit am Steuer: Martin DAR 1970 116; 1971 115; 1972 114, 120; 1973 147; 1974 116 (zur Rspr. des BGH). Gegen das übliche Abstellen auf „sinnlose" Trunkenheit: BGH NJW 1952 353; BGHSt. 1 384, 385; BayObLG NJW 1953 1523; Dreher §20 Rdn.9. Die Rauschzustände infolge von Vergiftungsschäden (durch Rauschgifte aller Art, wie Morphium und dessen Derivate, Kokain, Äther, Opium, Haschisch [eingehend dazu GöppingerKrim.l S. 175 ff], vor allem aber Alkohol) führen zu Bewußtseinstrübungen, wenn sie von solcher Stärke sind, daß der Berauschte die Zusammenhänge des Selbstbewußtseins und vermöge der Zusammenhangslosigkeit seiner Eindrücke den Boden der Wirklichkeit verliert: ζ. B. RGSt. 73 121; JW 1938 2270; DJ 1938 1760; OLG Hamm NJW 1973 1424. Zur Verschuldensfrage Rdn. 29 und 95. Als Vergiftungserscheinung ist jeder Rausch krankhaft im Sinne des § 51 bzw. 20: RMilGE 18 49, a. A. RGSt. 63 47. Vor allem trifft dies für die periodische Trunksucht zu (Selbstbefreiungsdrang aus Verstimmungszuständen : sog. dipsomane

§21

2. Abschnitt. Die Tat

Zustände. Dazu OLG Hamm M D R 1959 143). Die krankhafte Störung läßt manchmal noch einzelne Bewußtseinsteile bestehen: RGSt. 57 76; JW 1923 606; 1924 1727; 1937 1328 f; H R R 36 1546; 39 653; RKG(E) 2 3. Nach BGHSt. 1 384 (RGSt. 63 46; 67 149) schließt planmäßiges Handeln rauschbedingte Zurechnungsunfähigkeit nicht aus. Ebenso BGH NJW 1969 1581 ; OLG Hamburg Blutalkohol 1969 160. Die Schwere der Alkoholeinwirkung braucht äußerlich nicht oder nicht in vollem Umfang erkennbar zu sein. Geordnetes und folgerichtiges Verhalten steht der Möglichkeit einer die Schuldfähigkeit ausschließenden Bewußtseinsstörung nicht im Wege (BGHSt. 1 384; JZ 1952 296), auch nicht die Möglichkeit, daß dem Täter die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht fehlte, BGH GA 1971 365. Erinnerungsvermögen allein sagt über diese Fähigkeit nichts aus: OLG Schleswig DAR 1973 20. Über Abgrenzung zwischen den einzelnen Graden der Trunkenheit: Seibert NJW 1954 1028. BGH NJW 1969 563: tagelanger Rauschzustand als krankhafte seelische Störung, auch wenn Bewußtsein im Augenblick der Tat nicht gestört; dazu Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 102 Anm. 135. 25

Über Blutalkoholgehalt und Verkehrsdelikte siehe im einzelnen die verkehrsstrafrechtliche Literatur. Grundsätzlich BGH NJW 1969 1581: Entscheidend die Umstände des Einzelfalles. Annahme der Zurechnungsunfähigkeit auch bei weniger als 3%> zulässig. BGH Blutalkohol 1967 157: Kein allgemeingültiger Alkoholwert für Zurechnungsunfähigkeit. 2%> reichen für ein zuverlässiges Urteil über Zurechnungsunfähigkeit nicht aus. Doch kann man mit 2,3%. Blutalkoholgehalt weder „hellwach" sein noch die Situation genau „überblicken": OLG Celle Blutalkohol 1974 62. Kein allg. Erfahrungssatz, daß jeder über 3%o schuldunfähig: BGH G A 1974 344. Andererseits in seltenen Ausnahmefällen § 20 schon bei 2%o möglich : BGH bei Dallinger M D R 1974 544. BGH VRS 28 190: Alkoholgewöhnte sind i. allg. bei weniger als 3%o noch nicht zurechnungsunfahig. OLG Düsseldorf NJW 1966 1175 (dazu Gaisbauer S. 1877): Unter besonderen Umständen (wie Besinnungslosigkeit, hochgradige Alkoholvergiftung) Zurechnungsunfähigkeit schon bei 2%o möglich. Bei über 2%> Blutalkoholgehalt ist der Ausschluß der verminderten Schuldfähigkeit besonders zu begründen: OLG Hamm DAR 1970 329. Bei einem am Unfallort mit 2,87% Eingeschlafenen u. U. § 20: OLG Koblenz DAR 1973 137. OLG Köln NJW 1967 691: bei 2,4—2,5%> Zurechnungsunfähigkeit nicht ohne weiteres anzunehmen. Über Alkohol und Medikamente: OLG Köln Blutalkohol 1975 278; OLG Frankfurt DAR 1966 106 und 1970 162; OLG Koblenz VRS 36 17; OLG Hamm VRS 32 278; Anm. Gaisbauer NJW 1967 1504; OLG Hamburg VRS 28 62; OLG Hamm Blutalkohol 1970 82 f: § 20 bei Zusammenwirken von Valium und Alkohol nur unter besonderen Umständen. OLG Frankfurt G A 1970 286: Das Urteil muß auf die Frage der Kumulativwirkung eingehen, falls Alkohol und hochgradiger Affekt zusammentreffen. Vgl. betr. Sachverständigen Rdn. 101. Alkohol bei niedrigem Blutdruck: BayObLG NJW 1969 1583. Zum Ganzen Schneider Blutalkohol 1965/66 165 ff.

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Ausschlaggebend für die Frage der Zurechnungsfähigkeit ist der Ausschluß der Selbstbestimmung durch vernünftige Erwägungen: RGSt. 63 48; RMilGE 7 285. Bei einfachen, nicht pathologischen Rauschzuständen bedarf es der exakten Feststellung, daß die Selbstbeherrschung und die Selbstbestimmung ausgeschlossen waren: RGSt. 67 149; JW 1936 1975 (strenger Maßstab). Symptomatisch sind der auffällige Widerspruch des Vorgangs zu dem sonstigen Verhalten (Persönlichkeitsinadäquanz), der Wesensart und der Interessenlage des Täters (BGHSt. 14 114, 116 und NJW 1969 1581) sowie die Erinnerungslosigkeit für bestimmte Zeitabschnitte (22)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

(BGH bei Daliinger MDR 1953 596). Zurechnungsunfähigkeit kann bestehen insbesondere beim sog. pathologischen Rausch (RGSt. 73 12: Verbindung mit einer Gehirnerschütterung; H R R 39 1561). Zu den Abbauwerten OLG Zweibrücken DAR 1970 107; OLG Hamm DAR 1970 161 f und 1972 132: Ist der individuelle Abbauwert nicht festgestellt, so ist vom höchstmöglichen auszugehen, nach OLG Köln Blutalkohol 1976 239 außerdem davon, daß die Resorptionsphase bereits beendet war. Näher dazu BayObLGSt. 1974 46 unter Fortbildung von BGHSt. 25 246. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit infolge Trunkenheit ist im Sinne des § 267 Abs. 2 St PO ein die Strafbarkeit vermindernder Umstand: OLG Hamm NJW 1972 1149. Vgl. Rdn. 96. Ein zur Besinnungslosigkeit führender Reizhusten eines Angetrunkenen schließt Schuldfähigkeit aus: AG Braunschweig DAR 1973 191. bb) In der Hypnose (Zustand gesteigerter Suggestibilität und des Versinkens in 27 Schlummer) werden künstlich Teile der Vorstellungs- und Gefühlswelt durch Einschläferung außer Wirksamkeit gesetzt; dadurch wird bewirkt, daß die übrigbleibenden Vorstellungen und Gefühlselemente um so ungehinderter allein wirken und der Beeinflussung (Befehlen, Sinnestäuschungen) durch den Hypnotiseur, der die Verbindung mit ihnen hält, zugänglich bleiben. Näher mit Literatur Mezger S. 288, 289. Im allgemeinen lassen sich infolge des bestehenbleibenden Widerstandes durch Hypnose keine Verbrechen suggerieren. Vgl. allerdings den Fall bei Ludwig Mayer Das Verbrechen in H y p n o s e . . . (1937). Die Suggestion kann weiter auch unbewußt im wachen Zustand die normal gefaßten, ernstlichen Entschlüsse und die sich anschließenden weiteren Willensvorgänge beeinflussen und als wirksames Element des Unterbewußtseins die Willensausübung bestimmen, so daß posthypnotische Befehle als Terminseingebungen zur Ausführung kommen, ζ. B. Wundt Völkerpsychologie 9 277, Mezger ZStW 33 [1912] 876 ff. Dann verwirklicht sich nur scheinbar ein von der Gesamtpersönlichkeit gefaßter Wille, mag er auch vom Subjekt als freier Wille gefühlt werden ; in Wahrheit ist die spätere Entschließung keine Selbstbestimmung (Binding Normen 2 80). Es gilt aber auch hier die obige Einschränkung. Die sog. Autohypnose, ζ. Β. der Hysteriker, gehört in den Zusammenhang der krankhaften Vorgänge. Zum Stand der Hypnoseforschung vgl. Stokvis Hdb. Neur. Psych. 4 71 ff. cc) Eine besonders schwierige Frage ist die, ob auch durch hochgradigen Affekt 28 eine Bewußtseinsstörung nach § 20 StGB herbeigeführt werden kann. Eindrucksvolle Beispiele der Unsicherheit in Theorie und Praxis bei Schlüter NJW 1971 1070 ff. Zur Vieldeutigkeit des Begriffs und zum Unterschied des jur. vom med. Begriff der Bewußtseinsstörungen überhaupt Reckel Der medizinische Sachverständige 1970 181 ff. Zum Unfallschock bei Fällen des § 142 Spiegel DAR 1972 291, 294. Nach BGHSt. 3 194; 11 20 (mit weiteren Nachweisen) können hochgradige Zorn- und Angstaffekte die Schuldfähigkeit in seltenen Ausnahmefällen ausschließen. Der 1. und 2. Senat verlangen dabei, daß der Täter unverschuldet in den Erregungszustand geraten war, der 4. Senat läßt dies in BGHSt. 11 25 offen. Die Literatur (Maurach-Zipf AT § 36 II Β 2 b; Dreher § 20 Rdn. 10) meint überwiegend, es komme nur auf den Zustand, nicht auf seine Ursachen an. Da aber die Rspr. hier wie früher schon beim Krankheitsbegriff (BGHSt. 14 30) ohnehin das Wort des Gesetzes bis zum Äußersten dehnte (nach Welzel § 21 I 4 a sprengte sie in beiden Fällen den Grundgedanken des § 51 a. F.; ebenso aus psychiatrischer Sicht Rauch N.1W 1958 2089, 2090), ist der Rückgriff auf die ratio legis, Rdn. 13, unumgänglich.

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2. Abschnitt. Die Tat

Diese aber geht dahin, die schicksalhaft begründeten Ausnahmezustände und nur diese zu berücksichtigen; vgl. Kohlrausch-Lange Anm. X zu § 51 a. F., insbesondere aber BGHSt. (GrS) 2 194, 201: Hier (im Bereich des § 20) ist die Unkenntnis des Täters (von Recht u n d Unrecht) Folge eines unabwendbaren Schicksals. Ebenso jetzt Geilen Maurach-Festschr. S. 192 und im wesentlichen Rudolphi-Horn-SamsonSchreiber (SK AT) § 2 0 Rdn. 11, 12. Eingehend Lange, Bockelmann-Festschr. (1978). Wie hier ferner de Boor Bewußtsein S. 287, dagegen Thomae-Schmidt H a n d b u c h der Psychologie 11 (1967) S. 348. Auch die rechtspolitischen Bedenken, die BGHSt. 11 25 darlegt, sprechen gegen eine Ausdehnung dieser Ausnahme auf verschuldete Affekte. Vgl. hierzu ferner BGHSt. 6 332; 7 327; 8 125; 23 133 (Rdn. 70); Schwalm M D R 1960 537. Doch m u ß sich die Verschuldung eng auf die im „Affektsturm" begangene Tat beziehen. Das ist ζ. B. nicht der Fall bei Unfallflucht aus Angstaffekt und Schockreaktion (vgl. O L G Köln N J W 1967 1521), die durch einen verschuldeten Unfall ausgelöst wurde. 29

Die hier f ü r die biologische Basis der Zurechnung vertretene Auffassung wird jetzt dadurch bestärkt, daß die Einsichtsfähigkeit durchweg nach der allgemeineren Regelung des Verbotsirrtums beurteilt wird, vgl. ζ. B. Sch.-Schröder-Lenckner § 20 Rdn. 27. Diese verlangt aber ausdrücklich Unverschuldetheit für die Exkulpierung. Vgl. Rdn. 58 und 79. In der gleichen Richtung liegt es, daß die selbstverschuldete Trunkenheit im Bereich des § 21 durchweg als strafschärfend beurteilt wird, BGH N J W 1953 1760; OGHSt. 2 325, 327. Vgl. Rdn. 24, Rdn. 101. Der Einwand von Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 117: wer auf Selbstverschulden abstelle, vermenge in methodisch unzulässiger Weise die „biologischen" Voraussetzungen der Schuldfähigkeit mit normativen Elementen der Vorwerfbarkeit, übersieht 1.), d a ß dies ohnehin durch die Hereinnahme der Maßstäbe des Verbotsirrtums geschieht, und 2.) d a ß Schuld auf der ganzen Linie da beginnt, wo die Unfähigkeit, den Rechtsbruch zu vermeiden, nicht schicksalhaft bestimmt war. Zu diesen Fragen zutr. Geilen Maurach-Festschr. S. 173 ff, 190 ff; gegen ihn v. Winterfeldt N J W 1975 2231.

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3 c) Tiefgreifend i. S. der §§ 20, 21 ist die Bewußtseinsstörung nur dann, wenn sie einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig ist (zutr. Lenckner Sch.-Schröder § 20 Rdn. 14). Dieser den entscheidenden normativen Gesichtspunkt klarer ausdrückende Begriff wurde wegen der verschiedenen Genese aufgegeben. Es kommt aber auf die Auswirkungen an: die entscheidende Beeinträchtigung, Zerstörung, Erschütterung des Persönlichkeitsgefüges. Zu den Mat. des Sonderausschusses vgl. v. Winterfeldt a a O S. 2230 und Dreher § 20 Rdn. 10. Die Prot, zeigen das methodologische Mißverständnis, daß der gesetzliche Begriff an die empirische Ätiologie gebunden sei. Näheres Rdn. 115.

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3 d) Schwachsinn und schwere andere seelische Abartigkeiten. Das sind seelische Abnormitäten als Spielarten seelischen Wesens außerhalb eines aktuellen körperlichen Einbruchs und außerhalb einer auf ihm beruhenden seelischen „Entwicklung". Abnormitäten sind in ihrem Sosein, u n d in dem, „wie Seelisches aus Seelischem hervorgeht", grundsätzlich „verständlich". Je nachdem sich diese seelische Abnormität mehr auf Seiten des Verstandes, des Intellekts oder mehr auf Seiten des Gefühls- und Willenslebens äußert, unterscheidet das Gesetz: 32 aa) Schwachsinn. Darunter versteht die Neufassung des Gesetzes Störungen der seelischen Entwicklung im Gebiete des Intellekts. Herkömmlicherweise unterscheidet man näher zwischen „Idiotie" bei solchen Schwachsinnigen, deren geistige Ent(24)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

Wicklung diejenige eines Kindes im 6. Lebensjahr nicht erreicht, „Imbezillität", wenn der Geisteszustand des erwachsenen Kranken demjenigen eines Kindes bis zum Beginn der Pubertät entspricht, und „Debilität", wenn die geistige Entwicklung nicht zu jenem Abschluß kommt, der beim normalen Menschen mit dem Ende der Pubertät eintritt. Häufig verbindet sich der Schwachsinn mit anderen Formen geistiger Störung, namentlich mit psychopathischer Persönlichkeitsartung. Eingehend Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 131-137, GöppingerYLüm? S. 150 ff. Zu unterscheiden sind ferner ursächlich der angeborene und der erworbene 33 Schwachsinn, der entweder auf organische Schädigung (Entwicklungshemmungen) zurückgeht oder als Alterswirkung während des Abstiegs auftritt; er erfaßt die Verstandesfunktionen im Sinne einer Schwächung des Urteilsvermögens, so daß die Befallenen zu höheren ethischen Begriffen und zu selbständigen Leistungen — zumal in ungewohnten Lagen — außerstande sind. Dem erworbenen (exogenen) Schwachsinn liegt vielfach ein frühkindlicher Hirnschaden und daher auch eine krankhafte seelische Störung zugrunde. Hierzu ¿fresser Gerichtl. Psychiatrie S. 107, 130 f, 262 ff. Im übrigen kommt bei Beurteilung des Schwachsinns alles auf den Einzelfall an; dabei werden allgemein die charakterliche Entwicklungsstufe, die soziale Lebensführung und Leistungsfähigkeit auf der einen Seite, die Verbindung mit psychopathischen Elementen (gesteigerte Reizbarkeit, Stimmungslabilität usw.) andererseits von Bedeutung; speziell aber fallen zu dem Einzelvorgang hinzutretende Alkoholschädigungen, Verstimmungszustände, Affekte und dgl., wodurch die Widerstandskraft herabgesetzt wird, ins Gewicht. Gleiche Erwägungen gelten bei sinkender Lebenskurve für die Altersschwäche. Auch sie kann sich infolge der Rückbildung auf kindliche Bewußtseins-, Lebens- und Reaktionsstufen (Senilismus) bis zur Schuldunfähigkeit steigern: RGSt. 73 121 ; HRR 39 56, 187; BGH NJW 1964 2213. bb) Psychopathien (abnorme Persönlichkeiten). Grundlegend Kurt Schneider Die 34 psychopathischen Persönlichkeiten 9 , dazu Mezger Kurt Schneider-Festschr. (1947) S. 208 ff und jetzt GöppingerKrim.l S. 152 ff; dort das „wunderliche Bild" der grundverschiedenen Schätzungen ihrer Häufigkeit. Übersicht bei Waider GA 1967 193. Über Weiterentwicklung und Modifikationen des Begriffs vgl. die Rdn. 35—41. Vor allem für die abnormen Persönlichkeiten gilt die Gefahr des „Zirkelschlusses: Eine Mehrzahl von erheblichen Rechtsbrüchen spricht für eine schwere seelische Abartigkeit und diese wiederum führt zur Annahme einer Schuldfähigkeitsminderung. Eine solche Konsequenz kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein" (Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 264). Bei den Psychopathien handelt es sich im Gegensatz zum Schwachsinn um Stö- 35 rungen und Abnormitäten nicht so sehr auf dem Gebiet des Intellekts als auf dem Gebiete des Geföhlslebens, des Willens und des Charakters. Dabei handelt es sich vorwiegend, aber nicht nur, um anlagemäßig gegebene Abartigkeiten (Bresser spricht deshalb im Anschluß an Witter von neurotisch-psychopathischen Zustandsbildern: Gerichtl. Psychiatrie S. 196 ff, vgl. auch S. 105 Anm. 13), während stationäre Zustände als Folge überstandener Geisteskrankheiten oder sonstiger körperlicher Einwirkungen hier ausscheiden. Doch müssen wir uns davor hüten, hier allzu starre Grenzen zu ziehen. Im allgemeinen ist diese Gruppe gekennzeichnet durch gleichbleibende Eigenart der Persönlichkeit, nicht durch bloß vereinzelt abnorme Reaktionen auf außergewöhnliche Erlebnisreize und Situationen. Für die heutige Unsicherheit der Abgrenzung von Psychopathie und Neurose kennzeichnend die C5)

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2. Abschnitt. Die Tat

Zitate bei Bresser aaO S. 197 Anm. 169. Vgl. Rdn. 37, 42 ff. Wertvoll der Hinweis von Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 988 (im Anschluß an Petrilowitsch, vgl. Rdn. 37) auf das mit dem Lebensalter zunehmende Strukturelement der (psychopathischen) Persönlichkeit. 36

Die Übergänge innerhalb der verschiedenen Formen der Psychopathien wie die Übergänge zur Norm sind fließend. Dabei verstehen wir unter Psychopathen „abnorme Persönlichkeiten", also Menschen, die in der Anlage ihres Charakters, ihres Gefühls- und Willenslebens von der „Norm" abweichen und sich im Leben als „ Versager" oder als „Störet erweisen. Jene Norm ist dabei zunächst als tatsächliche Durchschnittsnorm zu denken; doch ergibt sich bei näherem Zusehen, daß sie endgültig und in ihren Grenzbezirken, wenn auch nicht wertend, so doch mindestens wertbezogen bestimmt werden muß. Kurt Schneider kennt zehn Grundformen, zwischen denen freilich mannigfache Übergänge stattfinden: die hyperthymischen, depressiven, selbstunsicheren (sensitiven und zwangsneurotischen, bei ihm „anankastischen"), fanatischen, geltungssüchtigen, stimmungslabilen, explosiven, gemütlosen, willenlosen und asthenischen Psychopathen. Dieser Einteilung folgten schon 1951 Frey Der frühkriminelle Rückfallverbrecher und heute wieder Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 990; Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 201 ff; vgl. aber auch die Sonderformen S. 216 (Vogel-Strauss-Verhalten). Zu Einzelfragen Rdn. 67.

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Durch das Vordringen der Neurosenlehre, die gegenüber dem beim Psychopathen akzentuierten Anlagemoment die Umweltfaktoren betont, zeitweilig fragwürdig geworden, hat der Psychopathiebegriff in letzter Zeit eine Wiederbelebung erfahren. Dazu Kranz Hdb. Neur. Psych. 1 286: „Die psychopathische Persönlichkeit i s t . . . kein Phantom, sondern eine dem Leben sine ira et studio abgelauschte Faktizität". Auch Bresser (Gerichtl. Psychiatrie) kehrt trotz Bedenken (S. 86, 102) zum Psychopathenbegriff von Kurt Schneider mit leichter Modifikation zurück (S. 204 ff). Ebenso schon Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 988 ff unter Auseinandersetzung mit angelsächsischen Psychopathiebegriffen. Vgl. jedoch auch Rdn. 34 und Rdn. 42. Zur Abgrenzung von Psychopathie und Neurose vgl. Stumpfl Hdb. Neur. Psych. 2 1 ff (kritisch gegenüber dem Psychopathiebegriff). Instruktiv Petrilowitsch Abnorme Persönlichkeiten (1960) mit umfassender Würdigung des gegenwärtigen Standes der Psychopathologie, genauer Darstellung der einzelnen abnormen Persönlichkeitstypen und Auseinandersetzung mit den Anlage- und Umwelttheorien auf diesem Gebiet (S. 132 ff). Neuaufnahme des Psychopathiebegriffs durch Eysenck Crime and personality (1964). Zur Beeinflußbarkeit des Psychopathen durch Strafe Schmideberg MschrKrim. 1966 145, 147. Über Pseudopsychopathie nach (nicht psychotischen) Erkrankungen: Bittner MschrKrim. 1968 115. Hierzu ferner Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 995, 1007.

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Rauch, der in der Exkulpation von Psychopathen einen Bruch mit der Grundvoraussetzung des Schuldstrafrechts sieht, fordert, daß aus dem objektiv beobachtbaren Verhalten des Täters bei der Tat seine Steuerungsunfähigkeit eindeutig hervorgehe (NJW 1958 2090). Witter warnt vor der Tendenz der Gerichte, simplifizierende Modellvorstellungen (das Ich werde vom Es überrannt u. dgl.) als empirischen Nachweis der Steuerungsunfähigkeit anzusehen: NJW 1959 1574; Hdb. for. Psychiatrie 2 993 ff, 995 unter dem Gesichtspunkt der Verantwortungsfähigkeit und der Sühnefähigkeit. Fast immer ist nach ihm die Verantwortlichkeit zu bejahen. Ebenso, noch entschiedener, Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 215 f. Schon Kólle betont, daß Psychopathen nach beinahe einmütigem Urteil der deutschen Psychia(26)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

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ter grundsätzlich nur in besonderen Ausnahmefällen zu exkulpieren sind (NJW 1960 2224). Über die auch hier eingreifenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Psychologen und Psychiatern Rdn. 21. Von besonderer forensischer Bedeutung ist der „Verkehrspsychopath". Dazu im 39 einzelnen G. Wolf Hdb. for. Psychiatrie 2 1442 ff mit weiteren Nachweisen. Er betont nachdrücklich dessen gesteigerte Gefährlichkeit. Äußerst problematisch bleibt auch im neuen Recht die von BGHSt. 14 30 (dazu 40 im einzelnen Rdn. 46, 47) versuchte grundsätzliche Unterscheidung zwischen psychopathischen Charakterzügen mit der Folge gänzlicher Exkulpation oder erheblicher Schuldminderung auf der einen, nicht zu berücksichtigenden Charaktermängeln auf der anderen Seite. Der BGH hat sich von namhaften Psychiatern wie Ritter von Baeyer, Haddenbrock, Rauch, Selbach, Witter u. a. sagen lassen müssen, daß diese Unterscheidung unmöglich sei. In der Tat muß schon die Formulierung, daß „Willensschwäche und sonstige reine Charaktermängel" die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließen, verwirren. Denn hochgradige Willensschwäche ist eine Psychopathie; diese soll aber nach BGH u. U. zum Ausschluß der Zurechnungsfähigkeit führen, auch wenn sie nicht selbst Folge einer krankhaften seelischen Störung ist. Richtig ist — und das könnte die Differenzierungen des BGH stützen —, daß die Psychopathentypen von Kurt Schneider, auf dessen Lehre sich bei uns im wesentlichen noch heute die Psychiatrie stützt, keineswegs wertend, sondern rein psychologisch bzw. psychopathologisch konzipiert worden sind. Aus der Medizingeschichte ist aber bekannt, daß auch wertfrei entworfene Begriffe dazu tendieren, mit sozialen Bewertungen eingefärbt zu werden. Das klassische Beispiel hierfür ist der Begriff der Hysterie, der u. a. deshalb von der Medizin heute nicht mehr gebraucht wird. So ist es auch dem Begriff des Psychopathen ergangen. Vgl. hierzu Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 493 ; 2 988 ff mit Hinweis auf die angelsächsische Psychiatrie. Bemerkenswerterweise hat der BGH da, wo dem Angeklagten nicht aufgrund 41 der Psychopathie Straffreiheit oder Strafminderung gemäß § 51 a. F. zugute kommen sollte, sondern wo es darum ging, ob er, zusätzlich zur Bestrafung, nach § 42 b a. F. untergebracht werden sollte, die Neigung gezeigt, nicht seine Abartigkeit, sondern seine Charaktermängel in den Vordergrund zu stellen. So namentlich in NJW 1958 2123 und 1966 1871. In beiden Fällen wurde selbst die verminderte Zurechnungsfähigkeit unter diesem Gesichtspunkt vom BGH entgegen den Vorinstanzen verneint. Im zweiten Fall konzediert tier BGH der „neurotischen Überempfindlichkeit" eines „sensitiven Querulanten" einen „gewissen Krankheitswert", der bei typischen Querulantendelikten erheblichen Einfluß auf seine Hemmungsfähigkeit haben möge; bei seinem Mordversuch an einejn Beamten sei jedoch die Hemmungslosigkeit in erster Linie Ausfluß seiner Charaktermängel gewesen. cc) Neurosen. Der Begriff der Neurose, unter der man allgemein eine abnorme 42 Erlebnisreaktion versteht, ist so umstritten, daß er forensisch nur mit äußerster Vorsicht und unter genauer Bestimmung des Standortes, den der jeweilige Sachverständige einnimmt, verwendbar erscheint. Das hier gegebene „diagnostische Dilemma" (Friedemann Hdb. Neur. Psych. 2 343) wird auch dem Außenstehenden deutlich, wenn auf der einen Seite Speer sich zum „nahtlosen Übergang von Neurosen zu Psychosen bzw. zu ihrer nur quantitativen Unterscheidbarkeit" bekennt (nach Kranz Hdb. Neur. Psych. 2 277), an anderer Stelle (Hdb. Neur. Psych. 3 426) aber die „'Neurose' eine ganz banale Lebenserscheinung" nennt. (27)

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2. Abschnitt. Die Tat

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Nach Speer gibt es keine „neurotischen Strukturen", wir alle sind ohne Ausnahme neurosefähig (Hdb. Neur. Psych. 3 429). Zutt formuliert: „Das, was man Neurose n e n n t , . . . ist streng genommen ein Zug jeden menschlichen Lebens. Jeder ist auch ein Neurotiker" (Psychoanalyse und Medizin, FAZ vom 7. 6.1960). Für Meng (Hdb. Neur. Psych. 4 469) hingegen sind „Neurosen psychophysische Erkrankungen der Gesamtpersönlichkeit". Sie seien Folgen eines Uneinsseins mit sich selbst, das seinerseits auf frühkindlichen ungelösten oder mangelhaft bewältigten Konflikten beruhe. Diese Konflikte seien teilweise bedingt durch die normale biologische Entwicklung des Menschenkindes bei seinem Versuch, sich aus einem Trieb- und Naturwesen zu einem Kulturmenschen zu entwickeln. Demgegenüber betont Hirschmann: „Der neurotische Mensch ist keineswegs immer auch ein kranker Mensch. Unter 'krank' verstehen wir die Abänderung des ursprünglich normalen Seelenlebens durch psychotische, hirnorganische, infektiöse, toxische, endokrine, physikalische, stoffwechselbedingte Einwirkungen. 'Abnorm' ist nicht gleichzusetzen mit 'krank', wie man das in der Neurosenliteratur leider häufig liest" (Hdb. Neur. Psych. 2 98). Zu diesen Widersprüchen Lange Hdb. Neur. Psych. 5 442—444. 1976 stellt Bresser Gerichtliche Psychiatrie S. 199 im Anschluß an Weitbrecht ein „Begriffs-Tohuwabohu um die Neurose" und Schätzungen über ihre Häufigkeit zwischen 1 % und 90 % fest. Nach Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 996 handelt es sich hier um geistesgesunde, weitgehend normale Personen, die unter besonderen äußeren Bedingungen ausnahmsweise und vorübergehend zu einem abnormen Verhalten gekommen sind. Damit wird aber der Gegensatz zu den abnormen Strukturen der Psychopathen (Rdn. 35) wieder deutlich.

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Alle dreiför den Juristen wesentlichen Grenzen sind danach im Neurosebegriff völlig strittig: von der Auffassung als Krankheit (mit der Rechtsfolge der völligen Exkulpation) über die als Abartigkeit (mit der Folge zumindest möglicher Strafmilderung) bis zu der der Ubiquität und Normalität, also der ungeminderten Verantwortlichkeit, treffen wir alle denkbaren Möglichkeiten an, und zwar als jeweils exklusiv vertretene. Das ist verständlich, da die forensischen Probleme für die Neurosenlehre ganz am Rande liegen. Man muß sich aber der Verständigungsschwierigkeiten bewußt werden, die sich zwischen Richter und Sachverständigem je nach dessen Standort hieraus ergeben. Denn alle diese Gegensätze verbergen sich oft unerkannt in dem Wort „Neurose", bei dem manche Richtungen das exkulpierende Moment der Krankheit schon mitverstehen. Aus der peripheren Stellung der forensischen Fragen ergibt sich weiterhin, daß die für den Juristen fundamental gegensätzlichen Begriffe „Konflikt" — als einer zu bestehenden und zu verantwortenden Lebensbegegnung und -entscheidung — und „Neurose" nicht immer scharf und gleichartig geschieden werden. Überdies täuscht das Wort „Neurose" eine begriffliche Einheit vor, die weder forensisch noch auch nur strukturell besteht. Aufschlußreich dafür ist die von J. H. Schultz entwickelte, von Lange Hdb. Neur. Psych. 5 444 und Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 199 aufgenommene Differenzierung von Fremdneurosen, Randneurosen, Schicht- und Kernneurosen, von denen höchstens die beiden letzten forensisch in Betracht kommen dürften. Vgl. zu diesen Unterscheidungen Friedemann Hdb. Neur. Psych. 2 344. Gegen die unterschiedslose Verwendung des Neurosebegriffs nachdrücklich auch Petrilowitsch Abnorme Persönlichkeiten S. 47 ff : „Zauberformeln". P. unternimmt S. 51 im Anschluß an Bindere ine Unterscheidung des problematischen Brückenbegriffs „Charakterneurose" von dem der abnorm strukturierten Persönlichkeiten: Konkretisierbare Erlebnisreaktionen einerseits, allgemeine (28)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

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Grundeigentümlichkeiten andererseits. Vgl. ebendort S. 39 ff gegen die Ablösung des Psychopathiebegriffs durch den der Neurose und S. 176 ff die eindrucksvolle Warnung vor den — auch forensisch zunehmend angebotenen — therapeutischen Methoden, die die Verantwortungsfähigkeit psychopathischer und neurotischer Täter lähmen statt sie zu entwickeln. Nach Göppinger Krim. 3 S. 163 ist hier das gesicherte Wissen noch gering. Zur gegenwärtigen Ausweitungstendenz Bräutigam Begriff, Erlebnisweise und 4 5 Genese der Neurosen, Nervenarzt 36 (1965) 56 ff sowie Hdb. for. Psychiatrie 1 788 ff, insbes. über die Neigung mancher Therapeuten, jedes sozial unangepaßte Verhalten als neurotisch zu werten und die Psychopathien, aber auch die Psychose als Neurosevariante einzubeziehen. Gegen das unzulängliche Menschenbild, das unter solchen Einflüssen auch die Rspr. (insbes. des BSG) bei Neurotikern zugrunde legt, Witter NJW 1963 1691. Verglichen mit der Psychopathie ist die neurotisch bedingte Delinquenz selten. Einzelfälle bei Phillip und Wilschke MschrKrim. 1966 212. Vgl. aber Rdn. 35 zur Annäherung beider Begriffe. Sehr klar Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 1003: bei begrenzter Begriffsbestimmung der Neurose kaum jemals Zweifel an der Verantwortungs- und Sühnefähigkeit; sehr zweifelhaft, ob kriminelle Handlungen als Zwangshandlung im Rahmen von Zwangsneurosen überhaupt vorkommen. Scharfe Trennung von Psychopathie und Neurosen nach wie vor bei GöppingerKnmß S. 152 ff, 161 ff. dd) Triebdelikte. An ihnen hatte der BGH nach bisherigem Recht die ungeheure 46 Ausweitung des juristischen Begriffs der krankhaften Störung der Geistestätigkeit entwickelt. Diese Linie der Rechtsprechung kulminierte in BGHSt. 14 30. BGHSt. 19 204 verstand unter Krankheit auch den Zustand, „daß ein hochgradig abartiger Geschlechtstrieb schwere leib-seelische Folgen und Enthemmtheit zumindest i. S. von § 51 Abs. 2 bewirkt, ohne daß sich als Ursache eine organische Erkrankung nachweisen ließe". Lediglich gegenüber der älteren Entscheidung M D R 1955 368 bedeutete die spätere Rechtsprechung insofern eine Einschränkung, als die dort gewählte Fassung, bloße Charaktermängel oder sittliche Schwächen ließen die Anwendung des § 51 nicht zu, in BGHSt. 14 30 bewußt verlassen wurde, weil der Eindruck vermieden werden sollte, als halte der BGH eine Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit immer schon dann für gegeben, wenn der Täter nicht nur aus überwindbarer Willensschwäche oder aufgrund eines sonstigen Charaktermangels fehlte (Martin zu LM Nr. 11). BGHSt. 14 30 unterschied grundlegend naturwidrige geschlechtliche Triebhaftig- 47 keit, die schon exkulpieren könne, selbst wenn der naturwidrige Trieb nur von durchschnittlicher Stärke sei, und unüberwindbar stark ausgeprägte normale Triebhaftigkeit. Schon diese Unterscheidung ist empirisch fragwürdig. Der Schweizer Psychiater Wyrsch hat bemerkt, durch Freud hätten die Perversionen ihren Charakter als Krankheit verloren, da sie nach ihm ursprüngliche Bausteine der menschlichen Sexualität überhaupt sind. Abgesehen davon ist unter den Sexualforschern der Zwangscharakter der Perversion bis in die Wurzel hinein strittig. Giese erklärt: sexuelle Perversionen sind Krankheiten im medizinischen Sinne, die einer Heilbehandlung bedürfen. Der Schweizer Psychiater Boss sagt demgegenüber: „Es läßt sich geradezu behaupten: je zwangsfreier ein kleptomanes Stehlen auftritt, um so einwandfreier ist es sexuell pervers". HD

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2. Abschnitt. Die Tat

Die Erfahrung lehrt, daß die allermeisten Pervertierten im Gegensatz zu den Anankasten, die unter ihrem Zwang leiden, nicht den Wunsch haben, von ihrer Sonderheit befreit zu werden. Das gilt insbesondere von den Homosexuellen. Bei ihnen wiederum stehen sich bis heute die — in BGHSt. 14 30 angesprochenen — Meinungen darüber, ob sie überwiegend anlage- oder umweltbedingt handeln, schroff gegenüber. Aufgrund der Kallmannschen Zwillingsuntersuchungen (bei Homosexualität des einen eineiigen Zwillings war stets auch der andere Zwilling homosexuell) erklärt ζ. B. der Konstitutionsbiologe Schlegel 90 % der Homosexuellen für anlagebestimmt. Der Psychoanalytiker Brocher tritt dem scharf entgegen : entscheidend seien frühkindliche Erlebnisse. Darüber hinaus wird die Homosexualität als „weder Verbrechen noch Krankheit" für eine Sonderheit des Menschseins in Anspruch genommen (anthropologische Deutung). Vgl. jetzt Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 217 ff; Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 497. Auf psychoanalytischer Grundlage — Einflüsse von dieser Seite haben offensichtlich zu der Ausweitung des Krankheitsbegriffs in § 51 a. F. entscheidend beigetragen — kann ferner die Perversion nicht auf eine Stufe mit der Neurose gestellt werden. Sie ist vielmehr das genaue Gegenstück. Nach Freud wird gerade die nicht ausgelebte Perversion, etwa Blutschande, durch Verdrängung eine Neurose. Die Situation der empirischen Wissenschaften auf diesem Feld wird gekennzeichnet durch das Eingeständnis der Sexualforscher, die sich am intensivsten mit den forensischen Grenzfragen beschäftigt haben, beispielsweise Bürger-Prinz, Giese, Bräutigam, daß man hier noch ganz am Anfang stehe. Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 217 stellt fest, daß ein einheitlicher Oberbegriff für die Triebanomalien fehlt, Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 496 will manche Fälle mehr dem „Psychopathischen", andere mehr dem „Neurotischen" zuordnen. Ebenso skeptisch GöppingerKrim? S. 167 f. 48

3 e) Unter diesen Umständen verbieten sich auch für das neue Recht, das lediglich eine terminologische Entlastung des Krankheitsbegriffs bringt, so daß die Schwere der Abartigkeit Krankheitswert haben muß (hierzu Witter Lange-Festschr. S. 733), generalisierende Urteile, insbesondere nach der Seite einer undifferenzierten Exkulpation, von vornherein. Möglicherweise ergibt sich für Triebdelikte eine Grenzlinie da, wo die Perversion oder auch die normale Sexualität Suchtcharakter annimmt. Dazu gehören nach Giese insbesondere das Überwuchern einzelner Teilqualitäten, die Übersteigerung der Phantasietätigkeit und der körperlichen sexuellen Frequenz, dranghafte motorische Unruhe, Flüchtigkeit, Progression, Anonymität der Beziehungen. In solchen Fällen wird es so liegen wie in den von Giese berichteten, bei denen der sinnliche Reiz Signal für den Perversen sein kann wie die Glocke für den Pawlowschen Hund. Andererseits kann aber auch das Sexualdelikt rationalisiert sein, wie in dem von Bürger-Prinz berichteten Fall der Massenhomosexualität von Honoratioren einer Kleinstadt aus Langeweile oder den Fällen, in denen sich der Täter längst vor Entstehen der Drangsituation auf einen Kinderspielplatz begibt, auf dem die Kinder erst Stunden später eintreffen. Kritisch zum Erkenntniswert des Suchtbegriffs Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 225 f, der im übrigen S. 52 betont, daß die Triebabnormalität niemals ausschließlich anlagebedingt ist. Starke Triebkraft findet sich jedoch meist bei Notzuchtstätern, geminderte oft bei Exhibitionismus oder sexuellen Handlungen an Kindern (S. 223). Katastrophale Fehlbeurteilungen, bei denen schwerste Sexualverbrechen an Kindern zu Protesthandlungen gegen eine überstrenge Mutter verharmlost werden (30)

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oder eine Serie von Autodiebstählen, unterbrochen durch einen Mordversuch, zur vollen Exkulpation empfohlen wird, weil es sich um unwiderstehliche Sucht, um technische Onanie gehandelt habe, hat Rauch Kurt Schneider-Festschr. (1962) S. 312 kritisch beleuchtet. Hierzu und zum Vorstehenden im einzelnen Lange Beiträge zur Sexualforschung 28 (1963) 1 ff und Strafrechtsreform (1972) S. 91 ff.

4. Einzelfragen a) Der Begriff des moralischen Irreseins (moral insanity) ist mit dem Monoma- 4 9 niebegriff überhaupt längst obsolet geworden. So Janzarik Hdb. for. Psychiatrie 1 592, 602; Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 56. b) Die Frage, ob es trotz Bestehens einer Geisteskrankheit eine partielle Schuld- 50 fähigkeit geben könne, d. h. ob der Geisteskranke für bestimmte Lebenskomplexe und die damit in Verbindung stehenden Deliktsgruppen — unbeschadet seiner Schuldunfähigkeit im übrigen — verantwortungsfähig bleibt, wird heute von Rspr. und Lit. im Anschluß an die „fast einhellige Meinung in der Psychiatrie" (Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 107) bejaht; mit Recht, da für einfache Deliktstypen wie Diebstahl Einsichts- und Hemmungsfähigkeit erhalten sein, für kompliziertere wie z.B. Hehlerei aber fehlen kann. BGHSt. 14 116 erkennt grundsätzlich an, daß insbes. das Hemmungsvermögen für ein Delikt vorhanden sein, für ein anderes fehlen kann (Fall des § 330 a). c) Damit steht ein anderes Problem im Zusammenhang: kann die Schuldfähig- 51 keit in den Anfangsstadien einer sich langsam entwickelnden Psychose bestehen? In diesen Anfangsformen kann in der Tat in seltenen Ausnahmefällen die ausgebrochene Krankheit den seelischen Sinnzusammenhang und damit die Schuldfähigkeit ganz oder teilweise noch unangetastet lassen. Allerdings bedarf es einer die weitere Auswirkung der Krankheit mit Sicherheit ausschließenden Feststellung; denn die Krankheit könnte sich schon in der Straftat fühlbar gemacht haben. Im Zweifel ist Schuldfähigkeit zu verneinen. Die Frage ist an Hand eines Falles beginnender Paralyse erörtert bei Mezger Probleme S. 10 ff. Näheres Rdn. 65. d) Ist die Krankheit einmal voll zum Ausbruch gekommen, so spricht die Vermu- 52 tung für den Fortbestand auch bei periodischem Abklingen der Krankheitserscheinungen, also bei sog. Remissionen. Zu warnen ist vor der veralteten Lehre von sog. lichten Zwischenräumen (lucida intervalla) in dem Sinne, daß in diesen Zeiten die psychische Persönlichkeitsschädigung entfiele und der Kranke wieder die Schuldfähigkeit erlangte; die neuere Wissenschaft erkennt diese Lehre nicht mehr an. Ist die Heilung eines Krankheitsprozesses eingetreten, so können gewisse Defekte zurückbleiben (sog. postpsychotische Defekte i. S. seelischer Verstümmelungen, etwa nach Kopfgrippe oder als Residualwahn). Ob sie die Schuldfähigkeit ausschließen, ist Tatfrage, wobei der Zusammenhang mit der früheren Charakterlage des Täters bedeutsam wird ; im Zweifel ist die Schuldfähigkeit zu verneinen. Ebenso verhält es sich, wenn eine Geisteskrankheit zum Stillstand kommt und sich dabei sog. stationäre Krankheitszustände (z. B. bei Paralyse vermöge der Fiebertherapie oder bei Schizophrenie) ergeben. Die Frage der Paralyseheilung hat Mezger Probleme S. 14 besprochen; die Schuldfähigkeit ist hier nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Beivorübergehender Erkrankung gibt es auch eine nur „temporäre Schuldunfähigkeit' {Mezger Probleme S. 291); vgl. Rdn. 73, 100. (31)

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2. Abschnitt. Die Tat

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e) Zu den früher als selbständige Erscheinungsformen geistiger Störung geschilderten Monomanien vgl. Rdn. 49. Eine isoliert auftretende Pyromanie (Brandsucht) wird ζ. B. von Stumpfl für möglich gehalten, mag sie auch selten sein. Göppinger (Krim. 3 S. 158) unterstellt solche Drangtäter den Psychopathien (Stimmungslabilen); Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 60 ff; Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 445; 2 1003 und Bräutigam Hdb. for. Psychiatrie 1 793 (dieser unter dem Aspekt des Atavismus und der sexuellen Aggression) rechnen sie zu den Triebstörungen. Die Poriomanie (Wandertrieb) ist kriminell nicht bedeutsam. Zur sog. Kleptomanie vgl. Rdn. 54.

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Die Frage der Kleptomanie wird heute wie die der übrigen „Manien" beantwortet, vgl. Rdn. 53. Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 57: „Der Aneignungstrieb verselbständigt sich" (mit Fällen „grotesker Stehlsucht", die uns „vor die Rätselhaftigkeit menschlichen Handelns stellen", mit „spekulativen Konstruktionen aber nicht gelöst werden können"). Vgl. ebendort S. 173, 192. Kritisch zu den Diebstählen nutzloser oder überflüssiger Sachen Rasch-Petersen, vgl. Rdn. 114. Im praktisch wichtigsten Fall, dem Diebstahl in Selbstbedienungsläden, wirkt bei vielen Richtern noch die alte Manievorstellung nach, wie eine Untersuchung von Dorothee Peters zeigte; dazu Lange Der Ladendiebstahl — ein Ort wissenschaftlicher Verwirrung, Jahrreiß-Festschr. (1974) S. 117, 123 ff. Tatsächlich wird die ungeheure Masse der Ladendiebstähle durchaus rational, vielfach planmäßig vorbereitet und bandenmäßig organisiert begangen (Lange aaO S. 126 ff), und zwar überwiegend von männlichen Tätern; vgl. dazu Cremer Untersuchungen zur Kriminalität der Frau (1974) S. 83 ff, 185 ff (die Verhältniszahlen zwischen männlichen und weiblichen Tätern haben sich inzwischen verschoben). Der Versuch, die alte Manietheorie durch neue Namen wie „haptische Zwänge" wieder zu beleben, ist gescheitert; vgl. Bresser aaO S. 57 ff sowie Lange-Festschr. S. 668 ff. Zum älteren Schrifttum vgl. LK 9 . W. F. J. Krause MschrKrim. 1963 49 ff lehnt den Begriff der Kleptomanie ab; er ist auch gegenüber einem „triebhaften Stehlen" skeptisch. Stehlakte mit sexuellen Erregungen seien überaus selten und Stehlakte als Entladungsreaktionen aus unbestimmten Drangzuständen könnten eher in eine „kurzphasische endogene Verstimmung mit agitierter Färbung" eingeordnet werden. Eine auffällige Häufung von Ladendiebstählen bei einer bisher unbestraften Frau mittleren Alters kann Anlaß zur Prüfung der §§20, 21 geben: OLG Köln M D R 1975 858; vgl. Rdn. 101.

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0 Geistige Störungen werden oft vorgetäuscht (simuliert) entweder in Gestalt von Tobsuchtsanfällen oder als Apathie. Gelegentlich werden auch geistige Störungen, ζ. B. Melancholie oder chronischer Wahn, versteckt (dissimuliert), damit nicht der Kranke aus der Reihe der Zurechnungsfähigen gestrichen werde. Vgl. Mezger Simulation und Dissimulation von Geisteskrankheiten, MschrKrimPsych. 10 (1913/14) 585 ff.

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5. Die sog. psychologischen Grundlagen des Gesetzes. Schuldunfähig ist der Täter, wenn er wegen krankhafter seelischer Störung (Rdn. 14 ff), wegen tiefgreifender (Rdn. 30) Bewußtseinsstörung (Rdn. 22 ff) oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (Rdn. 31 ff) „unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln". 57 Schon bei den Grundlagen der Schuldunfähigkeit (Rdn. 12 ff) ist die Mitwirkung des Richters bei der Beurteilung nirgends auszuschalten. Aber doch steht dort zunächst die Tätigkeit des psychiatrischen und psychologischen Sachverständigen (32)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

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im Vordergrund. Es ist der Vorzug der sog. biologisch-psychologischen Methode (Rdn. 12), daß sie diese Arbeitsteilung zwischen Richter und Sachverständigem in ein gewisses Programm bringt. Denn bei jenen „biologischen" Merkmalen handelt es sich weitgehend um Anwendung der Erfahrung, vor allem der klinischen Erfahrung auf dem Gebiete der abnormen Seelenzustände, also um eine „beschreibende (deskriptive)" Tätigkeit, während bei dem „psychologischen" Merkmal, das hier zur Besprechung steht, eine Bewertung des festgestellten Sachverhalts unter rechtlichen Gesichtspunkten in Frage kommt, also eine „wertende (normative)" Tätigkeit. Dadurch ergibt sich dort ein gewisses Übergewicht des Sachverständigen, hier ein solches des Richters. Aber es wäre verkehrt, feste Grenzen ziehen zu wollen. Siehe dazu Mezger Kriminalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) 71—83 sowie Rdn. 107 ff. Es wäre falsch, wollte man das Gebiet der „Erfahrung" ganz dem Sachverständigen, das der „Wertung" ganz dem Richter zuweisen; denn zu der gewiß unentbehrlichen und spezifischen klinischen Erfahrung des ärztlichen Sachverständigen tritt notwendig ergänzend die forensisch-kriminologische Erfahrung des Richters, über die der „Sachverständige" nicht in demselben Maße verfügt. Dies betont besonders Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 75, 103, 118 ff. Vor allem aber läßt sich das Gebiet der objektiven Erfahrung und das der subjektiven Wertung nirgends so scharf trennen, wie es auf den ersten Blick erscheint. Schon bei den Zuständen der Bewußtseinsstörung, in noch weit stärkerem Maße aber bei den Psychopathien und den Neurosen ist es auch eine „Wertungs"-Frage, wo das „Normale" aufhört und das „Abnorme" beginnt. Und letztlich steht doch in den §§ 20, 21 StGB überall die Frage im Vordergrund, welche Anforderungen das Gesetz an den Einzelnen stellen will, um ihm seine Tat noch zurechnen zu können, aber auch, wie weit es dies sinnvoller- und legitimerweise darf. Dieser Gedanke gewinnt seine volle Bedeutung bei den sog. „psychologischen" Merkmalen. a) Zunächst handelt es sich in §§ 20, 21 StGB darum, daß der Täter „unfähig ist, 58 das Unrecht der Tat einzusehen". Nach der vom BGH übernommenen Lehre vom Verbotsirrtum kommt es im Ergebnis nicht mehr darauf an, aus welchen Gründen dem Täter die Einsichtsfähigkeit in concreto fehlte. So zuerst Dreher GA 1957 97 ff, ihm folgend Armin Kaufmann Eb. Schmidt-Festschr. S. 319; Sch.-Schröder-Lenckner§ 20 Rdn. 27; Jeschecb? § 40 III 3, nach dem jedoch diese Alternative praktische Bedeutung durch den Hinweis auf besonders naheliegende Ausschlußgründe behält. Über die Rückwirkungen dieser Lehre vgl. Rdn. 29 und 79. Zu bedenken bleibt, daß die h. M. damit von der täterschaftlichen, chronischen, überwiegend pathologisch bedingten Seite der Schuldfähigkeit auf die akute Tatschuld eines Normalen übergeht und daß die Einsichtsfähigkeit beim Verbotsirrtum nicht erheblich vermindert zu sein braucht. Näher hierzu Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 108; vgl. dort aber auch S. 126 f über die besonderen Aporien und Paradoxien bei § 21. Bedenken auch bei Rudolphi-Horn-Samson-Schreiber (SK AT) § 21 Rdn. 4. Hierzu Lange Bockelmann-Festschr. (1978). b) Zu sehr viel schwierigeren Problemen führt die zweite Alternative, daß der 59 Täter „unfähig i s t , . . . nach dieser Einsicht zu handeln". Von der „Fähigkeit, zu handeln" war schon Rdn. 4 ff allgemein die Rede. War im einzelnen Fall ein Urteil darüber zu gewinnen, ob der Täter „fähig" oder „unfähig" war, seiner Einsicht entsprechend zu handeln? In der Psychologie wie in der Psychiatrie stehen sich in dieser Frage Agnostiker, die diese Möglichkeit verneinen, und Gnostiker, die sie bejahen, (33)

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2. Abschnitt. Die Tat

gegenüber. Zum gegenwärtigen Meinungsstand Haddenbrock Der Nervenarzt 32 (1961) 148; JZ 1969 125; Hdb. for. Psychiatrie 2 893 f, der dem Agnostizismusstreit die gleiche Bedeutung beimißt wie dem früheren Determinismusstreit. Zu diesen Fragen von psychologischer Seite G. Huber Hdb. for. Psychiatrie 1 722. Zu den prozessualen Auswirkungen s. Rdn. 108 ff. 60

Wohl als erster formulierte das Problem Kurt Schneider in seinem Vortrag: „Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit", 2. Aufl. (1953): „Die aufgezählten drei psychopathologischen Tatbestände müssen unfähig machen, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Nur dann ist die strafbare Handlung nicht vorhanden. Wir sind also, kurz formuliert, nach Fähigkeit oder Unfähigkeit der Einsicht und nach Fähigkeit oder Unfähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, g e f r a g t . . . Diese letzten Fragen nach Fähigkeit der Einsicht und der Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, sind nun tatsächlich unbeantwortbar, vor allem die zweite". Diesem Agnostizismus folgen heute namentlich Haddenbrock Hdb. for. Psychiatrie 2 886, 894, 911; Witter ebendort S. 998; Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 269. Die Beantwortbarkeit jener Fragen bejahen dagegen vor allem Ritter v. Baeyer Hdb. Neur. Psych. 1 627, Ehrhardt Schuld, Verantwortung, Strafe (1964) S. 227. Hierzu Lange Hdb. Neur. Psych. 5 404 ff. Abwägend Janzarik Hdb. for. Psychiatrie 1 645 ff ; vgl. besonders 649 f : Gefahr, daß Auswahl des Sachverständigen bereits Vorentscheidung; popularisierte Ablehnung der Schuldfähigkeit überhaupt. Krasse grundsätzliche Widersprüche zwischen Sozial- und Strafrspr. in diesen Fragen zeigt Schubert Hdb. for. Psychiatrie 1 414 f auf. Vgl. ferner Witter NJW 1963 1691 (Rdn. 45).

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„ Unfähigkeit zu handeln " ist ein normativer, kein empirischer Begriff. Es geht um die Frage, ob unter den gegebenen (mit allen Hilfsmitteln der Erfahrungswissenschaft erforschten) Umständen an den Täter sinnvoller- und zumutbarerweise die Forderung erhoben werden kann, sich anders zu verhalten, und ob er demgemäß für sein Handeln verantwortlich zu machen ist.

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c) Hieraus ergeben sich die beiden konkreten Gesichtspunkte, nach denen der Richter seine Entscheidung zu treffen hat. Im Falle der Geisteskrankheit steht das Handeln des von ihr „Besessenen" unter Fremdgesetzlichkeit (sehr scharf Haddenbrock MschKrim. 1968 152: die Tat ist nicht seine Tat). Im Falle abnormer charakterlicher, triebhafter, affektueller oder erlebnismäßiger Belastungen gilt dies nicht. Wohl aber können sie die Frage aufwerfen, ob dieser Mensch in dieser Situation durch die normalen Zumutungen an die Beherrschung seines Handelns überfordert war. Daraus folgt:

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aa) Echte Geisteskrankheit fuhrt zum unbedingten, wenn auch nicht ausnahmslosen Ausschluß der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB. Der Ausschluß ist „unbedingt", weil er nicht abhängig ist von der Bedingung einer weiteren psychologischen Analyse der mitwirkenden Faktoren — er ist „nicht ausnahmslos", weil für besonders leichte Fälle (ζ. B. arteriosklerotische Schädigung des Alters und ähnliches) die Regel durchbrochen werden kann.

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bb) Andere seelische Abnormitäten dagegen, wie Psychopathien, Triebstörungen, sexuelle Abnormitäten, Kernneurosen und ähnliches schließen nie von sich aus die Schuldfähigkeit aus, sondern erfordern jeweils eine besondere Begründung durch eine umfassende allseitig vollzogene psychologische Analyse, wirken also immer nur (34)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

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bedingt auf die volle Schuldfähigkeit ein. Damit ist auch zum inneren gegenseitigen Verhältnis von Richter und Sachverständigem Wesentliches gesagt (alles Nähere Rdn. 57, 107 ff). Denn jede psychologische Analyse auf unserem Gebiet ist immer und unverzichtbar auch eine richterliche Aufgabe, während die Diagnose einer echten Geisteskrankheit vorwiegend eine klinische Aufgabe darstellt. Bedeutung und Rang richterlicher Erfahrung im psychologischen Bereich auch gegenüber dem Sachverständigen würdigt vor allem Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 119, 122 (passim), noch entschiedener Lange-Festschr. S. 677, 683 ff. Daraus ergibt sich im einzelnen: (1) Wo eine echte Geisteskrankheit, insbesondere eine echte Psychose, im früher 65 genannten Sinne vorliegt, muß die Schuldfähigkeit grundsätzlich als ausgeschlossen gelten. Dies gilt im Zweifel auch dann, wenn es sich erst um die Anfangsstadien einer solchen Erkrankung handelt, die vielleicht nur dem sachkundigen Psychiater erkennbar sind und in denen der Laie Auffälliges zunächst noch gar nicht sieht. Dies ist auch der Standpunkt des BGH. Ein Angeklagter litt an einer krankhaften seelischen Störung aus dem schizophrenen Formenkreis. Wie weit die schizophrene Entwicklung fortgeschritten war, ließ sich genau nicht feststellen. Der BGH meint: Der Willensunfähigkeit steht auch die Motivierung der Tat und ihre planmäßige Ausführung nicht entgegen. Die Schizophrenie des Täters aber gestattet es in der Regel, selbst in leichten Fällen, nicht, sich in die seelische Lage des Täters hineinzuversetzen und den Grad der schizophrenen Willensstörung zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig einzuschätzen. Im Zweifel ist Schuldunfähigkeit anzunehmen (4 StR 175/55 vom 2. 6. 1955). Vgl. hierzu und zur Beurteilung postpsychotischer Defektzustände Rdn. 5 0 - 5 2 . Über Ausnahmefälle vgl. Schwalm MDR 1960 539; Haddenbrock Nervenarzt 32 (1961) 148; dazu BGHSt. 14 116. Vgl. jetzt vor allem den psychiatrischen Krankheitsbegriff Witters (Lange-Festschr. S. 723 ff, 727): Maßgeblich ist nicht der körperliche Krankheitsvorgang, sondern die psychopathologische Störung (mit Beispielen und Gegenbeispielen). (2) Im Falle des Schwachsinns entscheidet im wesentlichen der Grad des intellek- 66 tuellen Ausfalls im Verhältnis zu den Erfordernissen, welche die konkrete Tat an die Einsichtsfähigkeit des Täters stellt. Es kann also sehr wohl sein, daß diese Fähigkeit und damit die Zurechnungsfähigkeit z. B. gegenüber einem einfachen Diebstahl noch zu bejahen ist, während sie in der Beziehung auf einen verwickelten Betrug oder eine Urkundenfälschung fehlt. Möglich ist aber auch, daß diese Einsicht noch nicht bejaht werden kann, der Schwachsinn jedoch die Fähigkeit ausschließt, nach dieser Einsicht zu handeln. Vgl. Rdn. 32 f, 50, 94. (3) Die größten Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit machen 67 die Psychopathen. An die Stelle der früheren lediglich quantitativen Abstufung „der" Psychopathie tritt in letzter Zeit die qualitative Unterscheidung verschiedenartiger Psychopathien. Depressive und Sensitive treten strafrechtlich kaum in Erscheinung, die übrigen Typen um so mehr. Genaue Angaben bei GöppingerKnm.3 S. 154 ff; vgl. auch Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 204 ff; Witter Hdb. for. Psychiatrie 2 990 ff. Kriminogen ist offenbar besonders die Kombination von Intelligenz- und Gemütsdefekten. Dazu Petrilowitsch Abnorme Persönlichkeiten S. 9 im Anschluß an Kurt Schneider. Zum Stand der Lehre vgl. im übrigen Rdn. 34 ff. (4) Die Neurosen (abnormen Erlebnisreaktionen und abnormen Entwicklungen, 68 vgl. Rdn. 42 ff) fordern eine ebenso sorgfältige wie kritische Würdigung in der Analyse des Einzelfalles. Allgemeingültige Regeln lassen sich nicht aufstellen. Exkulpa(35)

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2. Abschnitt. Die Tat

tion kommt indessen wohl nur bei der Zwangsneurose in Betracht; vgl. Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 111 f. Zur notwendigen Differentialdiagnose von Psychosen Witter Hdb. for. Psychiatrie 1 456. 69

(5) Für Triebhandlungen gilt dies erst recht. Nach dem Rdn. 46 ff Ausgeführten reicht ihre Skala von voller Steuerungsfähigkeit bis zu deren gänzlichem Ausschluß. Die seit BGHSt. 14 30 fixierte ständige Formel der Rspr. darf nicht über diese Grundverschiedenheiten hinwegtäuschen. Die Neufassung des Gesetzes legalisiert nicht einfach die lapidaren Sätze dieser Urteile.

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6. Der für §§ 20, 21 StGB maßgebende Zeitpunkt. Maßgebend ist der Zustand des Täters „bei Begehung der Tat". Gemeint ist damit der Zeitpunkt der Betätigung, nicht der des Erfolgs. Wichtig namentlich für den Fall, daß der Täter nur bei Beginn der Handlung, also im Versuchsstadium schuldfähig war: BGHSt. 23 133, 135. Dann handelt es sich für das folgende Geschehen nicht mehr um Fragen des § 20, sondern um solche des Vorsatzes und des Kausalverlaufs. Hierzu Oehler JZ 1970 380 ff, vgl. Rdn. 71. Anders der Fall BGHSt. 23 356. Hier konnte der Täter infolge epileptoider Wesensänderung schon auf dem Wege zum Tatort sein Verhalten nicht einsichtsgemäß steuern. Dazu Geilen JuS 1972 73 ff; Tröndle GA 1973 289.

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Daraus, daß es auf die Handlung ankommt, folgt die Strafbarkeit der actio libera in causa. Man versteht darunter eine Handlung, zu der der Täter in schuldfähigem Zustand die entscheidende Ursache gesetzt hat, die sich dann im schuldunfähigen Zustand auswirkt. Der Täter benutzt hier gleichsam sich selbst als Werkzeug. Es liegt eine in actu „unfreie", doch in causa „freie" Handlung vor (Kohlrausch). Hauptsächlich sind es fahrlässige Unterlassungen, die in dieser Form begangen werden können: der Bahnwärter betrinkt sich und unterläßt es aus diesem Grunde, die gebotene Weichenstellung vorzunehmen. Auch fahrlässige Begehungsdelikte sind möglich: so beim betrunkenen Milchwagenkutscher, der einen Arbeiter überfährt (RGSt. 22 413), oder beim Autofahrer, der „einnickt" und in diesem Zustand des Schlafes ein Kind tötet (RGSt. 60 29). Die Voraussetzungen einer fahrlässigen actio libera in causa schließen bei einer vorsätzlich begangenen Tat die Anwendbarkeit des §51 Abs. 2 - jetzt § 21 - nicht aus: OLG Hamm DAR 1972 133. Denkbar, wenn auch seltener, sind auch vorsätzliche Taten: so wenn sich jemand absichtlich und überlegt Mut zu einem Mord antrinkt, von dem er weiß, daß er ihn im nüchtern- schuldfähigen Zustand nicht begehen würde, während er ihn doch begehen will. Die Beziehung der Schuld auf die konkrete Tat, die damit schon im noch schuldfähigen Zustande „begangen" wird, unterscheidet diese Fälle von der Volltrunkenheit und der Rauschtat in § 330 a StGB. Vgl. hierzu Fr. W. Krause H.-Mayer-Festschr. S. 305 ff; kritisch zur actio libera in causa Horn GA 1969 289 ff. Weitgehend Maurach JuS 1961 376; Hruschka JuS 1968 554; Cramer JZ 1968 273, nach denen auch bei nicht vorwerfbarem Eintritt der Schuldunfähigkeit actio libera in causa vorliegt; dagegen Dreher Rdn. 19 zu § 20 StGB. Zur actio libera in causa durch Unterlassung eingehend Maurach aaO, Bertel JZ 1965 53. Zum Versuch der actio libera in causa vgl. Eser Sch.-Schröder § 22 Rdn. 53 und Jeschectë § 49 VII 4 gegen Maurach aaO. Nach BGHSt. 23 133, 135 ist es nicht von wesentlicher Bedeutung, wenn — im Gegensatz zur actio libera in causa — der Eintritt der Schuldunfähigkeit nicht in die Vorstellung aufgenommen war, der Vorsatz sich aber adäquat auf den ganzen Geschehensablauf erstreckte. Das Erfordernis der Adäquanz lehnt Oehler JZ 1970 382 ab; im übrigen stimmt er dem BGH zu, unter Ablehnung der von ihm zitierten neueren Auffassung der actio libera in causa (Maurach, Cramer. (36)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

Hruschka, auch Krause), die auch den nicht schuldhaften Eintritt der Handlungsoder Schuldunfähigkeit genügen lassen. Das würde in der Tat, wie Oehler feststellt, das Schuldprinzip sprengen. Vgl. Rdn. 28. Die actio ¡ibera in causa ist nur eine scheinbare Durchbrechung des Grundsatzes 72 der NichtVerantwortlichkeit des Schuldunfähigen: der Täter setzt sich selbst im Zustande der Schuldfähigkeit als Ursache, die sich erst im Augenblick seiner Schuldunfähigkeit auswirkt. Hatte der Täter den Erfolg — wenn auch nur bedingt: RGSt. 73 182 — in seinen Willen aufgenommen, so ist ihm dieser zum Vorsatz zuzurechnen, für §330 a bleibt somit kein Raum (OLG Hamb. JR 1950 409; RGSt.73 182; JW 1936 514). Doch sind solche Fälle selten. Daß hier die Vorsatzfeststellung besonders vorsichtig und genau getroffen werden muß, betont HRR 39 1316 mit Recht. BGHSt. 21 382 grenzt das schon in BGHSt. 2 17; 17 261, 262, 335; BGH bei Daliinger MDR 1967 724 vorausgesetzte Merkmal des Entschlusses zu einer bestimmten Tat genauer gegen § 330 a ab (z. B. je nach Konkretisierung des Opfers vor Eintritt der Zurechnungsunfähigkeit). Vgl. dazu auch BGH NJW 1968 658 = JZ 1968 272 (Anm. Cramer)·, BayObLG JZ 1967 502. OLG Hamm NJW 1974 614: actio libera in causa bei Alkoholfahrt nach Einnahme von Tabletten unter Nichtbeachtung der Warnung auf deren Verpackung. Häufiger treten fahrlässige Straftaten auf, z. B. der Täter versetzt sich in einen pathologischen Rausch, obschon er nach schlimmen früheren Erfahrungen wenigstens allgemein voraussehen kann, daß er in diesem Zustande widerrechtliche Erfolge bestimmter Art herbeiführen kann, oder der Kraftfahrer tritt trotz Übermüdung eine lange, anstrengende Fahrt an und schläft unterwegs am Steuer ein. Vgl. die (z. T. schon zitierten) Fälle in RGSt. 22 413; 60 29; 70 87; BGHSt. 17 337; OLG Celle VRS 25 33; OLG Hamm NJW 1956 274; OLG Köln NJW 1967 306. Nach OLG Köln VRS 33 427 schließt die volle Verantwortlichkeit (actio libera in causa) für eine trunkenheitsbedingte fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung verminderte Schuld für die dabei begangene Unfallflucht nicht aus. Zur Abgrenzung von fahrlässiger actio libera in causa und fahrlässiger Volltrunkenheit OLG Celle NJW 1969 1588; OLG Stuttgart VRS 37 121; OLG Köln Blutalkohol 6 (1969) 240; vgl. auch BayObLG NJW 1969 1583. Zusammentreffen von Alkoholgenuß und provozierter Erregung: BGH NJW 1967 298; von Alkohol, Medikamenten und Erregung OLG Frankfurt DAR 1970 162. Zu actio libera in causa und § 51 Abs. 2: BGH MDR 1967 724, vgl. Rdn. 95.

7. Die geistige Störung, die den § 20 StGB bedingt, kann „vorübergehender", 7 3 „temporärer (transitorischer)" Art sein. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer sog. temporären Schuldunfähigkeit. Vgl. Rdn. 52, 100.

8. Die rechtliche Bedeutung und die Wirkung der Schuldunfähigkeit. Die Schuld- 74 haftung kann mangels einer wesentlichen Voraussetzung der Schuld nicht eintreten. Ebenso Lackner-Maasseri7 § 51 a. F. Anm. I, Rudolphi-Horn-Samson-Schreiber (SK AT) Rdn. 5 vor § 19, zu § 20. Vgl. aber auch Jeschectè § 40 I 1; Maurach-Zipf AT §§ 35 VI, 36 I. Schmidhäuser S. 375 sieht in der Schuldfähigkeit ein Moment der Schuld selbst. Genauer aber ist es, das täterschaftliche Moment der Fähigkeit vom tatbezogenen Schuldtyp Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu trennen. Das ist auch praktisch wichtig, vgl. Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 273. Näheres Rdn. 2. (37)

§21

2. Abschnitt. D i e Tat

III. Die sog. verminderte Schuldfähigkeit des § 21 75

1. § 21 trägt nach RG verminderter Schuldfähigkeit Rechnung, vgl. für § 51 Abs. 2 a. F. RGSt. 68 167; 69 112, 131, 318; 70 128; 71 266; 72 259, 326; 73 121 mit wechselnden Begründungen (persönlicher Strafmilderungsgrund, Berücksichtigung bei der Strafzumessung). Über die Wandlungen in der Rspr. des RG Näheres Rdn. 87. Der BGH betont die Bindung des Richters an den Schuldgrundsatz: nur innerhalb des hier bestehenden Spielraums darf er präventive Gesichtspunkte berücksichtigen: BGHSt. 7 30; 1 StR 364/62; BGH bei Daliinger MDR 1968 372. Nicht primär maßgebend daher der auch in der Rspr. aufgetauchte Gesichtspunkt der Strafempfänglichkeit, vgl. Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 131 ff und hier Rdn. 2. Näher hierzu Bruns Strafzum. 2. Aufl. S. 511 ff. BGHSt. 20 264 ( = LM Nr. 20 zu § 51 II mit Anm. Kohlhaas) bezeichnet die präventiven Zumessungsgründe ausdrücklich als nachrangig (S. 267) und lehnt die Mitübernahme des Sicherungszwecks durch eine nicht mehr schuldangemessene Strafe anstelle einer Unterbringung gemäß § 42 b (jetzt § 63) ab. Das steht in deutlichem Gegensatz zur Begr. des E 62, die auch für § 46 des 2. StrRG zutrifft. Daß die Schuld Grundlage der Strafzumessung ist, schließt danach die Überschreitung der schuldangemessenen Strafe nicht aus (Begr. S. 181). Vgl. Rdn. 85 und Bruns2 S. 266 ff zu dieser Problematik.

76

2. Die auch in der Rspr. des BGH (BGHSt. 20 264) übliche Bezeichnung „verminderte Zurechnungsfähigkeit" ist irreführend, denn der Rechtsbegriff der Zurechnungsfähigkeit (jetzt: Schuldfähigkeit) zieht eine scharfe Grenze zwischen schuldunfähigen und schuldfähigen Personen. Es gibt daher nur entweder schuldfähige oder schuldunfähige Täter. Sehr klar Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 271 ff. Es handelt sich potentiell um Minderung der konkreten Schuld, nicht um deren allgemeine Voraussetzung wie bei § 20. Müller-Saxß § 263 StPO Anm. 4 am Ende; OLG Saarbrücken VRS 1970 111 zählen daher die sog. verminderte Zurechnungsfähigkeit mit Recht prozessual zum Strafausspruch, nicht zum Schuldspruch. — Sch.-SchröderLenckner sprechen von einem „Unterfall der Schuldfähigkeit". Richtiger Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 121 f. a) § 21 umschreibt auch nicht verminderte Schuldfähigkeit. Für diese Fähigkeit als Qualifikation des Täters gibt es nur ein Entweder/Oder. Zutreffend Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 122: „Der Täter des § 21 ist schuldfähig im vollen Sinne des Wortes." (A.A. Bruns Strafzum. 2. Aufl. S. 511 ff: „Stufen der Schuldfähigkeit", Schweling MDR 1971 971 zu § 51 Abs. 2 a. F.). Vielmehr handelt es sich innerhalb der bejahten Schuldfähigkeit um einen der gesetzlichen Schuldminderungsgründe. Das zeigt sich nicht zuletzt in seiner heute weithin anerkannten Ablösung durch die Regelung des Verbotsirrtums, soweit es sich um verminderte Einsichtsfähigkeit handelt. Der allgemein verpflichtende Schuldbegriff der Vorwerfbarkeit kann daher auch hier nicht zugunsten rein pragmatischer Erwägungen verlassen, dem Vorschlag, die Minderung lediglich von der Prognose künftigen Verhaltens abhängig zu machen ( Witter Lange-Festschr. S. 731), nicht gefolgt werden.

77

Die Lösung ist nicht in der Sprengung des Schuldbegriffs, sondern im Vordringen zu seinem Kern, der in § 21 prinzipiell bejahten Zumutbarkeit zu suchen. Die hier genannten Gründe möglicher Strafmilderung umreißen — abgesehen von der hier kaum in Betracht kommenden krankhaften seelischen Störung — den Seelenzustand von Menschen, die von den Normen sinnvoll angesprochen und erreicht werden, denen es aber erheblich schwerer fällt als dem „Normalen", ihre daraus (38)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

folgenden rechtlichen Verpflichtungen zu erkennen und erst recht, ihr Handeln demgemäß zu steuern, oder die situativ unter besonderer Belastung stehen. Es ist bemerkenswert, daß gerade Psychiater und Psychologen neuerdings dem Begriff der Zumutbarkeit die ihm hier zukommende zentrale Bedeutung geben. So namentlich Witter Kriminologische Gegenwartsfragen 5 (1962) 89 ff; Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 103; Haddenbrock Hdb. for. Psychiatrie 2 929 ff. Dieser zeigt zugleich (S. 933) einen weiteren wesentlichen Gesichtspunkt für eins der umstrittensten Probleme: „Und auch nur unter der Kategorie der Zumutbarkeit ließe sich dann die andere — normative — Wertungsunterscheidung zwischen einem verschuldeten und unverschuldeten Affekt rechtlich befriedigend lösen." Witter und ihm zustimmend Haddenbrock beziehen dies speziell auf den „nur psychologisch bedingten Affekt, mag er noch so hochgradig sein". Das gleiche muß aber für die psychopathisch oder durch besondere Triebstärke oder Triebrichtung belasteten oder sonst schwer abartigen Persönlichkeiten gelten, vorausgesetzt, daß ihre Schuldfähigkeit bejaht wird ; so Bresser aaO. Der Sache nach macht sich Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 122 den Gedanken 78 der Zumutbarkeit zu eigen. „Vom normalen 'voll' schuldfähigen Täter unterscheidet ihn (sc. den Täter des § 21) nur dies, daß er, um den gleichen Einsichts- und Steuerungserfolg zu erreichen, ungleich mehr Geistes- und Willenskraft hätte aufbringen müssen." Das kann nichts anderes heißen, als daß ihm dies zwar grundsätzlich, aber nicht immer mit der gleichen Konsequenz und Schärfe zugemutet werden kann wie einem Unbelasteten. Die Zumutung muß jedoch tatsächlich für ihn erhöht gewesen sein. Mit Recht rügt Lenckner aaO S. 123 die ungenaue Formulierung des Gesetzes: „Verminderte Schuldfähigkeit ist nämlich nicht gegeben, wenn der Täter trotz an sich erheblich verminderter Urteilsfähigkeit im Einzelfall die Unrechtseinsicht tatsächlich gehabt hat oder wenn sein Handlungsvermögen trotz an sich verminderter Steuerungsfähigkeit in bezug auf die konkrete Handlung tatsächlich intakt geblieben ist; notwendig ist vielmehr immer, daß sich die Reduzierung dieser Fähigkeiten in der fraglichen Tat ausgewirkt hat, sei es im Fehlen der richtigen Einsicht, sei es im Ausfallen des entsprechenden Steuerungsaktes." BGHSt. 21 77 (Anm. Dreher JR 1966, 350, Schröder JZ 1966, 451) hat dies für die verminderte Einsichtsfähigkeit bereits ausgesprochen, entsprechendes muß aber auch für die verminderte Steuerungsfähigkeit gelten. In gleichem Sinne Jeschectè § 40 IV 1. b) Der Gedanke der Zumutbarkeit verlangt, daß die Beurteilung nicht bei gene- 79 ralisierenden täterschaftlichen Erwägungen stehen bleibt, sondern bis zum subjektiven Tatbestand in der konkreten Tatsituation weitergeführt wird. Damit lösen sich die scheinbaren Aporien im Bereich der Einsichtsfähigkeit, die für die h. M. durch die Einbeziehung des Verbotsirrtums in die Sphäre der §§ 20, 21 entstanden sind. Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 125 betont mit Recht, daß für § 21 ein „erheblicher" Störungsgrad erforderlich ist, der es dem Täter ungleich schwerer macht als dem gewöhnlichen Schuldfähigen, sich der fraglichen Verhaltensnorm anzupassen, und präsiziert dies dahin, daß die Abweichung von durchschnittlichem seelischem Geschehen erst dann relevant wird, wenn der Abstand so groß ist, daß er sich den Grenzwerten annähert, hinter welcher der Bereich des schlechthin Andersartigen i. S. der Schuldunfähigkeit beginnt. Um so unübersteigbarer werden für Lenckner damit allerdings die Schwierigkeiten, die dadurch zu entstehen scheinen, daß beim Verbotsirrtum keine erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit gefordert wird. Sein Ergebnis, daß es heute demnach nicht mehr darauf ankomme, (39)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

ob die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen, „erheblich" vermindert sei, wie die h. M. verständlicherweise annehme, steht mit seinen vorangegangenen Darlegungen in Widerspruch; er selbst findet es „außergewöhnlich", daß auch das neue StGB bei einem „insoweit unzutreffend gewordenen" Gesetzestext belassen hat (S. 127). Dieses Ergebnis ist mit dem Gesetz unvereinbar. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit läßt es sich aber vermeiden. Im § 17 StGB steht nichts von verminderter Einsichts/äA/gfceiY. Das Erfordernis der „Unvermeidbarkeit" des Irrtums wird bekanntlich von der Rspr. (zuletzt BGHSt. 21 20), der das Schrifttum größtenteils folgt (abweichend Lackner11 4 a zu § 17), mit Recht sehr eng, strenger als der Maßstab der Fahrlässigkeit ausgelegt. Das Gesetz stellt an die Zumutbarkeit richtigen Verhaltens bei einem geistig normalen irrenden Täter sehr hohe Anforderungen. 80

c) Das Schlüsselwort zur Vermeidung der vermeintlichen Aporien zwischen § 21 und § 17 ist auch hier das „kann" im § 17 S. 2. So stellt Dreher § 17 Rdn. 12 fest, daß Fälle „nicht ganz selten sind, in denen ein solcher Irrtum . . . nicht weniger schwer wiegt wie die vorhandene Verbotskenntnis". Im Rahmen des § 17 spielt sich die Bewertung des „kann" auf ganz anderer Ebene, der des reinen Tatstraf rechts, ab, als bei der durch den Filter täterschaftlicher Qualifizierung hindurchgegangenen Bewertung des Tatvorsatzes bzw. der Tatfahrlässigkeit im Bereich des § 21. Dem Vergleich zwischen „erheblich vermindert" und subintellegierter „bloßer" Verminderung der Einsichtsfähigkeit fehlt die erforderliche Gleichheit der systematischen Ausgangslage. Die Frage, ob die Einsichtsfähigkeit „erheblich" vermindert sein muß oder nicht, stellt ein Scheinproblem. Dadurch, daß im Zweifel die Schuldfähigkeit abgelehnt wird, werden ungerechte Entscheidungen vermieden. Die scharfe Aussonderung der Schuldunfähigen, die § 20 vollzieht und erzwingt, soll und darf durch § 21 nicht wieder verflüchtigt werden. Vielmehr setzt dieser die exakte Feststellung der Schuldfähigkeit (RGSt. 69 113) voraus.

81

In der Literatur ist das „kann" des § 21 nach wie vor umstritten. Vgl. für § 51 Abs. 2 a. F. Dahm DR 1942 330; ders. Der Tätertyp im Strafrecht (1940) S. 13 f; Welzel § 21, 4 c, § 34 I 3 a; Spendei NJW 1956 775; für § 21 Maurach-Zipf AT § 36 III B, nach dem der Standpunkt des Gesetzes „dogmatisch verfehlt und kriminalpolitisch nicht zu verantworten" ist; sehr eingehend Bruns Strafzum. S. 511 ff mit beachtenswerten Vorschlägen zum Ausgleich der Zumessungsgründe; zu § 51 Abs. 2 a. F. ferner Mezger Probleme S. 191, 194; Heinitz ZStW 63 [1951] 81 ; Lang ZStW 63 [1951] 346 sowie die Vorauflagen des LK; für § 21 Dreher Rdn. 6; Lenckner Sch.Schröder Rdn. 12 ff.

82

Nach der Reform ist das „kann" des § 21 erst recht ein Schlüsselwort unseres Strafrechts, da sich das Gesetz jetzt deutlicher über die Strafzwecke ausspricht. Es nötigt zur Entscheidung über Gestalt und Grenze des Schuldgrundsatzes wie über das Zusammenspiel und die Antinomie der Strafzwecke. Zutreffend Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 129. Zugleich kennzeichnet es innerhalb des Schuldbegriffs die Distanz zwischen § 20 und § 21. Die nach vielem Hin und Her erfolgte Gleichschaltung im Wortlaut der Voraussetzungen darf darüber nicht täuschen.

83

„Ohne Schuld handelt" bedeutet in § 20, daß der Täter in seiner gesamten Persönlichkeit bei Begehung der Tat unfähig war, den Anruf der Normen zu hören, daß ihn das Gesetz sinnvollerweise deshalb auch nicht als Normadressaten ansprechen kann. Für § 21 legt das „kann" durch Ermöglichung der Strafminderung (40)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

zunächst nur allgemein das Schuldprinzip zugrunde. Dieses aber ist mehrdeutig geworden, unter Juristen wie unter Psychiatern. Dazu neuestens Witter LangeFestschr. S. 729 unter Berufung auf Bockelmann gegen Lenckner; mehrdeutig erst recht, soweit unter „Schuldfähigkeit" Strafempfänglichkeit verstanden wird; darüber Rdn. 2. Seit der Strafrechtsreform bringt das Gesetz selbst den Pluralismus der Strafzwecke in § 46, im Bereich der Strafzumessungsgründe, die aber unmittelbar auf die Strafzwecke selbst zurückstrahlen, zum Ausdruck. Strafe und Schuld wiederum sind wie die Brennpunkte einer Ellipse aufeinander bezogen. Hiernach muß die Auslegung des § 21 jedenfalls vom Schuldgrundsatz ausgehen 84 und darf ihn nicht verlassen, Rdn. 76. Sie darf deshalb nicht mit Witter und Haddenbrock pragmatisch im Sinne der Strafempfänglichkeit bestimmt werden; gegen Pragmatismus u. a. auch Staak und Schewe (Schrifttum A). Haddenbrock selbst gelangt aber durch die Aufnahme der Begriffe „Sühnefähigkeit" und vor allem „Verantwortungsfähigkeit" (Hdb. for. Psychiatrie 2 900 f) zu einer normativen Grundlage zurück, da diese Begriffe —nicht nur letzterer — die prinzipielle Schuldfähigkeit voraussetzen. Auf der anderen Seite muß angesichts des § 46 Abs. 1 S. 2 eine pragmatische Betrachtungsweise in diesen Grenzen zugelassen werden. Sonst wäre die Beschränkung auf eine Kannmilderung nicht verständlich. Ein ausschließlich auf Tatsühne und Tatvergeltung gerichteter absoluter Schuldbegriff würde eine Mußmilderung der Strafe erfordern. Denkbar ist lediglich, daß bei der absoluten Strafe des § 211 die Schuld im Einzelfall so über die Durchschnittsschuld der Mörder hinausragt, daß trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit noch immer das volle Maß für Maß lebenslange Strafe ist, BGHSt. 7 32. Aber bei jedem Strafrahmen ist das Abwägen von Strafmilderungs- und -erhöhungsgründen unter dem Gesichtspunkt von Sühne und Vergeltung die Regel, in die sich auch § 21 einfügt. Das „kann" statt des „muß" ist deshalb nur als Öffnung für die relativen Strafzwecke innerhalb des Schuldprinzips sinnvoll, aber auch erforderlich. 3. Doch zeigen Rspr. und Schrifttum hier gegenläufige Züge zu den Reformten- 85 denzen des Gesetzes. Die Große Strafrechtskommission hatte ursprünglich in § 2 eine strenge Schuldformel vorgesehen: „Die Strafe darf das Maß der Schuld nicht überschreiten" (Begr. E 1962 S. 96). Diese Formel wurde dann in doppelter Weise abgeschwächt: Die Schuld sei (nur) die Grundlage, und zwar nur für die Zumessung der Strafe. Die Begründung sagt dazu: „Es gibt Fälle, in denen es gerecht erscheint, eine gewisse Überschreitung des Schuldmaßes zuzulassen, um dadurch eine nachhaltigere Einwirkung auf den Täter zu ermöglichen" (S. 96). Allerdings auch: „Die Berücksichtigung (der sonstigen) Aufgaben darf aber die Strafe nicht so weit von dem Schuldmaß entfernen, daß sie ihrem Kern nach nicht mehr als Schuldstrafe angesehen werden kann" (S. 97). Widersprüchlich dazu Begr. S. 181; vgl. Rdn. 75 Abs. 1 am Ende. Abs. 1 des § 60 E 1962, dem der heutige § 46 entstammt und entspricht, enthielt nur den heutigen ersten Satz. Erst die späteren Reformstadien haben den Satz 2 hinzugefügt, der von der Strafe spezialpräventive Zweckerfüllung verlangt. Damit tritt im Gesetz selbst die Antinomie der Strafzwecke zutage. Der Vorrang des Schuldprinzips darf damit, weil er das gesamte System trägt, nicht in Frage gestellt werden. Wie tief aber der Graben ist, zeigt Sch.-Schröder-Stree Rdn. 8 vor §38: „Spezialprävention, wie sie der deutschen Strafrechtsreform zugrunde liegt, mündet unabweislich in der Abschaffung des Strafrechts und der Einführung eines Maßre(41)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

gelrechts". Gerade nach Einfügung des spezialpräventiven Abs. 1 S. 2 des § 46 besteht das Schrifttum mit Nachdruck darauf, daß keinerlei Überschreitung des Schuldmaßes zulässig ist (Stree aaO Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen), ebenso die Rspr. (OLG Karlsruhe G A 1973 91 in einem Trunkenheitsfall). Das vor § 13 bzw. § 46 n. F. ergangene Urteil BGHSt. 20 264, 267 f sagt: „Der Präventionszweck darf aber nicht dazu führen, die gerechte Strafe zu überschreiten. Die nachrangigen Zumessungsgründe können ein Übermaß in diesem Sinne niemals rechtfertigen". Aber auch nach der Reform lehnt BGHSt. 24 132 f für den umgekehrten Fall einen „Verzicht auf einen gerechten Schuldausgleich aus der Erwägung, daß der Sicherungszweck der Maßregel im Vordergrund stehe", entschieden ab. 86 Diese Urteile verweisen ebenso wie das Schrifttum (Lenckner Hdb. for. Psychiatrie 1 136 ff sowie Sch.-Schröder § 21 Rdn. 26) auch nach der Reform für die Wahrung der Präventionszwecke auf die Maßregeln. Aber diese decken offensichtlich bei weitem nicht alle Fälle, in denen sich, wie namentlich bei der kriminellen Schwerpunktgruppe der Psychopathen, ein Absehen von der Kannmilderung aufdrängt, schon gar nicht, nachdem § 62 auch ihre Anwendung durch den Verhältnisgrundsatz begrenzt. Mehr denn je muß angesichts dieser Bestimmung die Strafe im Rahmen des § 21 auch Präventionszwecke mit erfüllen. Eben deshalb ist das Gesetz nicht nur historisch, sondern auch teleologisch dahin auszulegen, daß durch das „kann" der Pluralismus aller Strafzwecke erfaßt wird. Nur wo im Einzelfall tatsächlich eine Maßregel eingreift, ist die Strafe davon entlastet. 87

Doch ist eine Weiterentwicklung oder Akzentverschiebung innerhalb dieser Zwecke offen zu halten. So die klassische Entscheidung RGSt. 58 106, 109: „Maßgebend ist also in erster Linie das Sühnebedürfnis, der Vergeltungszweck der Strafe, daneben wohl auch noch der Abschreckungszweck. Die sonstigen Strafzwecke, der Besserungs- und Sicherungszweck, treten demgegenüber in den Hintergrund. Im Laufe der Zeit hat sich aber die Ansicht durchgerungen,... daß das Gemeinwohl, dem ja auch die Strafe dienen soll, eine stärkere Berücksichtigung dieser Zwecke erfordert". Die Entscheidung des RG ist vor der Einführung des Maßregelsystems ergangen. Um so bedeutsamer ist es, daß sie von BGHSt. 3 179 aufgenommen wird. Die starre Vor- und Nachrangigkeit der Strafzwecke, wie sie BGHSt. 20 264, 267 statuiert, verschließt sich dieser Entwicklungsmöglichkeit. Jedoch ist dem BGH darin zuzustimmen, daß der Präventionszweck nicht dazu führen darf, die gerechte Strafe zu überschreiten. Unhaltbar ist es, einen „Vortritt des spezialpräventiven Gesichtspunkts" nach dem 2. StrRG anzunehmen. So aber Horstkotte JZ 1970 122 f; gegen ihn zutreffend Schwalm JZ 1970 490. Die praktische Lösung kann nur auf dem Boden der auch vom BGH an dieser Stelle betonten Spielraumtheorie gefunden werden. Nur so kann man sinnvoll — und das heißt auch: mit Aussicht auf Effektivität der Strafe — die Grundlage normativer Begriffsbildung aufrecht erhalten, ohne den Boden der Realität unter den Füßen zu verlieren. 88 Ein von Witter Lange-Festschr. S. 728 ff empfohlener Mittelweg geht dahin, durch Orientierung am psychiatrischen Krankheitsbegriff die Grundprinzipien zur Unterscheidung Schuldfähiger und Schuldunfähiger zu finden, durch die psychologisch-psychiatrische Prognose hingegen die Grundlage zur Bestimmung der verminderten Schuldfähigkeit (S. 731). In dieser Schärfe und Gegensätzlichkeit würde das (42)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

einen methodologischen Bruch zwischen § 20 und § 21 darstellen und in der Sache das Schuldstrafrecht in §21 durchbrechen. Zurückgeführt auf den in §46 wie im „kann" des § 21 implizierten Pluralismus der Strafzwecke gibt aber Witters Vorschlag auf der Grundlage seiner reichen Kasuistik (aaO sowie Hdb. for. Psychiatrie 2 987 ff, 993 ff, 1027 ff; vgl. Haddenbrock ebendort S. 932 ff) der Rspr. wertvollste Hinweise für die konkrete Ausfüllung des „kann" im Einzelfall. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Witters Empfehlung, in der Rechtspraxis die ursprünglich im Gesetz vorgesehene, zwischen den Voraussetzungen des § 20 und denen des § 21 differenzierende Lösung zum Zuge kommen zu lassen (LangeFestschr. S. 735). Zum gleichen Ergebnis kommt praktisch Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 272: bei schwerer Psychopathie oder ausgeprägter Perversion halten die meisten Autoren allenfalls § 21 und nur in kasuistisch kaum belegbaren Grenzfällen § 20 für anwendbar. Fundierte, mit auf das angelsächsische Schrifttum gestützte Kritik an einem pragmatischen Schuldbegriff, die auch die Schuldfähigkeit einbezieht, bei Burkhardt GA 1976 321, 324. 4. Die Berücksichtigung der sog. verminderten Schuldfähigkeit ergibt sich schon 89 aus allgemeinen Erwägungen der Strafzumessung auf Grund der — möglicherweise — geminderten Schuld; ihre Anerkennung als Strafminderungsgrund ist deshalb schon immer Rechtens gewesen: RGSt. 69 112. Die Neuerung des § 51 Abs. 2, jetzt des §21, besteht lediglich in ihrer Erhöhung zu einem gesetzlichen fakultativen Strafmilderungsgrund; wenn davon kein Gebrauch gemacht wird, bewendet es auch weiterhin bei der Strafminderungsmöglichkeit innerhalb des normalen Strafrahmens. Auch der Bundesgerichtshof hat sich in BGHSt. 7 28 im Sinne der hier vertretenen Auffassung ausgesprochen. Dagegen Dreher JZ 1956 682; Bruns Strafzum. S. 513, nach denen §21 einen Sonderstrafrahmen bildet; so auch Sch.-Schröder-Lenckner § 21 Rdn. 13 ff; Hdb. for. Psychiatrie 1 128 f. 5. Voraussetzungen der fakultativen Strafmilderung des § 21 StGB sind: a) In Übereinstimmung mit § 20 muß einer der drei behandelten „biologischen" 90 oder deskriptiven Gründe vorliegen (siehe aber auch Rdn. 100). In der Gruppe der chronischen Störungen tritt vor allem der Schwachsinn mit seinen Varianten (Imbezillität und Debilität), vermehrt um die Anfangsstadien seniler oder arteriosklerotischer Geistesschwäche und um die Persönlichkeitsumwandlungen durch eine alte Epilepsie oder Traumata des Hirns als des Zentrums der Lebensfunktionen, in den Vordergrund. Bedeutungsvoll werden weiter aus dem Gebiete der Psychopathien die psychopathischen Minderwertigkeiten (Geltungssucht der hysterischen Charaktere, Gemüts-, Halt- und Willenlosigkeit, Explosibilität der abnorm Erregbaren, Psych- und Neurasthenie, Fanatismus, Stimmungslabilität, Hyperthymic und vielleicht auch Depression). Siehe im übrigen RGSt. 73 121 ; 74 217; DJ 1939 869; BGH NJW 1958 2123; 1966 1871; MezgerKrim. S. 196; Daliinger MDR 1953 146 f. Zum heutigen Stande der empirischen Wissenschaften Rdn. 34 ff. Sodann reihen sich an ζ. B. epileptische Verstimmungen und die Folgeerscheinungen dauernder Vergiftungen (ζ. B. chronischer Alkoholismus), aber auch Erschöpfungszustände (als Folge jahrelangen Raubbaus beim Wechselspiel von körperlicher und seelischer Überlastung). Sexuelle Triebanomalien (dem Grade oder der Triebrichtung nach) als Erscheinungsformen einer allgemeinen, die Gesamtpersönlichkeit beherrschenden Abartig Blutalkoholgehalt § 20 verneinen, sind an die Beweisführung strenge Anforderungen zu stellen: OLG Koblenz VRS 47 340. Auch „sinnlose" Trunkenheit schließt Handlungsfähigkeit nicht aus: OLG Köln Blutalkohol 1973 415. Dazu Rdn. 3. Bei Trunkenheitstäter regelmäßig stationäre Untersuchung nicht erforderlich: OLG Koblenz VRS 48 182. Bei Rückrechnung regelmäßig Sachverständiger zuzuziehen: OLG Hamm NJW 1975 702. Ebenso, wenn Volltrunkenheit nicht ausgeschlossen: OLG Koblenz OLGSt. § 20 Nr. 1. Desgleichen bei großer Zeitdifferenz zwischen Entnahme (3,1 %o) und Tatzeit: OLG Koblenz VRS 49 433. 2. Wahlfeststellung zwischen einer Verurteilung nach §21 und § 330 a ist nach 102 BGHSt. 1 277, 327; 9 394 nicht zulässig (bestritten; vgl. Kohlrausch-Lange VIII 2 zu § 330 a ; Sch.-Schröder-Cramer § 330 a Rdn. 28 ff). 3. Bei Konkurrenz kann für die eine Tat § 20 bejaht und für die andere verneint 103 werden: H R R 41 981; BGHSt. 14 116. 4. Die Freisprechung aus §20 ist schon dann nötig (z. B. RGSt. 21 131) und 104 Strafmilderung nach § 21 schon dann möglich (RGSt. 70 128; 73 46), wenn die Feststellung nur dahin geht, daß möglicherweise §51 Abs. 1 (oder 2) a. F. vorliege: OGHSt. 1 370 f. Näheres Rdn. 11. 5. Verbleibt das Gericht bei der Regelstrafe trotz Vorliegens der Voraussetzun- 105 gen des § 21, so muß aus den Gründen zu ersehen sein, daß das Gericht die Strafmilderung erwogen, aber abgelehnt habe: JW 1935 3380. 6. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf § 42 b (jetzt § 63) StGB ist im Falle des 106 § 51 Abs. 1 und Abs. 2 (jetzt der §§ 20 und 21) möglich: BGH NJW 1963 1414 gegen RGSt. 71 266. Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf das Strafmaß ist unwirksam, wenn sich im Berufungsverfahren herausstellt, daß er zur Tatzeit möglicherweise schuldunfähig gewesen ist: LG Hamburg M D R 1970 256. Ist Nachprüfung, ob § 21, nicht möglich, kann Berufung weder auf Strafaussetzung zur Bewährung noch auf Strafausspruch beschränkt werden: OLG Koblenz VRS 49 362. 7. Grundsätzlich wichtig ist das Verhältnis von Richter und Sachverständigem, also 107 von „Jurisprudenz"und „Medizin" in den Fragen der §§ 20, 21 StGB. Zur Problematik: Göppinger Krim. 3 S. 183 f mit weiteren Nachweisen. Eingehend Mezger Krimi(47)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

nalbiologische Gegenwartsfragen 1 (1953) S. 71—83: „In allen Fällen bleibt die Pflicht und das Recht des Richters, sich mit Hilfe des Sachverständigen als seines Gehilfen den nötigen Einblick in das Seelenleben des Beschuldigten zu verschaffen. Abnehmen kann ihm der Sachverständige die letzte eigene Entscheidung nirgends. Das Noli me tangere der richterlichen Aufgabe im Prozeß ist die freie richterliche Beweiswürdigung des § 261 StPO und die abschließende juristische Würdigung des konkreten Falles im Urteil nach §§ 260, 264 StPO". Zur Auswahl des Sachverständigen gemäß § 244 Abs. 2, 4 StPO BGHSt. 23 176 (Fall des Jürgen Bartsch, der als Jugendlicher und Heranwachsender aus sexuellen Motiven mehrere Knaben entführt, in einer Höhle gefesselt und [z.T. bei lebendigem Leibe] zerstückelt hatte): Zur Begutachtung einer derartigen ganz ungewöhnlichen Triebanomalie ausnahmsweise zusätzliche Beiziehung eines sexualpathologischen Spezialisten erforderlich, auch wenn ein dahingehender Beweisantrag nach § 244 Abs. 4 S. 2 ohne Rechtsfehler abgelehnt werden könnte (wie BGHSt. 10 116). Zur vielschichtigen Problematik von BGHSt. 23 176 eindrucksvoll Mariin LM §244 Abs. 4 StPO Nr. 16; kritisch Weihrauch NJW 1970 1243 f. — Bei Zusammenwirken von Alkohol und hochgradigem Affekt Fachpsychiater auch für Beurteilung eines Normalen erforderlich: OLG Frankfurt GA 1970 286. Sachkunde bayr. Landgerichtsärzte: BGHSt. 23 311. Kritisch dazu Peters JR 1971 117 f. War ein erfahrener psychiatrischer Sachverständiger zur Frage einer tiefgreifenden — nicht krankhaften — Bewußtseinsstörung gehört, so kann Wiederaufnahme nicht auf ein fachpsychologisches weiteres Gutachten gestützt werden: OLG Karlsruhe GA 1972 316; vgl. Rdn. 21. Lehrreich zur Gefahr der Kompetenzüberschreitung Sachverständiger: Bresser Lange-Festschr. S. 6 6 5 - 6 8 5 . 108

a) Die Frage, ob sich die Fähigkeit des Täters, sein Handeln seiner Einsicht in das Unrecht des Tuns gemäß zu bestimmen, empirisch erkennen läßt, kann praktisch für die Rollenverteilung zwischen Richter und Sachverständigem entscheidende Bedeutung gewinnen. Der Agnostiker muß die Antwort ganz dem Richter überlassen, der dann nicht als Laienpsychologe oder -psychiater, sondern auf Grund seiner Lebenserfahrung, letzlich aber normativ zu entscheiden hat. Hierzu Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 122 f, 216; Lange-Festschr. S. 665. Der Gnostiker nimmt es auf sich, nicht nur das biologische, sondern auch das (sogenannte) psychologische Schuldelement empirisch zu beantworten. Seine Autorität in diesen Fragen wird damit in vielen Fällen die Entscheidung über die Anwendung des § 20 schon herbeiführen. Den darin liegenden Gefahren der Kompetenzverschiebung ist der BGH wiederholt entgegengetreten. Seine Stellungnahme zu diesen Fragen ist bereits zwei früheren Urteilen zu entnehmen. Das Urteil 2 StR 491/51 vom 23.11.1951 führt aus: „Die Frage aber, welche Folgerungen aus diesen (für die Schuldfrage erheblichen) Tatsachen für das geistige oder seelische Verhalten des Angeklagten bei seiner Tat zu ziehen sind, konnte und mußte die Strafkammer selbst beantworten. Eine Mitwirkung des Sachverständigen bei dieser Entscheidung wäre nicht einmal zulässig gewesen". In BGHSt. 7 238 betont der BGH zunächst ebenfalls, daß der Richter auf Grund des vom Sachverständigen bekundeten Befundes grundsätzlich selbst zu entscheiden habe. Dann allerdings heißt es: „Dies schließt freilich nicht aus, daß der Sachverständige sich auch darüber äußert, wie er die rechtliche Frage der Zurechnungsfähigkeit im Sinne von § 51 StGB b e u r t e i l t . . . . Dem sollte sich der Richter aber in der Regel nicht einfach .anschließen',... sonst besteht die Gefahr, daß der Richter die Verantwortung für einen wichtigen Teil seiner Entscheidung einem anderen (-4K)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

überläßt, dem sie nicht zukommt und der sie, wenn er über seine Stellung im Verfahren Bescheid weiß, nicht einmal übernehmen will". BGHSt. 8 113 faßt unter dem Leitsatz „Über die selbständige Stellung des Richters gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen" diese Grundsätze zusammen. Haddenbrock (Nervenarzt 32 [1961] 148) zitiert die beiden ersten Urteile als gleichsinnig. Das stimmt theoretisch. Praktisch legt eine Äußerung des Sachverständigen, wie sie die zweite Entscheidung zuläßt, den Prozeßausgang oft in seine Hand, da sich der Richter mangels kriminologischer Ausbildung in der Regel nicht dazu entschließen wird, andere Schlußfolgerungen aus dem Befund zu ziehen als der Fachmann. Das gilt jedenfalls für den „gnostischen" Sachverständigen, der ein empirisches Urteil über das Steuerungsvermögen des Täters in concreto für möglich hält. Der „agnostische" muß sich einer solchen Äußerung enthalten, auch wenn ihn der Richter dazu auffordert. Denn ihm wird ja ein empirisches Urteil über die Steuerungsfähigkeit abverlangt, das er für unmöglich hält. Eingehend zu BGHSt. 7 238 und 8 113 jetzt Göppingeru. a. Hdb. for. Psychiatrie 2 1539. Das Problem reicht jedoch weit tiefer. Können Sachverständige psychoanalytischer Schulen, deren Vertreter nachdrücklich erklären, Schuldstrafrecht und Psychoanalyse seien unversöhnlich, überhaupt Gehilfen des Richters sein? Dazu Lange Strafrechtsreform (1972) S. 91 ff und schon in Hdb. Neur. Psych. 5 419 f. Zur Gefahr der Grenzüberschreitung des psychologischen Sachverständigen Bresser Lange-Festschr. S. 666 ff. Über die bedenklichen Auswirkungen der Massenmedien auf die Mentalität von Kriminellen Janzarik Hdb. for. Psychiatrie 1 650. Vgl. Rdn. 60 und 117. Zur spezifisch richterlichen Kompetenz in diesen Fragen wie hier Horn-Samson-Schreiber (SK AT) Rdn. 23, 24; Jescheck3 § 40 III 4.

Rudolphi-

b) Welche praktische Bedeutung die Frage hat und wie stark die begreifliche Nei- 109 gung der Instanzgerichte ist, sich „anzuschließen", zeigen die zahlreichen Urteile des BGH und der OLGe, die dazu anhalten, nicht nur dem Ergebnis des Sachverständigen beizutreten, sondern sich mit den sog. Anknüpfungstatsachen auseinanderzusetzen. So verlangt BGHSt. 12 314 f, daß die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen, an die die Schlußfolgerungen des Gutachtens anknüpfen, und die Art dieser Folgerungen insoweit im Urteil wiedergegeben werden, als es zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist. Liegt hier der Ton noch auf der verfahrensrechtlichen Nachprüfbarkeit, so erklärt es BayObLG in DAR 1962 22 ff unter Anschluß an BGHSt. 12 314 f für einen sachlichrechtlichen Fehler, wenn der Tatrichter lediglich auf das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens Bezug nimmt und weder dessen Anknüpfungstatsachen und Schlußfolgerungen noch eine eigene schlüssige Begründung mitteilt. Im Falle eines Unfallschocks bei Unfallflucht muß sich nach OLG Köln NJW 1967 1521 der Tatrichter bei gegenteiliger Auffassung mit den Darlegungen des medizinischen Sachverständigen in einer Weise auseinandersetzen, aus der sich die erforderliche eigene Sachkunde des Tatrichters zur Begründung seiner Auffassung und zur Widerlegung der Ansicht des Sachverständigen und damit die rechtsfehlerfreie Abstandnahme von der weiteren Aufklärung der Zurechnungsfrage durch einen auf diesem Spezialgebiet erfahrenen Sachverständigen ergibt. Die Alternative ist hiernach die Gründung der Entscheidung wiederum auf die Beurteilung durch einen (Spezial-)Sachverständigen mit der Rollenverteilung Siegfried-Gunter oder aber auf eine eigene Sachkunde des Richters, die der des medizinischen Sachver(49)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

ständigen überlegen ist. Denn nur der Überlegene kann widerlegen. Davon geht ausdrücklich § 244 StPO aus. Das Letztere ist reine Theorie, solange die Richter nicht selber kriminologische Spezialausbildung genossen haben. Hierzu und zu anderen Lösungsversuchen u. a. Göppinger Hdb. for. Psychiatrie 2 1540. Die Entscheidung des O L G Köln zwingt praktisch die Vorinstanz, der Meinung des Sachverständigen, „infolge Unfallschocks in Verbindung mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,8 Promille seien die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 für die^Unfallflucht nicht auszuschließen", zu folgen. Vgl. demgegenüber zur heutigen Problematik des Sachverständigen Lange Hdb. Neur. Psych. 5 412 ff, zu der des Richters S. 433 ff ; speziell zur psychologischen Charakterprüfung Fürst Kraftfahrt und Verkehrsrecht (1970) S. 175 ff und - besonders kritisch - Himmelreich D A R 1976 197 ff. Zur „ H i n n a h m e " neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren durch den Richter: BGH N J W 1953 83; ähnlich B G H Z N J W 1961 2061. 110

c) Die rechtspolitische Tragweite dieser Fragen ist in den Beratungen des Sonderausschusses „Strafrechtsreform" des Bundestages sichtbar geworden. In der 12. Sitzung der 5. Wahlperiode am 10. 3. 1966 (S. 252) sowie in der 24. und 25. Sitzung wurden diese Fragen behandelt, ausgehend von dem kritischen Echo auf den Freispruch eines angetrunkenen unfallflüchtigen Staatsanwalts, dem ein fachkundiger Anstaltspsychiater, ein Gerichtsarzt, bescheinigt hatte, er habe in einem zur Schuldunfähigkeit führenden Schock gehandelt. Man brachte dies in Zusammenhang mit der sehr weiten Auslegung des Begriffs der Krankhaftigkeit und der Bewußtseinsstörung seit BGHSt. 14 30 (darüber Rdn. 40, 46, 47). Aber für die Kompetenzverteilung zwischen Richter und Sachverständigem ist die Frage nicht minder aktuell, und zwar auch unter dem im Sonderausschuß mehrfach zur Sprache gebrachten Gesichtspunkt drohender Klassenjustiz, auf den vor allem Kurt Schneider hingewiesen hatte. Diese Gefahr ist nicht von der H a n d zu weisen, wenn sich der Richter der Suggestivkraft von psychotherapeutischen Privatgutachten ausgesetzt sieht. Es liegt auf der Hand, daß dieser im Falle des Unfallschocks aufgebrochenen Frage der Kompetenzabgrenzung nicht nur lokale Bedeutung zukommt. Bei Triebdelikten, Affekt- und Kurzschlußhandlungen und darüber hinaus bei der Frage, ob eine Neurose oder eine Psychopathie die Steuerungsfähigkeit in concreto ausgeschlossen hat, wird sich der Richter nach den gegenwärtigen Richtlinien des BGH und der OLGe, die diese Fragen der empirischen Wissenschaft zuweisen und hierbei vertrauensvoll den Gnostikern zu folgen scheinen, kaum je in der Lage sehen, die Meinung eines psychiatrischen, psychologischen oder tiefenpsychologischen Sachverständigen über die Voraussetzungen der §§ 20, 21 gültig zu widerlegen, wenn sie mit seiner eigenen Überzeugung nicht übereinstimmt.

111

d) Der rechtspolitischen Problematik entspricht die dogmatische. Das jetzt geübte und geforderte Verfahren baut die zweistöckige gesetzliche Konstruktion der §§ 20, 21 ab. Unter „krankhaft" oder eine der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen fällt alles, was die Steuerungsfähigkeit nach der Schulmeinung des jeweiligen Sachverständigen ausschließt. Vor allem: alles, bei dem man diesen Ausschluß nicht ausschließen k a n n ; hierzu Rdn. 117. Die Psychologisierung der §§20, 21 ist aber ebenso gesetzwidrig wie es eine Biologisierung wäre, die den Begriff des „ K r a n k h a f t e n " auf nachgewiesene oder postulierte organische Prozesse beschränkte ohne Rücksicht darauf, daß auch rein seelische Ausnahmezustände dem Täter das Steuer aus der H a n d schlagen können. Dazu Rdn. 14: psychiatrischer gegen somatischen Krankheitsbegriff. (50)

Verminderte Schuldfähigkeit (Lange)

§21

Sieht sich der Richter einem agnostischen Sachverständigen gegenüber, so wird im Extremfall die Frage der Steuerungsfähigkeit aus einer rein empirischen zu einer rein normativen. Damit verschiebt sich der Maßstab unweigerlich zu einer Generalisierung, genauer gesagt: nunmehr wird überhaupt erst ein Maßstab im Sinne eines Vergleichs angelegt und nicht nur eine individuelle Diagnose gestellt. Dieser Maßstab kann ein sehr verschiedener sein. Man kann den Täter an dem messen, was andere, was seinesgleichen oder was er selbst sonst getan und gelassen hätte oder hätte tun und lassen können. In allen drei Fällen ist die Norm nicht nur quantitativ — wie man oder er selbst sich in vergleichbaren Situationen sonst verhält — sondern unweigerlich auch qualitativ zu verstehen. Denn anders als bei echten Psychosen, bei denen die Frage der Steuerungsfähigkeit praktisch gar nicht auftaucht, muß bei den kritischen Fällen der Trieb-, Affekt- und Kurzschlußhandlungen, bei psychopathisch oder neurotisch mitbestimmten Taten stets die sozialerzieherische Aufgabe des Strafrechts als speziai- und generalpräventiver Zweck mitberücksichtigt werden. Goethes Wort: „Wenn wir den Menschen so nehmen, wie er ist, dann machen wir ihn schlechter. Erst wenn wir ihn so nehmen, wie er sein soll, machen wir ihn zu dem, der er sein kann" gilt gerade hier. e) Das damit geforderte Spannungsverhältnis zwischen Sein und Sollen ist natür- 112 lieh und notwendig. In ihm müssen die Konflikte zwischen Gesellschaft und Individuum, mit denen es das Strafrecht zu tun hat, gelöst werden. Aber es kann bei rein normativem Maßstab überdehnt werden und dann zerreißen, so daß nur noch eine objektive Haftung übrig bleibt, die dem Schuldgrundsatz nicht entspricht. Deswegen darf auch der agnostische Sachverständige nicht aus seiner Aufgabe entlassen werden, dem Richter diese Zerreißgrenze zu zeigen. Und wenn er konsequent bleibt, muß er dies auf die Gefahr eines Konflikts hin ablehnen. So scheint es jedenfalls. Damit zeichnet sich das Bild ab, daß der Richter in den kritischen Fällen nur die Wahl zwischen zwei gleich unmöglichen Positionen hat: der Meinung des Sachverständigen über die Voraussetzungen der §§ 20, 21 total ausgeliefert oder von ihm im Stich gelassen und auf sein eigenes Meinen verwiesen zu sein. Indessen zeigt der Gegensatz zwischen Gnostikern und Agnostikern, lehrreich 113 zugespitzt in der Auseinandersetzung zwischen Haddenbrock und v. Baeyer (Nervenarzt 32 [1961] 145 ff, 225 ff, 227 0 , zwar das Dilemma, aber doch auch den Ausweg daraus. Denn gemeinsam ist beiden Richtungen nicht nur die Grundhaltung gegenüber uferloser Exkulpation (so Haddenbrock namentlich in MschrKrim. 1968 148; v. Baeyer Hdb. Neur. Psych. 1 633 ff; Nervenarzt 32 [1961] 225). Übereinstimmend — und das ist das Entscheidende — sind auch die anthropologischen Grundlagen, die Anerkennung des Menschen als eines der Verantwortung fähigen Wesens. Offen bleiben kann für §§ 20, 21 die Frage, ob diese Fähigkeit mit v. Baeyer auf die von Keller und Ricoeur (s. Rdn. 4) entwickelte, einen Freiheitsraum implizierende Willenspsychologie oder unter Ausklammerung der Freiheitsfrage mit Haddenbrock auf das Angelegtsein des Menschen zur Selbstbestimmung gegründet wird; ebenso, ob mit der Akzentverlegung auf das Sich-Verantworten und das Zur-Verantwortung-gezogen-Werden das Problem der Schuldfähigkeit von der materiell-rechtlichen auf die prozessuale Ebene geschoben wird. Denn auch Haddenbrock, der zu einer pragmatischen Auffassung der Verantwortungsfähigkeit neigt, begrüßt die willenspsychologische Differenzierung als ein Instrument zur schärferen Erfassung der Determinationsstruktur einer menschlichen Handlung. Und v. Baeyer beschränkt die Domäne der Willenspsychologie auf den unmittelbaren Bereich der Tathandlung, wegen allzugroßer Ungewißheiten einer auf die (51)

§21

2. Abschnitt. Die Tat

Gesamtpersönlichkeit und die Lebensgeschichte im ganzen bezogenen Argumentation. Mit dieser Einschränkung sieht er in der Erkenntnis des „Aufeinanderbezogenseins von Wahl u n d Entscheidung einerseits und triebhafter Lebensgrundlage andererseits an Hand von Lebensgeschichte, Tatgeschichte, Selbstbekundung und Verhaltensbeobachtung" den „Gewinn einer annäherungsweisen Einsicht in die Realität des Schuldigseins". Nimmt man hinzu, daß Ehrhardt ungeachtet seiner gnostischen Grundhaltung die Grenzen empirischer Erkenntnis im kritischen Bereich mit besonderem Nachdruck betont (MschrKrim. 1967 233 ff), so sind damit einige Positionen der gegenwärtigen Psychiatrie bezeichnet, die es vielleicht ermöglichen, die Kompetenzgrenze zwischen Richter und Sachverständigen hier etwas genauer zu ziehen als es in den mehr auf Nachprüfbarkeit als auf begriffliche Erfassung der Zurechnung abzielenden Richtlinien der oberen Gerichte zum Ausdruck kommt. Zum neuesten Schrifttum Lange, Bockelmann-Festschr. (1978). 114

0 Der Schlüsselbegriff dürfte der des Indizes sein. Ebenso wie beim Zeugenbeweis Einzeltatsachen widerlegbar auf den Tathergang schließen lassen, indiziert die Summe der Erfahrungen und ihre Auswertung durch den Sachverständigen, aber auch die begleitende Stellungnahme des Täters zu seiner Tat, den Schuldvorgang oder dessen — vermeidbaren oder unvermeidlichen — Ausfall. Die Darlegungen des Sachverständigen müssen substantiiert sein, das Material der Anknüpfungstatsachen ausbreiten und vor allem auch die Gegenmeinungen bringen, damit der Richter kritisch dazu Stellung nehmen, sachgemäß fragen kann. Solche Indizien — aber auch nicht mehr — für problematische Schuldfähigkeit sind beispielsweise Nutzlosigkeit oder Überflüssigkeit der von Ladendiebinnen genommenen Sachen (vgl. Rdn. 54, 101). Rasch-Petersen betonen, hieraus lasse sich nicht im Rückschluß zwingend folgern, die Tat sei die eines kranken Menschen gewesen; überhaupt könne die Frage der Zurechnungsfähigkeit nicht ohne weiteres rationalisierend mit der der Sinnhaftigkeit oder Unsinnigkeit einer Handlung verknüpft werden (MschrKrim. 1965 192). Umgekehrt schließt planmäßiges und zielbewußtes Handeln eines Alkoholisierten rauschbedingte Zurechnungsunfähigkeit nicht aus (BGH NJW 1969 1581 ; OLG Hamburg Blutalkohol 1969 160 ff). Daß der Täter seine Tat später nicht mehr versteht, nicht weiß, wie er dazu gekommen ist, werten Rasch-Petersen aaO nicht als Symptom, offenbar nicht einmal als Indiz für krankhaftes Geschehen. Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit müsse immer auf die Gesamtverfassung zielen, innerhalb der man der Tat nur unter ganz gewissen engen Voraussetzungen die Bedeutung eines Symptoms einräumen werde. Umgekehrt könne der Nachweis früherer Kriminalität, „persönlichkeitsadäquates Verhalten", nicht gegen das Vorliegen krankhafter psychischer Veränderungen bzw. gegen eine Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit angeführt werden. Einem mühsam aus der Vorgeschichte herbeigezogenen Vorfall dürfe man nicht übermäßiges Gewicht beimessen.

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Rasch-Petersen beziehen sich hier auf den Begriff der Krankhaftigkeit (Abgrenzung endogen-phasischer Depressionen), v. Baeyer handelte von der Steuerungsfähigkeit psychisch abnormer Seelenzustände bei Psychopathen usw. Dennoch darf der Kontrast in den Anschauungsweisen und Akzentuierungen nicht übersehen werden, der sich hier schon innerhalb der Psychiatrie und Gerichtsmedizin auftut. Über die Verschiedenheit der psychologischen Aspekte von den ärztlichen geben die (52)

Verminderte Schuldfahigkeit (Lange)

§21

Beratungen des Sonderausschusses, die zur Ersetzung des Wortes „gleichwertig" (mit dem engeren Krankhaftigkeitsbegriff der Reform) durch das Wort „tiefgreifend" führten, (Prot. 4. Wahlperiode, 34. Sitzung S. 635 ff) Aufschluß. Die Auswirkungen dieser Gegensätze treten in BGH NJW 1959 2315 (Anm. Bresser) scharf hervor. Doch handelt es sich hier überall noch um immanente, auf dem Boden des Schuldstrafrechts bleibende Meinungsverschiedenheiten. Ganz anders liegt es da, wo der Sachverständige als Anhänger orthodoxer Richtungen der Tiefenpsychologie explicite oder implicite die Möglichkeit und damit die Legitimation eines Schuldstrafrechts überhaupt verneint, etwa weil alles das, was wir Handeln nennen, in Wirklichkeit die blinde Außenwirkung unbewußter und daher nicht steuerbarer Triebkräfte sei. Zum Erkenntniswert dieser Lehren ist hier nicht Stellung zu nehmen. Ganz unabhängig davon aber muß sich der Richter fragen, ob ein Sachverständiger, der schon das bloße Stellen der Schuldfrage für sinnwidrig hält, sein Gehilfe sein kann, und der Sachverständige, ob er Gehilfe des Richters sein darf. Über diese Problematik Lange Hdb. Neur. Psych. 5 412 ff; zustimmend Eb. Schmidt Kurt SchneiderFestschr. (1962) S. 258 ff. Vgl. zum neuen Recht Lange Strafrechtsreform (1972) S. 91 ff mit weiteren Nachweisen zum psychoanalytischen Schrifttum. Die hier aufgezeigten grundsätzlichen Meinungs- und Richtungsgegensätze über 116 den Inhalt der Erkenntnis wie über den möglichen Erkenntnisgrad stellen naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt aus den Kontroversen innerhalb der empirischen Wissenschaften dieses Bereichs dar. Das hier Gesagte soll lediglich verdeutlichen, daß der unmittelbaren Stellungnahme des Sachverständigen zu der Frage, ob „die Voraussetzungen des § 20 oder § 21 vorliegen", nicht mehr als ein Indizwert zukommen darf, und auch dies nur dann, wenn es sich um die substantiierte Schlußfolgerung handelt, die er nachprüfbar aus dem empirischen Material über diesen Täter in Verbindung mit den Erfahrungssätzen je seiner Wissenschaft unter Hinweis auf bestehende Kontroversen ableitet. Dennoch wird von der abschließenden Stellungnahme regelmäßig, vor allem bei den Laienrichtern, eine starke Suggestivwirkung ausgehen. Jene Frage sollte daher niemals losgelöst von der Bezugnahme auf das empirische Material und unter der Voraussetzung von dessen nachweislichem oder unwiderlegbarem Befund gestellt und beantwortet werden. Nur dann kann der Richter die Existenz, das Gewicht und die Beziehungen der einzelnen Befundtatsachen zueinander kritisch nachprüfen oder durch einen anderen Sachverständigen nachprüfen lassen. Nur dann kann er auch die Evidenz der Schlußfolgerungen kritisch beurteilen und die unabdingbare Forderung der lehrreichen Entscheidung BGHSt. 8 113, 118 erfüllen, daß der Tatrichter zu einem eigenen Urteil auch in schwierigen Fachfragen verpflichtet ist und seine Aufgabe je besser erfüllt, je weniger er sich auf die bloße Autorität des Sachverständigen verläßt und je mehr er diesen nötigt, ihn zu überzeugen (Fall eines „Affektsturms"). g) Unzulässig ist fast immer die Frage an den Sachverständigen, ob er dies oder 117 jenes „ausschließen" könne. So zu fragen verbietet nicht nur die gegenwärtige Umstrittenheit entscheidender Begriffe in §§ 20, 21, sondern die letzthinnige Begrenztheit der Erkenntnismöglichkeiten im seelischen Bereich überhaupt. Treffend Schlüter NJW 1971 1071. Vgl. ferner Bresser Gerichtl. Psychiatrie S. 69. Schon Jaspers Allgemeine Psychopathologie, 5. Aufl. (1948) S. 633 stellt fest, daß der Versuch, den Menschen im ganzen abschließend und überblickend zu fassen, scheitern muß und daß jede Faßlichkeit eine endliche, herausgegriffene, nicht der Mensch selbst ist. (53)

ZWEITER TITEL Versuch Vorbemerkungen zu den §§ 22 ff

Vor § 22 Schrifttum Arndt Die landesverräterische Geheimnisverletzung, ZStW 66 (1954) 41; Bamberger Versuch beim Unterlassungsdelikt, Diss. jur. Bonn (1978); Blei Die Regelbeispieltechnik der schweren Fälle und §§ 243, 244 StGB, Heinitz-Festschrift (1972) 419; Bloy Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (1976); Bockelmann Zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch, JZ 1954 486; Bockelmann Über das Verhältnis der Begünstigung zur Vortat, NJW 1951 620; Bockelmann Strafrechtliche Untersuchungen (1957); Braunsteffer Die Problematik der Regelbeispielstechnik im Strafrecht, Diss. jur. Mannheim (1976); Burgstaller Über den Verbrechensversuch, JB1. 1969 521; Burkhardt Das Unternehmensdelikt und seine Grenzen, JZ 1971 352; Calliess Die Rechtsnatur der „besonders schweren Fälle" und Regelbeispiele im Strafrecht, JZ 1975 112; Delaquis Der untaugliche Versuch (1904); Dohna, Graf zu Der Mangel am Tatbestand, Güterbock-Festgabe (1910) 35; Dreher Die Malaise mit §252 StGB, MDR 1976 529; Engisch Der Unrechtstatbestand im Strafrecht DJT-Festschrift Bd. I (1960) 401; Fiedler Vorhaben und Versuch im Strafrecht (1967); Fincke Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); Frank Vollendung und Versuch, VDA Bd. V (1908) 163; Furtner Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, JR 1966 169; Furtner Verhältnis von Beihilfe und Begünstigung, MDR 1965 431; Gallas Urteilsanmerkung, ZAkDR 1937 437; Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre (1968); Geilen Raub und Erpressung, JURA 1979 613; Germann Über den Grund der Strafbarkeit des Versuchs (1914); Gössel Zur Strafbarkeit des Versuchs nach dem 2. StrRG, G A 1971 255 ; Gössel Über die Vollendung des Diebstahls, ZStW 85 (1973) 591 ; Gössel Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach § 18 StGB, Lange-Festschrift (1976) 219; Grünwald Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, JZ 1959 46; Grünwald Die Beteiligung durch Unterlassen, GA 1959 110; Haffke Unterlassung der Unterlassung, ZStW 87 (1975) 44; Hall Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Willensstrafrecht, GS 110 (1938) 95; Hall Über das Mißlingen. Eine anthropologisch-strafrechtliche Studie über Versuch und Fahrlässigkeit, E. Wolf-Festschrift (1962) 454; Hau Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen (1974); Heinitz Franz von Liszt als Dogmatiker, ZStW 81 (1969) 572; Hennke Zur Abgrenzung der strafbaren Vorbereitungshandlung beim Hochverrat, ZStW 66 (1954) 390 ff; Herzberg Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, MDR 1973 89; Hillenkamp Urteilsanmerkung, MDR 1977 242; Hirsch Zur Problematik des erfolgsqualifizierten Delikts, GA 1972 65; Hruschka Dogmatik der Dauerstraftaten und das Problem der Tatbeendigung, GA 1968 193; Hruschka Urteilsanmerkung, JZ 1969 607; Isenbeck Beendigung der Tat bei Raub und Diebstahl, NJW 1965 2326; Jescheck Wesen und rechtliche Bedeutung der Beendigung der Straftat, Welzel-Festschrift (1974) 683; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland Allgemeiner Teil (Versuch), SchweizZStr. 91 (1975) 1; Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); Kölz-Ott Eventualvorsatz und Versuch (1974); Kühl Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1974); Kühl Grundfälle zu Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung, JuS 1979 718, 874; 1980 120, 273, 506, 650, 811 ; 1981 193 ; Küper Gefährdung als Erfolgsqualifikation?, NJW 1976 543; Lackner Das konkrete Gefährdungsdelikt im Verkehrsstrafrecht (1967); (i)

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

Lehmann Die Bestrafung des Versuchs nach deutschem und amerikanischem Recht (1962); Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972); v. Lübbecke Strafbarkeit des versuchten Diebstahls in einem schweren Fall, MDR 1973 374; Maihofer Der Versuch der Unterlassung, GA 1958 289; Maiwald Abschied vom strafrechtlichen Handlungsbegriff, ZStW 86 (1974) 626; Maiwald Historische und dogmatische Aspekte der Einheitstäterlösung, Bockelmann-Festschrift (1979) 343; Maiwald Die natürliche Handlungseinheit (1964); M. E. Mayer Versuch und Teilnahme, in Aschrott und v. Liszt Reform des Strafgesetzbuchs Erster Band AT S. 331 ; Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit ZStW 87 (1975) 598; Nagler Die Neuordnung der Strafbarkeit von Versuch und Beihilfe, GS 115 (1941) 24; Noll Zur Gesetzgebungstechnik des AE, in Programm für ein neues StGB, S. 42; Oehler Das erfolgsqualifizierte Delikt als Gefährdungsdelikt, ZStW 69 (1975) 503; Oehler Konkurrenz von unechtem und echtem Unterlassungsdelikt, JuS 1961 154; Puppe Grundzüge der actio libera in causa, JuS 1980 350; Roeder Die Erscheinungsformen des Verbrechens (1953); Roxin Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 329; Roxin-Stree-ZipfJung Einführung in das neue Strafrecht 2. Aufl. (1975); Rudolphi Die Strafbarkeit des versuchten unechten Unterlassungsdelikts, MDR 1967 1 ; Rudolphi Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre, Maurach-Festschrift (1972) 51; Salm Das versuchte Verbrechen (1957); Sauermann Der Versuch als „delictum sui generis" (1927) (Strafrechtliche Abhandlungen 227); Sax „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, JZ 1976 429; Schaffstein Die Vollendung der Unterlassung, Dreher-Festschrift (1977) 147; W. Schmid Über Feuerbachs Lehre vom „Mangel am Tatbetand", Schröder-Gedächtnisschrift (1978) 19; Schmidhäuser Gesinnungsethik und Gesinnungsstrafrecht, Gallas-Festschrift (1973) 81 ; Schneider Der abergläubische Versuch, G A 1956 262; Schröder Urteilsanmerkung, JZ 1967 368; Schröder Die Unternehmensdelikte, Kern-Festschrift (1968) 457; Stratenwerth Urteilsanmerkung, JZ 1961 95; Stree Zur Auslegung der §§ 224, 226 StGB (zugleich ein Beitrag zum Versuch erfolgsqualifizierter Delikte), GA 1960 289; Thomsen Über den Versuch der durch eine Folge qualifizierten Delikte (1895); Tiedemann Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969); Ulsenheimer Zur Problematik des Versuchs erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1966 257; Ulsenheimer Zur Problematik des Rücktritts vom Versuch erfolgsqualifizierter Delikte, Bockelmann-Festschrift (1979) 405; Vogler Funktion und Grenzen der Gesetzeseinheit, Bockelmann-Festschrift (1979) 715; Vogler Zur Frage der Ursächlichkeit der Beihilfe für die Haupttat, Heinitz-Festschrift (1972) 295; Vogler Die Begünstigungshandlung. Zum Begriff „Hilfe leisten" in § 257 StGB, Dreher-Festschrift (1977) 405; Warda Grundfragen der strafrechtlichen Konkurrenzlehre, JuS 1964 81; Waider Strafbare Versuchshandlungen der Jagdwilderer, GA 1962 176; Wessels Zur Problematik der Regelbeispiele, Maurach-Festschrift (1972) 295; Womelsdorf Zur Problematik des Versuchs beim unechten Unterlassungsdelikt, Diss. jur. Münster 1976; Zipf Dogmatische und kriminalpolitische Fragen bei §243 Abs. 2 StGB, Dreher-Festschrift (1977) 389. Vgl. auch das Schrifttum zu § 22.

Entstehungsgeschichte Das in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I S. 1) geltende StGB hat die Regelung des Versuchs, wie sie dem StGB von 1871 in den §§ 43 ff zugrunde lag, weitgehend ohne inhaltliche Umgestaltung in die §§ 22 ff übernommen (zu einzelnen Änderungen vgl. die Entstehungsgeschichte zu den jeweiligen Vorschriften und Jescheck LK Einleitung Rdn. 78 sowie Meyer ZStW 87 [1975] 598 ff). Da die Tatbestände des Bes. Teils das Delikt regelmäßig in der Vollendungsphase (ausführlich dazu unten Rdn. 20 ff) schildern, bedarf es besonderer Strafausdehnungsgründe, um das vor diesem Zeitpunkt liegende Verhalten erfassen zu können (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 I). Der Gesetzgeber hat sich für eine (nicht ganz selbstverständliche, vgl. Bockelmann Untersuchungen S. 157) Regelung im Allge(2)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

meinen Teil entschieden*. Der Versuch ist deshalb ein unselbständiger Tatbestand, da seine Merkmale jeweils auf einen Tatbestand des Besonderen Teils bezogen werden müssen (vgl. Sauermann Versuch S. 31 ff; Jescheck § 49 III). Für die Entwicklung ist maßgebend der französische Code Pénal von 1810. Die in dessen Art. 2 enthaltene Kennzeichnung des Versuchs als Anfang der Ausführung ist über das Preuß. StGB von 1851 in das RStGB von 1871 übernommen worden** und läßt sich auch heute noch aus § 22 ableiten, der als objektives Element des Versuchs das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung voraussetzt (vgl. Jescheck § 49 III). Die Reform der Vorschriften über den Versuch war darum bemüht, folgende Streitfragen, die ζ. T. schon im StGB von 1871 bewußt offengelassen worden sind, zu klären: 1. Abgrenzung des strafbaren Versuchs von der (regelmäßig) straflosen Vorbereitung, 2. Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, 3. Bestrafung des Versuchs (obligatorische oder fakultative Strafmilderung) und 4. Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt. Ursache tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten war insoweit der Gegensatz zwischen der objektiven und subjektiven Versuchstheorie, die als jeweiliger Ausgangspunkt zu einer unterschiedlichen Beantwortung der Streitfragen führten (vgl. Corves Prot. SA V/1651; Bockelmann Untersuchungen S. 154; Jescheck § 49 II 2; Busch LK 9 § 43 Rdn. 1). Nach der objektiven Theorie liegt der Strafgrund des Versuchs in der konkreten Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts. Zu dem Handlungsunwert muß also noch ein spezifischer Sachverhaltsunwert treten mit der Folge, daß der Versuch beispielsweise überall da nicht strafwürdig ist, wo er im konkreten Einzelfall ungefährlich, d. h. untauglich ist, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Demgegenüber sieht die subjektive Theorie den Strafgrund in dem durch Handlungen betätigten rechtsfeindlichen Willen, begnügt sich also mit dem Handlungsunwert. Strafbar sind dehalb auch Verhaltensweisen, die keinerlei Gefahren für die geschützten Rechtsgüter herbeiführen. 1. Die subjektive Theorie führt zunächst zur Ausdehnung des strafbaren Versuchs auf Kosten der Vorbereitung. Erblickt man nämlich mit ihr den Strafgrund in der rechtsfeindlichen Gesinnung, ist schon jede Auflehnung Versuch. Auch wer nur einen Spaziergang macht, um in der Bewegung an der frischen Luft seinen vorgefaßten Plan zum Mord in allen Einzelheiten zu überlegen, betätigt den Mordentschluß ebenso wie derjenige, der den in Gedanken bereits fertiggestellten Mordplan schriftlich niederlegt und überarbeitet (Beispiel nach Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 c). Verlangt man dagegen mit der objektiven Theorie eine Gefährlichkeit der Handlung, wird der Versuchsbereich hart an die Grenze der Tatbestandsverwirklichung herangerückt. Die Präzisierung der Abgrenzung des strafbaren Versuchs von der Vorbereitung war daher seit jeher ein Anliegen der Reform (Bockelmann Niederschriften 2 S. 173; Schwalm Niederschriften 2 S. 190 sowie Entstehungsgeschichte zu § 22). 2. Auch die Frage, inwieweit der Versuch im Vergleich zum vollendeten Delikt milder zu bestrafen ist, hängt davon ab, worin man den Strafgrund des Versuchs * Zur Dogmengeschichte des Versuchs, der schon früh als besonderes Verbrechensform der Vollendung an die Seite gestellt wurde, vgl. v. Lwzi l 4 / 1 5 S. 202; Blei AT § 64; Jescheck § 49 I; Bloy S. 147 ff. ** Vgl. Mezger S. 377; „Nur die Ausführungshandlung ist strafbarer Versuch; was ihr vorausgeht, ist straflose Vorbereitung" (v. Lisztuns S. 203). (3)

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

sieht. Nach der subjektiven Theorie ist das gleiche Strafmaß für Vollendung wie Versuch angezeigt (vgl. Schmidhäuser 15/20), da der Strafgrund im verbrecherischen Willen und damit der Gefährlichkeit des Täters liegt und es deshalb für die Strafbemessung keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten kann, ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben ist. Vom objektiven Standpunkt aus ist dagegen der Versuch im Vergleich zur Vollendung ein Minus mit der Folge, daß er milder zu bestrafen ist (Bockelmann Untersuchungen S. 154; vgl. dazu im einzelnen Entstehungsgeschichte zu § 23). 3. Außerdem führt die subjektive Theorie zur grundsätzlichen Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, da jede Betätigung des Tatentschlusses genügt und nicht — wie im Sinne der objektiven Theorie — nur eine zur Verwirklichung des Tatbestandes an sich objektiv geeignete Ausführungshandlung (vgl. weiterführend Jescheck § 50 I 2). Der Gesetzgeber hatte im StGB von 1871 die Frage, ob der untaugliche Versuch strafbar ist, offengelassen und die Klärung Rechtsprechung und Literatur überlassen (vgl. v. Liszt1*'™ S. 210; Frank § 43 III 2; Jescheck § 49 I), obwohl bereits mit Beginn des 19. Jahrhunderts über die Strafbarkeit lebhaft gestritten wurde (Heinitz ZStW 81 [1969] 589). Die Rechtsprechung, die anfangs einer objektiven Linie folgte (Preußisches Obertribunal GA 1854 548, 822 f; Archiv des Kriminalrechts 1854 489) schwenkte unter dem Einfluß v. Buris in die Gegenrichtung und stellte sich mit aller Entschiedenheit auf den subjektiven Standpunkt. In der viel erörterten Entscheidung der vereinigten Strafsenate vom 24. Mai 1890* bejahte das RG auch die Strafbarkeit des absolut untauglichen Versuchs (vgl. auch RGSt. 1 451, 452: Tötungsversuch an einem totgeborenen Kind, sowie RGSt. 8 198, 203: Abtreibungsversuch an der Nichtschwangeren und RGSt. 34 217, 219: Abtreibungsversuch an der Nichtschwangeren mit untauglichen Mitteln). 4. Schließlich kommt der Entscheidung für die objektive oder subjektive Theorie Relevanz für die Anforderungen zu, die an einen strafbefreienden Rücktritt zu stellen sind. Legt man einen objektiven Maßstab zugrunde, ist die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung allein in objektiver Hinsicht zu beurteilen. Demzufolge ist die Möglichkeit eines Rücktritts ausgeschlossen, wenn der Nichteintritt des Erfolges nicht auf der späteren Tätigkeit des Täters beruht, sondern daraus resultiert, daß die tatbestandsmäßige Handlung den Erfolg schon gar nicht herbeiführen konnte** oder daß der Erfolg durch selbständig handelnde Dritte vereitelt wird (vgl. dazu ausführlich Entstehungsgeschichte zu § 24). Sieht man demgegenüber den Grund der Versuchsstrafbarkeit in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens, muß die Betätigung eines entgegengesetzten Willens für den Rücktritt ausreichen, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen der Erfolg ausbleibt (Jescheck 2 § 51 IV; Bockelmann Untersuchungen S. 154). Als wichtigste Entschließung, die der Gesetzgeber bei einer Neuregelung zu treffen hatte, galt daher die Entscheidung für die objektive oder subjektive Theorie (so * RGSt. 1 439, 441 : „Darüber kann nun kein Zweifel aufkommen, daß im Versuch der verbrecherische Wille diejenige Erscheinung ist, gegen welche das Strafgesetz sich richtet, im Gegensatz zu dem in der Vollendung zutage tretenden, aus dem verbrecherischen Willen hervorgegangenen rechtswidrigen Erfolge." Vgl. dazu kritisch v. Lisztuni S. 209; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III Β 3 c; Schmidhäuser 15/15. " Vgl. RGSt. 51 205, 211; 68 306, 309 mit weit. Nachw.; vgl. auch RGSt. 17 158, 160; 70 1, 2; H. Mayer Lehrbuch S. 256; Mezger1 S. 406. (4)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

schon Begründung zum Entwurf 1909 S. 285). Der Vorentwurf 1909 brachte keine Entscheidung i. S. der subjektiven Theorie, auch wenn die Begründung etwas anderes aussagt (M. E. Mayer Reform S. 337 0 · Erst die Entwürfe nach 1913 haben die subjektive Theorie festgeschrieben (Bockelmann Niederschriften 2 S. 175) und sich beispielsweise ausdrücklich mit der Rechtsprechung für die grundsätzliche Strafbarkeit des untauglichen Versuchs entschieden (vgl. etwa E 1927 Begründung S. 24; der Entwurf sah allerdings für die Fälle des untauglichen Versuchs eine Strafmilderung vor [§ 26 Abs. 3 E 1927]). Auch in der Folgezeit hat die subjektive Auffassung die Reform nachhaltig beeinflußt. Bei der Beratung der großen Strafrechtskommission (dazu Bockelmann Niederschriften 2 S. 171 u n d Untersuchungen S. 150) und den Verfassern des AE 1966 (AE 1966 S. 62 ff) bestand Einigkeit darüber, daß grundsätzlich von einer subjektiven Versuchstheorie auszugehen sei. Versuch ist danach der durch Handlungen, die in der Außenwelt in Erscheinung treten, manifest gewordene Verbrechensvorsatz (vgl. Lackner § 22 Anm. 2 a ; Jescheck § 49 II). Eine rein subjektive Theorie kann allerdings dazu führen, d a ß die Überbetonung des Täterwillens anstelle der Tat den Täter in den Vordergrund der Betrachtung rückt u n d so zum Gesinnungsstrafrecht führt (dazu Baumann § 32 II 1). Böser Wille allein ist aber — selbst wenn betätigt — weder eine hinreichende Begründung f ü r Unrecht als ein Ereignis von sozialer Bedeutung noch für die Strafwürdigkeit eines Verhaltens (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21 ; Welzel § 24 I 1,2). Entscheidend ist allein ein tatbestandserheblich betätigter böser Wille. In diesem Sinne will § 22 mit dem objektiven Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Tatbestandes (vgl. dazu unten § 22 Rdn. 29 ff) der durch die subj. Theorie ermöglichten Ausuferung des Versuchsbereichs entgegenwirken. Der Streit um den Strafgrund des Versuchs (dazu unten Rdn. 36 ff) ist damit zugunsten einer subjektiv-objektiven Theorie entschieden worden. Dem geltenden Recht liegt weder eine rein subj. Theorie* noch eine rein obj. Theorie zugrunde**. Vielmehr ist von einem subj. Ausgangspunkt auszugehen, der durch obj. Kriterien ergänzt wird (vgl. dazu unten § 22 Rdn. 31 ff)· Aus den §§ 22, 23 läßt sich so zwar die grundsätzliche Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ableiten, es besteht jedoch die Möglichkeit, bei der auf grobem Unverstand beruhenden Untauglichkeit des Versuchs die Strafe zu mildern oder ganz von ihr abzusehen (§ 23 Abs. 3), wofür nach einer ein subj. Theorie kein Raum ist (Jescheck SchwZStr. 91 (1975) 29 und § 49 II 2; Roxin Einführung S. 15), denn der rechtsfeindliche Wille braucht hier nicht geringer zu sein als bei einem „normalen" untauglichen Versuch {Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21). Ebenso ist anerkannt, d a ß der irreale Versuch nicht strafbar ist (vgl. dazu unten § 23 Rdn. 30). Schließlich ist durch die Neufassung des § 24 klargestellt, daß f ü r den Rücktritt freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, genügt, wenn die Tat ohne Zutun des Täters nicht vollendet wird. Ein strafbefreiender Rücktritt ist deshalb sowohl vom untauglichen Versuch möglich, wie auch dann, wenn ohne Kenntnis des Täters die Rettung des Opfers durch Dritte geschieht (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D ; vgl. dazu im einzelnen die Kommentierung zu § 24).

* So aber Lackner § 22 Anm. 2a; Busch LK.9 § 43 Rdn. 68; Baumann § 32 I 2c. ** Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20; Jescheck § 49 II 1, 2; Rudolphi SK Rdn. 14; Kühl JuS 1980 507. (5)

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

Insgesamt gesehen hat die Reform durch das 2. StrRG nicht zu einer weitreichenden Änderung im Vergleich zur früheren Regelung des Versuchs im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 geführt. Nur in wenigen Punkten (vgl. die Entstehungsgeschichte zu den jeweiligen Vorschriften) hat der Versuch eine Neuregelung, im übrigen nur eine — freilich nicht durchweg geglückte — Neufassung erfahren (Jescheck LK Einleitung Rdn. 78). Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch kann nach wie vor als das schwierigste Problem (Bockelmann JZ 1954 468) bezeichnet werden und ist durch die Neufassung nicht vereinfacht worden. Das Ergebnis der Reformbemühungen zeigt vielmehr, daß mit gesetzgeberischen Maßnahmen Streitfragen, die seit jeher Judikatur und Rechtslehre beschäftigt haben, nicht ohne weiteres gelöst werden können. Gelegentlich ist deshalb sogar behauptet worden, daß sich die frühere und die jetzige Formulierung des Versuchs übereinstimmend interpretieren ließen*. Zu den Änderungen im einzelnen vgl. jeweils die Entstehungsgeschichte bei den einzelnen Vorschriften. Übersicht I. Entwicklungsstufen der Vorsatztat 1.Vorbereitun g 2. Versuch 3. Vollendung u n d Beendigung II. S t r a f g r u n d des Versuchs 1. Objektive L e h r e n 2. Subjektive L e h r e n 3. Vermittelnde L e h r e n

. . . .

Rdn. 1 4 12 20 36 39 46 51

Rdn. III. Sonderfälle des Versuchs 1. Unterlassungsdelikte 2. Erfolgsqualifizierte Delikte 3.Vorbereitungshandlungen und nehmensdelikte 4. Versuchte T e i l n a h m e 5. Regelbeispiele IV. Ausländisches Recht

57 60 70 Unter88 96 102 104

I. Entwicklungsstufen der Vorsatztat 1

Jede Willensbetätigung durchläuft Stufen von der entferntesten Vorbereitung einer Handlung oder eines Verhaltens bis zur Beendigung der Handlung selbst oder bis zum Eintritt des erstrebten Erfolges (sofern sie nicht schon vorher endet). 2 Während der bloße Gedanke niemals strafbar ist — cogitationis poenam nemo partitur ( Ulpian) — und der geäußerte Entschluß nur nach § 30 Abs. 2, unterscheidet das Gesetz auf dem weiteren Deliktsweg (iter criminis) mit jeweils unterschiedlichen Konsequenzen zwischen Vorbereitungshandlung, (unbeendetem bzw. beendetem) Versuch, Vollendung und Beendigung 1 . Jede Verwirklichungsstufe ist um so strafwürdiger, je näher sie an die tatbestandsmäßige Vollendung heranreicht (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 II A). 3 Der Bereich des Versuchs liegt zwischen der bloßen Vorbereitung der Tat und ihrer Vollendung. Dabei ist die Abgrenzung von der Vollendung nicht problematisch. Dagegen war diejenige von der Vorbereitung stets umstritten, weil bei ihr die Strafbarkeit überhaupt erst beginnt. Sie setzt eine klare Grundhaltung voraus (ausführlich unten § 22 Rdn. 58 ff). * Busch LK 9 § 43 Rdn. 14, 68; Welzel§ 24 III; BGHSt. 26 201, 202; dazu aber auch Blei JA 1976 102, nach dem dies nur einseitig gilt, § 22 könne nicht so weit ausgedehnt werden, wie dies in § 43 der Fall war. 1 Dazu grundlegend Jescheck Welzel-Festschrift S. 683; Hau; Kühl JuS 1979 718, 874; 1980 120 sowie Schmidhäuser 15/7; Rudolphi SK Rdn. 1 ff; Lackner Anm. 1; vgl. aber auch bereits Hall GS 110 (1938) 95 ff.; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §39 I unterscheidet sechs Stufen im „finalzeitlichen Werdegang" des Verbrechens. (6)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

1. Vorbereitung. Die Vorbereitungshandlung bildet meist bereits ein — noch nicht 4 tatbestandliches — Glied des vom Täter gewollten Ursachenablaufs. Der Täterwille richtet die Vorbereitungshandlung auf die Tatbestandsverwirklichung aus u n d liefert mithin schon einen mittelbaren Beitrag i. S. einer Bedingung zum Erfolg. Ob die Handlung in dem Verursachungsprozeß entbehrlich, bedeutsam, untergeordnet oder sogar unwirksam ist, ist ohne Bedeutung. Ein Zeichen für die nur vorbereitende Bedeutung einer Handlung wird es im allgemeinen sein, wenn der Übergang zur Ausführung noch eines neuen Willensimpulses bedarf (RGSt. 43 332, 333), wenn die räumliche oder zeitliche Entfernung von der Tatausführung ( D R 1941 1723) die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandserfüllung verringert oder wenn die Gefahr für den anzugreifenden Rechtswert noch nicht gegenwärtig ist. Die Abgrenzung im einzelnen ist Tatfrage. Mit der Vorbereitung schafft der Täter die Voraussetzungen für die Durchfüh- 5 rung der Straftat, ohne zur Verwirklichung des Tatbestandes selbst unmittelbar anzusetzen 2 . Insoweit gibt es Leitlinien typischer Vorbereitungshandlungen. Beispielsweise durch Herstellen oder Beschaffen der Tatmittel 3 , Heranschaffen von Werkzeugen zum Tatort oder die Annäherung an das Handlungsobjekt. Auch das bloße Auskundschaften der Tatgelegenheit und selbst noch das Hingehen zum Tatort fällt darunter, vgl. dazu ausführlich unten Rdn. 69. In den Bereich der Vorbereitung können aber selbst Handlungen fallen, die sich erst nach der Tat auswirken sollen, beispielsweise, wenn der Täter Vorkehrungen zur Verhinderung der Entdeckung der Straftat trifft (Beschaffen des Alibibeweises) oder zur Sicherung der Tatvorteile ein Versteck aussucht. Die Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen wird gemeinhin damit erklärt, 6 daß sie nicht einmal das Stadium des Versuchs erreichen und von der Vollendung noch soweit entfernt sind, daß sie das Rechtsgefühl der Allgemeinheit nicht ernstlich erschüttern können (Eindruckstheorie) 4 . Während deshalb der Versuch einen unmittelbaren Eingriff in die vom Tatbestand sanktionierte Verbotsnorm beinhaltet, schafft die Vorbereitung lediglich die geeigneten Vorbedingungen dieses Rechtsgutsangriffs (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 II A). So läßt sich die kontinuierlich zur Vollendung hinstrebende Linie des rechtsgutsverletzenden Willensverhaltens in einem straflosen ersten und einen strafbaren zweiten Teil trennen (vgl. Schmidhäuser 15/49, 50). Allerdings hat der Gesetzgeber aus kriminalpolitischen G r ü n d e n für bestimmte Fallgruppen den Grundsatz der Straflosigkeit der Vorbereitungshandlungen durchbrochen 5 . a) Dies ist zunächst der Fall bei der unselbständigen Ausdehnung von Tatbestän- 7 den, deren Eigenart einen besonders frühen Zugriff erfordert. Die unselbständige Ausdehnung bestimmter Tatbestände über den Versuch hinaus ist durch das Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes geboten, weil sonst mit der Strafe nichts auszurichten wäre (Jescheck § 49 VI 2 a). So bei der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 StGB). In diese G r u p p e zählen ferner die Vorbereitungen von Sabotageakten (§ 87), einer landesverräterischen Ausspähung (§ 96 Abs. 1), des Landesverrates (§ 98), sowie die Vorbereitung eines Verschleppungsverbrechens (§ 234 a) und eines Anschlages auf ein Luftfahrzeug (§ 316 c Abs. 3). 2 3 4 5

(7)

Lackner Anm. 3 ; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 40 I. RGSt. 9 81, 83; 42 266, 278; 47 25, 27; 54 42, 43, 254 f. Jescheck § 49 VI ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23 ; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 40 II 1. Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 13; Rudolphi SK Rdn. 3 sowie die Einteilung bei MaurachGössel-Zipf AT 2 § 40 II.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

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b) Die zweite Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, daß der Gesetzgeber bestimmte Handlungen, die materiell nur eine Vorstufe einer anderen Straftat (Vorbereitungshandlungen von typischer Ausprägung und hoher Gefährlichkeit [Jescheck § 49 VI 2 b]) sind, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit als selbständiges Delikt unter Strafe gestellt hat (Rudolphi SK Rdn. 4). So im Fall der Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80), des Beschaffens von Material zur Fälschung von Geld und Wertzeichen (§ 149), des Inverkehrbringens von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft (§ 219 c) und des Versicherungsbetruges (§ 265).

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c) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 30 wegen der darin liegenden gefährlichen psychischen Bindung der Tatbeteiligten, bzw. des aus der Kontrolle des Anstifters geratenen Tatanstoßes bei Verbrechen generell die Strafbarkeit auf bestimmte Fälle der vorweggenommenen Teilnahme erstreckt 5 a .

10

Verwirklicht der Täter seinen Deliktsplan über die Vorbereitungshandlungen hinaus, treten diese zurück (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 40 III). Das gilt aber dann nicht, wenn die strafbare Vorbereitungshandlung im Unrechtsgehalt weiterreicht, als das versuchte oder vollendete Delikt reichen würde (ausführlich Vogler Bockelmann-Festschrift S. 725 und LK vor § 52 Rdn. 123, 130). Deshalb ist zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 30 gegeben, wenn der zum Meineid Angestiftete nur uneidlich falsch aussagt 6 . Dagegen tritt § 149 hinter der versuchten oder vollendeten Geldund Wertzeichenfälschung zurück 7 . Ob dies auch für § 265 gilt, wenn der Täter anschließend einen Betrug begeht, ist umstritten 8 .

11

Bei entsprechender Tatbestandsverwirklichung liegt im Rahmen der Vorbereitungshandlungen ein formell vollendetes Delikt vor (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 14; Lackner Anm. 3), mit der Folge, daß an sich auch ein Versuch der Vorbereitung in Betracht zu ziehen ist (dazu unten Rdn. 90 ff). Zur Frage des Rücktritts vgl. § 24.

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2. Versuch. Versuch ist die begonnene, aber nicht vollendete Tat 9 . Kennzeichen des Versuchs sind damit der Entschluß, eine Straftat zu begehen (dazu ausführlich Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 145 ff) und die Betätigung des Entschlusses, die einen Anfang der Ausführung darstellt. Beide Voraussetzungen sind im geltenden Recht nicht ausdrücklich in § 22 genannt.

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Einigkeit besteht darüber, daß es beim Versuch lediglich am äußeren Tatbestand, jedenfalls an seiner gewollten Herbeiführung teilweise fehlt. Der innere Tatbestand muß vollständig vorliegen, wie bei der vollendeten Tat auch (Baumann § 32 IV; Welzel § 24 II). Über den Vorsatz bezüglich sämtlicher objektiver Tatumstände hinausgehend müssen also auch die bei der betreffenden Deliktsart vorausgesetzten 5a

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BGHSt.4 16, 19; Bockelmann §27 VI 1; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 4 0 II C; dazu Jescheck § 49 VI 2 c; Letzgus S. 123 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 40 II C. BGHSt. 1 242; 9 131 ; Sch.-Schröder-Cramer § 30 Rdn. 6; Rudolphi SK Rdn. 3 ; a. A. Kohlrausch-Lange § 49 a VI ; Schneider GA 1956 262. Rudolphi SK Rdn. 4; RGSt. 65 203, 205; RG JW 1934 2850; Sch.-Schröder-Stree § 149 Rdn. 12. Vgl. Vogler LK vor §52 Rdn. 17; BGHSt. 11 398; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 III; Rudolphi SK Rdn. 4. Lackner §22 Rdn. 1; Dreher-Tröndle §22 Rdn. 2; Cramer Grundbegriffe S. 76; Sch.Schröder-Eser § 22 Rdn. 2; Jescheck § 49 III; Meyer ZStW 87 (1975) 598; Rudolphi SK § 22 Rdn. 22; Schmidhäuser 15/1 ff. (8)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

besonderen subj. Tatbestandsmerkmale gegeben sein, so die Zueignungsabsicht im Rahmen des Diebstahls, § 242, oder die Täuschungsabsicht bei der Urkundenfälschung, § 267, (vgl. dazu unten § 22 Rdn. 22). Dem Versuch ist wesentlich der „objektiv nicht verwirklichte Vollendungswille" 14 (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 I A 1), jedenfalls soweit der Täter zur Verwirklichung angesetzt hat. Daraus ergibt sich für den Vorsatz: Objektivisten und Subjektivisten stimmen darüber überein, daß zum inneren Tatbestand (der beim Versuch den Vorrang vor dem äußeren Hergang beansprucht, weil dieser den Willen nicht voll erfüllt) der Entschluß i. S. des vollständigen Vorsatzes gehört (RGSt. 58 392, 394; vgl. dazu unten § 22 Rdn. 2). Ohne Deliktsvorsatz läßt sich das tatbestandsmäßige Unrecht des Versuchs (Gallas Beiträge S. 48) nicht begründen, da der eingetretene Erfolg indifferent sein kann (vgl. dazu Kühl JuS 1980 507). Dies bedeutet gleichzeitig, daß der fahrlässige Versuch straflos ist (dazu unten Rdn. 16 und § 22 Rdn. 8). Das Fehlen der Vollendung als begriffsnotwendig negativen Faktor macht 15 bereits deutlich, daß der Versuch ein unselbständiger Tatbestand ist (Sauermann Versuch S. 31), da seine Merkmale nicht aus sich heraus zu verstehen sind, sondern stets auf den Tatbestand einer bestimmten Verbrechensnorm bezogen werden müssen (Jescheck § 49 III; Schmidhäuser 15/5). Zur Frage eines Versuchs in dem Fall, daß zwar der objektive Tatbestand vollständig erfüllt ist, aber eine vom Täter nicht erkannte Rechtfertigungssituation vorliegt, vgl. unten § 22 Rdn. 140. Durch die Wendung „nach seiner Vorstellung" in § 22 wird klargestellt, daß der 16 Versuch vorsätzliches Handeln voraussetzt (BT-Drucks. V/4095 S. 11 betont deshalb, daß die Versuchsdefinition in § 26 Abs. 1 E 1962 überflüssig ist). Deshalb ist der fahrlässige Versuch straflos (Dreher- Tröndle § 22 Rdn. 2 ; RGSt. 57 117 ; 59 116, 119 (Versuch der Steuergefährdung). Wer fahrlässig handelt, betätigt nicht den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II A 2). Auch bei den Fahrlässigkeitstaten fehlt es am Tätervorsatz. Deshalb ist auch der 17 Versuch einer Fahrlässigkeitstat ausgeschlossen 10 . Demgegenüber halten Schröder (Sch.-Schröder^1 § 43 Anm. 4) und Rudolphi (SK § 22 Rdn. 1 und JuS 1969 553) zwar einen Versuch für denkbar (so auch Jescheck § 54 IV bei bewußter Fahrlässigkeit), de lege lata aber von der gesetzlichen Begriffsbestimmung nicht erfaßt. Nach Puppe (JuS 1980 350) entfällt bei einer Fahrlässigkeitstat die Unterscheidung zwischen Vorbereitung und Anfang der Ausführung, da die tatbestandsmäßige Handlung beliebig weit in der Ursachenkette zurückverlegt werden kann. Gleiches gilt für die strafbaren fahrlässigen Gefährdungen, z.B. §§97, 311 18 Abs. 4, 314, 315 Abs. 4, 5, 315a Abs. 3, 317 Abs. 3, 321 und §324 mit §326 (BayObLG NJW 1955 395; OLG Hamm NJW 1954 1780 beide zu § 316 a. F.). Demgegenüber halten Maurach-Gössel-Zipf (AT 2 § 41 II A 2) im Rahmen des § 97 Abs. 1 einen Versuch durch vorsätzliche Preisgabe von Staatsgeheimnissen und die dadurch bewirkte fahrlässige Gefährdung des Staatswohls für denkbar. Auch im Rahmen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung sei ein Versuch möglich, beispielsweise wenn sich der seinen Zustand nicht übersehende fahruntüchtige Chauffeur ans Steuer setze. 10

(9)

Sch.-Schröder-Eser §22 Rdn. 22; Baumann § 33 I 2, III; Dreher-Tröndle §22 Rdn. 2; Jescheck § 49 III l a . Vgl. auch Sturm (ZStW 59 [1947] 23, 32), der zumindest bei schwerster Fahrlässigkeit die Strafbarkeit des Versuchs fordert.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

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Bei den Unternehmensdelikten wird durch § 11 Abs. 1 Nr. 6 der Versuch der Vollendung an die Seite gestellt (etwa in §§ 81, 82, 316a; 316c Abs. 1 Nr. 2; 357). Daher ist jeder versuchte Angriff auf den Schutzwert, also jede Ausführungshandlung schon Vollendung. Deshalb entfällt sowohl die Strafmilderungsmöglichkeit nach Versuchsgrundsätzen wie auch das Rücktrittsprivileg des § 24. Bei den unechten Unternehmensdelikten ergibt sich aus der Tatbestandsfassung, daß bereits eine mit bestimmten Absichten verfolgte Tätigkeit die Vollendungsstrafe nach sich ziehen soll, beispielsweise in § 113 (Angreifen) oder § 292 (Nachstellen). Zur Übertragung der Versuchsregeln auf diese Fallgruppen vgl. unten Rdn. 95 ff.

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3. Vollendung und Beendigung. Vollendet ist die Straftat, sobald alle Tatbestandsmerkmale vorliegen 1 ! = formelle Vollendung. Ist dies zu verneinen, kommt allenfalls Versuch in Betracht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, wird die Vollendung nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Täter seine Absicht noch nicht in vollem Umfang zu verwirklichen vermochte (RGSt. 58 277, 278). Die Tatvollendung schließt einen Rücktritt nach § 24 aus; mitunter hat jedoch der Gesetzgeber das Institut der tätigen Reue als Strafaufhebungsgrund anerkannt, beispielsweise im Rahmen der Brandstiftung nach § 310 StGB.

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Die Vollendung läßt sich niemals allgemein, sondern immer nur im Hinblick auf den einzelnen Tatbestand ermitteln 12 . Immerhin lassen sich aber im Hinblick darauf, daß die Tatbestände gewissen Kategorien unterfallen, folgende Gesichtspunkte aufstellen: Tätigkeitsdelikte sind bereits mit Vornahme der Handlung erfüllt (Dreher-Tröndle § 22 Rdn. 5). Die Vollendung ist auch bei Zurückbleiben der Handlung hinter dem vom Täter erstrebten Ziel dann vollendet, wenn das Erreichte den gesetzlichen Tatbestand ausfüllt, beispielsweise beim von sexueller Erregung getriebenen (RGSt. 69 140, 143) Betasten des bekleideten, anstatt des erstrebten nackten Geschlechtsteils (RGSt. 58 278; O H G NJW 1950 710) oder beim Entwenden einer geringeren Menge als der gewünschten (vgl. dazu aber auch unten § 22 Rdn. 21).

22

Mitunter muß aber auch die Handlung zu einem bestimmten Zwischenerfolg geführt haben. So setzt das Offenbaren eines Privatgeheimnisses voraus, daß ein Dritter davon Kenntnis erlangt (Sch.-Schröder-Lenckner, § 203 Rdn. 72). Bei den Erfolgsdelikten muß dagegen auch der Erfolg eingetreten sein; bei den Verletzungsdelikten mithin die Verletzung des Schutzwertes, bei den Gefährdungstaten dessen gegenwärtige Gefährdung. So im Rahmen der §§211 ff der Tod eines Menschen; bei §311 die Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sache von bedeutendem Wert (Beispiele nach Sch.-Schröder-Eser Rdn. 2; vgl. dazu auch Dreher-Tröndle § 22 Rdn. 6). Im Bereich der Unterlassungsdelikte tritt im Rahmen des § 323 c die Vollendung bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem die gebotene Handlung hätte vorgenommen werden müssen (vgl. ausführlich Rdn. 64). Bei den Absichtsdelikten (unvollkommen zweiaktige Delikte und kupierte Erfolgsdelikte [vgl. Jescheck § 26 II 5]) genügt zur Vollendung die Erfüllung des obj. Tatbestandes in der jeweils geforderten Absicht; so im Rahmen des Betruges, § 263. Während beim Opfer aufgrund der Irrtumserregung tatsächlich ein Schaden eingetreten sein muß, genügt für die Bereicherung auf Seiten des Täters schon die darauf gerich-

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BGHSt. 3 40, 43; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §39; Schmidhäuser 15/9; Lackner Anm. 2; Dreher-Tröndle § 22 Rdn. 4. BGHSt. 9 62, 63; 24 178; BGH NJW 1973 814; Dreher-Tröndle % 22 Rdn. 4. (10)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

tete Absicht. D a s m a c h t bereits deutlich, d a ß von d e r V o l l e n d u n g die B e e n d i g u n g zu u n t e r s c h e i d e n ist ' '

Die Beendigung stellt den Zeitpunkt dar, in dem das Tatunrecht seinen tatsächli- 23 chen Abschluß gefunden hat'4. Sie tritt dann ein, wenn sich die von dem jeweiligen Straftatbestand bekämpfte Rechtsgutsverletzung tatsächlich in dem vom Täter gewollten Umfange realisiert hat, insbesondere etwaige Absichten verwirklicht worden sind (vgl. Sch.-Schröder-EserRdn. 4; Rudolphi SK Rdn. 7; Lackner Anm. 2). Im einzelnen wird die Beendigung unterschiedlich definiert: Das Delikt soll beendet sein, wenn der in der Schutzrichtung des jeweiligen Tatbestandes liegende Erfolg insoweit eingetreten ist, als dessen Verwirklichung dem Täterplan entspricht (Stratenwerth JZ 1961 97) oder wenn das Tatgeschehen seinen tatsächlichen Abschluß gefunden hat (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4). Hau (S. 36) stellt darauf ab, ob der volle Unwertsachverhalt verwirklicht ist, der den Hintergrund für die strafrechtliche Normierung bildet. Nach Schmidhäuser (15/9) wiederum ist das Delikt materiell dann beendet, wenn der Unwertsachverhalt verwirklicht ist, der dem Rechtsgutsanspruch voll entgegensteht und der Fassung des Unrechtstatbestandes zugrundeliegt (vgl. auch unten Rdn. 34). a) Der Grund für das Auseinanderfallen von Vollendung und Beendigung liegt 24 zum einen darin, daß der Gesetzgeber aus kriminalpolitischen Erwägungen zur Verstärkung des bezweckten Rechtsgüterschutzes den Zeitpunkt der Vollendung vorverlegt hat (vgl. Jescheck Welzel-Festschrift S. 685 ; Rudolphi SK Rdn. 7). So bei den Absichtsdelikten (Delikten mit überschießender Innentendenz, bei denen der Täter zwar mit einer über den objektiven Tatbestand hinausgreifenden Absicht handeln, diese aber nicht realisieren muß), die als kupierte Erfolgsdelikte (z. B. §§ 252, 253, 263, 288, 229, 333) und verkümmert zweiaktige Delikte (z. B. §§ 146, 236, 242, 249, 267, 307 Nr. 2) auftreten. Diese Delikte sind vollendet, sobald der Täter die tatbestandlich umschriebene Handlung vorgenommen hat; beendet erst dann, wenn sich die Absicht erfüllt hat (vgl. Rudolphi SK Rdn. 7). So ist der Betrug schon mit dem Schadenseintritt vollendet; Beendigung liegt erst vor, wenn der Täter tatsächlich den erstrebten Vorteil erlangt hat 1 5 . Diebstahl ist vollendet mit der Wegnahme der Sache durch den Dieb. Der Dieb braucht die eigene Sachherrschaft nur ganz kurze Zeit begründet zu haben (BGHSt. 16 271, 274; vgl. auch BGH 3 StR 51/82 v. 13. 5. 1982). In gleicher Weise verfährt das Gesetz bei den Gefährdungsdelikten. Während bei 25 den Verletzungsdelikten zur Tatbestandserfüllung eine Schädigung des geschützten Handlungsobjekts notwendig ist, reicht bei den Gefährdungsdelikten bereits die Gefahr einer Verletzung als Erfolg der Handlung aus (vgl. Jescheck § 26 II 2; Lackner Gefährdungsdelikt S. 7). Auch bei den Gefährdungsdelikten (z. B. §§ 229, 310 a, 315 ff) führt die tatbestandsmäßige Handlung noch nicht den vollen Unrechtssachverhalt herbei ; der Gesetzgeber begnügt sich aber für die Vollendung mit der objektiven Tendenz zu seiner Verwirklichung ( Jescheck Welzel-Festschrift S. 686). Been13

Dazu Hau; Jescheck Welzel-Festschrift S. 683; Kühl Beendigung S. 76, der zwischen Verhaltens- und Erfolgsbeendigung unterscheidet; Furtner M DR 1965 431 und JR 1966 169; Stratenwerth JZ 1961 95; vgl. auch Hruschka GA 1968 193, der die Lehre von der Beendigung des Delikts durch eine neu verstandene Auffassung von der Dauerstraftat ersetzen möchte. 14 RGSt. 49 208, 209; 70 377, 382; BGHSt. 4 132, 133; 8 390 f; 20 194, 196; VRS 13 350. 15 Welzel § 2 4 I 4 a ; Jescheck Welzel-Festschrift S. 685; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Hau S. 107; vgl. aber auch Kühl Beendigung S. 104. (11)

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2. Abschnitt. Die Tat

det sind die Gefährdungsdelikte mit dem Eintritt der Verletzung des Handlungsobjekts bzw. mit dem Wegfall der Gefährdung. Vorverlegt ist der Vollendungszeitpunkt schließlich bei den Unternehmensdelikten. Aus der Sicht des Gesetzgebers kommt bei ihnen schon dem Versuchsstadium eine derartige Strafwürdigkeit zu, daß der Versuch offen der Vollendung gleichgestellt wird (Schmidhäuser 15/107). So ist der Hochverrat mit der ersten Anwendung von Gewalt vollendet, beendet dagegen erst mit der Aufgabe des Entschlusses durch den Täter oder dem Gelingen des Umsturzes (Jescheck Welzel-Festschrift S. 686). b) Kennzeichen der zweiten Gruppe ist die iterative Struktur der Tatbestände, die durch kontinuierliche, vom gleichen Vorsatz getragene Handlungen bzw. Unterlassungen immer weiter verwirklicht werden (Maiwald Handlungseinheit S. 70 ff). Das gilt zunächst für die Dauerdelikte (zur Unterscheidung Dauerdelikt/Dauerstraftat vgl. Hruschka GA 1968 193), ζ. B. Hausfriedensbruch § 123, Verletzung der Fürsorgepflicht § 170 d, Förderung der Prostitution § 180 a, Freiheitsberaubung § 239. Bei ihnen wird durch die Straftat ein rechtswidriger Zustand geschaffen, den der Täter aufrechterhält und durch dessen Fortdauer der Straftatbestand ununterbrochen weiterverwirklicht wird ( Vogler LK vor § 52 Rdn. 17 mit weit. Nachw.). Dauerdelikte sind mit Schaffen des rechtswidrigen Zustandes vollendet, beendet aber erst mit dessen Aufhebung (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9; Kühl Beendigung S. 64 stellt dabei auf den Gesichtspunkt unechten Unterlassens ab). Aber auch bei den Tatbeständen, bei denen die Handlungsbeschreibung ausdrücklich eine Vielzahl von Einzelakten umschließt, läßt sich zwischen Vollendung und Beendigung differenzieren. Solche pauschalierenden Handlungsbeschreibungen finden sich bei zahlreichen Staatsschutzdelikten, ζ. B. der Agententätigkeit nach §§ 98, 99, dem Unterhalten friedensgefährdender Beziehungen nach § 100, aber auch bei der Geldfälschung nach § 146 (vgl. Vogler LK vor § 52 Rdn. 30). Schließlich können die Fälle einbezogen werden, in denen der Tatbestand sich nicht ausdrücklich einer pauschalierenden Handlungsbeschreibung bedient, unter den Tatbestand aber die wiederholende gleichartige Verwirklichung ebenso fällt, wie einmaliges Handeln; ζ. B. bei der Körperverletzung, § 223, durch mehrere Schläge, der Beleidigung, § 185, durch mehrere Schimpfworte (vgl. dazu Vogler LK vor § 52 Rdn. 31). c) Zur dritten Gruppe zählen die Fälle, in denen der End- oder Gesamterfolg der Tat durch Handlungen erzielt wird, die nicht mehr im formellen Sinne der Beschreibung des Tatbestandes entsprechen (Jescheck § 49 III 3). Das ist ζ. B. der Fall bei Bergung und Sicherstellung der Diebstahlsbeutel 6 , der Sicherung des Schmuggelgutes nach Überschreitung der Grenze (BGHSt. 3 40, 44) und bei Zollvergehen, die erst mit Verbringung der Ware an ihren Bestimmungsort beendet sind 17 . Auch bei der Brandstiftung, die bereits mit Inbrandsetzung eines der in §§ 306 ff genannten Objekte vollendet ist, tritt die Beendigung erst mit Erreichen des erstrebten Zieles, der Vernichtung des gesamten Gebäudes, ein (OLG Hamm JZ 1961 94). d) Zur vierten Gruppe zählen die Fälle der natürlichen Handlungseinheit und der fortgesetzten Handlung (Jescheck § 49 III 3). Die Vollendung ist mit der vollen 16 17

BGHSt. 4 132, 133; 20 194,196; BGH StV 1981 127. RGSt. 51 400, 402; 52 24, 26; 55 138, 139; 67 356, 358; 74 161, 163; BGHSt. 3 40, 44; vgl. auch BGHSt. 25 137 zur verbotswidrigen Einfuhr von Rauschgift und BGH 5 StR 877/82 V. 22. 2. 1983 betr. Verbringen in einen Freihafen. (12)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

Erfüllung des ersten in den Zusammenhang einbezogenen Tatbestandes, die Beendigung mit der Vollendung bzw. Beendigung des letzten gegebenen 18 . Natürliche Handlungseinheit und fortgesetzte Handlung sind Kunstprodukte, um die Strafzumessung zu vereinfachen ( Jescheck Welzel-Festschrift S. 689; Maiwald Handlungseinheit S. 76 ff). An die Unterscheidung von Vollendung und Beendigung werden die unter- 32 schiedlichsten Konsequenzen geknüpft, die damit zusammenhängen, daß die h. M. auch Handlungen nach Vollendung, die als solche kein Tatbestandsmerkmal erfüllen (vgl. oben Rdn. 30) zur Tatbegehung zählt (vgl. die Nachw. bei Lackner § 22 Rdn. 1 ; krit. dazu Rudolphi SK Rdn. 9 mit weit. Nachw.). So im Rahmen von Verjährung (vgl. Kühl JZ 1978 549) und Amnestie (vgl. Kühl Beendigung S. 19). Auch soll nach h. M. noch Teilnahme bis zur Beendigung möglich sein 19 . Die Unterscheidung von Vollendung und Beendigung hat auch Bedeutung für 33 die Bildung von Handlungseinheiten aufgrund eines Verhaltens nach Vollendung im Rahmen der Konkurrenz 20 und der Verwirklichung qualifizierender Tatumstände 21 . Es handelt sich dabei aber um Probleme, die mit dem Versuch keinerlei Berüh- 34 rung aufweisen und deshalb an anderer Stelle zu erörtern sind. Hier genügt der Hinweis, daß eine selbständige Verbrechensstufe Beendigung durchaus anerkannt werden kann (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 I B). Es ist aber zu berücksichtigen, daß das Strafrecht nicht jede kausale Rechtsgutsbeeinträchtigung pönalisiert, sondern nur diejenige, die sich im Rahmen des Tatbestandes bewegt (zum Unterschied zwischen Norm und Tatbstand vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 I B). Die generelle Annahme eines strafbegründenden Verhaltens in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung bedeutet deshalb den Rückschritt in eine Zeit, die auch das nicht kausale „Umfeld" tatbestandlicher Handlungen allgemein erfassen zu können glaubte (Fincke S. 59). Die Lehre von der Beendigung der Straftat ist daher ein tatbestandsspezifisches Auslegungsproblem und am Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit zu messen 22 . Über Art. 103 Abs. 2 GG ist daher zu verlangen, daß jeglichem Täterverhalten nur dann strafbegründende Konsequenz zukommt, 18

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Jescheck Welzel-Festschrift S. 689. Nach Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9 ist es zweifelhaft, ob eine solche Hinauszögerung des Beendigungszeitpunktes bis zum letzten Teilakt auch hinsichtlich vorangehender Einzelakte eines fortgesetzten Delikts angenommen werden kann; vgl. dazu auch Vogler LK vor § 52; RGSt. 66 36. RGSt. 71 194; BGHSt. 6 248, 251; 14 281; 18 325; 19 323; OLG Köln NJW 1956 154; OLG Hamm JZ 1961 94 mit zust. Anm. Stratenwerth; Dreher-Tröndle § 27 Rdn. 4; Hau S. 119 ff; Jescheck Welzel-Festschrift S. 696 f; Sch.-Schröder-Cramer § 27 Rdn. 17; Welze! § 16 I l b ß; Furtner MDR 1965 433; einschränkend Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 I Β 2b; Roxin LK § 27 Rdn. 22; Rudolphi SK Rdn. 9; Kühl Beendigung S. 80 ff. Zur Abgrenzung von Teilnahme und Anschlußdelikten in der Phase zwischen Vollendung und Beendigung Vogler Dreher-Festschrift S. 416. Ausführlich dazu Vogler LK § 52 Rdn. 23; BGHSt. 26 24; GA 1955 246; GA 1969 347; BGH bei Holtz MDR 1979 106; Warda JuS 1964 87. BGHSt. 20 194, 196; 22 227 mit krit. Anm. Hruschka GA 1968 205 und JZ 1969 609; Sch.Schröder-Eser Rdn. 11 ; Dreher-Tröndle § 244 Rdn. 5 und § 250 Rdn. 4; vgl. auch Jescheck § 49 III 3 sowie Furtner JR 1966 169 und Dreher MDR 1976 529, der die Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl anhand der Vollendung beurteilt. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §39 I Β 1; Jescheck Welzel-Festschrift S. 684; Kühl Beendigung S. 41.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

wenn es sich durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich in den jeweiligen Tatbestand einbeziehen läßt 23 . 35 Demnach kann als Beendigungsstadium nur das Begehens- oder Unterlassungshandeln anerkannt werden, das trotz bereits vorliegender (erstmaliger) formeller Vollendung noch weiterhin dem Straftatbestand unterfällt 24 . So bei den Dauerdelikten, die dadurch gekennzeichnet sind, daß durch die Straftat ein rechtswidriger Zustand geschaffen wird, den der Täter aufrechterhält und durch dessen Fortdauer der Straftatbestand ununterbrochen weiterverwirklicht wird ( Vogler LK vor § 52 Rdn. 17 mit weit. Nachw. und oben Rdn. 27). Auch bei den Tatbeständen, die ganze Handlungskomplexe als eine Tat beschreiben bzw. in denen das Gesetz mehrere Einzelakte pauschal zu einem Verhaltenstypus zusammenfaßt (oben Rdn. 28) liegt bis zur Beendigung noch innertatbestandliches Verhalten vor. Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes ist auch dann möglich, wenn der Täter in den Fällen der wiederholten Tatbestandsverwirklichung ( Vogler LK vor § 52 Rdn. 31 und oben Rdn. 29) das Unrecht quantitativ steigert. Das gilt auch in den Fällen der fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung (näher Vogler LK vor § 52 Rdn. 34), beispielsweise der Durchführung eines Einbruchdiebstahls in Etappen (BGHSt. 4 219). Schließlich liegt im Bereich der Konkurrenzen bei der Fortsetzungstat bis zur Beendigung noch innertatbestandliches Verhalten vor, da die Einbeziehung eines Einzelakts in die Fortsetzungstat zur Voraussetzung hat, daß diese alle Deliktsvoraussetzungen erfüllt, also tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde ( Vogler LK vor § 52 Rdn. 48). Dagegen kann in den oben unter c) (Rdn. 30) angeführten Fällen das Geschehen nach Tatvollendung nicht mehr als strafbegründend angesehen werden (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 I B).

36

II. Strafgrund des Versuchs Wie in anderen Bereichen der Strafrechtsdogmatik läßt auch der Versuch die unterschiedliche Betonung objektiver oder subjektiver Gesichtspunkte zu. Im Rahmen des Strafgrundes (vgl. dazu bereits oben Entstehungsgeschichte) hat dies zu einem Spektrum von Auffassungen geführt, deren Extrempositionen sich lange Zeit unversöhnlich gegenüberstanden und in ihren Konsequenzen zu unterschiedlichen Auffassungen über die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, die Bestrafung des Versuchs, die Voraussetzungen eines Rücktritts, sowie generell den Versuchsbeginn geführt haben (vgl. dazu oben Entstehungsgeschichte). Dabei wurden nicht nur die jeweiligen Auffassungen, die zum Strafgrund des vollendeten Delikts vertreten wurden, auf den Versuch übertragen, sondern bisweilen wurde — trotz an sich obj. Unrechtsauffassung beim vollendeten Delikt — beim Versuch allein auf subjektive Kriterien abgestellt. Anders war es für das Reichsgericht gar nicht möglich, die 23 Kühl Beendigung S.43; Küper JZ 1981 252; Rudolphi SK Rdn. 9; Maurach-Gössel-Zipf AT2 § 39 I Β 2: Gössel ZStW 85 (1973) 646; Hruschka GA 1968 205 und JZ 1969 608; Isenbeck NJW 1965 2327. Vgl. demgegenüber Hau S. 53, der die Lehre von der Beendigung im Bereich des strafbegründenden Gewohnheitsrechts ansiedeln will. Krit. dazu Jescheck Welzel-Festschrift S. 684; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 8, nach dem Handlungen des Täters auch dann noch zur Deliktsbegehung zählen, wenn sie als solche kein Tatbestandsmerkmal mehr erfüllen. Es müsse dabei allerdings der Angriff auf das betroffene Rechtsgut andauern oder intensiviert werden. 24 Rudolphi SK Rdn. 9; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §39 I B; vgl. auch Kühl Beendigung S. 60, der auf die materiell tatbestandstypische Art und Weise der Handlung abstellt und zwischen Verhaltens- und Erfolgsbeendigung unterscheidet. (14)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

Strafbarkeit des untauglichen Versuchs zu begründen (vgl. RGSt. 1 439, 441; krit. dazu oben Entstehungsgeschichte). Der Streit um den Strafgrund des Versuchs ist aber seit Jahrzehnten auf eine 37 Mittellösung zugunsten einer Theorie abgeebbt, die den Strafgrund in einer Verbindung subj. und obj. Kriterien sucht (Eindruckstheorie). Im Hinblick auf die Formulierung in § 22 will die folgende Darstellung mehr 38 den historischen Hintergrund der einzelnen Theorien aufzeigen als dem Anliegen dienen, die Diskussion neu zu beleben (so beispielsweise noch Spendei ZStW 65 [1953] 522, N J W 1965 1888, Stock-Festschrift S. 98 ff und JuS 1969 314 ff). 1. Objektive Lehren. Nach den ursprünglich vor allem in der Wissenschaft ver- 39 tretenen obj. Theorien liegt der Strafgrund des Versuchs in der Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts. Nicht der Täterwille ist entscheidend, sondern die nahe Gefahr der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolges (Jescheck § 49 II 1). In zwei Spielarten wurde dabei entweder auf die abstrakte (ältere oder abstrakt objektive Theorie) 2 5 oder auf die konkrete (jüngere oder konkret obj. Theorie) 2 6 Gefährdung des Handlungsobjekts abgestellt. Während sich die abstrakt obj. Theorie nicht halten konnte, da der von ihr ange- 4 0 n o m m e n e generelle Scheidungsmaßstab zwischen absolut und relativ untauglichem Versuch u n d u r c h f ü h r b a r war (vgl. dazu Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III Β 3 b) gelang es den Anhängern der konkret obj. Theorie, den Gefährdungsgedanken in praktisch brauchbarer Weise zu formulieren (dies war insbesondere das Verdienst von v. Liszt und v. Hippel). Das Abstellen auf die obj. Gefährlichkeit — die im Wege nachträglicher Prognose zu treffen war — ist die Folge des v. LisztBeling'schen Verbrechensbegriffes, nach dem alles Subjektive zur Schuld zu rechnen war und Unrecht nur obj. durch konkrete Gefährdung oder Verletzung begründet wurde (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18 und Welzel § 24 IV 1 b: Ausfluß des Kausaldogmas). Zur Reihe der obj. Theorien zählt auch die Lehre vom Mangel am Tatbestand2^. 41 Nach ihr kommt einengend Versuch nur dort in Betracht, wo der Erfolg als „tatbestandliches Schlußstück" fehlt (krit. dazu Finche S. 36: typisches Fehlprodukt der materiellen Versuchsauffassung). Dagegen soll Versuch schon begrifflich ausgeschlossen sein, wenn dem Täter oder dem Tatobjekt tatbestandlich geforderte Eigenschaften fehlen, ζ. B. ein Nichtamtsträger glaubt, eine Aussageerpressung nach § 343 zu begehen (mangelnde Täterqualität) oder bei der Wegnahme der eigenen Sache (mangelndes Tatobjekt). Begreift man als Versuch die Umsetzung des Willens, ein Verbrechen zu begehen, in eine äußere Tat, d a n n liegt aber auch in diesen Fällen ein Versuch vor ( Welzel § 24 IV 3). Für den Fall des Versuchs mit untauglichen Mitteln soll nach der Lehre vom 4 2 Mangel am Tatbestand der Täter d a n n strafbar sein, wenn er sich in einem ontologi25

26

27

(15)

Auf Feuerbach4 S. 43 zurückgehend. Diese Auffassung glaubte auch zwischen absolut und relativ untauglichem Versuch eine Unterscheidung danach treffen zu können, daß nur der letztere obj. gefährlich und damit strafwürdig sei. Vgl. von Liszt-Schmidt S. 301; v. Hippel Untersuchungen S. 26; aus der Rechtsprechung vgl. RGSt. 68 339, 340. Heute wird eine rein obj. Theorie noch vertreten von Spendei NJW 1965 1881, JuS 1969 314 ff, Stock-Festschrift S. 98; Treplin ZStW 76 (1964) 441 und Dicke JuS 1968 157. Dohna S. 56 f und Festgabe für Güterbock S. 35 ff; Frank § 43 Anm. I; Rittler I S. 256; Sauer AT S. 98 ff.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

sehen Irrtum, d. h. einem solchen über die tatsächlichen Verhältnisse befunden hat, nicht aber dann, wenn er sich in einem nomologischen Irrtum, d. h. einem solchen über die Gesetze des Geschehens befindet {Frank § 43 Anm. III). Damit führt aber die jeweilige Tatbestandsfassung im Besonderen Teil zu Differenzierungen, die zu der Gefährlichkeit keine Beziehung mehr haben. Beispielsweise kommt die Lehre vom Mangel am Tatbestand im Rahmen des § 218 zum Versuch, wenn der Täter ein ungeeignetes Mittel verwendet. Dagegen liegt aufgrund der Tatbestandsfassung des § 229 ein Mangel am Tatbestand vor, weil die Tat nur mit bestimmten Mitteln ausgeführt werden kann (vgl. Stratenwerth Rdn. 681). 43

Auf der Grundlage der Lehre vom Mangel am Tatbestand läßt sich zwar die Straflosigkeit des Versuchs mit abergläubischen Mitteln erklären (näher dazu unten § 23 Rdn. 30), ebenso die fakultative Straflosigkeit des grob unverständigen Versuchs (Roxin JuS 1973 330), wenn darunter nach den Motiven des E 1962 (Begr. S. 145) in erster Linie „völlig abwegige Vorstellungen von gemeinhin bekannten Ursachenzusammenhängen" fallen sollen (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 19). 44 Der Lehre vom Mangel am Tatbestand kann aber gleichwohl aus den oben (Rdn. 41) angeführten Gründen nicht gefolgt werden. Die Sonderbehandlung des Mangels am Tatbestand i. S. seiner Straflosigkeit ist weder dogmatisch noch kriminalpolitisch gefordert und wurde auch von der Rechtsprechung stets abgelehnt (von WeberS. 76). 45 Generell läßt sich sagen, daß jeder rein obj. Theorie entgegensteht, daß § 22 auf die Vorstellung des Täters von der Tat abstellt und § 23 Abs. 3 von der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ausgeht, d. h. obj. völlig untaugliche Versuche nach der Intention des Gesetzgebers strafwürdig sein sollen. Deshalb läßt sich eine rein obj. Theorie heutzutage nicht mehr vertreten 28 . 46

2. Subjektive Lehren. Den Gegensatz zu den obj. Lehren bildet die vornehmlich in der Rechtsprechung des Reichsgerichts vertretene subj. Theorie29, die den Strafgrund in der verbrecherischen Willensbetätigung in Form einer tatbestandsmäßigen Handlung sieht, die den Rechtsfrieden durch einen widerrechtlichen Angriff stört oder in der anderen Form des vorsätzlichen Ansetzens zur Verwirklichung des äußeren Tatbestands, das noch kein äußeres Tatbestandsmerkmal erfüllt, aber unmittelbar darauf abzielt. Die vorsätzliche Willensbetätigung liegt noch nicht im Bereich des äußeren Tatbestands, zielt jedoch unmittelbar auf ihn ab und enthält insofern die Kundgabe des verbrecherischen Willens 30 . Sie verleiht der Tat, auch wenn es an der konkreten Gefährlichkeit fehlt, den Charakter der Rechtswidrigkeit als Handlungsunrecht. 47 Nach der subj. Theorie ist es unerheblich, ob die Versuchshandlung das angegriffene Rechtsguts obj. gefährdet oder ob die Handlung überhaupt zur Gefährdung 28

29

30

Lackner §22 Anm. 2a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20; Jescheck §49 II 1; Rudolphi SK Rdn. 14; Kühl JuS 1980 507. Vgl. RGSt. 1 439, 441; 8 198, 203; 34 217, 219; BGH St. 11 324, 327. Krit. dazu Spendet NJW 1965 1888; gegen ihn Welzel § 24 IV lb. Vgl. aber auch Kohlrausch Reform S. 28 und Nagler GS 115 24 ff. Baumann § 32 II 1 ; Delaquis S. 204 ff; Germann S. 147 ff; H. Mayer S. 280; Waiblinger ZStW 69 (1957) 198 ff; Welzel §24 IV l b ; Lackner §22 Anm. 2a; Preisendanz §22 Anm. 1; Schmidhäuser 15/12; Stratenwerth Rdn. 685. Aus der Rechtsprechung vgl. RGSt. 34 217, 219; 8 198, 203; 1 439, 441; BGHSt. 11 324, 327; OLG Kassel SJZ 1947 Sp. 551. Vgl. auch BT-Drucks. V/4095 S. 11 sowie krit. Sax JZ 1976 429, 432. (16)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

geeignet ist (Lackner Anm. 2 a). Ohne Rücksicht auf die obj. Ungefährlichkeit wird daher der Versuch mit untauglichen Mitteln oder am untauglichen Objekt bestraft, wenn nur der Täter sie für tauglich hält ( Welzel § 24 IV 1 b und oben Entstehungsgeschichte), da maßgebend allein der im betätigten Verbrechensvorsatz hervorgetretene Handlungsunwert ist (vgl. RGSt. 1 439: Abtreibungsversuch mit untauglichen Mitteln; RGSt. 8 198, 203; 47 65: Abtreibungsversuch an Nichtschwangerer; RGSt. 34 217; Abtreibungsversuch an Nichtschwangerer mit untauglichen Mitteln; RGSt. 1 451: Mordversuch an der Leiche; RGSt. 42 92: Betrugsversuch bei bestehendem Anspruch). Die Überbetonung des Täterwillens durch die subj. Theorie rückt anstelle der Tat 48 den Täter in den Vordergrund der Betrachtung. Böser Wille allein ist aber — selbst wenn betätigt — weder eine hinreichende Begründung für Unrecht als ein Ereignis von sozialer Bedeutung noch für die Strafwürdigkeit eines Verhaltens (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21 ; Welzel § 24 I 1,2). Strafwürdig kann allein ein tatbestandserheblich betätigter böser Wille sein (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 c). Die subj. Theorie führt zum Gesinnungsstrafrecht (dazu Baumann § 32 II 1), 49 sofern sie nicht stets eine irgendwie geartete obj. bemerkbare Verwirklichung der Tätervorstellung verlangt. Es ist das Verdienst von Gallas (Beiträge S. 48), der subj. Theorie insoweit einen brauchbaren Inhalt gegeben zu haben. Ausgehend vom Handlungsunwert ist Versuch nach ihm die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens, d. h. der durch Handlungen, die in der Außenwelt in Erscheinung treten, manifest gewordene Verbrechensvorsatz. Die Handlungen müssen sich dabei als Teilverwirklichung eines auf die Verwirklichung tatbestandsmäßigen Unrechts gerichteten Willens qualifizieren lassen (dazu Kühl JuS 1980 506). Der subj. Theorie ist zuzugeben, daß dem subj. Element beim Versuch schon deshalb große Bedeutung zukommt, weil ohne Berücksichtigung des Tätervorhabens das Vorliegen eins Versuchs gar nicht sinnvoll beurteilt werden kann (vgl. unten § 22 Rdn. 32). Das Maß der obj. Elemente ist aber unterschiedlich stark betont worden und gelegentlich sind an das Vorliegen der obj. Elemente derart geringe Anforderungen gestellt worden, daß dies einer Preisgabe gleichkam. Hier liegen die Schwächen der subj. Theorien. Die Überbetonung der subj. Komponente kann einerseits zur zeitlichen Vorverlagerung des Versuchs führen. So hat ζ. B. das RG (RG DR 1943 747) bereits die bloße Übergabe des Präparates an die Schwangere mit der Aufforderung, es einzunehmen, als Abtreibungsversuch gewertet. Andererseits führt die subj. Theorie zur Ausdehnung des Versuchsbereichs in qualitativer Hinsicht (RGSt. 34 217: Abtreibungsversuch an Nichtschwangerer mit untauglichen Mitteln. Vgl. auch RGSt. 71 53 und BGHSt. 6 302). Auch wer nur einen Spaziergang macht, um in der Bewegung an der frischen Luft seinen vorgefaßten Plan zum Mord in allen Einzelheiten genau zu überlegen, betätigt den Mordentschluß bereits ebenso, wie derjenige, der den in Gedanken bereits fertiggestellten Mordplan schriftlich niederlegt und überarbeitet (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 c). Es ist deshalb die Schwäche jeder subj. Theorie, geeignete Abgrenzungskriterien aufzustellen. § 22 will gerade mit dem obj. Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirk- 50 lichung des Tatbestandes der durch die subj. Theorie bewirkten Ausuferung der Versuchsstrafbarkeit entgegenwirken. Im übrigen ermöglicht § 23 Abs. 3 beim grob unverständigen Versuch das Absehen von Strafe, für das nach einer rein subj. Theorie kein Raum ist, denn der rechtsfeindliche Wille braucht hier nicht geringer zu sein als bei einem „normalen untauglichen Versuch" (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 21). Deshalb läßt sich auch eine rein subj. Theorie heute nicht mehr vertreten.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

51

3. Vermittelnde Lehren. Obj. u n d subj. Kriterien gerecht zu werden, ist die von Busch (LK 9 § 43 Rdn. 14) vertretene „objektive Plantheorie" bemüht (vgl. dazu auch Sch.-Schröder^ § 4 3 Rdn. 10 ff; Schmidhäuser 15/55). Nach der Plantheorie liegt Versuch vor, wenn obj. der verbrecherische Wille deutlich in einer Handlung zutage getreten ist, die subj. nach dem Gesamtplan des Täters unmittelbar zur G e f ä h r d u n g des Schutzobjekts führt (vgl. dazu auch Welzel § 24 III, der ausgehend vom Täterplan Versuch annimmt, wenn der Täter zur Tatbestandshandlung unmittelbar ansetzt). Auch die Tätertheorie 31 verbindet subj. und obj. Elemente. Die Strafwürdigkeit wird auf die Gefährlichkeit des Täters gegründet, wobei darauf abgestellt wird, daß die G e f ä h r d u n g des geschützten Handlungsobjekts in seinem Tatwillen liegt.

52

Im Hinblick auf die Neufassung der Versuchsvorschriften mag dahinstehen, ob das Gesetz die subj. Theorie anerkennt (so ausdrücklich Lackner § 2 2 Anm. 2 a ; Baumann § 32 I 2 c). Jedenfalls kommt auch in § 22 deutlich zum Ausdruck, daß zwar der Strafgrund des Versuchs primär in dem Handlungsunwert zu sehen ist (E 1962 Begr. S. 143; BT-Drucks. V/4095; Gössel G A 1971 226; Lackner § 2 2 Anm. 2 a), gleichwohl aber das Merkmal des unmittelbaren Ansetzens als obj. Strafbarkeitskriterium hinzutreten m u ß ( M e y e r ZStW 87 [1975] 604). Dem entspricht eine vermittelnde Auffassung, die von der subj. Theorie ausgeht und diese mit obj. Merkmalen verbindet. Strafgrund ist danach der verbrecherische Wille, der aber nur dann strafwürdig ist, wenn durch die auf die Tat gerichtete Willensäußerung das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Geltung der Rechtsordnung erschüttert und das Gefühl der Rechtssicherheit und damit der Rechtsfriede beeinträchtigt werden kann (Eindruckstheorie) 32 .

53

Nach dieser Theorie besteht selbst beim untauglichen Versuch ein Rechtsgutsbezug insofern, als zwar nicht ein konkretes Rechtsgutsobjekt, aber doch das geschützte Rechtsgut durch den im Versuch manifestierten Geltungsangriff gefährdet wird (Sax J Z 1976 432 f)·

54

Teilweise wird die Eindruckstheorie als eine um Strafwürdigkeitsgesichtspunkte erweiterte subj. Theorie (Rudolphi SK Rdn. 13; Meyer ZStW 87 [1975] 604), teilweise als Alternative zur subj. Theorie verstanden (Roxin JuS 1979 1). Dieser Streit kann auf sich beruhen. Die Eindruckstheorie verbindet jedenfalls mit der subj. Theorie ein obj. Merkmal. Das gilt auch für den rechtserschütternden Eindruck, denn dieser kann sowohl auf der betätigten rechtsfeindlichen Willenstendenz des Täters, wie auf der obj. Gefährdung des Handlungsobjekts beruhen (näher Roxin JuS 1979 1). Die Eindruckstheorie gelangt daher zu der Begründung der Straflosigkeit des sog. abergläubischen Versuchs (vgl. dazu unten § 23 Rdn. 30) und zur fakultativen Strafmilderung (vgl. oben Entstehungsgeschichte). Zustimmung verdient die Eindruckstheorie aber auch deshalb, weil sie den allgemeinen Sträfzweck der Bewährung der Rechtsordnung in den Vordergrund stellt und anerkennt, daß es bei der Versuchsstrafbarkeit nicht um Sanktionierung individuell ethischer Verwerflichkeit geht, sondern um Abwehr sozialgefährlicher Angriffe (Sch.-Schröder-Eser 31

Bockelmann Untersuchungen S. 146 f, 162; Engisch DJT-Festschrift S. 435; KohlrauschLange § 43 Vorbem. III 4; Oehler Zweckmoment S. 121 ; Waiblinger ZStW 69 (1957) 214. 32 So bereits v. Bar II S. 527 ff; Jescheck § 49 II 3; Meyer ZStW 87 (1975) 604; Roxin JuS 1979 1; Rudolphi SK Rdn. 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23; Wessels AT § 14 II 2; Grünwald Welzel-Festschrift S. 712; Blei AT § 67 III; Maurach-Gössel-Zipf AT2 §41 I Β 4; Burgstaller JBI 1969 529 f. (18)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

Rdn. 23). Sie trägt auch dem Umstand hinreichend Rechnung, daß sich die tatbestandliche Rechtsgutsbeeinträchtigung folgerichtig schon im Vorfeld der Vollendung aus subj. und obj. Kriterien zusammengesetzt (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 4). Mit der Eindruckstheorie läßt sich auch erklären, daß der Versuch erst mit dem 55 unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung beginnt. Bloße Vorbereitungen bleiben meist im Dunkeln, sie lassen verschiedenen Deutungen Raum und beeinträchtigen den Rechtsfrieden in der Regel nicht oder nicht so sehr, daß Strafe erforderlich wäre (Roxin JuS 1979 1). Die Eindruckstheorie kommt auch zur Strafbarkeit des untauglichen Versuchs 56 (vgl. dazu oben Entstehungsgeschichte), denn auch in diesen Fällen liegt eine Störung des Rechtsfriedens vor. Ihr gelingt auf der anderen Seite auch die von vielen Anhängern der subj. Theorie befürwortete Abscheidung des irrealen Versuchs aus dem Strafbereich (vgl. dazu unten § 23 Rdn. 30). Das neue Recht läßt sich daher am besten von der Eindruckstheorie her verstehen. III. Sonderfälle des Versuchs Nicht nur beim klassischen Erfolgsdelikt ist die Vorzone eines Versuchs mög- 57 lieh, sondern auch beim schlichten Tätigkeitsdelikt, das sich in einer Handlung des Täters erschöpft, ohne daß ein Erfolg i. S. einer raum-zeitlich unterscheidbaren Außenwirkung eintreten müßte (Jescheck § 49 VII 1). Das gilt einmal im Falle des untauglichen Versuchs (ζ. B. glaubt der Täter irrtümlich, sexuelle Handlungen an einem Kind unter 14 Jahren vorzunehmen (vgl. auch RGSt. 47 189, 191), aber auch dann, wenn die Tätigkeit über eine gewisse Zeitspanne abläuft. So liegt Versuch im Rahmen des § 154 vor, wenn der Täter mit der Eidesleistung begonnen hat (vgl. BGHSt.4 172, 176; Rudolphi SK § 154 Rdn. 11 mit weit. Nachw.; Sch.-SchröderLenckner § 154 Rdn. 15). Auch bei den Gefährdungsdelikten ist Versuch möglich, wenn der Gefährdungs- 58 erfolg trotz der gefährdenden Tätigkeit ausbleibt oder wenn der Täter zu der gefährdenden Tätigkeit vorsätzlich angesetzt hat, ohne daß es zu ihr schon gekommen ist (Baumann § 33 I 1 e). Während es in diesen Fällen vornehmlich um die Frage geht, wann die Grenze 59 zum strafbaren Versuch überschritten ist, was beispielsweise noch durch Beteiligung mehrerer (Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft, aber auch im Fall der actio libera in causa; zu diesen Fallgruppen unten § 22 Rdn. 88 ff) erschwert werden kann, stellt sich bei besonderen Verbrechensformen bereits die Frage, ob unabhängig von seiner Strafbarkeit ein Versuch überhaupt begrifflich möglich ist; sog. Delikte mit bestrittener Versuchsmöglichkeit (Frank § 43 Anm. V; vgl. dazu auch Sch.-SchröderEser Rdn. 25 ff). 1. Unterlassungsdelikte. Nicht nur das Begehungsdelikt kann nach heute h. M. 60 (zu früheren Auffassungen vgl. Jescheck § 60 II) das Stadium des Versuchs durchlaufen, sondern auch das Unterlassungsdelikt, und zwar sowohl in der Form des tauglichen als auch des untauglichen Versuchs 33 . Demgegenüber kennen Armin 33

(19)

Vgl. OGHSt. BZ 1 359; Grünwald JZ 1959 48 ff; Jescheck § 60 II und LK § 13 Rdn. 46; Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 47 ff; Baumann § 33 I 3; MaihoferGA 1958 298; Oehler JuS 1961 154; Lackner § 22 Anm. 3; Stratenwerth Rdn. 1057 f; Blei AT § 86 III; Rudolphi SK. vor § 13 Rdn. 50; Wessels AT § 16 VI 1; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 II B; DreherTröndle § 22 Rdn. 22.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

Kaufmann (Unterlassungsdelikte S. 204 ff) und Welzel (§ 27 A IV, § 28 IV) nur eine Unterlassung des Erfüllungsversuchs als ein den Unterlassungsdelikten eigentümliches Phänomen, das dem beendeten untauglichen Versuch gleichzustellen sei (vgl. dazu Haffke ZStW 87 (1975) 59. Für Straflosigkeit des untauglichen Unterlassungsversuchs Rudolphi (MDR 1967 2 f und SK vor § 13 Rdn. 55) sowie Schmidhäuser {M/21 und Gallas-Festschrift S. 96 f). 61

Während man sich durchaus streiten konnte, ob der Unterlassungsversuch von der Begriffsbestimmung des § 43 a. F. überhaupt erfaßt wurde 3 4 , stellt sich heute nur noch die Schwierigkeit, daß die Formel vom „unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes" im Unterlassungsbereich nicht weiterführt, weil ein dem Ansetzen zur aktiven Begehung vergleichbarer Moment nicht gegeben ist (Jescheck § 60 II 2). Die Fixierung des für den Versuchsbeginn maßgebenden Zeitpunkts zählt deshalb zu den umstrittensten Problemen. Teils wird auf das Versäumen der ersten Rettungsmöglichkeit nach Fassen des Tatentschlusses und teils auf das Vergeben der letztmöglichen Rettungschance abgestellt (vgl. unten § 22 Rdn.

lio 062

Der Unterlassungsversuch weist weitgehend Parallelen zum Begehungsversuch auf. Ebenso wie beim Begehungsdelikt erfordert auch der Unterlassungsversuch objektive und subjektive Momente. Zum einen den Beginn der Pflichtverletzung (dazu unten § 22 Rdn. 115 f), zum anderen den auf die Nichtvornahme der geforderten Tätigkeit bzw. den Eintritt des Erfolges gezielten Vorsatz (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 27 ; vgl. auch Roxin JuS 1973 330). Es sind aber jeweils die strukturlogischen Besonderheiten der Unterlassungsdelikte zu berücksichtigen :

63

a) Das echte Unterlassungsdelikt erschöpft sich meist im bloßen Untätigbleiben gegenüber dem Normbefehl einer Gebotsvorschrift (Unterlassungstätigkeitsdelikt), mit der Folge, daß abgesehen vom Fall des beendeten untauglichen Versuchs jedes Unterlassen trotz bestehender Handlungspflicht an sich bereits die Vollendung des echten Unterlassungsdelikts nach sich zieht 3 5 .

64

Nicht Versuch, sondern Vollendung liegt daher selbst dann vor, wenn der Täter im Zeitraum erfolgreicher Handlungsmöglichkeit doch noch seine Pflicht erfüllt (Dreher-Tröndle § 22 Rdn. 22). Liegt beispielsweise ein Schwerverletzter im Verbluten, so ist entsprechend § 323 c sofortige Hilfe geboten. Wer diese unterläßt, ist auch dann strafbar, wenn er später doch noch hilft und so den Tod des Verletzten abwendet (Beispiel nach Schmidhäuser 17/25); ein Rücktritt scheidet aus 3 6 .

65

Eine Ausnahme bildet insoweit nur § 138, bei dem ein Versuch deshalb denkbar ist, weil die Vorschrift den Zeitraum für die gebotene Handlung auf den Bereich der ersten Möglichkeit der Anzeige bis zur letzten Möglichkeit, eine rechtzeitige 34

Vgl. dazu Herzberg M D R 1973 89 f, der darauf hinweist, daß man durch Unterlassen einen Deliktsentschluß i. S. des § 43 a. F. nicht betätigen könne. 35 Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II Β 1 a; Jescheck § 60 II 1 ; Blei AT § 86 III 1 ; Sch.-Schröder-Eser §22 Rdn. 53; Schmidhäuser 17/25; Schaffstein Dreher-Festschrift S. 149, 158. 36 Vgl. dazu BGHSt. 14 213; 17 166; 21 50, 55; Schaffstein Dreher-Festschrift S. 157; DreherTröndle § 323 c Rdn. 9 ; Lackner § 323 c Anm. 3 ; Mösl LK 9 § 330 c Rdn. 24. Vgl. aber Maihofer GA 1958 296, der den Versuchsbereich bei § 323 c auf die Zeitspanne zwischen „unverzüglicher" und „noch rechtzeitiger" Gebotserfüllung bezieht, sowie Rudolphi SK § 323 c Rdn. 17, nach dem Vollendung erst dann eintritt, wenn infolge der Untätigkeit des Pflichtigen die Chancen der Erfolgsabwendung sich vermindert haben oder nicht mehr alle drohenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen abwendbar sind. (20)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

Anzeige zu erstatten, erstreckt (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II Β 1 b; Jescheck § 60 II 1 ; Maihofer GA 1958 294). Deshalb liegt beendeter Versuch beispielsweise bei nur irriger Annahme eines bevorstehenden Verbrechens vor; unbeendeter Versuch dann, wenn der Täter die in der Absicht gänzlicher Unterlassung hinausgezögerte, aber doch noch nachgeholte Warnung des Betroffenen vornimmt (MaurachGössel-Zipf ΑΎ 2 §41 II Β l b ) . Die Unterscheidung hat nur theoretische Bedeutung, da der Versuch des § 138 nicht mit Strafe bedroht ist. Einziges Beispiel eines echten Unterlassungsdelikts, bei dem der Versuch straf- 66 bar ist, ist im geltenden Recht die Rechtsbeugung nach § 336. Da es sich um ein Verbrechen handelt, ist der Versuch nach §§ 22, 23 mit Strafe bedroht. Hier kann Versuch durch Unterlassen rechtlich gebotener Handlungen begangen werden 37 . Ein untauglicher Versuch der Rechtsbeugung liegt beispielsweise vor, wenn der Richter in der irrigen Annahme, die dreimonatige Haftdauer nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO sei bereits verstrichen, die Bestellung eines Pflichtverteidigers bewußt unterläßt ( Jescheck § 60 II 1 ; Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 53). b) Beim unechten Unterlassungsdelikt begründet die Nichthinderung des Ein- 67 tritts des tatbestandsmäßigen Erfolges trotz Bestehens einer Garantenpflicht den strafrechtlichen Vorwurf. Hier hat der Versuch, der in jeder Erscheinungsform möglich ist, erhebliche praktische Bedeutung (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II Β 1 b). Die Strafbarkeit ergibt sich über die im Gesetz geregelten Fälle hinaus auch aus §§ 22, 23. Im Rahmen des Versuchs eines unechten Unterlassungsdelikts läßt sich auch 68 zwischen dem tauglichen und untauglichen Versuch unterscheiden (Grünwald G A 1959 116 ff; Armin Kaufmann S. 293 f). Beispielsweise liegt untauglicher Versuch bei irriger Annahme von Tatumständen vor, deren tatsächliches Vorliegen die Erfolgsabwendungspflicht des Unterlassenden begründen würde (Maurach-GösselZipf AT 2 § 41 II Β 2). So wenn ein Kraftfahrer den von ihm fahrlässig getöteten Passanten auf der Straße liegen läßt, weil er ihn für verwundet hält und dessen Zeugenaussage im Strafprozeß fürchtet (BGH VRS 13 120). Für die Möglichkeit eines Versuchs beim Unterlassungsdelikt, aber zugleich für 69 Straflosigkeit bei der Erscheinungsform des untauglichen Versuchs treten Rudolphi (SK vor § 13 Rdn. 50, 55 und MDR 1967 1) sowie Schmidhäuser {\1 /27 und GallasFestschrift S. 96 f) ein; nach Rudolphi SK § 13 Rdn. 55 unterliegt der Entschluß des Garanten, untätig zu bleiben, d. h. die Tatsache, daß er trotz der irrigen Vorstellung von dem Bestehen einer Handlungspflicht zur Gefahrenbekämpfung verpflichtenden Situation untätig geblieben sei, zwar der rechtlichen Mißbilligung. Allein diese Auflehnung des Willens könne aber eine Strafbarkeit nicht begründen; nach Schmidhäuser liegt in diesen Fällen ein strafloses Wahndelikt vor. 2. Erfolgsqualifizierte Delikte. Kennzeichen der erfolgsqualifizierten Delikte ist, 70 daß das vorsätzlich oder fahrlässig begangene Grunddelikt eine Qualifikation erfährt, wenn durch seine Begehung ein bestimmter Erfolg — meist schwere Körperverletzung oder der Tod — eintritt (dazu Küper NJW 1976 543, 546; Jescheck 37

(21)

BGHSt. 10 294, 298; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II Β 1 b; Jescheck § 60 II 1 ; Blei AT § 86 III 1 ; Sch.-Schröder-Cramer § 336 Rdn. 4; Schaffstein Dreher-Festschrift S. 155; Sch.Schröder-Eser § 22 Rdn. 53, der in der Fallgruppe echter Unterlassungsdelikte auch § 120 Abs. 2 anführt. § 120 Abs. 2 ist jedoch unechtes Unterlassungsdelikt; vgl. etwa Sch.-Schröder-Eser § 120 Rdn. 17.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

§ 26 II 1 a). Auch bei ihnen stellt sich daher, soweit sie auf einem vorsätzlich begangenen Grundtatbestand aufbauen (also nicht bei §§309, 314, 326), die Frage eines Versuchst 71

Ein Versuch wird von Rechtsprechung und h. L. in den folgenden Varianten für denkbar gehalten 3 9 :

72

a) Zunächst kann schon eine Versuchshandlung des Grunddelikts die schwere Folge herbeiführen: „erfolgsqualifizierter Versuch", (Geilen J U R A 1979 614), wobei der Täter hinsichtlich der besonderen Folge fahrlässig (§ 18) bzw. leichtfertig handelt. 73 Voraussetzung in diesen Fällen ist stets, daß der Versuch des Grundtatbestandes f ü r sich strafbar ist, da anderenfalls die Erfolgsqualifikation strafbegründende Wirkung hätte (Schroeder LK § 18 Rdn. 38 mit weit. Nachw.). Deshalb ist § 239 Abs. 3 nicht anwendbar, wenn der Tod schon beim Versuch, das Opfer einzusperren, eintritt (dazu Kühl JuS 1981 196 mit weit. Nachw.; Schäfer LK 9 § 239 Rdn. 34). In Verbindung mit einem straflosen Versuch des Grunddelikts (§§ 221 Abs. 1, 223, 239 Abs. 1, 318 Abs. 1, 340 Abs. 1) scheiden daher auch die §§ 221 Abs. 3, 224, 239 Abs. 2, 318 Abs. 2 sowie § 340 Abs. 2 f ü r eine Versuchsstrafbarkeit aus (Schroeder LK § 18 Rdn. 38). 74

Die Frage eines Versuchs hängt außerdem von der tatbestandsmäßigen Ausgestaltung der Qualifikation ab, ob der qualifizierende Erfolg an die Tatbestandshandlung oder an den Erfolg des Grunddelikts anknüpft. Ein Versuch ist nur dann möglich, wenn der Eintritt des qualifizierenden Erfolges nicht notwendig einen tatbestandlichen Erfolg des Grunddelikts voraussetzt 4 0 .

75

So enthalten im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zahlreiche Vorschriften eine Erfolgsqualifizierung für den Fall, daß der Täter durch die Tat leichtfertig den Tod des Opfers herbeiführte (z. B. §§ 176 Abs. 4, 177 Abs. 3, 178 Abs. 3). Unter Tat kann hier jeder Teilakt des gesamten Tatgeschehens vom Versuch bis zur Vollendung aufgefaßt werden (Sch.-Schröder-Lenckner § 176 Rdn. 23), so daß beispielsweise ein Versuch des § 177 vorliegt, wenn schon die Gewaltanwendung zum Tode führt, bevor es überhaupt zum Geschlechtsverkehr gekommen ist 4 1 . 38

Vgl. dazu auch Schroeder LK § 18 Rdn. 20 ff, insbesondere Rdn. 23, der darauf hinweist, daß der Frage eines Versuchs die Entscheidung vorausgehen müsse, ob diese Tatbestände überhaupt, und auch bei Vollendung des Grundtatbestandes anwendbar sind, wenn die „besondere Folge" schon durch einen Teil des Grundtatbestandes herbeigeführt wird. 39 Vgl. dazu Jescheck § 49 VII 2; Thomsen S. 57 f; Kofka Niederschriften II S. 263 ff; Oehler ZStW 69 (1975) 520; Baumann § 33 I 5; Wessels AT § 14 II 4 c; Hirsch GA 1972 75 ff; Stree GA 1960 289; Ulsenheimer GA 1966 257; Sch.-Schröder-Cramer § 18 Rdn. 9. Grundsätzlich abl. Maurach-Gössel-Zipf AT2 §43 IV Β l b ; ebenso Gössel Lange-Festschrift S. 238, der die erfolgsqualifizierten Delikte als Fahrlässigkeitstaten begreift, die durch eine vorsätzliche Sorgfaltswidrigkeit gekennzeichnet seien; krit. auch Schroeder LK § 18 Rdn. 20 ff. 40 Lackner § 18 Anm. 5 ; Dreher- Tröndle § 18 Rdn. 5 ; Stree GA 1960 289 ff; Welzel § 24 VI 3 ; Schroeder LK § 18 Rdn. 38; vgl. auch Ulsenheimer GA 1966 267 ff, der auf das materielle Kriterium abstellen will, ob sich in der Folge bereits die typische Gefahr des Grunddelikts niedergeschlagen habe. 4 ' RGSt. 69 332; BGH bei Daliinger MDR 1971 363, beide zu § 178 a. F.; Blei AT § 65 III 2; Wessels AT § 14 II 4 c; Schroeder LK § 18 Rdn. 22, der darauf hinweist, daß die Anknüpfung der Todesfolge an den Beischlaf oder die sexuelle Handlung den Tatbestand auf überaus seltene Fälle reduzieren würde; a. A. noch RGSt. 40 325. (22)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

§ 251 verlangt in der derzeit geltenden Fassung, daß der Tod durch den Raub 76 verursacht wird (demgegenüber stellte § 251 a. F. darauf ab, daß der Tod durch die Gewalt und damit nur an einen Teil der für § 249 erforderlichen Tatbestandsmerkmale eintritt (Schroeder LK § 18 Rdn. 20). Unter Raub ist insoweit jede Handlung zu verstehen, die (einschl. des Versuchs) spezifischer Bestandteil der Raubbegehung ist (Sch.-Schröder-Eser § 251 Rdn. 4) mit der Folge, daß versuchter Raub mit Todesfolge auch dann vorliegt, wenn der Tod bereits durch die Gewaltanwendung eintritt, ohne daß die Wegnahme noch gelingt 42 . Die besondere Folge des § 251 steht gerade typischerweise in enger Beziehung zu 78 den Nötigungsmitteln, jedoch nur ausnahmsweise mit der Wegnahme (Geilen JURA 1979 614; Kühl JuS 1981 196. Zur Frage, ob auch die Todesverursachung durch Wegnahme ausreichend ist, ζ. B. bei einem lebenswichtigen Medikament, vgl. Schroeder LK § 18 Rdn. 20 mit weit. Nachw.). Dagegen stellt im Rahmen der §§ 224, 226, 307, 309 der Versuch des Grundde- 79 likts keine ausreichende Grundlage für die Zurechnung des schweren Erfolges dar, da die Erfolgsqualifikation voraussetzt, daß sich die straferhöhende Folge gerade aus dem vorsätzlich herbeigeführten Erfolg des Grunddelikts entwickelt 43 . Beispielsweise erfordert § 226, daß der Tod des Verletzten durch die Körperver- 80 letzung verursacht wird. Kommt es nicht zur gewollten Körperverletzung, wohl aber zum Eintritt der qualifizierenden Folge — der Schlag mit der Pistole verfehlt das Opfer, dabei löst sich ein tödlicher Schuß — kommt ein Versuch des § 226 nicht in Betracht 44 . Auch bei der schweren Brandstiftung nach § 307 Abs. 1 1. Variante ist erforder- 81 lieh, daß sich im Tod die spezifische und typische Gefährlichkeit des Brandes realisiert 45 . Nach a. A. (Sch.-Schröder-Cramer § 307 Rdn. 8) genügt im Rahmen der Brandstiftung, daß der verwendete Zündstoff den Tod eines Menschen verursacht hat; ebenso BGHSt. 7 37, 39: Das zum Zwecke der Brandstiftung in das Zimmer geschüttete Benzin trifft unmittelbar einen darin befindlichen Menschen; dieser stirbt an den erlittenen Brandwunden. Nicht ausreichend soll dagegen nach BGHSt. 20 230 sein, wenn es nicht einmal zu einer Brandstiftung kommt, sondern diese fehlschlägt und eine Explosion erfolgt. 42

RGSt. 62 422; RG HRR 1941 521 ; Dreher-Tröndle § 251 Rdn. 4; Wessels AT § 14 II 4 c; Schröder JZ 1967 368; krit. Schroeder LK § 18 Rdn. 20, nach dem dies dazu führt, daß Grund der Qualifikation nur noch die Gewalt sei; bei § 240 fehle aber eine entsprechende Qualifizierung. 43 Maurach AT 2 § 41 II 3 b; Blei AT § 65 III 2; Kohlrausch-Lange § 46 III, IV 1, 6; Stree GA 1960 289 ff; RudolphiSK § 18 Rdn.7; Welzel § 24 IV3; Schmidhäuser 15/109; Lackner § 18 Anm. 5; Dreher-Tröndle § 18 Rdn. 5; Jescheck § 49 VII 2 a; teilweise abweichend Sch.-Schröder-Cramer § 18 Rdn. 9; vgl. auch Stree G A 1960 289; Ulsenheimer GA 1966 257 ff. 44 Vgl. Horn SK § 226 Rdn. 12; Jescheck § 49 VII 2 a; Schroeder LK § 18 Rdn. 24. A. A. Sch.Schröder-Stree § 226 Rdn. 4, nach dem jedenfalls dann, wenn der für den Täter ursächliche Versuch der Körperverletzung strafbar ist, wie bei der gefährlichen Körperverletzung nach § 223 a Abs. 2 ein strafbarer Versuch nach § 226 zu bejahen ist. Auch BGHSt. 14 110, 112 läßt als Ursache der Todesfolge schon die Körperverletzungshandlung genügen (anders RGSt. 44 137, 139). Zust. Stree GA 1960 290, 296, der sogar eine versuchte Körperverletzung ausreichen läßt. 45 Busch LK 9 § 43 Rdn. 28; Dreher-Tröndle § 18 Rdn. 5; Jescheck § 49 VII 2 a; RGSt. 40 321, 324; BGHSt. 20 230, 231; Hillenkamp AT S.71; Krey BT I S. 226; Kühl JuS 1980 196. (23)

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

82

Handelt der Täter hinsichtlich der Folge vorsätzlich, erübrigt sich das oben unter Rdn. 73 aufgestellte Erfordernis der Versuchsstrafbarkeit, da in diesen Fällen kein Unterschied gegenüber sonstigen Vorsatztatbeständen besteht 46 .

83

b) Darüber hinaus sind Fälle denkbar, in denen der Täter den Grundtatbestand vollendet und dabei die schwere Folge ins Auge faßt, diese aber ausbleibt („versuchte Erfolgsqualifizierung")47. Da § 18 den Vorsatz nicht ausschließt („wenigstens"), ist der Erfolg als gewöhnliches erschwerendes Tatbestandsmerkmal anzusehen 4 «.

84

So liegt versuchte schwere Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 2 vor, wenn der Täter, um sich eines unbequemen Verwandten zu entledigen, diesen bewußt widerrechtlich in eine geschlossene Anstalt verbringt, die ihn aber als geistig gesund sofort wieder entläßt (RGSt. 61 179; BGHSt. 10 306, 309; BGH GA 1958 304; Dreher-Tröndle § 239 Rdn. 12; Schäfer LK 9 § 239 Rdn. 36 mit weit. Nachw.). Voraussetzung ist allerdings, daß sich der Vorsatz des Täters auf die schwere Folge bezieht und die besondere Folge nach dem Tatbestand — wie bei § 239 Abs. 2 — auch vorsätzlich herbeigeführt werden kann (Kühl JuS 1981 196; Lackner § 18 Anm. 5 b; Rudolphi SK § 18 Rdn. 8).

85

Ebenso ist bei der schweren Körperverletzung (§ 224) ein Versuch dann möglich, wenn der Täter den schweren Erfolg mit bedingtem Vorsatz herbeiführen will, dieser aber ausbleibt 49 . Dem Umstand, daß das Grunddelikt vollendet ist, ist in diesen Fällen durch die Annahme von Tateinheit Rechnung zu tragen ( Vogler Bockelmann-Festschrift S. 724 mit weit. Nachw.).

86

c) Auch wenn es weder zur Vollendung des Grundtatbestandes noch zum Eintritt des Erfolges kommt, ist ein Versuch möglich, wenn der Täter mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Folge gehandelt hat. Dann gelten die für den Versuch vorsätzlicher Qualifikationen bestehenden allgemeinen Regeln (Hirsch GA 1972 75 Fußn. 50; vgl. BGHSt. 21 194). So im Rahmen der schweren Körperverletzung nach § 22450.

87

Zum Rücktritt vgl. unten § 24.

46 Schroeder LK § 18 Rdn. 39; Koffka Niederschriften 2 S. 238; Hirsch GA 1972 75 Anm. 50; Ulsenheimer Bockelmann-Festschrift S. 418. Α. A. allerdings noch in GA 1966 275. 47 Geilen JURA 1979 614. Dazu Schroeder LK § 18 Rdn. 40; Baumann § 33 I 5 ; Jescheck § 49 VII 2 b; Maurach-Schroeder BT 1 § 9 II Β 3 Rudolphi SK § 18 Anm. 8; Oehler ZStW 69 (1957) 521; Dreher-Tröndle § 18 Anm. 5; Sch.-Schröder-Cramer § 18 Rdn. 10; Stree GA 1960 289, 295. Α. A. Schröder JZ 1967 368, zust. Tiedemann. S. 236. 48 Vgl. Jescheck § 49 VII 2 b; Dreher-Tröndle § 18 Anm. 5; Lackner § 18 Anm. 5 b; Hirsch GA 1972 75 Fußn. 50; Sch.-Schröder-Cramer § 18 Rdn. 10; Rudolphi SK § 18 Anm. 3; Stree GA 1960 295 ; Ulsenheimer GA 1966 273, was zugleich deutlich macht, daß diese Lehre nur für diejenigen erfolgsqualifizierten Delikte gilt, die kein Gegenstück in einem Vorsatzdelikt haben (Jescheck § 49 VII 2 b). 49 BGHSt. 21 194 mit abl. Anm. Schröder JZ 1967 368; Lackner § 18 Anm. 5 b und § 224 Anm. 1; Dreher-Tröndle §224 Rdn. 13; Hirsch LK §224 Rdn. 28; Schroeder LK §18 Rdn. 40. 50 Schroeder LK § 18 Rdn. 41; Hirsch LK § 224 Rdn. 29; Sch.-Schröder-Stree § 224 Rdn. 9; Dreher-Tröndle § 224 Rdn. 14; a. A. Schröder JZ 1967 368; Sch.-Schröder16 § 56 Rdn. 9; Ulsenheimer GA 1966 278; Kohlrausch-Lange § 224 Anm. IX. (24)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

3. Vorbereitungshandlungen und Unternehmensdelikte a) Vorbereitungshandlungen hat der Gesetzgeber nur ausnahmsweise unter 88 Strafe gestellt (vgl. oben Rdn. 7 ff), da sie von der Vollendung noch soweit entfernt sind, daß sie das Rechtsgefühl der Allgemeinheit nicht ernstlich erschüttern können (Jescheck § 49 VI 1). Sind sie aber unter Strafe gestellt, handelt es sich bei entsprechender Tatbestandsverwirklichung um formell vollendete Delikte (Sch.-SchröderEser Rdn. 14). Damit stellt sich auch bei ihnen die Frage, inwieweit ein Versuch denkbar und strafbar ist. Entsprechend der oben vorgenommenen Differenzierung (vgl. Rdn. 7, 8) kommt es darauf an, ob die Vorbereitung durch Schaffung eines Sondertatbestandes, der bestimmte Vorbereitungshandlungen beschreibt (etwa §§ 80, 149, 96 Abs. 1, 264, 265), oder durch eine unselbständige Ausdehnung des Haupttatbestandes (§§ 83, 87, 98, 99, 234 a) unter Strafe gestellt ist. Ist die Vorbereitungshandlung in einem Sondertatbestand, der bestimmte 89 typischerweise gefährliche Vorbereitungshandlungen beschreibt, unter Strafe gestellt, ist ein Versuch möglich und auch kriminalpolitisch vertretbar (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 28). Versuch des § 96 kann etwa dann gegeben sein, wenn sich der Täter an eine Auskunftsperson heranmacht, um sich das Staatsgeheimnis zu verschaffen 5 1 . Auch im Rahmen des Versicherungsbetruges (§ 265) ist ein Versuch möglich 5 2 . So hat die Rechtsprechung die Brandstiftung im irrigen Glauben, die Sache sei versichert, als versuchten Versicherungsbetrug nach § 265 angesehen (RGSt. 68 430, 436); möglich ist auch, daß der Täter mit der Brandstiftung begonnen, das Feuer jedoch nicht auf die versicherte Sache übergegriffen hat (Sch.-Schröder-Lenckner § 265 Rdn. 15). Dient dagegen der Vorbereitungstatbestand bereits dazu, das allgemeine delikti- 90 sehe Vorfeld abzudecken, besteht für eine nochmalige Anwendung der Versuchsvorschrift kein Strafbedürfnis 5 3 . So etwa im Rahmen eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83), für das als Tathandlung bereits jede Handlung genügt, die den Umsturzplan vorbereitet. Ein denkbarer Versuch ist stets von dem Wort „vorbereiten" mitumfaßt 5 4 . Versuchte Vorbereitung ist begrifflich nur im Falle der untauglichen Vorbereitung denkbar (untauglicher Versuch), die aber straflos ist, weil bei Untauglichkeit keine selbständige Vorbereitungshandlung vorliegt 55 . Auch im Rahmen des § 234 a scheidet ein Versuch aus, weil er entweder selbst 91 schon Vorbereitung ist oder ein Strafbedürfnis noch nicht besteht ( Vogler LK § 234 a Rdn. 28). Da es sich bei den Vorbereitungshandlungen um formell vollendete Taten han- 92 delt, findet § 24 keine Anwendung (BGHSt. 15 198, 199; näher unten § 24). 51

BGHSt. 6 385; Sch.-Schröder-Stree § 96 Rdn. 14. A. A. Arndt ZStW 66 (1954) 75. Maurach-Gössel-Zipf A T 2 § 40 II Β ; Gössel JA 1975 387; Fincke S. 46. 53 RGSt. 58 392, 394; BGHSt. 6 85, 87; Jescheck § 49 VI; Lackner Rdn. 3; Sch.-SchröderEser Rdn. 29; Schmidhäuser 15/11, der auf eine materiell-außerstrafrechtliche Betrachtung abstellt. 54 Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 4 0 II Β ; vgl. auch Arndt ZStW 66 (1954) 72 und Henrike ZStW 66 (1954) 401, nach denen ein Versuch der Vorbereitung bereits begrifflich undenkbar sei. Krit. dazu Schmidhäuser 15/11 Fußn. 4, der in der Undenkbarkeit einen Widerspruch zur Tatbestandsbezogenheit des Versucl sdelikts erblickt. 55 Dreher-Tröndle § 8 3 Rdn. 3; Maurach-Gössel-Zipf A T 2 § 4 0 II B; Willms LK § 8 3 Rdn. 12; zweifelnd Lackner § 83 Anm. 3, nach dem es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht unbedenklich wäre, auch die untaugliche Vorbereitung unter § 83 zu subsumieren. 52

(25)

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

93

Unternehmensdelikte (z. B. §§ 81, 82, 184 Abs. 1 Nr. 4, 89 Abs. 3 Nr. 3, 316 a, 357) stellen Vollendung und Versuch gleich. Jeder versuchte Angriff auf den Schutzwert, also jede Ausführungshandlung ist schon Vollendung mit der Folge, daß sowohl eine Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 wie auch ein Rücktritt nach § 24 ausgeschlossen ist (Tröndle LK § 11 Rdn. 71; Jescheck § 49 VIII 1). Dies gilt auch dann, wenn das Unternehmen im Fall des untauglichen Mittels oder des untauglichen Objekts im Versuchsstadium stecken bleibt (dazu Jescheck § 49 VIII 2; Burkhardt JZ 1971 357; RGSt. 39 321, 324; 56 225; 72 80).

94

Da zahlreiche Unternehmenstatbestände Verbrechen darstellen, für die über § 23 Abs. 1 die Versuchsstrafbarkeit gesetzlich angeordnet ist, stellt sich auch bei ihnen die Frage des Versuchs. Die Ausdehnung des Strafbereichs auf „Vorbereitungsfälle" würde aber den Strafbereich zu weit ins Vorfeld verlagern 5 6 . Ein Versuch des Unternehmensdelikts scheidet deshalb aus 5 7 , wobei strittig ist, ob dieser nicht denkbar oder nicht strafbar ist (vgl. Rudolphi SK § 11 Rdn. 24; Fincke S. 54).

95

Auch bei den unechten Unternehmensdelikten, Tatbeständen, die schon die Betätigung mit einer bestimmten Tendenz unter Strafe stellen (z. B. §§ 115, 292) hat die Frage eines Versuchs Konsequenzen. Im wesentlichen geht es, da zur Vollendung kein tatbestandsmäßiger Erfolg notwendig ist, um die Frage, welche Versuchshandlungen bereits dem Strafbereich unterfallen und welche nicht 5 8 . Teilweise soll nur der Versuch mit untauglichen Mitteln, nicht aber der Versuch am untauglichen Objekt strafbar sein, da abgesehen von der Eignung des Unternehmens zur Erreichung seines Willens sämtliche Tatbestandsmerkmale gegeben sein müssen 5 9 . Nicht ausreichend sei demzufolge im Rahmen des § 257, wenn der Täter nur irrig annimmt, daß der Gegenstand, auf den sich die Hilfeleistung bezieht, aus einer rechtswidrigen Vortat stammt (Jescheck § 49 VIII 2; zu § 258 vgl. oben § 22 Rdn. 148).

96

4. Versuchte Teilnahme. Nicht nur die Haupttat kann im Stadium des Versuchs enden, sondern auch die Teilnahme 6 0 . Beim Zusammenwirken mehrerer Tatbeteiligter kann es deshalb sowohl vorkommen, daß die dem Täter angesonnene Tat im Versuchsstadium stecken bleibt (Teilnahme am Versuch) oder bewußt stecken bleiben soll (agent provocateur; vgl. RGSt. 15 315, 317; BGHSt. 4 199 sowie unten § 22 Rdn. 5), sondern auch, daß die Anstiftung oder Beihilfe selbst das Stadium des Versuchs nicht überschreitet (versuchte Teilnahme). Beide Erscheinungsformen sind dogmatisch zu unterscheiden (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 1). Bleibt es trotz erfolgreichem Teilnahmeakt — der Gehilfe übergibt dem Täter die Tatwaffe — beim Versuch der Haupttat, fehlt es am Erfolgsunwert der Teilnahme (Stratenwerth Rdn. 905; Rudolphi Maurach-Festschrift S. 67); es liegt der Natur nach nur 56

57

58

60

Rudolphi SK § 11 Rdn. 24; Tröndle LK § 11 Rdn. 74; nach Ritter (zit. nach Blei AT § 65 III 3) würde es sich um ein „formalistisches Paternoster-Werk" handeln. RGSt. 39 321, 323 f; 56 226; 72 81; Tröndle LK § 11 Rdn. 74; Sch.-Schröder-Eser § 11 Rdn. 61 ; Dreher-Tröndle § 11 Rdn. 34; Lackner § 11 Anm. 7; Jescheck § 49 VIII 2; Rudolphi SK § 11 Rdn. 24; Burkhardt JZ 1971 357; Baumann § 33 I 1 b, nach dem sich der Versuch des Versuchs nicht vom Versuch unterscheiden läßt. Vgl. Rudolphi SK § 11 Rdn. 27 f; Jescheck § 49 VIII 2; Tröndle LK § 11 Rdn. 78 ff. Jescheck § 49 VIII 2; Burkhardt JZ 1971 355; Sch.-Schröder-Eser § 11 Rdn. 66; a. A. Bokkelmann NJW 1951 622; Waider GA 1962 183. Dazu Stratenwerth Rdn. 955 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 1 ; Samson SK vor § 26 Rdn. 23; Baumann § 34 I 2. (26)

Vorbemerkungen (Vogler)

Vor § 22

61

eine versuchte Rechtsgutsverletzung vor , da das durch die Teilnahmevorschriften geschützte Rechtsgut identisch mit dem Rechtsgut der jeweiligen Haupttat ist ( Vogler Heinitz-Festschrift S. 299). Die Strafbarkeit der Teilnahme am Versuch des Haupttäters bestimmt sich nach 97 §§ 22, 23 i. V. m. den allgemeinen Akzessorietätsregeln. Der Teilnehmer kann deshalb auch nur wegen Beteiligung an der Versuchstat bestraft werden (Baumann § 37 I 2 a) und nur dann, wenn der Versuch der Haupttat überhaupt strafbar ist 62 . Zum Rücktritt in diesen Fällen vgl. unten § 24. Bei der versuchten Teilnahme fehlt es dagegen bereits am primären Ausgangs- 98 punkt der Teilnehmerhaftung, der vollendeten oder mindestens versuchten Haupttat 63 . Deshalb finden die §§ 26, 27 keine Anwendung. Strafbarkeit wird jedoch durch § 30 für gewisse auf Verbrechen gerichtete Vorbereitungshandlungen, die sich als Vorstufen der Beteiligung darstellen, begründet (Jescheck § 65 I 2). Beide Erscheinungsformen können auch zusammentreffen (Beispiel von Maurach-GösselZipf AT 2 § 50 III C 1): A bestimmt Β zu einer räuberischen Erpressung (§ 255). Β versucht daraufhin erfolglos eine einfache Erpressung (§ 253). A haftet in diesem Beispiel sowohl wegen versuchter Teilnahme an der räuberischen Erpressung (§§ 30, 255, 22), wie auch in Tateinheit damit wegen Teilnahme an dem einfachen Erpressungsversuch (§§ 26, 253, 22). Daß die Anstiftung Versuch bleibt, kann sowohl darauf beruhen, daß der Anzu- 99 stiftende den Tatentschluß nicht faßt (mißlungene Anstiftung), er die Tat nicht ausführt (erfolglose Anstiftung) oder zur Tat schon fest entschlossen war (omni modo facturus) (näher dazu Letzgus; Bockelmann AT § 27 VI 1). Denkbar sind auch Fälle, in denen der Beteiligte nur mit Teilnehmervorsatz handelt und den (Täter-)Vorsatz des Vordermannes unterstellt. Bei Realisierung des Tatgeschehens fehlt es dann am Vorsatzerfordernis der Haupttat i. S. der §§ 26, 27. Eine Bestrafung ist auch insoweit nur im Rahmen des § 30 möglich (Sch.Schröder-Cramer vor § 25 Rdn. 80; Bockelmann AT § 27 VI 1). Die andere Form der Teilnahme, die Beihilfe, ist dagegen seit dem 3. StrÄG vom 100 4. 8.1953 in ihrer Versuchsform nicht mehr mit Strafe bedroht 64 und nur noch im Sonderfall des § 120 Abs. 3 unter Strafe gestellt. Gelegentlich wird auch die Begünstigung, § 257, als „eine zum selbständigen Delikt erhobene nachträglich versuchte Beihilfe zur Vortat" gewertet (so Dreher-Tröndle § 257 Rdn. 1 ; krit. Vogler DreherFestschrift S. 415). Die Abgrenzung der straflosen versuchten Beihilfe von der vollendeten Beihilfe bereitet allerdings nach wie vor Schwierigkeiten (vgl. dazu ausführlich Vogler Heinitz-Festschrift S. 295 ff; Samson SK § 27 Rdn. 8). Zum Gesichtspunkt der Strafwürdigkeitsdifferenz, warum die versuchte Beihilfe 101 stets und die versuchte Anstiftung generell bei Vergehen straflos sind, während die versuchte täterschaftliche Begehung in sehr viel weiterem Umfang im Versuchsstadium unter Strafe gestellt ist, vgl. Maiwald Bockelmann-Festschrift S. 360 f. 61

62

63 64

(27)

Vgl. ausführlich Samson SK vor § 26 Rdn. 14, nach dem der Anknüpfungspunkt einer versuchten Haupttat den Grundgedanken, der der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Anfang der Ausführung auch sonst zugrunde liegt, entspricht. Samson SK vor § 26 Rdn. 23; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 1 ; RGSt. 38, 248, 250; Jescheck § 64 IV 3. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 1 ; vgl. auch Jescheck § 65 I 3. BGHSt. 14 156, 157; Vogler Heinitz-Festschrift S. 302; Baumann § 37 II 2 a; Roxin LK § 30 Rdn. 47.

Vor § 22

2. Abschnitt. Die Tat

102

5. Regelbeispiele. Besondere Probleme ergeben sich auch, wenn der Gesetzgeber zur Kennzeichnung von erschwerenden Umständen, die den Strafrahmen für die im Tatbestand umschriebene Straftat ändern, besonders schwere Fälle heraushebt, die durch Regelbeispiele 63 näher bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit macht der Gesetzgeber im Anschluß an E 1962 zunehmend Gebrauch 6 6 , beispielsweise in §§ 94 Abs. 2, 98 Abs. 1 Satz 2, 100 Abs. 2, 235 Abs. 2, 243, 311 Abs. 2.

103

Bedingt durch die umstrittene Rechtsnatur der Regelbeispiele werfen sie auch im Rahmen des Versuchs Zweifelsfragen auf. Zum einen ist fraglich, ob für den Versuchsbeginn das Ansetzen zur Verwirklichung eines Regelbeispiels (z. B. Einbrechen in § 243) ausreicht, auch wenn darin noch nicht das Ansetzen zum Tatbestand (z. B. des § 242) liegt 67 , zum anderen stellt sich die Frage, ob der Versuch eines Regelbeispiels möglich ist. Da mit der h. M. davon auszugehen ist, daß die Regelbeispiele keine qualifizierenden Tatbestandsmerkmale darstellen (so aber Calliess JZ 1975 112 ff, 117 mit weit. Nachw.), sondern als Strafzumessungsregeln dem Strafzumessungsbereich zuzuordnen sind 6 8 , gibt es den Versuch eines besonders schweren Falles begrifflich nicht. § 243 bewirkt nur eine Strafänderung, aber keinen neuen Deliktstypus 69 . IV. Fremde Rechte

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Nach dem StGB der DDR sind Versuch und Vorbereitung nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt (§ 21 Abs. 1). Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch erfolgt nach einem objektiven Maßstab unter Berücksichtigung des Täterplans (vgl. Wittenbeck NJ 1967 370). Eine Strafmilderung ist nicht zwingend; der untaugliche Versuch ist strafbar (OG NJ 1967 353). Nur Versuchshandlungen, die Ausdruck völliger Unkenntnis der Naturgesetze bzw. abergläubischer Vorstellungen sind, begründen keine strafrechtliche Verantwortlichkeit (Hennig Vorbereitung und Versuch S. 47; Lekschas/Renneberg S. 349 0 · In Österreich dehnt § 15 Abs. 1 die Strafdrohung der Vorsatzdelikte generell auf den Versuch aus; die Strafe kann innerhalb des Normalstrafrahmens gemildert werden (§ 34 Nr. 13). Die Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch erfolgt anhand eines individuell-objektiven Maßstabs (vgl. Burgstaller JurBl. 1976 117 ff; Leukauf/ Steininger § 15 Anm. C 2; Foregger/Serini § 15 Anm. IV). § 15 Abs. 3 normiert die Straflosigkeit des absolut untauglichen Versuchs; der relativ untaugliche Versuch, der nur infolge zufälliger Umstände des Einzelfalls gescheitert ist, ist strafbar (Foregger/Serini § 15 Anm. III). In der Schweiz hat die Rechtsprechung die in 65

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69

Zur Gesetzestechnik der Regelbeispiele vgl. Noll S. 264 ff. Zu verfassungsrechtlichen Einwänden aus dem Bestimmtheitsgebot vgl. Samson SK § 243 Rdn. 34. Jescheck § 26 V 2; Braunsteffer S. 2; Lackner § 46 Anm. 2 b; Sch.-Schröder-Stree vor § 38 Rdn. 44 ff; Dreher-Tröndle § 46 Rdn. 43 ff. So E 1962, Begr. S. 144; Dreher-Tröndle § 22 Rdn. 21 ; OLG Hamm MDR 1976 155 mit krit. Anm. Hillenkamp MDR 1977 242. A. A. Kühl JuS 1980 510; Roxin JuS 1979 7; Samson SK §243 Rdn. 39; differenzierend Sch.-Schröder-Eser § 243 Rdn. 45; vgl. dazu ausführlich unten § 22 Rdn. 85. Jescheck § 26 V 2; BGHSt. 23 254, 256; 26 104, 105; BGH NJW 1970 2120; 1196 f; Schröder Mezger-Festschrift S. 427; Wessels Maurach-Festschrift S. 295; Zip/Dreher-Festschrift S. 391; Arzt JuS 1972 518; Blei Heinitz-Festschrift S.423; Horn SK §46 Rdn. 57; für Wertgruppen, die zwischen Zumessungsregel und Qualifikation stehen Maurach-Schroeder BT 1 § 34 IV Β I d ; Dreher-Tröndle § 243 Rdn. 3 mit weit. Nachw. Dreher-Tröndle § 46 Rdn. 48; Braunsteffer S. 41 ; Rudolphi SK § 22 Rdn. 18; Lackner § 46 Anm. 2 b dd; Sch.-Schröder-Eser § 243 Rdn. 44; BayObLG NJW 1980 2207. (28)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Art. 21 I StGB enthaltene objektive Abgrenzungsformel i. S. der „Unwiderruflichkeitstheorie" subjektiviert (vgl. BGE 71 IV 211; 83 IV 145; 87 IV 155; Pfenninger Das schweizerische Strafrecht S. 232; Noll GA1970 181 ; zur objektiven Theorie vgl. Hafter Allg. Teil S. 204; zur subjektiven Abgrenzung vgl. Germann Verbrechen S. 191 und Waiblinger SchwZStr 72 [1957] 127); der untaugliche Versuch ist strafbar (Art. 21 I). In Frankreich sind Vorbereitung und Versuch nach einer die Nähe zur Verwirklichung des Tatbestandes betonenden Formel abzugrenzen (zur Rechtsprechung vgl. Bouzat Traité Bd. I 300 f und Merle/Vitu Traité S. 495 f ; der untaugliche Versuch ist strafbar {Stefanie/Levasseur Droit pénal général S. 201 f). In Italien kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob taugliche Handlungen (Art. 49 II C. p.) vorliegen, die in unmißverständlicher Weise auf die Verwirklichung der Straftat abzielen (Art. 56 I C. p.). Für beide Voraussetzungen ist ein objektiver Maßstab erforderlich (Bettiol Diritto penale S. 530 ff ; Pagliaro Principi S. 486). In England ist der Versuch in gleicher Weise strafbar wie die Vollendung (sect. 7 [2] Criminal Law Act 1967). Wissenschaft und Rechtsprechung folgen der Lehre vom „dolus ex re" („mens rea must be evidenced by what the accused has actually done") und halten auch den untauglichen Versuch für strafbar. Im amerikanischen Recht sind für die Abgrenzung des Versuchs von der Vorbereitung objektive Kriterien maßgebend, der untaugliche Versuch ist in den Fällen der „legal impossibility" und der „apparent impossibility" straflos (dazu Honig Das amerikanische Strafrecht S. 177 ff und Lehmann Die Bestrafung des Versuchs S. 78 ff, 116 ff). Dem spanischen StGB liegt bei der Abgrenzung eine objektive Betrachtungsweise zugrunde (Art. 3 III C. p.); der untaugliche Versuch ist strafbar (Art. 52 II C. p.; vgl. Cordoba Roda/Rodríguez Mourullo Art. 3 párs 2 y 3 Anm. III 1 Β und Art. 51 y 52, Anm. II 2). Auch in den Niederlanden ist objektiv abzugrenzen (van Bemmelen Ons strafrecht S. 291 ff); der absolut untaugliche Versuch ist straflos (Pompe Handboek S. 214 ff). In Polen ist der Versuch bei allen Delikten strafbar; die Abgrenzung erfolgt nach objektiven Kriterien (vgl. Spotowski Erscheinungsformen S. 28). Die Strafmilderung erfolgt innerhalb des Regelstrafrahmens (Spotowski Erscheinungsformen S. 63). Zum russischen StGB vgl. Kaufmann ZStW 80 (1968) 50.

§22 Begriffsbestimmung Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. §43 a. F.: (1) Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuchs zu bestrafen. (2) Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. §26 E 1962: (1) Eine Straftat versucht, wer den Vorsatz, die Tat zu vollenden, durch eine Handlung betätigt, die den Anfang der Ausführung bildet oder nach seiner Vorstellung von den Tatumständen bilden würde, jedoch nicht zur Vollendung führt. (29)

§ 22

2. Abschnitt. Die Tat

(2) Den Anfang der Ausföhrung bildet eine Handlung, durch die der Täter mit der Verwirklichung des Tatbestandes beginnt oder unmittelbar dazu ansetzt. § 24 AE: Den Versuch einer Straftat begeht, wer nach seinem Tatplan zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt. Schrifttum Ambrosius Untersuchungen zur Vorsatzabgrenzung (1966); Arzt Bedingter Entschluß und Vorbereitungshandlung, JZ 1969 54; Arzt Die Neufassung der Diebstahlsbestimmungen, JuS 1972 385, 515, 576; Baumann Täterschaft und Teilnahme, JuS 1963 85; Baumann Das Umkehrverhältnis zwischen Versuch und Irrtum im Strafrecht, NJW 1962 16; Baumgarten Die Lehre vom Versuche der Verbrechen (1888); Becher Zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch gemäß § 22 des 2. StrRG, Diss. jur. Münster (1973); Binding Das bedingte Verbrechen, GS 68 (1916) 1; Bindokat Zur Frage des doppelten Irrtums, NJW 1963 745; Blei Urteilsanmerkung, JA 1975 101; Blei Das Wahnverbrechen, JA 1973 237, 321, 389, 459, 529, 601 ; Blei Versuch und Rücktritt vom Versuch nach neuem Recht, JA 1975 95, 167, 233; Blei Urteilsanmerkung, JA 1975 41 ; Blei Urteilsanmerkung, JA 1976 101 ; Bockelmann Die jüngste Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch, JZ 1955 193; Borchert Urteilsanmerkung, JA 1980 254; Bringewat Der sog. doppelte Irrtum, MDR 1970 652; Bruns Der untaugliche Täter im Strafrecht (1955); Bruns Zur Frage der Strafbarkeit des „Versuchs" eines untauglichen Subjekts, DStrR 1938 161; Bruns Die Strafbarkeit des Versuchs eines untauglichen Subjekts, GA 1979 161; Burgstaller Über den Verbrechensversuch, JurBl. 1969 521; Burgstaller Der Versuch nach § 15 StGB, JurBl. 1976 113; v. Buri Der Versuch des Verbrechens mit untauglichem Mittel oder an einem untauglichen Objekt, GS 20 (1868) 325; v. Buri Versuch und Kausalität, GS 32 (1880) 323; v. Buri Zur Lehre vom Versuche, GS 19 (1867) 60; Burkhardt Rechtsirrtum und Wahndelikt, JZ 1981 681 ; Coester Die Vorbereitungshandlung im E 1927 (1933), Strafrechtliche Abhandlungen 329; Cohn Zur Lehre vom versuchten und vollendeten Verbrechen (1880); Dicke Zur Problematik des untauglichen Versuchs, JuS 1968 159; Graf zu Dohna Versuch, in Aschrott-Kohlrausch Reform des Strafrechts (1926) 95; Dreher Der Irrtum über Rechtfertigungsgründe, Heinitz-Festschrift (1972) 207; Engisch Der „umgekehrte Irrtum" und das Umkehrprinzip, Heinitz-Festschrift (1972) 185; Engisch Die rechtliche Bedeutung der ärztlichen Operation (1958); Foth Neuere Kontroversen um den Begriff des Wahnverbrechens, JR 1965 366; Gallas Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs, Bockelmann-Festschrift (1979) 155; Geilen Raub und Erpressung (§§ 249-256 StGB) JURA 1979 221 ; v. Gemmingen Die Rechtswidrigkeit des Versuchs (1932) Strafrechtliche Abhandlungen 306; Gössel Urteilsanmerkung, JR 1976 249; Grünwald Der Versuch des unechten Unterlassungsdelikts, JZ 1959 46; Haft Der doppelte Irrtum im Strafrecht, JuS 1980 430, 588, 659; Hafjke Delictum sui generis und Begriffsjurisprudenz, JuS 1973 402; Hardwig Der Versuch bei untauglichem Subjekt, G A 1957 170; Härtung Urteilsanmerkung, JR 1954 111 ; Hassemer Urteilsanmerkung, JuS 1982 703 ; Heinitz Streitfragen der Verbrechenslehre, JR 1956 248; Herdegen Der Verbotsirrtum in der Rechtsprechung des BGH, BGH-Festschrift (1975) 195; Herzberg Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, GA 1971 1; Herzberg Das Wahndelikt in der Rechtsprechung des BGH, JuS 1980 469; Herzberg Täterschaft und Teilnahme (1977); Hirsch Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (1960); Horn Actio libera in causa — eine notwendige, eine zulässige Rechtsfigur? GA 1969 289; Jacobs Buchbesprechung, JR 1977 131; Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959); Kaufmann Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf, ZStW 80 (1968) 34; Kohn Der untaugliche Versuch und das Wahnverbrechen (1904), Strafrechtliche Abhandlungen 53; Kühl Zum Verjährungsbeginn bei Anstellungs- und Rentenbetrug, JZ 1978 549 ; Küper Versuchsund Rücktrittsprobleme bei mehreren Tatbeteiligten, JZ 1979 775 ; Küper Grenzfragen der Unfallflucht, JZ 1981 251; Küper Versuchsbeginn und Mittäterschaft (1978); Lampe Genügt für den Entschluß des Täters in §43 StGB sein bedingter Vorsatz? NJW 1958 332; Lange Strafrechtsreform. Reform im Dilemma (1972); Lenckner Begünstigung, Strafvereitelung und Vereidigungsverbot n a c h § 60 Nr. 2 StPO, N S t Z 1982 401; Lenckner

N o t w e h r bei provozier(30)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

tem und verschuldetem Angriff, GA 1961 299; Lenckner Die Rechtfertigungsgründe und das Erfordernis pflichtgemäßer Prüfung, H. Mayer-Festschrift (1966) 165; Lenckner Oer rechtfertigende Notstand (1965); Less Genügt „bedingtes Wollen" zum strafbaren Verbrechensversuch? GA 1956 33; v. Liszt Die Lehre vom Versuch, ZStW 25 (1905) 24; Lönnies Rücktritt und tätige Reue beim unechten Unterlassungsdelikt, NJW 1962 1950; Mattern Urteilsanmerkung, JZ 1954 254; Maurach Die Beiträge der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bestimmung des Wahnverbrechens, NJW 1962 716, 767; Maurach Fragen der actio libera in causa, JuS 1961 373; Mayer Zur Abgrenzung des Versuchs von der Vorbereitungshandlung, SJZ 1949 172; Meine Die Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuchsbeginn bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuer unter Zuhilfenahme einer falschen Buchführung, GA 1978 321 ; D. Meyer Abgrenzung der Vorbereitung vom Versuch einer Straftat, JuS 1977 19; D.Meyer Das Beisichführen und Vorzeigen eines ge(verfälschten Führerscheins als Gebrauchmachen von einer falschen Urkunde, M D R 1977 444; Niese Finalität, Vorsatz, Fahrlässigkeit (1951); Niethammer Buchbesprechung, D R Z 1949 428; Nowakowski Zu Welzels Lehre von der Fahrlässigkeit, JZ 1958 335; Oehler Das objektive Zweckmoment in der rechtswidrigen Handlung (1959); Ordeig Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 (1968) 915; Otto Versuch und Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, JA 1980 641, 707; Otto Urteilsanmerkung, NJW 1976 578; Otto Die strafrechtliche Bekämpfung unlauterer Einflußnahmen auf öffentliche Versteigerungen durch Scheingebote, NJW 1979 681; Roos Verbrecherische Willensäußerung — strafbarer Versuch? JR 1950 206; Roxin Tatentschluß und Anfang der Ausführung beim Versuch, JuS 1979 1 ; Roxin Über den Tatentschluß, Schröder-Gedächtnisschrift (1978) 145; Roxin Der Anfang des beendeten Versuchs, Maurach-Festschrift (1972) 213; Rudolphi Zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch, JuS 1973 20; Rudolphi Zur Tatbestandsbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs bei der Mittäterschaft, Bockelmann-Festschrift (1979) 369; Salm Das versuchte Verbrechen (1957); Sax Zum logischen und sachlichen Gehalt des sog. „Umkehrschlusses aus § 59 StGB", JZ 1964 241 ; Seier Urteilsanmerkung, JA 1982 369; Schaffstein Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum, OLG Celle-Festschrift (1961) 175; Schilling Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975); W. Schmid Bedingter Handlungswille beim Versuch und im Bereich der strafbaren Vorbereitungshandlung, ZStW 74 (1962) 48; Eb. Schmidt Die mittelbare Täterschaft, Frank-Festgabe (1930) Bd. 2 106; Schötensack Der Verbrechensversuch, Frank-Festgabe (1930) Bd. 2 55; Schötensack Der Versuch und der Amtliche Entwurf eines Allgemeinen Deutschen StGB, GS 91 (1925) 378; Schönwandt Grundlagen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, Diss. jur. Göttingen (1975); Schroeder Urteilsanmerkung, NJW 1976 490; J. Schröder Der bedingte Tatentschluß, Diss. jur. Hamburg (1969); Schüler Der Mangel am Tatbestand (1914), Strafrechtliche Abhandlungen 181; Sonnen Urteilsanmerkung, JA 1979 334; Spendet Zur Notwendigkeit des Objektivismus im Strafrecht, ZStW 65 (1953) 519; Spendei Kritik der subjektiven Versuchstheorie, NJW 1965 1881 ; Spendet Zur Neubegründung der objektiven Versuchstheorie, Stock-Festschrift (1966) 89; Spendei Zur Kritik der subjektiven Versuchs- und Teilnahmetheorie, JuS 1969 314; Stöger Versuch des untauglichen Täters (1961); Stratenwerth Der Versuch des untauglichen Subjekts, Bruns-Festschrift (1978) 59; S tree Beginn des Versuchs bei qualifizierten Straftaten, Peters-Festschrift (1974) 179; Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität 1 Allg. Teil (1976); Tiedemann Die Überschuldung als Tatbestandsmerkmal des Bankrotts, Schröder-Gedächtnisschrift (1978) 289; Tiedemann Zur Reform der Vermögens- und Wirtschaftsstraftatbestände, Z R P 1970 256; Tiedemann Der Versuch der Zweckentfremdung im Steuerstrafrecht, JR 1973 412; Treplin Der Versuch — Grundzüge des Wesens und der Handlung, ZStW 76 (1964) 441 ; Tröndle Festschrift-Besprechung, JR 1974 221 ; Vogler Buchbesprechung, GA 1977 61 ; Waiblinger Subjektivismus und Objektivismus in der neueren Lehre und Rechtsprechung vom Versuch, ZStW 69 (1957) 189; Waiblinger Die Abgrenzung des strafbaren Versuchs, SchwZStr. 72 (1957) 121; v. Weber Der Irrtum über einen Rechtfertigungsgrund, JZ 1951 260; Welp Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung (1968); Welzel Irrtumsfragen im Steuerstrafrecht NJW 1953 486; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff (1973). Schrifttum 1983: Burkhardt Vorspiegelung von Tatsachen als Vorbereitungshandlung zum Betrug, OLG Karlsruhe, NJW 1982 59, JuS 1983 426; Kadel Versuchsbeginn bei

(31)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

mittelbarer Täterschaft — versuchte mittelbare Täterschaft, G A 1983 Heft 7; Kühl Versuch in mittelbarer Täterschaft, BGHSt. 30 363, JuS 1983 180; Küper Der Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft, JZ 1983 361. Vgl. auch das Schrifttum Vor § 22.

Entstehungsgeschichte § 22 ersetzt § 43 a. F. und ist im Anschluß an § 26 Abs. 2 E 1962 (Begr. S. 144; Niederschriften 2 171, 187, 224) und § 24 AE durch das 2. StrRG eingefügt worden (BT-Drucks. V/4095; Prot. V 1651, 1735, 1742, 1745 ff, 2907). Nach dem E 1962 sollte der Versuch auf die Handlungen beschränkt werden, „durch die der Täter mit der Verwirklichung des Tatbestandes beginnt oder unmittelbar dazu ansetzt" (§ 26 Abs. 2 E 1962). Mit dem Abstellen auf dieses obj. Kriterium sollte eine eindeutigere Grenze gezogen werden, um der Ausweitung des (strafbaren) Versuchs auf Kosten der (straflosen) Vorbereitungshandlung zu begegnen, ohne jedoch für jeden Fall scharf umrissene Abgrenzungsmerkmale zu bieten (E 1962 Begr. S. 144 und Blei JA 1975 95, nach dem § 43 eine „gesetzestechnisch vorzügliche Bestimmung" war, die ohne weiteres hätte übernommen werden können; § 43 a. F. sei in der Formulierung des E 1962 in der Struktur praktisch unverändert enthalten). Der Regelung des E 1962 wurde in der Folgezeit mit § 24 des Alternativ-Entwurfs eine stärker subj. Kriterien berücksichtigende Fassung gegenübergestellt. Danach begeht den Versuch einer Straftat, „wer nach seinem Tatplan zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt". Aus der knappen Vorschrift (die nach Blei AT § 66 II entgegen Baumann § 32 II 2 nur dann besser ist, wenn man letzterreichbare Knappheit der Wortfassung unter allen Umständen für einen Vorzug hält) ist § 22 hervorgegangen (vgl. dazu auch Noll Gesetzgebungstechnik S. 42 ff sowie zum Verhältnis AE zum E 1962 Kaufmann ZStW 80 (1968) 34 ff, 47 ff). Trotz NichtÜbernahme der beiden Versuchsvoraussetzungen des „Tatentschlusses" und des „Anfanges der Ausführung", wie sie in § 43 a. F. und § 26 E 1962 enthalten waren, erfordert der Versuch auch nach geltendem Recht einen „Tatentschluß" (dazu unten Rdn. 2 sowie Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 145 ff); auch das obj. Merkmal „Anfang der Ausführung" kehrt — wenn auch anders gefaßt — in der Begriffsbestimmung wieder. Im schriftlichen Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (BTDrucks. V/4095 S. 11) wird betont, daß mit der Fassung des §22 Änderungen gegenüber dem AE in der Sache nicht beabsichtigt seien. Um aber den Bedenken Rechnung zu tragen, daß die Formulierung des AE mit der auf den Begriff „Straftat" bezogenen Wendung „zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt" zu einer gewissen Vorverschiebung des Beginns der Versuchsstrafbarkeit führen könnte, wurde durch den Sonderausschuß die Formulierung gewählt, „zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt". Auch wurde der Begriff des „Tatplanes" nicht übernommen, weil man befürchtete, Affekttäter nicht erfassen zu können, die nicht lange vorher planen. Statt dessen wurde der Begriff „Vorstellung von der Tat" verwendet (dazu BT-Drucks. V/4095 S. 11). § 22 enthält damit im Gegensatz zu § 43 a. F. aber auch zu § 26 E 1962 eine stark verkürzte Begriffsbestimmung und stellt mehr eine Leitlinie zur Abgrenzung von V o r b e r e i t u n g u n d V e r s u c h a u f (vgl. u n t e n R d n . 30). (32)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22 Rdn.

I. Begriff und Struktur des Versuchs

Rdn. 1

II. Voraussetzungen des Versuchs 1. Subjektiver Tatbestand a) Vorsatz b) Handlungswille aa) Tatgeneigtheit bb) Tatentschluß auf bewußt unsicherer Tatsachengrundlage cc) Tatentschluß mit Rücktrittsvorbehalt c) Subjektive Unrechtselemente 2. Objektiver Tatbestand a) Versuchstheorien b) Ansatzformel aa) Subjektive Beurteilungsgrundlage (Tatplan) bb) Objektiver Beurteilungsmaßstab (Handlungsunmittelbarkeit, zeitliche Unmittelbarkeit, Gefährdung) c) Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch als Auslegungsproblem (normative Bestimmung eines spezifischen Unmittelbarkeitszusammenhangs)

2 2 2 9 10 14 20 22 23 24 29 31

34

58

d) Anwendung der Ansatzformel auf Sonderfälle 71 aa) Beendeter Versuch 71 bb) Qualifizierte, zusammengesetzte Delikte und Regelbeispiele . . . . 76 cc) Mittäterschaft 88 dd) Mittelbare Täterschaft 96 ee) actio libera in causa 105 ff) Unterlassungsdelikte 109 gg) Nebenstrafrecht 123 3. Fehlen der Vollendung 126 a) Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolges 126 b) NichtZurechenbarkeit des Erfolges . . 127 aa) Wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf 127 bb) Wegfall der Schuld 128 cc) Objektive Rechtfertigungslage . . 129 4. Rechtswidrigkeit und Schuld 130 5. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit 131 III. Kasuistik 132 IV. Untauglicher Versuch und Wahndelikt . . . 1 3 3 1. Untauglichkeit des Mittels 138 2. Untauglichkeit des Objekts 139 3. Wahndelikt 143 4. Untauglichkeit des Subjekts 153

I. Begriff und Struktur des Versuchs Nach der Begriffsbestimmung des Gesetzes liegt ein Versuch vor, wenn der 1 Täter „nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt". Was das Gesetz als „Begriffsbestimmung" bezeichnet, stellt in Wirklichkeit nur eine Formel für die Abgrenzung der (straflosen) Vorbereitung vom (strafbaren) Versuch dar (Blei JA 1975 96; Roxin JuS 1973 329). Dabei stellt das Gesetz in obj. Hinsicht darauf ab, ob der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat und in subj. Hinsicht erklärt es die Vorstellung des Täters von der Tat zur maßgeblichen Beurteilungsgrundlage (vgl. dazu unten Rdn. 31 ff). Der Versuch ist also (in Abgrenzung zur Vorbereitungshandlung) gekennzeichnet durch ein subj. und ein obj. Merkmal. Daneben ist dem Versuch (in Abgrenzung zur Vollendung) wesentlich, daß es nicht zu der gewollten vollen Tatbestandsverwirklichung kommt. Begrifflich stellt der Versuch also die vollständig gewollte, aber unvollständig gebliebene Tat dar (Lackner Anm. 1). II. Voraussetzungen des Versuchs 1. Subjektiver Tatbestand a) der Vorsatz. Während es beim Versuch am äußeren Tatbestand einer Straftat, 2 jedenfalls an seiner gewollten Herbeiführung, mindestens teilweise fehlt (zur Gleichstellung der Fälle, in denen trotz voller äußerer Tatbestandserfüllung eine der Nichtvollendung vergleichbare Lage eintritt, z. B. beim Irrtum über den Kausalverlauf, Fehlen eines subj. Rechtfertigungselements, vgl. unten Rdn. 127,129,140), muß der innere Tatbestand (der Vorrang vor dem äußeren Hergang beansprucht, weil dieser den Willen nicht voll erfüllt) wie bei vollendeter Tat vollständig vorliegen. Dazu gehört in erster Linie der Vorsatz, der wie beim vollendeten Delikt sämt(33)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

liehe obj. Tatbestandsmerkmale umfassen m u ß l . Dem Versuch ist wesentlich der „objektiv nicht verwirklichte Vollendungswille" (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I A 1), jedenfalls soweit der Täter zur Verwirklichung angesetzt hat. Auch wenn § 22 im Gegensatz zu § 43 a. F. und § 26 E 1962 die Versuchsvoraussetzung des Entschlusses, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, im Anschluß an § 24 A E nicht mehr ausdrücklich nennt (vgl. Entstehungsgeschichte), ist doch unstreitig, daß auch nach geltendem Recht für jeden Versuch ein „Tatentschluß" i. S. des vollständigen Vorsatzes erforderlich ist 2 . Insoweit besteht kein Unterschied gegenüber der früheren Rechtslage, so d a ß auch die umfangreiche ältere Rechtsprechung zu diesem Problemkreis noch uneingeschränkt verwertbar ist (Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 145 und JuS 1979 1 f f ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 13; Kühl JuS 1980 274). Häufig wird daher das Wort „Tatentschluß" wie früher stellvertretend f ü r den Vorsatz oder den vollen subjektiven Tatbestand verwendet 3 . 3

Das Vorsatzerfordernis kommt in den Worten „Vorstellung von der Tat" zum Ausdruck, zu der das Wissen gehört, daß durch ihre Begehung — falls sie gelingt — die Merkmale eines Straftatbestandes verwirklicht werden. Das „Ansetzen" zur Verwirklichung des Tatbestandes ist Ausdruck u n d Ausführung des Tatentschlusses. Daraus folgt, daß es am erforderlichen Vorsatz mangels Tatvorstellung fehlt, wenn der Täter einem Irrtum unterliegt, der auch beim vollendeten Delikt den Vorsatz entfallen läßt. Auch beim Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes (Erlaubnistatbestandsirrtum) scheidet eine Versuchsbestraf u n g aus, für die h. M., weil der Vorsatz in analoger Anwendung des § 16 entfällt, aber auch nach der rechtsfolgenverweisenden Schuldtheorie (vgl. dazu Jescheck^ 41 III 2 d) mangels Strafbarkeit nach dem Vorsatztatbestand. Andererseits sind Fehlvorstellungen, die für den Vorsatz beim vollendeten Delikt unbeachtlich sind („error in persona", unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf) auch beim Versuch unerheblich (vgl. Kühl JuS 1980 274; zur wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf sowie zum Irrtum über eine objektiv gegebene Rechtfertigungslage vgl. unten Rdn. 127 ff, 140). Ohne Bedeutung ist auch ein Irrtum des Täters über die rechtliche Einordnung der Straftat nach § 12, da es auf die rechtliche Qualifizierung der Tat als Verbrechen oder Vergehen durch den Täter nicht ankommt (vgl. unten § 23 Rdn. 4).

4

Der Vorsatz hat den Erfordernissen des jeweiligen Deliktstatbestandes zu entsprechen. Er m u ß wie beim vollendeten Delikt auf sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale gerichtet sein, bei qualifizierten Tatbeständen also auch die Erschwerungsmerkmale mit umfassen. Der jeweilige besondere Tatbestand entscheidet auch darüber, welche Vorsatzform der Versuch erfordert. Bedingter Vorsatz reicht aus, wo er auch zur vollendeten Tat genügt 4 . Zu den Konsequenzen, die 1

2

3

4

Baumann § 32 II 2 a; Blei AT § 65 I; Dreher-Tröndle Rdn. 2; Jescheck § 49 III 1; MaurachGössel-Zipf AT 2 §41 IA 2; Rudolphi SK Rdn. 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 3; Lackner Anm. 1 ; Kühl JuS 1980 274; Welzel § 24 II. BT-Drucks. V/4095 S. 11; vgl. auch J. Meyer ZStW 87 (1975) 602 f; Roxin SchröderGedächtnisschrift S. 145; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12, 13. Vgl. Jescheck § 49 III ; Blei AT § 65 I ; Preisendanz Anm. 3 ; Lackner Anm. 1 a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 12 ff; gegen eine Gleichsetzung des Tatentschlusses mit dem Rechtsbegriff der Vorsätzlichkeit Schmidhäuser 15/23 f, 43; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II A. RGSt. 61 159, 160; 68 339, 341; BGHSt. 22 330, 332 f; OLG Karlsruhe MDR 1977 601; Jescheck § 49 III 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17; Rudolphi SK Rdn. 2; anders Lampe NJW 1958 333; einschränkend für den untauglichen Versuch Kölz-OttS. 147; allgemeinkritisch Schmidhäuser 15/25. (34)

§22

Begriffsbestimmung (Vogler)

sich daraus für Eventualangriffe und für Taten mit einem allgemeinen, umfassenden Vorsatz ergeben, vgl. unten Rdn. 6. Will der Täter von vornherein nicht den vollen Tatbestand verwirklichen, son- 5 d e m ist sein Wille (wie beim Lockspitzel, agent provocateur) auf die Entwicklung der Straftat nur bis zum Versuch gerichtet, so daß vor der Vollendung deren Abbruch herbeigeführt werden soll, so fehlt es an dem für den Tatvorsatz erforderlichen Vollendungswilleo; bloßer Versuchsvorsatz ist kein Tatvorsatz 5 . Der Vorsatz muß zwar die Umstände der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung umfassen, er braucht aber nicht bis zu den letzten Einzelheiten individualisiert zu sein (RGSt. 70 257, 258; DR 1943 576). Weder ein ausgeklügelter Plan noch reflektiertes Wissen über die abstrakten Tatbestandsmerkmale der generalisierenden Gesetzesbeschreibung sind erforderlich, vielmehr genügen auch Affektentschließungen (DreherTröndle Rdn. 9; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 16). Das hat der Gesetzgeber durch die Worte „Vorstellung von der Tat" anstelle des Begriffs „Tatplan" im AE klargestellt. Ist die Vorstellung des Täters nicht auf einen bestimmten Tatbestand konkreti- 6 siert, der Täter will zwar eine bestimmte Handlung, weiß aber dabei nicht, welcher von mehreren in Betracht kommenden gesetzlichen Tatbeständen dadurch verwirklicht wird (Täter wirft einen schweren Stein, um sich den Verfolger vom Leib zu halten, gleich, ob er ihn tötet, verletzt oder zum Stehenbleiben nötigt. Der Stein verfehlt sein Ziel, der Verfolger läßt von der Verfolgung nicht ab), so ist nicht das „Ob" eines Versuchs zweifelhaft, sondern nur die Art der versuchten Tat. Nach einer Ansicht liegt in bezug auf alle Möglichkeiten Versuch vor, da der Täter mit mehreren Möglichkeiten einer Rechtsverletzung gerechnet habe, auch wenn nach seiner Vorstellung endgültig nur ein Erfolg eintreten konnte. Trete keiner der möglichen Erfolge ein, so soll Idealkonkurrenz zwischen den verschiedenen Versuchen bestehen, bei Erfolgseintritt sollen das vollendete Delikt und der Versuch des nicht realisierten Delikts konkurrieren, soweit das versuchte Delikt nicht gegenüber dem vollendeten subsidiär ist (ζ. B. Körperverletzung gegenüber Totschlag) ( Jescheck § 29 III 4; Sch.-Schröder-Cramer§ 15 Rdn. 80 f; Welzel§ 13 I 2 d). Eine andere Auffassung spricht sich für Strafbarkeit nach dem leichtesten Delikt (Dreher-Tröndle Rdn. 9), im Falle der Vollendung nur nach dem vollendeten Delikt (Maurach-Zipf AT 1 § 22 III A 1) aus; für Strafbarkeit nur aus dem schwereren Delikt Schroeder LK § 16 Rdn. 106; Kühl JuS 1980 275; differenzierend Wessels AT § 7 II 4. Richtig dürfte sein, nur aus dem obj. verwirklichten Delikt zu bestrafen, sofern nicht das versuchte Delikt im Unrechts- und Schuldgehalt wesentlich schwerer wiegt, dann liegt Tateinheit vor. Kommt kein Delikt zur Vollendung, ist nur wegen Versuchs des schwersten Delikts zu bestrafen. Für diese Auffassung spricht, daß der Täter jedenfalls nur einen von den mehreren möglichen Erfolgen unter Ausschluß der anderen wollte. Deshalb kann ihm auch nur ein Erfolg zugerechnet werden. Allerdings ist nicht einzusehen, warum ihm nur der Versuch des leichteren Delikts angelastet werden sollte, obwohl er auch den Eintritt schwerer Erfolge gewollt hat. Mit der Zurechnung des schwersten Erfolges oder bei Ausbleiben jeden Erfolges des schwersten versuchten Delikts wird der Tatvorsatz voll ausgeschöpft. Für die Annahme konkurrierender Tatbestände ist daneben kein Raum (so auch Wessels AT § 7 II 4). Ein über die Tatbestandsmerkmale des vollendeten Delikts hinausgehender Vor- 7 satz des Täters ist nicht zu verlangen. Abzulehnen ist daher die Auffassung, wonach 5

(35)

Dreher-Tröndle Rdn. 2; Lackner § 33 III; Herzberg GA 1971 11.

Anm. 1 a;

Sch.-Schröder-Eser

Rdn. 21;

Baumann

§22

2. Abschnitt. Die Tat

der Vorsatz des Versuchstäters auch das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung umfassen müsse 6 . Diese Ansicht widerspricht dem Charakter des Versuchs als unselbständigem Tatbestand (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 2), aber auch dem Wortlaut des § 22. Die Fassung „Vorstellung von der Tat" ist insoweit gleichbedeutend mit „Tatplan" und bezieht sich nur auf das geplante Delikt, nicht aber auf das „unmittelbare Ansetzen". Auf die Einschätzung des Tatgeschehens als Vorbereitungs- oder Versuchshandlung durch den Täter kommt es nicht an (zur Subjektivierung der Ansatzformel vgl. unten Rdn. 31,43). 8

Aus dem Erfordernis des Tatvorsatzes folgt, daß ein fahrlässiger Versuch ebenso wie der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts schon begrifflich ausgeschlossen ist (vgl. oben vor § 22 Rdn. 16 ff). Die Frage der Strafbarkeit des Versuchs beim Fahrlässigkeitsdelikt stellt sich nach geltendem Recht ohnehin nicht, da es kein fahrlässiges Verbrechen gibt (zum Versuch bei Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination vgl. oben vor § 22 Rdn. 70 ff). Selbst wenn ein fahrlässiger Versuch denkbar wäre 7 , würde er doch vom Versuchsbegriff nicht erfaßt, denn wer fahrlässig handelt, betätigt nicht den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben. Mit der Formulierung „nach seiner Vorstellung" in § 22 hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt, daß der fahrlässige Versuch generell straflos ist (BT-Drucks. V/4095 S. 11). Das gilt auch für die strafbaren fahrlässigen Gefährdungen (BayObLG NJW 1955 395; OLG Hamm NJW 1954 1780, beide zu § 316 a. F.). Bei den vorsätzlichen Gefährdungsdelikten ist dagegen Versuch grundsätzlich möglich, und zwar, wenn der Gefährdungserfolg trotz der gefährdenden Tätigkeit ausbleibt oder wenn der Täter zu der gefährdenden Tätigkeit vorsätzlich angesetzt hat, ohne daß es zu ihr schon gekommen ist (Baumann § 33 I 1 e).

9

b) Handlungswille. Der beim Versuch erforderliche Deliktsvorsatz (Entschluß der Tatbestandsverwirklichung) ist zu unterscheiden vom Handlungswillen. Ebenso wie beim vollendeten Delikt ist auch beim Versuch ein unbedingter, auf Tatbestandsverwirklichung gerichteter Handlungswille erforderlich. Ein bedingter Handlungswille (der nicht mit dem Willen beim bedingten Vorsatz verwechselt werden darf) in dem Sinne, daß der Handelnde sich seine Entscheidung darüber vorbehält, ob er die Straftat begehen will oder nicht, reicht nicht aus 8 . Bei einem unter einer Bedingung entschlossenen Täter liegt ein Tatentschluß vor Bedingungseintritt nur vor, wenn der Täter für den Fall des Bedingungseintritts unbedingt zur Tatausführung entschlossen ist. Bei der Abgrenzung unbedingten Wollens von den Fällen, in denen der Täter sich für den Fall des Bedingungseintritts noch nicht endgültig im Sinne der Tatausführung festgelegt hat, werden (in Anlehnung an Schmid ZStW 74 [1962] 48 ff, 51) drei Fallgruppen unterschieden: die bloße Tatgeneigtheit, der Tatentschluß auf bewußt unsicherer (hypothetischer) Tatsachengrundlage und der Tatentschluß mit Rücktrittsvorbehalt.

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aa) Im Stadium der bloßen Tatgeneigtheit, in dem der Täter die Verwirklichung eines Straftatbestandes zwar als Möglichkeit ins Auge gefaßt hat, jedoch noch 6

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Vgl. Schwalm Niederschriften 2 S. 189, der insoweit Bedeutungskenntnis des Täters in Form einer Parallelwertung in der Laiensphäre fordert; das sei dann der Fall, wenn der Täter sich des Tatbeginns bewußt sei, indem er sich sagt: „jetzt geht's los". So Rudolphi SK Rdn. 1 ; Sch.-Schröder17 § 43 Anm. 4; für den Fall bewußter Fahrlässigkeit auch Jescheck § 54 IV. Jescheck §49 III 1; Rudolphi SK Rdn. 3; Stratenwerth Rdn. 660; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18; Less GA 1956 33; Schmid ZStW 74 (1962) 48 ff; BGH bei Holtz MDR 1980 271 f. (36)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

unentschlossen ist, ob er den Tatbestand überhaupt verwirklichen will, fehlt es an dem erforderlichen unbedingten Handlungswillen. Bei dem bloß Tatgeneigten ist die Entscheidung über das „Ob" der Tat noch nicht gefallen, mag er auch schon mehr oder weniger individualisiert Objekt und Modalitäten der ins Auge gefaßten Tat kennen. Im Zustand der Unentschlossenheit ist der verbrecherische Wille noch nicht abschließend gebildet, der Täter ist nur geneigt, die Straftat zu begehen, hat sich die Entschließung darüber aber noch vorbehalten, sei es, daß er sich die Sache nochmals überlegen, sei es, daß er die Entscheidung erst nach dem künftigen Eintritt eines Ereignisses treffen will. Bei dieser Sachlage scheidet eine Versuchsbestrafung aus. Der Zustand der Unentschlossenheit ist noch kein Vorsatz, da zum Vorsatz die getroffene Willensentscheidung gehört. Vgl. dazu aus der Rechtsprechung RGSt. 54 182, 183: Täter hat bei Betreten des Raumes noch keinen bestimmten Stehlwillen; RGSt. 68 339, 341: Täter erfaßt die Pistole in der Tasche, noch unsicher, ob er nur drohen oder schießen werde; RGSt. 75 19, 25: Täter behält sich bei Vornahme der Fälschung die Entscheidung darüber vor, ob er überhaupt von der verfälschten Urkunde zur Täuschung Gebrauch machen will (zu § 267 a. F.); BGH bei Holtz MDR 1980 271 f: Täter hatte die Axt erhoben, die er „notfalls als Schlaginstrument benutzen wollte, ohne jedoch schon den Entschluß des Zuschlagens gefaßt zu haben". In diesen Fällen von (strafloser) Vorbereitungshandlung zu sprechen (vgl. ζ. B. 11 RGSt. 75 19, 25), ist zumindest mißverständlich, weil auch Vorbereitungshandlungen von festem Tatentschluß getragen sein können ; von der (strafbaren) Versuchshandlung unterscheiden sie sich nur dadurch, daß sie noch vor der mit „unmittelbarem Ansetzen" bezeichneten Strafbarkeitsschwelle liegen (vgl. Schmid ZStW 74 [1962] 52 Anm. 13). Demgegenüber nimmt Arzt (JZ 1969 54 ff) in den Fällen, in denen der Täter schon auf den Erfolg hinarbeitet, aber die endgültige Entschließung aufschiebt, dolus eventualis an. Der Vorbehalt späterer Entschlußfassung ändere nichts daran, daß der Täter mit dem Hinarbeiten auf den Erfolg die Möglichkeit in Kauf nehme, daß sein Verhalten vor dem Zeitpunkt, in dem er seinen endgültigen Entschluß fasse, den Erfolg (mit) herbeiführe. Einer übermäßigen Ausdehnung der Strafbarkeit will Arzt durch restriktive Abgrenzung der Vorbereitungsvon der Ausführungshandlung begegnen. Aber selbst wenn diese Ansicht praktisch zu gleichen Ergebnissen käme (so Sch.- 12 Schröder-Eser Rdn. 18), verkennt sie doch den Begriff des Entschlusses i. S. des Tatvorsatzes, an dessen voluntativem Element es bei Unentschlossenheit des Täters mangelt (vgl. Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 152). Ein bloßer Vorentschluß, der die eigentliche Ausführung einer neuen Entschließung überläßt, ist nicht der für das Versuchsdelikt vorausgesetzte Entschluß (Schmidhäuser 15/33). Gerade weil die Vorbereitung einer tatbestandsmäßigen Handlung mit Vorbehalt des endgültigen Entschlusses als psychologisches Phänomen nicht selten ist, ist an der Unterscheidung von „bedingtem Wollen" und „unbedingtem Tatentschluß" festzuhalten (Jescheck § 49 III 1 Fußn. 19; gegen Arzt auch Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 151). Allerdings läßt sich nicht bestreiten, daß auch die h. M. Einwendungen ausge- 13 setzt ist (vgl. Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 147 ff) und das Kriterium der „Endgültigkeit" bei der Abgrenzung strafbaren Versuchsverhaltens von strafloser Unentschlossenheit Schwierigkeiten bereitet. Roxin will daher die Grenze, die Tatgeneigtheit und Tatentschluß trennt, dort ziehen, „wo die zum Delikt hindrängenden Motive das Übergewicht über die Hemmungsvorstellungen erlangen" (so auch (37)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Kühl JuS 1980 276). Ein Tatentschluß liege dann vor, „wenn der Verwirklichungswille das Übergewicht erlangt hat" (Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 159 und JuS 1979 3). Ob sich der „Entschluß" damit sicherer ermitteln läßt als nach der h. A. hängt letztlich vom Verständnis des Endgültigkeitskriteriums ab (vgl. Lackner Anm. 1 a, der von beachtlichen Gründen, aber einer „schwer vollziehbaren Begrenzung" spricht). Wenn man die „Endgültigkeit" des Handlungswillens nicht i. S. von „unwiderruflich", „felsenfest" oder „von jedem Zweifel ungetrübt" versteht, sondern trotz fortbestehender Gegenmotive schon dann bejaht, wenn der Täter ihnen keinen Raum gibt und durch sein Verhalten den Willen zur Deliktsbegehung deutlich bekundet, besteht kein wesentlicher Unterschied zur h. M. Ausschlaggebend ist, ob der Täter sich den „ Willensruck" gegeben hat, der ihn zur Tatausführung schreiten läßt. Damit ist der Tatentschluß endgültig gefallen 9 . 14

bb) Von der bloßen Tatgeneigtheit ist die Fallgruppe des Tatentschlusses auf bewußt unsicherer Tatsachengrundlage zu unterscheiden, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Täter die Tat nur unter gewissen tatsächlichen Voraussetzungen begehen will, deren künftiger Eintritt bei Fassung des Entschlusses noch ungewiß ist. Nach dem Willen des Täters soll der Eintritt der obj. Bedingungen endgültig darüber entscheiden, ob er die Tat ausführt. In diesen Fällen ist der zum Versuch gehörige Entschluß der Tatbestandsverwirklichung vorhanden, wenn er für den Fall des Eintritts der Bedingung in dem oben umschriebenen Sinne (vgl. Rdn. 13) feststeht; nur seine Ausführung hängt noch von Bedingungen ab. Nach dem Willen des Täters soll zwar der Eintritt der obj. Bedingungen darüber entscheiden, ob mit der Ausführungshandlung begonnen wird, aber unbeschadet dieses Unsicherheitsfaktors ist der Täter subjektiv zur Tat entschlossen (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18; Jescheck § 49 III 1 ; Rudolphi SK Rdn. 5). In der Mehrheit der Fälle ist die Durchführung eines verbrecherischen Vorhabens von solchen Voraussetzungen abhängig, die dem Willen des Täters entzogen sind, so daß es verfehlt wäre, allein wegen dieser Abhängigkeit die Annahme eines endgültigen Willens zur Tatausführung grundsätzlich abzulehnen (BGHSt. 12 306, 310).

15

Die Unbedingtheit des Handlungswillens des Versuchstäters liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Täter nicht nur den Eintritt einer von seinem Willen unabhängigen Bedingung abwartet, die über den Beginn der Ausführungshandlung entscheiden soll, sondern wenn der Täter noch auf die tatauslösende Motivation durch einen anderen wartet. Im Gegensatz zum Tatentschluß auf hypothetischer Tatsachengrundlage macht der Täter in diesen Fällen die eigene Willensbildung von dem Willen eines anderen abhängig (Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 165 und JuS 1979 8 ΟΙ6 An der für § 22 erforderlichen Entschlossenheit fehlt es nicht, wenn der Täter sich nur über die Möglichkeit der Durchführung des Gelingens der Tat im unklaren ist. Die wirklichen Durchführungsmöglichkeiten entziehen sich in der Regel dem sicheren Wissen : Wüßte der Täter, daß er die erstrebte Vollendung bestimmt nicht erreicht, so würde er die Tat überhaupt unterlassen. Dagegen kann er auf die Gefahr des Mißlingens hin handeln, wenn er erkannt hat, daß er den Kausalverlauf zwar nicht beherrscht, aber doch auf Erfolg hofft. 17 Ob in der Untersuchung des Tatobjekts auf seine Tauglichkeit ein versuchsbegründender Entschluß liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Will der 9

Zum „Willensruck" als Zentralpunkt jeder Willenshandlung vgl. Ambrosius Vorsatzabgrenzung S. 20 ff; vgl. auch Jescheck % 29 III 3 e: „definitive Willensentscheidung". (38)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Täter mit der Untersuchung feststellen, ob er sich die Gelegenheit zur Tat zunutze machen soll, dann liegt ein Tatentschluß noch nicht vor. Das Sichvergewissern über den Gegenstand oder den Wert der etwaigen Beute dient dann erst der Vorbereitung der Entschließung. Ist der Täter dagegen schon zur Tat entschlossen, falls sich für ihn Brauchbares findet, dann liegt — sofern die Tat durch die Untersuchung ins Ausführungsstadium gelangt ist (vgl. dazu unten Rdn. 19) — Versuch vor und das Ergebnis der Untersuchung kann ihn allenfalls zur Aufgabe des Entschlusses veranlassen (vgl. RGSt. 65 145, 148: Postschaffner öffnet einen Brief, um sich dessen Inhalt zuzueignen, falls dieser in Geld- oder sonstiger Wertsendung besteht; dagegen kein Versuch der Unterschlagung, wenn der Täter sich erst nach Prüfung des Inhalt schlüssig werden will, ob die Aneignung sich lohnt; RG JW 1933 2706: Postbeamter nimmt beim Sortiergeschäft einen Brief an sich in der Absicht, seinen Inhalt zu prüfen und, falls er für ihn brauchbar ist, sich zuzueignen; BGHSt. 22 80, 81: „Rütteln an den Vorderrädern", um Verriegelung des Lenkradschlosses festzustellen). Da § 242 nicht auf die Wegnahme bestimmter Sachen abstellt, ist es für den 18 Diebstahlsvorsatz (wie auch für die Zueignungsabsicht) gleichgültig, ob der Vorsatz des Täters von vornherein auf bestimmte Objekte konkretisiert war oder allgemein dahin ging, stehlenswerte Gegenstände mitzunehmen 10 . Versuch liegt daher auch dann vor, wenn der Täter ein Haus mit dem Entschluß betritt, mitzunehmen, was er an Brauchbarem vorfindet (RGSt. 70 201, 202 f), aber auch dann, wenn er zur Tat entschlossen, erst feststellen will, ob er etwas Stehlenswertes findet (OLG Hamm MDR 1976 155; vgl. Jescheck §491111). Aus der Rechtsprechung vgl. ferner BGHSt. 5 149 ff: Die falschen Urkunden sollten nach dem Willen des Täters nur für den Fall einer steuerlichen Nachprüfung und auch dann nur unter Voraussetzungen gebraucht werden, deren Eintritt zunächst noch ungewiß war; BGHSt. 21 14, 17: Der Täter war an den Wohnsitz der von ihm getrennt lebenden Frau gefahren, um sie zu töten, falls sie nicht mit ihm zurückkehren würde; BGHSt. 21 319, 322 : Täter machte die Ausführung oder Nichtausführung des Raubes davon abhängig, ob er einen Mittäter findet; BGH G A 1963 147 f: Täter wollte das entgegengenommene Bestechungsgeld nur behalten, wenn seine eigenen Mittel zur Begleichung einer Reparaturrechnung nicht ausreichten ; KG GA 1971 54 f : Die Täter wollten das Opfer berauben, wenn es das Geld nicht aufgrund einer Drohung herausgeben würde; BGHSt. 12 306, 309: Verabredung von Häftlingen nach Ausbruch aus dem Gefängnis, sich durch Beraubung einer ihnen bekannten Gastwirtin Geld zu beschaffen; zu § 49 a a. F.). Tatentschluß liegt ferner vor, wenn der zur Abtreibung festentschlossene Täter die Schwangere lediglich dahingeiend untersucht, ob der Eingriff noch „gefahrlos" vorgenommen werden kann, um bei positivem Ergebnis die Tat unmittelbar zu verwirklichen (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1953 19). Vgl. ferner die Fälle RGSt. 16 133 ff: Anfertigung eines unechten Akzeptes, um es zu gebrauchen, falls ein laufender Wechsel prolongiert werden muß und der Wechselgläubiger die Prolongation genehmigen wird; RG DJZ 1903 106: Eine Frau gebraucht gewisse Mittel, um sich für den Fall, daß sie schwanger sei, der Leibesfrucht zu entledigen. Von dem Problem des unbedingten Handlungswillens ist die Frage nach dem 19 Anfang der Ausföhrung zu trennen. Auch wenn der Handlungswille zu bejahen ist, 10 RGSt. 70 201 ff; OLG Hamm MDR 1976 155 f; Sch.-Schröder-Eser § 242 Rdn. 43; vgl. aber auch unten Rdn. 21. (39)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

braucht keineswegs ohne weiteres eine Ausführungshandlung vorzuliegen. Auch eine bloße Vorbereitungshandlung kann von einem unbedingten Handlungswillen getragen sein (vgl. oben Rdn. 11). Das Einnähen von Geld in die Fußmatte des Autos zum Schmuggel über die Grenze (RGSt. 71 53) oder das Rütteln an den Vorderrädern in Diebstahlsabsicht, um festzustellen, ob das Lenkradschloß verriegelt ist (BGHSt. 22 80, 81), stellen deshalb, obwohl der Handlungswille zu bejahen ist, noch keinen Versuchsbeginn dar 1 1 . 20

cc) Daß der Vorbehalt des Täters, beim Eintritt bestimmter Gegebenheiten von der Ausführung seines Entschlusses zurückzutreten (Tatentschluß mit Rücktrittsvorbehalt) unbeachtlich ist, folgt bereits aus der Existenz des § 24 (Rudolphi SK Rdn. 5). Die dem Tatentschluß hinzugefügte auflösende Bedingung stellt den Vorsatz nicht in Frage 12 . Näht der Täter Geld in die Fußmatte seines Autos ein, um es über die Grenze zu schmuggeln, falls sein Antrag auf Ausfuhrgenehmigung abgelehnt werden sollte (RGSt. 71 53 f), so hebt der Vorbehalt des Rücktritts für den Fall rechtzeitigen Eintreffens der Genehmigung den Tatentschluß vor Bedingungseintritt nicht auf 1 3 . Aus der Tatsache, daß der Täter beschlossen hatte, Canabisharz den mutmaßlichen Eigentümern wieder auszuhändigen, falls sie von ihnen angesprochen und zur Rechenschaft gezogen würden, kann nicht geschlossen werden, daß die Täter nur einen bedingten Tatentschluß nach § 11 Abs. 1 Nr. 6 b BetMG (Besitz von Canabisharz) gefaßt hätten ; vielmehr folgt daraus zunächst nur, daß die Täter davon absehen wollten, sich den Besitz des Betäubungsmittels mit Gewalt zu erhalten (vgl. BGHSt. 30 277 ff). Der Täter ist zur Verwirklichung des Tatbestandes entschlossen, auch wenn er seinen Rücktritt von vornherein einkalkuliert. Ob es letztlich zur Strafbarkeit wegen Versuchs kommt, hängt — sofern die Tat ins Ausführungsstadium gelangt ist — alleine davon ab, ob die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 24 erfüllt sind.

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Von den Fällen des Rücktrittsvorbehalts sind die Fallgestaltungen zu unterscheiden, in denen der Täter von vornherein entschlossen war, nur eine ganz bestimmte Sache wegzunehmen (§ 242) oder keinesfalls weniger als die verlangte Summe anzunehmen (§ 253). Wird seine Erwartung enttäuscht (der Täter findet die Sache nicht vor, er nimmt die geringere als die verlangte Abstandssumme nicht an), so liegt zwar nicht vollendeter Diebstahl bzw. vollendete Erpressung vor, wohl aber Versuch 14 .

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c) Subjektive Unrechtselemente. Abgesehen vom Vorsatz müssen auch die bei der betreffenden Deliktsart vorausgesetzten besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale gegeben sein, da sie im Aufbau des Verbrechensbegriffs auf derselben Ebene liegen wie der Vorsatz (Jescheck § 49 III 1 b). Gehört zum subj. Tatbestand neben dem Wissen und Wollen der Merkmale des obj. Tatbestands eine bestimmte Absicht 11

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A.A. BGHSt. 22 80, 81; wie hier Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; vgl. dazu näher unten Rdn. 70. Blei JA 1975 167; Arzt JZ 1969 54; Roxin Schröder-Gedächtnisschrift S. 146, 165 und JuS 1979 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 20; Schmid ZStW 74 (1962) 54 ff. Jescheck § 49 III 1 ; Rudolphi SK Rdn. 5; J. SchröderS. 88; im Ergebnis scheidet Versuchsbestrafung allerdings aus, weil es an einem unmittelbaren Ansetzen zum Verbringen ins Ausland fehlt, vgl. Jescheck § 49 III 1. BGH 4 StR 595/81 v. 26. 11.81; BGH 1 StR 506/81 v. 29.9.81; BGH 2 StR 85/83 v. 9. 3. 83; BGHSt. 4 256, 258; RG GA 1958 186; RG Recht 14 20, 24; RGSt. 64 250; vgl. auch Lackner LK 9 § 253 Rdn. 25. (40)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

(ζ. Β. sich eine Sache rechtswidrig zuzueignen, § 242), so liegt mangels eines vollständigen Tatentschlusses kein Versuch vor, wenn der Täter keine oder eine andere als die im Gesetz vorausgesetzte Absicht verfolgt (ζ. B. Gebrauchs- anstelle von Zueignungsabsicht) ; glaubt der Täter, einen Anspruch auf die Sache oder Leistung zu haben, so befindet er sich in einem Tatbestandsirrtum, so daß Versuch schon mangels Vorsatzes ausscheidet. Ebensowenig wie der Wegnahmevorsatz des § 242 muß die Zueignungsabsicht von vornherein auf bestimmte Sachen gerichtet sein (Sch.-Schröder-Eser § 242 Rdn. 60 mit weit. Nachw.). 2. Objektiver Tatbestand. Als objektives Merkmal setzt der Versuch voraus, daß 23 der Täter zur Verwirklichung des Tatbestandes „unmittelbar ansetzt". Der Tatentschluß muß in Handlungen umgesetzt werden, die einen Beginn der Ausführung des Delikts darstellen. Das zentrale Problem der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch besteht darin festzulegen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine versuchsbegründende Ausführungshandlung und damit ein unmittelbares Ansetzen bejahen zu können. Die jetzige Gesetzesfassung, die ein subjektives Kriterium (Vorstellung des Täters von der Tat) mit einem objektiven Merkmal (unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes) kombiniert, steht am Ende einer langen Auseinandersetzung zwischen objektiven und subjektiven Abgrenzungsversuchen. a) Den Ausgangspunkt in der dogmengeschichtlichen Entwicklung bildet die 24 formell objektive Theorie. Nach ihr liegt ein Versuch erst dann vor, wenn der Täter mit der im Gesetz beschriebenen tatbestandsmäßigen Handlung begonnen hat. Mindestens ein Teilstück derjenigen Handlung muß verwirklicht sein, „die logisch bereits als tatbestandsmäßig unter den Deliktstatbestand" fällt (v. Hippel II S. 398), die „durch das im Tatbestand der einzelnen Verbrechen verwendete, den Erfolg in sich schließende Tätigkeitswort" erfaßt wird (vgl. Liszt-Schmidtw^5 S. 182, 305). Zum versuchten Betrug würde danach gehören, daß wenigstens eine auf Täuschung gerichtete Handlung vorgenommen worden ist (RGSt. 70 151, 157). In ihrer Ausrichtung auf die in den einzelnen Tatbeständen umschriebenen Handlungen wird die objektive Theorie den rechtsstaatlichen Erfordernissen des nullum-crimen-Satzes am ehesten gerecht (vgl. Stratenwerth Rdn. 666). Den kriminalpolitischen Bedürfnissen genügt sie dagegen nicht, weil der Bereich der (noch) straflosen Vorbereitung zu weit auf Kosten des (schon) strafbaren Versuchs ausgedehnt wird; Handlungen, die schon eine strafwürdige Betätigung des deliktischen Willens darstellen, müßten lediglich aus dem Grunde straffrei bleiben, weil sie noch nicht ein Teilstück der im Tatbestand beschriebenen Handlung darstellen. Durch die Fassung des § 22, nach der auch schon nichttatbestandliche, erst zur Verwirklichung des Deliktstatbestandes ansetzende Handlungen als Versuch strafbar sein können, ist der formell-objektiven Theorie die gesetzliche Grundlage entzogen (Jescheck § 49 IV 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26). In ihrem rechtsstaatlichen Gehalt, nämlich dem Abheben auf die Umschreibung des deliktischen Verhaltens im jeweiligen Tatbestand als Bezugspunkt der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch hat die objektive Theorie jedoch durch die Formulierung „zur Verwirklichung des Tatbestands" in § 22 auch im geltenden Recht ihren Niederschlag gefunden (vgl. Rudolphi SK Rdn. 9; Stratenwerth Rdn. 670). Von einem objektiven Standpunkt aus versucht auch die materiell-objektive 25 Theorie, die in unterschiedlichen Spielarten vertreten wird (vgl. hierzu Mezger3 § 52 III), die Kriterien für den Beginn der Tatbestandsverwirklichung genauer zu (41)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

umschreiben (ihre Ergänzungsposition zur sog. formell-objektiven Theorie betont Stratenwerth Rdn. 669). Nach der Frank'schen Formel wird das tatbestandliche Vorfeld insofern mit abgedeckt, als zum Anfang der Ausführung schon alle Tätigkeitsakte zu rechnen sind, „die vermöge ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tatbestandshandlung für die natürliche Auffassung als deren Bestandteil erscheinen" (Frank § 43 Anm. II 2 b). Das materielle Element dieser Begriffsbestimmung liegt darin, daß in der Bezugnahme auf die natürliche Auffassung Wertungsgesichtspunkte anklingen, die über die formalgesetzliche Grundlage hinausgehen. In einer anderen Spielart der materiell-objektiven Theorie soll es auf die unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts ankommen. An die Stelle des formellen Tatbestands tritt danach der gefährliche Rechtsgutsangriff als materielles Abgrenzungskriterium (Mezger3 § 52 III). Auf diese Weise wird unter Berücksichtigung von Strafwürdigkeitsgesichtspunkten der Bereich des strafbaren Versuchs in das tatbestandliche Vorfeld vorverlegt. Die materiell-objektiven Theorien tragen der Einsicht Rechnung, daß die Auslegung der formellen Tatbestände in Zweifelsfällen nur mittels materieller Gesichtspunkte erfolgen kann ; ihre Schwäche besteht in dem Mangel eines weiterführenden und allgemein gültigen Abgrenzungskriteriums (zur Kritik vgl. Stratenwerth Rdn. 669 ff). 26

Auf das Vorstellungsbild des Täters vom Anfang der Ausführung stellt die subjektive Theorie ab (vgl. insbes. von Buri GS 19 [1867] 71 ff; 20 [1868] 325 ff; 32 [1880] 357 ff). Danach soll der Wille des Täters darüber entscheiden, ob ein Anfang der Ausführung vorliegt. Durch die Vernachlässigung objektiver Kriterien hat die subjektive Theorie zu einer bedenklichen Ausuferung der Versuchsstrafbarkeit in der Rechtsprechung geführt 1 5 . Zwar hat die Rspr. mit der Betätigung des verbrecherischen Willens immer zugleich eine irgendwie geartete objektiv sichtbare Realisierung der Tätervorstellung gefordert, so daß der Vorwurf eines Gesinnungsstrafrechts unbegründet ist; sie hat an diese Voraussetzungen jedoch nicht selten so geringe Anforderungen gestellt, daß dies letztlich „auf eine Preisgabe objektiver Elemente hinauslief (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 a; vgl. auch Baumann §32111). Eine rein subjektive Theorie ist heute nicht mehr haltbar, nachdem das Gesetz in § 22 das objektive Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Tatbestandes verlangt (Jescheck § 49 II 2).

27

Schon vor der Neufassung des § 22 hatte sich unter Einebnung der gegensätzlichen objektiven und subjektiven Theorien in der Lit. und zunehmend auch in der Rspr. eine vermittelnde Auffassung aus den Elementen beider Theorien durchgesetzt. Nach dieser sog. individuell-objektiven Theorie liegt eine Ausführungshandlung vor, wenn der verbrecherische Wille in einer Handlung zutage getreten ist, die nach dem gesamten Plan des Täters unmittelbar zur Gefährdung des Schutzobjektes des jeweiligen Tatbestandes führt oder nach der Vorstellung des Täters führen soll (vgl. Busch LK 9 § 43 Rdn. 13 mit zahlreichen Nachweisen aus Rspr. und Lit.). Die zwischen objektiven und subjektiven Kriterien vermittelnde Tendenz dieser Theorie läßt es müßig erscheinen, nachträglich anhand der zahlreichen Gerichtsentscheidungen der einen oder anderen Auffassung ein Übergewicht beimessen zu

15

Vgl. RGSt. 72, 66: fingierter Einbruchsdiebstahl als versuchter Versicherungsbetrug; weitere Beispiele bei Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 b. (42)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

wollen 1 6 . Allenfalls gewisse Entwicklungslinien lassen sich aufzeigen: Die preußische Praxis vertrat unter Führung des Obertribunals den objektiven Standpunkt. Das RG entschied sich unter dem bestimmenden Einfluß von Buri's für die subjektive Versuchstheorie, die Lehre von der Gefährlichkeit des Täters 1 7 . Die Rspr. des BGH ist gelegentlich (vgl. die 8. Aufl.) dahin charakterisiert worden, d a ß sie keine feste Linie verfolge und noch nicht als feste G r ö ß e behandelt werden könne. In der Tat bringen die Entscheidungen teils objektive und subjektive Formen nebeneinander, teils nur objektive oder nur subjektive Wendungen, und manche Urteile erklären beide nebeneinander für verbindlich. Die Unklarheiten der Rechtsprechung des BGH (wie auch des RG, die ebenfalls 28 nicht einheitlich war; vgl. die Zusammenstellung unten Rdn. 132) lösen sich jedoch häufig bei Berücksichtigung des abgeurteilten Sachverhalts, der ein Eingehen auf die Erfordernisse der subjektiven Lehre mitunter erübrigte, weil schon nach der engen objektiven Auffassung ein Anfang der Ausführung vorlag. Die Gerichte neigen dazu, objektive Merkmale, wie ζ. B. die Gefährdung des angegriffenen Rechtsguts oder des Handlungsobjekts, wenn die zu beurteilende Handlung sie aufweist, für die Begründung heranzuziehen, sei es neben dem Täterplan, sei es in Verbindung mit ihm, sei es als einzigen tragenden G r u n d . Allgemein läßt sich sagen, daß die Urteile des BGH schon vor der Neufassung der Versuchsvorschriften im Sinne der individuell-objektiven Theorie überwiegend vom Täterplan ausgingen und die Entscheidung davon abhängig machten, ob nach diesem Plan das Verhalten des Täters in seinem unmittelbaren Fortgang zu einer Gefährdung des angegriffenen Handlungsobjekts führte oder nach der Vorstellung des Täters führen sollte. b) Die Neufassung des § 22 folgt im wesentlichen dieser individuell-objektiven 29 Theorie. Auf der einen Seite wird der subjektive Ausgangspunkt durch die Bezugnahme auf die „Vorstellung von der Tat" betont, zum anderen aber auch den Auswüchsen der subjektiven Theorie durch die Ansatzformel (die auf Welzel § 24 III zurückgeht) eine Absage erteilt (Roxin JuS 1973 329). Zugleich sollte mit der Betonung des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung der Gefahr einer zu weiten Ausdehnung des Versuchsbereichs durch bloßes Abstellen auf den Gefährdungsgedanken, der auch auf bloße Vorbereitungshandlungen zutreffen kann, entgegengewirkt werden (Begr. zu § 26 E 1962, S. 144; Prot. V S. 1746 f)· Der Versuchsbereich sollte „hart an die Grenze der Tatbestandshandlung herangerückt" werden (Roxin Einführung S. 15 f)· Deshalb stimmt die Rspr. aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 22 (vgl. die Übersicht unten Rdn. 132) häufig nicht mit der neuen Rechtslage überein (Lackner Anm. 1 b) und hat daher für das geltende Recht nur bedingte Aussagekraft (vgl. auch unten Rdn. 68 ff). Im Gegensatz zu § 26 Abs. 1 E 1962 enthält § 22 keine Definition des Versuchs- 3 0 begriffs, sondern nur eine Formel für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, die nicht mehr als eine Leitlinie für die Lösung dieses Abgrenzungsproblems bietet (vgl. Roxin Einführung S. 15 f; Kühl JuS 1980 121). Das Hauptproblem besteht deshalb in der Konkretisierung des Begriffs des „unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung". Von seiner Lösung wird 16

17

(43)

Vgl. die Zusammenstellung der Rechtspr. des BGH nach subjektiv bzw. objektiv gerichteten Entscheidungen bei Busch LK9 § 43 Rdn. 16, 17. RGSt. 1 439; 8 198; 17 158; 42 92; 50 35; 55 138; 56 316; 60 209, 215; 61 104, 109; 64 130, 132 und ganz extrem 52 184; andererseits RGSt. 68 340: objektive Gefährlichkeitstheorie.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

es abhängen, ob die Neufassung den erhofften Gewinn an Rechtssicherheit {Roxin JuS 1973 329) in der Praxis bringen wird. Wenn bisher dieser Eindruck sich nur schwer einzustellen vermag, dann liegt das u. a. an dem Zuschnitt der Ansatzformel im wesentlichen auf den unbeendeten Versuch eines einzelnen Begehungstäters im Kernstrafrecht. Dadurch bleiben zahlreiche Sonderprobleme ausgespart, die bei der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Falle der Mittäterschaft (unten Rdn. 88 ff), der mittelbaren Täterschaft (unten Rdn. 96 ff), bei Unterlassungen (unten Rdn. 109 ff), beim beendeten Versuch (unten Rdn. 71 ff) und im Nebenstrafrecht (unten Rdn. 123 ff) auftreten (Meyer ZStW 87 [1975] 605; Roxin JuS 1973 329). Es empfiehlt sich daher, diese Sonderfälle, auf die die Ansatzformel nicht zugeschnitten ist, zunächst außer Betracht zu lassen und die Erläuterungen auf den unbeendeten Versuch des Einzeltäters zu beschränken. 31

aa) Ob an objektiven Bewertungsmaßstäben gemessen, ein Versuchsbeginn vorliegt, läßt sich nur auf der subjektiven Grundlage der Tätervorstellung entscheiden. Die konkrete Vorstellung des Täters von der Tat bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob ein unmittelbares Ansetzen i. S. von § 22 vorliegt. Subjektive Beurteilungsgrundlage und objektiver Beurteilungsmaßstab sind streng zu trennen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Täter selbst das Tatgeschehen als Vorbereitungsoder Ausführungshandlung einschätzt, sondern ausschließlich darauf, ob aufgrund des vom Täter vorgestellten Tatbildes nach objektiven Kriterien schon ein Versuch anzunehmen ist 18 . Zumindest mißverständlich ist daher die Kennzeichnung der gesetzlichen Regelung als Verknüpfung subjektiver und objektiver Abgrenzungskriterien (BGH bei Holtz M D R 1980 271), weil dadurch der falsche Eindruck erweckt wird, der Tatplan sei nicht nur BeurteilungsgnW/age, sondern stelle auch ein (subjektives) Abgrenzungskriterium dar (Kühl JuS 1980 813; zur Vermengung der objektiven Maßstäbe mit subjektiven Kriterien vgl. oben Rdn. 7).

32

Die Notwendigkeit einer subjektiven Beurteilungsgrundlage ergibt sich aus der Mehrdeutigkeit objektiver Verhaltensweisen (Baumann § 33 IV 2), zumal die objektive Äußerung der auf die Deliktsbegehung gerichteten Willensbetätigung beim Versuch notwendigerweise fragmentarischen Charakter hat. Erst der konkrete Tatplan ermöglicht die Einschätzung der Täterhandlung als Versuchs- oder Vorbereitungshandlung, weil nur aus ihm ersichtlich wird, wie die geplante Tat im einzelnen ablaufen soll und welche Bedeutung der Täterhandlung im geplanten Geschehensablauf zukommt 1 9 . Der Tatplan i. S. der Tätervorstellung über den konkreten Tatablauf umfaßt daher mehr als den Tatentschluß. Der Täter kann den Entschluß zur Tat schon zu einer Zeit fassen, in der er sich über die einzelnen Tatmodalitäten noch nicht im klaren ist.

33

Die Vorstellung des Täters von der Tat als Beurteilungsgrundlage gewinnt besondere Bedeutung in den Fällen, in denen seine Vorstellung und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Beispiele dafür bilden die sog. Auflauerungsfälle (BGHSt. 26 201; BGH 4 StR 117/76 vom 29. 4. 1976; BGH 1 StR 762/75 vom 9. 12. 1975), in denen das vom Täter erwartete Erscheinen des Tatopfers ausbleibt. Mit Rücksicht 18

19

Vgl. Baumann § 33 IV 2 a; Blei JA 1975 96; Bockelmann AT § 27 III 2; Dreher-Tröndle Rdn. 9; Kühl JuS 1980 813 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 34; zur Rspr. vgl. BGHSt. 2 380, 381; 6 98, 99; 7 292; 9 62, 64; 19 351; 20 150. Zu den Konsequenzen, die sich aus den unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten des Lichthupenzeichens im Fall BGH bei Holtz M D R 1977 807 fergeben vgl. Kühl JuS 1980 814. (44)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

auf die Maßgeblichkeit der subjektiven Beurteilungsgrundlage schließt die fehlende „Gegenwärtigkeit des Opfers" {Blei JA 1976 315 gegen Otto NJW 1976 579; vgl. auch Rudolphi SK Rdn. 15) die Annahme eines Versuchs nicht aus, vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob von der Erwartung des Täters ausgehend nach seinen sonstigen Vorstellungen die objektiven Kriterien für den Versuchsbeginn erfüllt sind. Die objektive Gefährlichkeit (zur Eignung des Gefahrkriteriums zur Konkretisierung der Ansatzformel vgl. unten Rdn. 54 ff) der Tat für das Tatopfer bzw. Tatobjekt scheidet mit der Anerkennung der Tätervorstellung als Beurteilungsgrundlage als Abgrenzungskriterium aus 20 . Auch für die Lösung der sog. Alternativfälle kommt es entscheidend auf die Vorstellung des Täters an. Das Bedrohen mit einer Pistole kann als Raubmittel Anfang der Ausführung nach § 249, im Hinblick auf ein Tötungsdelikt dagegen bloße Vorbereitungshandlung sein (vgl. dazu unten Rdn. 87). Nach der Ansatzformel braucht der Täter zwar mit der eigentlichen Tatbestands- 34 ausführung noch nicht begonnen zu haben, aber seine Handlung muß doch unmittelbar an die Verwirklichung des in Aussicht genommenen Tatbestands heranreichen. Den Punkt festzustellen, an dem ein Handlungsgeschehen sich soweit der Tatbestandsverwirklichung angenähert hat, daß die Grenzlinie zwischen Vorbereitung und Versuch überschritten ist, gelten die Bemühungen um eine Konkretisierung der Ansatzformel. Mangels einer „Strukturgrenze", wie sie zwischen unbeendetem und beendetem Versuch besteht 21 , und der Vielgestaltigkeit der Realität (Roxin JuS 1979 4) kann § 22 dafür nur eine Richtlinie geben. Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Täter das Tatmittel zur unmittel- 35 baren Verwirklichung des Erfolgs angewendet und somit ein Handlungsmerkmal des Tatbestandes schon ganz oder teilweise verwirklicht hat (zum Sonderproblem des beendeten Versuchs vgl. unten Rdn. 71 ff), ζ. B. Abgabe von Schreckschüssen zur Nötigung (Busch LK 9 § 43 Rdn. 33 a), Täuschung beim Betrug (BGH GA 1956 355; RGSt. 70 151), Gewaltanwendung beim Raub (RGSt. 69 327) oder Herstellung eines falschen Führerscheins bei der Urkundenfälschung, wenn nur noch die Eintragung des Berechtigten fehlt (BGH bei Holtz MDR 1978 625). In diesen Fällen liegt zweifelsfrei eine Versuchshandlung vor (vgl. ferner RGSt. 42 266, 278 ; 43 332 f; 45 282, 285; 53 336, 339; 54 35 f)· Das Dogma vom Versuchsbeginn bei Teilverwirklichung des Tatbestandes ist 35a neuestens in Frage gestellt worden (vgl. Burkhardt Vorspiegelung von Tatsachen als Vorbereitungshandlung zum Betrug — OLG Karlsruhe NJW 1982 59, JuS 1983 426 ff)· Anlaß dazu waren (außer dem Sonderproblem des beendeten Versuchs, vgl. dazu unten Rdn. 71 ff) Entscheidungen des BGH (BGHSt. 31 178) und des OLG Karlsruhe NJW 1982 59). 20 BGHSt. 26 201, 203; in diesem Sinne auch BGH 4 StR 117/76 vom 29. 4. 1976, wo ausdrücklich festgestellt wird, daß es nicht darauf ankomme, ob das vorgesehene Opfer objektiv schon unmittelbar gefährdet war; ebenso BGH GA 1980 25, wonach es ohne Bedeutung sei, daß es nicht mehr zu einer objektiven unmittelbaren Gefährdung des Tatopfers gekommen sei; ebenso Blei JA 1976 313; Roxin JuS 1979 6; Sch.-Schröder-Eser — Rdn. 42; a. A. Rudolphi SK Rdn. 15; Gössel JR 1976 249; Otto NJW 1976 579 und JA 1980 643. 21 Vgl. Armin Kaufmann ZStW80 (1968) 52; ferner Gallas Niederschriften 2 S. 195, sowie Stratenwerth Schweiz. Juristentags-Festgabe S. 264. (45)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Die Entscheidung des BGH betrifft den Sonderfall eines Betrugs gegenüber einem Makler. Mit Rücksicht auf § 652 Abs. 1 BGB liegt ein Vermögensschaden des Maklers erst dann vor, wenn durch das wirksame Zustandekommen des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäfts der Vergütungsanspruch gegen den Auftraggeber erworben ist und sich dieser Anspruch als „minderwertig" erweist. Täuscht der Auftraggeber die Bereitschaft zur Zahlung des Maklerlohns nur vor, um sich die Leistung des Maklers ohne Entlohnung zu verschaffen, so liegt darin im Hinblick auf die Besonderheit des § 652 BGB noch keine tatbestandsrelevante Täuschung, weil es im freien Belieben des Auftraggebers steht, ob er das vom Makler nachgewiesene oder vermittelte Geschäft abschließen will. Bis zu seiner Entschließung ist ein Anspruch auf Maklerlohn noch gar nicht entstanden (also auch kein „minderwertiger" Anspruch). Die tatbestandsspezifische (vgl. dazu näher unten Rdn. 59 f) Täuschung des Maklers liegt im Abschluß des (vermittelten oder nachgewiesenen) Geschäfts. Damit erklärt der Auftraggeber konkludent seine Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit. Zur Verwirklichung des vollen Betrugstatbestandes gegenüber dem Makler setzt somit der Auftraggeber unmittelbar erst an, wenn er mit dem die Vergütungspflicht auslösenden Verhalten beginnt, d. h. wenn er Handlungen vornimmt, die unmittelbar zum Abschluß des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäfts führen. Die Täuschung über die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit beim Abschluß des Maklervertrages soll die tatbestandsspezifische Täuschung nur vorbereiten, weil der Makler ohne eine solche Erklärung die Gelegenheit zum Geschäftsabschluß weder nachweist noch vermittelt. Mangels Teilverwirklichung des Tatbestandes vor Abschluß des Geschäfts ist die Entscheidung daher kein Beleg für die Durchbrechung oder notwendige Modifizierung der Binsenwahrheit, daß mit der Teilverwirklichung des Tatbestands die Schwelle zum Versuch in jedem Fall überschritten ist. Erkennt man die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch als ein Problem der Tatbestandsauslegung (und nicht bloß als eine Frage des Sprachgebrauchs, vgl. dazu die Kritik von Stratenwerth Rdn. 667 f an der Formulierung von Busch in der Vorauflage § 43 Rdn. 43), dann bedarf es nicht (vgl. näher unten Rdn. 58 ff) fragwürdiger Hilfskriterien wie der „Entlassung aus dem Herrschaftsbereich", eines „engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Täterhandlung und Erfolgseintritt" oder „der Berührung von Täter- und Opfersphäre". Im Ergebnis ist der Entscheidung des BGH daher zuzustimmen, die Begründung ist allerdings verfehlt, weil der BGH für die Frage, ob der Täter zu der „entscheidenden" Rechtsverletzung angesetzt hat oder ob er sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, auf die Vorstellung des Täters über das „unmittelbare Einmünden" seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung abstellt (zur verfehlten Subjektivierung der Ansatzformel vgl. oben Rdn. 7, 31 und unten Rdn. 43) und zu der unhaltbaren Feststellung kommt, daß das unmittelbare Ansetzen i. S. des § 22 ausnahmsweise fehlen könne, obwohl der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vorgenommen habe. Völlig eindeutige Ergebnisse liefert die Ansatzformel auch im Fall des OLG Karlsruhe (NJW 1982 59), in dem die Angeklagte mittels Täuschungshandlungen das Opfer zur Gewährung eines Darlehens bewegen wollte. Um sich das Vertrauen des Opfers zu erschleichen, spiegelte die Angeklagte ihm vor, daß sie verwandt seien oder sich kennen würden. Da die Täuschungshandlung bei § 263 auf eine vermögensschädigende Verfügung des Getäuschten gerichtet sein muß, ist eine zunächst nur auf Schaffung eines Vertrauensverhältnisses gerichtete Täuschungshandlung nicht tatbestandsspezifisch. § 263 stellt nicht die Vertrauenserschleichung (45 a)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

unter Strafe, wenn sie auch für eine spätere tatbestandsspezifische Täuschungshandlung kausal sein mag (daß die Beschaffung des Tatwerkzeugs für die Tatausführung kausal ist, läßt sich ebensowenig bestreiten, wie sich daraus ein Argument für den Versuchsbeginn der Tat ableiten läßt; das verkennt die Fragestellung von Burkhardt JuS 1983 427). Die Vorspiegelung, verwandt zu sein, wird für einen Betrug erst in Verbindung mit anderen, auf eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung gerichteten Täuschungshandlungen bedeutsam. Die Vorspiegelung des Verwandtschaftsverhältnisses soll die tatbestandsspezifische Täuschungshandlung vorbereiten und wirksamer gestalten. Erst in dem Ansetzen zu einer auf eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung gerichteten Täuschungshandlung liegt der Beginn des Betrugsversuchs (im Ergebnis richtig daher auch die bei Burkhardt angeführte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, BayObLGSt. 9 65, aus dem Jahre 1908: Der Vergütungsanspruch sollte nach der getroffenen Absprache mit dem Einreichen eines Gnadengesuchs entstehen. Noch bevor der Täter die vollzogene Einreichung und das Entstehen eines Vergütungsanspruchs vortäuschen konnte, wurde er gefaßt. Die bis dahin vorgetäuschten Maßnahmen sollten die tatbestandsspezifische Täuschung nur glaubwürdiger machen und vorbereiten). Die Zweifel am Dogma vom Versuchsbeginn bei Teilverwirklichung des Tatbestands sind unbegründet, wenn auf eine tatbestandsspezifische Ausführungshandlung abgestellt wird (zum Scheinproblem des beendeten Versuchs vgl. unten Rdn. 71 ff). Auch die anderen von Burkhardt (JuS 1983 428) zum Beweis des Gegenteils angeführten Beispiele können nicht überzeugen. Daß der Meineidsversuch beim Nacheid erst mit dem Sprechen der Eidesformel und nicht schon mit der falschen Aussage beginnt, erklärt sich zwanglos daraus, daß das Sprechen der Eidesformel für den Meineid nach § 154 die tatbestandsspezifische Ausführungshandlung ist. Die uneidliche falsche Aussage wird nach § 153 bestraft, für den § 154 spezifisch ist das Beschwören der Falschaussage als die Handlung, die durch den dem Tatbestand immanenten Verbotssinn (sprachlich und sachlich) erfaßt wird. Zum Versuchsbeginn bei qualifizierten Delikten vgl. unten Rdn. 77 ff. Auch aus dem Hinweis auf § 249 als mehraktigem Delikt aus Diebstahl und Nötigung läßt sich kein Argument gegen den Versuchsbeginn bei Teilverwirklichung des Tatbestandes ableiten. Ob mit der Nötigungshandlung im Einzelfall ein Raubversuch vorliegt, hängt nicht von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen beiden ab, sondern beurteilt sich entsprechend der gegenseitigen Bindung von Nötigung und Diebstahl danach, ob die Nötigungshandlung selbst schon einen Angriff auf die Gewahrsamslage darstellt oder den Angriff in Form einer gewaltlosen Wegnahme nur vorbereiten soll. Im zuletzt genannten Fall ist die Gewaltanwendung für die beabsichtigte Wegnahme nicht i. S. des Raubtatbestandes spezifisch und stellt daher noch keinen Versuchsbeginn nach § 249 dar (vgl. dazu näher unten Rdn. 52, 84). Es bleibt also dabei: Hat der Täter ein Merkmal des Tatbestands verwirklicht, liegt immer eine Versuchstat vor (OLG Bamberg NStZ 1982 247). Mit Handlungen, die sich noch im Vorfeld der eigentlichen Tatbestandsverwirk- 36 lichung halten, setzt der Täter nach h. M. dann zur Tat an, wenn er die Angriffsmittel in tätige Beziehung zum Tatobjekt setzt 22 . Verkürzend wird deshalb auch von der „Unmittelbarkeit des Angriffs" gesprochen (Lackner Anm. 1 b). Mehr als eine Klarstellung, daß das Herstellen einer bloß gedanklichen Beziehung zum fremden 22

Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 3 c unter Bezugnahme auf BGH 4 StR 47/61 vom 14. 4. 1961; Becher S. 14 Anm. 5; Kühl JuS 1980 812.

(45 b)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Rechtskreis für den Versuchsbeginn nicht ausreicht (Stratenwerth Rdn. 670), ist damit nicht gewonnen. Der BGH verlangt eine räumlich-zeitliche Unmittelbarkeit. Danach setzt der Täter zur unmittelbaren Verwirklichung des Tatbestandes an, „wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung einmünden". Das Versuchsstadium soll sich dementsprechend auf Handlungen erstrecken, die im ungestörten Fortgang ohne weiteres (unmittelbar, ohne Zwischenakte) zur Tatbestandserfüllung führen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen und mit der Tathandlung im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden 23 . Dies sei dann der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreite und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetze 24 , so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht 25 . 37

Der BGH knüpft damit an einen objektiven Bewertungsmaßstab an, der schon in der Rechtsprechung zum § 43 Abs. 1 StGB a. F. und in der Lit. entwickelt worden war. Schon die frühere Rechtsprechung hatte das Versuchsstadium auf Handlungen erstreckt, die „im ungestörten Fortgang unmittelbar" zur Tatbestandserfüllung führen sollten 26 oder den Versuch mit Handlungen beginnen lassen, die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandsverwirklichung standen (BGHSt. 22 80, 82; BGH bei Daliinger MDR 1973 728). Nach ähnlichen Formulierungen in der Lit. sollte in den Bereich des Versuchs ein noch nicht tatbestandsmäßiges Verhalten einbezogen werden, wenn es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals „unmittelbar vorgelagert" war (vgl. Busch LK 9 § 43 Rdn. 68 ; Dreher35 Anm. 5 C), in die tatbestandliche Ausführungshandlung unmittelbar „einmündete" (Rudolphi SK Rdn. 9). Der BGH glaubte deshalb in der ersten Entscheidung zur Neufassung des § 22 darauf verweisen zu können, daß die Rspr. schon unter der Geltung des § 43 Abs. 1 StGB a. F. vielfach, wenn auch nicht ausschließlich, die „subjektive Lehre mit objektivem Einschlag" (vgl. Busch LK 9 § 43 Rdn. 14), die „individuell-objektive Theorie" (Rudolphi SK Rdn. 11, Welzel §24 1113), die andere als (subjektiv-objektiv) gemischte Methode bezeichnen (Dreher 35 Anm. 5), vertreten habe 27 .

38

Daran ist so viel richtig, daß sich an der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch nach einem objektiven Bewertungsmaßstab auf subjektiver, im konkreten Tatvorsatz zu findender Beurteilungsgrundlage (Dreher 35 Anm. 5 A; Lackner9 Anm. 1 b) nichts geändert hat. Dennoch erscheint die Schlußfolgerung zweifelhaft, die Formulierung des § 43 Abs. 1 StGB a. F. (Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung der Straftat bilden) und des jetzigen § 22 (Handlungen, mit welchen der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt) ließen sich übereinstimmend interpretieren (so BGHSt. 26 201, 23

BGHSt. 26 201, 203 mit krit. Anm.Gössel JR 1976 250; Otto NJW 1976 578; D. Meyer JuS 1977 22; BGHSt. 30 364; BGH GA 1980 24 mit Anm. Borchert JA 1980 254 ff; Kühl JuS 1980 654 811; BGH bei Holtz MDR 1980 272; BGH NJW 1980 1759; BGH NStZ 1981 99; 1982 1601; OLG Karlsruhe NJW 1982 59; BGH 1 StR 237/80 vom 10. 6.1980. 24 BGH 3 StR 108/80 vom 30. 4. 1980; BGHSt. 26 201, 203. 25 BGHSt. 28 162, 163; vgl. ferner BGHSt. 22 80, 82; BGH bei Dallinger MDR 1973 728; BGH GA 1980 24. 2 *> BGH NJW 1952 514f und 1954 567; BGH GA 1953 50; BGH 1 StR 393/59 vom 3.11.1959. 27 BGHSt. 1 115, 116; 16 34, 37; 19 350, 351; 22 80, 82; 24 72, 79. (4«)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

202). Damit wird die Bedeutung der Ansatzformel in § 22 verkürzt. Durch das Unmittelbarkeitserfordernis hat der Gesetzgeber die restriktive Tendenz der Neufassung ausdrücklich klargestellt (Begründung zu E 1962 S. 144; Prot. V 1746 f). Mit dem auf subjektiver Beurteilungsgrundlage zu ermittelnden Kriterium des 39 „unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung" ist in erster Linie eine „Handlungs-Unmittelbarkeit" (Kühl JuS 1980 650) gemeint. Die Unmittelbarkeit des Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung setzt voraus, daß zwischen der zu beurteilenden Handlung und der eigentlichen Tatbestandsausführungshandlung keine weiteren Teilakte mehr liegen. Sind dagegen nach dem Täterplan noch weitere Handlungen vorzunehmen, bevor die tatbestandlich beschriebene Rechtsgutsverletzung einsetzt, so fehlt es an der Unmittelbarkeit des Ansetzens, und es liegt nur eine Vorbereitungshandlung vor. Von dieser sog. Teilaktstheorie, weil auf den letzten Teilakt vor der Tatbestandsausführungshandlung abgestellt wird, geht auch der BGH in einer Reihe von Entscheidungen aus, wenn er feststellt, ein Tun sei dann als Versuch zu beurteilen, wenn es nach der Vorstellung des Täters ohne (weitere) Zwischenakte in die Tatbestandshandlung (Tatbestandserfüllung, Tatbestandsverwirklichung) einmünden (übergehen) solle2**. Maßgebend ist dabei, daß das noch nicht tatbestandsmäßige Verhalten nach dem Gesamtplan des Täters so eng mit der eigentlichen Ausführungshandlung verknüpft ist, daß es ohne wesentliche Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung übergehen kann. Ob man in diesem Zusammenhang vom „letzten Teilakt" oder von der letzten oder „entscheidenden Phase" (Jescheck § 49 IV 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39) spricht, ist angesichts der insoweit bestehenden Übereinstimmung in der Sache, daß als Vorbereitungshandlung nur Geschehnisse in Betracht kommen, „die der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind" (Bockelmann AT § 27 III 2), mehr eine terminologische Frage. Mit der Teilaktstheorie wird eine mittlere Linie beschritten. Einerseits wird nicht 40 eine so unmittelbare Bindung der das Vorbereitungsstadium überschreitenden Handlung an die Tatbestandsausführungshandlung gefordert, daß nur diejenige Tätigkeit in den Versuchsbereich fällt, die nach natürlicher Auffassung schon einen Bestandteil der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung bildet 29 . Andererseits werden Handlungen aus dem Versuchsbereich ausgeschlossen, die auf dem Wege zur Rechtsgutsverletzung noch nicht den kritischen Punkt erreicht haben, in dem ihre Fortführung in die Tatbestandsverwirklichung umschlägt, schon selbst Tatbestandshandlung ist. Deshalb die Teilaktstheorie als „ein wenig zu eng" zu kritisieren (Roxin JuS 1979 4), ist angesichts des gesetzgeberischen Zwecks einer Einengung des Versuchsbereichs nicht begründet (Kühl JuS 1980 651). Das von Roxin (JuS 1979 4) gebildete Beispiel des Attentäters, der den Leibwächter eines Politikers erschießt, um danach den Politiker selbst zu ermorden, überzeugt auch vom Ergebnis ( = schon Mordversuch am Politiker) nicht; in bezug auf den geplanten Mord an dem Politiker liegt in der Tötung des Leibwächters bloß eine Vorbereitungshandlung. Als Schwäche wird der Teilaktstheorie entgegengehalten, den Begriff des „Teil- 41 akts" selbst nicht deutlich genug zu bestimmen, „weil man e'in fließendes Gesche28 BGHSt. 26 201 f; BGHSt. 28 162 f; BGH GA 1980 24; BGH bei Holtz MDR 1977 807; 1980 271 ; 1 StR 762/75 vom 9. 12.1975; 4 StR 117/76 vom 29. 4.1976; 4 StR 404/77 vom 6. 10. 1977. 29 Also nicht nur Handlungen, mit denen die Tatbestandsausführung selbst begonnen wird ; so aber wohl Baumann § 33 IV 2 c; Stratenwerth Rdn. 665; vgl. auch Rdn. 658, 666. (47)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

hen durch beliebige Zäsuren in Teilakte zerlegen kann" (Roxin JuS 1979 4). Der BGH leistet diesem Vorwurf Vorschub, wenn er Zwischenakte „wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung" in den Versuchsbereich einbezieht (BGH NJW 1980 1759). Bemängelt wird an der Teilaktstheorie das Fehlen eines materiellen Kriteriums ; ob der der Tatbestandsverwirklichung vorgelagerte Akt bereits als Versuchshandlung oder noch als bloße Vorbereitung erscheine, lasse sich nicht einfach durch formal-begriffliche Handlungszergliederung bestimmen (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41). In der Tat können auch die Vertreter der Teilaktstheorie ohne wertende Gesichtspunkte bei der Beantwortung der Frage, von wo an „jeder weitere Schritt ins Delikt selbst hineinführt" (StratenwertW Rdn. 708), nicht auskommen. Sie verweisen deshalb auf die natürliche Auffassung, die darüber entscheiden soll, ob die verwirklichte Handlung schon als Bestandteil der eigentlichen Tathandlung erscheint. Mit dieser Formel ist zugegebenermaßen (Rudolphi SK Rdn. 13) aber nur ein „allgemeiner Richtpunkt" für die Lösung der Abgrenzungsfrage im Einzelfall gefunden, der einer weiteren Konkretisierung bedarf. Ein exaktes Abgrenzungskriterium ist damit nicht erreicht. 42

Die durch die Teilaktstheorie beschriebene Handlungsunmittelbarkeit soll deshalb eine zusätzliche Konkretisierung durch das Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammenhangs erfahren, das in dem Wort unmittelbar in § 22 entsprechend dem natürlichen Sprachgebrauch mitenthalten sei (Kühl JuS 1980 811). Die zeitliche Unmittelbarkeit stelle ein „immanentes Kriterium" (Tiedemann JR 1973 412) der Ansatzformel dar. Auch die Rspr. hat den Gedanken der zeitlichen Unmittelbarkeit häufig verwendet, indem sie auf die unmittelbar räumlich-zeitliche Nähe zur Tatbestandsverwirklichung abgehoben hat 30 .

43

Abgesehen davon, daß das Erfordernis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs in einigen Fallkonstellationen versagt 31 , bestehen erhebliche Bedenken gegen die Subjektivierung des Zeitmoments, wie sie insbesondere die Rechtsprechung vorgenommen hat. Danach besteht der geforderte zeitliche Zusammenhang dann, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt 32 . Die prägnante Formulierung geht auf Hall (GS 110, 107) zurück und wird von ihm bezeichnenderweise zur Veranschaulichung des „Grundgedankens der subjektiven Abgrenzung" von Vorbereitung und Versuch verwendet, denn nach einer „echten subjektiven Theorie beginnt der strafbare Versuch in dem Augenblick, in dem nach Ansicht des Täters der Anfang der Ausführung gekommen ist" 33 . 44 Mit der Ansatzformel des § 22, die die Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit nach der subjektiven Theorie verhindern soll, ist die Subjektivierung des unmittel30 BGHSt. 22 80, 82; BGH bei Dallinger M D R 1971 362; M D R 1973 728; M D R 1973 900; BGHSt. 28 162, 163. 31 Ζ. B. bei den Distanzdelikten vgl. Gössel JR 1976 250; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 I Β 4 b, II D 2 a; krit. dazu Blei JA 1976 595 f, der auf einen zeitlich-funktionalen Zusammenhang zwischen (zunächst) letzter und nach dem Tatplan nächster Handlung abhebt. 32 BGHSt. 28 162, 163 unter Bezugnahme auf BGHSt. 26 201, 203 mit weit. Nachw.; sowie BGH 4 StR 117/76 vom 29. 4. 1976 S. 8 und 9; vgl. auch Küper JZ 1979 781, der auf die „eigentliche Entscheidung über das Hier und Jetzt der Tatausführung" abstellt. 33 Die Formulierung hat später Schwalm in der Großen Strafrechtskommission aufgegriffen, Niederschriften 2 S. 189; zu den Konsequenzen für den Vorsatz des Versuchs siehe oben Rdn. 7. (48)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

baren Ansetzens über ein zeitliches Moment unvereinbar. Die subjektive Vorstellung des Täters von der Tat ist nur Grundlage, nicht Maßstab der Beurteilung (siehe oben Rdn. 31). Anderenfalls hinge die Entscheidung, ab wann ein Tun im konkreten Fall die Schwelle zum strafbaren Versuch überschreitet, von einer juristischen Wertung der Handlung durch den Täter selbst ab (Becher S. 20 f), die je nach Kaltblütigkeit des Täters bei äußerlich gleichen Taten ganz unterschiedlich ausfallen könnte (vgl. Burgstaller JurBl. 1976 120; Kühl JuS 1980 811). Aber auch bei objektivem Verständnis bestehen Bedenken, die zeitliche Unmit- 4 5 telbarkeit zum (ergänzenden) Begriffsmerkmal des Versuchs zu erheben. Das gilt erst recht, wenn die zeitliche Unmittelbarkeit nicht die Handlungsunmittelbarkeit nur ergänzen soll, sondern mit der „Berührung zwischen Täter- und Opfersphäre" in Verbindung gebracht wird, weil schon der Bezugspunkt vom Gesetzeswortlaut nicht mehr gedeckt ist. Deshalb erscheint es nicht nur bedenklich, wenn dem zeitlichen Moment in einer Reihe von Fallgestaltungen entscheidende Bedeutung beigelegt wird (vgl. Roxin JuS 1979 5 ff für die Probier-, Schutzminderungs-, Erschwerungs- und Mißbrauchsfälle), sondern auch in der beschränkten Funktion, die Handlungsunmittelbarkeit durch Zusammenfassen mehrerer Teilakte zu einer letzten Zwischenphase zu erweitern oder durch Ausscheiden „retardierender Zwischenphasen" oder bei „Dazwischentreten einer Handlung" zu begrenzen (Kühl JuS 1980 811 0So soll sich im Geldtransport-Fall (BGH bei Holtz M D R 1977 807) beispiels- 4 6 weise ein Versuchsbeginn trotz der noch erforderlichen Zwischenschritte aufgrund der Erwägung bejahen lassen, daß jene Zwischenschritte nach dem Tatplan sinnvollerweise in kürzester Zeit — Sekunden, Minuten — zurückgelegt werden mußten und sollten (Küper JZ 1979 775, 777). Für Versuch des § 176 Abs. 1 soll genügen, wenn der Täter sich auf dem Weg zum Tatort befindet, sofern er sogleich nach der unmittelbar bevorstehenden Ankunft am Tatort mit den sexuellen Handgreiflichkeiten beginnen wollte. Das Fehlen noch ausstehender Teilakte wird überspielt durch Bildung einer „letzten Zwischenphase", nämlich dem Herauslösen des Opfers aus der schützenden Umgebung, die wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs schon einen Versuchsbeginn darstelle 34 . Maßgebend war im konkreten Fall u. a., daß der Täter schon tags zuvor mit der Beeinflussung der Kinder begonnen hatte, so daß mit dem Begeben zum Tatort das weitere Geschehen fast „automatisch" abgelaufen sei. Wegen des großen zeitlichen Abstands zwischen der Verabredung und der Vornahme sexueller Handlungen soll dagegen Versuch ausscheiden, wenn der Täter schon tags zuvor nach seiner Verabredung mit dem Opfer gestellt worden wäre (Kühl JuS 1980 812; vgl. auch Dreher-Tröndle Rdn. 16). Der zeitliche Zusammenhang wird ferner im sog. Nachschlüssel-Fall (OLG Hamm 2 Ss 307/75 ν. 2. 10.1975) zur Versuchsbegründung herangezogen, indem der Täter sich mit einem von ihm beschafften Nachschlüssel in die Nähe eines Autos begab, das er stehlen wollte, sich (zur Vermeidung von Tatspuren) Handschuhe anzog und auf den PKW zuging, dann jedoch auf den Zuruf einer Anwohnerin, die den Vorgang beobachtet hatte, unverrichteterdinge den Tatort verließ. Die noch zu vollziehenden Zwischenschritte (wenige Schritte auf den PKW zuge34

(49)

Zust. Lackner Anm. 1 b aa; Roxin JuS 1979 8; Becher S. 142 f vgl. aber auch Sch.-Schröder-Lenckner § 176 Rdn. 24, der darauf abstellen will, ob die Beeinflussung des Kindes „unterwegs" erfolgt; noch enger Rudolphi JuS 1973 25, wonach es auf den Erfolg der Beeinflussung des Opfers ankommt.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

hen, mit dem Nachschlüssel aufschließen und wegfahren) sollen die Annahme eines Versuchsbeginns nicht hindern, „da sie in kürzester Zeit ohne deutliche Zäsur im Geschehen ausgeführt werden konnten und sollten" 35 . 47 Auch die „Probier-Fälle" (Roxiti JuS 1979 6), mit denen sich die Rechtsprechung häufig zu befassen hatte, werden in diesem Zusammenhang angeführt. Im Fall BGHSt. 22 80 wollte der Angeklagte zwei bestimmte Autos stehlen und hatte zu diesem Zweck an den Vorderrädern gerüttelt, um festzustellen, ob das Lenkrad durch ein Schloß gesperrt war, anderenfalls wollte er sich unmittelbar anschließend des Fahrzeugs bemächtigen 36 . Entscheidend komme es darauf an, ob der Täter nach der Durchführbarkeitsprobe in unmittelbarem Anschluß die Tat habe durchführen wollen, dann läge Versuch vor 37 . 48

Ob das zeitliche Moment die ihm zukommende Funktion befriedigend erfüllen kann, erscheint jedoch zweifelhaft (die konstitutive Bedeutung, die ihm Roxin beimißt, ist durch den anderen Teil der Paraphrasierung der Ansatzformel mit der „Berührung der Sphären" von Täter und Opfer bedingt, die als weiter im Verhältnis zur Ansatzformel um so mehr der Eingrenzung durch ein anderes [zeitliches] Kriterium bedarf)· Zunächst wird damit das Problem der Unmittelbarkeit der Handlung in eine zeitliche Unmittelbarkeit verlagert, ohne dadurch an Bestimmbarkeit zu gewinnen (ist eine Sekunde oder Minute gemeint oder genügen auch noch Stunden?). In Wirklichkeit scheint überhaupt keine zeitliche Maßeinheit gemeint zu sein, die auch nur willkürlich sein könnte, sondern ein zeitlich-funktionaler Zusammenhang (Blei JA 1976 595 f), wie er mit dem Begriff „automatisch" umschrieben wird 38 . Danach wären als Versuchsbeginn solche Handlungen anzusehen, die „automatisch" zur Tatbestandsverwirklichung hinführen. Wann freilich eine solche Automatik anzunehmen ist, bleibt im Dunkeln. Die Unschärfe des Begriffs, die er mit anderen Abgrenzungskriterien teilt, würde seine Verwendung als bloße Interpretationshilfe zwar nicht ausschließen, aber in der Sache auch nicht weiterführen.

49

Bedenken richten sich gegen die mit der zeitlichen Unmittelbarkeit wegen der fehlenden Bindung an die Tatbestandsausführungshandlung verbundene Ausweitung der Handlungsunmittelbarkeit auf der Grundlage der Teilaktstheorie. Beispiele bilden (neben den „Probier-Fällen", vgl. dazu oben Rdn. 47) die sog. „Schutzminderungs-" und „Erschwerungsfälle" (Roxin JuS 1979 6, 7). Ob im Einzelfall schon Versuch oder Vorbereitungshandlung vorliegt, soll davon abhängen, ob die Ausführung des Grundtatbestands sich (zeitlich) unmittelbar an das Ansetzen zur Erfüllung des Schutzminderungs- bzw. Erschwerungsmerkmals anschließen soll. Im Hofhund-Fall (RGSt. 53 217 0 hat das RG Versuch mit der Begründung 35

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Kühl JuS 1980 812; vgl. aber auch BGHSt. 28 162 f: Die bloße Beschaffung eines Nachschlüssels in diebischer Absicht stellt noch kein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes dar. Wegen anderer Beispiele vgl. BGH bei Dallinger MDR 1953 19; OLG Hamm MDR 1953 568; BGH bei Dallinger MDR 1958 12 betreffend Taschendiebstahl. So im Ergebnis Bockelmann AT § 27 III 2 c; Rudolphi JuS 1973 24 und SK Rdn. 16; Roxin JuS 1979 6 entgegen der früheren Ansicht in EJS StrafR AT 1973 Fall 38; a. A. DreherTröndle Rdn. 13; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; Blei AT § 66 I 3 b; Kühl JuS 1980 812, der zutreffend darauf hinweist, daß der Versuchsannahme das Aufbrechen des Fahrzeugs als wesentlicher Schritt entgegenstehe. Zur Bedeutung dieser Fälle hinsichtlich des Handlungswillens vgl. oben Rdn. 17, 19. Kühl JuS 1980 812; die „Automatik des vorgesehenen Tatablaufs" betont auch Küper JZ 1979 780. (50)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

bejaht, daß die Beseitigung des Hindernisses (Wegführen und Anketten des Hofhundes außerhalb des Hofgeländes) in ununterbrochenem Zusammenhang mit der eigentlichen Wegnahme erfolgen sollte 39 . Das Ergebnis ist nach der Ansatzformel nicht haltbar. Das RG geht von der 50 zutreffenden Feststellung aus, daß beim Diebstahlsversuch mit einer zur Wegnahme einer fremden Sache gehörigen Handlung der Anfang gemacht sein müsse, um dann fortzufahren : „Zur Wegnahme, d. h. zum Eingriff in den fremden Gewahrsam, kann aber u. U. schon die bloße Ermöglichung ihrer Ausführung gehören, nämlich dann, wenn ein dem unmittelbaren Zugriff sich entgegenstellendes Hindernis vom Täter beiseitegeschoben wird, um sich in sofortigem Anschluß daran der nunmehr ungeschützten Beute zu bemächtigen ; in solchen Fällen ist die Entfernung des Hindernisses keine bloße Sicherung einer erst künftig zu begehenden Tat, sondern die Überwindung einer mit ihr fest verbundenen Hemmung und mithin ein Bestandteil ihrer Ausführung, wie sie denn auch andererseits den Gewahrsam des zu Bestehlenden an den zur Wegnahme ausersehenen Sachen durch Beseitigung der Schutzvorrichtungen bereits in seiner ungestörten Ausübung beeinträchtigt." Dem wäre zuzustimmen, wenn es sich im konkreten Fall darum gehandelt hätte, ein dem unmittelbaren Zugriff sich entgegenstellendes Hindernis „beiseitezuschieben", oder eine mit der Wegnahme „fest (?) verbundene Hemmung" zu überwinden . Tatsächlich hatte der Täter jedoch nicht den Hund beiseitegeschoben, sondern ihn losgekettet, an eine Schnur gebunden und aus dem Hofgelände hinausgeführt; als er ihn außerhalb des Hofes anbinden wollte, wurde er von einem Dritten beobachtet und angerufen und — als er daraufhin fortlaufen wollte — von diesem festgehalten. Darin liegt nicht die nach der Ansatzformel geforderte Handlungsunmittelbarkeit in bezug auf die Tatbestandsausführungshandlung (differenzierend Sch.-SchröderEser Rdn. 45 ; sofern der Diebstahl aus dem Haus [„Gehöft"] und nicht aus dem Hofraum erfolgen sollte). Das Wegführen des Hofhundes stellt in bezug auf einen Diebstahl aus dem „Gehöft" eine bloße Erleichterung bzw. Sicherung späteren Gewahrsamsbruchs dar, zu dessen Verwirklichung der Täter erst nach seiner Rückkehr und Betreten des Gehöfts ansetzen konnte (zu Fallgruppen typischer Vorbereitungshandlungen vgl. unten Rdn. 67 ff). Die fehlende Bindung an die Tatbestandsausführungshandlung kommt — unter Einbeziehung des Gefährdungsgedankens (siehe dazu unten Rdn. 54 ff) und durch ihn verleitet — in Formulierungen zum Ausdruck, die auf das Ausnutzen der eintretenden Schutzlosigkeit für die Tat abstellen (dazu näher unten Rdn. 61). Dieselben Bedenken richten sich auch gegen die Behandlung der sog. Erschwe- 51 rungsfälle, die strukturell gleichgelagert sind. Auch bei ihnen geht es um die Beseitigung eines Hindernisses auf dem Weg zum Enderfolg, nur mit dem Unterschied, daß der Gesetzgeber die Hindernisbeseitigung bei der Strafrahmenfestsetzung als Erschwerungsgrund ausgestaltet hat, sei es in Form einer Strafzumessungsregel (§ 243) oder eines qualifizierenden Merkmals. Ein sachlogisches Argument für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch läßt sich daraus allein nicht ableiten (Roxin JuS 1979 7). Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch beantwortet 39

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Zust. im Ergebnis Bockelmann AT § 27 III 2 c — anders noch in Strafrechtliche Untersuchungen 1975 148; Dreher-Tröndle Rdn. 13, im Gegensatz zur 38. Aufl. Rdn. 16, wo nur Vorbereitung angenommen wird; Rudolphi SK Rdn. 17; Wessels AT § 14 II 2; Roxin JuS 1979 6, die jeweils auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang abstellen, der mit „alsbald" (Bockelmann) oder den „objektiv kürzesten Zeitraum" (Roxin) zwischen Hindernisbeseitigung und Tatbestandshandlung umschrieben wird.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

sich daher nicht anders als in den Fällen, in denen nicht in das Gesetz aufgenommene Modalitäten vorliegen. Da die zusätzlichen Momente selbst keinen Straftatbestand darstellen, kann (im Gegensatz zu den als eigenständigen Delikten ausgebildeten zusammengesetzten Straftaten siehe unten Rdn. 84) nur die Frage entscheidend sein, ob in der Verwirklichung von Erschwerungs- oder Qualifikationsmerkmalen zugleich schon ein Ansetzen zur Verwirklichung des Grundtatbestandes liegt 40 . Mit dem Hinweis auf den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Verwirklichung von Erschwerungs- oder Qualifikationsmerkmalen und Erfolgsherbeiführung ist dieses Problem nicht befriedigend gelöst. 52 Dem Einwand einer zu weiten Ausdehnung der Handlungsunmittelbarkeit ist das Kriterium eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwar nicht ausgesetzt, wenn es dazu dient, Fälle aus dem Versuchsbereich auszuscheiden, in denen zwischen dem letzten Teilakt und der Verwirklichung des Tatbestands ein größerer Zwischenraum liegt (Teilverwirklichung von zusammengesetzten Straftaten, Einschieben einer „retardierenden Zwischenphase" oder einer anderen Handlung). Aber zu leisten vermag es auch in diesen Fällen nichts. Beispielsweise soll mit Rücksicht auf das zeitliche Moment die Verwirklichung des Nötigungselements bei § 249 nur dann einen Raubversuch darstellen, wenn die Vollendung der Tat unmittelbar anschließend erstrebt wird, während Gewalttaten, die nach dem Täterplan nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Wegnahme stehen, nur Vorbereitungshandlungen darstellen sollen 41 . Wie ein bloß zeitliches Moment das einheitliche Delikt in seine Bestandteile soll aufspalten können, bleibt unerfindlich. Die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall die Gewaltanwendung einen „Umweg" zur gewaltlosen Wegnahme oder Teil einer gewaltsamen Wegnahme darstellt, hängt nicht vom zeitlichen Zusammenhang ab, sondern beurteilt sich entsprechend der gegenseitigen Bindung von Nötigung und Diebstahl im Raubtatbestand danach, ob die Nötigungshandlung selbst schon einen Angriff auf die Gewahrsamslage darstellt oder den Angriff in Form einer gewaltlosen Wegnahme nur vorbereiten soll. Auch wenn der Täter, nachdem er sein Opfer bewußtlos geschlagen hat, aus bestimmten Gründen, etwa weil das zum Abtransport der Beute erwartete Auto noch nicht da ist, mit der Wegnahme noch zuwartet, bleibt die Tat Raub (Baldus LK § 249 Rdn. 11). Andererseits scheidet Raub aus, wenn der Täter das Opfer auf dem Nachhauseweg niederschlägt, um später ungestört aus dessen Wohnung stehlen zu können, weil sich die Gewahrsamslage durch das Niederschlagen noch nicht geändert hat. Auch wenn der Täter das Opfer in seinem Büro einschließt, um anschließend unbehelligt dessen Wohnung ausräumen zu können, liegt im Einsperren noch kein Beginn eines Raubversuchs, sondern der Raubversuch beginnt erst mit dem Ansetzen zur Wegnahme (die Gewaltanwendung durch Freiheitsberaubung als Dauerdelikt wirkt fort). 53 In einer Fallgruppe, die als Beleg für die Bedeutung des zeitlichen Moments als Abgrenzungskriterium dient, schiebt der Täter seinem Tatplan entsprechend nach Einleitung des Geschehens noch eine andere Handlung ein, bevor er die Tathand40

41

H. M. Arzt JuS 1972 578; Baumann AT § 33 IV 1 a; Blei} A 1969 613; Jescheck § 49 IV 4; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58; Rudolphi SK Rdn. 18; Stratenwerth Rdn. 668; S tree in Festschrift für Peters 1974 S. 179 ff; Wessels in Festschrift für Maurach 1972 S. 305 und AT § 14 II 2; a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 21; zur Frage des Versuchsbeginns bei Regelbeispielen und qualifizierten Tatbeständen vgl. im einzelnen unten Rdn. 77 ff. Sch.-Schröder-Eser § 249 Rdn. 10; zu den Folgerungen für Konkurrenzfragen zwischen Gewaltanwendungs- und Wegnahmedelikten Rdn. 16; Samson SK § 249 Rdn. 28, 32, 33. (52)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

lung weiterverfolgt. Der Täter verschafft sich ζ. B. Zugang zu der Wohnung des zu beraubenden Tatopfers; nach dem Tatplan wollte er aber zunächst mit dem Opfer zechen, um dann bei passender Gelegenheit über ihn herzufallen 42 . Hier soll deshalb nur eine Vorbereitungshandlung vorliegen, weil es an dem „engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Täterhandlung und erwartetem Erfolgseintritt fehlt, der sich etwa durch die Worte jetzt geht es los' kennzeichnen" lasse (Roxin JuS 1979 4 f). Indessen ist das Abstellen auf einen zeitlichen Zusammenhang hier nicht mehr als eine Korrektur für eine zu weite Auslegung der Ansatzformel (bei Roxin aufgrund des Kriteriums „Berührung der Sphären"). Das Betreten der Wohnung stellt nach dem vom Täter geplanten Geschehensablauf noch kein Ansetzen zu einer Nötigungshandlung dar, ebensowenig wie bei einem auf Betrug gerichteten Tatplan in diesem Stadium ein Anfang der Täuschungshandlung angenommen werden könnte. Für diese Einsicht bedarf es keines Rückgriffs auf ein zeitliches Moment. Dem Vorwurf einer rein formalen Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch 54 durch das räumlich-zeitliche Nähekriterium will eine weitverbreitete Meinung dadurch begegnen, daß maßgeblich auf den Gefährdungsgedanken abgestellt wird. Bei der Konkretisierung der Ansatzformel sei nicht rein formal auf den letzten, der Tatbestandshandlung vorgelagerten Handlungsschritt abzustellen, sondern material danach zu fragen, ob nach dem Täterplan bereits eine Situation eingetreten sei, in der aus seiner Sicht das betroffene Rechtsgut bereits unmittelbar gefährdet erscheine 43 . Zwar hat der BGH die Bedeutung der Begriffsbestimmung des § 22 n. F. — wenn auch nicht in erster Linie, so doch auch — in der Nichterwähnung des Gedankens der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Rechtsguts gesehen (BGHSt. 26 201, 203), in anderen Entscheidungen hat er dagegen offengelassen, ob dieser Gesichtspunkt nach neuem Recht maßgebend sei (1 StR 276/78 vom 25. 7.1978) oder aber sogar dieses Kriterium unter Bezugnahme auf eine frühere nichtveröffentlichte Entscheidung (3 StR 356/53 vom 22.10. 1953) in die Prüfung miteinbezogen (BGH bei Holtz MDR 1978 625 f)· In der Rspr. der Oberlandesgerichte wird das Gefährdungskriterium ebenfalls häufig verwendet 44 . Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Neufassung des § 22, wonach eine Änderung im Hinblick auf das in der Rspr. zu § 43 a. F. bevorzugte Gefährdungskriterium mit der Entscheidung für die Ansatzformel nicht beabsichtigt worden sei 45 . Gegen die Heranziehung des Gefährdungsgedankens sind allerdings gewichtige 55 Einwände erhoben worden. Da die Gefährdung des Rechtsguts schon mit der ersten Vorbereitungshandlung einsetze und bis zur Vollendung einer kontinuierlichen quantitativen Steigerung unterliege, sei die Gefährdung als Abgrenzungskriterium zu unbestimmt 46 . Es bedürfe deshalb einschränkender Zusätze, um das Kriterium brauchbar zu machen, indem eine „unmittelbare" oder „ernsthafte" Gefährdung verlangt werde. Ein exakter Maßstab sei damit aber nicht gefunden. Das gelte um 42

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46

(53)

Vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen KG G A 1971 54 und den von Kühl gebildeten Fall JuS 1980 812. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 42; in diesem Sinne auch Blei JA 1976 103; Dreher-Tröndle Rdn. 11; D. Meyer JuS 1977 21 f; Otto NJW 1976 579 und JA 1980 641; Sonnen JA 1979 334; Tiedemann JR 1973 412. Vgl. OLG Köln M D R 1975 948; OLG Hamm M D R 1976 155; OLG Koblenz VRS 55 428. OLG Koblenz VRS 55 428; Hillenkamp M D R 1977 242, beide mit weit. Nachw.; Lackner Anm. 1 b. Kühl JuS 1980 814; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 4 1 I Β 4 b; Stratenwerth Rdn. 672 f; Rudolphi SK Rdn. 10.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

so mehr, als das Urteil über die Gefährlichkeit in den Irrtumsfällen (das Rechtsgut, dem der Angriff galt, war in Wirklichkeit nicht vorhanden, vgl. die Auflauerungsfälle unten Rdn. 69) subjektiviert werden müsse, womit zusätzlich noch all die Unsicherheiten auftreten würden, die sich mit einer Prognose ex ante verbinden. Außerdem versage der Gefährdungsgedanke bei den abstrakten Gefährdungsdelikten, wo es selbst zur Vollendung des Delikts keiner unmittelbaren Gefährdung des Rechtsguts bedürfe (Stratenwerth Rdn. 673). 56 Der Einwand, der Wortlaut des § 22 lasse für eine solche Auslegung der Ansatzformel keinen Raum (Kühl JuS 1980 814), ist nur insoweit begründet, wie die Gefährdung zum Begriffsmerkmal des Versuchs erhoben wird und seine Heranziehung gegen den mit der Neufassung des § 22 verfolgten Zweck verstößt, den Versuchsbeginn an den formellen gesetzlichen Tatbestand zu binden. Mit seiner Hilfe dürfen nicht Handlungen in den Versuchsbereich einbezogen werden, bei denen nach der Ansatzformel des § 22 noch kein Versuch vorliegt 47 . Innerhalb des durch die Ansatzformel gezogenen Rahmens ist der Gefahrdungsgedanke geeignet, der Abgrenzung nach formellen Kriterien durch bewertende, materiale Gesichtspunkte den Anschein der Vordergründigkeit (vgl. Eser Strafrecht II Fall 31 A 38) und gelegentlichen Zufälligkeit zu nehmen. Mit dieser Begrenzung ist zugleich die Gefahr gebannt, daß mit Hilfe des materialen Gefährdungskriteriums die gesetzgeberische Entscheidung für bestimmte Typen tatbestandsmäßigen Verhaltens unterlaufen wird 48 . Das gilt um so mehr, wenn man den Gefährdungsgedanken nicht auf das Tatobjekt oder das Rechtsgut (Bockelmann AT § 27 III 2 c; Dreher-Tröndle Rdn. 11 ; Otto NJW 1979 687) bezieht, sondern die Bindung an den formellen Tatbestand durch das Abstellen auf eine tatbestandsrelevante oder tatbestandsnahe Gefahr betont (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39; Geilen AT S. 164), und dadurch das materiale Gefährdungsmoment mit dem formalen Kriterium der Handlungsunmittelbarkeit verbindet (vgl. Jacobs JR 1977 131: Gemenge von formalen und materialen Momenten). Auf diese Weise wertend eine dem „formellen Tatbestandsbeginn praktisch gleichwertige Gefährdung" zu ermitteln (so Geilen AT S. 164), dürfte allerdings weder möglich noch nötig sein. Das Ziel kann nicht sein, formale durch wertende Kriterien zu ersetzen, deren praktische Bestimmbarkeit keineswegs besser gesichert wäre, sondern bezweckt werden kann nur, durch eine wertende Betrachtung die mit einer rein formalen Abgrenzung verbundene Gefahr eines „Zeitlupenstrafrechts" infolge willkürlicher Aufspaltung des Geschehens zu bannen, wie sie mit dem formalen Abstellen auf den letzten Teilakt vor der Tatbestandsausführungshandlung verbunden sein kann. 57

In der Beschränkung auf den durch die Ansatzformel gezogenen Rahmen zeigt sich die begrenzte Leistungsfähigkeit des Gefährdungsgedankens als Abgrenzungskriterium. Die Gefährdung des Rechtsguts zum konstitutiven Merkmal des Versuchs zu erheben verbietet — darin ist dem Hinweis auf den Wortlaut des § 22 Recht zu geben — schon die Gesetzesfassung. Gleichwohl wäre es verfehlt, dem Gefährdungsgedanken jegliche Bedeutung abzusprechen, aber es gilt für ihn dasselbe, was gegenüber dem Nähekriterium (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 41) eingewendet worden ist: Auch der Gefährdungsgedanke kann nicht mehr sein als ein bloßes Indiz für 47

48

So aber Tiedemann JR 1973 412 insbes. für Wirtschaftsstraftaten, krit. dazu J. Meyer ZStW 87 (1975) 610 f. Kühl JuS 1980 814; mit Recht weist Stratenwerth Rdn. 673 darauf hin, Tatbestandsverwirklichung und Rechtsgutsverletzung seien nicht identisch. (54)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

eine letztlich anders zu bestimmende relevante Unmittelbarkeit. Es genügt nicht, ein formales durch ein keineswegs besser bestimmbares materiales Kriterium zu ersetzen. c) Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch und damit die Festlegung des 58 Versuchsbeginns ist ein Auslegungsproblem; sie entzieht sich einer allgemeingültigen Beschreibung. Deshalb müssen alle Bemühungen um eine Definition des Versuchsbegriffs zwangsläufig scheitern. Das Gesetz begnügt sich zu Recht mit einer Leitlinie für die im Einzelfall nach den in den jeweiligen Straftatbeständen umschriebenen Tatbestandshandlungen zu treffende Entscheidung. „Als Verwirklichung des Tatbestandes", zu der der Täter angesetzt haben muß, bedroht das Gesetz die Vornahme der im Tatbestand umschriebenen Handlung mit Strafe. Damit verbietet sich jeder unmittelbare Rückgriff auf andere Kriterien, wie die Gefährlichkeit des Verhaltens (Stratenwerth Rdn. 666). Der Gefährdungsgedanke hat aber die Einsicht in die Notwendigkeit gefördert, das Vorbereitungsstadium in rechtsstaatlich vertretbarer Weise normativ — und nicht nur mittels eines faktischen räumlich-zeitlichen Näheverhältnisses — mit dem Tatbestand des jeweiligen Delikts zu verbinden. Die Parallelität zum Problem der Deliktsbeendigung auf der anderen Seite der Tatbestandsverwirklichung drängt sich damit auf ; Versuch und Beendigungsstadium setzen eine gewisse Tatbestandskonformität voraus (zur Beendigung als Problem der Tatbestandsauslegung vgl. Küper JZ 1981 251 ff mit weit. Nachw. sowie oben Vorbem. Rdn. 34). Was als Versuchshandlung gelten soll, muß zum Unrechtsgehalt des vollendeten 59 Delikts passen, muß ihm wenigstens entsprechen. Nur dann ist der notwendige Zusammenhang zwischen dem Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung und der Tatausführung selbst gewahrt, der es rechtfertigt, die Strafe für das vollendete Delikt, wenn auch mit der Möglichkeit der Strafmilderung (§ 23 Abs. 2), auf dieses Stadium auszudehnen. Darin dürfte auch — allerdings unausgesprochen — der eigentliche Grund für das Abstellen auf den Gefährdungsgedanken als Abgrenzungskriterium liegen: Da in den Straftatbeständen Rechtsgutsverletzungen typisiert sind, sollen als Versuchshandlungen solche Akte im Vorfeld der Tatausführung in Betracht kommen, die eine Gefahr für das Rechtsgut auslösen. Nur daß mit dem Hinweis auf die Gefahr wegen der Unbestimmtheit des Gefahrbegriffs und mit seinem Bezug auf das Rechtsgut nicht viel gewonnen ist. Was die Handlung im Vorfeld für das Rechtsgut gefährlich macht, ist ihre Annäherung an das typisierte Handlungsunrecht. Deshalb setzt ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung voraus, daß der Täter eine Handlung vornimmt (oder bei Unterlassungsdelikten unterläßt), die — ohne das Handlungsunrecht selbst schon zu verwirklichen — doch für das Handlungsunrecht des jeweiligen Tatbestands spezifisch ist. Damit wird auch das Erfordernis plausibel und ihm zugleich Rechnung getragen, daß das Problem der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch eine tatbestandsspezifische Frage ist 4 9 . Die für die Feststellung der erforderlichen spezifischen Unmittelbarkeit entschei- 60 dende Frage, ob und inwiefern der Deliktstatbestand auch ein der Tatbestandsver49

(55)

Dieser Ansatz wird bei Becher S. 20 ff zutreffend herausgestellt, während die Aufgliederung nach Fallgruppen vgl. z. B. Roxin JuS 1979 4 ff zwar veranschaulichen, aber nicht begründen kann; mit der Zuordnung eines Sachverhalts zu der einen oder anderen Fallgruppe ist daher für das Abgrenzungsproblem selbst noch nichts gewonnen. Es gibt als Versuch strafbare und als Vorbereitungshandlung straflose Erschwerungs-, Mißbrauchs-, Erwartungs- usw. -fälle.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

wirklichung vorgelagertes Geschehen schon erfaßt, ist ganz wesentlich ein Problem der Tatbestandsauslegung, das sich einer generalisierenden Entscheidung widersetzt. Die Qualifizierung der Abgrenzungsfrage als Auslegungsproblem begegnet auch dem Einwand, es fehlten für ihre Beantwortung verläßliche Kriterien. Als ein Problem der Auslegung sind die Grenzen zwischen Vorbereitung und Versuch aus den einzelnen Tatbeständen abzuleiten: Das der Tatbestandsverwirklichung vorgelagerte Verhalten muß, um als Versuchsbeginn qualifiziert werden zu können, so beschaffen sein, daß es sich durch zulässige Interpretation sprachlich und sachlich in den jeweiligen Tatbestand einbeziehen läßt. Dabei ist allerdings die Bindung an den „möglichen Wortsinn" zu lockern, weil die Phase der Vorbereitung durch den Tatbestand nicht formell beschrieben ist. Insoweit ist genügend, aber auch erforderlich, daß die zu beurteilende Handlung durch den dem Tatbestand innewohnenden Verbotssinn materiell erfaßt wird 50 . Maßgebend ist deshalb in erster Linie, daß die der Tatbestandsverwirklichung vorgelagerte Phase inhaltlich schon dem tatbestandlich vertypten Unrecht des konkreten Delikts entspricht. Es geht um die Einbeziehung von Vorgängen, die sich der Sache nach schon als Bestandteil des Unrechts der konkreten Tat darstellen, obwohl sie die formelle Tatbestandsverwirklichung noch nicht erreicht haben (vgl. Stratenwerth für die Beendigungsphase in JZ 1961 95). Daß das vorgelagerte Geschehen nicht selbst schon Teilstück derjenigen Handlung darstellt, die als tatbestandsmäßig unter den Deliktstatbestand fällt, steht der Annahme eines Versuchs nicht entgegen. Rechtsstaatliche Bedenken mit Rücksicht auf den nullum-crimen-Satz sind nicht begründet (vgl. aber Stratenwerth Rdn. 666), weil die Einbeziehung von der eigentlichen Tatausführung vorgelagerten Vorgängen in dem durch Auslegung des Tatbestands gewonnenen Umfang durch die Ansatzformel gedeckt wird. 61

Dem Erfordernis einer spezifischen Unmittelbarkeit ist mit Formulierungen, die auf eine „tätige" Beziehung zum fremden Rechtskreis abheben 51 oder die sich mit der „Berührung der Sphäre von Täter und Opfer" begnügen wollen (Roxin JuS 1979 5) nicht genügt; sie überschreiten den vom Gesetz gezogenen Rahmen, das bewußt nicht allgemein auf die Straftat, sondern auf die Verwirklichung des Tatbestandes abstellt und bedürfen deshalb zusätzlicher einschränkender Merkmale (wie ζ. B. des zeitlichen Zusammenhangs, vgl. oben Rdn. 42 ff). Die vom Gesetz verlangte spezifische Unmittelbarkeitsbeziehung läßt sich nur auf der Grundlage der Umschreibung des Tatbestandes des jeweiligen Delikts durch Auslegung ermitteln. Damit kommt dem jeweiligen tatbestandsmäßigen Verhalten (einschließlich des tatbestandsmäßigen Erfolgs) für die Versuchsbestimmung entscheidendes Gewicht zu. Die Ansatzformel bietet keine gesetzliche Grundlage dafür, zusätzliche Kriterien zu Begriffsmerkmalen des Versuchs zu erheben, als Interpretationshilfe sind sie weitgehend überflüssig, wenn nicht sogar gefährlich. 62 Verwendet das Gesetz bei der Beschreibung der Tatbestandshandlung eine klar abgrenzbare, sinnfällige Bezeichnung, so ist die Grenzziehung zur Vorbereitung im allgemeinen einfach, da schon der Sprachgebrauch ergibt, ob die Handlung schon Anfang der Ausführung ist oder nicht. Der Ankauf einer Ware ist nicht Anfang des 50

51

So für das vergleichbare Problem der Bestimmung der Beendigungsphase Jescheck Welzel-Festschrift (1974) S. 691 ; Wessels AT § 14 I 1 krit. dazu Küper JZ 1981 252, weil der Ausgangspunkt, daß die Beendigungsfrage ein Problem der Tatbestandsinterpretation sei, aufgegeben werde, wenn die Wortlautgrenze nicht mehr berücksichtigt werde. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 I b 3 c unter Bezugnahme auf BGH 4 StR 47/61 vom 14. 4. 61; Kühl JuS 1980 812; Becher S. 14 Anm. 5, S. 50 Anm. 1 mit weit. Nachw. (56)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Feilbietens (RGSt. 15 56 0, wohl aber sind es solche Handlungen, die den Beginn der Bereitstellung der Ware zum Verkauf an noch unbekannte Kauflustige enthalten (BGHSt. 12 54 f: Aufbewahren von verdorbenem Fleisch im Kühlschrank einer Gastwirtschaft und Anbieten auf der Speisekarte). Der Begriff „Handeltreiben" (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 BetMG) setzt Tätigkeiten voraus, die nach Wortsinn und Bedeutung dem Tätigkeitsbereich eines Händlers zugerechnet werden können. Der Diebstahl von Betäubungsmitteln in der Absicht, sie gewinnbringend zu veräußern, fällt nicht unter den Begriff des Handeltreibens (BGHSt. 30 277). Das Verladen yon Waren auf ein Fahrzeug, um sie demnächst mit diesem unter Verletzung der Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes ungenehmigt über die Grenze zu bringen, ist noch kein Versuch eines Ausfuhrvergehens (a. A. BGHSt. 20 150). Erst recht enthält nicht schon der Erwerb der Ware den Beginn der Ausfuhr (so aber RGSt. 54 305 f; 58 71, 72), auch nicht, wenn mit dem Ankauf schon die Bewegung zur Grenze hin beginnen soll (a. A. Busch LK 9 § 43 Rdn. 34). Inbrandsetzen eines Gebäudes (§ 306 Nr. 2) setzt voraus, daß das Gebäude selbst in einer Weise von dem Feuer erfaßt wird, daß es selbständig ohne Fortwirken des Zündstoffes weiterbrennt, wobei sich der Brand auf Teile des Gebäudes erstrecken muß, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind (BGHSt. 18 363, 365, 366). Weil das Gesetz die Tatbestandshandlung an die Tatsache knüpft, daß die Frau gewerbsmäßig Unzucht treibt, ist das Bemühen, die bedrohte Frau erst zur gewerbsmäßigen Unzucht zu bringen, nur straflose Vorbereitung der ausbeuterischen Zuhälterei (BGHSt. 6 98; 19 350, 351 zu § 181 a a. F.). Bei der Anwendung der Ansatzformel z. B. auf § 263 ist das Täterverhalten am Merkmal der Täuschung zu messen. Die Verfälschung einer Urkunde zur Durchführung eines Betruges ist Vorbereitungshandlung im Hinblick auf die beabsichtigte Täuschung (auch wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung bereits eine vollendete Tat ist. Beispiel nach Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 39 II Β 2). Bloßes Beiseiteschaffen der versicherten Sache in der Absicht, einen Diebstahl zu melden, ist noch keine Ausführungshandlung zum Betrug (BGH NJW 1952 430 f entgegen RGSt. 72 66 f)· Der Versuch des Prozeßbetruges in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten beginnt erst dann, wenn die Partei in der mündlichen Verhandlung auf ihre falschen Behauptungen Bezug nimmt und nicht bereits dann, wenn die Klageschrift oder vorbereitende Schriftsätze mit wahrheitswidrigen Angaben bei Gericht eingereicht w e r d e n 5 2 . Soweit § 652 BGB Anwendung findet, liegt versuchter Betrug erst dann vor, wenn der Auftraggeber Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung unmittelbar zum Abschluß des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäfts führen (BGHSt. 31 178, 182 f). Die notwendige Bindung an die Tatbestandshandlung kann allerdings auch zu 63 Friktionen führen, wie Entscheidungen zu § 15 FAG verdeutlichen, der das „Errichten" einer Fernmeldeanlage mit Strafe bedroht. Danach liegt im Zusammenbau eines Bausatzes für ein nicht genehmigtes Funkgerät bereits ein Versuch des Errichtens einer Fernmeldeanlage (OLG Hamm MDR 1980 602), während Kauf und Besitz eines betriebsbereiten und zum sofortigen Einsatz verwendbaren Handfunkgeräts noch straflose Vorbereitungshandlungen darstellen (BayObLGSt. 1975 116; KG JR 1977 302). Diese Ungereimtheit, die in dem technischen Fortschritt seit dem Inkrafttreten des FAG begründet liegt und der der Gesetzgeber abzuhelfen hat 52

(57)

Η. M., vgl. Lackner LK § 263 Rdn. 319; a. A. OLG Bamberg NStZ 1982 247, das allerdings Kenntnisnahme durch den Richter verlangt, vgl. dazu Anm. von Hilger S. 248.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

(so zutreffend OLG Hamm MDR 1980 602), darf nicht zu einer Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit verleiten. 64 Die Abgrenzung wird um so schwieriger, je unbestimmter die tatbestandliche Handlung im Gesetz umschrieben ist. So erschöpft sich der Tatbestand der Kindesunterschiebung nach § 169 in der Verdunkelung des Familienstands (RGSt. 36 137 zu § 169 a. F.; zur „Eingehung der Ehe" vgl. RGSt. 9 84; zur „Verbreitung falschen Geldes" vgl. RGSt. 16 111). 65 Besondere Schwierigkeiten treten auf, wenn die Tatbestandshandlung nur nach dem herbeizuführenden Erfolg bezeichnet wird („Töten"), so daß alle möglichen Tätigkeiten, die diesen Erfolg nach sich ziehen können, in Betracht kommen. Bestehen auch diese Handlungen wieder aus mehreren Akten, die sämtlich auf Tatvorsatz beruhen und von denen jede die Vorstufe der nachfolgenden bildet, so kann zweifelhaft sein, wo die Zäsur zwischen einer die Tat nur ermöglichenden Vorbereitung und dem Versuchsbeginn zu ziehen ist. Bei nicht handlungstypisierten Tatbeständen, bei denen alle möglichen Tätigkeiten als erfolgsverursachend in Betracht kommen können, ist auf die Handlung abzustellen, die nach dem Willen des Täters den Erfolg herbeiführen sollte (Schießen, Stechen, Schlagen als Tötungshandlungen ; Falschaussage als Strafvereitelungshandlung). Erst auf dieser Grundlage kann entschieden werden, ob das Täterverhalten spezifisch i. S. des unmittelbaren Ansetzens für die Tatbestandsverwirklichung ist (vgl. auch Kühl JuS 1980 508). Deshalb stellt die Zusage eines Zeugen an einen Angeklagten, diesen durch eine Falschbekundung zu entlasten, noch nicht den Versuch einer Strafvereitelung nach § 258 Abs. 4 dar. Ein Versuch liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Zeuge unmittelbar zur Falschbekundung als der Handlung, die nach seiner Vorstellung den Vereitelungserfolg herbeiführen soll, ansetzt 53 . Erst recht begeht noch keinen Versuch einer Strafvereitelung nach § 258 Abs. 4, wer es erfolglos unternimmt, einen Zeugen zu einer falschen Aussage zugunsten eines Beschuldigten zu beeinflussen 54 . 66

Da die Vorbereitungshandlung meist schon ein — noch nicht tatbestandliches — Glied des vom Täter gewollten Ursachenablaufs bildet, richtet der Täterwille die Vorbereitungshandlung auf die Tatbestandsverwirklichung aus und liefert mithin schon einen mittelbaren Beitrag i. S. einer Bedingung zum Erfolg. Ob die Handlung in dem Verursachungsprozeß unentbehrlich, bedeutsam, untergeordnet oder sogar unwirksam ist, ist ohne Bedeutung. Ein Zeichen für die nur vorbereitende Bedeutung einer Handlung wird es im allgemeinen sein, wenn der Übergang zur Ausführung noch eines neuen Willensimpulses bedarf (RGSt. 43 332, 333). 67 Immerhin lassen sich mit Rücksicht auf die verschiedenen allgemeinen Stadien der Verbrechensverwirklichung, die mehr oder weniger alle Straftaten durchlaufen, den Tatbeständen vorgelagerte Phasen bilden, die regelmäßig dem tatbestandlich vertypten Unrecht des konkreten Delikts noch nicht entsprechen und deshalb typische Vorbereitungshandlungen darstellen: 53 BGH M D R 1982 592 ff; BGHSt. 30 332, 334; NJW 1982 1600; KG NStZ 1981 449 f; OLG Hamburg NJW 1981 771 mit Anm. Rudolphi JR 1981 160. Α. A. die frühere Rspr. zu § 257 a. F.: RGSt. 20 233; RG JW 1929 2730 und 1936 2806; BGHSt. 19 114; BGH bei Dallinger M D R 1969 724; BGH NJW 1971 525; OLG Hamm GA 1973 211; BGHSt. 27 74. 54 OLG Bremen NJW 1981 2711 mit Anm. Müller-Dietz JR 1981 475; zur Bedeutung der Strafbarkeit nach §§ 254, 30 Abs. 2 für § 60 Nr. 2 StPO vgl. BGHSt. 30 332 sowie Lenckner NStZ 1982 401 ff. (58)

Begriffsbestimmung (Vogler)

68

§22

aa) Herstellen und Beschaffen der Tatmittel und Werkzeuge, deren Herrichten 68 und Bereitstellen. Daher kein Versuch, wenn der Täter sich bei einer Behörde eine falsche Bescheinigung ausstellen läßt, um sie später bei einer anderen Behörde zu Täuschungszwecken vorzulegen (a. A. RGSt. 77 172, 173; OLG Celle DRiZ 1947 153), einen fingierten Einbruch inszeniert, um später die Versicherungsgesellschaft zu täuschen (BGH NJW 1952 430; a. A. RGSt. 72 66), Waren auf ein Fahrzeug verlädt, um sie demnächst unter Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz ungenehmigt über die Grenze zu bringen (a. A. BGHSt. 20 150), ins Ausland reist, um mit einem dort bereitstehenden LKW unerlaubt Betäubungsmittel ins Inland einzuführen (BGH bei Daliinger M D R 1975 21), mit seinem PKW, in dem sich Betäubungsmittel befinden, nicht sofort zur Grenze fährt, sondern im Ausland erst noch übernachtet und bei diesem Aufenthalt von der Polizei gestellt wird (BGH NStZ 1983 224), eine falsche Bescheinigung beim Verlassen der Bundesrepublik erwirkt, um mit deren Hilfe bei der späteren Rückkehr in die Bundesrepublik Kraftstoff unverzollt einzuführen (a. A. BayObLG JR 1978 39 mit abl. Anm. Hübner), sich bemüht, einen Arzt für eine Abtreibung zu gewinnen (BGHSt. 4 17), sich einen Nachschlüssel für die Begehung eines geplanten Kfz-Diebstahls beschafft (BGHSt. 28 162), den Lagerwärter besticht, damit dieser den anschließend geplanten Diebstahl nicht bemerken soll (a. A. RGSt. 55 192), Devisen in seiner Wohnung hortet, um sie bei späterer Gelegenheit unter Verstoß gegen Devisengesetze ins Ausland zu schmuggeln (a. A. RGSt. 71 53), Schmuggelware im Ausland an die Grenze transportiert, ohne jedoch die Zollgrenze zu überschreiten (a. A. BGHSt. 4 333, bestätigt durch BGHSt. 7 291, 292, wo aber immerhin der Einkauf der Schmuggelware als Vorbereitungshandlung gewürdigt wird), Handlungen vornimmt, um einen Tatmittler, der die betrügerische Täuschungshandlung verüben soll, zu gewinnen (a. A. RGSt. 77 173, zum Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft vgl. oben Rdn. 96 ff, verfehlt daher auch BGHSt. 30 363). Ebenso stellt noch keinen Versuch dar, das Werben um Teilnehmer, die erfolglose Anstiftung, das Gewinnen des Anzustiftenden. Auch das Bereitstellen von Tatwerkzeugen ujid das Hinschaffen zum Tatort sind typische Vorbereitungshandlungen (a. A. BGHSt. 2 380, dagegen BGH bei Daliinger M D R 1966 892, zur älteren Rechtsprechung vgl. RGSt. 49 208, 211; 53 336, 339; 54 36, 254; RG JW 1931 2787). bb) Aufsuchen des Tatorts. Daher kein Versuch, wenn die Schwangere ein Sana- 69 torium aufsucht, um dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen (RG H R R 1930 Nr. 1671), der Täter einen Ladenraum betritt, um darin den Inhaber zu überfallen (RGSt. 69 327, 329), auf das Trittbrett des fahrenden Güterwagens aufspringt, um aus diesem nach Entfernung der Verschlußplomben zu stehlen (a. A. RGSt. 54 328), den Hofraum betritt und den Wachhund entfernt, um anschließend den Diebstahl ungehindert ausführen zu können (a. A. RGSt. 53 217; vgl. dazu näher oben Rdn. 50), das Polizeigebäude betritt, um dem dort Inhaftierten Eisensägeblätter für einen Ausbruch zu übergeben (a. A. BGHSt. 9 62, 64, wo nicht auf die Förderung der Selbstbefreiung, sondern zu weitgehend auf den Selbstbefreiungsp/α« abgehoben wird), den Schalterraum einer Bank aufsucht, um den Kassierer zu erpressen (a. A. BGH GA 1980 24), die Täter nur bis zum Bankeingang vorfahren, aber noch nicht die mitgeführten Waffen herausgeholt und ihre Masken aufgesetzt haben (BGH bei Holtz M D R 1978 985). Anders ist der Fall BGHSt. 26 201 zu beurteilen, in dem die Täter beim Klingeln an der Haustür des Opfers schon die Strumpfmasken übergezogen hatten und einer von ihnen die mitgeführte Pistole in der Hand hielt, um die öffnende Person sogleich bei ihrem Erscheinen zu bedrohen und zu fesseln und zur Herausgabe von Geld zu nötigen. Hier entspricht die der Tatbe(59)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Standsverwirklichung vorgelagerte Phase auf der Grundlage des Tatplans inhaltlich schon dem vertypten Unrecht des konkreten Delikts, die Täter hatten die Nötigungsmittel bereits in Anschlag gebracht 5 5 . Dadurch unterscheidet sich der Sachverhalt von anderen Auflauerungsfällen, insbesondere dem Pfeffertütenfall (BGH NJW 1952 514 mit abl. Anm. Mezger), in dem der Täter das Tatmittel nur bereitgehalten hat, ohne daß darin sprachlich und inhaltlich bereits eine Gewaltanwendung oder Drohung in Ausführung der geplanten Wegnahme erblickt werden könnte. 70 Auskundschaften und Schaffen einer Tatgelegenheit. Versuch liegt daher noch nicht vor, wenn der Täter zur Feststellung einer Lenkradsperre an den Vorderrädern eines PKW rüttelt, um diesen bei Fehlen einer Sperre wegzunehmen (a. A. BGHSt. 22 80, 82), das Auto eines Kassenboten beschädigt, um diesen zu überfallen, wenn er infolge der Beschädigung später anhalten und die Fahrt unterbrechen muß (a. A. BGH NJW 1980 1759), die Begleiter des Opfers vertreibt, um ein Hindernis für den später geplanten Raub zu beseitigen (a. A. BGHSt. 3 297, 299), dem Opfer ein Mittel eingibt, um es zu betäuben, weil er sich außerstande fühlt, das nicht betäubte Opfer zu töten, aber die Tat durch Aufschneiden der Pulsadern erst begehen will, nachdem sich eine nachhaltig betäubende Wirkung zeigen würde (a. A. RGSt. 59 157). Insbesondere bei den Sittlichkeitsdelikten hat die Rechtsprechung den Versuchsbereich aus kriminalpolitischen Gründen durch zu weite Auslegung des Begriffs „verleiten" auf den Tatbeständen vorgelagerte Phasen ausgedehnt, die dem tatbestandlich vertypten Unrecht noch nicht entsprechen und deshalb typische Vorbereitungshandlungen darstellen: So soll schon das Hinlocken von Kindern an den in Aussicht genommenen Tatort versuchte Verleitung nach § 176 Nr. 3 a. F. sein (RGSt. 52 184; 69 140, 142), ebenso die bloße Verabredung eines Treffpunkts mit dem Kind (BGHSt. 6 302, 304; vgl. auch BGH bei Daliinger M D R 1974 722 und dazu Bockelmann JZ 1955 194); die Ermöglichung der Reise eines Minderjährigen zum Ort der homosexuellen Betätigung wertet RG DR 1939 363 bereits als Versuch der erschwerten Unzucht (§ 175 a a. F.). Ebensowenig wie im Auskundschaften und Schaffen der Tatgelegenheit liegt in Vorkehrungen zur Verhinderung einer Entdeckung der Straftat (Schaffung des Alibibeweises) sowie zur Sicherung der Tatvorteile (Beschaffung eines Verstecks) ein Versuchsbeginn. 71

d) Anwendung der Ansatzformel auf Sonderfälle aa) Beendeter Versuch. Für den beendeten Versuch stellt sich das Problem einer Abgrenzung zur Vorbereitungshandlung nicht. Ist der Versuch bereits soweit fortgeschritten, daß er beendet ist, kann er nicht bloße Vorbereitungshandlung sein. Das Problem der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und beendetem Versuch ist ein Scheinproblem (das seine Entstehung wohl der Anwendung der Frank'schen Formel über die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch auf einen Sachverhalt verdankt, ohne die Vorfrage nach der Versuchsqualität dieses Sachverhalts überhaupt zu stellen; siehe dazu unten Rdn. 75 f), das im Anschluß an ein Beispiel von Schmidhäuseri (15/58) von Roxin (Maurach-Festschrift S. 213 ff, 224) aufgegriffen worden ist und in Lehrbüchern 5 6 und Kommentaren 5 7 inzwischen einen festen Platz einnimmt. Die praktische Bedeutung steht in keinem Verhältnis zu der Breite, die die theoretische Behandlung erfahren hat. Mangels Beispielen in der 55

56 57

Im Ergebnis ebenso Rudolphi SK Rdn. 16; D. Meyer JuS 1977 19 ff; Roxin JuS 1979 6; abl. Gössel JR 1976 249; Otto NJW 1976 578. Vgl. ζ. B. Jescheck § 49 IV 6 a. E. Ζ. B. Rudolphi SK Rdn. 19; Dreher-Tröndle Rdn. 19; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 42. (60)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Rechtsprechung dient noch immer ein Lehrbuchfall als Ausgangspunkt: A mischt Gift unter das Kaffeepulver des X, als X verreist ist. A stellt sich vor, daß X, wenn er zurückgekommen sein wird, sich einen Kaffee bereiten und das Gift zu sich nehmen wird. Schmidhäuser hatte dazu mit aller Vorsicht gemeint, es liege wohl ein Versuch vor, „vor allem dann, wenn A keinen Zugang zu dem Pulver mehr haben sollte". In der 2. Aufl. (15/52) seines Lehrbuchs hat Schmidhäuser den Text wie folgt ergänzt: „In diesem Fall dann Versuch, wenn A keinen Zugang zu dem Pulver mehr hat und die Rückkehr des X nahe bevorsteht. Noch kein Versuch (also auch kein unbeendeter?), wenn die Rückkehr noch lange aussteht; ebenso nicht, wenn A nach den gesamten Umständen das Pulver noch nicht endgültig als Gefahrenquelle beläßt". Die Ergänzung geht auf die von Roxin entwickelte These zurück, um Vorbereitung handele es sich, wenn 1. keine unmittelbare Gefahr bestehe und 2. der Täter das Geschehen noch in der Hand habe. Versuch sei dagegen anzunehmen, wenn auch nur eines der beiden Kriterien in sein Gegenteil umschlage (Roxin Maurach-Festschrift, S. 218, 226). Diese Auffassung hat sich inzwischen weitgehend durchgesetzt, obwohl es nicht 72 an Kritik fehlt (Blei JA 1975 167 Herzberg MDR 1973 89; Sch.-Schröder-Eser § 24 Rdn. 14). Diese Einwände richten sich einmal gegen die Bedeutung, die dem Zeitmoment beigelegt wird, zum anderen gegen die Annahme, daß der Gefahreneintritt erst in der Zukunft liege. Es müsse deshalb bei der Feststellung von Busch bleiben (LK 9 § 43 Rdn. 33 a unter Bezugnahme auf RGSt. 59 1 ; 66 141), daß zweifelsfrei eine Ausführungshandlung vorliege, wenn zum Eintritt des Erfolges keine weitere Betätigung des Täters oder der Teilnehmer gehört, oder anders ausgedrückt, daß mit der Vornahme aller Handlungen, die ohne weiteres Zutun des Täters den Erfolg herbeiführen können, der Versuch beendet sei und der Täter das volle Risiko dafür trage, daß Ereignisse, die von ihm nicht einkalkuliert worden seien, den Erfolg vorzeitig bewirkten (so Sch.-Schröder-Eser § 24 Rdn. 14). Ob diese Einwände begründet sind, mag dahinstehen. Die zum „Anfang des 73 beendeten Versuchs" entwickelte Theorie findet im Gesetz keine Stütze. Das zeigt die Begründung, wonach die „unmittelbare Gefahr" und die „Entlassung aus dem Herrschaftsbereich des Täters" alternative Voraussetzungen des Versuchs sein sollen (Roxin Maurach-Festschrift S. 226). Das Gesetz kennt keines dieser beiden Kriterien, sondern verlangt objektiv das „unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestands" ; dieses Kriterium ist mit „der Entlassung des Geschehens aus dem Bereich der eigenen Herrschaftsmacht" nur unzulänglich definiert und keineswegs identisch. In Wirklichkeit entscheidet dann der Tatplan (so ausdrücklich DreherTröndle Rdn. 19) alleine unter Vernachlässigung jedes obj. Maßstabes. Für den Versuchsbeginn wäre danach die Vorstellung des Täters vom Anfang der Ausführung maßgebend, also eine rein subjektive Theorie, die den Versuch weit in den Bereich der Vorbereitung vorverlegt, dem das Gesetz mit der Ansatzformel gerade vorbeugen wollte. Den für die Ansatzformel stellt die subjektive Vorstellung nur die Grundlage, nicht den Maßstab für die Abgrenzungsfrage dar. Die neue Gesetzesfassung scheint nicht nur (so Roxin Maurach-Festschrift S. 213 f), sondern sie ist insoweit eindeutig. Wenn schon das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung Versuch ist, dann sind Fälle, in denen der Täter nicht nur an, sondern sogar schon wieder „abgesetzt" hat, erst recht ein Anfang der Ausführung. Daran zu zweifeln besteht nur dann Anlaß, wenn man das „Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung" mit Ansetzen zur „Täterhandlung" gleichsetzt (so Roxin Maurach-Festschrift S. 218 im Vergleich zu S. 214). Das aber ist in diesem Zusammenhang nicht mehr als eine (61)

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2. Abschnitt. Die Tat

petitio principii, weil es gerade darum geht festzustellen, ob die „Täterhandlung" das objektive Merkmal der Ansatzformel erfüllt 58 . 74 Mit der Feststellung, der Täter habe das Geschehen aus dem Bereich der eigenen Herrschaftsmacht entlassen, ist für die Beantwortung dieser Frage nichts gewonnen. Die Ansatzformel setzt eine spezifische Unmittelbarkeit zur Tatbestandsverwirklichung voraus und nicht eine mehr oder weniger große Entfernung des Geschehens vom Täter. Entlassen aus dem eigenen Herrschaftsbereich ist nicht gleichbedeutend mit Herstellen einer spezifischen Unmittelbarkeit zur Tatbestandsverwirklichung. Das macht der Schulfall eindrucksvoll deutlich: Die Versuchsstrafbarkeit wäre in der Tat überdehnt, wenn man auf das Vergiften des Kaffeepulvers abheben würde. Aber der gleiche Einwand gilt auch dann, wenn der Täter das Geschehen nicht mehr in der Hand hat, weil die Zubereitung des vergifteten Kaffeepulvers durch das Entgleiten aus dem Herrschaftsbereich und der Gefahreintritt dadurch um keinen Deut (zeitlich-räumlich) näher an die Tatbestandsverwirklichung heranrückt. Wer die Fälle gleichwohl unterschiedlich behandeln will, verläßt die Ansatzformel des Gesetzes, auch wenn es nur gelegentlich ausdrücklich zugestanden wird 59 . Zum einen ist es keineswegs nachgewiesen, ob sie wirklich in diesen Fällen (neben dem beendigten Versuch sind gemeint der Versuch bei der mittelbaren Täterschaft, der actio libera in causa und den Unterlassungsdelikten, siehe dazu unten Rdn. 96 ff, 105 ff, 109 ff) unbrauchbar ist, und zum anderen könnte der Hinweis auf ein kriminalpolitisches Bedürfnis schwerlich eine hinreichende rechtsstaatliche Legitimation dafür bilden, das Gesetz überhaupt nicht oder nur modifiziert anzuwenden. 75

Auch beim „Beginn des beendeten Versuchs" geht es wie in den Fällen, in denen ein unbeendeter Versuch in Betracht kommt, um die Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch. Die Besonderheit der Fälle liegt nur darin, daß der Täter subjektiv davon ausgeht, er habe alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan (vgl. Lackner Anm. 1 c). Für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch ist diese Vorstellung jedoch nur die Grundlage für die nach objektiven Kriterien zu treffende Feststellung, ob der Täter damit zur Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt hat.

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Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist eine Auslegungsfrage (vgl. dazu oben Rdn. 58 ff). Die zu beurteilende Handlung muß sich sprachlich und sachlich in den Tatbestand des § 229 in der Weise einbeziehen lassen, daß sie durch den dem Tatbestand immanenten Verbotssinn materiell erfaßt wird. § 229 setzt das Vergiften eines anderen (Menschen) voraus. Das ist sprachlich und sachlich etwas anderes als dem Kaffeepulver Gift beizumischen. Für die Tatbestandsverwirklichung (nämlich Vergiften eines Menschen) kann das Vergiften des Kaffeepulvers nur Vorbereitungshandlung sein. Im Vergiftungsfall sind bis zum Versuchsbeginn noch eine Reihe wesentlicher Akte vonnöten (z. B. Rückkehr des Opfers, Zubereiten des Kaffees), die allerdings nicht vom Täter selbst vorgenommen werden sollen. Aber das ist auch keineswegs erforderlich, weil das Gesetz die Bedingungen für die Begründung 58

59

Die Feststellung von Horn GA 1969 300, es sei undenkbar, daß der Versuch als beendet angesehen werden muß, weil die entsprechenden Vorstellungen des Täters vorhanden sind, der Versuchsbeginn aber mangels objektiver Unmittelbarkeit der Rechtsgutsgefährdung verneint wurde, setzt ebenfalls voraus, daß ein Versuch vorliegt. Vgl. Jescheck § 49 IV 6 : „Für andere Erscheinungsformen des Versuchs paßt die Ansatzformel jedoch nicht und muß ersetzt oder modifiziert werden" ; ebenso Roxiη Einführung, S. 16. (62)

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des spezifischen Näheverhältnisses der Handlung zur Tatbestandsverwirklichung in § 22 nicht festlegt. Soweit es der in Betracht kommende Tatbestand erlaubt, kann der Tatplan durchaus so gestaltet sein, daß der Täter die Mitwirkung des Opfers selbst oder eines anderen (ζ. B. eines Werkzeugs, vgl. im einzelnen unten Rdn. 96 ff zum Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft) einplant. Die spezifische Unmittelbarkeit braucht nicht bloß auf die eigenen Handlungen des Täters bezogen zu werden, sondern die Handlungen der vom Täter als Werkzeug seiner Pläne benutzten Personen, zu denen auch das Tatopfer gehören kann, sind mit einzubeziehen (Gössel JR 1976 250). In dem Schulfall der Zubereitung vergifteten Kaffeepulvers tritt das Geschehen daher erst dann in das Versuchsstadium ein, wenn das Opfer sich anschickt, den vergifteten Kaffee zu trinken. Die Lösung entspricht der im parallelgelagerten Servierfall, in dem das Opfer sich das vergiftete Getränk nicht selbst zubereitet, sondern sich von seiner Frau servieren läßt (vgl. dazu Roxin Maurach-Festschrift S. 216 f)· Das Versetzen des Kaffeepulvers mit Gift und die Zubereitung des Kaffees sind dann Vorbereitungshandlungen. Zum Versuch kommt es in dem Augenblick, in dem die Ehefrau ihrem Mann den Kaffee serviert; das Trinken selbst durch das Opfer ist dann schon Tatbestandsverwirklichung. Die Übereinstimmung in der Lösung ist die Folge des gleichen Begründungswegs über die Ansatzformel. Wenn die fast h. M. zu einer Vorverlagerung des Versuchsbeginns kommt, falls der Täter die Vergiftung des Kaffees nicht mehr rückgängig machen kann, dann wird unzulässigerweise die Frage der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch mit Hilfe von Rücktrittsüberlegungen beantwortet (dasselbe gilt für das Zwangsläufigkeitskriterium bei Meyer ZStW 87 [1975] 598, 607). bb) Qualifizierte Delikte, zusammengesetzte Delikte und Regelbeispiele. Beginn 77 des Versuchs bei qualifizierten Deliktstatbeständen wurde früher bereits mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Qualifikationsmerkmal bejaht 5 9 a . Da bei echten Qualifikationstatbeständen (im Gegensatz zu Regelbeispielen, siehe dazu unten Rdn. 85) die qualifizierenden Merkmale Teilstücke des typisierten Tatbildes sind, erschien es naheliegend, mit dem Ansetzen zur Verwirklichung eines qualifizierenden Merkmals und erst recht mit seiner Verwirklichung einen Versuchsbeginn anzunehmen. Folglich wäre bei qualifizierten Delikten der Tatbeginn u. U. gegenüber dem Grunddelikt vorverlegt: Das Beisichführen der Waffe im Vorbereitungsstadium des Diebstahls (ζ. B. auf der Fahrt zum Tatort, vgl. BGH 5 StR 573/70 vom 1. 12. 1970 zu § 251 a. F.) würde den Versuch eines qualifizierten Diebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 darstellen, obwohl der Versuch des einfachen Diebstahls nicht vor dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme beginnen könnte. Gegen eine solche nicht unerhebliche Ausweitung des Versuchsbereichs werden zunehmend Bedenken angemeldet. Die heute überwiegende Meinung geht deshalb dahin, daß der Versuch eines 78 qualifizierten Delikts erst dann gegeben ist, wenn der Täter außer zur Qualifikation auch zur Verwirklichung des Grunddelikts unmittelbar angesetzt hat 6 0 . Das sei in der Regel immer dann der Fall, wenn die Verwirklichung des Grundtatbestandes 59a

60

(63)

Vgl. RGSt. 38, 177, 178; 54, 42, 43; OLG Hamm M D R 1976 155 mit krit. Anm. Hillenkamp, M D R 1977 242; Busch LK 9 § 43 Rdn. 31; Wessels Maurach-Festschrift S. 295, 305. Arzt JuS 1972 518, 578; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II C 1 b; Roxin JuS 1979 7 f; Rudolph! SK Rdn. 18; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58; Stratenwerth Rdn. 678; Wessels AT § 14 II 2; krit. dagegen Tröndle JR 1974 221, 223; ebenfalls Hillenkamp M D R 1977 242; Welzel § 24 III 2.

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2. Abschnitt. Die Tat

unmittelbar auf den Beginn der qualifizierenden Tatbestandshandlung folgen sollte 61 . Zur Begründung wird geltendgemacht, die Erschwerungsgründe stellten nur unselbständige Abwandlungen eines Grunddelikts dar (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58). Deshalb müsse der Täter zur Verwirklichung des Unrechts des Grundtatbestandes angesetzt haben. Das Ansetzen zur Verwirklichung allein des Unrechts der Qualifikation betreffe nur einen Teil des tatbestandlichen Unrechts. Entscheidend könne nur das Ansetzen zur Verwirklichung des „Gesamttatbestandes" sein. Ein Ansetzen zur Verwirklichung des gesamttatbestandlichen Unrechts setze voraus, daß der Täter sowohl zur Verwirklichung der Qualifikation als auch des Grundtatbestandes angesetzt habe (Rudolphi SK Rdn. 18). 79

Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Verwirklichung eines erschwerten Umstandes führt nur dann zum Versuch, wenn sie sich in bezug auf den Grundtatbestand als unmittelbares Ansetzen darstellt (Roxin JuS 1979 7 mit weit. Nachw.). Die gegen die Allgemeingültigkeit dieses Grundsatzes im Hinblick auf die unterschiedliche Struktur der einzelnen Tatbestände angemeldeten Bedenken (Lackner Anm. 1 d) liegen im Verständnis der Ansatzformel begründet. Zu ihrer Präzisierung soll es auch hier eines Rückgriffs auf das zeitliche Moment bedürfen, es wird eine „Synchronisierung" der Qualifizierung mit der Tatbestandsausführung gefordert (vgl. Geilen JURA 1979 222; Kühl JuS 1980 509). Das würde in der Tat die Frage nahelegen, ob die Verneinung des Versuchs mit Rücksicht auf einen fehlenden zeitlichen Zusammenhang nicht dazu zwingen müßte, auch die Vollendung eines qualifizierten Delikts anzuzweifeln, wenn der Täter den Gesamttatbestand in zeitlich gestreckter Form erfüllt hat (vgl. Lackner Anm. 1 d).

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Die entscheidende Frage ist deshalb dahin zu stellen, unter welchen Voraussetzungen die Verwirklichung eines erschwerten Umstands sich als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung darstellt. Die Antwort darauf liefert die Ansatzformel unbeschadet formaler Strukturunterschiede bei der Tatbestandsbildung. Die Hinzufügung qualifizierender Merkmale kann zu einer speziellen Ausgestaltung des Grunddelikts (unselbständige Abwandung) — wobei die qualifizierende Handlung der Handlung des Grunddelikts vorausgehen oder ihr nachfolgen kann (z. B. § 307 Nr. 3 Entfernen von Löschgeräten nach Inbrandsetzung) — oder zur Bildung eines trotz gewisser Übereinstimmung im geschützten Rechtsgut und in der Handlungsbeschreibung eigenständigen, vom Grundtatbestand abgelösten Delikts führen (z. B. § 249). Daneben hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, besondere Merkmale ohne tatbestandliche Ausgestaltung als Regelbeispiele für besonders schwere Fälle zu verwenden. Die jeweilige Methode der Tatbestandsbildung, deren der Gesetzgeber sich aus kriminalpolitischen Gründen bedient, erscheint nicht selten willkürlich, wie die Umwandlung von Qualifizierungen in Regelbeispiele (§ 243 n. F.) und die unterschiedliche Verwendung des gleichen Merkmals als Qualifizierung oder Regelbeispiel (Beisichführen einer Waffe in § 244 einerseits und § 113 Abs. 2 andererseits) zeigt. Aus der formalen Struktur der Tatbestände und einer darauf beruhenden systematischen Einteilung der Deliktsarten können keine praktischen Konsequenzen für die Lösung strittiger Fragen abgeleitet werden (vgl. Haffke JuS 1973 407). Ob die Verwirklichung eines zusätzlichen Merkmals schon zum Versuch (des qualifizierten, eigenständigen oder durch Regelbei61

Vgl. Arzt JZ 1969 54, 59 und JuS 1972 576, 578; Jescheck § 49 IV 4; Kühl JuS 1980 509; Roxin JuS 1979 7; Rudolphi SK Rdn. 18; Stree Peters-Festschrift S. 179, 186 f; Wessels § 14 II 2. (64)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

spiele ergänzten Tatbestands) führt, kann nur aufgrund einer normativen, am Verbotssinn der jeweiligen Norm orientierten Betrachtung entschieden werden, indem darauf abgestellt wird, ob die Verwirklichung des zusätzlichen Merkmals sich im konkreten Fall nach dem Täterplan als Bestandteil des Unrechts des Grundtatbestands darstellt, für die Verwirklichung des tatbestandlichen Unrechts insoweit spezifisch ist62. Die Zuordnung zu den verschiedenen Tatbestandsgruppen (Qualifikation, Regel- 81 beispiel, eigenständiges Delikt) präjudiziell daher die Antwort nicht. Maßgebend ist im Einzelfall der jeweilige Verbotssinn der Norm und die Beurteilung des Täterverhaltens auf der Grundlage des konkreten Tatplans, wie folgende Beispiele veranschaulichen können: Das Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgeräten (§ 307 Nr.3) stellt noch kein unmittelbares Ansetzen zur Brandstiftung dar (Stree Peters-Festschrift S. 185; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58). Das Entfernen der Löschgeräte ist für das Inbrandsetzen nicht in dem Sinne spezifisch, daß es bei normativer Wertung schon als Bestandteil der Tatbestandshandlung (Inbrandsetzen) erscheint; es stellt vielmehr nur einen die Brandstiftung begleitenden Umstand dar, ebensowenig reicht das Mitsichführen einer Waffe auf dem Weg zum Tatort (RGSt. 54 42, 43 zu § 243 Abs. 1 Nr. 5 a. F.) oder die Bildung einer Diebesbande zum Diebstahlsversuch nach § 244 aus. Dasselbe gilt für die entsprechenden Raubqualifikationen in § 250; wie der schwere Diebstahl beginnt auch der qualifizierte Raub erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Grundtatbestand (zum Beginn des Raubversuchs vgl. unten Rdn. 84). Das bloße Mitführen eines geladenen Revolvers bei der Fahrt zum Tatort ist kein Beginn der Verwirklichung des Raubtatbestandes, weil ein Verhalten unter dem Gesichtspunkt des § 250 Abs. 1 Nr. 1 erst relevant werden kann, wenn die Schwelle zum Versuch des Raubs überschritten wird, die Fahrt zum Tatort dagegen bloße Vorbereitungshandlung ist (BGH MDR 1982 1035). Andererseits genügt der Anfang der Ausführung des Grunddelikts nicht für die 82 Annahme eines Versuchs des Qualifikationstatbestandes, wenn der Täter mit dem erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Einsatz des qualifizierenden Merkmals noch nicht begonnen hat. Der Täter, der sich anschickt, ein Gebäude in Brand zu setzen, begeht keinen Versuch einer besonders schweren Brandstiftung (§ 307 Nr. 3), bevor er nicht auch zu der geplanten Entfernung oder Unbrauchbarmachung von Löschgeräten (die vor, bei oder nach der Brandstiftung geschehen kann, vgl. Dreher-Tröndle § 307 Rdn. 5) unmittelbar angesetzt hat. Das bloße Wollen des qualifizierenden Merkmals begründet noch keine Versuchsbestrafung, wenn seine Verwirklichung von einer zusätzlichen Handlung des Täters abhängt; bestraft wird nur der betätigte verbrecherische Wille (zur Frage der Versuchsstrafbarkeit in den Fällen, in denen das qualifizierte Unrecht auf den Eintritt einer schweren Folge aus dem Grunddelikt beruht (sog. erfolgsqualifizierte Delikte) vgl. oben vor § 22 Rdn. 70). Dasselbe gilt auch für § 252, obwohl der räuberische Diebstahl nach h. M. nicht 83 als qualifizierter Diebstahl, sondern als ein selbständiger raubähnlicher Tatbestand angesehen wird. Versuchter räuberischer Diebstahl setzt voraus, daß der Täter zur Gewaltanwendung oder Drohung angesetzt hat (Rudolphi SK Rdn. 18; Sch.-Schrö62

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Siehe oben Rdn. 59; vgl. Stree Peters-Festschrift (1974) S. 185 f, der vom Eintritt in den „Bereich des Unrechtskerns" spricht, und darauf abhebt, ob „die Betätigung des verbrecherischen Willens noch außerhalb des Unrechtsbereichs erfolgt, der den Kern der beabsichtigten Straftat bildet".

§22

2. Abschnitt. Die Tat

der-Eser Rdn. 59). Wer einen Diebstahl begeht in der Absicht, falls er auf frischer Tat betroffen wird, sich mit Raubmitteln im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist nur wegen Diebstahls strafbar, solange er nicht zur Verwirklichung der Raubmittel angesetzt hat. D a ß das Hinzutreten zusätzlicher Merkmale im Falle des § 307 zu einer Qualifikation und bei § 252 zu einem eigenständigen Delikt führt, ist für die Frage der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch im Ergebnis belanglos. In beiden Fällen fehlt den zusätzlichen Merkmalen die Annäherung an das typisierte Handlungsunrecht (das Inbrandsetzen, die Wegnahme), die es rechtfertigen könnte, in der Verwirklichung des Grunddelikts zugleich ein Ansetzen zu den zusätzlichen Merkmalen zu erblicken. Sie dürfen dem Täter daher erst zugerechnet werden, wenn er den Entschluß zu dem gesteigerten Unrecht betätigt hat. 84

Wird die Gewalt dagegen eingesetzt, um den Gewahrsam des Opfers zu brechen, § 249, so stellt die Gewaltanwendung bereits den Beginn des Angriffs auf den fremden Gewahrsam d a r ; deshalb liegt (bei entsprechendem Täterplan) versuchter Raub schon dann vor, wenn der Täter zur Verwirklichung der Raubmittel ansetzt (RGSt. 69 327, 329; zum zeitlichen Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung u n d Wegnahme siehe oben Rdn. 52). Andererseits liegt noch kein Raubversuch vor, wenn der Täter bei Beginn der Wegnahme entschlossen ist, diese notfalls mit Gewalt durchzuführen, solange er die Raubmittel nicht eingesetzt hat. Das folgt u. a. aus der Existenz des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der sonst weitgehend überflüssig wäre (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59; Stree Peters-Festschrift S. 190; ArztiuS 1972 578). Ebenso stellt die Vornahme gewaltsamer Unzuchtshandlungen nach § 178, die dazu dienen, den Widerstand des Opfers zu brechen und es zum geplanten Geschlechtsverkehr im Anschluß an die Unzuchtshandlungen gefügig zu machen, schon einen Anfang der Ausführung einer Vergewaltigung (§ 177) dar (Stree Peters-Festschrift S. 191, der auf die unmittelbare Auswirkung abstellt), weil die gewaltsamen Unzuchtshandlungen nach § 178 selbst schon einen Angriff auf die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung bilden, die auch durch § 177 geschützt wird.

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In den Fällen von Regelbeispielen f ü r besonders schwere Fälle kommt es ebenfalls darauf an, ob die Verwirklichung des Regelbeispiels bereits ein Ansetzen zur Tatausführung des Grunddelikts darstellt 6 3 . D a ß der Gesetzgeber das Beisichführen einer Waffe einmal als echten Qualifikationstatbestand (z. B. § 244 Abs. 1 Nr. 1 ; § 250 Abs. 1 Nr. 1) ein andermal als Strafzumessungsregel für einen besonders schweren Fall ausgestaltet hat (z. B. §§ 113 Abs. 2 Nr. 1 ; 125 a Nr. 1), ist f ü r die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch belanglos. Wie bei den qualifizierten Tatbeständen kann auch in den Fällen von Regelbeispielen das Beisichführen einer Waffe den Beginn des Versuchs nicht vorverlegen. Ob bei § 243 Abs. 1 das Einbrechen, Einsteigen oder Eindringen oder die Anwendung eines falschen Schlüssels schon den Beginn des Diebstahlversuchs darstellen, hängt deshalb von den jeweiligen Fallgestaltungen ab. Insbesondere die Verwirklichung eines Regelbeispiels nach Nr. 1 k a n n den Täter so nahe an die Wegnahme heranbringen, daß die Tat ζ. B. mit dem Aufbrechen der Tür in das Versuchsstadium eingetreten ist 6 4 . Das

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Jetzt h. M. vgl. Arzt JuS 1972 518; Blei AT § 66 I 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 58; Hillenkamp MDR 1977 242; Löbbecke MDR 1973 375; Rudolphi Rdn. 18; Stree Peters-Festschrift S. 181 ; Wessels Maurach-Festschrift S. 305 f und AT § 14 II 2. Zu weitgehend E 1962 Begr. S. 144; Dreher-Tröndle Rdn. 21, wonach in diesen Fällen immer schon Versuch vorliegen soll, Tröndle JR 1974 223; ebenso OLG Hamm MDR 1976 155 mit krit. Anm. Hillenkamp MDR 1977 242. (66)

Begriffsbestimmung (Vogler)

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braucht aber keineswegs so zu sein, wenn der Täter die Tür zunächst nur aufbricht, um sich für eine spätere Wegnahme eine gute Ausgangslage zu schaffen (vgl. Hillenkamp M D R 1977 243). Wann im Falle des bloßen Sichverborgenhaltens §243 Abs. 1 Nr. 1 der Versuch einsetzt, ist Tatfrage (Dreher-Tröndle Rdn. 21). Wenn in diesen Fällen ein Versuch vorliegt, dann nicht deshalb, weil der Täter ein Regelbeispiel verwirklicht hat, sondern weil die Verwirklichung des Regelbeispiels nach Sachlage ein Ansetzen zur Wegnahme darstellt. D a zum Einsteigen das Überschreiten einer niedrigen Mauer nicht, einer hohen Mauer jedoch genügen soll (DreherTröndle § 243 Rdn. 8), hinge anderenfalls die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch von der Höhe der zu übersteigenden Mauer ab. Keine Besonderheiten gelten für die sog. Alternativfälle (vgl. Roxin JuS 1979 8 f 86 ζ. B.: Der bewaffnete Räuber dringt in die Bank ein und setzt dem Kassierer mit den Worten „Geld oder Leben" die Pistole auf die Brust). Die Frage, ob in diesen Fällen nicht nur versuchter Raub bzw. räuberische Erpressung, sondern auch ein Mordversuch vorliegt, ist mit dem Hinweis auf den unbedingten Handlungswillen (vgl. dazu oben Rdn. 9 ff) noch nicht beantwortet, da auch bloße Vorbereitungshandlungen von einem unbedingten Handlungswillen getragen sein können (vgl. oben Rdn. 11). Über das Ergebnis dürfte — wie die forensische Praxis zeigt (die Täter werden nur wegen eines Versuchs nach §§ 253 ff bestraft, vgl. BGH 3 StR 479/81 v. 22. 2.1982) — Einigkeit zu erzielen sein. Ein Mordversuch liegt erst d a n n vor, wenn das Opfer der Nötigung widersteht und der Täter sich nunmehr anschickt, seine Drohung auszuführen. Der G r u n d d a f ü r liegt allerdings nicht im Fehlen der Sphärenbeziehung zwischen Täter und Opfer oder eines unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs (wie Roxin JuS 1979 8 f, meint). Enger als durch das Auf-dieBrust-Setzen der Pistole können die Sphären von Täter und Opfer kaum aneinanderrücken. Der den Rechtsfrieden störende Zugriff auf die Opfersphäre tritt eindrucksvoll in Erscheinung (Eindruckstheorie!). Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Täterhandlung und Erfolgseintritt läßt sich schwerlich leugnen, wenn der Täter jeden Augenblick abdrücken kann. Die Begründung dafür, daß das Tötungsdelikt sich noch im Vorbereitungssta- 87 dium befindet, ergibt sich zwanglos aus der Formel vom „unmittelbaren" Ansetzen. Der Tatplan ist hier so gestaltet, daß der Täter die Mitwirkung des Opfers — hier die Verweigerung der Herausgabe des Geldes — eingeplant hat. Der Täter macht die Ausführung der Tötungsdrohung von einer Entscheidung des Bedrohten abhängig. Wird das Erfordernis der Unmittelbarkeit nicht nur auf die eigenen Handlungen des Täters bezogen, sondern sind auch die Handlungen anderer Personen einschließlich der des Tatopfers selbst einzubeziehen (vgl. dazu oben Rdn. 103), d a n n liegt auf der Hand, d a ß es an der für ein Tötungsdelikt spezifischen Unmittelbarkeit zwischen Täterhandlung und Tatbestandsverwirklichung solange fehlt, wie der Täter auf das Nachgeben des Genötigten wartet. N a c h dem Willen des Täters soll der Eintritt der objektiven Bedingung (Verweigerung der Geldherausgabe) darüber entscheiden, ob mit der Ausführungshandlung zu einem Tötungsdelikt begonnen wird. Die Entscheidung darüber ist zwar nach objektiven Kriterien zu treffen, aber auf der Grundlage des Täterplans. Danach stellt die Handlung des Täters bis zum Eintritt der Bedingung eine Lebensbedrohung und nicht den Anfang einer Lebens Verletzung dar. Vom Wort- u n d Verbotssinn der §§ 212 f werden aber nur Tötungshandlungen, nicht Todesdrohungen erfaßt. Die Bedrohung mit dem Tode ist nach dem Täterplan eine typische Vorbereitungshandlung für eine Tötungshandlung, zu der der Täter zwar entschlossen ist, die er aber erst nach Bedingungseintritt auszufüh(67)

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2. Abschnitt. Die Tat

ren beginnt. Dasselbe Geschehen stellt im Hinblick auf die §§ 253 ff ein unmittelbares Ansetzen und damit Versuch dar, während es für ein Tötungsdelikt bis zum Bedingungseintritt an der spezifischen Unmittelbarkeitsbeziehung fehlt, so daß insoweit nur eine Vorbereitungshandlung in Betracht kommt (vgl. dazu auch oben Rdn. 33). 88

cc) Mittäterschaft. Bei der Mittäterschaft liegt ein Versuch für jeden der Beteiligten vor, wenn einer der Mittäter im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Der Versuchsbeginn wird für jeden einzelnen Mittäter nach der geplanten „Gesamthandlung", wie sie sich aus den durch Willenseinigung koordinierten Tatbeiträgen aller Mittäter ergibt, beurteilt (sog. Gesamtlösung oder Theorie der „Gesamthandlung"). Es kommt für den einzelnen Mittäter nicht darauf an, ob er zum fraglichen Zeitpunkt seinen Tatbeitrag schon geleistet hat oder sich — isoliert betrachtet — noch im Vorbereitungsstadium befindet 65 . Das folgt aus der unmittelbaren gegenseitigen Zurechnung aller Tatbeiträge, die im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses geleistet werden. Es entspricht der wechselseitigen Tätigkeitsanrechnung, daß Mittäterschaft — als Zurechnung fremden Handelns — weder die volle noch auch nur die partielle Verwirklichung der jeweils eigenen Mittäterrolle voraussetzt (Küper JZ 1979 786). Deshalb ist das Ansetzen des einzelnen Mittäters zur Verwirklichung des Tatbestandes für alle Versuch der Tat, die von der Gesamtheit der Beteiligten verwirklicht werden soll.

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Für den Versuch der — damals noch zweiaktigen — Urkundenfälschung hat es RGSt. 58 279 deshalb für ausreichend angesehen, „daß irgendeiner der Mittäter eine Handlung vorgenommen hat, die mindestens einen Anfang der Ausführung der Urkundenfälschung enthielt", ohne daß es darauf ankomme, ob dieser Mittäter „selbst von der gefälschten Urkunde zum Zwecke der Täuschung Gebrauch" machen oder ob dies einer der Komplizen tun sollte. Auch wenn ein Beteiligter den Tatentschluß noch nicht selbst durch Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung betätigt hat, liegt in der nach Aufgabenverteilung und Aktionskoordinierung von jedem Beteiligten als „Kollektivleistung" (Gallas Beiträge S. 104) zu verantwortenden Gesamttat kraft des Zurechnungsprinzips eine für die Versuchstäterschaft aller Beteiligten ausreichende Betätigung des kriminellen Willens, sobald ein Mittäter entsprechend dem gemeinsamen Tatentschluß mit der Verwirklichung des Tatbestandes beginnt. „Im Strukturgefüge dieser ,Gesamttat' sind fremde und eigene Einzelleistungen normativ gleichwertig" (Küper JZ 1979 787). Diese (im Anschluß an Schilling S. 39 ff) sog. „Gesamtlösung" erscheint auch kriminalpolitisch vernünftig, weil dadurch ausgeschlossen wird, daß Zufälligkeiten der Verteilung der einzelnen Tatbeiträge und deren zeitliche Reihenfolge bei vorzeitiger Entdeckung der Tat ohne triftigen Grund über die Bewertung des Einzelbeitrags als (strafbarer) Versuch oder (strafloser) Vorbereitungshandlung entscheiden (.Roxin LK § 25 Rdn. 139).

65 H. M. vgl. BGH NStZ 1981 99; BGHSt. 11 268, 271 f; BGH bei Holtz MDR 1977 807; Jescheck § 63 IV 1 ; Küper Versuchsbeginn S. 17 ff, 69 f und JZ 1979 775 f; Lackner Anm. 1 c; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 II D 1; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54 a; DreherTröndle Rdn. 18; Stratenwerth Rdn. 843 f; Roxin LK §25 Rdn. 139 und Täterschaft S. 452 ff sowie JuS 1979 13; Busch LK 9 § 47 Rdn. 26; a. A. Schilling S. 39 ff, vgl. auch Rudolphi SK Rdn. 19 a und Festschrift für Bockelmann S. 384 ff. (68)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Abzulehnen ist die von Schilling entwickelte und von ihm sog. „Einzellösung", 90 nach der die Frage des Versuchsbeginns für jeden Beteiligten gesondert zu beantworten ist und Versuch für einen Mittäter nur vorliegt, wenn sein Tatbeitrag für sich genommen die Voraussetzungen des § 22 erfüllt. Sie führt zu kriminalpolitisch verfehlten Ergebnissen und entbehrt einer stichhaltigen dogmatischen Begründung. Der Versuchsbeginn tritt danach nicht mehr für alle Beteiligten ein, sobald einer von ihnen im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses zur Deliktsverwirklichung unmittelbar ansetzt, vielmehr muß der Versuchsbeginn für jeden einzelnen Beteiligten gesondert auf der Grundlage seines Verhaltens bestimmt werden. Nur wer die Voraussetzungen des Versuchsbeginns in seiner Person erfüllt, ist Mittäter des Versuchs. Damit stellt sich die Frage, welche Anforderungen an den persönlich zu erbringenden Tatbeitrag des jeweiligen Beteiligten zu stellen sind, damit ein von ihm zu verantwortender Versuch angenommen werden kann. Für die Mittäterschaft genügt nach h. M. 6 6 auf der Grundlage der subjektiven Teilnahmetheorie, der auch die Rechtsprechung folgt 6 7 , daß ein Tatbeteiligter mit Täterwillen irgendeinen kausalen Beitrag leistet, auch wenn es sich dabei nur um Planung, Vorbereitung oder Unterstützung handelt. Selbst die Anhänger der Tatherrschaftslehre, die als Tatbeitrag ein Teilstück der Tatausführung verlangen und eine Mitwirkung bei der Vorbereitung der Tat mangels Tatherrschaft nicht genügen lassen wollen 6 8 , sehen doch 6 9 in der Übernahme von Planung und Organisation der Tat eine für die Begründung von Tatherrschaft ausreichende Gestaltung des Tatablaufs (vgl. Jescheck § 63 III 1). Eine Versuchsbestrafung kann auf bloß vorbereitende Handlungen nach der Ansatzformel jedoch nicht gestützt werden. Die Auffassung von Schilling, der den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die 91 Einzellösung schon in der „psychischen Einwirkung" auf die anderen Beteiligten sieht (S. 112 f), die als „wechselseitige Veranlassung" oder doch „gegenseitige psychische Bestärkung" in der Verbrechensphase stattfinde, ist mit § 22 nicht vereinbar und führt auch kriminalpolitisch zu unhaltbaren Ergebnissen. Nach seiner Auffassung soll in dem vom BGH entschiedenen Verfolgerfall (BGHSt. 11 268 ff) nicht erst mit Abgabe des Schusses auf den vermeintlichen Verfolger Versuch vorliegen, vielmehr soll schon die Vereinbarung der Täter, auf evtl. Verfolger tödliche Schüsse abzugeben, einen Tötungsversuch darstellen (Schilling S. 113 Fußn. 400). Diese Ansicht ist auf allgemeine Ablehnung gestoßen 7 0 . Im Falle des Giftmords auf Raten (zwei Mittäter haben verabredet, daß zunächst A und sodann Β dem Opfer jeweils eine Giftdosis zuführen soll) entwickelt Schilling daher selbst eine Korrektur, indem er nicht die Verabredung der Mittäter genügen läßt, sondern das Ansetzen auf diejenigen Handlungen beschränkt, die in den „letzten erfolgsgerichteten Tätigkeitsakt" des jeweiligen Beteiligten einmünden, „weil er sich unmittelbar anschließen soll". Danach beginnt für Β der Versuch nicht einmal mit der Giftbeibringung durch A, sondern erst, wenn er die selbst übernommenen Dosen zuführt (Schilling 66 67

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Baumann § 36 I 3 d; Drehet37 § 25 Anm. 7; Sch.-Schröder-Cramer § 25 Rdn. 64 ff. RGSt. 66 236, 240; BGHSt. 14 123, 128; 16 12, 14; BGH NJW 1951 410; BGH GA 1977 306. Roxin Täterschaft S. 292 ff; Gallas Materialien Bd. 1 S. 113; Ordeig ZStW 80 (1968) 928; Schmidhäuser 14/19; Stratenwerth Rdn. 823. Mit Ausnahme von Roxin Täterschaft S. 299, der Leitung oder Absicherung am Tatort verlangt; ferner Herzberg Täterschaft S. 64 ff; Samson SK § 25 Rdn. 47. Vgl. Roxin LK § 25 Rdn. 140; Stratenwerth Rdn. 841; Vogler GA 1977 62 f; Küper Versuchsbeginn S. 51, der dazu bemerkt, sofern es Resultate gebe, deren Unhaltbarkeit evident sei, gehöre offenbar dieses dazu.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

S. 114). Abgesehen davon, daß eine solche Lösung der Struktur der Mittäterschaft nicht gerecht wird (Roxin LK § 25 Rdn. 140), schränkt sie den Bereich der Versuchsstrafbarkeit zu sehr ein. Die Einzellösung von Schilling führt dazu, daß der Versuch des Mittäters entweder zu früh — mit der Verabredung — oder aber zu spät einsetzt (so Küper Versuchsbeginn S. 65). 92 Eine konsequente Einzellösung müßte den Versuch des einzelnen Mittäters erst, aber auch schon dann einsetzen lassen, wenn er zur Verwirklichung seines Tatbeitrags ansetzt. In diesem Sinne hatte schon das RG ausgeführt (RGSt. 9 3 ff), daß beim Versuch des Mittäters die bloße Verabredung nicht genüge, um die fremde Ausführungshandlung zuzurechnen. Vielmehr müßte der Tatbeteiligte selbst in die Ausführung der von ihm übernommenen Rolle bereits eingetreten sein. Dazu gehöre, daß ihm der gemeinsame Plan für den Zeitpunkt der Versuchshandlung des anderen irgendein Tun oder Verhalten vorgeschrieben hat, das sich von dem eines unbeteiligten Dritten unterscheidet. Während das RG sich aber noch mit einem Verhalten begnügen wollte, das unter dem Minimum der Tätigkeit geblieben sei, welche man für die Mittäterschaft an der vollendeten Tat erfordern dürfe, verlangt Rudolphi (Festschrift für Bockelmann S. 384, 386) in einer Variante der Einzellösung einen täterschaftsbegründenden Tatbeitrag, mit dessen Ausführung der Beteiligte begonnen haben müsse. Seien mehrere Personen entschlossen, einen Straftatbestand als Mittäter zu verwirklichen, so setze die Versuchsstrafbarkeit eines jeden Mittäters voraus, daß er seinen auf die täterschaftliche Tatbegehung gerichteten Tatentschluß durch Handlungen betätigt habe, die sich gerade für ihn als ein unmittelbares Ansetzen zur (mit-)täterschaftlichen Tatverwirklichung darstellen. 93

Die praktische Konsequenz sieht Rudolphi vor allem in den (seltenen) Fällen, „in denen die mehreren Mittäter nach ihrem Tatplan eine Straftat in der Weise verwirklichen wollen, daß sie ihre verschiedenen Tatbeiträge nacheinander und aufeinander aufbauen, jedoch jeweils völlig selbständig leisten wollen" (Rudolphi SK Rdn. 19 a). Hier sei es durchaus möglich, daß der zuerst handelnde Mittäter das Versuchsstadium bereits erreicht habe, der andere jedoch, da er zu der seine Tatherrschaft begründenden Handlung noch nicht unmittelbar angesetzt habe, sich noch im Vorbereitungsstadium befinde. Auf diese Weise wird eine Kongruenz zwischen dem Problem der Versuchs- und Mittäterschaftsqualität eines Tatbeitrages insofern erreicht, als ein Beteiligter nur Mittäter (des Versuchs) sein kann, wenn seine täterschaftliche Leistung die Vorbereitungsphase überschritten hat (Küper JZ 1979 784) mit der Folge, daß im Falle der Mittäterschaft der Versuch für die einzelnen Mittäter nicht notwendig gleichzeitig in dem Zeitpunkt beginnt, in dem auch nur einer von ihnen zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. 94 Zur Begründung seiner Ansicht verweist Rudolphi auf die Grundsätze der Versuchslehre und die Struktur der Mittäterschaft (Bockelmann-Festschrift S. 384, 386). Beide Argumente sind jedoch nicht stichhaltig. Zwar trifft es zu, daß der Mittäter u. U. nach der Gesamtlösung auch dann bestraft wird, wenn er seinen Tatentschluß noch nicht durch Erbringung seines Tatanteils realisiert hat. Aber darauf kann es bei mittäterschaftlicher Begehung nicht ankommen, weil jeder Beteiligte sich nach dem Prinzip der objektiven Zurechnung die Tatbeiträge der anderen zurechnen lassen muß 7 '. Überspannt sind zudem die Anforderungen an die Mittäter71

Auch der nullum-crimen-Satz ist nicht tangiert, so aber Rudolphi Bockelmann-Festschrift S. 375, die Bezeichnung als „Gesamtlösung" beruht nicht auf einem die Vorbereitung einschließenden Gesamttatbestand, sondern meint die Tatbestandsverwirklichung durch die Gesamtheit der Mittäter. (70)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

schaft, wenn verlangt wird, daß ein Tatbeteiligter nur dann Mittäter sein könne, „wenn ihm aufgrund seiner Herrschaft über seinen eigenen Tatbeitrag zugleich die Mitherrschaft über die Tatbestandsverwirklichung als Ganzes zufällt" (Rudolphi Bockelmann-Festschrift S. 373), weil die Beherrschung des eigenen Tatbeitrags noch keine Herrschaft über das Ganze vermittelt, sondern die eigene Gestaltungsmacht ihre Grenzen an der ihm durch den Tatplan zugewiesenen Funktion findet (vgl. Küper JZ 1979 786). Jeder Mittäter beherrscht das Gesamtgeschehen eben nur im Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen. Das setzt freilich voraus, daß das, was jeder Mittäter bewirken soll, ein bestimmtes Maß an funktioneller Bedeutung aufweisen muß, so daß sich die Mitwirkung eines jeden in der ihm zugefallenen Rolle als wesentliches Teilstück der Verwirklichung des Gesamtplans darstellt (so Jescheck § 63 I 1 a mit zahlreichen Nachw.). Daraus folgt, daß ein Versuch für alle Beteiligten schon dann vorliegt, wenn ei- 95 ner der Mittäter im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses zur Verwirklichung des Tatbestands ansetzt, daß als Mittäter des Versuchs jedoch nur die Beteiligten haften, die nach der im gemeinsamen Tatentschluß festgelegten Rollenverteilung Tatbeiträge übernommen haben, die sie an der Tatherrschaft beteiligt hätten und die zur Ergänzung der begangenen Versuchshandlung zu leisten gewesen wären ( Jescheck § 63 IV 1). Für die Frage, wann die Schwelle von der Vorbereitung zum Versuch für den handelnden Mittäter überschritten ist, gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. oben Rdn. 58 ff)· Hat ein Mittäter nach dem gemeinsamen Tatplan einen Beitrag zu leisten, der ihn zwar zum Mittäter macht, dessen Realisierung aber noch kein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung i. S. des § 22 darstellt, so ist die Grenze zum Versuchsbeginn mit dem Erbringen dieses Tatbeitrags nicht überschritten. Das Versuchsstadium kann deshalb auch noch nach Beendigung der Handlung eines Tatbeteiligten beginnen. Erbringen des Tatbeitrags ist nicht gleichbedeutend mit beendetem Versuch (zum Scheinproblem der Abgrenzung von Vorbereitung und beendetem Versuch vgl. oben Rdn. 7 I f f ) . Ob in einem solchen Fall überhaupt schon ein Versuch oder noch eine Vorbereitungshandlung vorliegt, ist auf der Grundlage des gemeinsamen Tatentschlusses objektiv und unabhängig von den anderen Tatbeiträgen nach der Ansatzformel zu entscheiden. dd) Mittelbare Täterschaft. Das oben (Rdn. 71 ff) zum Scheinproblem des 96 „Beginns des beendeten Versuchs" Ausgeführte gilt entspreche nd für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch bei der mittelbaren Täterschaft. Da die Probleme in beiden Fällen strukturell gleich sind, müssen auch die Lösungen zwangsläufig übereinstimmen (so auch Roxin Maurach-Festschrift S. 220). Die Meinungen zum Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft gehen in der Lit. weit auseinander (zur Rspr. vgl. BGHSt. 3 110, 129; 4 270, 273 f; 30 363 und unten Rdn. 102 ff). Nach einem Teil der Lehre muß danach unterschieden werden, ob das Werkzeug gutgläubig ist oder nicht, ob folglich nach dem individuellen Tatplan der tatbestandsmäßige Unrechtserfolg ohne jede Willenskontrolle seitens des Werkzeugs herbeigeführt werden soll oder ob die Verwirklichung des Deliktstatbestands, wie im Falle des dolosen Tatmittlers, noch von einer, wenn auch unter dem Einfluß des mittelbaren Täters stehenden Willensentscheidung des Werkzeugs abhängt. Bei unvorsätzlich handelndem Tatmittler soll ein Versuch schon mit der Einwirkung auf den Tatmittler beginnen, hingegen bei bösgläubigem Werkzeug erst dann, wenn der Tat(71)

§ 2 2

2. Abschnitt. Die Tat

mittler selbst unmittelbar zur Verwirklichung des Deliktstatbestands ansetzt 7 2 . Diesen Standpunkt hat auch das Reichsgericht vertreten und Versuch in folgenden Fällen angenommen : RGSt. 59 1 Vergiften eines Tees, den eine gutgläubige Mittelsperson alsbald servieren sollte; RGSt. 66 141 Einrichtung einer Brandstiftungsanlage, die ein gutgläubig Handelnder in Tätigkeit setzen soll; RGSt. 70 212 Aufforderung an einen gutgläubigen Käufer, fremde Waren aus einem Lager abzufahren. 97

Die Unterscheidung nach Gut- und Bösgläubigkeit des Werkzeugs ist jedoch nicht haltbar. Der zur Begründung herangezogene Vergleich des gutgläubigen Tatmittlers mit einem mechanischen, automatisch funktionierenden Werkzeug sagt über das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung nichts aus. Unter Schuldgesichtspunkten ist auch nicht einzusehen, warum der mittelbare Täter bei Gutgläubigkeit des Tatmittlers eher bestraft werden soll, als bei dessen Bösgläubigkeit. Aber auch der Gefährdungsgedanke vermag die Unterscheidung nicht zu rechtfertigen. Es ist keineswegs ausgemacht, daß der gutgläubige Tatmittler in jedem Fall gefährlicher ist als das bösgläubige, dem Täter gefügige Werkzeug (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54; Roxin Maurach-Festschrift S. 228). Die für das Rechtsgut drohende Gefahr ist in beiden Fällen gleich, wenn der Täter auf den ausgelösten Kausalverlauf keinen Einfluß mehr nehmen kann oder will. Da es nach dem Gesetz auf das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung ankommt, stellt die Gutbzw. Bösgläubigkeit des Tatmittlers kein taugliches Abgrenzungskriterium dar. Die Lösung des Problems des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft muß demnach von einer Gleichbehandlung beider Fälle ausgehen.

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Dem entspricht die Auffassung, daß schon die Einflußnahme auf den Tatmittler, einerlei ob dieser vorsätzlich handelt oder nicht, einen Versuchsbeginn darstellt 73 .

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Gegen diese Auffassung spricht dogmatisch die völlige Lösung von der Ansatzformel, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, und kriminalpolitisch die weite Vorverlegung der Strafbarkeit. Die Rechtsprechung des BGH ist dieser Auffassung mit Recht nicht gefolgt, sondern stellt statt dessen entscheidend auf die Gefährdung des betroffenen Rechtsguts ab 7 4 . Gegen diesen Lösungsweg sprechen dieselben Bedenken, die gegen das Gefahrmoment als Abgrenzungskriterium allgemein zu erheben sind (siehe oben Rdn. 54 ff).

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Eine im Vordringen begriffene Auffassung will deshalb darauf abstellen, ob der Hintermann das Geschehen aus der Hand gegeben hat; von diesem Augenblick an

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So Busch LK 9 §43 Rdn. 33; Kohlrausch-Lange 113 vor § 4 3 ; Sch.-Schröder" §43 Anm. 16; Welzel\ 24 III 5; Blei AT § 72 II 4. Gelegentlich wird auch zwischen Deliktstatbeständen unterschieden, die dolus directus erfordern und solchen, bei denen dolus eventualis genügt; beim Erfordernis des dolus directus müsse Versuch mangels Vorsatz verneint werden, wenn nach dem Vorstellungsbild des Hintermannes ungewiß sei, ob der Tatmittler die ihm als Werkzeug zugedachte Rolle spielen werde; vgl. Blei JA 1975 168, zust. Dreher-Tröndle Rdn. 18. So insbesondere die frühere Rechtsprechung des RG vgl. RGSt. 53 11, 12; 45; RGSt. 77 172, 175; RG H R R 1942 Nr. 229; vgl. ferner OGHSt. 2 8; Baumann JuS 1963 92 f und § 36 I 4 a; Bockelmann Strafrechtliche Untersuchungen S. 148 und AT § 22 II 3 b; Herzberg MDR 1973 94 f; Maurach AT 4 § 41 II 5 („regelmäßig"); Schilling S. 104, abstellend auf die letzte Einwirkungshandlung; ungenau OLG Hamm NJW 1977 640. BGHSt. 4 270, 273; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 54; ähnlich, aber mit der Einschränkung der Zwangsläufigkeit des Geschehensablaufs aus der Sicht des Hintermannes Meyer ZStW 87 (1975) 608. (72)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

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soll ein strafbarer Versuch vorliegen . Versuchsstrafbarkeit soll danach auch dann eintreten, wenn das Werkzeug später an der Ausführung gehindert wird oder sich nachträglich anders besinnt. Danach soll Versuch in den praktisch besonders wichtigen Fällen, daß ein gutgläubiges Werkzeug in den Geschehensablauf erst eingreifen soll, nachdem der mittelbare Täter seinen Tatbeitrag geleistet hat, vorliegen, sobald der Hintermann das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entläßt (Roxin LK § 25 Rdn. 106). Richtig ist an dieser Auffassung, daß der Gut- oder Bösgläubigkeit des Tatmitt- 101 lers auf den Versuchsbeginn kein Einfluß eingeräumt wird. Im übrigen aber beruht sie auf der unhaltbaren Prämisse, daß das „aus der Hand geben" durch den Täter gleichbedeutend mit einem beendeten Versuch sei 76 , ohne daß die entscheidende Frage, ob überhaupt ein Versuch, geschweige denn ein beendeter vorliegt, beantwortet ist (vgl. dazu näher oben Rdn. 71). Maßgebend für die Beantwortung dieser Frage ist allein die Ansatzformel. Dabei ist das Verhalten des mittelbaren Täters und des Tatmittlers als Einheit, als „Gesamthandlung" zu sehen (vgl. Frank § 43 II 2 a: „Der mittelbare Täter führt durch die Mittelsperson aus, also nicht früher als diese"). Der Einwand (vgl. Schilling S. 53, 109 ff), es wäre sinnwidrig, die Strafbarkeit des Hintermannes davon abhängig zu machen, ob das Werkzeug mit seiner Tat beginnt oder nicht, weil es für die Versuchsstrafbarkeit stets auf die verbrecherische Willensbetätigung des (mittelbaren) Täters selbst ankomme, wird dem Wesen der mittelbaren Täterschaft nicht gerecht, das gerade darin besteht, daß der Täter sich eines anderen zur Tatausführung bedient 77 . Maßgebend für den Versuchsbeginn bei der mittelbaren Täterschaft ist daher die „Gesamthandlung". Erst mit dem unmittelbaren Ansetzen des Werkzeugs zur Tatbestandsverwirklichung liegt versuchte mittelbare Täterschaft vor 78 . Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln über die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch. Im Fall BGHSt. 4 270 ff geht es um die Frage, ob in der Vorlage einer falschen 102 Bestandsliste gegenüber dem Vergleichsverwalter, um bei den bevorstehenden Vergleichsverhandlungen die Gläubiger zum Abschluß eines Vergleichs zu veranlassen und von weiteren Zugriffen auf Vermögenswerte abzuhalten, ein versuchter Betrug liege. Der BGH unterscheidet zunächst zutreffend danach, ob der Täter durch die Täuschung des Vergleichsverwalters diesen zu vermögensschädigenden Verfügungen zu Lasten der Gläubiger veranlassen wollte. Dann läge zweifellos ein Betrugsversuch in unmittelbarer Täterschaft vor; wäre der Vergleichsverwalter dagegen nur gutgläubiges Werkzeug des Täters gewesen, der die Gläubiger täuschen und zur Annahme eines schädigenden Vergleichs veranlassen wollte, käme versuchter Betrug in mittelbarer Täterschaft durch den Vergleichsverwalter als gutgläubiges

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Roxin Maurach-Festschrift S. 213, 217 f und JuS 1979 11 sowie LK §25 Rdn. 106; Jescheck § 62 IV 1; Rudolphi Rdn. 20; Wessels AT § 14 II 4 a; vgl. auch Schmidhäuser 15/57. Vgl. Roxin LK § 25 Rdn. 106: „Die richtige Lösung muß von der Erkenntnis ausgehen, daß bei mittelbarer Täterschaft ein beendeter Versuch vorliegt, sobald der Hintermann das Geschehen aus der Hand gegeben h a t . . . " Gegenüber dem auf die Tatherrschaftslehre gegründeten Einwand von Schilling S. 109 ff, weist Stratenwerth (Rdn. 839) zutreffend darauf hin, daß keine Eigenhändigkeit verlangt werde, sondern auch das Verhalten eines anderen genüge, das der Täter beherrsche. Frank § 43 II 2 a; Eb. Schmidt Frank-Festgabe Bd. 2 S. 132; von Hippel II S. 475; vgl. auch Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II D 2 b; Gössel JR 1976 250.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Werkzeug in Betracht, wenn der Vergleichsverwalter durch das unrichtige Verzeichnis den Gläubigern bei Verhandlungen über den Vergleich ein falsches Bild über die Lage des Schuldners geben sollte. Der BGH, der von der unzutreffenden Annahme ausgeht, zur Bejahung eines Versuchs bei Benutzung eines Tatmittlers sei es nicht erforderlich, daß der Tatmittler stets selbst tätig werde, will darauf abstellen, „ob die Einzelhandlungen in ihrer Gesamtheit schon einen derartigen unmittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthalten, daß es bereits gefährdet ist und der Schaden sich unmittelbar anschließen kann 7 9 . Das sei dann der Fall, wenn der Täter die gefälschte Aufstellung dem Vergleichsverwalter in die Unterlagen hineingelegt habe, die dieser für seinen unmittelbar bevorstehenden Vortrag bereitgelegt hatte. Dagegen stelle die Beeinflussung des gutgläubigen Tatmittlers nur eine Vorbereitungshandlung dar, wenn erst beim Hinzutreten weiterer Umstände oder nach längerer Zeit eine Wirkung gewollt war. Eine Gefährdung sei zwar im ersten, nicht aber im zweiten Fall gegeben, wo viele Möglichkeiten bestünden, daß der Vergleichsverwalter die unrichtigen Angaben überprüfe, entdecke oder überhaupt nicht verwerte. 103

Abgesehen davon, daß die Begründung nicht stichhaltig ist, überzeugt auch das Ergebnis nicht. Betrug setzt die Täuschung des Verfögenden voraus. Verfügende sind die Gläubiger, nicht der Vergleichsverwalter. Ein unmittelbares Ansetzen zur Täuschung der Gläubiger kommt erst dann in Betracht, wenn der Vergleichsverwalter sich anschickt, die gefälschten Unterlagen den Schuldnern zugänglich zu machen. Die bloße Überlassung der Unterlagen an den Vergleichsverwalter soll die Täuschungshandlung, zu deren Ausführung sich der Täter des Vergleichsverwalters bedient, nur vorbereiten. Deshalb liegt noch kein Betrugsversuch vor, wenn der Vergleichsverwalter die gefälschten Unterlagen aus dem Büro des Gläubigers abholt (so aber Roxin LK § 25 Rdn. 106, weil der Täter damit das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entlasse). Im Falle RGSt. 59 1 ff ist nicht auf den Zeitpunkt der Herstellung des vergifteten Tees abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt des Servierens; der Tatbestand des §229 erfordert das Beibringen von Gift, die Herstellung des vergifteten Getränks ist dafür bloße Vorbereitung (vgl. dazu oben Rdn. 76); dasselbe gilt für das Anbringen einer Brandstiftungsanlage im Hinblick auf § 306; das Verlassen des Hauses stellt noch keine Handlung dar, die im Hinblick auf das Merkmal „Inbrandsetzen" als tatbestandsspezifisch angesehen werden kann. Hat der Täter das Ingangsetzen durch einen gutgläubigen Dritten geplant, dann geht das Anbringen der Anlage in versuchte Brandstiftung über, sobald der Dritte sich anschickt, den Mechanismus (unbewußt) zu betätigen. Der Zeitpunkt des Versuchsbeginns bleibt dann allerdings zunächst (bis zum Eintreffen des Dritten) noch offen, aber das ist unschädlich. Wenn demgegenüber Roxin (JuS 1979 11) meint, daß der Versuchsbeginn im Augenblick der „Tat" festgestellt sein müsse, dann bleibt offensichtlich der für die Begehungsform der mittelbaren Täterschaft maßgebliche Gesichtspunkt der „Gesamttat" außer Betracht, der die Handlung des Werkzeugs mit umfaßt. Opfer und Werkzeug werden als irrende Personen in der Verwirklichung des Tatplans durch den Täter eingesetzt; ihre Handlungen sind ihm als eigene zuzurechnen. Er setzt durch sie zur Tat an (vgl. Otto JA 1980 646). Das Verlassen des Hauses kommt schon deshalb nicht als maßgebendes Kriterium in Betracht, weil es mit dem „Entlassen aus dem Herrschaftsbereich" nicht gleichgesetzt werden kann. Aus der Hand gibt der Täter das Geschehen auch, wenn er sich 79

BGHSt. 4 273 unter Bezugnahme auf BGHSt. 2 380; ebenso schon früher RGSt. 54 254; 69 327, 329. (74)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

im Hause aufhält, sofern er die Anlage nicht ständig im Auge behält und das unbewußte Ingangsetzen durch Dritte jederzeit verhindern kann. Nach der Entscheidung des RG soll auch ausreichen, daß nicht „irgendjemand", sondern „irgendetwas", also auch ein zufälliges Ereignis die Einschaltung des Stroms herbeiführen konnte. Da zufällige Ereignisse sich der Tatherrschaft entziehen, müßte folgerichtig schon das Anbringen der Anlage als Versuch gewertet werden, wenn es auf das Aus-der-Hand-Geben des Geschehens maßgeblich ankäme (zur Kritik an der Unbestimmtheit des Beherrschungskriteriums [welcher Grad von Beherrschungsintensität ist erforderlich?] vgl. Herzberg M D R 1973 92). Unhaltbar ist auch die Entscheidung BGHSt. 30 363 (mit Anm. Hassemer JuS 104 1982 703; Seier JA 1982 369; Geilen JK StGB § 22/7; vgl. dazu auch Küper JZ 1983 361; Kühl JuS 1983 180), in der Versuch in mittelbarer Täterschaft bejaht wird, obwohl die Tatmittler im ersten Fall ihr Vorhaben auf dem Weg zum Tatort aufgegeben hatten, und im zweiten Fall der Tatmittler nur zum Schein auf das Ansinnen des Hintermannes eingegangen war. Versuch liegt erst dann vor, wenn der Tatmittler zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt. Der Gang zum Tatort ist aber allemal nur Vorbereitung, ebenso wie die bloße Einflußnahme auf das Werkzeug. Der Hintermann hat sich in beiden Fällen nicht wegen Versuchs strafbar gemacht, auch nicht wegen eines untauglichen Versuchs. Auch beim untauglichen Versuch muß der Täter unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben ( Jescheck § 50 I 5 a vgl. unten Rdn. 136; entgegen der Auffassung des BGH kann deshalb auch keine Rede von einem fehlgeschlagenen Versuch sein). Dieses objektive Erfordernis kann nicht durch die Vorstellung des Hintermannes ersetzt werden, die Tatmittler würden die Tat begehen, weil sonst allein der böse Wille bestraft würde. Da der Hintermann nur nach seiner Vorstellung die Tatherrschaft inne hatte, handelt es sich strukturell überhaupt nicht um die Frage des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft, sondern um einen Fall versuchter mittelbarer Täterschaft 8 0 . ee) Actio libera in causa. Bei der vorsätzlichen actio libera in causa 81 stellt sich 105 die Frage, ob der Versuch schon mit der Herbeiführung der Handlungs- oder Schuldunfähigkeit oder erst mit dem Ansetzen zur Ausführung der mit Strafe bedrohten Handlung selbst beginnt. Trotz der praktisch geringen Bedeutung erfreut sich das Problem in der Lit. gesteigerter Beachtung, die sich wohl aus der strukturellen Verwandtschaft mit der mittelbaren Täterschaft erklärt: Der Handlungs- oder Schuldunfähige bedient sich für die Tatbestandserfüllung seiner selbst als eines quasimechanischen Werkzeugs (vgl. Welzel § 21 4 b; Jescheck § 40 VI 2; Roxin MaurachFestschrift S. 220). Diese Sicht ist jedenfalls dann richtig, wenn ein Täter sich gezielt betrinkt, weil er in nüchternem Zustand den Mut zur Straftat nicht aufbringt. Denn hier beherrscht er wie ein mittelbarer Täter den Tatablauf, indem er mit Absicht zugleich die Bedingungen für seinen unfreien Zustand wie für die Verwirklichung des Tatbestands herbeiführt. Gleichwohl werden die für die mittelbare Täterschaft vertretenen Auffassungen zur Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch nicht durchweg auf die actio libera in causa übertragen, was nach Roxin (Maurach-Festschrift S. 221) die allgemeine Unsicherheit in diesem Bereich treffend kennzeichnet. 80

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Der Hintermann ist nicht (mittelbarer) Täter, in Betracht kommt nur eine Bestrafung wegen versuchter Teilnahme nach § 30 (vgl. dazu näher Kadel GA 1983 Heft 7). Zur Definition vgl. Jescheck § 40 VI 1 ; zur omissio libera in causa siehe unten Rdn. 114; zum Beginn der Ausführung bei der actio illicita in causa vgl. Lenckner GA 1961 299 ff, 304.

§22 106

2. Abschnitt. Die Tat

Die Meinungen in der Lit. zum Versuchsbeginn bei der actio libera in causa sind in der Tat geteilt. Zum Teil wird der Versuchsbeginn auf den Zeitpunkt der Herbeiführung der Schuldunfähigkeit datiert 82 . Zur Begründung wird auf der Grundlage der Teilaktstheorie geltendgemacht, das Herbeiführen der Schuldunfähigkeit stelle die letzte vor der Tatbestandsverwirklichung liegende (dem Täter zurechenbare) Handlung dar, die weitere Entwicklung des Geschehens entgleite der verantwortlichen Beherrschung des Täters mit dem Eintritt seiner Schuldunfähigkeit, schon in diesem Zeitpunkt habe daher auch sein Tatentschluß „die Feuerprobe der kritischen Situation" bestanden und er damit unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt (Rudolphi SK Rdn. 21). Einem anderen Teil der Lit. geht diese Vorverlegung der Versuchsstrafbarkeit zu weit, weil es vor Ausführung der mit Strafe bedrohten Handlung sowohl an der unmittelbaren Gefährdung des geschützten Rechtsguts als auch an der äußeren Eindruckskraft des Geschehens fehle 83 .

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Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Gegenansicht, die das vorsätzliche Sichberauschen im Bewußtsein des strafbaren Vorhabens genügen lassen will, ist mit der Ansatzformel nicht vereinbar. Das Betrinken — auch wenn es mit dem Vorsatz der späteren Deliktsbegehung geschieht — ist nicht spezifisch für die Verwirklichung des deliktischen Unrechts, wie es sich bei normativer Betrachtung aus dem Verbotssinn des jeweiligen Tatbestands ergibt 84 . Erst wenn der Täter zur Verwirklichung des tatbestandlichen Unrechts des jeweiligen Delikts unmittelbar ansetzt, beginnt der Versuch. Die actio libera in causa bedeutet keine Vorverlegung der tatbestandsmäßigen Handlung ( Jescheck § 49 VII 4 Anm. 59), sondern schließt für den Täter nur die Berufung auf § 20 aus (zum Meinungsstand vgl. die Nachw. bei Puppe JuS 1980 347). Die Zweckkonstruktion der actio libera in causa ändert nichts daran, daß die eigentliche tatbestandsmäßige Ausführungshandlung erst nach Eintritt der Schuldunfähigkeit vorgenommen wird. Vorverlegt ist also nicht die Tat, sondern sind allein die zum Delikt führenden Steuerungsvorgänge (Stratenwerth Rdn. 551). 108 Ausgehend von der Feststellung, daß es sich bei der actio libera in causa um dieselbe Konstellation wie bei der beendeten Täterhandlung und bei der mittelbaren Täterschaft durch Benutzung eines unverantwortlich handelnden Werkzeugs handele, will Roxin unter Anwendung der Gefährdungs- und Beherrschungskriterien den Versuchsbeginn auf den Eintritt der Zurechnungsunfähigkeit ansetzen, weil mit diesem Zeitpunkt die weitere Entwicklung der verantwortlichen Beherrschung des Täters entgleite8^. Seine Lösung ist daher denselben Einwänden ausgesetzt, wie sie 82

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Rudolphi SK Rdn. 21; Roxin Maurach-Festschrift S. 230; Maurach JuS 1961 374; Horn GA 1969 299 f; Dreher-Tröndle § 20 Rdn. 19; Puppe JuS 1980 348 jedenfalls für den Fall völliger Schuldunfähigkeit, während die Herbeiführung verminderter Schuldfähigkeit nur Vorbereitung sein soll. Jescheck §49 VII 4; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 55; vgl. auch Stratenwerth Rdn. 551; Schmidhäuser 15/58 hält beide Lösungen je nach Fallgestaltung für möglich. Vgl. die Bemerkung bei Puppe JuS 1980 347: „Es fällt schwer, das Trinken von Bier und Korn in einer Wirtschaft als Anfang einer Körperverletzung, eines Einbruchs oder einer Vergewaltigung zu betrachten." Roxin Maurach-Festschrift S. 230 mit dem Hinweis darauf, daß hier der Täter noch weniger als bei der mittelbaren Täterschaft mittels eines unverantwortlichen Dritten den Kausalverlauf, der aus seiner Sphäre entlassen ist, wieder einholen und stoppen könne ; zust. Dreher-Tröndle §20 Rdn. 19; Puppe JuS 1980 348, allerdings mit z.T. abweichender Begründung; Preisendanz Anm. 5 d (unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts durch den enthemmten Zustand des zur Tat Entschlossenen); Rudolphi S Κ Rdn. 21 mit Verweis auf Maurach JuS 1961 374, 377; Horn GA 1969 299. (76)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

oben Rdn. 71 ff im Zusammenhang mit dem Scheinproblem des beendeten Versuchs dargelegt worden sind. Die Konsequenzen dieser Ansicht widersprechen der vom Gesetz intendierten Restriktion der Versuchsstrafbarkeit und sind auch kriminalpolitisch unhaltbar. Denn d a n n wäre der Täter wegen Versuchs strafbar, der sich noch gar nicht zum Tatort begeben hat (vgl. das Beispiel bei Maurach JuS 1961 379), u n d er bliebe auch strafbar, wenn er nach Herbeiführung der Schuldunfähigkeit durch äußere Umstände oder Dritte an der Tat gehindert wird, weil er schon mit der Selbstberauschung in das Versuchsstadium eingetreten wäre. ff) Unterlassungsdelikte. Die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch bei 109 den unechten Unterlassungsdelikten 86 bereitet insofern Schwierigkeiten, als die Ansatzformel des § 22 ihrem Wortlaut nach auf Begehungsdelikte zugeschnitten ist (auch wenn sie jetzt, im Gegensatz zur Fassung des früheren § 43, durchaus den Unterlassungsversuch umfaßt, vgl. Herzberg M D R 1973 90). Während die den Begehungsdelikten zugrundeliegenden Verhaltensverbote permanent ein Nichttun bestimmter Art fordern, also mit dem (aktiven) Tätigwerden des Täters ein Anknüpfungspunkt u n d damit ein Beurteilungsobjekt vorliegt, begründen die Verhaltensgebote bei den Unterlassungsdelikten nur eine Verhaltenserwartung als Reaktion auf eine bestimmte Lage. Die Verhaltenserwartung umfaßt den Zeitraum vom Eintritt der die Erfolgsabwendungspflicht begründenden Lage bis zum Erfolgseintritt. Erwartet wird die Erfolgsabwendung. Der Eintritt des Erfolgs ist die (vollendete) Tat des Unterlassungstäters (vgl. Maihofer G A 1958 298). Das Zurückbleiben hinter der Verhaltenserwartung erstreckt sich über die Zeitspanne der aktuellen Geltung des Verhaltensgebots (also vom Eintritt der bestimmten Lage bis zum Erfolgseintritt) ohne erkennbare äußere Zäsur im Verhalten des Täters, das f ü r die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch als A n k n ü p f u n g s p u n k t und damit als Beurteilungsobjekt dienen könnte. Die Fixierung des f ü r den Versuchsbeginn maßgebenden Zeitpunkts ist daher — sofern die Möglichkeit eines Unterlassungsversuchs anerkannt wird 8 7 . Es liegt nahe, den Versuchsbeginn in dem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem 110 die Pflichtversäumnis beginnt. Aber mit dieser Feststellung ist zunächst wenig gewonnen, weil sich die Fragestellung damit nur auf den Beginn der Handlungspflicht verschiebt. Denn pflichtwidrig im strafrechtlich relevanten Sinn wird das Unterlassen gerade dadurch, daß es den Versuchstatbestand verwirklicht. Pflichtwidrigkeit des Unterlassens und Versuchsbeginn fallen bei dem zur Nichtabwendung des Erfolgs Entschlossenen zusammen (vgl. Herzberg M D R 1973 91; Grünwald J Z 1959 46 Anm. 5 a). Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch sei immer schon d a n n überschritten, wenn der Täter die erste ihm mögliche Maßnahme, die zur Vermeidung des Erfolgs sinnvoll u n d tauglich gewesen wäre, mit Tatbestandsvorsatz unterläßt 8 8 . Gegen diese weite Vorverlegung der Versuchsstrafbarkeit des Unterlassens sind mit Recht 86

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Entsprechendes gilt für die echten Unterlassungsdelikte, soweit es sich um Erfolgsdelikte handelt, vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 53 ; bei Unterlassungstätigkeitsdelikten (§ 323 c) gibt es keinen Versuch, weil Untätigbleiben stets Vollendung ist. Vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 60 ff ; eines der umstrittensten Probleme des Unterlassungsversuchs (zum Problem der Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Unterlassungsversuch vgl. § 24 Rdn. 40). Maihofer GA 1958 289 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 II Β 2 b; Herzberg MDR 1973 91 ff; Lönnies NJW 1962 1950 ff.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Bedenken geltend gemacht worden, weil sie auf eine Bestrafung der bloßen bösen Gesinnung hinausläuft, denn der Täter unterläßt zunächst nur etwas, was er ohne Herbeiführung eines Schadens auch später noch tun kann 8 9 . 111

Die Gegenansicht will Versuch erst dann annehmen, wenn der Unterlassende die letzte Eingriffschance verstreichen läßt (A. Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 210 ff; Welzel § 28 AIV). Das Handlungsgebot verlange nur, daß eine der möglichen Rettungshandlungen vorgenommen werde und begnüge sich mit der Durchführung der letztmöglichen Erfolgsabwendungshandlung, denn es komme nur darauf an, daß überhaupt der Erfolg abgewendet werde {Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 215). Das ist aber nur insofern richtig, als es für die Vollendung auf den Erfolgseintritt ankommt; dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, daß die Handlungsanforderung schon früher einsetzt. Auch kriminalpolitische Bedenken drängen sich auf, weil der Versuchsbereich zu sehr eingeschränkt wird. Zudem würde § 24 leerlaufen, weil jede Möglichkeit, den Erfolg noch abzuwenden, schon die Annahme eines Versuchs ausschließen würde (Roxin JuS 1979 13; zu den Konsequenzen in Irrtumsfällen vgl. Herzberg MDR 1973 94).

112

Die h. M. läßt den Versuch in dem Zeitpunkt beginnen, in dem durch Verzögerung der Rettungshandlung eine unmittelbare Gefahr für das geschützte Handlungsobjekt entsteht bzw. eine bestehende Gefahr sich vergrößert 9 0 . Mit dem Eintritt der Gefahr entstehe die Handlungspflicht und jede Verzögerung des Eingreifens sei pflichtwidrig, sofern sich die Gefahr für das Rechtsgut währenddessen steigere, während straflose Vorbereitungshandlung gegeben sei, solange sich die Lage des bedrohten Rechtsguts trotz der Untätigkeit des Verpflichteten nicht verschlechtere.

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Eine im Vordringen begriffene Auffassung hält das Gefahrkriterium allein nicht für ausreichend, sondern will einen Unterlassungsversuch auch schon dann bejahen, wenn eine unmittelbare Gefahr noch nicht besteht, der Täter das Geschehen aber aus seinem Herrschaftsbereich entläßt 9 '. Durch die Einbeziehung des zusätzlichen Kriteriums des „Aus-der-Hand-Gebens" des Geschehens soll die Kongruenz mit den Fällen der beendeten Täterhandlung hergestellt werden. Die dagegen oben Rdn. 73, 101 dargelegten Bedenken gelten auch hier (vgl. auch Meyer ZStW 87 [1975] 606). Das Gesetz bietet für das Beherrschungskriterium keine Grundlage, zudem führt es zu einer unangemessenen Ausdehnung der Versuchsstrafbarkeit, wie das in diesem Zusammenhang häufig angeführte Beispiel zeigt: Der Streckenwärter, der den nachts um zwölf Uhr auf die Gleise gestürzten Betrunkenen nicht wegschleppt, weil er sicher ist, daß der nächste Zug erst morgens um sechs Uhr kommt, begeht auch dann noch keinen Tötungsversuch, wenn er sich nach Dienstschluß um ein Uhr entfernt und den Betrunkenen liegen läßt. Ein Versuch liegt hier erst dann vor, wenn der Streckenwärter nicht so rechtzeitig zurückkehrt, daß er den Betrunkenen vor Herannahen des Zuges noch retten kann. Dem wird entgegengehalten, 89

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A. Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 216; Roxin JuS 1979 12, die übereinstimmend darauf hinweisen, daß nicht einmal die Manifestation einer bösen Gesinnung vorliege: Im Sinne der die Versuchsstrafbarkeit tragenden Eindruckstheorie (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 52 ff) fehle es deshalb an einem rechtserschütternden Eindruck. Blei AT § 86 III 2; Jescheck § 60 II 2 und LK § 13 Rdn. 47; Stratenwerth Rdn. 1058; Sch.Schröder-Eser Rdn. 50; Wessels AT § 16 VI 1. Roxin Maurach-Festschrift S. 232, dem sich inzwischen angeschlossen haben Jescheck § 60 II 2 und LK § 13 Rdn. 47; Lackner Anm. 3; Wessels AT § 16 VI 1; vgl. ebenso schon früher Grünwald JZ 1959 46 ff. (78)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

die Möglichkeit, daß der Streckenwärter bis kurz vor sechs Uhr zu dem noch nicht Gefährdeten zurückkehren und ihn retten könne, beweise nur eine noch bestehende Rücktrittsmöglichkeit, nicht aber ein Verbleiben im Vorbereitungsstadium. Dieser Hinweis begründet aber nicht die Richtigkeit des Einwands, sondern setzt sie voraus. Zugrundeliegen dürfte ihm die Erwägung, anderenfalls könne sich der Strekkenwärter darauf berufen, daß ihm in dem entscheidenden Moment ζ. B. wegen weiter Entfernung die Erfüllung seiner Pflicht unmöglich geworden sei. Indessen ist diese Besorgnis unbegründet, weil der Einwand, die Erfüllung der Handlungspflicht sei unmöglich geworden, gegenüber dem Versuchsvorwurf nicht durchgreift. Durch sein Weggehen hat der Täter sich selbst der Erfüllungsmöglichkeit beraubt, ebenso wie wenn er sich durch vorheriges Sichberauschen um die Rettungsmöglichkeit im entscheidenden Zeitpunkt gebracht hätte. Die Frage der Rettungsmöglichkeit ist auf den Zeitpunkt des Sichentfernens zu beziehen. Dieser Zeitpunkt ist jedoch — wie bei der actio libera in causa der Zeitpunkt des Sichberauschens (vgl. oben Rdn. 108) — vom Versuchsbeginn zu unterscheiden. Auch bei der ommissio libera in causa ist das Versuchsstadium noch nicht damit 114 erreicht, daß der Täter die Fähigkeit verliert, verantwortlich zu handeln (so aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 56; Welp S. 138; wie hier Maurach JuS 1961 377). Folglich beginnt im Falle des Weichenstellers, der sich im Bewußtsein betrinkt, später die Weiche nicht mehr stellen zu können, der Versuchsbereich nicht schon im Augenblick des Sichbetrinkens (so aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 56), sondern erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Zug jeden Augenblick herannahen kann (vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 II Β 2). Zum Beginn des Versuchs bei der sog. actio illicita in causa vgl. Lenckner GA 1961 299 ff. Die richtige Lösung ist auch für den Unterlassungsversuch aus der Ansatzformel 115 abzuleiten. Danach ist zu entscheiden, in welchem Augenblick das Untätigbleiben die Schwelle zum Versuchsstadium überschreitet. In Analogie zum Begehungsdelikt ist das der Fall, wenn bei normativer Betrachtung, die materiell auf den Verbotssinn des jeweiligen Tatbestands abstellt, das Untätigbleiben für den Erfolgseintritt spezifisch wird, d. h. sachlich einer das tatbestandliche Unrecht verwirklichenden Handlung entspricht. Ist die Erfolgsabwendung nur durch eine Handlung in einem bestimmten Zeit- 116 punkt möglich, so liegt Vollendung vor, wenn der Täter in dem entscheidenden Zeitpunkt untätig bleibt. Denn mit der Nichtvornahme der Handlung liegt — sofern der Versuch nicht fehlschlägt — zugleich ein vollendetes Delikt vor (vgl. Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 52). Von mehreren möglichen Rettungshandlungen hat der Täter die zu wählen, die die größten Erfolgsaussichten hat. Nimmt der Täter statt der Rettungshandlung mit der größten Erfolgschance im entscheidenden Zeitpunkt eine weniger aussichtsreiche Rettungshandlung vor, so liegt — wenn er die Möglichkeit des Erfolgseintritts dabei in Kauf nimmt — Versuch vor. Einen Unterlassungsversuch begeht daher nicht nur, wer mit dem Entschluß, dauernd untätig zu bleiben, das entscheidende Stadium verstreichen läßt, sondern auch derjenige ist wegen Versuchs strafbar, der mit dolus eventualis weniger als möglich tut, ζ. B. anstelle einer unaufschiebbaren Operation es bei einer zweifelhaften Therapie bewenden läßt. Steht dem Täter ein längerer, aber genau abgegrenzter Zeitraum zur Vornahme einer Rettungshandlung zur Verfügung (vgl. oben das Beispiel des Strekkenwärters), so liegt Versuch erst vor, wenn der Erfolgseintritt so nahe herangerückt ist, daß das weitere Untätigbleiben qualitativ der Vornahme einer für die Verwirklichung des tatbestandlichen Unrechts spezifischen Handlung entspricht. Das (79)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

ist in dem Beispiel des Streckenwärters dann der Fall, wenn der Zug sich jeden Augenblick nähern kann (im Ergebnis ebenso Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 52). 117 Das eben Ausgeführte gilt jedoch nur, soweit die Rettungshandlung unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme gleich wirksam ist; verliert die Rettungshandlung durch eine spätere Vornahme an Erfolgsaussicht, so daß jedes weitere Zuwarten nach normativer Betrachtung der Tatbestandsverwirklichung durch positives Tun entspricht, so stellt die verspätete Rettungshandlung ein Weniger im Vergleich zu der sofortigen Rettung dar mit der Folge, daß der Täter bei entsprechendem Vorsatz wegen Versuchs strafbar ist. In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall (NJW 1968 212 ff mit Besprechung Ulsenheimer FamRZ 1968 568 ff), in dem Eltern sich geweigert hatten, ihr lebensgefährlich erkranktes Kind durch eine Bluttransfusion retten zu lassen, würde daher Versuch vorliegen, wenn nach den getroffenen Feststellungen der Tod des Kindes „ohne sofortigen Blutaustausch innerhalb kürzester Zeit" drohte (im Ergebnis ebenso Ulsenheimer FamRZ 1968 571; Roxin Mäurach· Festschrift S. 232). 118

Bei Unterlassungen, die sich aus der Nichtvornahme mehrerer gleichartiger, aber zeitlich gebundener Handlungen aufbauen, beginnt der Versuch erst dann, wenn das weitere Untätigbleiben eine für den Erfolgseintritt spezifische Qualität annimmt. Als viel umstrittenes Beispiel dient der Fall, daß die Mutter ihr Kind durch Vorenthalten der Nahrung verhungern lassen will. Ein Teil der Lehre nimmt an, daß schon das Vorenthalten der ersten „fälligen" Mahlzeit einen Tötungsversuch begründe (Maihofer GA 1958 297 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 49 f; Maurach-GösselZipf AT 2 § 41 II D 2 a), während andere den Zeitpunkt für maßgebend halten, in dem die Vorenthaltung der Nahrung das körperliche Wohlbefinden des Kindes nicht nur unerheblich beeinträchtigt, also gesundheitsschädlichen Charakter annimmt, so wie umgekehrt beim Begehungsdelikt auch bei einer durch ratenweise Giftzuführung verwirklichten Begehungstat der Mordversuch mit der ersten gesundheitsschädigenden Giftbeibringung beginne (vgl. Meyer ZStW 87 [1975] 605). Aber auch in diesen Fällen soll Versuch schon vorher bejaht werden können, wenn die Mutter ihr Kind ohne entsprechende Vorsorge im Stich läßt und das Geschehen aus der Hand gibt (vgl. Grünwald JZ 1959 46, 49; Jescheck § 60 II 2; Roxin Maurach-Festschrift S. 231 f; Womelsdorfs. 94 ff).

119

Beide Ansichten sind mit § 22 nicht zu vereinbaren. Sie führen zu einer Vorverlegung der Strafbarkeitsgrenze, die auch kriminalpolitisch nicht zu rechtfertigen ist. Die Qualität einer tatbestandsspezifischen Unterlassung gewinnt das Untätigbleiben erst, wenn die Nichternährung sachlich einem Tötungsdelikt entspricht. Die Vorverlegung der Strafbarkeit auf einen früheren Zeitpunkt würde der Bestrafung des bösen Willens gleichkommen, der sich nach außen nicht manifestiert hat. Das Untätigbleiben ist für sich noch keine ausreichende Manifestation eines Tötungswillens, weil das Verhaltensgebot sich während des Zurückbleibens hinter der Verhaltenserwartung qualitativ ändert. Zunächst wird von der Mutter als Verhaltensgebot nur erwartet, daß sie gesundheitliche Schäden von dem Kind abwendet. Das Untätigbleiben manifestiert daher nur den Verstoß gegen das Verletzungsverbot. Entsprechend der Ansatzformel ist dafür der Eintritt eines Körperschadens nicht erforderlich, es genügt die unmittelbar bevorstehende Schädigung. Mit zunehmender Zeitdauer der Verhaltenserwartung erstreckt sich das Verhaltensgebot auf die Abwendung des Todes, das Unterlassen erhält die Qualität einer Tötungshandlung. Der Hinweis auf die (angebliche) Parallele zur Giftbeibringung in Raten verkennt, daß die den Begehungsdelikten zugrundeliegenden Verhaltensverbote permanent (80)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

ein Nichttun bestimmter Art fordern, während die Verhaltensgebote bei den Unterlassungsdelikten nur eine Reaktion auf eine bestimmte Lage fordern. Zwar gilt das Tötungsverbot generell auch für die Erfolgsherbeiführung durch Unterlassen, aber das daraus folgende Verhaltensgebot setzt eine die Verhaltenserwartung begründende Lage voraus. Erst wenn der Täter ansetzt, hinter der durch die Lage begründeten Erwartung zurückzubleiben, besteht die nach der Ansatzformel erforderliche spezifische Unmittelbarkeitsbeziehung zu einem Tötungsdelikt. Die Gegenansicht verkennt, daß die Abgrenzung von Vorbereitungshandlung 120 und Versuch eine tatbestandsspezifische Frage ist. Strafbarkeitslücken, die kriminalpolitisch zu einer anderen Lösung drängen könnten, entstehen dadurch nicht, weil der gesamte Bereich bis zum Erreichen der für das Leben des Opfers kritischen Situation durch Körperverletzungstatbestände (§§ 223, 223 a, 223 b) abgedeckt ist (vgl. Blei AT § 86 III 2). Allerdings kommt es auch hier nicht darauf an, daß die kritische Situation objektiv vorliegt (so aber Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 54, der den untauglichen Unterlassungsversuch stets für straflos hält), sondern auf die subjektive Vorstellung des Unterlassenden von den Folgen seines Tätigbleibens. Abweichungen vom Täterplan sind allerdings insoweit unerheblich, als sie dem Täter nach den Grundsätzen über den abweichenden Kausalverlauf zum Vorsatz zuzurechnen wären (Blei AT § 86 III 2). Tritt die kritische Situation früher als vom Täter erwartet ein, so liegt gleichwohl Versuch vor, wenn sich das Geschehen noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebensauffassung Voraussehbaren hält und nicht als inadäquat erscheint. Mit dieser Maßgabe ist die Berufung auf den Täterplan sachgerecht zu begrenzen. Nach den gleichen Kriterien ist auch der (der Entscheidung RGSt. 66 71 ff nach- 121 gebildete) Fall zu entscheiden, daß die Eltern das im Walde geborene Kind hilflos liegen lassen und nach Hause gehen, „damit es umkomme" (vgl. dazu Grünwald JZ 1959 49; Roxin Maurach-Festschrift S. 232). Auch hier beginnt der Tötungsversuch noch nicht mit dem Verlassen des Kindes, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem eine für das Leben des Kindes kritische Situation entsteht. Erst wenn die Eltern diesen Zeitpunkt verstreichen lassen, erweist sich ihr „verbrecherischer Wille" als „so stark, wie es zur Vollendung des ( röfMwg\-)Delikts erforderlich ist" (Grünwald JZ 1959 48). Dasselbe gilt für den erfolgsabwendungspflichtigen Unfall verursacher, wenn er 122 sich seiner Rettungspflicht durch Flucht entzieht. Auch hier kommt es entscheidend darauf an, ob und wann das Untätigbleiben zu einer tatbestandsspezifischen kritischen Situation für das Opfer führt. Sieht der Täter bei einem Unfall in den Morgenstunden, daß das Unfallopfer zwar verletzt ist, geht er aber davon aus, daß Todesgefahr allenfalls durch Unterkühlung bei Einbruch der Nacht droht, so stellt das Entfernen vom Unfallort noch keinen versuchten Totschlag dar, auch wenn der Täter den Tod des Opfers in der darauffolgenden Nacht bei seiner Flucht in Kauf nimmt. Im Sinne der Ansatzformel erlangt das Untätigbleiben erst ( Tötungs-)Versuchsqualität, wenn es für den Tatbestand der §§ 212 ff spezifisch ist und deshalb unmittelbar in die Verwirklichung eines Tötungsdelikts übergehen kann. Kehrt der Täter vorher zurück und rettet das Opfer, dann liegt kein Rücktritt vor, das Geschehen ist vielmehr hinsichtlich eines Tötungsdelikts im Vorbereitungsstadium steckengeblieben. Kehrt er nicht rechtzeitig zurück, so bleibt er allerdings wegen Versuchs auch dann strafbar, wenn das Opfer auf andere Weise gerettet werden konnte (untauglicher Unterlassungsversuch). Kehrt er zwar zu einem Zeitpunkt zurück, zu dem nach seiner Vorstellung die Rettung noch Erfolgsaussichten hatte, war das (81)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Opfer aber gleichwohl schon vorher verstorben, dann bleibt der Täter im Rahmen der Grundsätze über Abweichung vom Kausalverlauf (wegen Vollendung) strafbar. Wenn demgegenüber Roxin (Maurach-Festschrift S. 232) meint, es sei unerheblich, ob eine unmittelbare Gefährdung des Opfers schon im Augenblick der Flucht bestehe oder erst bei längerem Ausbleiben der Hilfe eintrete, dann liegt dem ersichtlich die Auffassung zugrunde, mit dem Verlust der „Beherrschung der angelegten Kausalreihe" sei das Vorbereitungsstadium in jedem Fall überschritten. Ein taugliches Abgrenzungskriterium ist damit jedoch nicht gewonnen (vgl. oben Rdn. 73, 101). 123

gg) Nebenstrafrecht. Der Ansatzformel wird gelegentlich zum Vorwurf gemacht, sie sei für Gewaltdelikte entwickelt und zutreffend, dagegen für zahlreiche Wirtschaftsdelikte weitgehend unbrauchbar. Im Wirtschaftsstrafrecht könne die Ansatzformel nur benutzt werden, wenn — entgegen dem Willen ihrer Urheber — weiterhin auf die ernsthafte Gefährdung des geschützten Rechtsguts abgestellt werde (vgl. ζ. B. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht S. 221). Dahinter steht die kriminalpolitische Sorge, die Zurückdrängung der Versuchsstrafbarkeit in Teilbereichen (Zoll- und Embargokriminalität) führe praktisch zur Straffreiheit und damit zu einer Verschlechterung des prozessualen „ersten Zugriffs" (Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht S. 221 und ZRP 1970, 258). In der Tat ist die Neigung der Rechtsprechung unübersehbar, aus kriminalistischen und kriminalpolitischen Gründen den Bereich der Versuchsstrafbarkeit im Nebenstrafrecht weit vorzuverlegen, um zu verhindern, daß die Anwendung und Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen erschwert wird und zielstrebig auf einen Gesetzesverstoß gerichtete Handlungen in das Feld risikoloser Vorbereitungshandlungen verwiesen werden; vgl. BGHSt. 20 150: Versuchtes Ausfuhrvergehen, wenn der Täter Ware auf ein Fahrzeug verlädt, um sie demnächst verbotswidrig über die Grenze zu bringen; BGHSt. 12 54: Versuch nach § 4 Nr. 2 LebensmittelG 1936 ( j e t z t § \η Abs. 1, § 52 Abs. 1 Nr. 9 LMBG), wenn der Täter das verdorbene Fleisch zum Abtransport in die Gaststätte übernimmt (vgl. auch RGSt. 6 46; 14 35; 54 305); BayObLG JR 1978 38 ff mit abl. Anmerkung Hübner: Versuch einer Steuerhinterziehung § 370 AO, wenn der LKW-Fahrer bei der Ausreise mehr Treibstoff angibt, als er mitführt (ebenso OLG Köln VRS 56 455); OLG Karlsruhe JR 1973 425 ff : Versuch der Steuerhinterziehung in Form der sog. Zweckentfremdung (Verdieselung von Heizöl) durch Schaffung eines „kriminellen Apparats", bevor das steuerbegünstigte Heizöl als Dieselkraftstoff abgegeben worden ist (dazu im Ergebnis zust. Tiedemann JR 1973 413; Meine GA 1978 329; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44).

124

Nach der Ansatzformel kommt in Fällen dieser Art nur Vorbereitung in Betracht 92 . Die kriminalpolitischen Bedenken dagegen sind u n b e g r ü n d e t 9 3 . Davon abgesehen reichen auch „zwingende kriminalpolitische Notwendigkeiten" nicht

92

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Vgl. BGH 2 StR 199/81 v. 29. 5. 1981: Führen des Transportfahrzeugs für einen Goldschmuggel nach Deutschland in der Türkei erreicht unter dem Gesichtspunkt der Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer noch nicht das Versuchsstadium; Dreher-Tröndle Rdn. 17; ähnl. Blei JA 1975 101; BGH 5 StR 814/82 v. 25. 1. 1983: Einführung unechter Belege in die Buchhaltung ist nur Vorbereitung nach § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO 1977, auch wenn der Täter später auf deren Grundlage unwahre Bilanzen aufstellt und unrichtige Steuererklärungen abgibt. Jescheck § 49 IV 3 Anm. 35; Lange Strafrechtsreform S. 34 f; Meyer ZStW 87 (1975) 610; Dreher-Tröndle Rdn. 17. (82)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

aus, sich über das geltende Recht hinwegzusetzen 9 4 . Zutreffend daher zu § 29 Abs. 1 Nr. 1 n. F. BtMG B G H NStZ 1983 224. Nicht unbedenklich ist daher die exzessive Auslegung des Begriffs „Handeltrei- 1 2 5 ben" nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BetMG in der Rechtsprechung. Nach Ansicht des B G H soll jede eigennützige, den Umsatz des Betäubungsmittels fördernde Handlung schon das Merkmal „Handeltreiben" erfüllen, ohne daß es zur A n b a h n u n g bestimmter Geschäfte gekommen sein müsse (BGHSt. 29 239, 240; vgl. auch BGHSt. 25 290, 291; BGH N J W 1979 1259; 1980 2204). Bloße Anstrengungen, die dazu führen sollten, in den Besitz des Rauschgifts zu gelangen und es entsprechend der Absprache mit den Lieferanten zu veräußern, stellten ein Tätigwerden dar, das den Absatz des Rauschgifts fördern solle und deshalb auf seinen Umsatz gerichtet sei. Angesichts der begrifflichen Umschreibung der Tatbestandshandlung bestehen schon Bedenken, ob im konkreten Fall überhaupt ein unmittelbares Ansetzen vorliegt; der B G H meint dagegen, mit diesen Anstrengungen habe der Angeklagte nicht nur zur Verwirklichung des unerlaubten Handeltreibens angesetzt, sondern sogar den Tatbestand schon vollendet. Zutreffend wird in BGHSt. 30 277 festgestellt, daß der Diebstahl von Betäubungsmitteln in der Absicht, sie gewinnbringend zu verkaufen, nicht unter den Begriff des „Handeltreibens" falle, weil darunter nur solche Tätigkeiten zu verstehen sind, die „nach natürlicher Betrachtung" dem Tätigkeitsbereich eines Händlers zugerechnet werden können. „ E i n f u h r " bedeutet Verbringen von Waren von außerhalb über die Grenze ins Inland (RGSt. 21 60; 52 26), wobei allerdings im Einzelfall zweifelhaft sein kann, welche Grenze gemeint ist (Hoheitsgrenze des Staatsgebiets, Grenze des Zoll- oder des Wirtschaftsgebiets). Durch den Inhalt ratifizierter zwischenstaatlicher Vereinbarungen k a n n das Zollgebiet der Bundesrepublik (§ 2 Abs. 7 ZollG) erweitert und dadurch der Geltungsbereich eines Gesetzes ausgedehnt werden. Die Einfuhr i. S. des BtMG k a n n daher schon vollendet sein, wenn nach einem Abkommen über die Grenzabfertigung in Zügen während der Fahrt der Einführende in einer bestimmten Grenzzone so behandelt wird, als hätte er die deutsche Staatsgrenze schon überschritten (BGH 2 StR 698/82 v. 21. 1. 1983). Vollendete Einfuhr setzt nicht die Verletzung einer Gestellungspflicht voraus (BGH 5 StR 877/82 v. 22. 2. 1983 mit weit. Nachw.). 3. Fehlen der Vollendung. Neben dem vollen subj. Tatbestand und dem unmittelbaren Ansetzen als obj. Merkmal setzt der Versuch als negatives Element voraus, daß die gewollte Deliktsverwirklichung nicht zu einer dem Täter zurechenbaren vollen Tatbestandsverwirklichung geführt hat. a) Das ist zum einen d a n n der Fall, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg überhaupt ausgeblieben ist. Dabei spielt es keine Rolle, worauf das Ausbleiben des Erfolges beruht, ob der Täter sich eines zur Erfolgsherbeiführung untauglichen Mittels bedient, ob das Angriffsobjekt untauglich war oder ob der Tatbestand wegen fehlender Täterqualität nicht erfüllt ist (zum untauglichen Versuch vgl. unten Rdn. 133 ff). Entscheidend ist allein, daß nicht alle Merkmale des obj. Tatbestandes 94

(83)

Zum Steuerstrafrecht vgl. die ausführliche Übersicht bei Kohlmann Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht § 393 Rdn. 8 ff ; ferner z. T. zu weitgehend Meine GA 1978 321 ff zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuchsbeginn bei der Hinterziehung von Veranlagung- und Fälligkeitssteuern.

126

§22

2. Abschnitt. Die Tat

erfüllt sind. Maßgebend ist also die formelle Vollendung, während es auf die materielle Beendigung der Tat nicht ankommt (zur Unterscheidung zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung vgl. oben vor § 22 Rdn. 20 ff). Allerdings kann mit Rücksicht auf den Grund für die Untauglichkeit des Mittels oder des Objekts Strafmilderung oder sogar Straflosigkeit in Betracht kommen (vgl. dazu unten § 23 Rdn. 28 ff), bei Untauglichkeit des Subjekts stellt sich die Frage der Abgrenzung zwischen strafbarem untauglichem Versuch und straflosem Wahndelikt (vgl. dazu unten Rdn. 153 ff; vgl. auch § 23 Rdn. 32). 127

b) NichtZurechenbarkeit des Erfolges. Dem Ausbleiben des tatbestandsmäßigen Erfolges steht es gleich, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, dem Täter aber nicht zugerechnet werden kann. aa) Dazu gehören die Fälle des Irrtums über den Kausalverlauf, in dem sich die Abweichung des wirklichen vom vorgestellten Kausalverlauf nicht mehr im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält (wesentliche Abweichung) und der Erfolgseintritt dem Täter daher nicht als vorsätzlich herbeigeführt zugerechnet werden kann. Es liegt dann insoweit ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum vor, der die Bestrafung wegen Versuchs aber nicht ausschließt, weil der Irrtum nur den Weg zum Erfolg betrifft ( Jescheck § 29 V 6 b), den Tatentschluß aber unberührt läßt. Fehlt dagegen ein zum subj. Tatbestand gehörendes Element, wie ζ. B. die Täuschungsabsicht bei § 267, so entfällt damit zugleich der Tatentschluß, der außer dem Vorsatz auch alle anderen subj. Unrechtselemente umfaßt (vgl. dazu oben Rdn. 22).

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bb) Mangels Zurechnung kommt trotz Erfolgseintritts eine Bestrafung aus dem vollendeten Delikt auch dann nicht in Betracht, wenn der Täter nach Versuchsbeginn schuldunfähig wird und erst sein weiteres Handeln im Zustand der Schuldunfähigkeit zur Tatbestandsverwirklichung führt (BGHSt. 7 325 ff; 23 133 ff mit zust. Anm. OehlerJZ 1970 378 ff; BGHSt. 23 356, 358 mit krit. Anm. Geilen JuS 1972 73), sofern dem Täter der in schuldunfähigem Zustand bewirkte tatbestandsmäßige Erfolg nicht aufgrund seiner noch in schuldfähigem Zustand vorgenommenen Versuchshandlungen als vorsätzlich bewirkt zugerechnet werden kann (Rudolphi SK Rdn. 22; zum Versuchsbeginn bei der actio libera in causa vgl. oben Rdn. 105 ff).

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cc) Ferner scheidet eine Zurechnung des Erfolges trotz Erfolgseintritts jedenfalls vom Standpunkt der Lehre von den subj. Rechtfertigungselementen aus, wenn der Täter die obj. vorliegende Rechtfertigungslage nicht erkannt hat. In diesen Fällen verwirklicht der Täter zwar den Tatbestand der Strafvorschrift einschl. des Erfolges, der Erfolg wird jedoch wegen der obj. gegebenen Rechtfertigungslage von der Rechtsordnung nicht mißbilligt, so daß der Eintritt des Erfoigsunrechts zu verneinen ist. Damit ist eine der NichtVollendung vergleichbare Rechtslage gegeben: Der tatbestandsmäßige Erfolg als solcher ist zwar nicht ausgeblieben, aber er kann nicht als Unrecht bewertet und dem Täter zugerechnet werden (vgl. dazu unten Rdn. 140). Davon zu unterscheiden sind die Fälle des sog. umgekehrten Rechtfertigungsirrtums (der Täter kennt die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes nicht oder verkennt seine Grenzen), der zum Wahndelikt führt (vgl. dazu unten Rdn. 150). Erst recht liegt kein Versuch, sondern ein Wahndelikt vor, wenn der Täter zu einer „Tat" ansetzt, die er für strafbar hält, während sie in Wirklichkeit schon straftatbestandlich nicht erfaßt ist. (84)

Begriffsbestimmung (Vogler)

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4. Rechtswidrigkeit und Schuld. 130 Beim Versuch ergeben sich keine Besonderheiten für Rechtswidrigkeit und Schuld gegenüber dem vollendeten Delikt 9 5 . Die abweichende Meinung von Nowakowski (Lehrbuch des österr. Strafrechts [1955] S. 89 und JZ 1958 336) beruht auf dessen Verständnis vom Wesen der Rechtswidrigkeit. Nach seiner Ansicht liegt beim strafbaren Versuch nur der Versuch eines rechtswidrigen Handelns, also selbst kein rechtswidriges Handeln vor; der Täter versuche nur, die Rechtsordnung zu verletzen, verstoße aber in Wirklichkeit nicht gegen diese, sondern vergehe sich nur gegenüber der Bestimmungs-, nicht auch der Bewertungsnorm. Diese Auffassung ist mit der herrschenden Imperativentheorie, nach der der Handlungswille das Kernstück der Rechtswidrigkeit einer Tat ist, nicht vereinbar; davon abgesehen führt sie zu kaum lösbaren Problemen bei den Rechtfertigungsgründen (vgl. Baumann § 32 II 3 ; zur Rechtswidrigkeit des Versuchs auch Jescheck § 24 III 4 d). 5. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit. 131 Versuchsbestrafung scheidet ebenso wie Bestrafung wegen eines vollendeten Delikts aus, wenn der in Betracht kommende Tatbestand die Bestrafung vom Eintritt einer obj. Bedingung abhängig macht, die Bedingung jedoch nicht eingetreten ist (zu den Konsequenzen für ein „Rücktrittsverhalten" vgl. § 24 Rdn. 1). Das folgt aus der Natur der (echten) objektiven Bedingungen der Strafbarkeit, die zwar nicht die Strafwürdigkeit einer Tat berühren, ohne deren Vorliegen der Gesetzgeber jedoch ein Strafbedürfnis verneint. Die obj. Bedingungen der Strafbarkeit stehen zwar in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tat, sie gehören jedoch weder zum Unrecht noch zur Schuld ( Jescheck § 53 I 1 mit zahlreichen Nachw.). Für die Frage der Strafbarkeit kommt es allein darauf an, ob die jeweilige Bedingung im konkreten Fall vorliegt oder nicht. Ob der Täter sie gekannt hat oder ihren Eintritt voraussehen konnte, ist unerheblich. Da sie außerhalb des Tatbestands stehen, braucht sich der Vorsatz des Täters nicht auf sie zu erstrecken. Umgekehrt kann der Täter auch nicht wegen Versuchs bestraft werden, wenn er an das Vorliegen oder den Eintritt der obj. Bedingung geglaubt hat, während sie in Wirklichkeit fehlte oder ausgeblieben ist. Sind ζ. B. die Voraussetzungen eines Versuchs nach § 104 erfüllt, so kann der Täter — abgesehen vom Strafverlangen der ausländischen Regierung und der Ermächtigung der Bundesregierung — nicht wegen Versuchs nach Abs. 2 bestraft werden, selbst wenn er irrtümlich davon ausgegangen ist, die Bundesrepublik unterhalte zu dem Auslandsstaat diplomatische Beziehungen und die Gegenseitigkeit sei verbürgt; andererseits steht seiner Bestrafung nicht entgegen, daß er vom Vorliegen der Bedingungen keine Kenntnis hatte. III. Kasuistik Rechtsprechungsübersicht zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch 132 § 120: Versuch bei Betreten der Haftanstalt mit versteckten Sägeblättern, BGHSt. 9 62 ff; a. A. Lackner Anm. 1 b cc, Rudolphi SK Rdn. 15; Roxin JuS 1979 5. § 154: Versuch bei Irrtum über die gerichtliche Zuständigkeit zur Eidesabnahme, BGHSt. 3 248, 253; § 156: Versuch, wenn sich der Täter Tatsachen vorstellt, aufgrund deren er die an sich unzuständige Behörde für zuständig hält, BGHSt. 1 13, 15; dazu krit. Mezger JZ 1951 179. § 173 a. F.: Versuch durch Anfassen und Zure95

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Nahezu einhellige Meinung vgl. z. B. Baumann § 32 II 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59 a; zur Prüfung der Rechtswidrigkeit im Deliktsaufbau des Versuchs Kühl JuS 1980 125 mit weit. Nachw.

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2. Abschnitt. Die Tat

den, um die Tochter für den unmittelbar beabsichtigten Beischlaf gefügig zu machen, R G H R R 1937 1426. § 175 a. F.: Versuch durch verstärkende Einwirkung auf Jugendlichen, um dessen sittliche H e m m u n g zu zerstören und Lustgefühle zu wecken, um daraufhin eine Verabredung f ü r den Abend zu treffen, RGSt. 71 47, 48. § 176 a. F. : Versuch der Verleitung setzt Beginn der Einwirkung des Täters auf den Willen des Kindes voraus, BGH 3 StR 48, 51 vom 12. 3.1951 — Versuch bei Heben des Kindes auf den Tisch, um unzüchtige Handlungen vorzunehmen, R G D 198/24 vom 22. 4.1926 — Versuch durch Verabredung mit dem Kind, um es beim späteren Zusammentreffen zu mißbrauchen, BGHSt. 6 302; ähnlich R G D R 1939 363; a. A. schon für die alte Rechtslage Rudolphi SK Rdn. 16, anders auch: B G H bei Daliinger M D R 1974 545 (zust. Lackner Anm. 1 b bb), O L G Celle N J W 1972 1823 mit Besprechung Rudolphi JuS 1973 20; O L G Oldenburg M D R 1963 155; O L G H a m m J m B l N R W 67 238, Roxin JuS 1973 329 — Versuch bei bereits erfolgtem Verbringen des Kindes an den zukünftigen Tatort, RGSt. 52 184; zust. Lackner Anm. 1 b aa, Roxin JuS 1979 8, Dreher-Tröndle Rdn. 16; B G H 2 StR 798/78 vom 7. 3.1979, zust. Lackner Anm. 1 b aa, Kühl JuS 1980 811 — Versuch bei gewaltsamem Verbringen des Opfers an den Tatort, R G H R R 1939 Nr. 1136 — Versuch bei Aufforderung an zwei kleine Mädchen, ihre Hosen zu zeigen, BGHSt. 1 20 — Versuch, wenn ein Sexualtäter ein Kind zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen zu überreden sucht, B G H 1 StR 108/74 vom 11. 6. 1974; a. A. Lackner 1 b cc — Versuch, wenn der Täter mit dem Kind ein Kino besucht, um das Kind danach zu mißbrauchen, BGH G A 1966 146; a. A. Lackner Anm. 1 b cc; Dreher-Tröndle Rdn. 16 — Vorbereitung bei Herumlungern auf dem Kinderspielplatz zwecks Kontaktaufnahme, OBGer. Basel, Rechtsprechung 1944 Nr. 121; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45. §§ 180 ff: Versuch durch Anbieten der Ehefrau zur Unzucht R G JW 1935 2734 — Versuch bei Vorschubleisten durch Vermittlung, BGHSt. 1 115; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13 — Versuch der Zuhälterei durch Gewalttätigkeiten gegenüber einer der Prostitution nachgehenden Frau, BGHSt. 19 350; Vorbereitung bei erfolgloser Aufforderung zur Prostitution, BGHSt. 6 98; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45, Dreher-Tröndle Rdn. 14, Lackner Anm. 1 b bb. §§ 211 ff: Versuch bei Auflauern zwecks Tötung, B G H 1 StR 109/53 vom 17. 3. 1953 — Versuch bei Lauern vor der Tür oder in den Räumen des Opfers, wenn dieses nach den Tätervorstellungen sogleich heraus- bzw. hereintreten wird, RGSt. 77 1, B G H LM Nr. 22 zu § 211 ; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, Lackner Anm. 1 b aa — Versuch durch Beibringen von Morphium, um das Opfer während der Bewußtlosigkeit zu töten, RGSt. 59 157; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12 — Versuch bei Anlegen des geladenen, noch nicht gespannten Revolvers, RGSt. 59 386; zust. Lackner Anm. 1 b aa, Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44 — Versuch bei bloßem Ergreifen des geladenen und noch nicht gespannten Revolvers, RGSt. 68 339; abl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44 — Versuch bei Erheben des Beils, um zuzuschlagen, R G J W 1927 976; vgl. aber differenzierend B G H bei Holtz M D R 1980 271 — Versuch bei Herausziehen des geladenen Revolvers, der am Taschenfutter hängen bleibt, RGSt. 68 336; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12, Lackner Anm. 1 b aa — Versuch bei Herantreten an das Opfer auf Reichweite mit bereitgehaltenem Werkzeug, R G J W 1925 1495. §§ 218 ff: Versuch bei Einsetzen eines Gebärmutterspiegels durch den Arzt unmittelbar vor dem Beginn des Schwangerschaftsabbruchs, BayOblG 53 154; zust. Lackner Anm. 1 b aa, Dreher-Tröndle Rdn. 12 Versuch bei Untersuchung einer Frau über Notwendigkeit und Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs unmittelbar vor Beginn entsprechender Handlungen, B G H bei Daliinger M D R 1953 19, zust. Lackner Anm. 1 b a a ; a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45 — Versuch durch Untersuchung einer Frau als Vorbereitung eines (86)

Begriffsbestimmung (Vogler)

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Schwangerschaftsabbruchs, OLG Hamm DRZ 1950 236, zust. Lackner Anm. 1 b aa; a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 16 — Vorbereitung bei erfolgloser Aufforderung zur Abtreibung, BGHSt. 4 17; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45. §229: Versuch durch Vergiften des zugedachten Tees RGSt. 59 1; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12 — Versuch durch Gewaltanwendung, um Gift einzuflößen, RG JW 1925 973 — Versuch bei Vermischen noch nicht zubereiteter Pilze mit einem Giftpilz, RG JW 1936 513, a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 16. §§ 242 ff: Versuch, wenn jemand ein Zimmer betritt, aus dem er sofort stehlen will, selbst wenn die diebische Absicht noch nicht auf bestimmte Sachen konkretisiert ist, BGH 1 StR 343/59 vom 2. 9.1959, zust. Lackner Anm. 1 b aa — Versuch durch Eindringen, um zu stehlen, RGSt. 54 254; 70 201, 203; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12 — Versuch durch Eindringen, um nach Stehlenswertem zu suchen, OLG Hamm M D R 1976 155 = NJW 1976 119; zust. DreherTröndle Rdn. 12, Lackner Anm. 1 b aa; Hillenkamp M D R 1977 242 — Versuch bei Betreten des Hofs, um zu stehlen, RG JW 1922 1019 — Versuch bei Betreten des Raums, wenn dadurch der unmittelbare Zugriff möglich wird, RGSt. 54 44, vgl. ähnlich RGSt. 54 182, 254, 328; ferner RG H R R 1936 930, JW 1922 225, OLG Hamm JmBlNRW 1976 20; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, Dreher-Tröndle — Rdn. 12 — Versuch bei Anhalten eines Güterzugs, um daraus zu stehlen, OGHSt. 2 157; zust. Lackner Anm. 1 b aa, Dreher-Tröndle Rdn. 12 — Versuch bei Untersuchung einer Tür auf die beste Einbruchsmöglichkeit, BGH bei Daliinger M D R 1966 892; a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45, krit. auch Lackner Anm. 1 b aa — Versuch bei Bestechung des Wächters, um sofort aus dem dann unbewachten Raum zu stehlen, RGSt. 55 191 ; zust. Lackner Anm. 1 b aa — Versuch bei Überwindung eines zur Sicherung aufgerichteten Hindernisses, Täter will ins Wohnhaus, gelangt aber nur bis in die Scheune, RGSt. 43 332 — Versuch bei Untersuchung der Lenkradsperre durch Rütteln an den Vorderrädern des Fahrzeugs, das unbefugt in Gebrauch genommen werden soll, BGHSt. 22 80, 82; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13, Rudolphi SK Rdn. 16; a. A. Sch.-Schröder-Eder-Eser Rdn. 45 — Versuch bei Wegführen des Wachhundes zur Beseitigung des Diebstahlshindernisses, RGSt. 53 217; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13; differenzierend Roxin JuS 1979 6; Preisendanz Anm. 4 b, Rudolphi SK Rdn. 17, ebenso Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, der Vorbereitung dann annimmt, wenn das Vergiften des Hundes oder Anketten an anderer Stelle nur dem Eindringen in das Haus dient — Versuch, wenn sich der Trickdieb im Juwelierladen Schmuckstücke vorlegen läßt, BGH 4 StR 404/77 vom 6. 10. 1977; zust. DreherTröndle Rdn. 13, Lackner Anm. 1 b aa; krit. Kühl JuS 1980 813 — Versuch bei Anbringen des Pflasters zum geräuschlosen Eindrücken des Fensters, RGSt. 54 35; zust. Lackner Anm. 1 b aa, Dreher-Tröndle Rdn. 12 — Versuch durch Rückbeförderung eines Eisenbahnwagens, um dessen Inhalt an sich bringen zu können, RGSt. 53 336, 339; vgl. RGSt. 54 331, wonach Wegnahme des Frachtbriefes zu gleichem Zweck nicht genügt — Versuch bei Aufstellung des sichernden Komplizen, während die anderen das zu plündernde Schaufenster mustern, OLG Köln OLGSt. § 22 Nr. 1 ; krit. Kühl JuS 1980 654 — Versuch, wenn der Taschendieb die Hände in Hüfthöhe zwischen die sich im Omnibus drängenden Fahrgäste schiebt, um sogleich in deren Taschen zu greifen oder diese nach deren Inhalt abzutasten, BGH bei Daliinger M D R 1958 12; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, Dreher-Tröndle Rdn. 13 — Versuch, wenn der Einbrecher die Gitterwinde zum Auseinanderbiegen der Fenstersicherung angesetzt hat, BGHSt. 2 380; anders Dreher-Tröndle Rdn. 16; Roxin JuS 1979 5; Lackner Anm. 1 b cc mit Hinweis auf Rudolphi JuS 1973 20, 24; krit. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, der bei bloßem Bereitlegen des Werkzeuges am Tatort für die kommende Nacht jedenfalls Vorbereitung annimmt — Versuch, (87)

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2. Abschnitt. Die Tat

wenn das Opfer erwartet wird, um die von diesem abzustellende Tasche zu stehlen, BGH 1 StR 276/78 vom 25.7. 1978; zust. Kühl JuS 1980 654 - Vorbereitung bei Vorfahren vor dem Haus, in das eingebrochen werden soll, BGH 1 StR 467/65 vom 14. 12. 1965; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 15 — Vorbereitung bei Beschaffung von Nachschlüsseln für ein Kfz, BGHSt. 28 162; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; Dreher- Tröndle Rdn. 15 ; Hürxthal LM Nr. 2 ; Lackner Anm. 1 b bb ; Sonnen JA 1979 334 — Vorbereitung, wenn ein Kraftfahrer einem anderen nachfährt, um diesem Geld wegzunehmen, welches der Verfolgte erst noch bei Dritten kassieren wird, BGH bei Daliinger MDR 1973 900; zust. Lackner Anm. 1 b bb. §§ 249 ff: Versuch bei Lauern auf und konkreter Gefahr für das Opfer, BGH NJW 1954 567, BGH 1 StR 276/78 vom 25.7.1978; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; Dreher-Tröndle Rdn. 16; Kühl JuS 1980 654 — Versuch nach Auflauern und tätiger Beziehung zum Opfer, BGHSt. 26 201, 203; a. A. Lackner Anm. 1 b cc — Versuch bei angriffsbereitem Auflauern mit der Pfeffertüte, um das Opfer zu blenden, BGH NJW 1952 514 mit krit. Anm. Mezger; a. A. auch Roxin JuS 1979 6; — Versuch bei Beobachten des Tatorts, vergeblichem Warten auf das Opfer und „ungewisser" Sachlage, BGH 4 StR 117/76 vom 29. 4. 1976; a. A. Kühl JuS 1980 813 - Versuch, wenn der Täter auf das Opfer wartet, das nach seiner Vorstellung auf dem Wege ist, es sich jedoch tatsächlich um eine „uninteressante" Person handelt, BGH 1 StR 762/75 vom 9. 12. 1975; zust. Kühl JuS 1980 813 — Versuch, wenn der Täter maskiert und bewaffnet an einer Tankstelle läutet, um den Tankwart zu berauben, BGHSt. 26 201 = MDR 1976 57; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13; D. Meyer JuS 1977 19; Kohlhaas LM Nr. 1; Blei JA 1976 101; Roxin JuS 1979 6; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; krit. Otto NJW 1976 578; Gössel JR 1976 249; Rudolphi SK Rdn. 15 - Versuch bei Betreten des Ladens und Abschließen der Ladentür zu Raubzwecken, RGSt. 69 327 — Versuch, wenn der Täter einen Kraftwagen in Raubabsicht zu Rad verfolgt, RG H R R 1936 1204 — Versuch bei Angriff auf den Begleiter des zu beraubenden, BGHSt. 3 297; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; Lackner Anm. 1 b aa; Roxin JuS 1979 6 — Versuch durch Betätigen der Lichthupe, um Komplizen zu Geldtransportraub Signal zu geben, BGH bei Holtz M D R 1977 807; krit. Kühl JuS 1980 652 Versuch bei mehraktigen Delikten mit Beginn der ersten Handlung (RGSt. 69 327, 329), sofern die weitere unmittelbar folgen würde; so auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44 — Versuch, wenn der Täter in Raubabsicht einen Nagel in den Reifen eines Geldtransportfahrzeugs einschlägt, BGH NJW 1980 1759; zust. DreherTröndle Rdn. 13 — Versuch, wenn der bewaffnete Täter in Raubabsicht in eine Bank eindringt, während Komplizen im Fluchtauto startbereit mit laufendem Motor warten, BGH GA 1980 24; vgl. zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13 — Vorbereitung bei bloßem Lauern auf das noch nicht anwesende Opfer, BGH bei Daliinger MDR 1973 728; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45 — Vorbereitung bei Klingeln an der Haustür des erst im Anschluß an homosexuelle Kontaktaufnahme gemeinsam mit Komplizen zu Beraubenden, KG GA 1971 54; zust. Sch.-Schöder-Eser Rdn. 45; Lackner Anm. 1 b bb ; abl. Otto JA 1980 643 ; vgl. Dreher- Tröndle Rdn. 15 : Tatfrage — Vorbereitung bei versuchtem oder bereits erfolgtem Einbruch in ein Gebäude, um dort dem erst in Stunden zu erwartenden Opfer aufzulauern, solange dieses sich nach der Tätervorstellung dem Tatort noch nicht unmittelbar genähert hat, BGH bei Daliinger M D R 1971 362; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45 — Vorbereitung bei Vorfahren vor die Bank, noch ohne die Waffen hervorgeholt und die Masken übergestreift zu haben, BGH bei Holtz M D R 1978 985; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; Dreher-Tröndle Rdn. 15; Lackner Anm. 1 b bb. § 257: Vorbereitung durch Vorfühlen, ob Bereitschaft zur Begünstigung besteht, in BGHSt. 29 299 nicht mit (88)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

abgedruckt, zit. nach Dreher-Tröndle Rdn. 15. § 258: Vorbereitung, wenn der Täter zusagt, als Zeuge vor Gericht zugunsten des Angeklagten falsch auszusagen, OLG Hamburg JR 1981 158 mit zustimmender Anm. Rudolphi. § 259: Versuch, wenn ein Hehler mit dem Dieb über den Preis der Beute verhandelt, BGH bei Dallinger MDR 1971 546, zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13. § 263: Versuch bei Stempelung defekter Fabrikate als vorschriftsmäßig beschaffen, RGSt. 51 341 — Versuch bei Vorlegung eines falschen Wechsels zum Diskont als unmittelbar auf Täuschung gerichtete Handlung, RGSt. 70 151, 157; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; DreherTröndle Rdn. 12; vgl. ähnlich BGH GA 1956 355 — Versuch durch Aufladen von Säcken mit Mindergewicht zur sofortigen Ablieferung beim Käufer, OLG Köln NJW 1952 1066; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12, 13 — Versuch durch Dingen eines Gehilfen für den Betrug, RGSt. 77 172; ähnlich RG DR 1943 1179, wenn der Täter einen Gehilfen zu gewinnen sucht; a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 16 — Versuch durch Anzeigen des „Schadens" bei der Versicherung, BGH 2 StR 429/82 v. 17. 12.1982 — Vorbereitung, wenn der Täter versicherte Sachen beiseiteschafft, um sie der Versicherung als gestohlen zu melden, BGH NJW 1952 430; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 15; Lackner Anm. 1 b bb; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; ähnlich RG H R R 1939 Nr. 1273; anders RGSt. 72 66 — Vorbereitung bei der Simulierung eines KfzUnfalls, um die Versicherungssumme zu kassieren, OLG Koblenz VRS 53 27; zust. Kühl JuS 1980 650 f ; Versuchter Prozeßbetrug bei Einreichen der Klageschrift oder vorbereitender Schriftsätze mit bewußt unwahrem Parteivorbringen, sofern diese vom Richter zur Kenntnis genommen werden, OLG Bamberg NStZ 1982 247; anders die h. M., vgl. dazu oben Rdn. 62. Soweit § 652 BGB Anwendung findet, ist versuchter Betrug erst dann gegeben, wenn der Auftraggeber Handlungen vornimmt, die nach seiner Vorstellung unmittelbar zum Abschluß des nachgewiesenen oder vermittelten Geschäftsführen, BGHSt. 31 178, 182 f, vgl. dazu oben Rdn. 35 a — Vorbereitung, wenn eine unechte Urkunde zur späteren Täuschung im Rechtsverkehr angefertigt wird, RGSt. 58 211, 213 — Vorbereitung bei Bemühung um die Erlangung unechter Fahrscheine bzw. beim Erwerb falscher Fahrscheine zwecks späterer Täuschung RGSt. 64 130; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 14 — Vorbereitung bei Herstellung von Weinverschnitt zwecks betrügerischen Absatzes, RGSt. 72 276, 283 — Vorbereitung, wenn jemand betrügerisch angebliche Blindenware an Firmen anbietet, zu denen er keine Geschäftsbeziehung hat, BGH 4 StR 452/61 v. 19.1. 1962; zit. nach und a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 13. § 267: Versuch bei Herstellung eines Urkundenformulars als Blankett in der Absicht der Verfälschung und des Gebrauchmachens, RGSt. 56 204, 206 — Versuch durch Drucken von Führerscheinen mit Siegel und falscher Unterschrift ohne sonstige Eintragung, BGH bei Holtz M D R 1978 625 — Versuch durch Annahme von gefälschten Kfz-Papieren, um unter Gebrauchmachen davon Autos zu verschieben, OLG Koblenz VRS 55 428; differenzierend KühlJuS 1980 651 — Versuch bei Vorlage von selbstgefertigten „Abschriften", um damit Ausstellung von „Zweitschriften" des angeblichen Originals zu erwirken, OLG Hamm NJW 1977 640; differenzierend Kühl JuS 1980 650 — Vorbereitung bei Herstellen des Holzstockes und Anfertigen eines bloßen Probestücks auf andersfarbigem Papier zur Herstellung einer falschen Urkunde auf mechanischem Wege, RGSt. 13 212, 214 — Vorbereitung bei Vorzeigen der unechten Urkunde, nur um deren Abschrift zu vergleichen, RGSt. 58 211, 213 — Vorbereitung bei bloßem Beisichtragen eines gefälschten Führerscheins, um ihn im Falle einer Verkehrskontrolle vorzuzeigen, BGH bei Holtz M D R 1976 987; zust. Lackner Anm. 1 b bb; Dreher-Tröndle Rdn. 14; a. A. D. Meyer MDR 1977 444. §§303 ff: Versuch durch Bemühung um den Zugang zu der zu beschädigenden Sache, KG JW (89)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

1923 313 — Versuch, wenn der Täter die Demarkationslinie in Berlin überschreitet, um ein kurz dahinter liegendes Warnschild mit bereitgehaltener Farbsprühdose zu beschädigen, BGH NJW 1975 1610; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 13; krit. Schroeder NJW 1976 490. §§ 306 ff : Versuch durch Ausgießen von Benzin, um es sofort anzustecken, O G H D R Z 1950 235; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 12 - Vorbereitung bei Herrichten einer Brandstiftungsanlage, wenn der notwendige Zündstrom erst später durch einen Beteiligten eingeschaltet werden soll, RGSt. 66 141. § 350: Vorbereitung bei Öffnen des der Post anvertrauten Briefs, um sich erst dessen Inhalts zu vergewissern, RGSt. 65 145, 148. § 69 Ziff. 1, 3 DevisenG 1938: Vorbereitung, wenn die ausländischen Zahlungsmittel noch nicht in die Verfügungsgewalt des Täters gelangt sind und es unsicher bleibt, ob die künftige Beschaffung gelingen wird. § 69 Ziff. 4, § 16 DevisenG 1938: Versuch bei Übergabe von Devisen an einen anderen zur Verschiebung ins Ausland, RGSt. 74 6 — Versuch durch Aufsuchen eines Flugplatzes, um mit dem Flugzeug Devisen ins Ausland zu bringen, RG D 270, 25 v. 6. 6.1925 — Versuch durch Besteigen eines Zuges, um Devisen ins Ausland zu bringen, RG H RR 1935 63 — Versuch bei Verpacken von Zahlungsmitteln in einem Koffer, RG H R R 1940 320 — Versuch durch Banküberweisung, um Devisen ins Ausland zu bringen, RG H R R 1935 1288 — Versuch durch Ansammeln und Verborgenhalten von Zahlungsmitteln, um sie im Tank des Kraftwagens ins Ausland zu bringen, RG DStR. 40 152 — Versuch durch Beschaffen eines hochwertigen Ersatzgegenstandes im Inland, RG DR 1940 906 — Versuch beim Hinbewegen zur Grenze zwecks Verschiebung von Devisen ins Ausland, RGSt. 68 419; ähnlich RGSt. 75 98; RG JW 1936 47 - Versuch durch Einnähen von Zahlungsmitteln in den Fußsack eines Autos, um diese ins Ausland zu schmuggeln, RGSt. 71 53 ; a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; Rudolphi Rdn. 14. §69 Ziff. 4, §14 DevisenG 1938: Versuch durch Übernahme von Wertpapieren, deren Gegenwert ins Ausland verschoben werden soll, zur Veräußerung im Inland, RGSt. 71 152. §§ 69 Ziff. 4, § 15 DevisenG 1938: Versuch durch Bereitlegen des Geldes zur Abholung durch einen Ausländer. §§ 196 ff RAbgO: Versuch durch Hinschaffen der Ware und Hingehen zur Grenze, BGH ZfZ 1954 54 — Versuch der Zollhinterziehung bei Annäherung an die Grenze, BGHSt. 4 333; 7 291; BGHSt. 20 150; zust. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44, Lackner Anm. 1 b aa; a. A. Roxin JuS 1979 5 — Vorbereitung durch bloßen Bezug von Rohstoffen zur Schwarzbrennerei, RGSt. 61 71 — Vorbereitung bei bloßer Einrichtung einer Branntwein-Schwarzbrennerei, RGSt. 66 154. §§392 ff AO a. F., § 370 I, II AO 1977: Versuch, wenn zwecks Hinterziehung von Einfuhrabgaben zunächst die Ausfuhrbehörde getäuscht wird, BayObLG JR 1978 38; abl. Anm. Hübner, a. A. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; ähnlich wie BayObLG auch OLG Köln VRS 56 455; abl. Dreher-Tröndle Rdn. 17, krit. auch Kühl JuS 1980 653, 815 — Versuch der Steuerhinterziehung durch Verkauf von Heizöl als Dieselkraftstoff, wenn das entsprechende Geschäft nur noch von zwei Telefongesprächen abhängt, OLG Karlsruhe JR 1973 425; nur im Ergebnis zust. Tiedemann JR 1973 412. § 370 III, IV AO 1977: Vorbereitung, wenn der Täter unechte Belege in seine Buchhaltung einführt, auch wenn er später auf deren Grundlage unwahre Bilanzen aufstellt und unrichtige Steuererklärungen abgibt (BGH M DR 1983 422). §401 a RAbgO: Versuch bei Heranschaffen des Ausfuhrguts an die Grenze, RGSt. 49 308 — Versuch durch Absenden einer Ware in Richtung Grenze, RGSt. 58 359. § 34 I AWG vom 28.4.1961 : Versuch durch Beladen eines Fahrzeugs, um die Ware unter Verletzung des AWG alsbald über die Grenze zu bringen, BGHSt. 20 150; a. A. Lackner Anm. 1 b cc; Dreher-Tröndle Rdn. 17, J. Meyer, ZStW 87 (1975) 610, krit. auch Sch.Schröder-Eser Rdn. 44. § 4 Nr. 2 LebMG: Versuch durch Übernahme von verdorbe(90)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

nem Fleisch durch einen Gastwirt, um es in seiner Gaststätte zuzubereiten und anzubieten, BGHSt. 12 54, ähnlich RGSt. 6 46; 14 35; a. A. Dreher-Tröndle Rdn. 17, krit. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44. § 11 I Nr. 1 BtMG : Vorbereitung, wenn der Transport der Ware zur Grenze noch nicht begonnen hat, BGH bei Daliinger M D R 1975 21; zust. Blei JA 1975 101; ähnlich B G H 1 StR 763/79 v. 5 . 2 . 1 9 8 0 ; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 17. § 29 I Nr. 1 n. F. BtMG: Vorbereitung, wenn der Täter mit seinem P K W , in dem sich Betäubungsmittel befinden, nicht sofort zur Grenze fährt, sondern im Ausland erst noch übernachtet und bei diesem Aufenthalt von der Polizei gestellt wird, B G H NStZ 1983 224. IV. Untauglicher Versuch und Wahndelikt. 133 Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn der Täter subj. davon ausgeht, sein auf Erfüllung eines Straftatbestandes abzielendes Verhalten werde das tatbestandliche Unrecht verwirklichen, während obj. sein Verhalten unter den gegebenen Umständen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur Vollendung führen kann. Der untaugliche Versuch ist somit gekennzeichnet durch einen Irrtum des Täters über die fehlende Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens. Der nicht irrende, die Untauglichkeit erkennende Täter oder Teilnehmer ist mangels Vorsatzes nicht strafbar (RGSt. 15 315; 17 377; 60 23). Der Irrtum kann darauf beruhen, daß der Täter fälschlich das Mittel als zur Erfolgsherbeiführung geeignet hält (Versuch mit untauglichen Mitteln) oder d a ß er irrig von der Geeignetheit des Objekts ausgeht (Versuch am untauglichen Objekt), oder daß er gleichzeitig beiden Fehlvorstellungen erliegt. Einen Sonderfall stellt die Untauglichkeit des Subjekts dar (vgl. dazu unten Rdn. 153 ff). Im Gegensatz zum Tatbestandsirrtum des § 16, bei dem der Täter objektiv vor- 134 liegende Umstände nicht kennt, stellt sich der Täter beim untauglichen Versuch nicht vorhandene Umstände, an deren Fehlen die Vollendung des vorgestellten Tatbestands zwangsläufig scheitern muß, als gegeben vor. Im Fall des § 16 bleibt seine Vorstellung hinter der Wirklichkeit zurück, im Fall des untauglichen Versuchs geht sie darüber hinaus. Aus der Umkehrung der Irrtumskonstellation beim untauglichen Versuch im Vergleich mit dem Tatbestandsirrtum hat die Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß alles, was dem Täter im Bereich des § 16 (§ 59 a. F.) entlaste, ihn beim Versuch belasten müsse (RGSt. 42 92, 94; 66 124, 126; 72 109, 112; BGHSt. 13 235, 239 f ; 14 345, 350). Dieser Umkehrschluß geht zutreffend davon aus, daß der subj. Tatbestand des Versuchs (siehe dazu oben Rdn. 2 f) mit dem Tatvorsatz identisch ist und die Grundlage der Versuchsbestrafung bildet. Dabei wird allerdings unterstellt, d a ß auch der auf Irrtum beruhende Tatvorsatz zur Versuchsbestrafung ausreicht, ohne diese Folgerung zu begründen. Für die Frage der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ist die Aussagekraft des Umkehrschlusses daher begrenzt 9 6 ; seine eigentliche Bedeutung liegt darin, d a ß es mit seiner Hilfe gelingt, die Fälle des untauglichen Versuchs, denen ein „umgekehrter Tatbestandsirrtum" zugrundeliegt, von den Fällen des Wahndelikts abzugrenzen, die auf einem „umgekehrten Verbotsirrtum" beruhen (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 69, siehe dazu näher unten Rdn. 143). Der untaugliche Versuch wird von der Begriffsbestimmung des § 22 erfaßt und 1 3 5 ist daher grundsätzlich strafbar. Die Neuregelung hat mit der Bezugnahme auf die Vorstellung des Täters als Grundlage der Versuchsstrafbarkeit zugleich den obj. 96 Vgl. dazu insbesondere Sax JZ 1964 245 ; ferner Spendel ZStW 69 (1957) 449 ff und NJW 1965 1885 f; Baumann NJW 1962 16. (91)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Versuchstheorien (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 39 ff) eine Absage erteilt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber aber durch die in ihren Konturen höchst unsichere Figur des (minderstrafwürdigen) untauglichen Versuchs in § 23 Abs. 3 die bisher klare Unterscheidung zwischen strafbarem untauglichen Versuch und straflosem abergläubischen Versuch verwischt (vgl. Gössel GA 1971 228; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III A) und dadurch die Streifragen zu den Grundlagen und Grenzen des strafbaren untauglichen Versuchs neu belebt. 136

Die geltende Versuchsregelung stimmt im Ansatz mit der subj. Theorie überein, hat aber durch den objektiven Maßstab des unmittelbaren Ansetzens eine Einschränkung erfahren. Wie der taugliche setzt auch der untaugliche Versuch ein „unmittelbares Ansetzen" voraus. Der Tatentschluß muß sich in einer Handlung (oder Unterlassung) verwirklichen, die für den in Betracht kommenden Tatbestand in dem oben beschriebenen Sinne (vgl. Rdn. 58 ff) spezifisch ist, wenn sie auch zur Tatbestandsverwirklichung objektiv ungeeignet ist. Die angestrebte Verwirklichung eines Straftatbestandes ergibt sich also auch beim untauglichen Versuch keineswegs nur aus dem Täterwillen. Strafgrund des Versuchs ist die Betätigung des rechtsfeindlichen Willens des Täters in einer Weise, die geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung als eine das Sozialleben obj. gestaltende Macht zu erschüttern (Jescheck § 50 I 4). Nur wenn das Verhalten des Täters nach außen in einer Form in Erscheinung tritt, die das Gefühl gesicherten Rechtsfriedens zu beeinträchtigen geeignet ist, darf und muß das Recht dem rechtserschütternden Eindruck auf die Rechtsgemeinschaft durch Bestrafung des Täters entgegenwirken. Aus dieser aus der generalpräventiven Funktion des Strafrechts abgeleiteten sog. Eindruckstheorie, die heute herrschend ist (vgl. oben vor § 22 Rdn. 52 ff), sind die Grenzen der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs abzuleiten.

137

Der abergläubische Versuch ist nicht geeignet, das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu erschüttern, er bleibt daher auch nach geltendem Recht straflos. Beruht die Untauglichkeit des Versuchs auf „grobem Unverstand", so ist dem Rechtsbewährungsinteresse u. U. schon dann genügt, wenn eine mildere Strafe verhängt oder von Strafe ganz abgesehen wird, § 23 Abs. 3. In anderen Fällen des untauglichen Versuchs, die sich nach ihrem äußeren Eindruck und nach der Gefährlichkeit des Täters, zumal das Ausbleiben des Erfolgs nur auf einem Irrtum beruht, nicht von tauglichen Versuchstaten unterscheiden, greift die Versuchsstrafbarkeit ein. Der Irrtum des Täters kann alle wesentlichen Teile des gesetzlichen Tatbestands betreffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tatumstände, die der Täter irrig als gegeben ansieht, normativer oder deskriptiver Natur sind. Beim Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale ergeben sich jedoch häufig schwierige Fragen der Abgrenzung des untauglichen Versuchs vom Wahndelikt, weil im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob der Irrtum auf fehlender Bedeutungskenntnis beruht, die bei normativen Tatbestandsmerkmalen zum Vorsatz gehört — dann liegt untauglicher Versuch (umgekehrter Tatbestandsirrtum) vor —, oder ob der Irrtum auf falscher Subsumtion beruht — dann handelt es sich um ein Wahndelikt (umgekehrter Verbotsirrtum). Bei normativen Tatbestandsmerkmalen genügt es für vorsätzliches Handeln nicht, daß der Täter die konstituierenden Tatsachen kennt, sondern er muß darüber hinaus nach Laienart — Parallelwertung in der Laiensphäre — auch den Bedeutungsgehalt voll erfaßt haben. Für den umgekehrten Fall folgt daraus, daß untauglicher Versuch nur vorliegt, wenn der Täter mit der irrigen Annahme der das Merkmal konstituierenden Tatsachen auch den entsprechenden Bedeutungsgehalt verbindet (zum Wahndelikt vgl. unten Rdn. 143 ff). (92)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

1. Bildet sich der Täter das Vorhandensein einer tatbestandsmäßigen Handlung 138 ein, so liegt ein Versuch mit untauglichen Mitteln vor, ζ. B. wenn der Täter meint, fremdes Vermögen zu schädigen, die Handlung dazu aber ungeeignet ist 9 7 ; er glaubt, eine Falschaussage zu machen, erstattet jedoch eine richtige (DJ 1936 1731); er bestärkt eine Falschaussage mit einer dem Gesetz nicht entsprechenden Beteuerungsformel in der Meinung, damit seiner Eidespflicht zu genügen (RGSt. 24 91, 93; 58 302; 67 331, 333); er meint, eine öffentliche Urkunde nach § 271 herbeizuführen, erzielt jedoch nur eine Privaturkunde (arg. RGSt. 60 209, 215); er stellt zwecks Transportgefährdung die versehentlich unrichtig stehende Weiche richtig; er will einen nur in seiner Vorstellung bestehenden Steueranspruch verkürzen, BGHSt.5 90; BayObLG NJW 1955 156798. Ein Versuch mit untauglichen Mitteln liegt ferner vor, wenn der Gewahrsamsinhaber dem Täter, um ihn nach der Wegnahme zu überführen, durch Bereitlegen präparierter Diebstahlsobjekte eine Falle gestellt hat (BayObLG NJW 1979 729 m. w. N.), oder wenn der Täter ζ. B. ein untaugliches Abtreibungsmittel verwendet (RGSt. 1 439; 17 158; 68 13; BGH 1 StR 523/53 v. 19. 2. 1954), oder der Täter untaugliche Abtreibungsmittel in der Meinung beschafft, sie seien tauglich (RGSt. 68 13), weiterhin liegt ein Irrtum in bezug auf das tatbestandsmäßige Mittel vor, wenn er eine Vergiftung mit einer unzulänglichen Dosis unternimmt (RGSt. 24 382; BGHSt. 11 324) oder eine vermeintlich lügnerische, tatsächlich aber wahre Behauptung zu Betrugszwecken aufstellt (Rechtspr. 8 98 ; RGSt. 50 35). Hierher gehören auch die Fälle, in denen das vom Täter in Aussicht genommene Handlungsobjekt nicht am Tatort ist oder diesem erwartungswidrig fernbleibt, sofern in diesen Fällen die Schwelle von der Vorbereitungshandlung zum Versuch überschritten ist (vgl. dazu oben Rdn. 69 ; Jescheck § 50 11). 2. Ein Versuch am untauglichen Objekt liegt vor, wenn das Handlungsobjekt 139 überhaupt fehlt (die Abtreiberin ist nicht schwanger) oder nicht verletzbar ist (die Frucht ist schon tot). Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen Versuch am untauglichen Objekt bejaht worden ist, bilden folgende (ζ. T. auf alten Gesetzesfassungen beruhende) Fälle: Der Täter schießt auf eine Leiche in der Meinung, einen Lebenden zu treffen (RGSt. 1 451; OLG Kiel Schi. HA 1948 146), er hält eine aufgegebene Sache für fremd (Unterschlagungs- oder Diebstahlsversuch, obwohl er Eigentum erwirbt, Königsberg-Rechtsprechung OLG 1939 227); er verschafft der vermeintlich Schwangeren ein Abtreibungsmittel (RGSt. 68 13; vgl. auch RGSt. 1 203; 47 66; ebenso der BGH in st. Rspr. in unveröffentlichten Entscheidungen bei Abtreibungen an vermeintlich Schwangeren); der Täter hält bei § 175 Ziff. 3 a. F. den unzuchtsbereiten Jugendlichen für widerstrebend (RGSt. 70 199); er hält ein 14jähriges Mädchen für jünger (RGSt. 39 316 zu §§ 176 Ziff. 3, 43 a. F.), eine Sache für durch die Vortat bemakelt, was sie aber nicht ist (RGSt. 64 130, 131; vgl. dazu RGSt. 52 197 zu § 259: Versuch hier straflos, daher Strafe aus § 246), der Täter trifft eine ungenehmigte Verfügung über eine nicht bestehende Geldforderung (RGSt. 73 5), der Täter macht ein Nichtgeldstück nach in der Meinung, es sei eine Münze, oder er bringt es als echt in den Verkehr (RGSt. 16 111, 112), der Mittäter 97

RGSt. 10 11, 21; 11 72, 77; 25 5, 7; 28 386 f; 38 423, 425; 41 373, 377; 42 92, 94; 49 16; 51 204, 211; 65 273, 276; vgl. aber auch RGSt. 47 151, 154.

98

Tatbestandsirrtum, dazu Welzel NJW 1953 486; Mattem JZ 1954 254; Härtung JR 1954 111; vgl. ferner die ζ. T. gegensätzlichen Äußerungen in RGSt. 64 229, 238; 65 165, 172; 66 197, 200 f; RG JW 1931 317 und RGSt. 56 316, 318; 66 197, 199; 68 46, 53; RG H R R 1938 131; vgl. auch unten Rdn. 148.

(93)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

flieht mit der Beute eines „Raubes", den der Täter nur vorgespiegelt hat (BGH MDR 1952 16). Der Irrtum, der Begünstigte habe eine strafbare Handlung begangen, begründet Versuchsstrafbarkeit nach dem früheren § 346 (BGHSt. 15 210, 213; vgl. auch Anm. Weber MDR 1961 426; Rudolphi SK Rdn. 25 und weitere Beispiele in RGSt. 70 200; 73 1, 5 zur Strafbarkeit nach § 258 vgl. unten Rdn. 148 a. E.). Zur Gruppe des Versuchs am untauglichen Objekt gehören ebenso die Fälle, in denen der Täter meint, sich rechtswidrig zu bereichern, während er einen Rechtsanspruch auf die Leistung hat (RGSt. 11 72, 77; 17 233, 238; 38 423, 426; 42 92; 49 16, 20; Rechtsprechung 7 248 — Erpressung). Vom Mangel eines tauglichen Objekts kann in diesen Fällen insofern gesprochen werden, als das Vermögen, gegen das sich die Täuschungshandlung richtet, schon mit dem Anspruch belastet war, also nicht mehr durch die Täuschung geschädigt werden konnte. Versuch am untauglichen Objekt liegt ferner vor, wenn der Täter eine ihm gehörende Sache wegnimmt oder zerstört in dem irrigen Glauben, sie sei fremd (Stratenwerth Rdn. 700). 140

Von dem (umgekehrten) Irrtum über die Rechtswidrigkeit als Tatumstand, der zum untauglichen Versuch führt (vgl. oben Rdn. 139), sind die Fälle der auf Irrtum beruhenden Unkenntnis einer objektiv gegebenen Rechtfertigungslage zu unterscheiden, ζ. B. Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht bei Unkenntnis der Einwilligung des Gewahrsaminhabers (RG JW 1926 2752; BGHSt. 4 199). Wenn der Täter nicht weiß, daß seine tatbestandsmäßige Handlung objektiv gerechtfertigt ist, stellt sich die Frage, ob Bestrafung wegen (untauglichen) Versuchs oder wegen Vollendung Platz greift. Die Meinungen darüber sind geteilt. Das beruht auf den unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung der subjektiven Rechtfertigungselemente. Ein Teil der L e h r e " hat sich für die Vollendungsstrafe entschieden; die Rechtsprechung ist uneinheitlich! 00 . Nur das von dem entsprechenden Willen getragene Recht-Handeln, also nur das Fehlen sowohl des Erfolgsals auch des Handlungsunwerts könne die Strafbarkeit wegen eines vollendeten Delikts aufheben (Maurach AT § 25 V C 1). Die Gegenmeinung 101 stellt dagegen auf die vergleichbare Konstellation beim Versuch ab. Da der Erfolg wegen der objektiv gegebenen Rechtfertigungslage von der Rechtsordnung nicht mißbilligt wird, muß der Eintritt des Erfolgsunrechts verneint werden (so Lenckner Notstand S. 195 ff). Entweder fehlt es schon an einer Rechtsgutsverletzung (ζ. B. beim objektiven Vorliegen einer Einwilligung) oder die Rechtsgutsverletzung wird durch gewichtige Gegeninteressen aufgewogen (ζ. B. in Fällen des Notstands; vgl. Stratenwerth Rdn. 493). Der Täter verwirklicht zwar ein Handlungsunrecht, da sein Wille aufgrund seiner Unkenntnis der rechtfertigenden Situation auf Herbeiführung eines Unrechtserfolgs gerichtet ist, aber die Verwirklichung eines Handlungsunrechts allein kann nicht die Bestrafung wegen eines vollendeten Delikts begründen. Die Fallgestaltung ähnelt damit der des untauglichen 99

100 101

Blei AT § 40 II 1 ; Dreher-Tröndle § 32 Rdn. 14; Gallas Bockelmann-Festschrift S. 173 ff, 177; Foth JR 1965 369; Hirsch LK 9 Vor § 51 Rdn. 41; Maurach-Gössel-Zipf A T 2 § 41 A 2 c; Niese Finalität S. 18 Fußn. 37; Welzel § 14 I 3 b; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunwert S. 259 ff. Vgl. einerseits BGHSt. 2 111, 115, andererseits KG GA 1975 213. Vgl. im einzelnen Rudolphi Maurach-Festschrift S. 58 und SK Rdn. 29; Engisch Die rechtliche Bedeutung der Operation S. 9; Jescheck §31 IV 2; Kohlrausch-Lange Vor §43 Anm. VI; Lenckner Notstand S. 185 ff, 192 ff und H. Mayer-Festschrift S. 175; Schaffstein M D R 1951 199; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 81; Sch.-Schröder-Lenckner §32 Vorbem. 15; Stratenwerth Rdn. 492 ff; von Weber JZ 1951 263; Wessels AT § 8 I 2. (94)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Versuchs, weil der dem Täter vorwerfbare Unrechtsgehalt seiner Tat nicht im objektiven Geschehen, sondern allein in der Auflehnung des Willens gegen die Gebote des Rechts liegt (KG GA 1975 213, 215). Das Vorhandensein der besonderen Norm über die Versuchsstrafbarkeit spricht im Ergebnis dafür, die Unkenntnis einer Rechtfertigungslage wie einen (untauglichen) Versuch zu behandeln (ebenso Busch LK 9 §43 Rdn. 52; zum subjektiven Rechtfertigungselement des Verteidigungswillens beim Wahndelikt siehe unten Rdn. 150). Strafbar ist auch der untaugliche Versuch bei den selbständig unter Strafe 141 gestellten (§ 30) oder zu selbständigen Tatbeständen (§ 149) erhobenen Vorbereitungshandlungen. Auch hier kommt es allein darauf an, daß der Täter annimmt, daß die jeweiligen Tatbestandsmerkmale, insbesondere der Erfolg verwirklicht werden können, nicht dagegen darauf, ob ζ. B. bei der versuchten Anstiftung die beabsichtigte Haupttat tatsächlich realisierbar ist (zum untauglichen Versuch der Anstiftung vgl. im einzelnen oben Vorbem. § 22 Rdn. 90 ff Roxin LK § 30 Rdn. 29 f)· Der einen untauglichen Versuch begründende umgekehrte Tatbestandsirrtum 142 kann sich auch auf qualifizierende Merkmale beziehen. Hält der Täter die beim Raub mitgeführte Schußwaffe irrtümlich für schußbereit, so liegt untauglicher Versuch eines schweren Raubes in Tateinheit mit vollendetem Raub vor (BGH bei Dallinger MDR 1972 16). Die irrige Annahme des Täters, es lägen privilegierende Umstände vor, ist jetzt in § 16 Abs. 2 geregelt (vgl. auch RGSt. 31 285). Der umgekehrte Fall, daß der Täter privilegierende Tatumstände nicht kennt, die in Wirklichkeit gegeben sind, müßte folgerichtig zum (untauglichen) Versuch des Grundtatbestands in Tateinheit mit vollendetem privilegierten Delikt führen. Beruht die Privilegierung jedoch nicht auf gemildertem Unrecht, sondern bezieht sich der Irrtum auf ein Merkmal gemilderter Schuld, dann besteht kein Grund, dem Täter den unbekannt gebliebenen Umstand strafmildernd zugutezuhalten, Bestrafung daher wegen vollendeten Grunddelikts (vgl. im einzelnen Schroeder LK 9 § 59 Anm. 80). 3. Wahndelikt (Putativdelikt). 143 Das Wahnverbrechen besteht im Zuwiderhandeln gegen einen nur vorgestellten Rechtsbefehl. Der Täter nimmt in Verkennung der Rechtslage an, er mache sich durch sein Verhalten strafbar. Im Gegensatz zum untauglichen Versuch, bei dem der Täter irrig ein nicht vorliegendes obj. Tatbestandsmerkmal annimmt (umgekehrter Tatbestandsirrtum, vgl. oben Rdn. 134), bezieht sich der Irrtum des Täters beim Wahndelikt auf das Verbotensein der Tat (umgekehrter Verbotsirrtum) (zur Kritik am Umkehrprinzip vgl. Engisch Heinitz-Festschrift S. 190 ff)· Die Bedenken gegen das Umkehrprinzip sind begründet, soweit sie sich gegen seine Verwendung als zusätzliches Argument für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs richten, für die das Prinzip nichts aussagt (vgl. Spendel ZStW 69 (1957) 449 ff und NJW 1965 1885 f). Für die Unterscheidung von untauglichem Versuch und Wahnverbrechen kommt es dagegen in der Tat darauf an, welcher Irrtum sich umkehrt; insoweit ist das Umkehrprinzip als Abgrenzungskriterium unentbehrlich 102 . Die Straflosigkeit des Wahndelikts folgt aus dem Fehlen einer Strafdrohung für das Verhalten des

102

(95)

Vgl. Jescheck § 50 II 1 Anm. 14; Sax JZ 1964 245; Baumann NJW 1962 16; Schaffstein OLG Celle-Festschrift S. 182 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 69; zur Rechtsprechung, die sich wiederholt auf das Umkehrprinzip berufen hat, vgl. RGSt. 42 92, 94; 66 124, 126 f; 72 109, 112; BGHSt. 13 235, 239 f; 14 345, 350; 15 210, 212.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

Täters. Seine Vorstellung kann den Bereich des Strafbaren nicht über die gesetzlich bestimmten Grenzen hinaus ausdehnen 1 0 3 . 144

a) Die irrige Annahme des Täters, strafbar zu sein, kann darauf beruhen, daß er vom Bestehen einer in Wirklichkeit nicht existierenden Strafnorm ausgeht (ζ. B. der Täter hält den Ehebruch, die einfache homosexuelle Beziehung unter Erwachsenen, die Gebrauchsentwendung eines Schmuckstücks (Beispiele nach Rudolphi SK Rdn. 31), die lesbische Liebe irrigerweise für strafbar (zu den Fällen, in denen die Untauglichkeit des Subjekts zum Wahndelikt führt, vgl. unten Rdn. 158).

145

b) Ein Wahndelikt liegt auch vor, wenn der Täter sich über den Anwendungsbereich der Norm irrt. In diesen Fällen existiert zwar die Strafnorm, die der Täter sich vorstellt, er subsumiert jedoch sein konkretes Verhalten fälschlich unter die Strafnorm, weil er sich über Inhalt und Grenzen von Tatbestandsmerkmalen irrt und deshalb fälschlich annimmt, sein Verhalten sei strafbar (umgekehrter Subsumtionsirrtum). Vor allem bei normativen Tatbestandsmerkmalen (fremd, zuständige Stelle, Urkunde, rechtswidrige Tat) taucht dann die im Einzelfall häufig schwierige Frage auf, wie zwischen einer den Vorsatz begründenden falschen Parallelwertung in der Laiensphäre (untauglicher Versuch) und der irrigen Bewertung des richtig erkannten Verhaltens als rechtswidrig und strafbar (Wahndelikt) zu unterscheiden ist. Mit der zutreffenden Unterscheidung, ob der Irrtum die Sachverhaltsebene oder den Normbereich betrifft, ist in diesen Fällen wenig gewonnen, weil gerade die Zuordnung zu der einen oder der anderen Irrtumsart zweifelhaft sein kann. Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Täter über die rechtliche Bedeutung eines Tatbestandsmerkmals irrt und infolgedessen dem Tatbestand eine Reichweite beimißt, die er in Wirklichkeit nicht hat. Dieser Irrtum hält sich im Normbereich und führt daher zum Wahndelikt: Der Täter nimmt irrig an, eine Urkunde sei schon bei unrichtigem Inhalt (schriftliche Lüge) falsch i. S. des § 267, oder er meint trotz Kenntnis, daß kein Aussteller vorhanden ist und eine Beweisbestimmung fehlt, Bezugsabschnitte seien Urkunden, so daß er sich durch deren Herstellung und Vertrieb nach § 267 strafbar mache 1 0 4 . Der Täter nimmt irrig an, ihn treffe nach einem Verkehrsunfall, bei dem nur er selbst zu Schaden gekommen ist, eine Wartepflicht, durch deren Verletzung er sich nach § 142 strafbar mache (BGHSt. 8 263, 268).

146

Weit schwieriger wird die Abgrenzung, wenn der Irrtum des Täters durch eine Fehlvorstellung im „ Vorfeld des Tatbestandes" zustandekommt. Der Rechtsirrtum im „Vorfeld des Tatbestandes" soll im Gegensatz zum Rechtsirrtum über die „Reichweite des Tatbestandes", der einen Verbotsirrtum bzw. ein Wahndelikt darstellt, vorsatz- und versuchsbegründend sein {Herzberg JuS 1980 469 ff im Anschluß an Blei JA 1973 604, dessen Unterscheidung auch Herdegen BGH-Festschrift S. 205 f aufgegriffen hat). Zur Erläuterung und Begründung dieser Unterscheidung wird darauf hingewiesen, das Strafgesetzbuch enthalte zahlreiche Tatbestandsmerkmale, die man als Verweisungsbegriffe bezeichnen könne, weil sie — wie etwa „fremd" in § 246 — auf „außertatbestandliche" Normen Bezug nehmen. Beziehe 103

104

Vgl. Baumann § 33 I 4; Foth J R 1965 366; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III C 1 ; Mezger § 5 1 III; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 4 1 III C 3 ; Rudolphi SK Rdn. 30; Sch.-SchröderEser Rdn. 78, 80; Schmidhäuser 15/31, 32; Welzel § 24 V; Maurach N J W 1962 716; aus der Rechtsprechung RGSt. 42 92, 93; 64 229, 238 f; 66 124, 126; BGHSt. 8 263, 268. BGHSt. 13 235; zustimmend Maurach N J W 1962 719; Herzberg JuS 1980 471; Rudolphi SK Rdn. 32; a. A. früher BGHSt. 7 53 sowie Foth J R 1965 370. (96)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

sich der Irrtum auf einen solchen Verweisungsbegriff, dann betreffe der Rechtsirrtum im Verweisungsbereich nicht die Reichweite des Tatbestands und stelle somit kein Wahndelikt dar (Herzberg JuS 1980 472; dagegen mit eingehender Begründung Burkhardt JZ 1981 686 f, dem sich Sch.-Schröder-Eser Rdn. 86 f anschließt). Der dadurch begründeten Gefahr einer bedenklichen Ausweitung der Strafbarkeit will eine andere Auffassung begegnen, die zwischen gegenstandsbezogenem Irrtum (Tatbestandsirrtum bzw. Versuch) und begrißsbezogenen Fehlvorstellungen (Verbotsirrtum bzw. Wahndelikt) unterscheidet ( H a f t JuS 1980 591). Es ist mit Recht bezweifelt worden, daß diese Unterscheidung weiterführt, weil sich die Zuordnung zu der einen oder anderen Irrtumsart selbst nicht eindeutig treffen läßt 105 . Es ist daher schon die Frage aufgeworfen worden, ob nicht jeder Rechtsirrtum 147 — gleichgültig ob im Vorfeld des Tatbestandes oder über die Bedeutung von Tatbestandsmerkmalen — als vorsatzirrelevant anzusehen sei und demgemäß zum Wahndelikt führe (so Burkhardt JZ 1981 683 ff)· Dagegen wird geltendgemacht, daß sich ein solcher Vorschlag in Widerspruch zu einer bereits eingefahrenen Rechtsprechung setzen würde (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 89). Die Rechtsprechung ist allerdings ζ. T. selbst widersprüchlich. So begeht nach BGHSt. 14 345, 350 (betr. einen nicht mehr aktuellen Fall des Offenbarungseides) keinen strafbaren Versuch, sondern ein Wahndelikt, wer glaubt, bei der eidesstattlichen Versicherung falle die Angabe bestimmter Tatsachen noch unter die Wahrheitspflicht, während der BGH in BGHSt. 2 74, 76 entschieden hat, daß ein untauglicher Versuch und kein Wahnverbrechen vorliege, wenn der Täter irrig annehme, daß eine von ihm beschworene Falschaussage unter die Wahrheitspflicht falle (ebenso BGHSt. 3 221, 226; 25 244, 246). Während BGHSt. 1 13, 17 Wahndelikt annimmt, soll nach BGHSt. 3 235, 240; 5 111 ff; 10 272, 275 f; 12 56, 58 strafbarer Versuch des § 154 vorliegen, wenn der Täter rechtsirrig davon ausgeht, eine bestimmte Stelle (ζ. B. die Staatsanwaltschaft) sei zur Abnahme von Eiden zuständig (ebenso schon RGSt. 72 80). Im Gegensatz zu BGHSt. 7 53, 57 f (strafbarer Versuch) begeht der Täter, der glaubt, ein Schriftstück ohne Aussteller sei eine Urkunde, nach BGHSt. 13 235, 240 mit Anm. Traub NJW 1960 348 infolge unrichtiger Subsumtion ein Wahndelikt (zur Bestimmung des Putativdelikts in der Rspr. vgl. Maurach NJW 1962 716; Blei JA 1973 237 ff). Die Abgrenzungsschwierigkeiten liegen letztlich darin begründet, daß auch der 148 (versuchsbegründende) „Rechtsirrtum im Vorfeld des Straftatbestandes" mittelbar zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Norm und damit zu einem Rechtsirrtum über die „Reichweite des Tatbestands" führt. Wenn die Differenzierung gleichwohl nicht preisgegeben werden soll, ist im Einzelfall darauf abzustellen, ob der Rechtsirrtum im Vorfeld des Straftatbestandes darauf beruht, daß der Täter tatsächliche Voraussetzungen, die die Verbotsnorm ausfüllen, rechtsirrig annimmt oder ob der Täter bei richtiger Tatsachenkenntnis falsche sachliche Schlüsse zieht. Deshalb liegt Versuch und nicht Wahndelikt vor, wenn der Täter glaubt, er habe Eigentum an der Sache, die er weiter veräußert, zuvor wirksam zur Sicherheit auf einen Dritten übertragen, während in Wirklichkeit die Sicherungsübereignung nichtig war. Auch dann subsumiert der Täter falsch unter das Merk105

(97)

Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 88 mit dem Hinweis, daß der Irrtum über den Begriff „zuständige Stelle" in § 154 ebensogut als gegenstandsbezogen („Gegenstand" seien die prozessualen Zuständigkeitsregeln) gedeutet werden könne mit der Folge, daß dann bei einem Irrtum des Täters ein Tatbestandsirrtum bzw. Versuch anzunehmen sei.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

mal „fremd" in § 246, aber nicht, weil er den Begriff „fremd" verkennt und sich deshalb über den Umfang der Verbotsnorm irrt, sondern weil er fälschlich von der Tatsache einer wirksamen Sicherungsübereignung ausgegangen ist. Von seiner Annahme ausgehend, hat der Täter zutreffend subsumiert, ohne den Tatbestand des § 246 über die vom Gesetz gezogenen Grenzen hinaus auszudehnen. Sein Irrtum liegt daher nicht im Norm-, sondern im tatsächlichen Bereich 106 . Ob versuchte Steuerhinterziehung vorliegt, wenn der Täter rechtsirrig eine Steuerschuld annimmt und deshalb keine Angaben macht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Feststellung, das Bestehen des Steueranspruchs sei Tatumstand (BGHSt. 5 90, 92), läßt nicht die verallgemeinernde Schlußfolgerung zu, die rechtsirrige Annahme einer Steuerschuld führe zum Versuch (so aber RG HRR 1938 Nr. 131). Der Glaube an das Bestehen eines fehlenden Steueranspruchs kann ein Irrtum im Normbereich sein. Zutreffend weist RGSt. 65 165, 172 darauf hin, daß es unerträgliche Folgen nach sich ziehen würde, wenn jeder wegen versuchter Steuerhinterziehung verantwortlich wäre, der aus Rechtsunkenntnis sein Verhalten, das mangels Bestehens des vermeintlichen Steueranspruchs belanglos sei, als Steuerverkürzung ansehe. Da sich die Vereitelung auf eine im technischen Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 5 „rechtswidrige Tat" beziehen muß, kommen im Rahmen des § 258 nur Begünstigungshandlungen nach Verwirklichung eines Straftatbestandes in Frage. Macht der Täter, der aufgrund rechtlicher Falschbeurteilung eine Ordnungswidrigkeit für eine (straftatbestandsmäßige) rechtswidrige Vortat hält, vor der Polizei unrichtige Angaben, so handelt es sich insoweit um ein strafloses Wahndelikt (BayObLG NJW 1981 772 mit abl. Anm. Stree JR 1981 297; im Erg. ebenso Kunert Normative Merkmale (1958) S. 124). Der Irrtum des Täters lag im konkreten Fall bei richtiger Tatsachenkenntnis ausschließlich im Normbereich (während im Fall BGHSt. 15 210 als Vortat tatsächlich ein Vergehen nach dem Lebensmittelgesetz in Frage stand). Zu den schwierigen und keineswegs befriedigend gelösten Problemen der Unterscheidung von untauglichem Versuch und Wahndelikt bei § 356 vgl. Hübner LK § 356 Rdn. 135 ff. 149

Entsprechend ist auch in den Fällen des § 30 abzugrenzen; die allgemeinen Irrtumsregeln gelten auch hinsichtlich der Verbrechensqualität der angesonnenen Tat. Die irrige Annahme von Umständen, die die Tat zum Verbrechen machen würden, begründet Strafbarkeit nach § 30, so wenn der Täter bei der Aufforderung eines anderen zur Falschaussage irrig von der Möglichkeit einer Vereidigung ausgeht, ebenso wie im umgekehrten Fall — der Täter rechnet nicht mit der Möglichkeit der Vereidigung — der Vorsatz ausgeschlossen ist. Dagegen begeht ein Wahndelikt, wer einen anderen zu einem vermeintlichen Verbrechen anzustiften versucht (ζ. B. glaubt, der Einbruchsdiebstahl § 243 sei ein Verbrechen), wie umgekehrt die irrtümliche rechtliche Qualifizierung einer in ihren sachlichen Merkmalen erkannten Tat einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum darstellt (der Täter glaubt, auch die Wegnahme mit Raubmitteln sei ein Diebstahlsvergehen) (Roxin LK § 30 Rdn. 31 zum Irrtum beim Anstiftungsversuch).

150

c) Die irrige Annahme, strafbar zu sein, kann auch darauf beruhen, daß der Täter einen rechtlich anerkannten Erlaubnissatz nicht kennt, daß er seine Grenzen verkennt oder daß er ihn wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz als ungültig 106

OLG Stuttgart NJW 1962 65, 66; Rudolphi SK Rdn. 32; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 90; Lackner Anm. 2 c; vgl. aber auch BayObLG NJW 1963 310 und dazu Bindokat NJW 1963 746 f. (98)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

ansieht (umgekehrter Rechtfertigungsirrtum), ζ. B. sein in Wirklichkeit durch Notwehr- oder Züchtigungsrecht gerechtfertigtes Verhalten für strafbar hält. Wer alle Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes verwirklicht hat, kann die vom Gesetz vorgeschriebene Wirkung nicht dadurch zunichte machen, daß er in einer vom Gesetz abweichenden Wertung den Umständen seines Handelns eine andere Wertung beimißt; der Täter, der glaubt, sich bestimmter in Wahrheit zulässiger Formen der Notwehr nicht bedienen zu dürfen, handelt nicht deshalb ohne Verteidigungswillen (Blei JA 1973 601 ff; Maurach NJW 1962 772). Schießt der Täter auf den mit der Beute davoneilenden Dieb, weil er anders seine Habe nicht retten kann, in dem irrigen Glauben, man dürfe zur Verteidigung seines Eigentums nicht fremdes Leben gefährden, so macht seine Überzeugung, sein Tun sei nicht erlaubt, die durch Notwehr gerechtfertigte Tat nicht zu einem Versuch eines Tötungsdelikts (von Weber JZ 1951 263). Auch in diesen Fällen liegt ein strafloses Wahndelikt v o r ' 0 7 . Entsprechendes gilt, wenn der Täter eine tatsächlich gegebene Rechtfertigungssituation falsch bewertet (vgl. das Beispiel bei Sch.-Schröder-Eser Rdn. 80). Gemeinsam ist diesen Fällen, daß das Vorstellungsbild des Täters vom Gesetz nicht als strafbare Handlung gewertet wird (Mezger 2 § 51 III). Davon zu unterscheiden sind die anders gelagerten Fälle, in denen der Täter die rechtfertigende Lage nicht erkennt. Weiß der Täter nichts von dem tatsächlichen Vorliegen einer obj. rechtfertigenden Situation, so ist er grundsätzlich strafbar, wenn auch nur wegen Versuchs (vgl. oben Rdn. 140). Beim unechten Unterlassungsdelikt liegt Versuch vor, wenn der Täter irrig die 151 tatsächlichen Voraussetzungen einer Garantenstellung als gegeben annimmt und gleichwohl untätig bleibt, während der irrige Schluß auf das Bestehen einer Garantenpflicht aus einer richtig erkannten Sachlage im Falle des Untätigbleibens ein Wahndelikt darstellt (BGHSt. 16 155, 160; h. M. Maurach NJW 1962 770; Rudolphi SK Rdn. 28, 33; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 91). Zum Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts gehört die Garantenstellung des Unterlassenden, die deshalb vom Vorsatz umfaßt sein muß, nicht dagegen die Garantenpflicht. Der Irrtum über die Garantenstellung ist deshalb Tatbestandsirrtum, der Irrtum über die Garantenpflicht Verbotsirrtum. Entsprechend dem Umkehrprinzip führt deshalb die irrige Annahme der tatsächlichen Voraussetzungen einer Garantenstellung zum Versuch, die irrige Vorstellung vom Bestehen einer Garantenpflicht trotz Sachverhaltskenntnis zum Wahndelikt (der Vater, der das dem Ertrinken nahe Kind nicht rettet in der Annahme, es sei sein eigenes, macht sich wegen (versuchten) Totschlags strafbar; glaubt er dagegen, ihn treffe eine Garantenpflicht auch gegenüber fremden Kindern, liegt in bezug auf den Tötungserfolg ein Wahndelikt vor). Umstritten sind die Fälle des doppelten Irrtums. Der Täter irrt dabei über das 152 Vorhandensein eines Merkmals des Tatbestands (ζ. B. die Fremdheit der Sache), dieser Irrtum wird aber dadurch wieder ausgeglichen, daß er durch einen Verbotsirrtum wiederum zur Annahme dieses Tatbestandsmerkmals gelangt. Ζ. B. der Täter veräußert Maschinen, die er unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat, vor Zahlung des Kaufpreises an einen Dritten; er hat zwar den Eigentumsvorbehalt auf dem Lieferschein nicht gelesen, nimmt aber an, der Käufer erwerbe überhaupt erst mit der Zahlung des Kaufpreises Eigentum. Das BayObLG hat den Täter wegen vollende-

IO7 Rudolphi SK Rdn. 31; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 80; Jescheck § 50 II 1; Roxin Offene Tatbestände S. 159 f; Kriegsmann S. 51 ; Cohn S. 51 ff; Blei JA 1973 601 ff. (99)

§22

2. Abschnitt. Die Tat

ter Unterschlagung verurteilt 108 . Für Strafbarkeit wegen Vollendung wird geltendgemacht, der Täter habe das maßgebliche Tatbestandsmerkmal im Ergebnis richtig erkannt, selbst wenn der zu seinen Lasten wirkende zweite Irrtum, isoliert betrachtet, als umgekehrter Verbotsirrtum zur Annahme eines Wahndelikts führen würde (Jescheck § 50 II 2; vgl. ferner die Beispiele bei Sch.-Schröder-Eser Rdn. 92). 153

4. Untauglichkeit des Subjekts. Beim Versuch des untauglichen Subjekts irrt der Täter über eine vom Tatbestand vorausgesetzte besondere Täterqualität. Aus dem Streit über die strafrechtliche Behandlung des Versuchs des untauglichen Subjekts (strafbarer Versuch — Wahndelikt) können zunächst diejenigen Fälle ausgeschieden werden, in denen die Untauglichkeit des Subjekts auf einem Mangel oder einer Untauglichkeit des Objekts beruht. Diese Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, daß durch die täterschaftliche Qualifikation keine Sonderpflichten begründet, sondern nur eine interpersonale Beziehung als Voraussetzung der Unrechtsbegründung beschrieben wird (vgl. Stratenwerth Rdn. 203, 701). In diesen Fällen liegt nach allgemeiner Meinung ein strafbarer (untauglicher) Versuch vor, sofern der Täter sich irrtümlich für die Tatbestandsverwirklichung qualifiziert hält 1 0 9 . Da bei den betreffenden Deliktstatbeständen die Täterqualität aus der Objektseigenschaft folgt, kann es nach der allgemeinen Regel der subjektiven Theorie nur auf den Tätervorsatz ankommen 110 .

154

Umstritten ist hingegen die Strafbarkeit des Versuchs des untauglichen Subjekts bei den eigentlichen Sonderdelikten. Die überwiegende Meinung geht dahin, daß es sich um einen Fall des strafbaren untauglichen Versuchs handele, da die besonderen täterschaftlichen Erfordernisse bei einem Sonderdelikt echte Tatbestandsmerkmale seien (vgl. BGHSt. 8 321, 323), so daß der Irrtum über die besonderen Täterqualifikationen wegen der Gleichwertigkeit der einzelnen Merkmale des gesetzlichen Tatbestands als umgekehrter Tatbestandsirrtum angesehen werden müsse 111 . Das war auch die Ansicht des Reichsgerichts 112 , nachdem es anfänglich einen abweichenden Standpunkt angedeutet hatte 113 .

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NJW 1963 310; zust. Jescheck § 50 II 2; Bringewat MDR 1970 652; Haft JuS 1980 430, 435, diff. Baumann § 33 I 4; Bindokat NJW 1963 746; für Strafbarkeit wegen Versuchs Foth JR 1965 371; für Strafbarkeit wegen Vollendung Hirsch Negative Tatbestandsmerkmale S. 229, 232. Vgl. Jescheck § 50 III 3; Rudolphi SK Rdn. 26; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III C 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 76; Welzel §24 V2; Stratenwerth Rdn. 698 und Bruns-Festschrift, S. 66 ff. Vgl. Jescheck § 50 III 3 unter Hinweis auf die nach geltendem Recht nicht mehr strafbaren Fälle eines Abtreibungsversuchs der Nichtschwangeren, RGSt. 8 198, 199 und der versuchten Blutschande durch Geschlechtsverkehr mit der vermeintlichen Tochter RGSt. 47 189, 191. Blei AT § 67 I a; Bruns Der untaugliche Täter S. 38 ff GA 1979 166 ff; Burgstaller JB1. 1976 125 ff; Dreher-Tröndle Rdn. 28; Eser Strafrecht II Nr. 36 A 45; Jescheck § 50 III 2 a; Lackner Anm. 2 b ; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III C 2 ; Olshausen § 43 Anm. 6 a; Sch.Schröder-Eser Anm. 76; Nowakowski JZ 1958 416; Rudolphi SK Rdn. 27, 28; von Weber Grundriß S. 77; Wessels AT § 14 III 2. RG JW 1938 798; RGSt. 72 109, 112; dazu Bruns DStR 1938 161 ff; vgl. auch Niethammer DRZ 1949 429; ferner RKG 2 53 und 164. RGSt. 8 198, 200; 29 419, 421; ein Meinungswandel ist bereits erkenntlich in RG GA 32 (1884) 243, 244. (100)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

Selbst wenn man von der Gleichwertigkeit aller Tatumstände ausgeht mit der 155 Folge, daß es keinen Unterschied zwischen Merkmalen gibt, die durch die irrtümliche Vorstellung des Täters ersetzt werden können und solchen, bei denen das nicht möglich ist, darf aus dieser Äquivalenz noch nicht der Schluß gezogen werden, daß jeder Irrtum des Täters zu einem strafbaren untauglichen Versuch führen müsse. Vielmehr ist nach der h. M. danach zu unterscheiden, ob der Täter tatsächliche oder rechtliche Umstände irrig annimmt, die wenn sie vorlägen, ihn zum Adressaten der Sondernorm machen würden (umgekehrter Tatbestandsirrtum), oder ob der Täter trotz richtiger und vollständiger Sachverhaltskenntnis allein aufgrund einer falschen Subsumtion (umgekehrter Verbotsirrtum) meint, sein Verhalten erfülle den Sondertatbestand II 4 . Irre sich der Täter im tatsächlichen Bereich, so liege strafbarer untauglicher Versuch vor. Am Vorsatz des Täters sei in diesen Fällen nicht zu zweifeln. Nach der Neufassung des § 22 bestehe kein Grund mehr, einen untauglichen Versuch zu verneinen, da in diesen Fällen der Täter nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetze, folglich auch der volle Handlungsunwert vorliege (Rudolphi SK Rdn. 28). Danach würde bei entsprechenden Tatumständen ein Gemeindebediensteter, dessen Anstellung als Beamter aufgrund Unzuständigkeit der anstellenden Behörde nichtig ist, einen strafbaren untauglichen Versuch einer Falschbeurkundung im Amt nach § 348 begehen (a. A. SchlHOLG SchlHA 1949 297, 298). Ebenfalls würde die Vertrauensperson, die bereits aufgrund der Benennung im Testament nach § 1777 Abs. 3 BGB Vormund zu sein glaubt, einen Versuch des § 174 Abs. 1 Nr. 1 begehen, wenn sie ihr „Mündel" zur Unzucht mißbraucht (Jescheck § 50 III 2 c). Dasselbe würde für den Verkehrsteilnehmer, der irrig einen Verkehrsunfall annimmt und sich entfernt, im Hinblick auf den früher nach § 142 Abs. 2 a. F. strafbaren Versuch der Unfallflucht gelten (BayObLG 1952 31). Mit beachtlichen Gründen will dagegen eine abweichende Ansicht bei irriger 156 Annahme einer aus dem jeweiligen Tatbestand folgenden Sonderpflicht ein Wahndelikt annehmen, weil ζ. B. eine Amtspflicht nur verletzen könne, wem sie wirklich obliegt, nicht jedoch derjenige, der nur irrig annimmt, daß sie ihm obliege, sei es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen l 1 5 . Keine vorgebliche „logische Gleichwertigkeit" der Tatumstände könne bewirken, daß eine Zuwiderhandlung gegen eingebildete Pflichten strafrechtlich relevantes Unrecht darstelle. Auch die subjektive Versuchslehre könne nur auf den Erfolgsunwert verzichten, nicht dagegen auf den Handlungsunwert, der allein durch eine wirkliche, nicht schon durch eine vermeintliche Zuwiderhandlung gegen das Gesetz begründet werde (Stratenwerth Rdn. 699 und eingehend in Bruns-Festschrift S. 59 ff, dagegen wieder Bruns GA 1979 161 ff). Die daraus folgende Straflosigkeit des untauglichen Täters müsse 114

115

(101)

Bruns Der untaugliche Täter S. 18 ff, Blei AT § 67 I a; Jescheck § 50 III 2 c; Sch.-SchröderEser Rdn. 76; Rudolphi Rdn. 28; Wessels AT § 14 III 2; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 III C 2; Gössel GA 1971 236, der sich — soweit danach untauglicher Versuch vorliegt — für die Anwendung des § 23 Abs. 3 ausspricht, ebenso Dreher-Tröndle § 23 Rdn. 6; Lackner § 23 Anm. 3 c; Rudolphi SK § 23 Rdn. 9; Geilen AT S. 169; Preisendanz § 23 vgl. auch unten § 23 Rdn. 32. Vgl. SchlHOLG SchlHA 1949 297; Baumann § 33 IV 3 c; HardwigGA 1957 175; Stratenwerth Rdn. 698 f ; Welzel § 24 V 2 ; Stratenwerth Bruns-Festschrift S. 59 ff, von Hippel Bd. 2 S. 437; Kohlrausch-Lange § 43 Vorbem. VI a; Langer Sonderverbrechen S. 498; H. Mayer, S. 288; Schmidhäuser 15/59; Foth JR 1965 371; Schötensack Binding-Festschrift Bd. 1 S. 390 f GS 91 (1925) 381 ; diff. Stöger, S. 68 ff, 79 ff.

§22

2. Abschnitt. Die Tat

konsequenterweise auch für die Fälle gelten, in denen die Sonderpflicht nicht an besondere Tätereigenschaften, sondern an Vorverhaltensweisen anknüpfe, die eine besondere Verantwortung begründen (ζ. B. Garantenpflicht aus Ingerenz). Straflos bleibe daher ζ. B. mangels verletzbarer Hilfeleistungspflicht der Täter, der irrigerweise glaubt, auf nächtlicher Landstraße mit dem Auto einen Radfahrer gestreift und möglicherweise lebensgefährlich verletzt zu haben. 157

Die entgegengesetzten Auffassungen beruhen auf unterschiedlichen Ausgangspunkten. Während diejenigen, die den Versuch des untauglichen Täters für strafbar halten, methodologisch primär bei der Versuchslehre ansetzen (vgl. Bruns GA 1979 182 f), knüpfen die für Straflosigkeit des untauglichen Täters Eintretenden vor allem an das Wesen des Sonderdelikts an (vgl. insbesondere Stratenwerth BrunsFestschrift S. 63). Das 8. StrRG hat sich absichtlich für keine von beiden Seiten entschieden, die Streitfrage vielmehr offengelassen. In der Begründung des Gesetzes (BT-Drucks. V/4095 S. 11) wird lediglich die Überzeugung geäußert, die Rspr. werde in diesen Fällen auch ohne gesetzliche Regelung wohl Straflosigkeit annehmen. Der Alternativ-Entwurf hatte sich in § 25 Ziff. 2 ausdrücklich für diese Lösung entschieden. Die Zwangsläufigkeit, mit der die jeweiligen Lösungsansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen führen müssen, sollte einer vermittelnden Lösung nicht entgegenstehen, indem die dogmatische Deduktion einer Korrektur durch kriminalpolitische Wertungen zugänglich gehalten wird. Das gilt um so mehr, als gegen beide Auffassungen in ihrer Einseitigkeit gewichtige Einwände bestehen.

158

Gegen das Abheben auf das Wesen als Sonderdelikt spricht die Unsicherheit in der Begriffsbestimmung. Von den unterschiedlichen Stellungnahmen im Streit über den Begriff des Sonderdelikts sollte die Entscheidung der Versuchsfrage nicht abhängig gemacht werden. Nicht selten wird dasjenige Moment, das ein Sonderdelikt kennzeichnen soll, schon im Hinblick auf die Lösung der Versuchsfrage beschrieben. Aber auch die Argumentation aus der Versuchslehre kommt nicht an der Merkwürdigkeit vorbei, daß die irrige Vorstellung des Täters ausreichen soll, ihn ζ. B. wie einen Beamten oder Vormund zu behandeln. Zumindest in den „klassischen" Fällen der Untauglichkeit des Subjekts läßt sich eine Bestrafung weder aus speziai-, noch aus generalpräventiven Gesichtspunkten einleuchtend begründen (vgl. dazu Stratenwerth Bruns-Festschrift S. 60, dagegen Bruns GA 1979 182 f)· Auch die Eindruckstheorie liefert keine Argumente für die Strafwürdigkeit dieser Fälle. Selbst wenn die Untauglichkeit des Subjekts für die Allgemeinheit nicht ohne weiteres erkennbar ist (vgl. den Fall SchlHOLG SchlHA 1949 297, in dem nicht nur der Täter, sondern auch dessen Umwelt von der Beamteneigenschaft ausgegangen war), so daß durch die Tat das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Rechtsordnung erschüttert und das Gefühl der Rechtssicherheit und damit der Rechtsfriede beeinträchtigt werden konnte, bedarf es zur Wiederherstellung des Vertrauens nicht der Bestrafung des Täters. Die Aufdeckung der fehlenden Subjektqualität genügt, weil sich damit bestätigt, daß der vielleicht entstandene negative Eindruck falsch war und in Wahrheit kein Grund zur Besorgnis bestand. Hat der Pflichtverstoß, weil er seinen spezifischen Unwert nur durch den Bruch des in der sozialen Rolle (z. B. als Beamter) begründeten Vertrauenstatbestands erhält, gar nicht stattgefunden, ist das Rechtsgut des Amtsdelikts nicht berührt. Zugleich wird offenbar, daß der Täter diesem Rechtsgut auch nicht gefährlich werden konnte. Unter Strafwiirdigkeitsgesichtspunkten scheidet der Versuch des untauglichen Subjekts in den Fällen der eigentlichen Sonderdelikte ähnlich den Fällen des sog. abergläubischen, irrealen Versuchs (vgl. dazu unten § 23 Rdn. 28 ff) aus dem strafbaren Bereich aus. Insofern verdient (102)

Begriffsbestimmung (Vogler)

§22

der Versuch des untauglichen Subjekts keine Strafe, weil eine dem Putativdelikt immerhin vergleichbare Situation vorliegt (Baumann § 33 IV 3 c). Wenn in diesen Fällen wegen der Gleichwertigkeit aller Tatumstände nach dem Umkehrprinzip auch Versuch und nicht Wahnverbrechen vorliegt, so erscheint die vermeintliche Verwirklichung einer Sonderstraftat doch im Ergebnis nicht strafwürdiger als das überhaupt nur putativ strafbare Verhalten eines an sich tauglichen Normadressaten (Foth JR 1965 371; Stöger S. 79, verneint das Vorliegen eines Versuchs wegen fehlender Gefährlichkeit schon tatbestandlich). Auf die Fälle der sog. täterschaftlich eingeschränkten Gemeindelikte (auch soweit 159 sich die Täterqualität nicht schon aus der Objektseigenschaft ergibt, vgl. dazu oben Rdn. 153) und der irrigen Annahme eines die Garantenpflicht begründenden Sachverhalts (schließt der Täter bei richtig erkanntem Sachverhalt auf eine in Wahrheit nicht bestehende Garantenpflicht, dann liegt ein Wahndelikt vor (umgekehrter Subsumtionsirrtum) vgl. oben Rdn. 151) lassen sich diese Erwägungen jedoch nicht übertragen. Im Gegensatz zu den Sonderdelikten i. e. S., bei denen das objektiv täterschaftliche Merkmal eines rechtlichen Entstehungsaktes bedarf und der Täter nur dadurch die zum Wesensgehalt der Deliktstypisierung gehörende exklusive Sonderstellung (Bruns G A 1979 181) erhält, hängt in diesen Fällen die Täterqualität vom Vorliegen faktischer Vorbedingungen ab (Stratenwerth Bruns-Festschrift S. 66 mit dem Hinweis, daß die faktische Natur von Vorbedingungen auch in der Person des Täters selbst liegen kann). Diese Feststellung mag trivial und zur Begriffsbestimmung des Sonderdelikts wenig geeignet erscheinen (Stratenwerth Bruns-Festschrift S. 66). In dem hier erörterten Zusammenhang fällt der Einwand aber dann nicht ins Gewicht, wenn man sich von der Ableitung der Versuchslösung beim untauglichen Täter aus begrifflichen Vorgaben freimacht. Unter Versuchsgesichtspunkten erscheint die Differenzierung nicht nur plausibel, sondern auch insofern systemgerecht, als darin der Unterschied zwischen dem zum straflosen Wahndelikt führenden Rechtsirrtum und dem als strafbaren Versuch zu behandelnden Tatsachenirrtum zum Ausdruck kommt. Die Erlangung der Täterqualität setzt in dem einen Fall einen Rechtsakt voraus, in dem anderen ist sie das Ergebnis einer „situativen Konkretisierung" (Stratenwerth Rdn. 720). Während der rechtliche Entstehungsakt (ζ. B. die Beamtenernennung) nicht durch die Vorstellung des Täters ersetzbar ist, entspricht es der subjektiven Betrachtungsweise der darauf beruhenden Strafbarkeit des untauglichen Versuchs, daß die zur Tatsituation gehörenden Umstände nicht tatsächlich vorhanden sein müssen, sondern dem Täter auch dann angelastet werden, wenn er von ihrem Vorhandensein irrtümlich ausgegangen ist. Damit scheiden aus dem Kreis der strafbaren Versuchstaten nur die Fälle aus, in denen das Gesetz sich auf einen besonderen rechtlichen Status bezieht, den der Täter nicht aus eigener Kraft zu erlangen vermag (und der ihm deshalb wegen bloßer anmaßender Vorstellung auch nicht zugerechnet werden kann). Auch kriminalpolitische Erwägungen lassen diese Differenzierung sinnvoll erscheinen. Im Gegensatz zu den Statusdelikten ist es hier mit der Aufdeckung des Irrtums nicht getan ; die auf die (vermeintliche) Tat gerichtete Willensäußerung hat sich zwar im konkreten Fall als untauglich erwiesen, aber der rechtserschütternde Eindruck wird dadurch ebensowenig beseitigt wie die im Willen des Täters liegende Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts. Es macht in beiden Richtungen einen Unterschied, ob ein rechtlicher Bestellungsakt oder der Zufall darüber entscheiden, wer Täter sein kann. Unter Strafwürdigkeitsgesichtspunkten erscheint es deshalb gerechtfertigt, auf der Grundlage der subjektiven Versuchslehre dem Täter die zwar objektiv nicht vorhandene, aber subjektiv vorgestellte Qualität anzulasten. (103)

§23 160

2. Abschnitt. Die Tat

Auf dieser Grundlage ergeben sich für die in Lit. und Rspr. umstrittenen Fälle folgende Lösungen: Ein Verkehrsteilnehmer, der irrig einen Verkehrsunfall annimmt und sich entfernt, beging einen früher nach § 142 Abs. 2 a. F. strafbaren Versuch der Unfallflucht (BayObLG 1952 31; OLG Stuttgart NJW 1978 900; vgl. auch BGH MDR 1957 266); dagegen liegt strafloses Wahndelikt vor, wenn der Täter, der bei einem von ihm allein verursachten Verkehrsunfall ausschließlich selbst Schaden erlitten hat, sich einer (vermeintlichen) Feststellungspflicht i. S. des § 142 StGB zu entziehen glaubt (BGHSt. 8 263, 268). Der Gemeindebedienstete, dessen Anstellung als Beamter nichtig war, macht sich nicht wegen versuchter Falschbeurkundung im Amt strafbar (SchlHOLG SchlHA 1949 297); die irrige Annahme drohender Zahlungsunfähigkeit begründet einen untauglichen nach § 283 Abs. 1 i. V. mit Abs. 3 strafbaren Versuch (Urteil des BGH 3 StR 11/78 v. 23. 8. 1978, mitgeteilt bei Tiedemann NJW 1979 254; a. A. Tiedemann Schröder-Gedächtnisschrift S. 289, 295 mit Nachw. zum Meinungsstand) ; der Unterlassungstäter, der irrigerweise eine Garantenpflicht annimmt, bleibt straflos (Wahnverbrechen, BGHSt. 16 155, 160). Die irrige Annahme der eine Garantenpflicht begründenden Umstände führt dagegen zum strafbaren (untauglichen) Versuch. Ein de facto-Soldat, dem aber die Soldateneigenschaft fehlt, kann keine Fahnenflucht begehen (BGH NZWehrR 1967 173; OLG Celle MDR 1962 327; a. A. RKG 2 104, wo sogar die Möglichkeit einer vollendeten Fahnenflucht des de facto-Soldaten bejaht wird); der Beschuldigte, der unzulässigerweise auf eine falsche Aussage vereidigt worden ist, begeht keinen untauglichen Versuch, wenn er sich irrig für zeugnis- und wahrheitspflichtig gehalten hat (BGHSt. 10 8, 10; vgl. dazu näher Bruns GA 1979 178; maßgebend ist auch hier, daß der Täter die rechtliche Barriere des Vereidigungsverbots für Beschuldigte nicht durch seine irrige Vorstellung zu überspringen vermag).

§23 Strafbarkeit des Versuchs (1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2). §44 a. F.: (1) Das versuchte Verbrechen oder Vergehen kann milder bestraft werden als das vollendete. (2) Ist das vollendete Verbrechen mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht, so kann auf Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren erkannt werden. (3) In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Viertel des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt werden. (104)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

§27 E 1962: (1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets, der Versuch eines Vergehens nur dann strafbar, wenn ihn das Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht. (2) Die Strafe für den Versuch richtet sich nach der Strafdrohung Tat. Jedoch kann die Strafe nach § 64 Abs. 1 gemildert werden.

für die

vollendete

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung fuhren konnte, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§64 Abs. 2) oder von Strafe absehen. § 25 AE: (1) Der Versuch des Verbrechens Gesetz es bestimmt.

ist strafbar,

(2) Die Strafe wird nach § 61 Abs. 1

der des Vergehens

nur, wenn

das

gemildert.

(3) Der Versuch bleibt straflos, 1. wenn er in der irrigen Annahme einer besonderen Pflichtenstellung ist, 2. wenn er auf grobem Unverstand beruht und deshalb von vornherein lich ist.

begründet ungefähr-

Schrifttum Börker Die Milderung der Strafe für den Versuch, JZ 1956 477; Bruns Zum Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen oder strafrahmenbildenden Umständen (Strafbemessungsgründen), H. Mayer-Festschrift (1966) 353; Bruns Strafzumessungsrecht 2. Aufl. (1974); Bruns Leitfaden des Strafzumessungsrechts (1980); Bruns Zur Tragweite des Verbots der Doppelverwertung von Strafmilderungsgründen, JR 1980 226; Dreher Was bedeutet Milderung der Strafe für den Versuch? JZ 1956 682; Dreher Doppel Verwertung von Strafbemessungsumständen, JZ 1957 155; Dreher Gedanken zur Strafzumessung, JZ 1968 209; Gössel Zur Strafbarkeit des Versuchs nach dem 2. StrRG, GA 1971 225 ; Horstkotte Zusammentreffen von Milderungsgründen (§50 StGB), Dreher-Festschrift (1977) 265; Jahr Die Bedeutung des Erfolgs für das Problem der Strafmilderung beim Versuch (1981); Kayser Schärfster Kampf dem Gewaltverbrecher! DR 1940 345; Kaufmann Die Dogmatik im Alternativ-Entwurf, ZStW 80 (1968) 34; Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972); Meyer Kritik an der Neuregelung der Versuchsstrafbarkeit, ZStW 87 (1975) 598; Mösl Tendenzen der Strafzumessung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DRiZ 1979 165; Mösl Zum Strafzumessungsrecht NStZ 1981 131; Nagler Die Neuordnung der Strafbarkeit von Versuch und Beihilfe, GS 115 (1941) 24; Röder Erscheinungsformen des Verbrechens (1953); Roxin Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 329; Roxin u. a. Einführung in das neue Recht 2. Aufl. (1975); Schneider Der abergläubische Versuch, GA 1955 265; Stratenwerth Die fakultative Strafmilderung beim Versuch, Festgabe zum Schweiz. Juristentag (1963) 247; Zielinski Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff (1973); vgl. auch das Schrifttum vor § 22. Entstehungsgeschichte § 23 entspricht 190, 193 ff, 225; Abschnitts durch 1653, 1735, 1742,

§ 27 E 1962 (Begr. S. 145; Niederschriften 2 173, 177, 184, 188, 4 364) und ist ebenso wie die übrigen Vorschriften dieses das 2. StrRG eingefügt worden (BT-Drucks. V / 4 0 9 5 ; Prot. V / 1747 ff).

Die Differenzierung in Absatz 1 zwischen Verbrechen, bei denen der Versuch stets und Vergehen, bei denen der Versuch nur in den gesetzlich bestimmten Fällen (105)

§23

2. Abschnitt. Die Tat

strafbar ist, war seit jeher im deutschen StGB enthalten. Sie geht auf den französischen code penal zurück, der den Versuch zwar bei Verbrechen der Vollendung gleichstellt (Art. 2), die Strafbarkeit bei Vergehen aber auf ausgewählte Fälle beschränkt (Art. 3). Absatz 2 beläßt es bei der fakultativen Strafmilderung. Ursprünglich enthielt das StGB von 1871 eine obligatorische Strafmilderung für den Versuch. Auch die Entwürfe von 1909,1913, 1919 sahen sie vor (vgl. Bruns Strafzumessung S. 439), ebenso der Entwurf von 1927/30. Auch er wollte an der obligatorischen Strafmilderung unter Ablehnung der nach der Reichsratsvorlage (§ 23 Abs. 2) vorgesehenen Möglichkeit, den Versuch ebenso streng zu bestrafen wie die vollendete Tat, festhalten (vgl. E 1927 Begr. S. 24). Die obligatorische Strafmilderung wurde dann aber unter Hinweis auf die Erfordernisse des „Willensstrafrechts" durch § 4 der Gewaltverbrecherverordnung vom 5.12.1939 (RGBl. I S. 2378; vgl. auch die amtl. Begr. DJ 1939 1856) abgeschafft. Die Strafe für den Versuch sollte nach dem „Maß der Willensschuld" des Täters unabhängig von dem „vielfach von Zufälligkeiten abhängigen Eintritt des Erfolges" bestimmt werden mit der Konsequenz, daß auch trotz Ausbleibens des Erfolges „volle Schuld ungeminderte Sühne rechtfertige" (RG DJ 1942 477; Kayser DR 1940 349; vgl. dazu auch Stratenwerth Rdn. 683). Die Neufassung des § 44 a. F. i. S. der bloß fakultativen Milderbestrafung ohne Ausschluß selbst so extremer Strafen wie der Todesstrafe erfolgte durch die Novelle vom 29. 5. 1943 (RGBl. I S. 341). Die Weitergeltung dieser Vorschrift wurde nach 1945 z. T. bezweifelt, von BGHSt. 1 115, 117; OGHSt. 3 76, 78; 150 152 aber bejaht. Die Umwandlung der zwingenden in eine lediglich mögliche Strafmilderung beruht zwar auf nationalsozialistischem Gedankengut, läßt sich aber nicht allein damit erklären, was sich schon daraus ergibt, daß die Änderung in Anlehnung an entsprechende Regelungen in Österreich und der Schweiz erfolgte (vgl. Bruns Strafzumessung S. 439; Jescheck § 49 V 2 Fußn. 41 ; Nagler GS 115 [1941] 27 ff) und auch bereits der Radbruch-Entwurf 1922 die „Kann-Milderung" vorsah (vgl. dazu Bruns Leitfaden S. 145). Auch heute treten Anhänger der subj. Versuchstheorie nach wie vor für die bloß fakultative Strafmilderung mit dem Argument ein, der Versuch sei im Prinzip ebenso strafwürdig wie die vollendete Tat, eine Strafmilderung erscheine beinahe prinzipwidrig und könne jedenfalls nicht zwingend vorgeschrieben werden (so Bockelmann Niederschriften 2 173). Im Zuge neuerer Reformbestrebungen sprachen sich die Verfasser des AE in § 25 Abs. 2 für die (Wieder-)Einführung der obligatorischen Strafmilderung mit dem Hinweis aus, das Ausbleiben des Erfolges beim Versuch mildere den Erfolgsunwert; eine an den Rahmen der Tatschuld gebundene Strafe müsse deshalb milder sein als bei der Vollendung des Delikts (vgl. dazu AE-AT S. 63 ; krit. Kaufmann ZStW 80 (1968) 50 ff. In der Literatur treten für eine obligatorische Strafmilderung ein Baumann § 32 III 2 (Wegfall des Erfolgsunrechts); Stratenwerth Rdn. 682 und Schweiz. Juristentagsfestgabe S. 256. Für obligatorische Strafmilderung beim unbeendeten Versuch Kaufmann ZStW 80 (1968) 51 f und Zielinski S. 213 ff; dagegen für Gleichbehandlung von Versuch und Vollendung Röder S. 14). Da dem AE die subj. Theorie zugrundeliegt, ist vorgebracht worden, die befürwortete obligatorische Strafmilderung stehe im Widerspruch zum Strafgrund (Corves Prot. V/1653). Die Entscheidung zwischen fakultativer und obligatorischer Strafmilderung darf in ihrer Bedeutung für die Rechtsanwendung nicht zu hoch eingeschätzt werden, da auch die obligatorische Strafmilderung nicht zur Konsequenz hätte, daß die ver(106)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

suchte Tat tatsächlich milder bestraft würde als die vollendete. Dem Gebot der Strafmilderung ist schon dadurch Genüge getan, daß die Strafe dem milderen Sonderstrafrahmen entnommen wird (vgl. Bruns Strafzumessung S. 440 ff). Ob deshalb im Ergebnis eine Strafmilderung erreicht worden ist, läßt sich mit Sicherheit nur sagen, wenn der allgemeine Strafrahmen eine absolute Strafe androht oder die erkannte Strafe unter der Mindeststrafe des allgemeinen Strafrahmens bleibt (Meyer ZStW 87 [1975] 613). Das 2. StrRG ist dem Vorschlag des AE nicht gefolgt und hält in Übereinstimmung mit dem E 1962 an der lediglich fakultativen Strafmilderung fest (vgl. dazu BT-Drucks. V/4095 Begr. S. 11). Nach dem Ausschuß ist dies die logische Konsequenz der ausdrücklich anerkannten subj. Versuchstheorie. Sehe man den verbrecherischen Willen und damit die Gefährlichkeit des Täters als tragenden Strafgrund für den Versuch, könne es für die Strafbemessung keinen grundsätzlichen Unterschied bedeuten, ob der Erfolg eingetreten oder aus Gründen, die außerhalb des Willensbereichs des Täters liegen, ausgeblieben sei (BT-Drucks. V/4095 Begr. S. 11). Der rechtsfeindliche Wille bleibe gleich, einerlei, ob das tödliche Geschoß sein Ziel treffe oder verfehle (vgl. Meyer ZStW 87 [1975] 614). Ob die Prämisse zutreffend ist, daß dem geltenden Recht die subj. Theorie zugrundeliegt und sich daraus die nur fakultative Strafmilderung ableiten läßt (vgl. dazu oben vor § 22 Entstehungsgeschichte und krit. Meyer ZStW 87 [1975] 614), mag auf sich beruhen. Auch wenn man wie hier den Strafgrund in einer Verbindung von objektiven und subjektiven Momenten (Eindruckstheorie) erblickt (vgl. oben vor § 22 Rdn. 51 ff), wird die fakultative Milderung als Mittellösung zwischen der Gleichstellung von Versuch und Vollendung einerseits und obligatorischer Strafmilderung andererseits am ehesten dem Erscheinungsbild des Versuchs gerecht (vgl. Meyer ZStW 87 [1975] 614). Es hängt von der Nähe der Tat zur Vollendung, von der Gefährlichkeit des Versuchs und der Intensität des verbrecherischen Willens ab, ob auf die Tat der normale oder der nach § 49 Abs. 1 gemilderte Strafrahmen anzuwenden ist (Jescheck § 49 V 2; Bruns Strafzumessung S. 438 ff; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6). Daß demgegenüber in § 30 eine obligatorische Strafmilderung enthalten ist, rechtfertigt sich aus dem Unterschied, daß die Strafbarkeit in den Planbereich von Verbrechen vorverlegt ist, ohne sie von einer konkreten oder unmittelbaren Gefährdung des jeweiligen Handlungsobjekts abhängig zu machen (Letzgus S. 225). In Absatz 3 hat sich der Gesetzgeber erstmals für den Fall des grob unverständigen Versuchs für ein Absehen von Strafe bzw. für eine Strafmilderung ausgesprochen (krit. dazu Gössel G A 1971 227 und Roxin Einführung S. 21 f, der de lege ferenda in allen Fällen „groben Unverstands" für Straflosigkeit eintritt). Die Vorschrift ist Art. 23 Abs. 2 des Schweiz. Strafgesetzbuches nachgebildet (Meyer ZStW 87 [1975] 617). Der Vorschlag des AE, derartige Fälle prinzipiell straflos zu lassen (§ 25 Abs. 3 Nr. 2), wurde mit der Begründung nicht übernommen, daß es auch in diesem Bereich Fälle geben könne, in denen ein — wenngleich geringes — Strafbedürfnis bestehe (BT-Drucks. V/4095 Begr. S. 12). Schlecht gewählt und zur Begründung nicht stichhaltig ist allerdings das herangezogene Beispiel des Mordversuchs mit einem zu gering dosierten Beruhigungsmittel, da dies kein Fall des groben Unverstands ist (vgl. Roxin JuS 1973 332). Absatz 3 erfaßt nur die Fälle der Untauglichkeit des Objekts und des Mittels, nicht aber Fälle der Untauglichkeit des Subjekts. Davon ist mit der Begründung Abstand genommen worden, Fälle des untauglichen Täters — Putzfrau hält sich für (107)

§23

2. Abschnitt. Die Tat

Beamtin — seien in der Praxis selten; die Rechtsprechung werde hier „zudem ohne eine ausdrückliche Regelung Straflosigkeit annehmen" (BT-Drucks. V/4095 Begr. S. 11). Übersicht Rdn. I. Allgemeines II. Strafrahmenwahl III. Straffestsetzung 1. Regelstrafrahmen

1 8 19 20

Rdn. 2. Sonderstrafrahmen IV. Einzelheiten V. Der grob unverständige Versuch

23 25 28

I. Allgemeines 1 Während § 22 umschreibt, wann ein Versuch gegeben ist, regelt § 23 die Strafbarkeit des Versuchs, die hinsichtlich der Zulässigkeit einer Bestrafung, aber auch hinsichtlich des Strafmaßes von der vollendeten Tat abweicht. Absatz 1 bestimmt das „Ob", Absatz 2 und 3 das „Wie" der Bestrafung. 2

1. Die Strafbarkeitserklärung in Absatz 1 ist an der Schwere der Straftat orientiert (Stratenwerth Rdn. 681). Bei den schweren Delikten ist schon jedes unmittelbare Ansetzen zur Tat geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit in der Allgemeinheit zu erschüttern (Jescheck § 49 V 1). Deshalb ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar.

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Aber auch bei denjenigen Vergehenstatbeständen, bei denen der Tatanreiz besonders groß ist, läßt sich aus generalpräventiver Sicht ein Strafbedürfnis nicht von der Hand weisen ( Jescheck § 49 V 1). Der Versuch eines Vergehens ist aber nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies im Besonderen Teil ausdrücklich anordnet. Das ist im Hinblick auf die Zahl der Vergehenstatbestände nur relativ selten der Fall (Stratenwerth Rdn. 681), beispielsweise ist der Versuch bei der Körperverletzung, § 223, und der Untreue, § 266, straflos. Strafbar ist der Versuch demgegenüber ζ. B. bei Nötigung, § 240 Abs. 3, Diebstahl, § 242 Abs. 2, Erpressung, § 253 Abs. 3, Betrug, § 263 Abs. 2 und Urkundenfälschung, § 267 Abs. 2.

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Für die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen ist die abstrakte Betrachtungsweise (§ 12 Abs. 3) maßgebend (siehe im einzelnen Tröndle LK § 12 Rdn. 17 ff). Deshalb ist auch in einem besonders schweren Fall der Untreue, § 266 Abs. 2, der Versuch nicht strafbar1. Der Vorstellung des Täters über die rechtliche Einordnung der Tat kommt keine Relevanz zu; es ist unerheblich, ob der Täter weiß, daß seine Tat Vergehen oder Verbrechen ist. Nur dann, wenn sich der Irrtum auf einen Sachverhalt bezieht, der die Tat zu einem Vergehen machen würde, bei dem der Versuch nicht strafbar ist, hat die Fehlvorstellung Auswirkungen (RGSt. 46 265, 267 f; Dreher-Tröndle Rdn. 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 2).

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2. Nach Absatz 2 (zur Sonderregelung des Abs. 3 für den grob unverständigen Versuch vgl. unten Rdn. 28 ff) kann der Versuch milder bestraft werden als die vollendete Tat. Die Bezugnahme auf § 49 Abs. 1 macht deutlich, daß mit Strafmilderung i. S. des § 23 Abs. 2 nicht die Unterschreitung der unteren Grenze des Regel-

1 R G J W 1937 169; RGSt. 69 49, 51 für § 263 Abs. 4 a. F.; OLG Braunschweig NJW 1947 71, 72; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 IV 1 ; Jescheck § 49 V 1. (108)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

Strafrahmens gemeint ist 2 . Mit der Strafmilderung nach Absatz 2 ist auch nicht eine Strafmilderung innerhalb des Regelstrafrahmens gemeint, sondern allein der (mögliche) Übergang auf den milderen Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 (vgl. Sch.-SchröderEser Rdn. 4). § 23 Abs. 2 gebietet damit in Versuchsfällen eine zweiaktige Strafzumessungsent- 6 Scheidung (Bruns Leitfaden S. 144: zwei Phasen). Zunächst stellt sich für den Richter die Frage, ob von dem Regelstrafrahmen auf den milderen Strafrahmen überzugehen ist (Strafrahmenwähl; dazu unten Rdn. 8—12). Daran anschließend erfolgt unter Beachtung der Grundsätze des § 46 die konkrete Straffestsetzung (dazu unten Rdn. 19—25) innerhalb des gewählten Strafrahmens. Strafmilderung nach Versuchsgrundsätzen bedeutet deshalb auch nicht, daß der 7 Richter zunächst eine hypothetische Vollendungsstrafe zu bestimmen und diese dann zu mildern hat, was ohnehin nur möglich wäre, wenn Hergang und Folgen der Tat für den Fall der Vollendung zuverlässig feststehen würden 3 . Nur dann, wenn die Strafvorschrift zwei Regelstrafrahmen enthält, beispielsweise lebenslange Freiheitsstrafe wahlweise neben einer zeitigen (so in §§229 Abs. 2, 251, 307), ist vorab zu klären, ob bei Fehlen des besonderen Milderungsgrundes — also im Fall der Vollendung — lebenslange oder zeitige Freiheitsstrafe verhängt werden müßte. Erst dann kann der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 bestimmt werden, innerhalb dessen die konkrete Straffestsetzung erfolgt. Nicht zulässig ist es, dem einen Strafrahmen die Mindeststrafe, dem anderen die Höchststrafe zu entnehmen (BGH bei Holtz MDR 1979 279). II. Strafrahmenwahl

Das Gesetz stellt für die Bestrafung des Versuchs zwei Strafrahmen zur Wahl: 8 den für das vollendete Delikt vorgesehenen Regelstrafrahmen und den nach § 49 Abs. 1 geänderten Sonderstrafrahmen. Deshalb muß sich der Richter zunächst darüber schlüssig werden, ob der gemilderte Strafrahmen angewendet werden soll oder nicht 4 . Ohne diese Vorentscheidung ist es unmöglich, den konkreten Fall in die relative Schwereskala der Strafdrohung einzuordnen und so die „richtige Strafe" zu finden (Bruns Leitfaden S. 145). 1. Obwohl Absatz 2 nur eine fakultative Strafmilderung vorsieht, stellt sich die 9 Frage, ob die Vorschrift i. S. eines Milderungszwanges zu interpretieren ist (vgl. dazu Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; Jahr S. 108). Für den Versuch kennzeichnend ist das Ausbleiben des Erfolges. Da das Fehlen der Vollendung für die Höhe der Strafe von Bedeutung ist, liegt es nahe, den Versuch grundsätzlich milder zu bestrafen 2

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BGHSt. 1 115, 117; BGH JZ 1956 500; BGH JR 1956 225; so aber BörkeriZ 1956 477 f für § 44 a. F. Hiergegen mit zutreffenden Gründen Dreher JZ 1956 682. Börker verkennt die Richtungsfunktion der Strafrahmen für die Zumessung der konkreten Strafe und ferner, daß eine Milderung dann überhaupt nur möglich wäre, wenn das in Betracht kommende Delikt mit einer erhöhten Mindeststrafe bedroht ist, denn die gesetzlichen Mindestbeträge der Strafarten dürfen grundsätzlich nicht unterschritten werden. Vgl. RGSt. 35 282, 283; 59 154, 155; RG JW 1937 2374; BGHSt. 1 115, 116 mit Anm. Hülle in LM Nr. 1 zu § 180; OGHSt. 1 190, 194; BayObLG NJW 1951 284; Sch.-SchröderEser Rdn. 9; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Bruns Strafzumessung S. 449. Dreher-Tröndle Rdn. 3; BGHSt. 1 115, 117; 16 351; 17 266; a. A. Koffka LK9 vor § 13 Rdn. 39 und Börker JZ 1956 477 f. Diese Auffassung ist spätestens durch die Neufassung der Versuchsvorschriften überholt; vgl. oben Rdn. 5.

§23

2. Abschnitt. Die Tat

(vgl. Bruns Leitfaden S. 143). Jedenfalls kann die bloß fakultative Strafmilderung nicht allein damit erklärt werden, daß das Ausbleiben der Vollendung durch andere im Wege einer „Gesamtschau" festgestellte strafschärfende Momente (ζ. B. kurzer Zeitraum zwischen der letzten Strafverbüßung und der neuen Straftat; besondere Rücksichtslosigkeit) wieder aufgehoben werden kann 5 , da dies die grundsätzlich strafmildernde Wirkung der Erfolglosigkeit voraussetzt mit der Folge, daß die Strafe nicht mehr die gleiche sein kann wie bei der unter denselben erschwerenden Umständen eingetretenen Vollendung 6 . Diese Konsequenz ergibt sich nicht nur, wenn man die Quantität des Unrechts neben dem Handlungsunwert auch durch den Erfolgsunwert bestimmt, sondern auch dann, wenn man den Erfolg für das Unrecht als bedeutungslos ansieht und dieser lediglich das Strafbedürfnis begründet. Denn auch dann führt das Ausbleiben des Erfolges zu einer Verringerung des Strafbedürfnisses mit der Folge, daß der Versuch im Vergleich zur vollendeten Tat geringer zu bestrafen ist (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; a. A. für den beendeten Versuch Zielinski S. 213). Die demnach aus allgemeinen Grundsätzen gebotene Milderung muß aber nicht zwangsläufig zum Übergang auf den milderen Sonderstrafrahmen führen. Ihr ist vielmehr schon dann Genüge getan, wenn der Versuch innerhalb des Regelstrafrahmens milder bestraft wird (Stratenwerth Rdn. 684; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6). Obligatorisch ist deshalb im Vergleich zum vollendeten Delikt zwar die Strafmilderung als solche, nicht aber der Übergang auf den milderen Sonderstrafrahmen (.Stratenwerth Rdn. 684). 10

2. Die Entscheidung zwischen Regel- und Sonderstrafrahmen kann der Richter nach Rechtsprechung und h. L. aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters treffen, um die versuchte Tat als Ausfluß der Täterpersönlichkeit in ihrer Bedeutung für die Rechtsordnung voll zu erfassen ; ζ. B. soll der Umstand herangezogen werden dürfen, daß der Täter gerade eine Gefängnisstrafe verbüßt hat 7 . Diese Auffassung ist abzulehnen. Für die Wahl zwischen Normal- und Sonderstrafrahmen dürfen nur Umstände berücksichtigt werden, die die Tat in ihrer Erscheinungsform als Versuch betreffen und sie im Hinblick darauf als immer noch schwerwiegend genug oder als verhältnismäßig milde erscheinen lassen^. Es ist allein zu fragen, ob die versuchte von der gedachten vollendeten Tat nach Unrechtsoder Schuldgehalt abweicht (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7; Rudolphi SK Rdn. 3). Andere Umstände — etwa Vorstrafen (OLG Hamm NJW 1958 561) — sind unbe5

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So aber BGH St. 16 351, 352; vgl. dazu auch LG Frankfurt N J W 1980 1402, 1403; B G H N J W 1962 749, 750 u n d Bruns Leitfaden S. 144. Stratenwerth Rdn. 684; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 6; zweifelnd auch Bruns Strafzumessung S. 499, da keine gesteigerte Schuld vorhanden ist, die den fehlenden Erfolgsunwert ausgleichen könnte. BGHSt. 16 351, 353, wo allerdings noch nicht von einer Verpflichtung, sondern nur von einer Befugnis des Richters, alle Tatumstände u n d die Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen, gesprochen wird. Vgl. auch BGHSt. 17 266; BGHSt. 26 311; BGH bei Holtz M D R 1981 979, aber auch BGH bei Holtz M D R 1978 286; O L G H a m m N J W 1958 561; B G H G A 1965 204; Baumann § 32 III 2; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 IV 2; Bockelmann AT § 27 IV; Bruns Strafzumessung S. 448; Stratenwerth Schweiz. Juristentags-Festgabe S. 261 ; zweifelnd Lackner Anm. 2 a u n d § 49 Anm. 3 a. O L G H a m m N J W 1958 561 ; Jescheck § 49 V 2; Rudolphi S Κ Rdn. 3 ; Dreher J Z 1956 683 und JZ 1957 156; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7.

(Π0)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

achtlich (Dreher-Tröndle Rdn. 3). Allein maßgebend ist, wie weit der Versuch von der Vollendung entfernt war (BGH GA 1966 146) und ob das Ausbleiben des Erfolges auf eine geringe kriminelle Intensität zurückgeht (vgl. dazu ausführlich Stratenwerth Schweiz. Juristentags-Festgabe S. 247; Bruns Strafzumessung S. 443 ff)· Dieser Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, sie bewirke, daß der 11 Richter bei zahlreichen Versuchshandlungen, denen es an kennzeichnenden Zügen für die Beurteilung ihrer Schwere fehle, keinen zuverlässigen Maßstab für die Ausübung seines Ermessens finde (so aber BGHSt. 16 351, 353). Fehlen „kennzeichnende Züge", so können sie bei der Strafzumessung weder be- noch entlastend zugrundegelegt und auch nicht durch versuchsneutrale Umstände (Vorstrafen etc.) ersetzt werden. Daß „ein Rechtsbruch nur deshalb eine besonders scharfe strafrechtliche Ahndung (fordert), weil er von einem schon früher als gefährlich in Erscheinung getretenen Täter verübt worden ist" (BGHSt. 16 351, 353), ist kein versuchsspezifischer Umstand, sondern entsprechend § 46 (Vorleben des Täters) bei der konkreten Straffestsetzung innerhalb des gewählten Strafrahmens zu berücksichtigen. Macht der Richter von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch, so ändert sich 12 zunächst nur der Strafrahmen nach dem Maßstab des § 49 Abs. 1. Aus diesem zusammen mit der Strafvorschrift gebildeten Strafrahmen hat er die Strafe zu entnehmen (BGHSt. 1 115; BGH bei Dallinger MDR 1951 403). Im Gegensatz zum früheren Recht (§ 44 Abs. 2 und 3 a. F.), das den Strafrahmen allein nach unten erweiterte, bewirkt § 49 Abs. 1 sowohl eine Änderung der Höchst- wie der Mindeststrafe. 3. Aus dem Grundsatz, daß jeder Strafrahmen gemildert wird, folgt zum einen, 13 daß auch durch Vorschriften des Allgemeinen oder Besonderen Teils geänderte verschärfte Sonderstrafrahmen zu mildern sind. So erhöht sich bei Rückfall das Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe nach § 48 auf 6 Monate, es sei denn, die anzuwendende Norm sieht selbst bereits eine höhere Mindeststrafe vor. Dieser Strafrahmen ist Ausgangspunkt für die Strafmilderung nach § 23 (BT-Drucks. V/ 4094 S. 8 zu § 17) mit der Folge, daß in Versuchsfällen trotz Rückfalls die Mindeststrafe wieder einen Monat beträgt 9 . Auch im Rahmen der §§ 242, 243 findet § 23 Abs. 2 Anwendung, so daß die gegen Diebstahl in einem besonders schweren Fall angedrohte Mindeststrafe bei versuchter Tat unterschritten werden kann 1 0 . Zum anderen folgt aus dem grundsätzlichen Milderungsgebot, daß auch ein aus 14 anderen Gründen bereits gemilderter Strafrahmen nochmals zu mildern ist; die mehrfache Herabsetzung des Strafrahmens ist grundsätzlich möglich (vgl. BGHSt. 27 298, 300; OLG Köln GA 1973 282; BayObLG NJW 1951 284; Jescheck § 49 V 2). Ist beispielsweise der Täter vermindert schuldfähig und bleibt die sexuelle Nötigung (§ 178) im Versuchsstadium stecken, tritt anstelle des Strafrahmens von einem Jahr bis zu 10 Jahren aufgrund der doppelten Milderung ein Strafrahmen von einem Monat bis zu 5 Jahren 7 Monaten und 2 Wochen. Bei Annahme eines sonstigen minderschweren Falles i. S. des § 213 kann die Höchststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe nochmals gemäß §§ 23, 49 gemildert werden, wenn der Tatrichter das 9 Vgl. dazu Mösl NStZ 1981 134; BGH 2 StR 56/82 v. 30.6.1982; BGH 2 StR 626/81 v. 19. 11.1981; 2 StR 114/80 v. 8.10. 1980 m. w. N. "> Vgl. OLG Köln GA 1973 282 m. w. N. BGH 3 StR 487/75 v. 31. 3. 1976; Sch.-SchröderEser § 243 Rdn. 45 ; zweifelnd Lackner § 243 Anm. 3 a. (111)

§23

2. Abschnitt. Die Tat

Steckenbleiben der Tat im Versuchsstadium nicht schon bei der Bejahung des minderschweren Falles mitberücksichtigt hat (BGH 3 StR 351/82 v. 19.10. 1982 unter Bezugnahme auf BGHSt. 27 298, 300). Dies gilt auch dann, wenn die Tat eine vollendete gefährliche Körperverletzung enthält, die im Schuldspruch nicht zum Ausdruck gekommen ist (BGHSt. 30 166). Die doppelte Milderungsmöglichkeit führt auch dazu, daß der Tatrichter nicht von der Prüfung der Voraussetzungen des § 213 mit der Begründung absehen darf, die schuldangemessene Strafe könne dem nach Versuchsgrundsätzen gemilderten Strafrahmen entnommen werden (BGH NJW 1956 756, 757). 15

Auch im Rahmen des § 250 Abs. 2 kann das Gericht, wenn es den Umstand, daß die Tat nur ein Versuch geblieben ist, zur Begründung eines minderschweren Falles nicht herangezogen hat, die Strafe zusätzlich nach § 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 mildern (BGH NJW 1980 950; BGH 4 StR 25/80 v. 7. 2.1980). Die Doppelmilderung ist nach § 50 nur für den Fall ausgeschlossen, daß die Annahme eines minderschweren Falles darauf gestützt wird, daß ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund nach § 49 vorliegt (BGHSt. 27 298, 299 f sowie ausführlich dazu Horstkotte Dreher-Festschrift S. 272 ff und Bruns JR 1980 226 ff). Liegt ein solcher besonderer gesetzlicher Milderungsgrund nach § 50 vor, so steht es nach h. M. dem Tatrichter offen, die Strafe dem Strafrahmen für minderschwere Fälle oder dem des § 49 zu entnehmen 11 .

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4. Da es für die Wahl des Sonderstrafrahmens u. a. auf die Nähe zur Tatvollendung (vgl. oben Rdn. 10) ankommt, wird bei einem unbeendeten Versuch regelmäßig Anlaß zur Milderung, d. h. Übergang auf den Sonderstrafrahmen, bestehen 12 . Aber auch bei einem beendeten Versuch ist die Strafmilderung nicht von vornherein ausgeschlossen 13 . Nach der Rechtsprechung kommt sie dann nicht in Betracht, wenn der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommt, daß die Tat ein hohes Maß krimineller Anstrengung aufgewiesen hat und deshalb der Vollendung nahegekommen ist (BGH NJW 1962 355, 356; BGH 1 StR 99/74 v. 7. 5.1974; BGH 4 StR 246/81 v. 4. 6. 1981 ; vgl. dazu aber oben Rdn. 10).

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Die Strafmilderung darf nicht mit der Erwägung versagt werden, das Ausbleiben des Erfolges sei kein „Verdienst" des Täters, da bei Verdienst Rücktritt in Betracht kommen würdeH Von einer Milderung kann auch nicht etwa deshalb abgesehen werden, weil möglicherweise Vollendung gegeben ist (Dreher-Tröndle Rdn. 3), da auch bei der Strafzumessung der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten" gilt (BGH GA 1965 204). 11

BGHSt. 16 360; BGHSt. 21 59; Horn SK § 50 Rdn. 3; ausführlich Horstkotte Dreher-Festschrift S. 272 ff. A. A. Sch.-Schröder-Stree § 50 Rdn. 3, der die Annahme eines minderschweren Falles allein aufgrund eines Strafmilderungsgrundes i. S. des § 49 für unzulässig hält, da ansonsten die gesetzliche Begrenzung der Strafherabsetzung bei speziellen Milderungsgründen unterlaufen würde. 12 BGH bei Dallinger MDR 1973 900; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7 a; vgl. auch BGH NJW 1962 355, 356. 13 Vgl. dazu jedoch BT-Dnicks. V/4095 Begr. S. 11 ; BGH MDR 1962 748 und BGH bei Dallinger MDR 1970 380; 1973 900. 14 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1970 380; 1972 569; 1973 191; OLG Hamm NJW 1958 1694; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7 a; Bruns Strafzumessung S. 450 und Leitfaden S. 147: „wörtlich genommen unhaltbar"; Dreher-Tröndle Rdn. 3; vgl. aber auch Maurach-GösselZipfAT 2 § 41 IV 2 sowie BGH bei Dallinger MDR 1974 721. (112)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

Ob der mildere Sonderstrafrahmen zugrundezulegen ist, hat der Richter nach 18 seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Die Urteilsgründe müssen zeigen, daß der Richter die Strafmilderung erwogen hat (BGH LM Nr. 1 zu § 44 a. F. ; KG JR 1966 307) und von welchem Strafrahmen er ausgegangen ist (BGH bei Daliinger MDR 1951 403). Bloßes Versagen mildernder Umstände genügt in der Regel nicht. Es stellt einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, der zur Aufhebung des Strafausspruchs zwingt, wenn die Möglichkeit der Anwendung des gemilderten Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2,49 Abs. 1 nicht erörtert und die Vorschrift im Urteil nicht erwähnt wird 15 , jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt nicht so gelagert ist, daß die Anwendung des gemilderten Strafrahmens ohne weiteres ausscheidet (BGH 2 StR 86/82 v. 24. 3.1982). Nach wie vor enthalten die meisten Entscheidungen die formelhafte Wendung, die Strafe sei wegen Versuchs gemildert worden. Dieser allgemeine Hinweis genügt aber nicht (BGH StV 1982 114), das Urteil muß erkennen lassen, ob der Richter bei der Festsetzung der Strafe vom Regel- oder vom Sonderstrafrahmen ausgegangen ist (BGH 1 StR 367/82 v. 15. 7.1982). Umgekehrt ist auch die Strafmilderung begründungspflichtig, wenn eine Versuchshandlung vorliegt, die sich in ihrem Unrechtsgehalt der Vollendung sehr stark nähert 16 . III. Straffestsetzung Die Straffestsetzung innerhalb des gewählten Strafrahmens erfolgt nach allge- 19 meinen Grundsätzen. Entsprechend § 46 ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter erforderlich. 1. Entscheidet sich der Richter für den Regelstrafrahmen, so muß er die Tatsa- 20 che, daß das Geschehen im Versuchsstadium steckengeblieben ist, strafmildernd berücksichtigen, da wegen des fehlenden Erfolgsunwerts der Unrechtsgehalt der Tat weniger schwerwiegt (vgl. oben Rdn. 8; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9; Dreher JZ 1957 156 Fußn. 11; a. A. BGH NJW 1962 749, 750). Der Richter hat allerdings nicht zunächst hypothetisch eine Vollendungsstrafe 21 festzusetzen, was ohnehin nur möglich wäre, wenn abzuschätzen ist, wie der Tatverlauf bei Vollendung ausgesehen hätte 17 . Unzulässig ist es, die Regelhöchststrafe zu verhängen, da diese den schwersten 22 Fall einer vollendeten Tat erfaßt und deshalb nicht verhängt werden darf, wenn der Erfolg nicht eingetreten ist 18 . Allerdings ist eine Milderung dann nicht möglich, wenn das Gesetz eine absolut bestimmte Strafe androht — etwa bei Mord, § 211 —, da dann für die richterliche Strafzumessung kein Raum mehr bleibt. Daß bei absolut bestimmten Strafen der Rahmen unterschiedlicher Unrechts- und Schuldgrade so weit gespannt sei, daß er auch das Unrecht des Versuchs bei Hinzutreten erschwerender Umstände erfasse, !5 BGH 2 StR 626/81 v. 19.11. 1981 ; 4 StR 536/80 v. 1. 10. 1980; 4 StR 431/79 v. 16.8. 1979. 16 BGH bei Holtz MDR 1981 979 mit der Begründung, daß andernfalls nicht überprüft werden kann, ob der Ermessensentscheidung des Tatrichters nach § 23 Abs. 2 Rechtsfehler anhaften. 17 Vgl. oben Rdn. 7; RGSt. 35 282, 283; 59 154, 155; RG JW 1937 2374; BGHSt. 1 115, 116 mit Anm. Hülle in LM Nr. 1 zu § 180; OGHSt. 1 190, 194; BayObLG NJW 1951 284; Bruns Strafzumessung S. 449; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9; Dreher-Tröndle Rdn. 3. 18 Vgl. Stratenwerth Rdn. 682, 684; a. A. Blei AT § 68 2; Bruns Strafzumessung S. 449; vgl. auch Mösl DRiZ 1979 166. (113)

§23

2. Abschnitt. Die Tat

erscheint fraglich 19 . Eine Strafmilderung kann aber nur dadurch erreicht werden, daß der Richter bereits im ersten Strafzumessungsakt (Strafrahmenwahl) auf den Sonderstrafrahmen nach § 49 Abs. 1 übergeht und dann innerhalb dieses Rahmens die Strafe festsetzt. 23

2. Entscheidet sich der Richter für die Strafmilderung nach Absatz 2, ist innerhalb dieses Sonderstrafrahmens auf diejenige Strafe zu erkennen, die dem Unrechts- und Schuldgehalt der versuchten Tat entspricht (BGHSt. 1 115, 117; MDR 1951 403). Nicht ausgeschlossen ist, daß die konkrete Versuchsstrafe immer noch über dem Mindestmaß des Regelstrafrahmens liegt 20 , doch muß die Urteilsbegründung ergeben, daß sich der Richter der Möglichkeit der Milderung unterhalb der Mindeststrafe bewußt gewesen ist (Bruns Leitfaden S. 144).

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Da der Umstand, daß nur Versuch vorliegt, bereits zur Wahl des milderen Sonderstrafrahmens geführt hat, kann dieser bei Bemessung der konkreten Strafe nicht nochmals veranschlagt werden 2 1. Das gilt auch für alle weiteren versuchsbezogenen Merkmale, die schon bei der Strafrahmenwahl berücksichtigt worden sind (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10. Α. A. BGHSt. 16 351, 354; 17 266). Nur die besonderen Eigenschaften des in Frage stehenden Versuchs dürfen hier nochmals veranschlagt werden (Rudolphi SK Rdn. 4). So kann, wenn die Milderung, d. h. der Übergang auf den Sonderstrafrahmen mit der Untauglichkeit des Versuchs begründet worden ist, der besondere Grad der Untauglichkeit bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm VRS 35 269, 270; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10; Rudolphi SK Rdn. 4). Dieser Beschränkung unterliegen dagegen nicht alle sonstigen Milderungs- und Erschwerungsgründe, und zwar nach h. M., die hier ein Doppelverwertungsverbot nicht anerkennt, auch dann nicht, wenn sie im Wege einer „Gesamtschau" bereits bei der Milderung nach Absatz 2 berücksichtigt worden sind (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10).

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IV. Einzelheiten 1. Wie die Bezugnahme auf § 49 bestätigt, betrifft die Milderung nach Absatz 2 nur die Hauptstrafe, nicht die Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Besserung und Sicherung. Trotz Milderung der Hauptstrafe können sie wie bei vollendeter Tat verhängt werden {Baumann § 32 III 2), es sei denn, daß durch die Milderung der Hauptstrafe die für die Nebenstrafe erforderliche Strafhöhe nicht erreicht wird (vgl. Blei AT § 68 5). Allerdings ist es nicht ausgeschlossen — etwa im Fall des § 44 — für die Dauer des Fahrverbots versuchsbedingte Milderungsgründe entsprechend zu berücksichtigen (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 IV 2). 2. Die Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 setzt voraus, daß eine „versuchte Straftat" i. S. des § 22 vorliegt. Deshalb ist sie ζ. B. bei den Unternehmensdelikten ausge19

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Anders Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9; vgl. auch OLG Frankfurt NJW 1980 1402, 1403; BGH 3 StR 459/80 v. 14. 1. 1981 und BGHSt. 7 28, 30 f; vgl. auch BGHSt. 30 120; Bedenken im Rahmen des § 21 auch bei Rudolphi SK § 21 Rdn. 6. Vgl. BGH JZ 1956 500; Bruns Strafzumessung S. 441; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10 m. w. N.; BGH JR 1956 225; Bruns Leitfaden S. 144. BGHSt. 16 351, 354; Bruns Strafzumessung S. 447; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Jescheck § 49 V 2; Rudolphi SK Rdn. 4. Α. A. BGHSt. 17 266; Busch LK 9 § 44 Rdn. 6. (114)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

schlossen. Auch wenn das Unternehmen auf der Stufe des Versuchs geblieben ist, darf die Strafe nicht gemildert werden, weil das Unternehmen immer als Vollendung bestraft werden soll (Jescheck §49 VIII 2; Dreher-Tröndle Rdn. 3). Daß das Unternehmensdelikt nicht zur (materiellen) Vollendung gelangt ist, kann allein bei der Strafzumessung nach § 46 berücksichtigt werden (vgl. Tröndle LK § 11 Rdn. 75). 3. Keine Anwendung findet § 23 Abs. 2 auch, wenn der Gesetzgeber Versuchs- 27 handlungen zu selbständigen Delikten im Besonderen Teil ausgestaltet hat. Das ist ζ. B. beim Subventionsbetrug, § 264, der Fall (vgl. Dreher-Tröndle § 264 Rdn. 4). V. Der grob unverständige Versuch Absatz 3 ermöglicht bei einem Versuch „aus grobem Unverstand" über die allge- 28 meine Milderungsmöglichkeit des Absatz 2 hinausgehend ein völliges Absehen von Strafe oder Strafmilderung nach § 49 Abs. 2. Der Richter kann in allen Fällen bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen und statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen. Gesetzgeberisches Anliegen für die Vorschrift ist, den Richter davor zu bewahren, versuchte Deliktsbegehungen strafen zu müssen, die kein „besonnener Mensch" ernstnimmt 22 . Da Fälle groben Unverstands selten sind, hat die Vorschrift nur einen schmalen 29 praktischen Anwendungsbereich (Roxin JuS 1973 331); ihre theoretische Bedeutung ist größer, da sich aus ihr die prinzipielle Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ergibt und sie deshalb darüber Aufschluß geben soll, für welche Versuchstheorie sich der Gesetzgeber entschlossen hat (Stratenwerth Rdn. 685). Absatz 3 setzt voraus, daß sich der Täter durch die versuchte Deliktsbegehung 30 überhaupt strafbar gemacht hat. Das ist beim sog. irrealen abergläubischen Versuch, bei dem der Täter auf übersinnliche, nicht mehr der Welt des realen Seins angehörende und damit menschlicher Einwirkung entzogene Kräfte, ζ. B. Totbeten, Teufelsbeschwörung, Anwendung von Sympathiemitteln (RGSt. 33 321) vertraut, nicht der Fall. Der irreale Versuch beinhaltet schon keinen Versuch i. S. des § 22 23 , ungeachtet der unterschiedlichen Begründungen, ob mangels Sozialrelevanz des Verhaltens mit der Verneinung einer strafrechtlichen Handlung oder mangels Tatentschluß, da die Tatbestandsverwirklichung nicht gewollt, sondern nur gewünscht werde (vgl. dazu Blei AT § 67 I b). Wenn daher auch der Wortlaut des Absatzes 3 die Fallgruppe des abergläubischen Versuchs zu erfassen scheint, besteht Einhelligkeit, daß Absatz 3 auf ihn keine Anwendung findet24. Die gegenteilige Auffassung würde auch im Widerspruch zu der sonst mit Absatz 3 bezweckten Strafeinschränkung stehen 25 . Die Bestrafung des irrealen oder abergläubischen Versuchs ist auch 22

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(IIS)

E 1962 Begr. S. 145; krit. zu der Regelung Roxin JuS 1973 330; GösselGA 1971 227; Blei AT § 67 IV: gesetzgeberischer Fehlgriff. Bockelmann Untersuchungen S. 160; Dreher-Tröndle Rdn. 5; Lackner Anm. 3 a; Rudolphi SK § 22 Rdn. 34, 35; Gössel GA 1971 225; vgl. auch Schneider GA 1955 265 und Meyer ZStW 87 (1975) 618 sowie Otto Grundkurs AT § 18 IV 3 b, der den abergläubischen Versuch als einen untauglichen Versuch begreift, aber für eine obligatorische Strafmilderung eintritt. Vgl. Blei AT § 67 I b ; Dreher-Tröndle Rdn. 5; Gössel G A 1971 230 ff; Lackner Anm. 3 a; Roxin JuS 1973 331. Roxin JuS 1973 331; wenig überzeugend ist daher die Begründung zum E 1962 S. 145, wenn angeführt wird, im irrealen Versuch könne ein erheblicher verbrecherischer Wille zutage treten, der befürchten lasse, daß er sich nach dem Fehlschlag auf andere, taugliche Weise durchzusetzen versuche; krit. dazu zu Recht Stratenwerth Rdn. 694.

§23

2. Abschnitt. Die Tat

weder aus spezialpräventiven Gründen noch zur Wiederherstellung der verletzten Rechtsordnung erforderlich {Meyer ZStW 87 [1975] 618). „Wir bestrafen die Zauberei nicht mehr und daraus folgt, daß wir auch die versuchte Zauberei nicht strafen dürfen. Dämonen anzurufen, die Unterwelt zu beschwören oder den Zorn des Himmels auf einen anderen herabzuflehen, steht jedermann frei" (Bockelmann Untersuchungen S. 160 0· 31

Absatz 3 erfaßt nur den Teilbereich von an sich strafbaren Versuchen, bei denen der Täter aus grobem Unverstand verkennt, daß die Handlung überhaupt nicht zur Vollendung führen kann. Die Vorschrift zwingt damit zur Unterscheidung des „normalen" untauglichen Versuchs, von dem des „grob unverständigen" untauglichen Versuchs, nach Bockelmann zur Differenzierung zwischen dem untauglichen und dem untauglichsten Versuch.

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Die Nichtvollendbarkeit muß auf der „Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte", beruhen. Die Fälle des untauglichen Subjekts — der Tatbestand kann nicht von jedermann, sondern nur von einer Person, die bestimmte täterschaftliche Qualifikationen aufweist, erfüllt werden — sind in die Vorschrift nicht aufgenommen worden. Der Gesetzgeber hat davon mit dem Argument Abstand genommen, es sei schwierig, eine Formulierung zu finden, die nicht auch ungeeignete Fälle erfasse, auch werde die Rechtsprechung hier ohnehin Straflosigkeit annehmen (Begr. BT-Drucks. V/4095 S. 11). Von Teilen der Literatur wird der Versuch des untauglichen Täters dann, wenn die täterschaftlichen Erfordernisse eine Sonderpflicht anzeigen, für straflos gehalten. Nur derjenige, dem die Sonderpflicht tatsächlich obliege, könne ihr zuwiderhandeln. Deshalb führe die irrige Annahme zum Wahndelikt. Von anderen Teilen der Literatur wird diese Differenzierung abgelehnt, da sich innerhalb der Tatumstände nicht zwischen Merkmalen, die durch die irrtümliche Vorstellung des Täters ersetzt werden können und solchen, bei denen das nicht der Fall sei, unterscheiden lasse; es liege grundsätzlich ein strafbarer Versuch vor 26 . Vertritt man diese Auffassung, kann Absatz 3 analog angewandt werden 27 .

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Wann ein Versuch gegeben ist, der nach Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, läßt das Gesetz unbeantwortet. Im schriftlichen Bericht des Sonderausschusses ist lediglich ausgeführt, es seien Fälle gemeint, „in denen weder eine konkrete noch eine abstrakte Gefährdung bestand" (Begr. BT-Drucks. V/4095 S. 12). Die Gesetzesfassung zielt auf eine Differenzierung ab, die ebenso undurchführbar ist, wie das Anliegen der überholten älteren obj. Theorie (vgl. dazu oben vor § 22 Entstehungsgeschichte), zwischen einem absolut und einem relativ untauglichen Versuch zu unterscheiden (vgl. dazu Stratenwerth Rdn. 687 ; Gössel GA 1971 228 ; Roxin JuS 1973 330). Nach dieser Theorie sollte absolut untauglich beispielsweise die Beibringung „vermeintlichen Gifts" oder die „Tötung eines Leichnams" sein (Feuerbach Lehrbuch S. 43), relativ untauglich dagegen der nur „zufällig" scheiternde Versuch, der etwa angenommen wurde, wenn das Tatopfer das vergiftete Getränk versehentlich verschüttet hatte (vgl. dazu v. Hippel II S. 417). Trotz aller 26

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Vgl. dazu oben § 22 Rdn. 154 sowie Rudolphi SK § 22 Rdn. 28; Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 76. Dreher-Tröndle Rdn. 6; Gössel G A 1971 236; Lackner Anm. 3 c; für analoge Heranziehung der Vorschrift bei grob unverständiger Rechtsbeurteilung Herzberg JuS 1980 476 ; vgl. dazu oben § 22 Rdn. 155. (116)

Strafbarkeit des Versuchs (Vogler)

§23

Bemühungen ist zu keinem Zeitpunkt eine eindeutige Grenzziehung gelungen. Für eine Abgrenzung ungeeignet ist auch die Lehre vom Mangel am Tatbestand (vgl. dazu oben vor § 22 Entstehungsgeschichte). Es bleibt nur die Möglichkeit, zur Abgrenzung den Grundgedanken der neueren obj. Theorie (vgl. dazu oben vor § 22 Entstehungsgeschichte) heranzuziehen. In diesem Sinne wird teilweise darauf abgestellt, ob ein einsichtsfähiger Mensch die Undurchführbarkeit des geplanten verpönten Tuns ante actum aufgrund nachträglicher Prognose erkennen konnte ( Gössel GA 1971 228), bzw. darauf, ob der Versuch von einem besonnenen, mit Durchschnittswissen ausgestatteten Menschen bei Kenntnis des Tatplans „nicht ernstgenommen" wird (vgl. Lackner Anm. 3 b). Dagegen wird allerdings vorgebracht, es sei schon zweifelhaft, in welchem Umfang dem gedachten Beobachter das Wissen um die z. Zt. der Tat vorhandenen Fakten unterstellt werden könne (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15), eine eindeutige Abgrenzung sei nach obj. Kriterien nicht möglich (vgl. auch Burgstaller JurBl. 1976 122). Der Streit kann auf sich beruhen. Die Unsicherheit einer eindeutigen Abgrenzung wird dadurch gemildert, daß Absatz 3 das weitere Erfordernis aufstellt, daß der Täter aus grobem Unverstand28 verkannt haben muß, daß der Versuch nicht zur Vollendung führen konnte; dieses subj. Merkmal muß zusammen mit dem obj. als Einheit gesehen werden 2 9 . Grober Unverstand liegt vor, wenn der Täter bei der Tatausführung Vorstellun- 34 gen von naturgesetzlichen Zusammenhängen erkennen läßt, die völlig abwegig sind und deren Unrichtigkeit nach durchschnittlichem Erfahrungswissen offenkundig ist 30 , was nicht auf Schwachsinn zu beruhen braucht 3 1 . Deshalb genügt es nicht, daß lediglich die Motivation des Täters grob unverstän- 35 dig ist, entscheidend ist, daß aus grobem Unverstand die Nichtvollendung des Versuchs verkannt wird. Nicht darunter fallen bloße Fehlvorstellungen über Sachverhalte, wenn sie auch noch so evident sind (ζ. B. bei Verwechslung einer Spielzeugpistole mit einer Schußwaffe). Die Vorschrift ist ebenfalls nicht anwendbar, wenn der Täter ein ihm unbekanntes objektiv harmloses Mittel irrtümlich für Gift hält, aber dann konsequent einen Tötungsversuch unternimmt (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17). Umgekehrt ist die Vorschrift anwendbar, wenn der Täter einer als harmlos erkannten Substanz vergiftende Wirkung zuschreibt, da der Täter dann in Verkennung von naturgesetzlichen Zusammenhängen handelt. Aber auch im Falle dieses „nomologischen" Irrtums (Irrtum über Erfahrungssätze) 3 2 ist Absatz 3 nur anwendbar, wenn grober Unverstand vorliegt, der Irrtum also nicht nur für den besonders fachkundigen, sondern für jeden Menschen mit durchschnittlichem Erfahrungswissen geradezu handgreiflich ist (Sch.-Schröder-Stree Rdn. 17). Es scheint deshalb fraglich, ob die Vorschrift anwendbar ist, wenn jemand meint, mit Senfbädern und Seifenwasser einen Schwangerschaftsabbruch erreichen zu können (so Dreher-Tröndle 28

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(117)

Insoweit kann davon ausgegangen werden, daß der grob unverständige Versuch immer auch offensichtlich untauglich ist; vgl. Roxiti JuS 1973 330; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17. Dreher-Tröndle Rdn. 6; Lackner Anm. 3 b; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15 ff; Rudolphi SK Rdn. 7; Roxin Einführung S. 18. Vgl. Roxin JuS 1973 331; E 1962 Begr. S. 145; Dreher-Tröndle Rdn. 6; Gössel GA 1971 227 ff. E 1962 Begr. S. 145. Zur Begründung nicht stichhaltig ist allerdings der herangezogene Beispielsfall des Mordversuchs mit einem zu gering dosierten Beruhigungsmittel, da dies kein Fall des groben Unverstands ist; vgl. Roxin JuS 1973 332. Im Gegensatz zum ontologischen Irrtum über den Sachverhalt; die Differenzierung geht auf Graf zu Dohna S. 58 zurück, vgl. dazu oben vor § 22 Entstehungsgeschichte.

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Rdn. 6). Im Gegensatz zu Brombeertee (Preisendanz Anm. 6 a) stehen solche Mittel in weiten Kreisen des Volkes im Ruf der Tauglichkeit, ja sogar Mediziner halten sie für geeignet (vgl. BGE 70 IV 49; Jescheck § 50 I 5 b bb). Die Vorschrift soll auch anwendbar sein, wenn der Täter glaubt, mit einem Luftgewehr ein hochfliegendes Flugzeug abschießen zu können (Dreher-Tröndle Rdn. 6; Roxin JuS 1973 330; Preisendanz Rdn. 6 a). 36 Das Vorziehen der milderen Regel soll ausdrücken, daß das Absehen von Strafe die Regel und die Milderung nach Ermessen die Ausnahme bildet (Begr. BT-Drucks. V/4095 S. 12). Da sich das Gesetz selbst primär für das Absehen von Strafe ausspricht und ein Strafbedürfnis sich schwer begründen läßt, ist die „Kann-Regelung" zumindest i. S. einer obligatorischen Strafmilderung zu verstehen (Rudolphi SK Rdn. 10; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 18). 37

Sieht das Gericht von Strafe ab, wird der Täter schuldiggesprochen und es werden ihm nach § 465 Abs. 1 Satz 2 StPO die Verfahrenskosten auferlegt; der Verzicht auf Strafe ist durch ausdrückliche Erklärung in der Urteilsformel auszusprechen, die Ablehnung in den Urteilsgründen (vgl. Dreher-Tröndle Rdn. 7 m. w. N.); einer Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht. Diese kann jedoch — mit Zustimmung des Gerichts — bereits von der Anklageerhebung absehen. Ist die Klage erhoben, besteht auch die Möglichkeit, daß das Gericht nach § 153 b Abs. 2 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellt (vgl. dazu Dallinger JZ 1951 623; v. Weber MDR 1956 705; Wagner GA 1972 33).

38

Die Revision kann auf die Ablehnung des Absehens von Strafe beschränkt werden, wenn sie von der Schuldfrage losgelöst werden kann. Erforderlich ist also, daß dieser Teil des Urteils einer selbständigen Prüfung zugänglich ist (BGHSt. 10 320, 321). 39 Zur Strafmilderung nach Ermessen des Gerichts (§ 49 Abs. 2) vgl. die Kommentierung zu § 49.

§24 Rücktritt (1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. (2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird. § 46 a. F. : Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Täter 1. die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren oder (118)

Rücktritt (Vogler)

§24

2. zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abgewendet hat. §28

E1962:

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig Tat aufgibt oder die Vollendung der Tat verhindert.

die weitere Ausführung

der

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen freiwillig die Vollendung der Tat verhindert.

Versuchs nicht bestraft,

wer

(3) Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern. § 26 a. E.: (1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert.

die weitere Ausführung

der

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, freiwillig seinen Tatbeitrag rückgängig macht oder die Vollendung verhindert.

wer

(3) Bleibt die Tat aus anderen Gründen unvollendet oder der geleistete Tatbeitrag wirkungslos, so ist straflos, wer sich freiwillig und ernsthaft bemüht, zurückzutreten.

Schrifttum: Arzt Zur Erfolgsabwendung beim Rücktritt vom Versuch, GA 1964 1 ; Backmann Strafbarkeit des vor Tatbeginn zurücktretenden Tatbeteiligten wegen vollendeter Tat? — BGHSt. 28, 346, JuS 1981 336; Baumann Noch einmal: Kenntnis des Verletzten und tätige Reue — BGHSt. 24, 48, JuS 1971 631 ; Blei Versuch und Rücktritt vom Versuch nach neuem Recht, JA 1975 95, 167, 233, 319; Bloy Die dogmatische Bedeutung der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (1976); Bockelmann Anm. zu RGSt. 75, 393, DR 1942 341; Bockelmann Wann ist der Rücktritt vom Versuch freiwillig? NJW 1955 1417; Borchert/Hellmann Die Abgrenzung der Versuchsstadien des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB anhand der objektiven Erfolgstauglichkeit, G A 1982 429; Bottke Urteilsanmerkung, JA 1981 63; Bottke Urteilsanmerkung, JA 1980 379; Bottke Zur Freiwilligkeit und Endgültigkeit des Rücktritts vom versuchten Betrug, JR 1980 441 ; Bottke Strafrechtswissenschaftliche Methodik und Systematik bei der Lehre vom strafbefreienden und strafmildernden Täterverhalten (1979); Burkhardt Das Unternehmensdelikt und seine Grenzen, JZ 1971 352; Burkhardt Der „Rücktritt" als Rechtsfolgebestimmung (1975); Graf zu Dohna Die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch im Lichte der Judikatur des Reichsgerichts, ZStW 59 (1940) 541 ; Dreher Urteilsanmerkung, JR 1969 105 ; Dreher Anm. zu BGHSt. 24, 48, NJW 1971 1046; Feuerbach Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs zu einem peinlichen Gesetzbuche (1804); Geerds Zur Lehre von der Konkurrenz im Strafrecht (1961); Geilen Sukzessive Zurechnungsunfähigkeit, Unterbringung und Rücktritt — BGHSt. 23, 356, JuS 1972 73 ; Geilen Zur Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch, JZ 1972 335; Georgiadis Rücktritt vom Versuch; Giffhorn Über Bedeutung und Begriff der „Freiwilligkeit" beim Rücktritt vom Versuch und bei der tätigen Reue (1948); Gösse! Über den fehlgeschlagenen Versuch, ZStW 87 (1975) 3; Grünwald Zum Rücktritt des Tatbeteiligten im künftigen Recht, Welzel-Festschrift (1974) 701 ; Gutmann Die Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch und bei der tätigen Reue (1963); Haft Der Rücktritt des Beteiligten bei Vollendung der Straftat, JA 1979 306; Hassemer Die Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch, in Lüderssen/Sack, Vom Nutzen und Nachteil der Sozialwissenschaft für das Strafrecht 1 (1980) 229; Heinitz Streitfragen der Versuchslehre, JR 1956 248; Henkel Anm. zu RGSt. 71, 241, JW 1937 2375; Herzberg Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, MDR 1973 89; Herzog Rücktritt vom Versuch; R. v. Hippel Untersuchungen über den Rücktritt vom Versuch (1966); Hruschka Zur Frage des Wirkungsbereichs eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Ver(119)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

such, JZ 1969 495; Jakobs Die Bedeutung des Versuchsstadiums für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts — BGH NJW 1980 195, JuS 1980 714; Jescheck Anm. zu BGHSt. 7, 296, MDR 1955 562; Kräuß Der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch, JuS 1981 883; Kühl Grundfälle zu Vorbereitung, Versuch, Vollendung und Beendigung, JuS 1981 193; Küper Versuchs- und Rücktrittsprobleme bei mehreren Tatbeteiligten, JZ 1979 775 ; Küper Urteilsanmerkung, NJW 1978 956; Küper Anm. zu BGH 2 StR 550/82 vom 3.12.1982, JZ 1983 264; Lackner Anm. zu BGHSt. 20, 279, JR 1966 106; Lange Anm. zu BGHSt. 11, 324, JZ 1958 671 ; Lang-Hinrichsen Bemerkungen zum Begriff der „Tat" im Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung der Strafzumessung, des Rücktritts und der tätigen Reue beim Versuch und der Teilnahme (Normativer Tatbegriff), Engisch-Festschrift (1969) 353; Lenckner Probleme beim Rücktritt des Beteiligten, Gallas-Festschrift (1973) 281; Lönnies Rücktritt und tätige Reue beim unechten Unterlassungsdelikt, NJW 1962 1950; Maurach Die Problematik der Verbrechensverabredung (§ 49 a Abs. 2 StGB), JZ 1961 137; Meyer-Gerhards Verkehrsgefährdung und tätige Reue — OLG Düsseldorf, NJW 1971 1850, JuS 1972 506; Muñoz-Conde Der mißlungene Rücktritt: Eine Wiederkehr der Erfolgshaftung? GA 1973 33; Muñoz-Conde Theoretische Begründung und systematische Stellung der Straflosigkeit beim Rücktritt vom Versuch, ZStW 84 (1972) 756; Oehler Urteilsanmerkung, JZ 1953 561; Otto Kausaldiagnose und Erfolgszurechnung im Strafrecht, Maurach-Festschrift (1972) 91 ; Otto Versuch und Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten, JA 1980 707; Otto Fehlgeschlagener Versuch und Rücktritt, GA 1967 144; Ranft Strafgrund der Berauschung und Rücktritt von der Rauschtat, MDR 1962 737; Roxin Literaturbericht AT, ZStW 77 (1965) 60; Roxin Der Anfang des beendeten Versuchs, Maurach-Festschrift (1972) 213; Roxin Über den Rücktritt vom unbeendeten Versuch, HeinitzFestschrift (1972) 251; Roxin Der fehlgeschlagene Versuch, JuS 1981 1; Roxin Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 329; Rudolphi Anm. zu BGHSt 31, 170, NStZ 1983 361; Schaffstein Urteilsanmerkung, JW 1934 2237; v. Scheurl Rücktritt vom Versuch und Tatbeteiligung mehrerer (1972); Schneider Zur Anwendung des § 56 StGB, JZ 1956 750; Schmidhäuser Teleologisches Denken in der Strafrechtsanwendung, Würtenberger-Festschrift (1977) 91; Schroeder Rücktritt vom Versuch — OLG Karlsruhe, NJW 1978 331, JuS 1978 824; Schröder Die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch, MDR 1956 321 ; Schröder Grundprobleme des Rücktritts vom Versuch, JuS 1962 81 ; Schröder Die Koordinierung der Rücktrittsvorschriften, H.Mayer-Festschrift (1966) 377; Schröder Die Unternehmensdelikte, Kern-Festschrift (1968) 457 ; Schröder Der Rücktritt des Teilnehmers vom Versuch, MDR 1949 714; Sonnen Fehlgeschlagener Versuch und Rücktrittsvoraussetzungen, JA 1980 158; Stree Bestimmung eines Tatentschlossenen zur Tatänderung, Heinitz-Festschrift (1972) 227 ; Traub Die Subjektivierung des §46 StGB in der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, NJW 1956 1183; Ulsenheimer Grundfragen des Rücktritts vom Versuch in Theorie und Praxis (1976); Ulsenheimer Zur Problematik des Rücktritts vom Versuch erfolgsqualifizierter Delikte, Bockelmann-Festschrift (1979) 405; Vogler Funktion und Grenzen der Gesetzeseinheit, Bockelmann-Festschrift (1979) 715; Walter Bestimmung der Freiwilligkeit beim Rücktritt vom Versuch, GA 1981 403 ; Walter Der Rücktritt vom Versuch als Ausdruck des Bewährungsgedankens im zurechnenden Strafrecht (1980); Walter Zur Strafbarkeit des zurücktretenden Tatbeteiligten, wenn die Haupttat vollendet wird, JR 1976 100; Wolter Zur Struktur der erfolgsqualifizierten Delikte, JuS 1981 168; Wolter Der Irrtum über den Kausalverlauf als Problem objektiver Erfolgszurechnung, ZStW 89 (1977) 649; Vgl. auch das Schrifttum vor § 22. Entstehungsgeschichte

Die Neufassung der Vorschrift über den Rücktritt durch das 2. StrRG, durch die § 46 a. F. vereinfacht und präzisiert worden ist, lehnt sich an § 28 E 1962 an (Begr. S. 145; Niederschriften 2 171, 173, 177, 184, 190, 193, 198 ff, 226; 9 303; vgl. auch § 26 AE sowie den schriftlichen Bericht des Sonderausschusses zum 2. StrRG (BTDrucks. V/4095 S. 12; Prot. V. 1757, 1769). Die Entwicklung ist durch die im Laufe der Zeit unterschiedlichen Auffassungen zum Strafgrund des Versuchs gekennzeichnet (vgl. oben Entstehungsgeschichte vor

Rücktritt (Vogler)

§24

Das RStGB von 1871 stand auf dem Standpunkt einer objektiven Versuchslehre. Demzufolge war auch § 46 a. F. objektivistisch gefaßt (vgl. Bockelmann Niederschriften 2 174). Die Rechtsprechung des Reichsgerichts beurteilte daher die Wirksamkeit der Rücktrittshandlung nach objektiven Kriterien und verlangte Kausalität zwischen dem Nichteintritt des Erfolgs und dem Rücktritt des Täters. Die Möglichkeit eines Rücktritts war ausgeschlossen, wenn der Nichteintritt des Erfolgs nicht auf der späteren Tätigkeit des Täters, sondern darauf beruhte, daß die tatbestandsmäßigen Handlungen den Erfolg nicht herbeiführen konnten. Vom beendeten untauglichen Versuch gebe es keinen strafbefreienden Rücktritt, da ein gar nicht drohender Erfolg auch nicht abgewendet werden könne (RGSt. 17 158, 160; 51 205, 211; 68 306, 309; 77 1, 2; das Reichsgericht hat allein die Möglichkeit des Rücktritts vom unbeendeten untauglichen Versuch anerkannt, solange der Täter von der Tauglichkeit überzeugt war; vgl. RGSt. 43 137, 138; 68 82, 83: Täter läßt vom Betrugsversuch ab, ohne zu wissen, daß er bereits in die Falle gegangen ist; RG DJZ 1934 1085). Ein Rücktritt war auch dann ausgeschlossen, wenn der Erfolgseintritt durch das Eingreifen selbständig handelnder Dritter verhindert wurde. Konsequenz dieser objektiven Auffassung war, daß der Täter, der einen zur Herbeiführung des verbotenen Erfolgs geeigneten Versuch unternommen, also das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut am schwersten gefährdet und so die Rechtsordnung erheblich gestört hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Nr. 2 a. F. bessergestellt war als der Versuchstäter, der einen von Anfang an aussichtslosen Versuch beging und der nur deshalb bestraft wurde, weil schon der durch sein Tun in Erscheinung getretene Wille nicht ein strafrechtlich geschütztes besonderes Rechtsgut, wohl aber die Rechtsordnung gefährdet hatte (BGHSt. 11 324, 325; vgl. auch Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D 4). Dieses Ergebnis wurde vom Reichsgericht selbst als Mißstand (RGSt. 17 158, 160) und als Härte (RGSt. 68 306, 309) bezeichnet, sei aber hinzunehmen, da es dem ausdrücklich ausgesprochenen Willen des Gesetzes entspräche. Das entnahm das Reichsgericht dem Wortlaut des §46 Nr. 2 a. F. (vgl. RGSt. 17 158, 160; 68 306, 309; vgl. auch Mezger3 S. 406, 407 und Jagusch LK 8 § 46 Anm. III 1 dd und ee, die meinten, die „Härte" könne nur durch eine Änderung des Gesetzes beseitigt werden; vgl. auch Frank § 46 Anm. III 1 und H. Mayer S. 296). An Gegenstimmen hat es aber auch schon früher nicht gefehlt. So hieß es in LK 7 S. 202: Beruht die Haftbarmachung des Täters wegen absolut untauglichem Versuch auf reiner Subjektivierung, so kann der auf den echten Versuch gemünzte Objektivismus des § 46 nicht unverändert Anwendung finden, vielmehr muß sinngemäß — übrigens im Einklang mit § 49 a Abs. 4 und mit bekannten Reformvorschlägen — § 46 dann ebenfalls in die subjektive Ebene umgelagert werden, d. h. es muß bereits das ernste Bemühen um die Abwendung des Erfolgs ausreichen; dessen imaginäre Vereitelung muß denselben Rechtswert wie die reale Hintanhaltung haben ; der Parallelismus zu dem nur scheinbaren Angriff des absolut untauglichen Versuchs ist damit hergestellt. Dabei kann sich ergeben, daß die vermeintliche Abwehr des in seiner Untauglichkeit verkannten Angriffs gerade erst zur Schädigung des Angegriffenen führt, ζ. B. Gegengift wird zur Neutralisierung des vermeintlich eingegebenen Gifts verabreicht und dadurch erst das Leben des Opfers gefährdet; u. U. ist dann fahrlässige Tötung oder Körperverletzung anzunehmen. In der 8. Auflage wurde die „beachtliche" Ansicht wieder aufgegeben. Vom Standpunkt einer subjektiven Versuchstheorie, die den Grund der Versuchsstrafbarkeit in der Betätigung des rechtsfeindlichen Willens sieht (vgl. oben Vorbemerkungen vor § 22), muß die Betätigung eines entgegengesetzten Willens für den (121)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Rücktritt ausreichen, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen der Erfolg ausbleibt (Jescheck 2 §51 IV 1; vgl. dazu auch Bockelmann Untersuchungen S. 154, nach dem unter Zugrundelegung der subjektiven Versuchslehre zur Strafbefreiung im Prinzip der Rücktrittsversuch genügen muß). Der Bundesgerichtshof hat im Luminal-Fall (BGHSt. 11 324, 328: Rücktritt vom beendeten Tötungsversuch mit zu geringer Giftdosis) erstmals trotz unveränderter Gesetzesfassung die Folgerung aus der subjektiven Versuchstheorie gezogen. Der Begriff des Erfolgs in § 46 Nr. 2 a. F. sei beim aussichtslosen Versuch so auszulegen, wie er sich aus dem Objekt der Gefährdung bei dieser Form des Versuchs ergebe. Rechtfertige allein die Gefährdung der Rechtsordnung als einer die Rechtsgemeinschaft schützenden und befriedigenden Macht die Strafbarkeit des von Anfang an aussichtslosen Versuchs, so beseitige der Täter die Gefahr auch durch sein freiwilliges und ernstliches Bemühen, die vermeintlich drohende Rechtsgutsverletzung abzuwenden. Denn diese tätige Reue sei geeignet, die Beunruhigung der Rechtsgemeinschaft zu beheben, die jene Auflehnung gegen die Rechtsordnung strafbar mache. Diese ergänzende Auslegung des Erfolgsbegriffs in § 46 Nr. 2 a. F. entspreche auch der neueren Rechtsentwicklung, wie sie in § 49 Abs. 4 a. F. zum Ausdruck komme. Diese Auffassung ist jetzt in § 24 Abs. 1 Satz 2 in erweiterter Form ausdrücklich anerkannt (vgl. dazu unten Rdn. 131 f)· Absatz 1 unterscheidet nach wie vor beim Rücktritt des Einzeltäters zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch (vgl. dazu Dreher-Tröndle Rdn. 4; Lackner Anm. 2; OLG Karlsruhe NJW 1978 331; krit. Ulsenheimer S. 131, 217). Entgegen der ziffermäßigen Aufteilung in der alten Fassung sind aber beide Fallgruppen nunmehr in einem Satz zusammengefaßt; in beiden Fällen wird für die Straflosigkeit die Freiwilligkeit des Rücktritts vorausgesetzt. Beim unbeendeten Versuch genügt das bloße „Aufgeben der Tat" ; dem Täter wird lediglich ein Abstandnehmen von der weiteren Tatausführung, d. h. ein Untätigbleiben abverlangt. Demgegenüber erfordert der beendete Versuch die „Verhinderung der Vollendung" durch den Täter. Im Gegensatz zu § 46 Nr. 2 a. F. hängt die strafbefreiende Wirkung beim beendeten Versuch nicht mehr davon ab, daß im Zeitpunkt des Rücktritts die Tat noch nicht entdeckt war. Dieses Erfordernis der alten Fassung führte zum einen zu der Streitfrage, auf welche und wessen Wahrnehmung abzustellen ist, zum anderen zu der Frage, ob der Begriff der Entdeckung objektiv auszulegen ist oder die subjektive Vorstellung des Täters über die Entdeckung oder Nichtentdeckung entscheiden sollte. Ungeachtet des Wortlauts der Vorschrift wurde das Merkmal Entdecktsein schon früh „subjektiviert", d. h. dem Täter wurde die Straffreiheit auch dann gewährt, wenn er zwar objektiv entdeckt worden war, davon aber nichts wußte (vgl. die Nachw. bei Jescheck2 § 51 IV 2). Den zur alten Fassung entwickelten Rechtsgrundsätzen kommt nach wie vor Bedeutung zu (BGH bei Dallinger MDR 1975 724 zu §46 a. F.; BGHSt. 24 48 mit Anm. Dreher NJW 1971 1046; Blei JA 1979 73; Bringewat JuS 1971 403; Baumann JuS 1971 631). Die Kenntnis der Entdeckung im Augenblick des Rücktritts bewirkt zwar nicht notwendig, aber doch vielfach, daß die erfolgsabwendende Tätigkeit von der Furcht vor gegen den Täter sich richtenden Schritten des Entdeckers getragen wird und der Rücktritt deshalb unfreiwillig erfolgt (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975 724 und unten Rdn. 106, 128). Das kann auch dann gelten, wenn sich der Täter lediglich entdeckt glaubt. Das Erfordernis des Tätigwerdens zwecks Erfolgsabwendung beim beendeten Versuch wurde bisweilen als „tätige Reue" bezeichnet. Dies ist insofern mißver(122)

Rücktritt (Vogler)

§24

ständlich, als es auf irgendwelche Reuegefühle ebenso wie beim Rücktritt vom unbeendeten Versuch nicht ankommt (vgl. RGSt. 61 115, 117; Jescheck §51 IV 1; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 9; E 1962 Begr. S. 145). Die Neufassung hat auch insoweit eine Vereinfachung bewirkt, als der Zusatz „durch eigene Tätigkeit" (§ 46 a. F.) gestrichen wurde. Wird der Erfolg durch das selbständige Eingreifen eines Dritten verhindert, kann schon von einem Rücktritt des Täters keine Rede sein (vgl. aber unten Rdn. 132). Absatz 2 regelt erstmals ausdrücklich den Rücktritt vom Versuch bei mehreren Tatbeteiligten. § 46 a. F. war auf den Alleintäter zugeschnitten. Rechtsprechung und Lehre kam daher die Aufgabe zu, für den Rücktritt vom Versuch bei der Tatbeteiligung mehrerer entsprechende Grundsätze zu entwicklen (vgl. Busch LK 9 § 46 Rdn. 44; Sch.-Schröder^1 § 46 Rdn. 41 ff). Dabei ging es im wesentlichen darum, ob die Beendigung des Versuchs nach dem Stadium der Verwirklichung der Haupttat oder der Teilnahmehandlung zu beurteilen und ob strafbefreiender Rücktritt bei Vollendung der Haupttat unmöglich oder wenigstens dann möglich sei, wenn der Tatbeteiligte die Kausalität seines Beitrags beseitigt hat oder bereits dann, wenn er den zugesagten Beitrag widerruft (vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 2. Zur Frage, ob die Kausalität des Rücktrittsverhaltens objektiv oder subjektiv zu bestimmen ist, vgl. unten Rdn. 153). Ein Teil der von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze hat in das Gesetz Eingang gefunden. Im Gegensatz zu § 24 Abs. 1 kommt es im Rahmen des Rücktritts bei mehreren Tatbeteiligten weder auf den Verwirklichungsgrad der Haupttat noch maßgebend auf den Erfüllungsgrad des Teilnehmerbeitrags an. Während unter Geltung von § 46 a. F. dem Zurücktretenden bereits dann Straffreiheit zugestanden wurde, wenn dieser seinen Tatbeitrag rückgängig gemacht hatte, also auch dann, wenn die Haupttat — davon unabhängig — zur Vollendung kam (vgl. Busch LK 9 § 46 Rdn. 44 ff), erfordert § 24 Abs. 2, daß der zurücktretende Teilnehmer darüber hinaus die Vollendung der Tat verhindert. Auch im Fall des unbeendeten Versuchs reicht also bloßes Nichtweiterhandeln zur Straflosigkeit nicht aus, die Strafbefreiung tritt nur unter der zusätzlichen Voraussetzung ein, daß mit dem Aufgeben der weiteren Beteiligung oder mit der Rücknahme des bisherigen Tatbeitrags zugleich die Vollendung der Tat verhindert wird. Die amtliche Begründung rechtfertigt diese Verschärfung mit der Erwägung, „daß eine Tat, an der mehrere Täter beteiligt sind, in aller Regel gefährlicher ist als die einer Einzelperson und daß mit der Rückgängigmachung des einzelnen Tatbeitrages diese erhöhte Gefährlichkeit nicht aufgehoben wird. Da der Mittäter dazu beigetragen hat, daß die anderen Täter mit ihrer Tätigkeit begonnen haben, ist von ihm im Grundsatz zu fordern, daß er die Vollendung der Tat verhindert" (BT-Drucks. V/4095 S. 12). In der Literatur wird zwar gelegentlich die Schlechterstellung des Beteiligten, der im Gegensatz zum Alleintäter durch bloße Aufgabe seiner Unterstützung ebensowenig Straffreiheit erlangen kann, wie durch bloße Zurücknahme des geleisteten Tatbeitrags, damit begründet, daß beim Alleintäter im Falle des unbeendeten Versuchs die bloße Aufgabe des deliktischen Handelns schon die Vollendung verhindere, während bei mehreren Tatbeteiligten die anderen die Tat dennoch vollenden können (Maurach-Gössel-Zipf § 50 III D 3 a; vgl. dazu ausführlich unten Rdn. 155 f)· Überwiegend lehnt die Lehre die Verschärfung jedoch ab, die Neuregelung könne nicht als besonders geglückt angesehen werden (vgl. Grünwald WelzelFestschrift S. 701 ff; Lenckner Gallas-Festschrift S. 281 ff; Meyer ZStW 87 (1975) 619 ff; Roxin JuS 1973 333 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 45; Stratenwerth Rdn. 846; Walter S. 134 ff). (123)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Mit der Wendung „wegen Versuchs" wird klargestellt, daß entsprechend dem bisherigen Recht beim „qualifizierten Versuch", bei dem gleichzeitig noch ein anderes Delikt verwirklicht wird, nur das versuchte, nicht jedoch das vollendete Delikt straflos bleibt (vgl. dazu E 1962 Begr. S. 146 und unten Rdn. 195). Daß der Versuch im Falle des Rücktritts straflos bleibt, entspricht dem früheren Recht. Im Gegensatz dazu schreiben Rücktrittsregeln des Bes. Teil (vgl. z. B. §§ 83 a, 84 Abs. 5, 87 Abs. 3, 98 Abs. 2, 129 Abs. 6, 316 a Abs. 2) die Straffreiheit nicht zwingend vor, erlauben vielmehr eine mildere Strafe als die gesetzlich vorgesehene zu verhängen oder unter Aufrechterhaltung des Schuldspruchs von Strafe abzusehen. Im Hinblick darauf und wegen der Tatsache, daß die Rücktrittssituation und -motivation im Rahmen des § 24 vielfältig gestaltet sein kann, hält ein Teil der Lehre auch beim Rücktritt vom Versuch eine variablere Rechtsfolgenregelung für angebracht (vgl. dazu Ulsenheimer S. 346, Burkhardt S. 184 ff und Sch.-Schröder-Eser Rdn. 108). Bei der gegenwärtigen Gesetzeslage besteht jedoch für eine analoge Anwendung dieser Vorschriften kein Raum, da bei der Neufassung des § 24 auf eine solche Ermessensregelung verzichtet worden ist (vgl. auch unten Rd. 213).

Rdn. I. Allgemeines 1 1. Grund der Straflosigkeit 6 2. Standort im Verbrechensaufbau . . . 21 3. Versuchsformen 23 a) Fehlgeschlagener Versuch . . . . 23 b) Unbeendeter — beendeter Versuch 32 c) Versuch bei mehreren Tätigkeitsakten 47 II. Rücktritt des Alleintäters ( § 2 4 Abs. 1) . . 71 1. Rücktritt vom unbeendeten Versuch (Absatz 1 Satz 1 1. Alt.) 71 a) Aufgabe der weiteren Tatausführung 72 b) Freiwilligkeit 82 2. Rücktritt vom beendeten Versuch (Absatz 1 Satz 1 2. Alt.) 110 a) Tätige Erfolgsabwendung 111 b) Gelingen der Erfolgsabwendung . 1 1 3 c) Freiwilligkeit 124 3. Rücktritt vom aussichtslosen Versuch (Absatz 1 Satz 2) 131 4. Sonderfälle 142 a) Unterlassungsdelikte 142 b) Erfolgsqualifizierte Delikte . . . . 143

1

Rdn. Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft 145 d) Erfolgseintritt trotz Rücktrittsbemühens 148 III. Rücktritt bei Tatbeteiligung mehrerer (§ 24 Abs. 2) 152 1. Sinn und Bedeutung der Sonderregelung 152 2. Abgrenzung des Anwendungsbereichs 159 3. Rücktrittsmöglichkeiten für den Teilnehmer 165 a) Rücktritt vom erfolgsgeeigneten Versuch (Absatz 2 Satz 1) durch Verhinderung der Tatvollendung 166 b) Rücktritt beim aussichtslosen Versuch (Absatz 2 Satz 2 1. Alt.) durch Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung 178 c) Rücktritt bei teilnahmeunabhängiger Tatvollendung (Absatz 2 Satz 2 2. Alt.) durch Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung 187 IV. Wirkung des Rücktritts 194 V. Sonderregelungen 209 c)

I. Allgemeines Die Vorschrift des § 24 regelt bestimmte Fälle der Straflosigkeit des beendeten und des unbeendeten Versuchs. Voraussetzung für die Anwendung des § 24 ist deshalb zunächst, daß der Versuch überhaupt strafbar ist. Rücktritt ist schon begrifflich nicht möglich, soweit es aus rechtlichen Gründen nicht zum Versuch kommen kann, oder wo es noch an der Strafbarkeit des an sich tatbestandsmäßigen Tuns fehlt. Solange es an einer objektiven Straßarkeitsbedingung, z. B. der Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung (§ 283 Abs. 6) fehlt (vgl. oben § 22 Rdn. 131), ist (124)

Rücktritt (Vogler)

§24

die noch nicht strafbare Handlung frei widerruflich, selbst wenn sie, für sich allein betrachtet, schon bis zur Vollendung gediehen sein sollte. Dabei ist es gleichgültig, ob die Voraussetzungen des § 24 vorliegen. Solange die Straftat noch bedingt ist, steht es jederzeit dem Täter frei, sie voll rückgängig zu machen, ζ. B. der später bankrott gewordene Schuldner sieht von dem Beiseiteschaffen eines Vermögensstückes vor Zahlungunfähigkeit oder Konkurseröffnung wieder ab und überliefert dem Konkursverwalter eine vollständige Konkursmasse. Ferner darf die Tat noch nicht vollendet sein (zur Unterscheidung zwischen Vollendung und Beendigung vgl. oben vor § 22 Rdn. 20; zu Ausnahmeregelungen vgl. unten Rdn. 209 ff). Absatz 1 enthält die Rücktrittsvoraussetzungen beim Alleintäter und stellt unter- 2 schiedliche Anforderungen danach auf, in welchem Stadium der Versuch sich befindet. Während der Täter beim Rücktritt vom unbeendeten Versuch schon dadurch Straffreiheit erlangt, daß er „freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt", muß er beim beendeten Versuch „deren Vollendung verhindern". Abs. 1 Satz 2 eröffnet Straffreiheit auch für den Fall, daß der Täter die Vollendung eines Versuchs verhindern will, der gar nicht vollendbar ist (aussichtsloser Versuch; vgl. dazu unten Rdn. 131 f); der Täter ist in einem solchen Fall straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. Absatz 2 umschreibt erstmals ausdrücklich die Voraussetzungen, unter denen 3 der Rücktritt bei Tatbeteiligung mehrerer zur Straflosigkeit führt. Der Beteiligte wird nur dann wegen Versuchs nicht bestraft, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert. Wird die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen, genügt zur Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern (dazu unten Rdn. 166 ff, 178 ff, 187 ff). Mit strafbefreiender Wirkung kann nur jeder für sich selbst zurücktreten, der 4 Rücktritt des Täters kommt also nicht gleichzeitig auch dem Anstifter oder Gehilfen zugute (RGSt. 56 209, 210); ausreichend ist allerdings, wenn ein Beteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen einverstanden ist (RGSt. 47 358, 361 ; 55 105, 106; 56 209,211 ; vgl. dazu unten Rdn. 158). Trotz der Neufassung der Vorschrift gibt es eine Reihe von Fragen zum Rück- 5 tritt, über die bislang eine Einigung nicht erzielt worden ist. Umstritten ist insbesondere, welches gesetzgeberische Motiv hinter dem Rücktrittsprivileg steht, wie der Rücktritt systematisch einzuordnen ist und schließlich, von welchen sachlichen Voraussetzungen die „Freiwilligkeit" des Rücktritts abhängig zu machen ist (vgl. dazu Roxin Heinitz-Festschrift S. 252 ff, der um eine Begründung der inneren Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fragen bemüht ist, aber auch Maurach AT 4 § 41 V A, nach dem der Streit um die Begründung des Privilegs „nicht von Bedeutung" ist). 1. Grund der Straflosigkeit Die Straflosigkeit des Zurücktretenden ist nicht selbstverständlich, sondern be- 6 darf einer Begründung. Bislang ist es allerdings nicht gelungen, über den Grund der Strafbefreiung einen Konsens zu erzielen (vgl. Bloy S. 149). a) Als überholt sind heute die Begründungen des Rücktrittsprivilegs durch die 7 sog. Rechtstheorien (Zachariä, Luden, Berner, Binding) anzusehen 1 , die aus logi1

(125)

Vgl. dazu Herzog S. 147 ff; Georgiadis S. 24 ff, aber auch v. Hippel Untersuchungen S. 58.

§24

2. Abschnitt. Die Tat

sehen Erwägungen im Rücktritt ein zwingendes rechtliches Hindernis für die Bestrafung des Versuchs gesehen haben. Obwohl den Rechtstheorien das Verdienst zukommt, die Interdependenz von Versuch und Rücktritt herausgearbeitet zu haben (vgl. Bottke S. 567), sind sie abzulehnen, da für die Gewährung der Straffreiheit nicht Gründe der Logik, sondern solche des gesetzgeberischen Ermessens ausschlaggebend sind (Jescheck § 5111). 8 b) Ein Teil der Lehre2 und die Rechtsprechung des Reichsgerichts3 sehen den tragenden Gedanken der strafaufhebenden Wirkung des freiwilligen Rücktritts in der kriminalpolitischen Überlegung, die Aussicht auf Straflosigkeit solle dem — gleichviel aus welchem Grunde — unsicher gewordenen und dann auch freiwillig von der Tat abstehenden Täter einen Anreiz geben, den Versuch aufzugeben und ggf. den Erfolg abzuwenden, sie solle ihm die Umkehr erleichtern, eine „goldene Brücke" zur Rückkehr in rechtmäßiges Verhalten geben (kriminalpolitische Theorie) (krit. dazu Ulsenheimer S. 68 ff; Schmidhäuser Studienbuch 11/70), durch deren Betreten gleichzeitig die ins Werk gesetzte Gefährdung regelmäßig beseitigt werde. Diese Lehre geht auf Feuerbach (Kritik des Kleinschrodischen Entwurfs S. 102 ff) zurück, der sie folgendermaßen begründete: Läßt der Staat nicht ungestraft die schon unternommene Tat bereuen, so nötigt er gewissermaßen, das Verbrechen zu vollenden. Denn der Unglückliche, der sich zu einem Versuche fortreißen Heß, weiß ja sonst, daß er nichts Großes mehr durch Reue zu gewinnen und durch die Vollendung der Tat nichts Bedeutendes mehr zu verlieren hat. 9

Unbeschadet der Tatsache, daß die Aussicht auf Straflosigkeit kaum ein hinreichender „Anreiz" sein dürfte, um den Entschluß zur Durchführung der gerade erst ins Werk gesetzten Tat wieder rückgängig zu machen 4 , entspricht schon die psychologische Annahme der kriminalpolitischen Theorie nicht der Realität. Der Gesichtspunkt der Verheißung der Straflosigkeit spielt so gut wie keine Rolle beim Rücktritt 5 . Er würde voraussetzen, daß die Täter handfeste Rechtskenntnisse besitzen, zumal die Rücktrittsvorschrift nicht einfach gefaßt ist, und es müßte ihnen während der Ausführung der Tat bewußt sein, sich von einer schon verwirkten Strafe wieder befreien zu können, ihnen also die Verheißung der Straflosigkeit stets gegenwärtig s e i n 6 . Es läßt sich allenfalls in negativer Weise sagen, daß der Gesetzgeber dem Täter den Rücktritt nicht durch die Vorstellung, er werde auf jeden Fall bestraft, geradezu abschneiden sollte (vgl. Jescheck § 51 I 2 unter Bezugnahme auf Feuerbach).

10

Diejenigen, die die Lehre von der goldenen Brücke nach wie vor zur Deutung der Straflosigkeit heranziehen, stellen daneben, oft sogar in erster Linie auf eine im 2 Vgl. v. Liszt Lehrbuch 1 S. 143; v. Liszt-Schmidt S. 315; Allfeld Frank-Festgabe II S. 76; Frank VDA Bd. V S. 242 ; v. Hippel II S. 441 ; Kohlrausch-Lange 46 Anm. I ; Maurach AT4 § 41 V A; Mezger LB S. 403 ; Olshausen § 46 Anm. 1. 3 Seit RGSt. 6 341, 342; vgl. auch RGSt. 17 243, 244; 63 158, 159; 72 349, 350; 73 53, 60. 4 Vgl. BGHSt. 9 52; Giffltorn S. 17; Bockelmann NJW 1955 1419; Heinitz JR 1956 249; Bottke S. 213 f; Busch LK 9 Rdn. 3; Lang-Hinrichsen Engisch-Festschrift S. 368; Ulsenheimer S. 69 ff, 274; Walter S. 12; Otto GA 1967 150; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 2; krit. auch Lenckner Gallas-Festschrift S. 306; Haft i Κ 1969 312 und AT S. 190. 5 Vgl. dazu die Übersicht über veröffentlichte Entscheidungen des Reichsgerichts bei Bockelmann NJW 1955 1420 und Ulsenheimer S. 274. 6 Ulsenheimer S. 69; Bockelmann NJW 1955 1420 und Niederschriften 2 178; Stratenwerth Rdn. 705; Schmidhäuser 15/52; Rudolphi SK Rdn. 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4; Busch LK9 Rdn. 2; Bottke S. 213 Anm. 56 und Jescheck § 51 I 2. (126)

Rücktritt (Vogler)

§24

Rücktritt sich offenbarende geringere Gefährlichkeit und damit geringere Strafwürdigkeit ab (vgl. etwa Kohlrausch-Lange § 43 Anm. I). c) Der Bundesgerichtshof folgte zwar anfangs der kriminalpolitischen Theorie 11 (vgl. BGHSt. 6 85, 87), inzwischen hält er sie aber für wirklichkeitsfremd und nicht geeignet, die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erklären (vgl. BGHSt. 9 48, 52; 14 75, 80). Er begründet den Sinn der Rücktrittsvorschrift jetzt in erster Linie mit dem Wegfall des Strafzwecks (Indiz- oder Strafzwecktheorie). Stehe der Täter vom begonnenen Versuch freiwillig ab, so zeige sich daran, daß sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie dies zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Seine Gefährlichkeit, die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen sei, erweise sich nachträglich als wesentlich geringer (so bisweilen auch schon das Reichsgericht, vgl. ζ. B. RGSt. 14 23); die Strafe erscheine nicht mehr nötig, um den Täter für die Zukunft von Straftaten abzuhalten, andere abzuschrecken und die verletzte Rechtsordnung wieder herzustellen. Besonders den spezialpräventiven Zweck und den Gedanken der Gerechtigkeit halte das Gesetz für besser gewahrt, wenn es dem Täter den verbrecherischen Entschluß, den er rechtzeitig aufgegeben habe, nicht mehr zurechne und ihn nur insoweit bestrafe, als er durch die Versuchshandlung etwa schon den vollen Tatbestand einer anderen strafbaren Handlung erfüllt habe (BGHSt. 9 48, 52). Die Indiz- oder Strafzwecktheorie findet auch in der Literatur in unterschiedli- 12 chen Spielarten zunehmend Anhänger. Teilweise wird ebenfalls auf general- und spezialpräventive Gesichtspunkte abgestellt: Generalpräventive Erwägungen erforderten keine Bestrafung, weil der Täter, der sich im entscheidenden Augenblick rechtstreu verhalte, kein schlechtes Beispiel gebe. Spezialpräventive Erwägungen seien unnötig, weil der Täter durch seinen Rücktritt in die Legalität zurückgekehrt sei7. Teilweise wird die Strafzwecktheorie allein mit generalpräventiven Erwägungen begründet (Schmidhäuser Würtenberger-Festschrift S. 99 und Lehrbuch 15/ 69 ff sowie Studienbuch 11/68). Bisweilen wird sogar aus § 24 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. geschlossen, daß sich der Ge- 13 setzgeber für die Strafzwecktheorie entschieden habe ( H a f t AT S. 190 und JA 1979 312). Die Beseitigung des sachlichen Beitrags mindere Unrecht und Schuld bis unter die Strafbarkeitsschwelle, so daß spezialpräventive Gründe einer Bestrafung entfielen, und mangels eines rechtlich relevanten Risikos fehlten auch generalpräventive Gründe, die eine Bestrafung tragen könnten. Durch den Rücktritt werde der durch den Versuch bewirkte rechtserschütternde Eindruck nachträglich wieder in einem solchen Maße aufgehoben, daß ein Bedürfnis nach Bestrafung entfalle 8 . In diese Richtung geht auch die Auffassung Walters (S. 22 ff), der die Entbehrlichkeit der Bestrafung damit begründet, daß der Zurücktretende die geforderte Normbefolgungsbereitschaft zeige; die Regelung des Rücktritts sei ein „Bewährungsinstitut im Bereich des zurechnenden Strafrechts". Der Strafzwecktheorie ist entgegenzuhalten, daß der Wille des Täters im Zeit- 14 punkt des Versuchs durchaus stark genug zur Vollendung gewesen sein kann, der 7 Vgl. Rudolphi SK Rdn. 4 und ZStW 85 (1973) 119 f; Gutmann S. 64 ff; Blei AT § 69 I; Roxin Kriminalpolitik S. 36 ff und Heinitz-Festschrift S. 269; Ranft M D R 1972 743; Otto Grundkurs S. 235; Traub NJW 1956 1185; ferner Bloy S. 158 ff; Grünwald Welzel-Festschrift S. 711 ; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 VA 2 c. 8 Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 5; Roxin Heinitz-Festschrift S. 270; Haft AT S. 190; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V A 2 c; vgl. auch Bottke S. 568. (127)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Rücktritt wird oft durch rein zufällig äußere Umstände herbeigeführt (vgl. Jescheck §51 I 4; Schröder JuS 1962 81; Ulsenheimer S. 78 ff). Die Behauptung, der Entschluß habe bei der Tat von vornherein eine geringe Intensität gehabt, wird deshalb in den meisten Fällen der Wirklichkeit ebenso wenig entsprechen wie die Annahme, die in Aussicht gestellte Straflosigkeit werde für den Täter ein Anreiz sein, von der Vollendung Abstand zu nehmend Im übrigen wird vorgebracht, schon die These sei befremdlich (Lang-Hinrichsen Festgabe für Engisch S. 368, 370), daß die Gefährlichkeit — sei es des Täters, sei es der Versuchstat — sich nachträglich als wesentlich geringer erweise, als sie zunächst im Versuch zum Ausdruck gekommen sei; Gefahr und Gefährlichkeit seien Begriffe, die stets eine Prognose ex ante voraussetzten; so gesehen könnten sie durch nachträgliche Ereignisse nicht widerlegt werden ; vor allem gebe es keinen Erfahrungssatz, nach dem ein Entschluß, den jemand freiwillig aufgibt, von vornherein nicht beharrlich gewesen sei. Er müsse auf die volle Durchführung der Straftat gerichtet sein und deshalb stets eine nicht unerhebliche Intensität gehabt haben (krit. ferner insbesondere Bottke S. 214 ff). 15

d) Während die oben angeführten Theorien davon ausgehen, daß infolge der Versuchstätigkeit bereits ein Strafanspruch entstanden ist, der bei freiwilligem Rücktritt wieder beseitigt werde, strebt die Einheitstheorie 1° eine Gesamtbetrachtung an. Das Versuchsverhalten des zurücktretenden Täters sei lediglich ein Fragment für die Wertung. Zur vollen Werterfassung müsse ergänzend die weitere Verhaltensweise, nämlich der Rücktritt, hinzugenommen werden. Die vollständige Bewertungsgrundlage sei der dynamische Vorgang der freiwilligen Transformation eines zunächst gegen ein Rechtsgut gerichteten und betätigten Willens in einen rechtstreuen Willen, der auf die Verhinderung der Rechtsgutsverletzung gerichtet sei. Versuchshandeln und Rücktritt stellten sich trotz der psychologischen Trennung beider Vorgänge unter Wertungsgesichtspunkten (normativ) als eine Einheit darli. „Es ist mithin nicht so, daß das spätere Verhalten das frühere kompensiert oder nachträglich in einem anderen Lichte erscheinen läßt. Vielmehr behält das frühere Verhalten den Charakter des Negativen. Durch das nachträgliche Hinzutreten des Positiven ergibt sich für das Gesamtverhalten ein neuer Aspekt der Wertung, der zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Strafwürdigkeit führt." Versuchsverhalten und Rücktritt werden als eine „Tat" angesehen. Wenn der Gesetzgeber aufgrund der Gesamtwürdigung im Falle des freiwilligen Rücktritts die Strafwürdigkeit verneine, so entstehe gegen den zurücktretenden Täter kein Strafanspruch. Die Lösung des Problems wird auf der Ebene der Strafwürdigkeit der Tat i. S. der Gesamttat bei werteinheitlicher Betrachtung gefunden. Das hat gegenüber Bindings Lehre von der nachträglich (infolge des Rücktritts) entfallenden Rechtswidrigkeit des ganzen Verhaltens den Vorteil, daß die Strafbarkeit des Teilnehmers, der seinerseits nicht zurücktritt, nicht in Frage gestellt wird. Der Bezug des Versuchsverhaltens des Haupttäters zu dessen Rücktritt entfällt für den Teilnehmer. Für ihn verselbständigt sich die Tat des Haupttäters zu einem der Versuchsvorschrift unterfallenden Verhalten, so daß er wegen Teilnahme am versuchten Delikt zu bestrafen 9

Jescheck § 51 I 4; krit. dazu wiederum Roxin Heinitz-Festschrift S. 271: Die Bedenken von Jescheck beträfen nicht die Strafzwecktheorie, sondern die fehlerhafte Freiwilligkeitsinterpretation der überwiegenden Meinung. 1° Lang-Hinrichsen Engisch-Festschrift S. 370 ff; vgl. dazu auch Schmidhäuser 15/69; Roxin Kriminalpolitik S. 36 ff; Rudoiphi SK Rdn. 5; Muñoz-Conde G A 1973 33 f. H Vgl. dazu auch R.V.Hippel Rücktritt S. 58 ff; Roxin Kriminalpolitik S. 35; Rudoiphi ZStW 85 (1973) 120; Schmidhäuser 15/69; UlsenheimerS. 88 ff. (128)

Rücktritt (Vogler)

§24

ist. Der Wortlaut des § 24 steht dieser Auffassung nicht entgegen, ebensowenig der Umstand, daß die Straflosigkeit des Rücktritts in einer besonderen Vorschrift geregelt ist. Jedenfalls ist daraus nicht zwingend zu folgern, daß mit der Versuchshandlung der staatliche Strafanspruch entstanden ist und durch den freiwilligen Rücktritt wieder aufgehoben wird. Die ganzheitliche Betrachtung läßt sich auch mit der Gnadentheorie vereinbaren, die nicht notwendig voraussetzt, daß mit der Versuchshandlung zunächst ein Strafanspruch des Staates entstanden ist. Die Einheitstheorie ist gleichwohl unzulänglich, da sie keine Begründung für die 16 Straflosigkeit gibt, sondern den Rücktritt nur als Strafzumessungsgesichtspunkt begreift (vgl. Jescheck § 51 I 5; krit. dazu auch BurkhardtS. 121, der, um eine präventive Deutung der Rücktrittsregelung zu ermöglichen, für eine strikte Trennung von Versuch und Rücktritt eintritt). e) Nach der Schuldtheorie ( Ulsenheimer S. 103 ff; vgl. auch Rudolphi SK Rdn. 6; 17 Roxin Heinitz-Festschrift S. 273 0 liegt die materielle Begründung für die Straflosigkeit des Versuchs bei freiwilligem Rücktritt in der Annahme eines Entschuldigungsgrundes. Durch den Rücktritt wird die Schuld jedoch nicht aufgehoben, sondern allenfalls bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen ( Jescheck§ 5115). f) Eine von psychologischen Präsumtionen und Fiktionen absehende Erklärung 18 der strafbefreienden Wirkung des freiwilligen Rücktritts bietet die sog. Prämienoder Gnadentheorie, die ihren Ursprung im Preußischen Allgemeinen Landrecht (II 20 § 43) hat und in neuerer Zeit von Richard Schmidt (Grundriß des deutschen Strafrechts 2 S. 158) so begründet worden ist: Sieht man das wesentliche Element des Versuchs in der Betätigung des bösen Willens, so ist die Straflosigkeit eine außerordentliche (gnadenweise) Begünstigung der Sinnesänderung nach der vorherigen Betätigung. Die Verschonung mit Strafe ist danach eine Belohnung, die das Gesetz dem Täter für verdienstliches Verhalten gewährt. „Wer rechtzeitig aufgibt oder tätige Reue übt, der erweckt die Hoffnung, daß man sich in Zukunft keiner Übeltat von ihm zu versehen habe, und er wiegt das Gewicht des Schuldvorwurfs, der ihn trifft, bis zu einem gewissen Grade wenigstens durch ein Gegengewicht verdienstlichen Handelns auf. Und deshalb erscheint es angebracht, ihn mit Strafe zu verschonen, d. h.: ihm Gnade zu gewähren" {Bockelmann NJW 1955 1420). Das Verdienst des Täters liegt in der freiwilligen Aufgabe der Ausführung des geplanten Verbrechens beim unbeendeten Versuch und in der freiwilligen Verhinderung des Erfolgseintritts beim beendeten Versuch. Diese Auffassung wird heute wohl überwiegend vertreten^. Gegen die Prämientheorie wird allerdings eingewandt, daß das Strafrecht in kei- 19 nem Fall zur „Prämierung von Übeltätern" da sei (Schmidhäuser AT 15/13; ebenso Walter S. 9). Verzichte man darauf, dieser Prämierung einen kriminalpolitischen Zweck beizulegen, so lasse die Prämientheorie letztlich den Legitimationsgrund für das Rücktrittsprivileg offen (vgl. Stratenwerth Rdn. 705; Bottke S. 213; Walter S. 9; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4). Auch der Aspekt der „Gnade" könne nur zum Aus-

12 Vgl. Baumann AT § 34 I 2; Busch LK 9 § 46 Rdn. 4; Bockelmann NJW 1955 1420 und AT3 §27 V 4 und Strafrechtliche Untersuchungen S. 182 f; Dreher-Tröndle Rdn. 3; Welzel §25; Heinitz JR 1956 246; H. Mayer Studienbuch S. 145; H. Meyer Grundriß S. 145; Otto GA 1967 150; Schröder MDR 1956 322; Wessels AT § 14 IV 1 ; Jescheck § 51 I 3 ; Arzt G A 1964 9, der zwischen beendigtem und unbeendigtem Versuch differenziert. (129)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

druck bringen, daß sich die rechtswidrige u n d schuldhafte Versuchstat nicht hinwegräumen lasse; sie besitze aber keinen eigenen Erklärungswert für die Gewährung der Straffreiheit beim freiwilligen R ü c k t r i t t ^ . 20

Die Kritik an den verschiedenen Begründungen für die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts deutet darauf hin, daß keine der Theorien isoliert betrachtet eine überzeugende Legitimation für die Straffreiheit zu liefern im Stande ist. Deshalb setzt sich zunehmend die Auffassung durch, daß die Wirkung des Rücktritts auf der Verbindung verschiedener Gedanken beruht (vgl. Stratenwerth Rdn. 706; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 5; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V A 2 c). Wie zu den Argumenten der Strafzwecktheorie der G e d a n k e der Gnadentheorie hinzukommen muß, d a ß der Täter mit der an sich verdienten Strafe verschont werden solle, wenn er freiwillig wieder unter die Herrschaft des Rechts zurückkehrt (Jescheck § 51 14), kommt auch die Prämientheorie ohne zusätzliche K o m p o n e n t e n nicht aus (vgl. Ulsenheimer S. 74 ff ; Bottke S. 212 Anm. 53 ; Walter S. 9). Die Prämientheorie ist daher durch die Erwägung zu ergänzen, d a ß bei der Gemeinschaft der rechtserschütternde Eindruck, der durch die Tat in Erscheinung getreten ist, wieder aufgehoben worden ist und der Täter deshalb Nachsicht verdient {Jescheck § 51 13). Die für die Strafbarkeit des Versuchs maßgebenden G r ü n d e (Eindruckstheorie) gewinnen so auch für die ratio des strafbefreienden Rücktritts Bedeutung. Die Prämientheorie wird darüber hinaus durch den Gedanken der Schuldtheorie ergänzt, daß der Zurücktretende die Schuldhaftigkeit des Versuchs durch sein verdienstliches Handeln in gewisser Weise ausgleicht (Jescheck § 51 1 3 ) . Entscheidend ist dabei allerdings die Freiwilligkeit des Rücktritts, nicht dessen Grund. Ein ethisches Motiv — etwa Reue — ist nicht erforderlich. Im Gesamtbereich des § 24 kommt es auf den G r u n d des Rücktritts nicht an (vgl. unten Rdn. 90). Deshalb war auch die Bezeichnung des Rücktritts vom beendeten Versuch als „tätige Reue" irreführend.

2. Standort im Verbrechensaufbau 21

Der Standort des Versuchs im Verbrechensaufbau (vgl. dazu Roxin Heinitz-Festschrift S. 273 ff; Lang-Hinrichsen Engisch-Festschrift S. 366 ff) ist mit davon abhängig, worin man den G r u n d f ü r die Strafbefreiung des Täters beim Rücktritt vom Versuch sieht. N a c h R. v. Hippel (Rücktritt S. 58 ff) und v. Scherni (S. 27) entfällt bei freiwilligem Rücktritt bereits das tatbestandsmäßige Unrechtl 4 . Betont man demgegenüber, d a ß durch den Rücktritt das Verschulden getilgt (Schuldtheorie) bzw. gemildert wird, ist der Rücktritt der Schuldebene zuzuordnen, und zwar entweder als Schuldtilgungs- (so Sch.-Schröder^ § 46 Rdn. 2, 38) oder als Entschuldigungsgrund (so Rudolphi SK Rdn. 6). Unrecht u n d Schuld seien durch den Rücktritt so erheblich ge-

13 Vgl. Walter S. 9. Nach Haft AT S. 190 und Sch.-Schröder-Eser Rdn. 4 wäre die Prämientheorie lediglich auf der Basis einer rein subjektiven Versuchstheorie, die bei der gegenwärtigen Gesetzesfassung jedoch nicht vertretbar ist, „stichhaltig" ; krit. auch Rudolphi SK Rdn. 3; R. v. Hippels. 67; Roxin Kriminalpolitik S. 36 ff. 14 Krit. dazu Lang-Hinrichsen JR 1968 278; Rudolphi ZStW 85 (1973) 118 f; Stree GA 1974 63 ; Bottke S. 577 ; vgl. auch Bloy S. 173 : Ausschluß des strafrechtlich relevanten Unrechts, da der Rücktritt eine qualitative Unrechtsmodifizierung bewirke; krit. dazu Rudolphi S Κ Rdn. 7. (130)

Rücktritt (Vogler)

§24

mindert, daß es an einer strafrechtlich relevanten Schuld f e h l e t . Mißt man dem Rücktritt Einfluß auf die Strafwürdigkeit zu (Strafzwecktheorie), läßt sich der Rücktritt als SchuldausschlieOungsgrund begreifen (Roxin Heinitz-Festschrift S. 273; Haft JA 1979 312; vgl. auch UlsenheimerS. 94 ff, 130, der von Schuldminderung spricht). Verneint man beim Rücktritt das konkrete Strafbedürfnis, liegt es nahe, trotz 2 2 freiwilligen Rücktritts das Vorliegen von Unrecht u n d Schuld zu bejahen und den Rücktritt als persönlichen Strafaufhebungsgrund a u f z u f a s s e n ^ . Nach Walter (S. 24) ist durch eine Tatbetrachtung unter Einbeziehung täterbezogener Aspekte der Rücktritt in das zurechnende Strafrecht einzubauen. 3. Versuchsformen a) Fehlgeschlagener Versuch Im Rahmen des § 24 ist nicht nur zwischen dem unbeendeten u n d dem beendeten 2 3 Versuch zu unterscheiden (dazu unten Rdn. 32 ff), sondern davon abzugrenzen sind die Fallgestaltungen, in denen der Täter im Verlauf der Tatbegehung zu der Einsicht gelangt, daß er den tatbestandsmäßigen Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichen kann, er also das Ziel seines Handelns verfehlt hat (fehlgeschlagener Versuch) (vgl. Rudolphi SK Rdn. 9; Jescheck§ 51 II 4; Schmidhäuser Studienbuch 11/76). Die Abgrenzung ist erforderlich, weil der Täter vom fehlgeschlagenen Versuch nicht strafbefreiend zurücktreten kann. Über die Definition des fehlgeschlagenen Versuchs besteht keine Einigkeit, ins- 2 4 besondere ist umstritten, ob die Bestimmung des fehlgeschlagenen Versuchs rein subjektiv, subjektiv-objektiv mit überwiegend subjektivem Einschlag oder gleichgewichtig subjektiv-objektiv zu erfolgen hat 1 7 . Mit der Frank'schen Formel (Frank § 46 Anm. II) läßt sich der fehlgeschlagene Versuch dahingehend kennzeichnen 18, daß der Täter im Verlauf des Deliktsgeschehens zu der Einsicht gelangt: „Ich kann nicht zum Ziele kommen, selbst wenn ich es wollte." Entscheidend ist somit die subjektive Erkenntnis des Handelnden, nicht die objektiv gegebene Unmöglichkeit der De-

li Rudolphi SK Rdn. 6 und ZStW 86 (1973) S. 121; Haft JA 1979 312; Roxin Kriminalpolitik S. 35 ff und Heinitz-Festschrift S. 273 ; vgl. auch Bottke S. 603 ff : Strafzumessungsnaher Verantwortungsausschluß und Burkhardt S. 121 ff, der den Rücktritt aus strafzweckfunktionaler Sicht als Rechtsfolgebestimmung auffaßt. 16 So die h. M.; vgl. RGSt. 72 350; BGHSt. 7 299; Baumann AT § 34 I 2; Busch LK9 § 46 Rdn. 1; Dreher-Tröndle Rdn. 2; Jescheck § 51 VI 1; Lackner Anm. 1; Welzel § 25; SchSchröder-Eser Rdn. 4; krit. Rudolphi SK Rdn. 6. Dagegen stuft H. Mayer (AT S. 295) in Übereinstimmung mit dem Reichsgericht (vgl. RGSt. 56 209, 211; 37 405; 14 24; 6 342) den Rücktritt als persönlichen Strafausschließungsgrund ein. Vgl. auch Muñoz-Conde ZStW 84 (1972) 756 ff, der den Rücktritt als Strafbarkeitsausschließungsgrund begreift; ähnlich Schmidhäuser 15/68; krit. dazu Bottke S. 608 ff. 17 Vgl. Schmidhäuser 15/77 und Studienbuch 11/79, der für maßgebend hält, ob der Täter erkennt, sein Ziel in diesem Handlungszeitpunkt verfehlt zu haben und auch nicht durch sofortiges Weiterhandeln, wenn auch mit anderen Mitteln, noch erreichen zu können; Roxin JuS 1981 1 ff; Rudolphi SK Rdn. 8, der darauf abstellt, ob der Täter aufgrund der von ihm richtig erkannten objektiven Tatsituation keine Möglichkeit mehr sieht, sich von seinem Versuchsverhalten zu distanzieren. 18 Vgl. Roxin JuS 1981 2 und Heinitz-Festschrift S. 254; Eser II Fall 32 Anm. 49; Ulsenheimer S. 320). (131)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

liktsverwirklichung. Deshalb ist auch zwischen dem fehlgeschlagenen u n d dem untauglichen Versuch zu differenzieren (Roxin JuS 1981 2; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 7). Der untaugliche Versuch wird zum fehlgeschlagenen in dem Zeitpunkt, in dem der Täter die Unmöglichkeit erkennt, sein Ziel noch zu erreichen (Schmidhäuser Studienbuch 11/77). Solange der Täter im Rahmen eines bereits objektiv fehlgeschlagenen Versuchs nicht weiß, daß er das Delikt nicht mehr begehen kann, ist der Versuch für ihn nicht fehlgeschlagen und daher wie vom untauglichen Versuch ein Rücktritt m ö g l i c h ^ . Das ist nunmehr in § 24 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich anerkannt: Der Täter erlangt Straffreiheit, wenn er sich freiwillig u n d ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. Andererseits liegt fehlgeschlagener Versuch vor, wenn die Tat objektiv zwar noch vollendbar ist, der Täter aber irrig annimmt, das Ziel seiner konkreten Tat nicht mehr erreichen zu k ö n n e n : Der Täter, der nicht weiß, daß sich noch eine zweite Patrone im Magazin seines Revolvers befindet, verfehlt mit der vermeintlich einzigen Kugel sein Ziel. Der Versuch ist fehlgeschlagen, da eine Weiterführung des Versuchs schon begrifflich nicht mehr möglich ist, sondern nur noch eine Wiederholung (vgl. BGHSt. 4 181). 25

Die Schwierigkeiten einer eindeutigen Begriffsbestimmung des fehlgeschlagenen Versuchs hängen sowohl damit zusammen, daß in Rechtsprechung und Lehre keine Einigkeit darüber besteht, welche Sachverhalte dem Begriff unterfallen (vgl. Gössel ZStW 87 (1975) 3, 33; Bottke S. 352 ff), wie auch damit, d a ß schon generell umstritten ist, ob eine eigenständige Fallgruppe „fehlgeschlagener Versuch" überhaupt anzuerkennen ist. Z. T. wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dazu bestehe keine Notwendigkeit, der Rechtsfigur bedürfe es nicht20. Daran ist soviel richtig, d a ß man auch unter Zugrundelegung der Rücktrittsvorschriften des § 24 dem Täter in derartigen Konstellationen die Straffreiheit versagen kann u n d zwar mit folgenden Begründungen: Zum einen läßt sich argumentieren, d a ß der Täter, der das Scheitern seines Versuchs erkennt, nicht mehr freiwillig zurücktritt (so RGSt. 45 7 ; 70 3 ; BGHSt. 4 59; Welzel § 25 I 2; vgl. auch O L G Karlsruhe N J W 1978 331 und unten Rdn. 82). Zum anderen läßt sich sagen, daß der fehlgeschlagene Versuch ein beendeter Versuch ist, von dem nach den gesetzlichen Regelungen nicht durch schlichtes Unterlassen weiterer Ausführungshandlungen zurückgetreten werden kann (BGHSt. 4 181 ; 10 131 ; 14 79; 22 331 ; 23 359; Baumann § 34 II 2 a).

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Gleichwohl ist im „Interesse begrifflicher Klarheit" daran festzuhalten, d a ß Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs eine eigenständige Fallgruppe bilden u n d nicht dem Regelungsbereich des § 24 unterfallen {Rudolphi SK Rdn. 8; Roxin JuS 1981 1). Die Vorschrift setzt voraus, daß der Täter die Vollendung noch für möglich hält. Das ist bei einem fehlgeschlagenen Versuch nicht der Fall. Eine Aufgabe der weiteren Tatausführung oder ein Verhindern der Vollendung kommt nur da in Betracht, wo ein weiteres, den tatbestandsmäßigen Unrechtserfolg verursachendes Handeln dem Täter überhaupt noch möglich erscheint bzw. dieser Erfolg nach seiner Ansicht als Folge der bisher vorgenommenen Täterhandlungen überhaupt einzutreten

19 Rudolphi SK Rdn. 30 und BGHSt. 11 324: Rücktritt vom beendeten Versuch mit zu geringer Giftdosis; vgl. dazu Entstehungsgeschichte. 20 Gössel ZStW 87 (1975) 3; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V Β 3; Borchert/Hellmann GA 1982 448; vgl. auch Lackner Anm. 3 a: keine selbständige Kategorie sowie Walter S. 101, der den Begriff des fehlgeschlagenen Versuchs durch den der „Bewährungssituation" ersetzen will; krit. dazu mit Recht Rudolphi SK Rdn. 8. (132)

Rücktritt (Vogler)

§24

droht21. Ein Vorsatz, der nicht mehr zu verwirklichen ist, kann auch nicht aufgegeben werden22. Deshalb kommt es im Falle eines Fehlschlags auch nicht auf die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch an (Jescheck § 51 II 4; Schmidhäuser Studienbuch 11/76). Im Rahmen des fehlgeschlagenen Versuchs lassen sich folgende Fallgruppen un- 27 terscheiden: aa) Unmöglichkeit der Tatbestandserfüllung. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt zunächst dann vor, wenn die Tatbestandserfüllung physisch unmöglich ist, weil das Tatmittel versagt, der Täter (Tatsubjekt) unfähig ist, die Tat auszuführen oder das Tatobjekt der Vollendung entgegensteht. Das Tatmittel versagt beispielsweise, wenn entweder der einzig mögliche Schuß 28 das Opfer verfehlt oder der Täter trotz Abgabe aller ihm möglicher Schüsse das Opfer nicht trifft (Rudolphi SK Rdn. 10 und Rdn. 12 mit weit. Nachw.; Schmidhäuser Studienbuch 11/77), das Gewehr nicht losgeht, die Bombe nicht explodiert, das dem Opfer verabreichte Rattengift unwirksam ist (BGH G A 1971 51; Roxin JuS 1981 2). Auch wenn der mit dolus eventualis geführte Schlag fehl geht, etwa der Täter, der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt, dem Opfer keine lebensgefährliche Verletzung beibringt, liegt Fehlschlag vor (Rudolphi SK Rdn. 10; a. A. Walter S. 107). Ebenso, wenn die Tat mit dem allein geplanten Tatmittel (unter Ausschluß anderer Mittel) objektiv nicht durchführbar ist, beispielsweise, wenn der Täter mit dem bestimmt dosierten Maß an Gewalt nicht zum Ziel kommt 2 3. Dem Täter kann die Tatausführung ζ. B. dadurch unmöglich sein, daß er unfähig ist, bei einem Diebstahl die verschlossene Tür aufzubrechen, daß er dem Opfer körperlich unterlegen ist oder bei Tatausführung eine Herzschwäche, einen Schock erleidet (BGH bei Dallinger MDR 1958 12; 1971 363; BGH GA 1977 75) und infolgedessen die Tat nicht mehr ausführen kann. Das Tatobjekt steht der Vollendung entgegen, wenn der Taschendieb beim Griff 29 in die fremde Tasche nichts vorfindet (Rudolphi SK Rdn. 9), der Betrüger erkennt, daß das Opfer seiner Lügen gar kein Geld bei sich hat bzw. er irrig glaubt, das Opfer habe seine Lügen durchschaut (Schmidhäuser Studienbuch 11/77), das Tatopfer nicht am Tatort erscheint (sofern das Vorbereitungsstadium überhaupt schon überschritten ist, vgl. § 22 Rdn. 69). Beteuert das Opfer des Raubversuchs, kein Geld zu besitzen, kommt es darauf an, ob sich der Täter von der Fortsetzung seiner Drohung einen Erfolg verspricht; ist das nicht der Fall, liegt fehlgeschlagener Versuch vor (BGHSt. 4 180, 181). Fehlschlag kann auch vorliegen, wenn das Handlungsobjekt nicht dem Tatplan entspricht, der Täter beispielsweise das Tatobjekt verwechselt. Will etwa der Täter seinen Erbonkel töten und stellt er erst im letzten Augenblick fest, daß die Person, die er töten will, nicht der Erbonkel ist, ist der Versuch fehlgeschlagen, da der Täter an das Tatobjekt bestimmte Vorstellungen geknüpft hatte.

21 Rudolphi SK Rdn. 8; BGHSt. 9 52; Bottke S. 355; Gutmann S. 84; Hruschka JZ 1969 497; Roxin Heinitz-Festschrift S. 253; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 17; Schmidhäuser 15/77; VIsenheimerS. 318 ff; vgl. auch Eser II Fall 32 Anm. 32, 33. 22 Busch LK» § 46 Rdn. 33; Jescheck § 51 II 4; Otto GA 1967 141 ; a. A. Gössel ZStW 87 (1975) 3 ff; krit. auch Lackner Anm. 2 a. E. 23 Rudolphi SK Rdn. 9; Ulsenheimer S. 322; a. A. BGH MDR 1973 544: unfreiwilliger Rücktritt, ebenso Roxin JuS 1981 5. (133)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

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bb) Fehlschlag bei sinnlos gewordenem Tatplan. Kennzeichen der zweiten Fallgruppe ist, daß der Täter zwar den in dem jeweiligen Tatbestand des Bes. Teils beschriebenen Erfolg noch herbeiführen könnte, damit aber sein anfänglich verfolgtes Tatziel nicht mehr erreichen würde 2 4. Diese Fallgruppe weist allerdings enge Bezüge zum unfreiwilligen Rücktritt auf, weil die Unfreiwilligkeit des Rücktritts auch darauf beruhen kann, daß der Täter sich einer wesentlich geänderten Sachlage gegenübersieht (vgl. dazu unten Rdn. 98). Fehlschlag m u ß deshalb den Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich nicht nur Begleitumstände ändern, sondern die veränderte Sachlage wegen Zweckverfehlung die Tat — obwohl der tatbestandsmäßige Erfolg noch erreichbar ist — f ü r ihn absolut sinnlos macht (vgl. dazu auch Roxin JuS 1981 5). Das wird d a n n der Fall sein, wenn das Tatobjekt hinter den für den Tatentschluß entscheidenden Erwartungen des Täters in einem solchen Maße zurückbleibt, daß die Tat praktisch ins Leere geht, ζ. B. wenn es dem Täter darauf ankommt, für eine Geschäftsgründung einen bestimmten Geldbetrag — 300 D M — zu erbeuten, er aber nur 30 D M vorfindet25. Rücktritt bezüglich der vorgefundenen unzulänglichen Summe von 30 D M zu erörtern, wäre sinnlose Mühe (Schmidhäuser Studienbuch 11/78). Auch dann, wenn der Täter vor allem Bargeld, aber auch andere brauchbare Gegenstände stehlen will und kein Bargeld vorfindet, liegt Fehlschlag vor (BGHSt. 13 156). Dagegen liegt kein Fehlschlag vor, wenn der Täter nichts Bestimmtes stehlen will, nur wenig findet u n d deshalb nichts nimmt (RGSt. 70 1).

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Hinter den Erwartungen des Täters bleibt das Tatobjekt auch d a n n zurück, wenn der Täter einen Ball stehlen will und sich dieser als Holzkugel erweist (RGSt. 39 40) oder ein Gazefenster entwenden will, das beim Herauslösen zerstört wird (RGSt. 45 6). Nach den gleichen Grundsätzen ist fehlgeschlagener Versuch anzunehmen, wenn der Täter etwas Bestimmtes stehlen will und nur anderes findet (Schmidhäuser Studienbuch 11/78; a. A. RGSt. 24 222; 55 56). Gleiches gilt, wenn ζ. B. der Neffe, der seinen Erbonkel allein wegen der Erbschaft umbringen will, nach Versuchsbeginn erfährt, daß die Erbschaft gleich Null ist, oder der Attentäter, daß der zu ermordende Politiker sein Amt verloren hat26 ; oder der Falschmünzer nach Tatbeginn erfährt, daß die Geldsorte, die er herstellen will, außer Kraft gesetzt ist ( Walter S. 105). b) Unbeendeter — beendeter Versuch

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Das Gesetz unterscheidet nach wie vor zwischen dem Rücktritt vom unbeendeten und vom beendeten V e r s u c h 2 7 , obgleich dies nicht mehr — wie in § 46 a. F. — durch ziffernmäßige Aufteilung zum Ausdruck kommt. Die Unterscheidung ergibt sich daraus, daß sich das Gesetz für die Straflosigkeit nicht in allen Fällen mit dem

24 Vgl. Hruschka JZ 1969 497; Roxin JuS 1981 2; Schmidhäuser 15/77; Ulsenheimer S. 320; OLG Karlsruhe NJW 1978 331 f mit Anm. Küper NJW 1978 956. 25 Roxin JuS 1981 3 f; Rudolphi SK Rdn. 9; Schmidhäuser 15/77; Ulsenheimer S. 320 ff; a. A. BGHSt. 4 59; 13 56, die erst die Freiwilligkeit des Rücktritts verneinen. 26 Rudolphi SIC Rdn. 9; vgl. dazu Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48, der die Freiwilligkeit des Rücktritts verneint. 27 Krit. dazu Bottke S. 407; Ulsenheimer S. 217 und Krauß JuS 1981 858, der auf die Differenzierung verzichten und den Zurücktretenden selbst die erforderliche Rücktrittsleistung bestimmen lassen will; krit. dazu mit Recht Borchert/Hellmann G A 1982 440 Fußn. 50; vgl. auch Küper NJW 1978 956 f. (134)

Rücktritt (Vogler)

§24

bloßen Aufgeben der Tat begnügt. Dieses geringe Erfordernis ist nur da zur Strafbefreiung ausreichend, wo noch nicht alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan ist (unbeendeter Versuch) u n d deshalb bereits das schlichte Nichtweiterhandeln den Erfolgseintritt verhindert. Hat der Täter dagegen schon alles Erforderliche getan, so daß nur noch der Erfolgseintritt aussteht (beendeter Versuch), m u ß er die Tatvollendung verhindern. Die Vollendung kann nur durch aktive Gegenmaßnahmen des Täters verhindert werden ; er trägt auch das Risiko für das Gelingen seiner Erfolgsabwendung (vgl. unten Rdn. 113). Der Richter muß sich im Urteil mit der Frage auseinandersetzen, ob der Versuch 3 3 beendet oder unbeendet ist. Fehlen entsprechende Feststellungen über den Deliktsgrad, ist das Urteil ohne weiteres aufzuheben, da ein sachlich rechtlicher Mangel vorliegt28. Die Frage, ob beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, kann nur d a n n dahinstehen, wenn der Täter jedenfalls die Tatvollendung verhindert hat, da dieses Verhalten für die Anwendung des § 24 Abs. 1 ausreicht 2 ^ Ob der Täter noch mehr hätte tun können, ist d a n n ohne Bedeutung (BGH StV 1981 396). Das Urteil ist auch d a n n aufzuheben, wenn es sich nicht damit auseinandersetzt, ob der Täter freiwillig auf weitere Ausführungshandlungen verzichtet hat (BGH 2 StR 517/81 v. 2. 10. 1981). Die Unterscheidung, ob der Versuch beendet oder unbeendet ist, richtet sich 3 4 nach h. M. u n d Rechtsprechung nach dem jeweiligen Tatbestand i. V. m. dem Täterplan, also nach subjektiven Gesichtspunkten. Entscheidend ist die Vorstellung des Täters vom Verwirklichungsgrad seiner Tat30, und zwar auch dann, wenn der Täter nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat (BGHSt. 22 330, 332 f; B G H 3 StR 296/80 v. 23. 7. 1980; vgl. dazu auch Welzel § 25 I 1). Eine objektive Grenze bildet — ausnahmsweise — die Erkenntnis des Täters vom Fehlschlagen seines Versuchs oder jedenfalls der Eintritt dieser Überzeugung. Von da ab ist begrifflich keine Weiterführung des Versuchs mehr möglich, sondern nur noch eine Wiederholung (vgl. BGHSt. 4 181 und oben Rdn. 24). Maßgebender Zeitpunkt für die Vorstellung des Täters vom Verwirklichungsgrad 3 5 seiner Handlung ist nicht der Beginn der Tat, sondern der Augenblick der letzten Ausfiihrungshandlung31. Die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch spielt für die Frage eine Rolle, welche Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt erfüllt sein müssen. Die unterschiedlichen Anforderungen, die an die Strafbefreiung durch Rücktritt gestellt werden, richten sich nach dem Grad, bis zu dem der Täter in diesem Zeitpunkt die Tat verwirklicht hat. Der Zeitpunkt des Rücktritts ist daher für die Abgrenzung zwischen unbeendc tem und beendetem Versuch maßgebend, da die Unterscheidung außerhalb des Rücktritts — von Strafzumessungserwägungen abgesehen — keine Bedeutung hat (vgl. dazu näher unten Rdn. 65 ff). 28 BGH 3 StR 296/80 v. 23. 6. 1980; BGH 4 StR 530/80 v. 16. 10. 1980; BGH 2 StR 517/81 v. 2. 10.1981. 29 BGH StV 1981 396; BGH 4 StR 665/79 v. 31. 6. 1980; BGH 4 StR 80/81 v. 19. 3. 1981. 30 Vgl. BGHSt. 4 181 ; 10 129; 14 75, 79; 22 176, 177, 330, 331 f; BGH GA 1956 89; Blei AT §69 II; Geilen JZ 1972 335 ff; Kohlrausch-Lange §46 Anm.3; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 10; Welzel§ 25 I 1; Jescheck§ 51 II 2; RudolphiSK Rdn. 15; WolterZStW89 (1977) 690; Küper NJW 1978 956. 31 Auf den Zeitpunkt des Rücktritts stellen auch ab Rudolphi SK Rdn. 15; Geilen JZ 1972 339; anders GösselZStW 87 (1975) 28 ff; vgl. dazu auch Bottke S. 421 ff. (135)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

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Der Versuch ist unbeendet, wenn der Täter glaubt, noch nicht alles zur Verwirklichung Erforderliche getan zu haben, er also von der Vorstellung geleitet wird, sein bisheriges Tun werde den Erfolg noch nicht herbeiführen (Rudolphi SK Rdn. 15). Der Täter muß allerdings davon überzeugt sein oder zumindest fest darauf vertrauen, daß ohne weiteres Zutun der Erfolg nicht eintreten wird (Schröder JuS 1962 82; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11). Unbeendeter Versuch liegt beispielsweise vor, wenn der bei einer Frau zum Zwecke der Abtreibung eingesetzte Katheder vorzeitig herausfällt und die Schwangere, obwohl sie davon ausgeht, daß nur längeres Belassen wirksam ist, ihn nicht wieder einsetzt (RGSt. 57 278, 280). Der Tötungsversuch ist unbeendet, wenn der Täter die Schußwaffe angelegt, aber noch nicht abgedrückt hat (Blei AT § 69 II 1).

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Beendet ist der Versuch, wenn nach der Vorstellung des Täters nach der letzten Ausführungshandlung alle Schritte getan sind, die ihm zur Vollendung notwendig erscheinen^. Der Versuch ist deshalb auch dann beendet, wenn dem Täter noch weitere Handlungen möglich sind, die den Erfolgseintritt beschleunigen oder dessen Wahrscheinlichkeit erhöhen würden33; es genügt, daß er sein bisheriges Handeln zur Herbeiführung des Erfolgs für geeignet und es deshalb für möglich hält, daß der Erfolg bereits infolge seines bisherigen Tuns eintreten werde. Nicht erforderlich ist, daß er von dem Eintritt des Erfolgs überzeugt ist34. Auch dann, wenn der Täter im Zweifel darüber ist, ob seine Handlungen bereits ausreichen, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen, liegt beendeter Versuch vor35. Wegen der Maßgeblichkeit der Tätervorstellung ist beendeter Versuch auch dann anzunehmen, wenn die vorgenommene Handlung objektiv gar nicht zur Herbeiführung des Erfolges geeignet ist36.

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Weitere Handlungen in Richtung auf den erstrebten Taterfolg, die jedoch kein Tatbestandsmerkmal mehr erfüllen können, stehen der Annahme eines beendeten Versuchs nicht entgegen (RGSt. 68 82, 84, 306, 308; OLG Braunschweig NJW 1947 109). Als beendet muß der Versuch mit Rücksicht auf die Pflicht zur Erfolgsabwendung auch gelten, wenn der Täter weiß, daß zur Zielerreichung noch weiteres Handeln erforderlich ist, wenn er jedoch Ursachen gesetzt oder Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat, die den Erfolg herbeiführen können, falls nicht entgegengewirkt wird, oder die bereits ein anderes Rechtsgut verletzen, ζ. B. der Betrüger hat wesentliche, aber noch nicht sämtliche Täuschungshandlungen vorgenommen, die Gefahr der schädigenden Vermögensverfügung des Getäuschten besteht bereits; der 32 BGHSt. 4 56, 180; 10 131 ; 14 75; 23 356; BGH GA 1956 89; BGH StV 1982 70. 33 BGHSt. 24 74; 22 177, 331, 332; BGH bei Dallinger MDR 1975 724; BGH NJW 1980 195. 34 BGHSt. 22 330, 176; BGH GA 1966 208; BGH bei Dallinger MDR 1966 22; BGHSt. 14 75; 10 129; BGH bei Dallinger MDR 1956 394; BGH GA 1956 89. 35 Busch LK 9 §46 Rdn. 8; Jescheck §51 II 2; Geilen JZ 1972 339; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 24. 36 Wolter ZStW 89 (1977) 695 f; a. A. Borchert/Hellmann GA 1982 436 ff, 441 f, die bei objektiv nicht gegebener Erfolgsgefahr noch einen unbeendeten Vesuch annehmen, dem Täter aber eine gesteigerte Rücktrittspflicht auferlegen, indem sie einen Rücktrittsentschluß verneinen, wenn der Täter lediglich mit dem Handeln aufhöre, ohne „der von ihm initiierten Versuchshandlung ihre Wirksamkeit zu nehmen". Diese Konstruktion eines „unbeendeten" Versuchs mit gleichwohl gesteigerter „Rücktrittspflicht" ist nicht nur unnötig kompliziert, sondern auch dogmatisch nicht haltbar; so zutreffend Küper JZ 1983 266 Anm. 12. (136)

Rücktritt (Vogler)

§24

Einbrecher hat, als er sich entfernt, schon eine Lage geschaffen, die anderen den Diebeszugriff erleichtert und sie dazu anreizt. In diesen Fällen kann der weiterreichende Plan den Täter nicht dahin privilegieren, daß er ohne abwendende Tätigkeit allein durch bloßes Innehalten Straflosigkeit erwirkt (Busch LK 9 § 46 Rdn. 16). Beendeter Versuch liegt vor, wenn ζ. B. im Falle einer Gasvergiftung das Mittel 39 zwar ebenfalls längere Zeit wirken muß, um den Erfolg herbeizuführen, der Täter aber die Zuführung des Mittels eingeleitet hat, so daß das Geschehen ohne weiteres Zutun abläuft. Der Versuch ist mit der Einleitung beendet, unabhängig davon, ob sich der Täter entfernt oder in der Nähe bleibt und damit die Möglichkeit hat, den Gashahn wieder zuzudrehen37. Wollte der Täter sein Opfer durch mehrere Schüsse töten, so ist der Versuch unbeendet, wenn er nach einem Schuß abbricht38. Zur Frage, ob er beendet ist, wenn der Täter mit nur einem einzigen Schuß den Tod herbeiführen wollte, vgl. BGHSt. 22 176 und unten Rdn. 67. Löst der Täter den Würgegriff am Opfer erst, wenn er mit der Möglichkeit rechnet, daß das Opfer an den Folgen des Strangulierens sterben werde (BGH bei Daliinger MDR 1970 381), liegt beendeter Versuch vor; das gleiche gilt, wenn der Eifersuchtstäter von seinem Opfer abläßt, nachdem er ihm lebensgefährliche Messerstiche beigebracht hat (BGHSt. 22 330, 332); vgl. dazu unten Rdn. 70. Auch bei den Unterlassungsdelikten lassen sich die Stadien des unbeendeten und 40 des beendeten Versuchs unterscheiden. Die Abgrenzung erfolgt entsprechend den für das Begehungsdelikt maßgebenden Kriterien, nämlich der Vorstellung des Täters von der Tat39. Unbeendet ist der Unterlassungsversuch, wenn der Täter glaubt, die gebotene Handlung noch nachholen zu können; so im Fall des Tötungsversuchs, wenn die Mutter davon ausgeht, daß sie nur ihr Unterlassen aufzugeben, d. h. die Ernährung des Kindes wieder aufzunehmen brauche, um den Tod abzuwenden 40 . Beendet ist der Versuch, wenn nach der Vorstellung des Täters die Nachholung der ursprünglich gebotenen Handlung den Eintritt des Erfolges nicht mehr verhindern kann ( Jescheck LK § 13 Rdn. 48), so wenn im obigen Beispiel die Mutter etwa davon ausgeht, daß nur ärztliche Hilfe noch den Tod abwenden könne (Blei AT § 86 III 3 ; weitere Beispiele bei Jescheck § 60 II 2). Wird die Tat von mehreren ausgeführt, war früher umstritten, ob es für die 41 Frage der Einstufung als unbeendeter oder beendeter Versuch auf den Verwirklichungsgrad der Haupttat (so etwa Maurach AT 4 § 50 III C 2) oder auf die jeweilige Vorstellung des einzelnen Tatbeteiligten über den von ihm zu erbringenden Tatbeitrag ankommt (so Sch.-Schröder17 § 46 Rdn. 13, 42). Die Streitfrage ist durch die Neufassung insoweit überholt, als dem Tatbeteiligten schon aufgrund seiner Mitwirkung am Versuch ein weitgehendes Erfolgsabwendungsrisiko aufgebürdet ist, ohne daß es dabei noch wesentlich auf den Erfüllungsgrad seines Anteils an der Tat ankäme. Nur dann, wenn sich der Tatbeteiligte über die Tauglichkeit seiner Handlung irrt und er deshalb glaubt, noch keinen für die Vollendung ausreichenden Bei37 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 13; Roxin Maurach-Festschrift S. 213; vgl. auch LG Berlin MDR 1964 1023. 38 BGH GA 1966 208; BGH GA 1974 77; BGH bei Daliinger MDR 1975 541 ; BGH 3 StR 79/79 v. 10. 4. 1979; BGH StV 1981 396, 514. 39 Jescheck LK § 13 Rdn. 58; Rudolphi MDR 1967 1 und SK vor § 13 Rdn. 51; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 27. 40 Blei AT § 86 III 3; vgl. auch bei vorsätzlicher Herauszögerung der gebotenen Abwendung des Erfolgs OGH Brit. Zone 1 359. (137)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

trag geleistet zu haben, kommt es unter Vorsatzgesichtspunkten auf den Verwirklichungsgrad der Teilnahme u n d nicht den der Haupttat an (vgl. unten Rdn. 164, 169). 42

Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft soll es nach der überwiegenden Auffassung in der Lehre f ü r die Frage der Beendigung des Versuchs nicht auf das Deliktsstadium der Haupttat ankommen, sondern auf die Art und Wirkung der Steuerung durch den Hintermann. Handele das Werkzeug gutgläubig, so sei in der Regel schon mit Einwirkung des mittelbaren Täters auf das Werkzeug eine Ausführung des Delikts und damit beendeter Versuch anzunehmen, sofern das Tatgeschehen nunmehr zwangsläufig ablaufe (krit. dazu oben § 22 Rdn. 96). Entsprechendes sei bei einem dolosen Werkzeug anzunehmen, wenn dieses mittels Zwang zur Tatausführung veranlaßt werde. Dagegen richte sich bei einem dolosen Werkzeug, dem noch eine gewisse Entscheidungsfreiheit verbleibe, der Verwirklichungsgrad des Deliktsgeschehens nach dem Handeln des Werkzeugs (vgl. dazu oben § 22 Rdn. 96 ff). Entgegen dieser Auffassung ist davon auszugehen, daß grundsätzlich unbeendeter und beendeter Versuch danach abzugrenzen sind, inwieweit der Tatmittler die Haupttat verwirklicht hat, da der Täter durch das Werkzeug zur Tat ansetzt und die Tat durch das Werkzeug ausführen läßt (vgl. oben § 22 Rdn. 105; zu den Konsequenzen f ü r den Rücktritt vgl. unten Rdn. 145 f)·

43

Abweichend von Rechtsprechung und h. M. wird von Teilen der Literatur zur Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch mit unterschiedlichen Nuancierungen eine stärkere Betonung der objektiven Elemente bzw. eine Verbindung von subjektiven mit objektiven Elementen verlangt 4 1 . So soll nach einer Auffassung ( Ulsenheimer S. 225 f) beendeter Versuch auch dann vorliegen, wenn der Täter (subjektiv) nicht erkannt hat, daß aufgrund seines bisherigen Tuns der Erfolgseintritt bereits objektiv möglich geworden ist 4 2 . Zwar ist der Täter, wenn der Erfolg eintritt, wegen Vollendung strafbar (vgl. unten Rdn. 148 ff); der Täter erlangt jedoch Straffreiheit, wenn der Erfolgseintritt zwar möglich ist, aber nicht eintritt, sofern er sich ernsthaft und freiwillig bemüht, die Vollendung durch bloße Tataufgabe zu verhindern (vgl. Rudolphi SK Rdn. 16). Noch weiter geht die rein objektive Abgrenzungslehre von Βorchert/Hellmann (GA 1982 438; zu einer ähnlichen Konzeption vgl. bereits Henkel JW 1937 2375). Nach ihr ist die Abgrenzung unabhängig von der Tätervorstellung danach vorzunehmen, ob die Handlung(en) den tatbestandsmäßigen Erfolg noch nicht herbeiführen kann (können) oder ob ohne Eingreifen vom Täter unabhängiger Umstände oder glücklicher Fügungen die Vollendung eintreten kann. Die Erfolgstauglichkeit sei ex ante, also auf den Rücktrittszeitpunkt bezogen, zu bestimmen, „da dort in der objektiv sichtbaren Rücktrittshandlung die (mögliche) Bewährung des Täters ihren Ausdruck finde" (Borchert/Hellmann G A 1982 438). Das Argument der h. M., die Abgrenzung könne nur subjektiv erfolgen, weil die Frage, ob noch etwas von seiten des Täters zur Tatvollendung erforderlich sei, allein von dessen Vorstellung abhänge, erweise sich als Zirkelschluß, da die Maßgeblichkeit der Tätervorstellung wiederum mit dieser begründet werde (Borchert/ Hellmann G A 1982 437; zu den Bedenken gegen diese Auffassung vgl. auch oben Rdn. 37). 41 Vgl. dazu auch Bottke S. 421 ; Ulsenheimer S. 219 ff; Geilen JZ 1972 339, 342 und JK StGB § 24/6 sowie bereits Henkel JW 1937 2375. 42 Krit. dazu Rudolphi Rdn. 15 a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 11; Wolter ZStW 89 (1977) 695 Fußn. 195; vgl. auch Gössel JA 1977 288. (138)

Rücktritt (Vogler)

§24

Auch diese Auffassung kommt ohne subjektive Elemente nicht aus. Es geht nicht 44 allein darum, vorrangig zu ermitteln, „ob das Tatgeschehen nach der Vorstellung des Täters von seiner Tat als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung i. S. des § 22 zu werten ist" (so aber Borchert/Hellmann GA 1982 438). Auch wenn danach feststeht, daß die Täterhandlung den objektiven Tatbestand des versuchten Delikts erfüllt, bleibt die Tätervorstellung doch insofern bedeutsam, als die objektiv geeignete Handlung dem Täter nur dann zugerechnet werden kann, wenn sie seinen subjektiven Vorstellungen entspricht. Ist generell der Versuchsbereich auf der Grundlage der Tätervorstellung zu bestimmen, so kann auch bei der Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch auf das subjektive Element, nämlich die Vorstellung des Täters von der Tat, nicht verzichtet werden. Eine andere Auffassung (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V A 3) begründet die 45 Verbindung der Tätervorstellung mit objektiven Elementen damit, daß anderenfalls die Gefahr bestehe, daß nach rein subjektiven Kriterien der Versuch beendet sei, während er nach rein objektiven Kriterien noch nicht einmal begonnen habe. Da Vorbereitung und Versuch nach einem objektiven Bewertungsmaßstab auf subjektiver, im Tatvorsatz zu findender Beurteilungsgrundlage abgegrenzt werden (vgl. oben § 22 Rdn. 31), könnten auch unbeendeter und beendeter Versuch nur so bestimmt werden. Maßgebend sei das Vorstellungsbild des Täters vom objektiven Stand seines verbrecherischen Tuns. Die Kritik betrifft in Wirklichkeit nicht die (subjektive) Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch, sondern — wie das Scheinproblem der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und beendetem Versuch zeigt (vgl. dazu § 22 Rdn. 71 ff) — die von der h. M. vernachlässigte Vorfrage, ob überhaupt schon ein Versuch vorliegt. Ist diese Frage zu bejahen, führt auch diese Auffassung wieder zu dem entscheidenden subjektiven Maßstab, da das objektive Element durch die Tätervorstellung subjektivert wird. Das zeigt sich schon daran, daß auch nach dieser Lehre beendeter Versuch vorliegt, wenn der Täter glaubt, mit seinem bisherigen Tun habe er bereits alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche unternommen. Diese Vorstellung muß mit der Realität keineswegs übereinstimmen. Unter objektiven Gesichtspunkten muß also nicht unbedingt ein beendeter Versuch gegeben sein. Auch Roxin (Maurach-Festschrift S. 213) ist um eine objektive Abgrenzung be- 46 müht. Nach ihm soll über den unbeendeten Versuch die Gefährlichkeit der Handlung, für den beendeten Versuch dagegen entscheidend sein, daß der Täter über die Vornahme aller Handlungen hinaus, die nach seiner Auffassung für die Vollendung erforderlich sind, das weitere Geschehen nicht in der Hand hat. Dieser Auffassung ist zu Recht entgegengehalten worden, daß Umstände, die sich dem Einflußbereich des Täters entziehen, unmöglich dafür maßgebend sein können, ob beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt (vgl. dazu oben § 22 Rdn. 73 0· Auch müßte, wenn der Erfolg in einem vom Täter nicht erwarteten Zeitpunkt eintritt, ein vollendetes Delikt vorliegen, ohne daß es jemals zum Versuch gekommen wäre (Seh.-SchröderEser Rdn. 12; vgl. dazu auch Blei JA 1975 167; Herzberg M DR 1973 89). c) Versuch bei mehreren Tätigkeitsakten Die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten bzw. fehlgeschlagenen Ver- 47 such ist besonders dann schwierig, wenn der Täter sein Ziel mit mehreren Handlungen (Tätigkeitsakten) zu erreichen sucht, aber vor Erfolgseintritt die Ausführung seines Tatplans aufgibt, oder wenn er zwar zunächst nur eine einzige Handlung ins Auge gefaßt hat, dann aber, nachdem diese entgegen seinen Erwartungen den Er(139)

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2. Abschnitt. Die Tat

folg noch nicht herbeigeführt hat (obwohl er weiterhandeln könnte), auf den Einsatz zusätzlicher, zur Tatbestandsverwirklichung geeigneter Handlungen verzichtet. In Betracht kommen sowohl die Fälle, in denen der Täter den gleichen Tätigkeitsakt, die gleiche Versuchshandlung ein oder mehrere Male wiederholt (er versetzt dem Opfer mehrere Messerstiche, BGHSt. 22 330; die Schwangere macht zur Abtreibung der Leibesfrucht mehrere Scheidenspülungen mit Seifenwasser, BGH bei Dallinger MDR 1956 394), wie auch Fallgestaltungen, in denen er wegen erkannter Untauglichkeit des zunächst verwendeten Mittels unmittelbar anschließend ein anderes Mittel einsetzt, von diesem aber abläßt, bevor der Erfolg eingetreten ist (der durch einen Schlag mit einer gefüllten Flasche auf den Kopf des Opfers begonnene Tötungsversuch wird wegen seiner Wirkungslosigkeit mittels Würgens fortgesetzt, BGHSt. 10 129). 48

Wenn der Täter sein Handeln nicht bis zum Eintritt des Erfolges fortsetzt, sondern seine darauf gerichtete Tätigkeit aufgibt, stellt sich die Frage, ob die ersten erfolgslosen Versuchshandlungen einen selbständigen fehlgeschlagenen Versuch darstellen, von dem der Täter nicht mehr mit strafbefreiender Wirkung zurücktreten kann, oder ob die sämtlichen, auf das beabsichtigte Ziel gerichteten Handlungen dergestalt eine Einheit bilden, daß sie als ein Versuch anzusehen sind. Rechtsprechung und Literatur beantworten diese Frage uneinheitlich. Die Rechtsprechung wendet auch hier rein subjektive Maßstäbe an und stellt auf die Vorstellungen des Täters von der Tat ab. Unterschiedlich beurteilt wird jedoch, auf welchen Zeitpunkt es dabei ankommt (vgl. unten Rdn. 49 ff) und welchen Inhalt diese Vorstellung haben muß (vgl. unten Rdn. 68 ff).

49

aa) Als maßgeblicher Zeitpunkt kommt die Vorstellung bei Tatbeginn („Planhorizont") oder nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung („Rücktrittshorizont") in Betracht. Die Rechtsprechung differenziert insoweit danach, ob der Täter bei Tatbeginn einen bestimmten Tatplan hatte oder nicht. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat der Bundesgerichtshof folgende Grundsätze entwickelt: Ob der Versuch einer Straftat beendet ist, hängt in erster Linie davon ab, welche Handlungen der Täter bei Beginn der Tatausführung für erforderlich hielt und vornehmen wollte, um den tatbestandsmäßigen Erfolg zu verwirklichen. Hat er diese Handlungen vorgenommen, so ist der Versuch beendet. Erkennt der Täter die Erfolglosigkeit seines Handelns und sieht er gleichwohl von weiteren Versuchen ab, so erwirbt er sich dadurch nicht Straflosigkeit. Bloßes Untätigbleiben ist keine „tätige Reue" i. S. von § 24, die bei beendetem Versuch allein straffrei machen kann.

50

Wenn der Täter seinen Vorsatz nicht von vornherein auf eine einzige oder auf bestimmte Ausführungshandlungen beschränkt, wenn also in diesem Sinne bei Tatbeginn kein festumrissener Plan vorlag, so kommt es für die Frage, ob der Versuch beendet war oder nicht, darauf an, welche Wirkungen er sich im Augenblick der Beendigung seiner Tathandlungen von seinem bisherigen Tun versprochen hat. Hält er jetzt das bisherige Tun nicht für ausreichend, um den erstrebten Erfolg herbeizuführen, so ist der Versuch noch nicht beendet. Unterläßt er dann jede weitere auf den Erfolg gerichtete Tätigkeit, obgleich er die Tatausführung noch für möglich hält und zu ihr fähig ist, so erwirbt er sich durch den Rücktritt nach § 24 Straflosigkeit, vorausgesetzt, daß das Abstehen von weiterem auf den Erfolg gerichteten Tun freiwillig ist. Auch die irrige Annahme, daß die Wirkung des bisherigen Tuns zur Herbeiführung des Erfolges nicht ausreiche, schließt die Straffreiheit nach § 24 nicht aus. Der Versuch ist dagegen schon dann beendet, wenn der Täter weitere — (140)

Rücktritt (Vogler)

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an sich mögliche — Tathandlungen unterläßt, weil er sein bisheriges Handeln zur Herbeiführung des Erfolgs für geeignet und es deshalb für möglich hält, daß dieser Erfolg bereits infolge seines bisherigen Verhaltens eintreten werde. Nicht erforderlich ist, daß er von dem Eintritt des Erfolgs überzeugt ist43. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien nahm der Bundesgerichtshof im Wach- 51 soldatenfall (BGH GA 1966 208) unbeendeten Tötungsversuch an, da der Täter von vornherein eine Folge von Schüssen aus seinem Schnellfeuergewehr eingeplant habe und solange weiterschießen wollte, bis der Erfolg eingetreten war, hiervon jedoch Abstand genommen habe, obwohl er den Erfolg noch hätte erreichen können. Im Flachmann-Fall (BGHSt. 10 129) wollte der Angeklagte seine Verlobte durch einen Schlag mit einer Flasche töten, was mißlang. Er würgte daraufhin das Opfer bis zur Bewußtlosigkeit, ließ dann aber ab, weil er anderen Sinnes geworden war und seine Verlobte nicht mehr töten wollte. Der BGH nahm gleichwohl unbeendeten Tötungsversuch an, da der Täter lediglich das Ziel seines Handelns ins Auge gefaßt habe. Für die Fälle, in denen der Täter von einem festumrissenen Tatplan ausging, 52 wird auch von einem Teil der Literatur die Ansicht vertreten, daß mit der Planverwirklichung ein beendeter Versuch vorliege, selbst wenn der Täter nach Erkennen des Mißerfolgs mit anderen verfügbaren Mitteln hätte weiterhandeln können (Blei AT § 69 II 2; Welzel § 25 I 1 ; Maurach AT4 § 41 V A 2). Insoweit soll also der Tatplan bei Beginn der Ausführungshandlung entscheidend sein. Bei nicht festumrissenem Tatplan wird dagegen auf die Vorstellung des Täters in dem Augenblick abgestellt, in dem er von weiteren Ausführungshandlungen abläßt. Beendeter Versuch soll dann vorliegen, wenn der Täter im Zeitpunkt des Absehens von weiteren Handlungen mit der Möglichkeit gerechnet hat, der Erfolg werde durch seine bisherigen Tätigkeitsakte eintreten^. Diese von Rechtsprechung und einem Teil der Literatur vertretene Auffassung 53 ist kritisert worden, soweit für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch einmal auf die Vorstellung des Täters bei Tatbeginn, das andere Mal auf die Vorstellung des Täters nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung abgestellt wird. Ihr wird entgegengehalten, sie privilegiere ungerechtfertigt den umsichtig planenden und gefährlicher vorgehenden Täter, der von vornherein alle Möglichkeiten des Tatablaufs einkalkuliere, gegenüber dem sich auf ein Tatmittel festlegenden Täter45. Rücktritt sei nämlich noch möglich, wenn von 100 eingeplanten Schüssen 99 ihr Ziel verfehlten, der Täter jedoch dann freiwillig vom letzten Schuß absehe. Sei der Täter dagegen fest überzeugt, mit dem ersten Schuß seine Absicht zu verwirklichen, entschließe er sich aber nach dem Mißlingen zur Fortsetzung, werde ihm der Rücktritt vom ersten Schuß verwehrt^. Schlage der Täter, der sein Opfer

43 BGHSt. 22 330, 176; BGH GA 1966 208; BGH bei Daliinger MDR 1956 394; 1966 22; 1970 384; BGHSt. 14 75; 10 129; BGH GA 1956 89; BGH NJW 1980 195; BGH NStZ 1981 342; BGH JZ 1982 571. 44 Welzel § 25 I 1; Maurach AT4 § 41 V A 2; vgl. dazu auch Wessels § 14 IV 3; Bottke JA 1980 380 und S. 425 ff. 4 5 Vgl. Rudolphi SK Rdn. 13; Jescheck § 51 II 3 a; Roxin JuS 1981 7; Geilen JZ 1972 337 f; Borchert/Hellmann G A 1982 431 ff. 46 Baumann AT § 33 II,Jescheck § 51 II 3; Rudolphi SK Rdn. 12; Busch LK 9 § 46 Rdn. 9; Geilen JZ 1972 336; Otto GA 1967 144; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 14 f. (141)

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erschießen will, ohne jedoch andere Möglichkeiten ausdrücklich ausgeklammert zu haben, dem Opfer nach Fehlgehen des ersten Schusses den Gewehrkolben über den Kopf, überlege er es sich angesichts der Blutlache anders und hole den Arzt herbei, so daß das Opfer nach einigen Wochen das Krankenhaus geheilt verlassen könne, so sei der Täter vom Mordversuch straffrei zurückgetreten ; habe ihn jedoch nach dem Fehlgehen des Schusses das noch unverletzte Opfer gedauert und er deshalb den Kolbenschlag unterlassen, sei er wegen Mordversuchs zu bestrafen (Otto G A 1967 147). Damit würden letzlich Zufälligkeiten oder eine geschickte Einlassung des Täters über Strafe bzw. Straffreiheit entscheiden. Steige der Dieb durch ein Fenster ein, nachdem ihm der Dietrich zum Aufbrechen der Tür abgebrochen ist, nehme aber dann nichts weg (Beispiel bei Sch.-Schröderu § 46 Rdn. 8 b), so habe er den ursprünglichen Tatplan unmittelbar fortgeführt und bleibe, Freiwilligkeit vorausgesetzt, straflos. Gebe er nach Abbrechen des Dietrichs die Durchführung des beabsichtigten Diebstahls auf, sei er mangels Freiwilligkeit wegen versuchten Einbruchsdiebstahls strafbar, auch wenn er sich bewußt sei, den beabsichtigten Diebstahl noch durch Einsteigen ausführen zu können (Busch LK 9 § 46 Rdn. 10). Die Rechtsprechung habe damit ein Kriterium entwickelt, das jedes Ergebnis begründbar mache (vgl. Borchert/Hellmann GA 1982 432 mit weit. Nachw.). Würden die Ergebnisse allzu unbefriedigend, weiche der Richter den Konsequenzen dadurch aus, daß er in Wirklichkeit aus dem Fall eines nach h. M. beendeten Versuchs einen unbeendeten mache, indem er anstelle der Beweiswürdigung des Tatrichters seine eigene setze. Anlaß zu dieser Kritik von Dreher (JR 1969 106; vgl. auch Roxin HeinitzFestschrift S. 269) war die Entscheidung BGHSt. 22 177 (Rohrzangen-Fall): Trotz der Feststellung des Tatrichters, der Angeklagte habe angenommen, daß ein Schlag mit der Rohrzange das Opfer töten werde, nimmt der BGH unbeendeten Versuch mit der Begründung an, daß ein Täter, „der unter solchen Umständen und in einer solchen Weise auf einen anderen einschlage, sich in der Regel keine bestimmten Gedanken über die Zahl der Schläge mache, die er dem Opfer zu versetzen beabsichtige^". 54

Zur Vermeidung dieser Unbilligkeiten werden in der Literatur verschiedene Vorschläge gemacht. Ζ. T. wird darauf abgestellt, ob sich der Täter „in der konkreten Tatsituation weiterer Erfolgsmöglichkeiten bewußt ist und dennoch von der Erfolgsverwirklichung Abstand nimmt". Dieser Täter habe „objektiv zum Ausdruck gebracht, daß er den Weg des Verbrechens verläßt" (Otto G A 1967 149). Diese Rückkehr in die Legalität beweise die verminderte verbrecherische Energie des Täters, die eine Strafsanktion überflüssig mache. Entsprechend seiner Konzeption betont Roxin (Heinitz-Festschrift S. 269), daß in solchen Fällen freiwilliger Rücktritt vorliege, da, solange der Täter mit Aussicht auf Erfolg ohne Vergrößerung seines Risikos weiterhandeln könne, eine Umkehr nach den Normen des Verbrecherhandwerks sehr unvernünftig sei. Deswegen seien solche Fälle insgesamt als unbeendete Versuche zu qualifizieren, ohne daß es auf die Vorstellung des Täters über die Zahl der zur Erfolgsherbeiführung nötigen Einzelakte ankäme (Roxin Heinitz-Festschrift S. 268 f; vgl. dazu auch Dreher JR 1969 106 f; Blei JA 1969 91 f)· 55 Dieser Auffassung wird entgegengehalten, daß sie die Unbilligkeiten der Rechtsprechung nicht voll beseitige, vielmehr der Täter nunmehr die Möglichkeit habe, 47 Vgl. auch BGHSt. 10 129; 21 319; 22 330; 23 356; BGH bei Daliinger M D R 1975 541; BGH NStZ 1981 342; BGH StV 1981 67, 514; 1982 70. (142)

Rücktritt (Vogler)

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Straffreiheit dadurch zu erlangen, daß er eine konkrete Fortsetzungsmöglichkeit suche und diese nicht ausnütze (Baumann § 33 II). Im Falle des wegen Abbrechens des Dietrichs mißlungenen Einbruchsversuchs könnte der Täter, der den beabsichtigten Diebstahl nach diesem Mißlingen nicht fortsetzen will, sich nun, obwohl er vom ursprünglichen Tatplan wegen der Unmöglichkeit der Tatausführung Abstand nehmen mußte, Straffreiheit dadurch verdienen, daß er geltend macht, er habe von der an sich bestehenden Möglichkeit des Einsteigens keinen Gebrauch gemacht 48 . Deshalb wird ζ. T. gefordert, die Gesamtbetrachtung aufzugeben und auf die 56 Einzelakte abzustellen 49 . Unbeschadet einer auf Konkurrenzebene bestehenden Handlungseinheit liege beendeter Versuch vor, wenn der Täter eine Ausführungshandlung vorgenommen habe, die nach seiner Vorstellung schon geeignet war, den Erfolg zu bewirken. Danach läge beendeter Versuch vor, wenn der Täter mit dem ersten Schuß das Opfer verfehlt und trotz bestehender Möglichkeit von der Abgabe weiterer Schüsse absieht; ebenso würde im Fall BGHSt. 10 129 der erfolglose Schlag mit der gefüllten Flasche auf den Kopf des Täters einen beendeten Versuch darstellen, auch wenn der Täter weitere Tötungshandlungen ins Auge gefaßt hatte; ebenso im Fall BGH GA 1956 89 der erste Beilhieb des Täters auf seine Mutter, obwohl er weitere mögliche Schläge nicht ausführte, weil er nun seine Mutter nicht mehr töten wollte. In den Fällen, in denen der Täter nach dem Fehlschlag des ersten Mittels zu einem zweiten greift, sei die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom ersten Versuch ausgeschlossen. Gegen diese Auffassung wird eingewandt, daß ein Täter, der mit einem Schnell- 57 feuergewehr auf sein Opfer schießt und es nach 9 Fehlschüssen mit dem 10. Schuß tödlich trifft, folgerichtig wegen eines Mordes und zusätzlich wegen weiterer 9 versuchter Morde bestraft werden müßte (Dreher JR 1969 106). Es gehe nicht an, die Rücktrittsmöglichkeiten dadurch zu verkürzen, daß man eine einheitliche Tat nach Belieben in verselbständigte Einzelakte zerstückele, von denen dann kein Rücktritt mehr möglich sei. Das, was sich bei Tatvollendung als eine Tat darstelle, bilde auch im Rahmen des Versuchs eine Tat (Roxin JuS 1981 7 f). Noch weiter eingeengt wird die Rücktrittsmöglichkeit von dem Teil der Lehre, 58 der einen rücktrittsunfähigen fehlgeschlagenen Versuch bereits dann annimmt, wenn der Täter damit rechnet, daß er sich der Aufhaltbarkeit des Erfolgs durch einen gegenläufigen Akt möglicherweise bereits begeben hat 50 . Nach dieser Auffassung soll die Abgrenzung maßgeblich davon abhängen, inwieweit sich das Versuchsgeschehen im Hinblick auf den Erfolgseintritt bereits „verselbständigt" habe, d. h. in welchem Grade der einzelne Versuchsakt dem Täter als „erfolgsgeeignet" erscheine (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 15 ff). Unter Berücksichtigung der aus Tätersicht zu beurteilenden Erfolgsgeeignetheit des Einzelaktes sei folgendermaßen zu differenzieren: Erscheine dem Täter ein Einzelakt für sich allein, d. h. ohne weitere hinzukommende Handlung, noch nicht zur Erfolgsherbeiführung geeignet, handele es sich um einen unbeendeten Versuch. Erscheine ihm der Akt zwar bereits geeig48

Krit. dazu auch Dreher JR 1969 106 und Roxin Heinitz-Festschrift S. 269, nach dem eben noch kein beendeter Versuch vorliegt, solange der Täter eine „konkrete", d. h. sich in unmittelbarem Anschluß an den ersten Handlungsakt anbietende Fortsetzungsmöglichkeit sieht. 4 9 Baumann § 33 II; Gutmann S. 92 ff; Geilen JZ 1972 335, 337 f; Jakobs JuS 1980 715, 717; UlsenheimerS. 240; vgl. auch RGSt. 39 220 f; 43 137; 68 306, 308. 50 Eser Strafrecht II Fall 33 Anm. 30 ff; Burkhardt S. 90 ff. Krit. dazu Bottke S. 461 f; vgl. auch Walter S. 113 ff. (143)

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2. Abschnitt. Die Tat

net, auch ohne weiteres Zutun den Erfolg, möglicherweise oder sicher, herbeizuführen, glaube der Täter aber, den Erfolgseintritt notfalls noch durch einen Gegenakt aufhalten zu können, habe sich sein Handeln zumindest schon „relativ verselbständigt", so daß beendeter (wenn auch durch Erfolgsverhinderung noch rücktrittsfähiger) Versuch anzunehmen sei. Weder beendeter noch unbeendeter, sondern nicht mehr rücktrittsfähiger fehlgeschlagener Versuch liege vor, wenn der Täter ihm zur Erfolgsherbeiführung geeignete und in ihren Wirkungen nicht mehr beherrschbar erscheinende Einzelakte vorgenommen habe. Nach diesen Kriterien hätte sich im Flachmann-, Rohrzangen- und Stilett-Fall (BGHSt. 10 129; 22 176; 22 330) die Tat bereits absolut verselbständigt, Strafbefreiung durch Rücktritt würde ausscheiden (Eser Strafrecht II Fall 33 Anm. 38). 59

Auch diese Auffassung erscheint bedenklich. Im Bestreben, dem zufälligen Ausbleiben des Erfolgs keine Bedeutung beizumessen, schränkt sie die Rücktrittsmöglichkeit unangemessen ein. Der Versuch ist gekennzeichnet durch den Nichteintritt des Erfolgs, ohne daß es auf die Ursache dafür ankommt. Das zufällige Ausbleiben des Erfolgs kann daher für sich den Rücktritt nicht ausschließen. Der Einwand, daß dem Täter nur der Zufall die Möglichkeit des Rücktritts eröffne, verkennt, daß es generell in den Fällen des Versuchs gerade nicht selten der Zufall ist, auf dem der Nichteintritt des Erfolgs beruht (Rudolphi SK Rdn. 14). Wenn der Grad der Erfolgsgeeignetheit, mit dem der Täter sich bereits in die Tatbestandsverwirklichung eingelassen hat, ausschlaggebend sein soll, bleiben für den Rücktritt nur die Fälle, in denen der Täter für den Erfolgseintritt zunächst weniger geeignete Mittel eingesetzt hat. Damit gewinnt der Tatplan eine ihm nicht zukommende Bedeutung. Wird eine Tat vollendet, so ist es für die Zurechnung und Bewertung des tatbestandsmäßigen Erfolgs regelmäßig ohne Bedeutung, ob der Täter bestimmte Ausführungshandlungen bei Beginn der Tat geplant, ob er alle geplanten Handlungen durchgeführt, sie durch andere ersetzt oder weniger getan hat, als ursprünglich vorgesehen. Entscheidend ist, daß er das nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Erfolges Ausreichende getan hat. Warum bei zufälligem Ausbleiben des Erfolgs andere Kriterien für die Bewertung und Zurechnung des bisherigen Tuns maßgeblich sein sollen, ist nicht einzusehen (BGHSt. 31 170, 176). Die den strafbefreienden Rücktritt tragende Erwägung, daß der Täter auf den Boden des Rechts zurückgekehrt und wertbewahrend tätig geworden ist, wird nicht dadurch gegenstandslos, daß ihm der Zufall die Rückkehr ermöglicht hat.

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Die Frage, ob der Täter das nach seiner Ansicht zur Erfolgsherbeiführung Notwendige getan hat, kann daher nicht nach dem Grad der Erfolgsgeeignetheit des Handelns bei Beginn der Tat beurteilt werden, sondern maßgebend für die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch ist der Zeitpunkt des Rücktritts. Nichts anderes kann für die Frage gelten, ob der Versuch fehlgeschlagen ist und ein Rücktritt deshalb ausscheidet. Wie für die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch ist auch insoweit die subjektive Vorstellung des Täters maßgebend. Fehlgeschlagen ist der Versuch, wenn der Täter zu der Einsicht gelangt, daß er den tatbestandsmäßigen Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichen kann. Solange der Täter nach seiner Überzeugung — wenn auch durch Wiederholung gleichartiger oder Anwendung verschiedenartiger Tätigkeitsakte — den Erfolg herbeiführen kann, ist die Tat nicht fehlgeschlagen und ein Rücktritt daher nicht ausgeschlossen (vgl. dazu oben Rdn. 24 f). (144)

Rücktritt (Vogler)

§24

In dem berechtigten Bestreben, das Straffreiheitsprivileg des Rücktritts nicht zu 61 stark einzuengen, will eine im Vordringen begriffene Lehre der Lösung den Begriff der natürlichen Handlungseinheit zugrundelegen. Nach dieser Ansicht ist ein unbeendeter Versuch „immer dann anzunehmen, wenn die neuen Teilakte, von denen der Täter Abstand genommen hat, mit den voraufgegangenen, erfolgslos gebliebenen eine natürliche Handlungseinheit bilden würden"51. Voraussetzung für die Annahme natürlicher Handlungseinheit ist ein enger zeitlicher Zusammenhang der Teilakte, die nur quantitative Steigerung des Unrechtsgehalts und das Fortbestehen der einheitlichen Motivationslage. Handlungseinheit liegt danach vor bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung durch eine Folge von Einzelakten, mit denen sich der Täter dem tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach nähert, ζ. B. beim Wechsel der Ausführungsart einer vorsätzlichen Tötung, Fortbestehen der gleichen Motivationslage bei einheitlicher Tatsituation vorausgesetzt (vgl. Maiwald Handlungseinheit S. 90; Vogler LK vor § 52 Rdn. 34). Habe das einzig vorhandene Tatmittel nach den Vorstellungen des Täters den Er- 62 folg nicht herbeiführen können, so sei der Versuch fehlgeschlagen. Ein Rücktritt scheide ebenso wie in den Fällen aus, in denen zwar ein weiteres Tatmittel objektiv vorhanden sei, nach dem Täterplan aber nicht eingesetzt werden solle ( Jescheck § 51 II 3). Unbeendeter Versuch sei dagegen anzunehmen, wenn dem Täter mehrere Handlungen zur Erreichung des Zieles zur Verfügung stehen und diese Teilakte, von denen der Täter Abstand nimmt, mit den früheren, die er ohne den Erfolg zu bewirken vorgenommen hat, eine natürliche Handlungseinheit bilden würden52. Unbeendeter Versuch liege auch dann vor, wenn der Täter zunächst nur an den ersten Tätigkeitsakt gedacht habe und von dem zweiten freiwillig Abstand nehme.. Überzeugen kann auch diese Auffassung nicht. Methodische Bedenken ergeben 63 sich daraus, den in der Konkurrenzlehre entwickelten Begriff der natürlichen Handlungseinheit als Kriterium auf die anders gelagerte Frage der Versuchsbeendigung zu übertragen53. Die Konkurrenzregeln wollen eine Antwort auf die Frage der Strafbemessung im Falle des Zusammentreffens mehrerer Gesetzesverletzungen durch eine Person geben (vgl. Vogler vor § 52 Rdn. 1). Über die sachliche Einheit des Gesamtgeschehens geben sie keine Auskunft, sondern verweisen ihrerseits insoweit auf die Vorschriften des Allg. Teils, deren Auslegung die Grenze zwischen der Einheit einer Ausführung mit verschiedenen Mitteln und mehreren Ausführungshandlungen zieht (Blei AT § 93 I 4 b; Vogler vor § 52 Rdn. 34). Ob nach den Vorschriften des Allg. Teils ein Versuch als unbeendet oder beendet anzusehen ist, kann deshalb nicht durch einen Rückgriff auf Konkurrenzregeln entschieden werden. Auch vom Ergebnis her kann diese Auffassung nicht befriedigen, weil sie das 64 Bewußtsein des Täters von der Möglichkeit des Erfolgseintritts als „Fixpunkt" des beendeten Versuchs vernachlässigt (Küper JZ 1983 267). Weder der Übergang zu 51 Wessels AT § 14 IV 3 ; ähnlich Jescheck § 51 II 3 ; Stratenwerth Rdn. 711 ; Dreher JR 1969 107; Hruschka JZ 1969 498; Rudolphi SK Rdn. 14; Lackner Anm. 2 b. 52 Jescheck § 51 II 3; Dreher JR 1969 105; Lackner Anm. 2 b; Krauß JuS 1981 884; Bottke S. 433; Hruschka JZ 1969 498; Rudolphi SK Rdn. 14; Dreher-Tröndle Rdn. 4; Blei JA 1970 614 und AT § 69 II 2; a. A. Welzel% 25 11 ß. 53 Küper JZ 1979 799; vgl. auch Grünwald Welzel-Festschrift S. 714, der im Zusammenhang mit der Frage nach der Tatidentität darauf hinweist, daß die Tatbegriffe in der Versuchsund Konkurrenzlehre keineswegs gleichzusetzen seien, „da sie Rechtssätzen angehören, die ganz unterschiedliche Problemlagen betreffen". (145)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

einer anderen Ausführungsart noch der Abbruch des neuen Teilaktes können den Täter entlasten, wenn aus seiner Sicht bereits ein Stadium erreicht ist, in dem der Erfolg mit erheblicher Wahrscheinlichkeit einzutreten droht. Ist dieser Fixpunkt erreicht, dann kann der Täter sich das in § 24 Abs. 1 gewährte Privileg der Straffreiheit nicht mehr durch einfaches Aufhören verdienen54; sondern nur durch gegenläufiges gefahrneutralisierendes Verhalten. Ohne entsprechende Rettungsaktivität stellt sich das Verhalten lediglich als Verzicht dar, „den Eintritt des Erfolges sicherer zu machen". Darauf weist auch die Entscheidung BGHSt. 31 170 hin, die sich ausführlich unter Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des BGH mit der Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch befaßt. Von dieser Entscheidung ausgehend, verdient folgende Lösung den Vorzug: 65

Maßgebend für die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch ist die Vorstellung des Täters, die er nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung von der Erfolgseignung seines Tuns hat. Die Differenzierung mit Rücksicht darauf, ob der Täter bei Tatbeginn einen festumrissenen Plan hat oder nicht, ist aufzugeben. Für eine am Rechtsgüterschutz orientierte Strafrechtsordnung kann nur der „Rücktrittshorizont" maßgebend sein: Hat das Verhalten des Täters aus seiner Sicht noch nicht ein Stadium erreicht, in dem der Erfolg mit erheblicher Wahrscheinlichkeit einzutreten droht, so kommt ihm das Rücktrittsprivileg zustatten, wenn er von weiterem Tun abläßt und die Zielerreichung aufgibt. Hat der Täter mit seinem Verhalten dagegen ein Stadium erreicht, in dem aus seiner Sicht der Erfolg mit erheblicher Wahrscheinlichkeit einzutreten droht, so kann er sich das Rücktrittsprivileg der Straffreiheit nicht mehr durch einfaches Aufhören, sondern nur durch gegenläufige Rettungsaktivität verdienen. Er kann sich dann nicht darauf berufen, daß er seinen ursprünglichen Plan noch nicht zu Ende geführt oder weitere erfolgsversprechende Möglichkeiten nicht wahrgenommen habe. Unabhängig von seinem Tatplan ist der Versuch dann beendet. Der Rechtsgüterschutz verlangt in einem solchen Fall, daß der Täter aktiv zur Vermeidung des Erfolgseintritts tätig wird, wenn ihm das Rücktrittsprivileg zustatten kommen soll.

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Für den bei Tatbeginn ohne festen Tatplan handelnden Täter ist die Maßgeblichkeit des Rücktrittshorizonts mangels eines anderen tauglichen Kriteriums unmittelbar einsichtig. Dasselbe muß aber auch für den mit festem Tatplan handelnden Täter gelten. Er verdient keine Besserstellung dadurch, daß er sich trotz erkannter Erfolgsgefahr auf einen nicht vollständig ausgeführten Tatplan beruft. Entscheidend ist allein, daß er das — auch nach seiner Vorstellung — zur Herbeiführung des Erfolgs Ausreichende getan hat. Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet, unabhängig davon, ob der ursprüngliche Plan aus der Sicht des Täters noch nicht vollständig durchgeführt war, und ebenso irrelevant ist es dann konsequenterweise, wie ein solcher Plan beschaffen war und ob überhaupt ein Plan bestand (Küper JZ 1983 266; vgl. ferner Rudolphi NStZ 1983 361 ff).

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Andererseits ist es aber auch vom Sinn des Rücktrittsprivilegs nicht einzusehen, ihn schlechterzustellen, indem ihm jede Rücktrittsmögichkeit mit dem Hinweis auf die Planerfüllung abgeschnitten wird. Durch den Rücktritt soll dem Täter der Rückweg in die Legalität offengehalten werden, er kann sich durch bloßes Aufhören oder durch Erfolgsverhinderung Straffreiheit verdienen. Ob das bloße Aufhö54 Küper JZ 1983 266 unter Hinweis auf Geilen JZ 1972 342; Bottke S. 423 ff, 426; Ulsenheimer S. 221 ff; Walter S. 132 f. (146)

Rücktritt (Vogler)

§24

ren genügt, oder ob aktives, gefahrneutralisierendes Verhalten erforderlich ist, kann der Täter naturgemäß nicht bei Tatbeginn, sondern erst nach der Tatausführung beurteilen (vgl. schon oben Rdn. 35, 65). Folglich kann es nur auf seine Vorstellung in diesem Zeitpunkt ankommen. Auch bei festumrissenem Tatplan bildet die Vorstellung des Täters bei Abschluß der letzten Handlung den entscheidenden Maßstab für die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch. Unbeendeter Versuch liegt deshalb auch dann vor, wenn der Täter einen bestimmten, konkreten Tatplan völlig durchgeführt hat, sofern er in diesem Zeitpunkt die Vorstellung hat, noch nicht alles zur Erfolgsherbeiführung Erforderliche getan zu haben. Die Entscheidung BGHSt. 31 170 brauchte diese Fallgestaltung der subjektiv vollständigen Planerfüllung, aber vom „Rücktrittshorizont" aus noch unbeendeten Versuchs nicht zu entscheiden. Auch wenn ihr daher insoweit nur die Bedeutung eines obiter dictum beizumessen ist, die Aufgabe der alternativen Orientierung an der Vorstellung des Täters bei Tatbeginn im Falle eines festumrissenen Tatplans einerseits und im Zeitpunkt des Rücktritts ohne festen Tatplan andererseits, von der die bisherige Rechtsprechung ausging, ist vorgezeichnet. Die Verfestigung der beiläufigen Äußerung in der künftigen Rechtsprechung ist nach der in der Entscheidung vollzogenen Tendenzwende unschwer abzusehen55. bb) Über den Inhalt der Vorstellung, die für die Abgrenzung von unbeendetem 68 und beendetem Versuch im Zeitpunkt des Rücktritts maßgebend ist, besteht ebenfalls keine Einigkeit. In Betracht kommt zum einen, daß der Versuch (erst) dann beendet ist, wenn der Täter seiner Sache sicher, gewiß ist (Geilen JZ 1972 340). Auf das Erfordernis subjektiver Erfolgssicherheit deuten auch die Äußerungen hin, die auf einen Motivationszusammenhang zwischen Rücktritt und Erfolgserwartung abstellen (BGHSt. 14 75, 81; krit. zum Motivationszusammenhang Bottke S. 425 0· Damit würde der Bereich des beendeten Versuchs jedoch zu weit hinausgeschoben, mit der Folge, daß der Täter sich durch bloße Passivität Straffreiheit selbst dann verdienen könnte, wenn der Eintritt des Erfolges auch aus seiner Sicht immerhin schon möglich erscheint. Daß der Täter erst bei Gewißheit des Erfolgseintritts verpflichtet sein soll, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, während ihn unterhalb dieser Schwelle schon bloße Passivität strafbefreiend privilegiert, wird von Küper JZ 1983 267 mit Recht als „ein schlechterdings nicht mehr erträgliches Resultat" bezeichnet. Zum anderen wäre es aber auch bedenklich, das subjektive Kriterium, nach dem 69 ein Versuch als beendet anzusehen ist, auch in den Fällen, in denen der Täter einen bestimmten Tatplan vorzeitig abgebrochen hat, einschränkungslos dahin zu umschreiben, daß der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält56. Diesen Bedenken wäre nicht dadurch begegnet, daß man an die Vorstellung des Täters den Maßstab des „bedingten Vorsatzes" anlegt^, indem verlangt wird, daß der Täter im Zeitpunkt des Rücktritts nicht nur mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts ernstlich rechnen, sondern sich zugleich mit dem Risiko der Tatbe55 Küper JZ 1983 266, der mit Recht unter Bezugnahme auf BGHSt. 22 177 darauf hinweist, daß die Differenzierung in ihrer praktischen Bedeutung ohnehin weitgehend durch die Vermutung zugunsten des Täters eingeschränkt worden war, er mache sich „in der Regel keine bestimmten Gedanken über die Anzahl der Schläge, die er seinem Opfer zu versetzen beabsichtigt"; zu BGHSt. 31 170 vgl. die Anm. von Rudolphi NStZ 1983 361. 56 So der im Urteil des BGH wiedergegebene Hinweis des dritten Strafsenats auf seinen Beschluß 3 StR 79/79 v. 10. 4. 1979, mit dem ein Fall entschieden wurde, in dem der Täter möglicherweise einen bestimmten Tatplan abgebrochen hatte. 57 Zu den deliktssystematischen Bedenken gegen den Rückgriff auf den Vorsatzbegriff vgl. KäperiZ 1983 267. (147)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Standsverwirklichung abfinden müsse. In Abgrenzung von der bewußten Fahrlässigkeit wäre dann trotz subjektiver Vorstellung von der Möglichkeit des Gefahreintritts der Versuch noch nicht beendet, solange der Täter darauf vertraut, daß der Erfolg letztlich doch ausbleiben werde. Eine solche Lösung würde dem Sinn des Rücktrittsprivilegs nicht gerecht, sie wäre zudem auch praktisch unbrauchbar. Geht der Täter nach Abschluß seiner letzten Ausführungshandlung davon aus, daß der Erfolg aufgrund seines bisherigen Tuns eintreten könnte, dann kann er sich von seinem Verbrechensentschluß und dessen Folgen nicht einfach dadurch distanzieren, daß er auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut. „Angesichts der (zumindest aus seiner Sicht) geschaffenen Gefahr muß er vielmehr, um Strafbefreiung zu erlangen, erst eine klare Entscheidung ,für das Recht' treffen und sie handelnd manifestieren, indem er sinnvolle Rettungsmaßnahmen einleitet" (Küper JZ 1983 267). Um die praktischen Schwierigkeiten aufzuzeigen, braucht man gar nicht auf die das Erfordernis eigener Rettungsbemühungen unterlaufende Schutzbehauptung des Täters hinzuweisen, er habe sich auf die Rettungsaktivität Dritter verlassen und deshalb nichts unternommen (so Küper JZ 1983 268), der Hinweis auf die dogmatischen Abgrenzungsschwierigkeiten von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit und die in der Praxis auftretenden Beweisunsicherheiten allein sollten ausreichen, die Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch nicht mit dieser Problematik zu belasten. 70

Der BGH will den Bedenken dadurch Rechnung tragen, daß er für den beendeten Versuch in subjektiver Hinsicht zwar nicht die Gewißheit des Erfolgseintritts verlangt, aber auch nicht eine nur entfernte Möglichkeit ausreichen läßt. Maßgebendes Kriterium soll sein, ob der spätere Eintritt des Erfolges aus der Sicht des Täters „sehr nahe" lag. Dem ist zuzustimmen. Allerdings bedarf das Näheverhältnis noch einer Konkretisierung. Wie bei der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch wird auch insoweit auf das Gefahrmoment abgestellt und das Bewußtsein einer „erheblichen Gefahr" gefordert (vgl. Küper JZ 1983 268, der meint, die Anforderungen sollten eher noch niedriger angesetzt werden). Ob eine Gefahr „erheblich" ist und der Erfolgseintritt „sehr nahe" lag, läßt sich nur anhand des konkreten Tatbestandes entscheiden, von dem der Täter zurückgetreten ist. Der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs muß nicht nur entfernt möglich, sondern wahrscheinlicher sein als sein Ausbleiben. Beendeter Versuch liegt danach vor, wenn der Täter sich in dem maßgebenden Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung bewußt war, eine deliktsspezifische Gefahr für das angegriffene Rechtsgut geschaffen zu haben. Es kommt nicht darauf an, ob der Täter in diesem Zeitpunkt, in dem er von seinem Opfer abläßt, den Erfolg noch will oder ob er ihn zumindest billigt (BGHSt. 31170, 177). Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, beurteilt sich aufgrund einer ex-ante-Betrachtung aus der Sicht des Täters. Bloßen Schutzbehauptungen des Täters kann dadurch begegnet werden, daß seine Vorstellung an allgemeinen Erfahrungssätzen gemessen wird. Bei einem tiefen Messerstich in Herznähe (BGHSt. 14 75), mehreren lebensgefährlichen Messerstichen (BGHSt. 22 330), wuchtigen Schlägen mit einem Bierkrug gegen den Kopf (BGH 1 StR 438/79 v. 9. 10. 1979), Mißhandlungen bis zur Bewußtlosigkeit (BGH 1 StR 283/81 v. 23. 6. 1981), einem wuchtigen Schlag mit einem 1 'Λ kg schweren Nageleisen, der u. a. zum Schädelbruch führte (BGH 4 StR 530/80 v. 16.10.1980), geht der Einwand des Täters, er habe mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht gerechnet, nach allgemeiner Lebenserfahrung ebenso ins Leere wie in dem der Entscheidung BGHSt. 31 170, 171 zugrundeliegenden Sachverhalt, wo der Täter mit direktem Tötungsvorsatz zunächst mit einem Messer auf sein Opfer einstach und es dann bis zur Bewußtlosigkeit würgte. (148)

Rücktritt (Vogler)

§24

II. Rücktritt des Alleintäters (§ 24 Abs. 1) 1. Rücktritt vom unbeendeten Versuch (Absatz 1 Satz 11. Alt.) Vom unbeendeten Versuch tritt der Täter zurück, wenn er sich entschließt, die 71 Tat aufzugeben, den in Gang gesetzten Ursachenablauf nicht mehr anzustreben, und wenn er sich demgemäß verhält (RGSt. 63 156; 68 381 ; RG HRR 1930 2182), ohne daß er sich wider seinen Willen an der Tat, wie er sie plante, gehindert sieht. Der strafbefreiende Rücktritt des Alleintäters vom unbeendeten Versuch erfordert somit zweierlei. In objektiver Hinsicht ist erforderlich, daß der Täter die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Als subjektives Moment muß hinzutreten, daß das Nichtweiterhandeln freiwillig erfolgt. a) Aufgabe der weiteren Tatausführung Dazu genügt beim Begehungsdelikt in der Regel das Abstehen von der zielgerich- 72 teten Handlung. Mit dem Ablassen von weiteren Ausführungshandlungen kommt es regelmäßig nicht mehr zur Vollendung (RGSt. 61 107, 109). Nicht erforderlich ist, daß der Täter den in Gang gesetzten Kausalverlauf abrupt stoppen kann. Rücktritt kann deshalb auch dann noch in Betracht kommen, wenn der Täter, der sein Opfer mit einem Messerstich töten will, während der Ausführung des Stiches dessen Wucht wenigstens so herabmindert, daß das Messer die Rippe, auf die es auftraf, nicht mehr durchtrennte, was bei stärkerer Gewalteinwirkung wahrscheinlich gewesen wäre (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1968 894). Auch kann Rücktritt selbst dann noch angenommen werden, wenn der Täter, der sich und sein Opfer durch einen Zusammenstoß töten will, das Fahrzeug so abbremst, daß der Zusammenstoß mit einer wesentlich reduzierten Geschwindigkeit erfolgt. Die motivatorische Wirksamkeit des beim Täter erwachten „Selbsterhaltungswillens" steht dem nicht entgegen (BGH StV 1981 540; vgl. dazu Geilen JK StGB § 24/6). Beim Unterlassungsdelikt ist pflichtgebotenes Handeln erforderlich, sei es zur 73 Gebotserfüllung (echtes Unterlassungsdelikt) oder zur Gefahrenabwehr (unechtes Unterlassungsdelikt); vgl. dazu unten Rdn. 142. Gewinnt der Täter die Überzeugung, daß er den Erfolg ohnehin nicht mehr er- 74 reichen kann (fehlgeschlagener Versuch), scheidet ein Rücktritt aus; ebenso, wenn der Täter irrig an einen Fehlschlag seines Versuchs glaubt58. Umgekehrt ist unerheblich, ob dem Täter die Durchführung der Tat objektiv überhaupt noch möglich gewesen wäre, da es allein auf seine Vorstellung ankommt (zum Rücktritt vom untauglichen und vom fehlgeschlagenen Versuch vgl. Rdn. 88, 131 f)· Von der Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat kann dann nicht die Rede 75 sein, wenn der Täter lediglich die Ausführung ändert, z. B. von der Tatmodalität Abstand nimmt, um zu einer wirksameren überzugehen (vgl. RGSt. 72 349, 351; BGH NJW 1957 190), neue Mittel zur Fortsetzung der Tat beischafft oder die Tatausführung nur vorübergehend unterbricht, um sie in unmittelbarem Anschluß fortzusetzen (vgl. Schmidhäuser Studienbuch 11/82), z. B. der Einbrecher wartet ab, bis die Bewohner das Haus verlassen haben, um so ungestört die Tat ausführen zu können. Die Unterbrechung der Tatausführung, einerlei ob sie freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, schließt aber nicht jede Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts aus, es sei denn, daß sich der erste Tätigkeitsakt als selbständiger fehlgeschlagener Versuch 58 Vgl. dazu RGSt. 63 158, 159; 68 306, 309, 311 ; BGHSt. 9 48, 53; BGH M D R 1951 369. (149)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

erweist und daher die weiteren Handlungen als neuer Versuch aufzufassen sind (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 38; RG JW 1936 324). 76 Die Aufgabe der Tat „muß ernstlich gewollt sein", liegt also nicht vor, wenn der Aufgabewille nur vorgetäuscht ist (RGSt. 68 381), oder wenn der Täter die Vollendung versehentlich oder unbewußt selbst hindert, ζ. B. das Gift verschüttet oder versehentlich ein Gegengift gibt (RGSt. 63 158 f; 68 381). Rücktritt scheidet auch aus, wenn der Täter abbricht, weil er meint, sein Ziel bereits erreicht zu haben ( Ulsenheimer S. 318; Rudolphi SK Rdn. 17). Dagegen ist für den Rücktritt nicht erforderlich, daß der Täter den bei einem unbeendeten Versuch herbeigeführten, nicht tatbestandsmäßigen, geringfügigen Schaden beseitigt. 77

Der erforderliche Umfang der Abstandnahme ist umstritten (vgl. dazu Bottke S. 373 ff und Stratenwerth Rdn. 714, nach dem es sich weitgehend um eine Scheinkontroverse handelt). Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Besonderheit im Rahmen des unbeendeten Versuchs, sondern um ein allgemeines Rücktrittsproblem (vgl. Küper JZ 1979 779). Der Streit geht im wesentlichen darum, ob Rücktritt auch dann vorliegt, wenn der Täter die Tatausführung abbricht, sich aber vorbehält, die Tat bei späterer Gelegenheit noch durchzuführen. Nach der Rechtsprechung und überwiegenden Lehre muß der Täter den Verbrechensentschluß im ganzen aufgeben und auf die Verletzung der Rechtsordnung durch diese Tat endgültig verzichten, da er sonst die Gewährung der Straffreiheit nicht verdiene 59 . Das Privileg der Strafaufhebung setze das Aufgeben, nicht nur den Aufschub der Tat bis zu einem günstigeren Zeitpunkt voraus. Denn mit dem Aufschub habe der Täter seine Entscheidung für die Tat noch nicht revidiert und sei noch nicht auf den Boden des Rechts zurückgekehrt (Rudolphi SK Rdn. 18). Es bestehe kein Grund, einen Schuldigen zu schonen, der einen verfrühten oder in der Ausführung gefährdeten Anschlag abbreche, um ihn später unter günstigeren Umständen erfolgreich durchzuf ü h r e n ^ O . Nach dieser Auffassung ist deshalb bei Vorbehalt anderweitiger Tatausführung Rücktritt zu verneinen (zur fortgesetzten Handlung vgl. unten Rdn. 81).

78

Demgegenüber begnügt sich ein Teil der Lehre mit dem Abstandnehmen von der „konkreten"Tatausführung; erforderlich sei der Abbruch des „gegenwärtig begonnenen Versuchs"61. Diese Meinung will § 24 zwar dann nicht anwenden, wenn der Täter den Versuch abbricht, um den jetzt geschaffenen Zustand beim nächsten Versuch zu nutzen, etwa, wenn der Dieb den Einbruch um eine Nacht verschiebt und das Einbruchswerkzeug der Einfachheit halber an Ort und Stelle beläßt (Beispiel nach Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V C). Rücktritt soll aber dann möglich 59 RG JW 1935 2734; RGSt. 75 393; 72 349, 351; BGHSt. 7 296, 297; 21 319, 321; BGH GA 1968 279; BGH JZ 1979 764; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 38 ff; Bockelmann AT § 27 V 2; Kohlrausch-Lange § 46 Anm. VIII; Jescheck M D R 1955 563 und § 51 III 1 ; Busch LK 9 § 46 Rdn. 18; Wessels AT § 14 IV 4; Baumann AT § 34 II 1 a; Dreher-Tröndle Rdn. 5; Welzel§ 25 I 2 b; krit. Schmidhäuser Studienbuch 11/82 mit dem Argument, der Rücktritt werde durch dieses Erfordernis in einer den übrigen Voraussetzungen widersprechenden Weise mit moralischen Anforderungen versehen; zu diesem Aspekt vgl. auch MaurachGössel-Zipf AT 2 § 41 V C. 60 BGHSt. 21 319, 321 ; BGH NJW 1957 190; BGHSt. 7 296, 297; RGSt. 72 349, 351. 61 Allfeld Frank-Festgabe II S. 79; Heinitz 1R 1956 252; Lenckner Gallas-Feschrift S. 302; v. Liszt-Schmidt S.317; Maurach AT 4 §41 V Β 2; Mezger § 56 II 2; Blei AT §69 III 1; Schmidhäuser AT 15/81 ; Stratenwerth Rdn. 713 f; vgl. auch Rudolphi Rdn. 18, der auf die Motive des Täters abstellt; krit. dazu Jescheck § 51 III 1 Fußn. 24: „unlösbare Beweisschwierigkeiten" . (150)

Rücktritt (Vogler)

§24

sein, wenn sich der Täter weitere Akte vorbehält, die mit dem bereits begangenen Versuch keine „natürliche Handlung" bilden würden. Der Rücktritt sei nur dann ausgeschlossen, wenn die weiteren Akte mit dem zunächst begangenen Versuch in so engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen, daß beide sich als Einheit darstellen (Lenc/cner-Gallas-Festschrift S. 303 f mit weit. Nachw.). § 24 gebietet statt dieser Extrempositionen eine vermittelnde A u f f a s s u n g 6 2 . Das 79 Gesetz verlangt zur Straflosigkeit die Aufgabe der weiteren Ausführung der Tat und nicht die Aufgabe jeder deliktischen Absicht. Es kommt entscheidend darauf an, daß der Täter von der Tat, wie sie durch die Art des Tatobjekts und der geplanten Ausführungsweise gekennzeichnet ist, Abstand nimmt (Küper JZ 1979 779). Zwar mag die Fortdauer des Vorsatzes, das gleiche Objekt mittels einer qualitativ abweichenden selbständigen Handlung demnächst anzugreifen, eine rechtsfeindliche Gesinnung offenbaren (Küper JZ 1979 779). Doch wird dadurch ein Rücktritt von der bisherigen Tat nicht unmöglich. Die Fortdauer des Vorsatzes schließt das Privileg nicht aus 6 3. Weitere Erfordernisse sind nicht aufzustellen und zwar zum einen schon deshalb, weil sich die Forderung nach Aufgabe jeder weiteren Tatabsicht schon aus Beweisgründen nicht praktizieren läßt (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39), zum anderen, weil es nicht um die Moral oder allgemeine Gesinnung des Täters geht. Eine Unterstützung der verbrecherischen Berechnung und des verwerflichen Wagemuts des Täters liegt darin nicht (so aber Busch LK 9 § 46 Rdn. 18). Es würde sich auch rücktrittshemmend auswirken, bei weiteren Realisierungsvorhaben die Strafbefreiung zu verwehren (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39). Eine Tataufgabe ist deshalb auch dann zu bejahen, wenn der Täter von der wei- 80 teren Ausführung seiner geplanten Tat nur deshalb endgültig Abstand nimmt, um später eine andere Tat zu begehen (Küper JZ 1979 779). Auch der Umstand, daß der Täter sich vorbehält, die Tat irgendwann bei geeigneter Gelegenheit doch noch durchzuführen, steht einem Rücktritt nicht entgegen, und zwar selbst dann nicht, wenn Angriffsobjekt und Verwirklichungsmodalität nach der Tätervorstellung gleichbleiben sollen, da dann der Entschluß erst wieder neu gefaßt werden muß, wenn sich die Gelegenheit ergibt (vgl. Jescheck § 51 III 1 Anm. 24; Küper JZ 1979 780). Mehrere, auf denselben Erfolg gerichtete Versuchshandlungen können in Fort- 81 setzungszusammenhang stehen, wenn der Täter für den Fall des Fehlschlagens des ersten Versuchs den Willen hat, weitere Versuche zur Herbeiführung des beabsichtigten Erfolgs zu unternehmen. Der Entschluß, die Tat fortzusetzen, faßt alle Versuchshandlungen zu einem unbeendeten Versuch zusammen, von dem der Täter zurücktritt, wenn er schließlich die Fortführung des Versuchs aufgibt. Sieht der Täter bei einer mit dem notwendigen Gesamtvorsatz vorgenommenen Tat nur von einer Einzelhandlung ab, um sein Ziel auf ähnliche, bereits in seinen Vorsatz aufgenommene Weise weiterzuverfolgen, scheidet Rücktritt aus (BGH NJW 1957 190; ferner RGSt. 72 349, 351). Nur der Rücktritt vom letzten Akt wirkt auf die vorigen zurück, wenn Fortsetzungszusammenhang vorlag 6 4 . 62

So auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 39; Jescheck § 51 II 3 c und Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 V C . 63 OLG Bamberg HESt. 2 193; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V C ; vgl. auch Sch.-SchröderEser Rdn. 39 f, der „Abstand nehmen von dem versuchten und einem etwaigen äquivalenten Angriff auf das gleiche Tatobjket" verlangt. 64 BGHSt. 21 319; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 V C; a. A. RGSt. 68 306, 308; 39 220; BGH bei Dallinger M D R 1956 394 für beendete Versuche; vgl. dazu Hruschka JZ 1969 495, 498. (151)

§24

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2. Abschnitt. Die Tat

b) Freiwilligkeit aa) In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, daß der Täter den Verbrechensentschluß freiwillig aufgibt. Die Frage der Freiwilligkeit stellt sich jedoch nur, wenn der Versuch nicht fehlgeschlagen ist. Ist die Tat nach der Vorstellung des Täters unmöglich geworden oder hat sie für ihn keinen Sinn mehr, dann liegt gar kein Rücktritt, sondern fehlgeschlagener Versuch v o r 6 5 . § 46 Nr. 1 a. F. umschrieb die Freiwilligkeit mit den Worten, der Täter dürfe an der Ausführung nicht durch Umstände gehindert worden sein, welche von seinem Willen unabhängig waren. Die frühere Fassung ist als unklar kritisiert worden, weil sie, statt auf die Möglichkeit freier Entschließung, auf die sie hervorrufenden Umstände abzustellen schien. Gemeint waren jedoch nur diejenigen Umstände, welche den Entschluß beeinflussen und als frei oder als erzwungen kennzeichnen (Busch LK 9 § 46 Rdn. 19). In diesem Sinne hat die frühere Umschreibung der Freiwilligkeit auch heute noch Bedeutung, da mit der neuen Gesetzesfassung keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine knappere Formulierung bezweckt worden ist (vgl. E 1962 Begr. S. 145).

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Nach welchen Kriterien das Merkmal der Freiwilligkeit zu beurteilen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Die Diskussion der letzten Jahre ist ausgelöst worden durch die Entscheidungen BGHSt. 7 296 und BGHSt. 9 48. In BGHSt. 7 296 hatte der Täter von einem Vergewaltigungsversuch Abstand genommen, weil das Opfer ihm die freiwillige Hingabe in Aussicht gestellt hatte, in BGHSt. 9 48, weil ihn die Überfallene Frau entgegen seinen Erwartungen kannte (vgl. dazu unten Rdn. 105). Die Meinungsvielfalt erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß die inhaltliche Bestimmung des Begriffs „freiwillig" schon vom Grundsatz her auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen kann. Zum einen ist eine psychologische, zum anderen eine normative Betrachtungsweise möglich 653 . 84 Bei einer psychologischen Betrachtungsweise wird unter Außerachtlassung der ethischen Qualität des Rücktrittsmotivs danach differenziert, ob das Motiv einen solchen Einfluß auf den Täter hatte, daß dieser nicht mehr „frei" wählen konnte. Der Rücktritt ist danach unfreiwillig bei einer den freien Willen ausschließenden Kraft des psychologischen Drucks 6 6 . Demgegenüber sieht die normative Betrachtungsweise in der Freiwillikgeit ein reines Wertungsproblem; entscheidend sei die Beurteilung der inneren Einstellung des Zurücktretenden. Diese Lehre gewinnt zunehmen größere Anhängerschaft, wobei allerdings unterschiedliche Beurteilungskriterien als maßgebend erachtet werden. Beispielsweise stellt Ulsenheimer (S. 314 f) darauf ab, ob der Rücktritt Ausdruck einer rechtstreuen Gesinnung ist; Roxin67 will danach differenzieren, ob der Rücktritt Ausdruck eines — worauf auch immer beruhenden — Willens zur Rückkehr in die Legalität ( = freiwillig) oder eines nach den Normen des Verbrecherhandwerks lediglich zweckdienlichen Verhaltens 65

Vgl. Jescheck § 51 III 2 mit dem Hinweis, daß die Rechtsprechung allerdings vielfach anders verfahrt, z. B. RGSt. 39 37, 38; 65 145, 149; 70 1, 3; RG JW 1935 2734; BGHSt. 4 56, 59; 9 48, 53; 13 156; 20 279 mit krit. Anm. Lackner JR 1966 105. 65a Vgl. Bockelmann Untersuchungen S. 183; krit. zu dieser Differenzierung Schmidhäuser Studienbuch 11/86: Der Begriff von Freiwilligkeit muß zugleich psychologisch und normativ sein. 66 Diese Lehre wird vertreten von Busch LK9 § 46 Rdn. 19 ff; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V Β 2; Kohlrausch-Lange § 46 Anm. VII; Mezger § 56 II 1; Heinitz JR 1956 248 ff; Dohna ZStW 59 (1940) 544 ff; krit. dazu Bockelmann Untersuchungen S. 171 ff und insbesondere Roxin Heinitz-Festschrift S. 252, nach dem die psychologische Theorie undurchführbar ist. 67 Kriminalpolitik2 S. 37; ZStW 77 (1965) 96 f und Heinitz-Festschrift S. 256; vgl. auch Rudolphi SK Rdn. 25 ; v. Scheurl S. 59 ff.

Rücktritt (Vogler)

§24

( = unfreiwillig) ist68. Bockelmann69 will über die Freiwilligkeit die „sittliche Qualität des Antriebs" entscheiden lassen 70 . Der Auffassung, die die Freiwilligkeit als reine Wertungsfrage begreift, ist zuzu- 85 geben, daß der von der h. M. verwendete Begriff des „freien Willens" kein psychologischer Begriff ist, sondern auf einer sittlichen Konzeption beruht (vgl. Sch.Schröder-Eser Rdn. 43 mit weit. Nachw.). Der psychologischen Betrachtungsweise wird ferner entgegengehalten, daß sie bei konsequenter Durchführung zu ungereimten, mit der ratio des Rücktrittsprinzips unvereinbaren Ergebnissen führen könne (Roxin Heinitz-Festschrift S. 256; UlsenheimerS. 297 ff). Gleichwohl kann die Konzeption der h. M. zugrundegelegt werden, allerdings 86 unter der Voraussetzung, daß man nicht so sehr deren psychologisierenden Aspekt herausstellt, sondern zwischen autonomen und heteronomen Motiven als Maßstab für das Freiwilligkeitskriterium differenziert und auf diese Weise die psychologische Deutung des Begriffs der Freiwilligkeit mit den kriminalpolitischen Erfordernissen möglichst gerecht auszugleichen versucht 71 . Während autonome Motive den Täter entlasten, belasten ihn die heteronomen. Freiwillig handelt derjenige, der sich durch autonome Motive zum Rücktritt entschließt, also in freier Selbstbestimmung von seinem verbrecherischen Tun Abstand nimmt. Unfreiwillig hingegen handelt derjenige, der durch heteronome Motive „fremdbestimmt" die Tat aufgibt (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V Β 2), weil er sie unter den gegebenen Umständen zwar noch für vollendbar hält, aber der „Willensruck", mit dem der Tatentschluß endgültig gefallen ist (vgl. dazu § 22 Rdn. 14), angesichts der Sachlage paralysiert wird. Ist dem Rücktritt ein autonomes Motiv zu eigen, ist er verdienstlich und zeigt die rechtstreue Gesinnung des Zurücktretenden^. Bei einem durch heteronome Motive ausgelösten Rücktritt ist das nicht der Fall. Zur Bestimmung der Freiwilligkeit kann deshalb als grobe Faustregel die 87 Frank'sche Formel (Frank § 46 Anm. II) des autonomen, selbstgesetzten Motivs herangezogen werden: Danach handelt freiwillig, wer sich sagt: „Ich will nicht zum Ziel kommen, selbst wenn ich es könnte" ; unfreiwillig, wenn sich der Täter eingestehen muß: „Ich kann nicht zum Ziel kommen, selbst wenn ich es w o l l t e " 7 3 . Gegen 68

Krit. dazu Schmidhäuser Studienbuch 11/84, nach dem eine in höchstem Maße individualisierende Betrachtung erforderlich sei, die ein objektivierender Maßstab nur verzerren könne. 69 DR 1942 432, Untersuchungen S. 164, NJW 1955 1421 und AT § 27 V 4. 70 Vgl. auch Otto GA 1967 144, 152: Unfreiwilligkeit liege vor, wenn der Täter zurücktritt, weil sein verbrecherischer Wunsch keine genügende Befriedigung findet; vgl. auch Gutmann S. 148 ff und Salm S. 173 ff. 71 So im Grundsatz bereits Frank § 46 Anm. II; ebenso auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 43; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V Β 2; Lackner Anm. 3 b; Hassemer S. 245; krit. Schmidhäuser Studienbuch 11/86, nach dem mit der Formel von der Autonomie und Heteronomie, die in der Ethik die Eigengesetzgebung im sittlichen Bewußtsein bzw. die Fremdbestimmung bezeichne, für das Strafrecht nichts gewonnen werde. Vgl. auch Bottke JR 1980 443, der die psychologische Lehre durch eine normative Freiwilligkeitstheorie ersetzen will. 72 Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 43 und Eser II Fall 32 Anm. 33 ff; Walter S. 67, der von hinreichender Normbefolgungsbereitschaft spricht. 73 Busch LK9 § 46 Rdn. 20 ff; Maurach-Gössel-Zipf ΑΎ 2 § 41 V Β 2; Dreher-Tröndle Rdn. 6; krit. zu der Formel Roxin Heinitz-Festschrift S. 254 (Formulierungsversuch am untauglichen Objekt) und JuS 1981 2; Schmidhäuser Studienbuch 11/85 (dürftiger Behelf) und Jescheck § 51 III 2. Die Kritik ist insoweit berechtigt, als sie darauf hinweist, daß in den Fällen der 2. Alternative bereits ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. (153)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

sie wird eingewandt, sie sei zu weit, da in manchen Fällen die Möglichkeit der Tatvollendung an sich noch bestehe, der Täter praktisch aber keine andere Wahl als die der Aufgabe habe und somit nicht freiwillig zurücktrete 74 . Die Schwierigkeiten, die daraus erwachsen, daß die Deutung des Begriffs der Freiwilligkeit mit kriminalpolitischen Erfordernissen möglichst gerecht auszugleichen ist, lassen sich dadurch ausräumen, daß man die anderen Definitionen bzw. Begriffsbestimmungen der Freiwilligkeit ergänzend heranzieht^. So kann ζ. B. die Erkenntnis, daß die Vollendung der Tat so schwerwiegende Nachteile zur Folge hätte, daß der Täter sie vernünftigerweise nicht in Kauf nehmen konnte (BGHSt. 9 48, 52 f : Rücktritt vom Notzuchtsversuch, weil das Opfer den Täter erkannt hat), ein Indiz für Unfreiwilligkeit sein, weil Bedenken, denen sich der Täter verständigerweise nicht verschließen kann, einer Zwangsmotivierung gleichkommen. 88

bb) Freiwillig ist der Entschluß, wenn der Täter, von seinem Vorhaben aus betrachtet, es noch für erreichbar hält, aber aufgrund innerer Motive nicht mehr erreichen will. Der Rücktritt darf nicht durch zwingende Hinderungsgründe veranlaßt, sondern muß aus einem autonomen (selbstgesetzten) Motiv erwachsen s e i n 7 6 . Voraussetzung dafür ist, daß der Täter noch Herr seiner Entschlüsse bleibt, also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert wird, noch durch seelischen Druck unfähig ist, die Tat zu vollbringen (vgl. dazu unten Rdn. 92). Maßgebend für diese Beurteilung ist ausschließlich der Standpunkt des Täters. Auf die objektive Durchführbarkeit des verbrecherischen Planes kommt es nicht an, sondern auf die persönliche Auffassung, die sich der Täter über seine Erfolgschance gebildet hat 77 . Deshalb ist auch ein Rücktritt vom untauglichen Versuch möglich, wenn der Täter von der Tauglichkeit überzeugt ist und demzufolge glaubt, das Delikt noch vollenden zu können; ebenso ein Rücktritt vom objektiv fehlgeschlagenen Versuch (vgl. unten Rdn. 132). Gelangt dagegen der Täter zu der Überzeugung, daß die Vollendung der Tat unmöglich geworden ist oder für ihn keinen Sinn mehr hat, liegt fehlgeschlagener Versuch vor; die Frage der Freiwilligkeit ist dann gar nicht mehr zu erörtern (vgl. oben Rdn. 24 f)·

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Der Anstoß zur Willensbildung kann von innen kommen (Gewissensregung, Scham, Reue, Erregung, bessere Einsicht, fehlender Mut), aber auch von außen (Störung, Entdeckung, Erkanntwerden). Der äußere Anstoß wirkt auf die Willensbildung zurück; seine Stärke und die daraus entstehende Motivation sind entscheidend. Nicht auf die Art des Impulses oder Motivs kommt es an, sondern auf seine Wirkung in der Vorstellung des Täters. Erreicht sie einen Grad, der den ursprüngli-

74 Vgl. Heinitz J R 1956 249; Schröder MOR 1956 323; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44. 75 Ebenso Maurach-Gössel-Zipf A T 2 § 41 V Β 2 b ; vgl. auch Schmidhäuser Studienbuch 11/ 86 f, nach dem nichts anderes übrig bleibt, als durch Beispiele das Gemeinte zu verdeutlichen. 76 Vgl. RGSt. 35 102; 37 402, 404; 61 115, 117; B G H G A 1968 279; Hanseat. O L G M D R 1961 414; Baumann § 34 II 1 a ; Heinitz J R 1956 251 ; Busch LK 9 § 46 Rdn. 20 f; Maurach AT 4 § 41 V Β 1 ; Blei AT § 69 III 1 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 56; Dreher-Tröndle Rdn. 8; Lackner Anm. 3 b ; RudolphiSK Rdn. 25; UlsenheimerS. 314. 77 RGSt. 37 402; 68 82 f; 70 1, 2; 75 394; BGHSt. 4 56 mit Anm. Oehler J Z 1953 561 f; BGHSt. 13 156 f mit Anm. Fränkel LM § 46 Nr. 14; Gutmann S. 226; Maurach-GösselZipf AT 2 § 41 V Β 2 a. (154)

Rücktritt (Vogler)

§24

chen Willensruck des Täters paralysiert, so liegt Unfreiwilligkeit vor, sonst stets Freiwilligkeit 78 . Der sittliche Wert oder die sittliche Motivation des Entschlusses ist entgegen ge- 90 wissen Ethisierungsneigungen nach dem Gesetz ohne Bedeutung; das Motiv braucht nicht ehtisch wertvoll zu sein, Gewissensbedenken sind nicht erforderlich 7 ^ auch auf Reue kommt es nicht an 7 9a. Die Forderung einer weitergespannten „Normbefolgungsbereitschaft" als Voraussetzung für die Freiwilligkeit des RücktrittsSO läßt sich dem Gesetz ebenfalls nicht entnehmen. Sie kommt einem Moralisieren gleich, das der ratio der Rücktrittsvorschrift zuwiderläuft 81 . Freiwilligkeit liegt ζ. B. vor, wenn der Täter von Reue gepackt wird, einem Ap- 91 pell des Opfers nachgibt oder aus Mutlosigkeit von der weiteren Tatausführung absieht 82 . Furcht vor Strafe schließt die Freiwilligkeit nicht zwangsläufig aus (vgl. RGSt. 47 78; 57 316 und unten Rdn. 102). Auch der Rücktritt aus Gewissensgründen ist freiwillig (RGSt. 14 19, 22: von seinem Gewissen gedrückt, also freiwillig, jedenfalls an dem Beharren auf den anfangs gemachten falschen Aussagen, nicht durch Umstände, die von seinem Willen unabhängig waren, gehindert, gab der Zeuge es auf ...), ebenso der aus Schamgefühl (RGSt. 47 74, 79). Der Rücktritt kann auch dann noch freiwillig erfolgen, wenn der Täter erst überredet werden mußte 8 3; beispielsweise durch eindringliche Vorhalte des Mittäters 84 . Ebenso liegt freiwilliger Rücktritt vor, wenn das Eingreifen eines Beteiligten lediglich bewirkt, daß der Täter zur Besinnung kommt und aus den mit den Worten des Beteiligten angesprochenen Erwägungen (ζ. B. „Hör auf, laß' den Scheiß") von seinem Opfer

78 BGH St. 7 296, 299: freiwilliger Rücktritt vom Notzuchtsversuch im Hinblick auf das Versprechen späterer Hingabe mit zust. Anm. Jescheck M D R 1955 563 ; a. A. Roxin HeinitzFestschrift S. 258; Bockelmann Untersuchungen S. 165, 183 f; Roxin ZStW 77 (1965) 98; Otto G A 1967 152; RGSt. 75 393, 395 mit zust. Anm. Bockelmann DR 1942 432; vgl. dazu auch Stratenwerth Rdn. 768, nach dem der Streit um Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit eine „Scheinkontroverse" sei, weil der Täter, sofern er vorhabe, auch später notfalls Gewalt anzuwenden, überhaupt noch nicht zurückgetreten sei. 79 BGHSt. 9 48; 7 296; BGH NJW 1980 602 jeweils mit weit. Nachw.; RGSt. 55 66 f; 54 326 f; 47 74; 37 402, 404; 24 222 f; Dreher-Tröndle Rdn. 6; Schmidhäuser Studienbuch 11/87. 79a RGSt. 61 115, 117; Walter S. 33f mit weit. Nachw.; a. A. Bockelmann NJW 1955 1417, 1421, der die Begründung der herrschenden Freiwilligkeitslehre verwirft und die Wirksamkeit des Rücktritts entscheidend von der „sittlichen Qualität der Antriebe zum Rücktritt" abhängig machen will und „nach der moralischen Qualität der Rücktrittsmotive" entscheiden will; ebenso Sauer Allgemeine Strafrechtslehre S. 116; Giffhorn Freiwilligkeit S. 107. 80 So Walter GA 1981 408 ff; vgl. auch Bottke JR 1980 441 ff. 81 Vgl. Schmidhäuser 15/87, aber auch Rudolphi SK Rdn. 25, nach dem unter normativen Aspekten und im Hinblick auf die ratio von Freiwilligkeit nur dann die Rede sein kann, wenn die Rücktrittsmotive den Schluß auf eine Rückkehr zur Legalität und damit eine „rechtstreue Gesinnung" zeigen. 82 Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44; BGH M D R 1952 530; a. A. RGSt. 68 238 mit Anm. Schaffstein JW 1934 2237. 83 BGH bei Daliinger M D R 1969 532; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 56; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D 3. 84 BGHSt. 21 319, 321: Der Beteiligte weist den Täter darauf hin, daß es verhängnisvoll wäre, ausgerechnet in der Bewährungszeit wieder straffällig zu werden. (155)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

abläßt; daß der Anstoß von außen (dazu oben Rdn. 89 und BGH StV 1982 259) kommt, steht dem freiwilligen Rücktritt nicht notwendigerweise entgegen 85 . 92

Bei Schreck hat die Rechtsprechung differenziert. Der BGH hat (BGH bei Dallinger MDR 1952 530, 531) bei einem Täter, der von einem Tötungsversuch zurückgetreten war, weil ihm nach mehreren Beilschlägen auf den Kopf des Opfers beim Anblick des bewußtlosen, blutüberströmten Mädchens die Folgen seiner Tat zum Bewußtsein gekommen waren, Freiwilligkeit bejaht (vgl. auch BGH GA 1977 75 f); ebenso bei einem Tötungsversuch, bei dem der Anblick der verletzten Frau „zu viel" für den Täter war, „er konnte einfach nicht mehr; er wollte nicht mehr, daß die Frau im Keller verblutete" (BGHSt. 21 216, 217). Demgegenüber hat das Reichsgericht einen Rücktritt als unfreiwillig angesehen, der darauf beruhte, daß ein Räuber vor Schreck den Mut verlor, als er sah, wie das von ihm niedergeschlagene Opfer zusammenbrach (RGSt. 68 238; ebenso BGH bei Dallinger MDR 1958 12 in einem ähnlichen Fall). Die Grenze zwischen schockbedingten „inneren Hemmungen" und seelichen Erschütterungen (vgl. dazu BGH 3 StR 284/82 v. 27. 8. 1982) verläuft dort, wo der Täter nicht mehr Herr seiner Entschlüsse Ist86.

93

Der Freiwilligkeit des Rücktritts steht nicht entgegen, daß der Täter sich in einem Rausch befand, der seine Zurechnungsfähigkeit ausschloß, denn freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung kann auch mit natürlichem Vorsatz geschehen (BGHSt. 23 356; BGH bei Dallinger MDR 1971 362 mit zust. Anm. Ranft MDR 1972 737 ff), ebenso nicht, daß sich der Täter im Affektstau befand und nach Affektentladung die Tat aufgibt (BGH bei Dallinger MDR 1975 541 ; Lackner Anm. 3 b aa).

94

cc) Der Rücktritt ist unfreiwillig, wenn der Täter durch heteronome Gründe zum Aufgeben bestimmt wurde (Schröder MDR 1956 323). Dies kann darauf beruhen, daß die Tatausführung zwar objektiv noch möglich ist, aber in der Person des Täters unüberwindbare Hemmnisse eintreten, der Täter sich einer wesentlich geänderten Sachlage gegenübersieht, insbesondere eine nachträgliche Risikoerhöhung eintritt oder der Täter die Entdeckung der Tat befürchtet. Bei Unmöglichkeit der Tatausführung stellt sich die Frage der Freiwilligkeit regelmäßig nicht, weil bereits ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt (vgl. oben Rdn. 27 ff)·

95

Unfreiwilliger Rücktritt wird bejaht, wenn der Täter infolge eines Schocks nicht weiterhandeln kann (BGH bei Dallinger MDR 1958 12; BGH GA 1977 75). Nach der Rechtsprechung liegt Unfreiwilligkeit auch dann vor, wenn bei einer Vergewaltigung der Täter durch besondere Umstände in einem solchen Schock- bzw. Angstzustand geraten ist, daß dadurch sein Triebverlangen beseitigt wurde 8 7 . Ebenfalls unfreiwillig ist der Rücktritt, wenn emotionaler Zwang den Täter unfähig macht,

85 Vgl. BGH 5 StR 791/81 v. 19. 1. 1982; BGHSt. 7 296, 299; RG HRR 1931 1491: Anstoß zum Rücktritt durch Zureden des Opfers; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 44. 86 Vgl. BGH GA 1977 75 f; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V Β 2 c; krit. dazu Roxin Heinitz-Festschrift S. 266, nach dem die psychologische Lösung bei rein inneren Rücktrittsmotiven versagt, weil sie keine rational kontrollierbaren Ergebnisse liefere. Nach ihm ist der Rücktritt stets als freiwillig anzusehen, wenn er auf seelischer Erschütterung beruht. 87 BGH bei Dallinger MDR 1971 363; BGHSt. 9 48, 53; vgl. aber auch BGHSt. 20 279, 280 mit dem zutreffenden Hinweis, daß dem Zurücktretenden nicht aus bei ihm eingetretenen physischen Gründen die Fortführung des Vorhabens unmöglich geworden sein darf. D a n n liegt fehlgeschlagener Versuch v o r ; vgl. o b e n R d n . 28. (156)

Rücktritt (Vogler)

§24

die Tat durchzuführen; dabei kommt es jeweils auf den Grad des Einflusses an, den der äußere Umstand auf die Entschlußfassung des Täters ausübt (BGHSt. 21 216). Unfreiwilligkeit wegen psychischen Unvermögens ist nur anzunehmen, wenn beim Täter innere Hemmungen solcher Art auftreten, die für ihn einen zwingenden Grund darstellen, von der Vollendung der Tat abzusehen (vgl. bereits oben Rdn. 88, 92). Dabei schließt aber nicht allein eine psychische Lähmung, die eine gänzliche Handlungsunfähigkeit in Richtung des vorher erstrebten Verbrechenserfolgs herbeiführt, einen freiwilligen Rücktritt aus (vgl. BGHSt. 9 48, 50, 51). Entscheidend ist, ob der Täter einen Umstand als ein für ihn zwingendes Hindernis hält (DreherTröndle Rdn. 6) oder ob er noch Herr seiner Entschlüsse bleibt (BGH GA 1977 75, 76 mit weit. Nachw.). Warum der Täter diese Überzeugung gewinnt und ob sie zutrifft, ist gleichgültig. Wie es sich wirklich verhält, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Unfreiwillig tritt auch zurück, wer die Durchführung unterläßt, weil die bisheri- 96 gen Versuche wirkungslos waren (RGSt. 52 181 f); ebenso handelt der Täter unfreiwillig, wenn er das Mißlingen seines Planes durch äußere Vorgänge befürchtet, ζ. B. durch Verlegung des Fluchtweges (RG DJ 1938 596; a. A. Maurach4 § 41 V Β 1). Ob der Täter die Durchführung für ausgeschlossen hält, wobei es nur auf seine 97 eigenen Kräfte und Möglichkeiten ankommt, ist Tatfrage: Kann eine Schwangere das widerliche Abtreibungsmittel nicht hinunterbringen, so tritt sie nicht zurück, sondern verzichtet unfreiwillig auf die Tat, könnte sie sich noch überwinden, liegt Freiwilligkeit vor (RGSt. 35 102). Entfernt sie den eingeführten Katheder wegen unerträglicher Schmerzen, ist Unfreiwilligkeit gegeben, ist sie nur wehleidig, liegt Freiwilligkeit vor (Busch LK 9 § 46 Rdn. 21). Läßt sich nicht feststellen, ob der Täter annahm, die Tat sei undurchführbar, muß zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, daß er die Tat, so wie sie geplant war, nicht mehr ausführen wollte, obwohl er ihre Ausführung durchaus noch für möglich hielt; deshalb ist freiwilliger Rücktritt anzunehmen (BGH NJW 1980 602). Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zugunsten des Täters zu lösen (Lackner Anm. 3 b aa; BGH 3 StR 284/82 v. 27. 8. 1982). Läßt sich nicht aufklären, aus welchen Gründen der Täter zurückgetreten ist, würde aber jeder der denkbaren Motive zur Unfreiwilligkeit führen, erfolgt der Rücktritt unfreiwillig (BGH bei Dallinger MDR 1966 892). Die Unfreiwilligkeit kann auch darauf beruhen, daß sich der Täter einer wesent- 98 lieh geänderten Sachlage gegenübersieht (vgl. BGH GA 1966 209; BGH bei Daliinger MDR 1966 892) ; er hält zwar die Vollendung noch für möglich, den Endzweck der Tat aber — zutreffend oder irrtümlich — für unerreichbar oder mit erheblichen Nachteilen verbunden, so daß sich die Durchführung für ihn nicht mehr lohnt (zur engen Verwandtschaft mit der Fallgruppe des fehlgeschlagenen Versuchs bei sinnlos gewordenem Tatplan vgl. oben Rdn. 30 f). Der Täter sieht ζ. B. vom Abschluß eines betrügerischen Vertrages ab, weil er bestimmte, für ihn wichtige Rechte nicht zugestanden bekommt (BGH GA 1956 355). Unfreiwilliger Rücktritt ist auch dann anzunehmen, wenn der Täter vom Betrugsversuch nur deshalb zurücktritt, damit eine andere Vortat nicht aufgedeckt wird 88 . Auch dann, wenn der Täter von der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs absieht, weil die Frau wegen ihres Zustandes (Menses) dafür ungeeignet ist, tritt er nicht freiwillig zurück (BGHSt. 20 279; dazu krit. Lackner JR 1966 106). Unfreiwilligkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der

88 Walter G A 1981 403 ff; Sch.-Schröder-Eser 1980 602. (157)

Rdn. 56; Bottke JR 1980 442; a. A. BGH NJW

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Täter bereits in seinen Plan aufnimmt, im Falle des Auftauchens Dritter die Tat abzubrechen und die Flucht zu ergreifen, da er für diesen Fall nicht mehr in der Lage gewesen war, die Tat durchzuführen (BGH 2 StR 604/81 v. 4.12. 1981); ferner, wenn der Täter die gestellte Falle bemerkt (RGSt. 37 402). 99

In diesen Fällen entstehen unvorhergesehene erhebliche Hemmnisse, die regelmäßig von solchen Handlungen abhalten und die auch für den Täter bestimmend wirken, weil zunächst vorhandene entschlußbestimmende Faktoren wegfallen mit der Folge, daß das, was die Motivation ursprünglich bestimmt hat, nicht mehr existiert^. Wollte beipielsweise der Täter die Kinder „still und schmerzlos" töten und wachen diese auf, so ist sein Rücktritt unfreiwillig^. Ebenso beim negativen Ausfall einer Bedingung, von der der Täter die weitere Tatausführung abhängig gemacht hat: der Wachhund frißt die vergiftete Wurst nicht (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 48). Der Täter rechnet hier nicht mit einem absoluten Hindernis, wohl aber mit einer nur ihn und seine Zwecke störenden Behinderung durch Umstände, die von seinem Willen unabhängig sind. Auch hier kommt der Anstoß von außen, er löst Erwägungen über die Zweckmäßigkeit der Weiterführung aus. Dabei entscheidet die Stärke des Anstoßes und der entstehenden Bedenken; fallen sie so ausschlaggebend ins Gewicht, daß sich der Täter wohl oder übel zum Verzicht entschließt, so tritt er nicht freiwillig zurück. Er ist in seiner Entschließung nicht mehr frei, weil er sich den Bedenken verständigerweise nicht verschließen kann91. Praktisch steht diese Behinderung einer Zwangsmotivierung gleich.

100

Die Rechtsprechung hat die Sitaution wiederholt mit der Formel gekennzeichnet, der Umstand müsse derart auf die Willensrichtung des Täters eingewirkt haben, daß er nach der gewöhnlichen Lebensauffassung für ihn einen zwingenden Grund abgibt, von der Begehung Abstand zu nehmen^, im Schrifttum wird vielfach dagegen eingewendet, diese Rechtsprechung gehe irrig davon aus, daß es Beweggründe gebe, die seelisch zwingend seien; der Täter habe nur dann keine freie Wahl, wenn Zwang jede Willenstätigkeit ausschließe, also nicht als Beweggrund, sondern als Ursache wirke; das sei nur bei völliger seelischer Lähmung der Fall; in allen übrigen Fällen handele der Täter nicht infolge Zwanges, sondern aufgrund von Beweggründen; diese nach ihrer Stärke abzustufen, sei willkürlich und verlange vom Tatrichter Feststellungen, zu denen er nicht in der Lage sei93. BGHSt. 9 48, 50 weist diese Einwände zurück; ein strafbefreiender Rücktritt werde nicht allein durch eine Zwangslage ausgeschlossen, die die Durchführung unmöglich mache und dem Täter überhaupt keinen Raum zu eigener Entschließung lasse; das Gesetz (§ 46 a. F.) verlange nur, daß der Täter durch die genannten Gründe nicht „gehindert" worden sei, die Tat auszuführen; an einem Tun „gehindert" könne er sich auch durch solche Umstände sehen, die ihm im Wege stehen, ohne dieses Tun unmöglich zu machen (ebenso BGHSt. 7 296, 299; Welzel § 25 I 1). Der „zwingende

89

90 91 92 93

Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 47, der den Gesichtspunkt „Wegfall der Geschäftsgrundlage" betont. LG Arnsberg NJW 1979 1420; krit. Sonnen JA 1980 160, dagegen wieder Sch.-SchröderEser Rdn. 47. Vgl. Heinitz JR 1956 251; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 47; vgl. auch OGH ÖJZ 1958 609; 1960 403; 1964 497. RGSt. 65 145,149; 58 296; 55 66 mit weit. Rechtsprechungsnachweisen; BGHSt. 21 216. Vgl. Welzel § 25 I 2 und Roxin Heinitz-Festschrift S. 252 f. (158)

Rücktritt (Vogler)

§24

Grund" oder „die zwingende Einwirkung" (RGSt. 47 74, 77) können Mißverständnisse begründen; gemeint ist ein unabweisbarer Grund i. S. des Verzichts auf das Zuendeführen der Handlung (RGSt. 75 393, 394). Auch hier genügt zur Unfreiwilligkeit die irrige Annahme eines hindernden Um- 101 standes. Ein eingebildetes Hindernis hat denselben Motivationswert wie ein erkanntes wirkliches Hindernis, denn der Irrtum nimmt dem Täter das Gefühl der freien Wahl (RGSt. 38 402, 403; 63 159; 75 393, 395). Andererseits muß die Vorstellung des Täters gerade sein konkretes Verhalten bestimmt haben, ohne daß es darauf ankommt, ob sich im Durchschnitt der Fälle andere Täter ebenso verhalten hätten. Weiß der Täter nicht, daß der Erfolg unmöglich eintreten kann, so ist der Rücktritt noch immer freiwillig, also auch beim untauglichen Versuch (RGSt. 68 82 f). Wirkt der Umstand als Anruf an die guten Regungen des Täters, so wird in der Regel eine freie Entschließung vorliegen, dagegen ist die Abstandnahme unfreiwillig, wenn ihm kein anderer vernünftiger Ausweg als der Rücktritt zu bleiben schien (RGSt. 75 393, 395; RG HRR 1931 1491). Dies gilt vor allem für die Überredung, ähnlich auch für Bedrohung (RG HRR 1939 1434: Die Ankündigung der Anzeige führt zum Rücktritt); die Überlistung durch das Opfer wird in der Regel Unfreiwilligkeit mit sich bringen, RGSt. 75 393, 395, jedoch nicht unbedingt, BGHSt. 7 295 f: zwecks Notzucht Überfallene verspricht zur Täuschung spätere freiwillige Hingabe. Furcht vor Strafe schließt für sich allein die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht 102 aus, sie beläßt dem Täter noch die freie Wahl (BGH MDR 1951 369; RGSt. 16 182; 37 402; 47 78; 58 296; 75 393, 396; ebenso Maurach AT 4 § 41 V Β 1). Die Unfreiwilligkeit des Rücktritts kann auch darauf beruhen, daß die Tataus- 103 führung ein vorher nicht erkanntes erhöhtes Risiko mit sich bringt. Bei nachträglicher Risikoerhöhung liegt Unfreiwilligkeit vor, wenn die eingetretenen Umstände bewirken, daß die an sich mögliche Tatfortführung erhebliche Nachteile mit sich bringt (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 49; anders Baumann § 34 II 1 a). Das gilt ζ. B. bei Erschwerungen am Tatort, ζ. B. plötzliches Angehen der Straßenbeleuchtung (vgl. dazu BGH bei Dallinger MDR 1954 334), Erscheinen von Kunden am Tatort des Überfalls (BGH GA 1980 25). Auch das bei einer Untersuchung festgestellte Abtreibungsrisiko kann eine die Freiwilligkeit ausschließende Veränderung der Sachlage sein, die zum unfreiwilligen Rücktritt führt, falls in der Untersuchung bereits ein Versuch liegt (BGH bei Dallinger MDR 1953 19). Unfreiwilligkeit ist nicht allein deswegen anzunehmen, weil während der Tatausführung notwendig wird, an anderer Stelle etwas zur Abwendung größerer Schäden zu unternehmen, ζ. B. der Einbrecher gibt den Diebstahl auf, um sein eigenes brennendes Haus zu löschen (so aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 49). Auch die Furcht vor alsbaldiger Entdeckung (dazu RGSt. 37 402 ff; 38 402 ff; 65 104 145, 149), die Strafanzeige und das Ermittlungsverfahren (RGSt. 15 44, 46) oder die infolge Entdeckung begründete Besorgnis des sicheren Eintritts der Straffolge können den entscheidenden Beweggrund für den Rücktritt bilden ; unbeschadet der tatsächlichen Möglichkeit der Weiterführung der Tat schließen solche Befürchtungen die Freiwilligkeit im allgemeinen aus. Wird der Täter gestört und fürchtet er, an der Tat gehindert oder erkannt zu wer- 105 den, so ist der Rücktritt unfreiwillig (RGSt. 16 182 f)· Es kommt hier darauf an, daß der Tatplan, wie er gedacht war, nunmehr undurchführbar erscheint, nicht darauf, daß sich der Täter etwa sagt, er könne die Tat trotz der Entdeckung vielleicht noch (159)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

erzwingen. BGHSt. 9 48: Der Täter wird von der Frau, gegen die er zum Notzuchtsversuch ansetzt, erkannt und namentlich angesprochen. Wenn er von seinem Vorhaben absieht, weil er die Gewißheit sieht, bei weiterem Handeln angezeigt und bestraft zu werden, so ist sein Rücktritt unfreiwillig. Ebenso, wenn er durch das unerwartete Erkanntwerden in einen solchen Schock geraten ist, daß dadurch sein Triebverlangen beseitigt wird (vgl. dazu bereits oben Rdn. 95). Schämte er sich jedoch, gerade die ihm bekannte Frau zu notzüchtigen und ließ er im wesentlichen aus diesem Grunde von ihr ab, so war er nicht in einer Lage, die ihn zwingend bestimmte und in der er verständigerweise keine andere Wahl treffen konnte (vgl. auch BGHSt. 21 216). 106

Obwohl das frühere Recht nur beim beendeten Versuch den Rücktritt davon abhängig machte, daß die Tat noch nicht entdeckt war, entsprach es einhelliger Auffassung, daß die Tatentdeckung auch beim unbeendeten Versuch zur Unfreiwilligkeit des Rücktritts führen konnte. Umstritten ist jedoch nach wie vor, worin die Entdeckung der Tat zu erblicken ist und welche Bedeutung sie für die Beurteilung der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit hat (vgl. dazu auch unten Rdn. 128 ff)·

107

Maßgebend ist die subjektive Vorstellung des Täters. Hält dieser seine Tat für entdeckt, kann freiwilliger Rücktritt auch dann ausscheiden, wenn diese Vorstellung nicht der Sachlage entspricht. Allerdings steht die Vorstellung des Täters, entdeckt zu sein, der Freiwilligkeit auch nur dann entgegen, wenn er vor Beginn des Rücktritts zu dieser Erkenntnis gelangt (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 53). Umgekehrt kann auch bei objektiver Entdeckung Freiwilligkeit dann bejaht werden, wenn der Täter glaubt, die Tat sei noch nicht entdeckt (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 50; Blei JA 1975 319).

108

Die Tat ist entdeckt, wenn ein anderer sie in ihren wesentlichen kriminellen Eigenschaften wahrgenommen hat und diese Erkenntnis ausreicht, entweder die Vollendung der Tat zu verhindern oder darauf ein strafrechtliches Verfahren zu gründen (RGSt. 38 402, 403 : Jemand entdeckt an der Rauchentwicklung in einem Zimmer den Brandstiftungsversuch; RGSt. 71 242, 243: Ein bei einem Giftmordversuch anwesendes Kind hat die Tat nur dann entdeckt, wenn es erkennt, daß ein Verbrechen im Gange ist; BGH NJW 1969 1073: Ein Giftmordversuch ist entdeckt, wenn der Ehemann von einem kleinen Kind erfährt, daß die Mutter ihm etwas eingegeben hat, und er daraus den richtigen Schluß zieht).

109

Die Entdeckung führt aber nicht zwangsläufig zum unfreiwilligen Rücktritt (vgl. Rudolphi SK Rdn. 29; BGH bei Dallinger MDR 1975 724); entscheidend ist vielmehr, welche Nachteile der Täter durch die Entdeckung befürchtet und wie sich dies auf seine Motivationslage auswirkt. Wird die Tat beispielsweise von Dritten entdeckt, von denen der Täter aufgrund persönlicher Beziehungen oder weil diese ihn nicht erkannt haben, keine ernsthaften Nachteile zu befürchten hat, kann noch Freiwilligkeit angenommen werden (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 51; Ulsenheimer S. 335 0· Droht dem Täter keinerlei Gefahr von dem Entdecker, wird ζ. B. der Einbrecher bei der Tat von einem anderen Dieb beobachtet, so schließt dies die Freiwilligkeit in der Regel nicht aus, da hier der Täter nichts zu befürchten hat (vgl. Gutmann S. 224; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 51). Das gilt auch bei der Entdeckung durch nahe Verwandte^. Entdeckung liegt nicht vor, wenn der Täter einen Dritten 94 Vgl. BGH NJW 1969 1073; BGH GA 1971 52; BGH bei Dallinger MDR 1972 751; OLG Hamm NJW 1963 1561. (160)

Rücktritt (Vogler)

§24

zur Rettung des Opfers einschaltet, da es sich insoweit um einen Teil der Erfolgsabwendung handelt (BGHSt. 11 324, 325). Zur Entdeckung durch das Tatopfer vgl. unten Rdn. 130. 2. Rücktritt vom beendeten Versuch (Absatz 1 Satz 1 2. Alt.) Beim beendeten Versuch (zur Abgrenzung vgl. oben Rdn. 32 ff) reicht zur Straf- 110 losigkeit die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß der Täter den Eintritt des zur Vollendung der Tat gehörenden Erfolges durch aktives Tun freiwillig abwendet. Damit kann der Zurücktretende nur unter drei Voraussetzungen Straffreiheit erlangen. a) Tätige Erfolgsabwendung Erforderlich ist, daß der Täter aktiv tätig wird, d. h. eine auf Erfolgsverhinde- 111 rung gerichtete Tätigkeit entfaltet und so die in Gang gesetzte Ursächlichkeit abbricht oder durch Hilfspersonen abbrechen läßt und den Erfolgseintritt auf diese Weise verhindert^. Passives Verhalten, bloßer Sinneswandel oder bloße Untätigkeit genügen grundsätzlich nicht 96 ; nur durch Tätigwerden kann der Täter den Ursachenablauf unterbrechen (RGSt. 38 402, 403 : Er löscht den Brandherd, bevor das Feuer selbständig brennt, er klärt den Getäuschten über den Betrug auf, RGSt. 15 44 f; vgl. auch RGSt. 39 220, 221 ; 57 278, 279). Der Täter muß den in Gang gesetzten Ursachen verlauf bewußt und gewollt un- 112 terbrechen (vgl. BGH bei Holtz MDR 1978 279); sein Verhalten muß Ausdruck des Willens sein, das Vorhaben abzubrechen (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59). Kein Rücktritt vom beendeten Versuch liegt deshalb vor, wenn der Täter versehentlich oder unwissentlich die Vollendung seiner Tat vereitelt (vgl. RGSt. 68 381 f; 63 158 f; Rudolphi SK Rdn. 27). Eine Handlung, die zwar vom Täter veranlaßt, aber nicht von seinem Willen getragen ist (RG HRR 1930 2183; Busch LK 9 §46 Rdn. 31), genügt nicht. Dagegen ist der Rücktritt nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Täter seinen Vorsatz ändert und die weiteren Akte sich gegen ein anderes Rechtsgut der angegriffenen Personen richten (vgl. OLG Bamberg HE 2 193 und oben Rdn. 79 f)· Eigene Tätigkeit bedeutet nicht notwendig unmittelbar persönliches Eingreifen, 112a sondern umfaßt jede Gegenwirkung, die auf den Willen des Täters zurückgeht. Deshalb genügt auch die Handlung eines Dritten97, sofern sie vom Täter veranlaßt ist. Unmittelbar eigenes Eingreifen würde u. U. nicht einmal ausreichen, um den Erfolg zu verhindern. Bei Verletzungen ζ. B. muß sich der Täter geschulter Hilfe, etwa des Arztes, b e d i e n e n 9 8 . Voraussetzung ist, daß der Dritte auf Initiative des Täters ein-

95 RGSt. 57 193 ff; 45 183, 186; 1 375 f; BGH bei Holtz MDR 1978 279. 96 RGSt. 57 193, 194; 39 220, 221 f; OLG Hamm NJW 1977 641; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59; a. A. OLG Karlsruhe NJW 1978 331 mit abl. Anm. Küper NJW 1978 956; Schroeder JuS 1978 824. 97 RGSt. 15 44, 46: Verhinderung der schädigenden Vermögensverfügung des Betrogenen durch einen Bevollmächtigten; BGH NJW 1973 632; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D 3; Schmidhäuser Studienbuch 11/92. 98 Vgl. BGH NJW 1973 632; RGSt. 19 394 f; 15 44 f; 1 375; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D 3 ; Busch LK 9 § 46 Rdn. 30. (161)

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2. Abschnitt. Die Tat

greift (Rudolphi S Κ Rdn. 27). In diesen Fällen trägt der Zurücktretende aber das Risiko dafür, daß das eingesetzte Hilfsmittel den Erfolg verhindert, beispielsweise der Arzt keinen Kunstfehler begeht (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 59). Hilfsperson ist auch, wer freiwillig oder aus eigenem Antrieb, aber mit Wissen und Billigung des Täters, der aus diesem Grund nicht selbst tätig wird, entgegenwirkt (Busch LK 9 § 46 Rdn. 30). Die Rechtsprechung (BGH bei Dallinger MDR 1972 751) verlangt in diesen Fällen, daß durch die Initiative des Täters nicht nur die Erfolgsabwendung verursacht wird, sondern darüber hinaus, daß sich die Initiative als ernstliches Bemühen darstellt. Daran soll es fehlen, wenn sich der Täter an einen Dritten mit der allgemein gehaltenen Aufforderung, „alles Notwendige zu veranlassen", begnügt. Dem wird zu Recht entgegengehalten, daß § 24 allein verlangt, daß der Erfolg verhindert wird99. Es kommt nicht darauf an, wie der Erfolg vom Täter verhindert wird, sondern nur, daß er ihn verhindert. Nur wenn dieses auf Vereitelung des Taterfolges abzielende Handeln des Täters für den Nichteintritt des Erfolgs nicht mehr ursächlich geworden ist, wenn also der Versuch — ohne daß es der Täter erkannt hat — bereits fehlgeschlagen war, kommt es darauf an, ob er sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung der Tat zu verhindern (BGH 4 StR 80/81 v. 19. 3. 1982). 112b

Bei den echten Unterlassungstaten führt bereits das Zuwiderhandeln zur Vollendung (vgl. oben vor § 22 Rdn. 63 ff), so daß ein Rücktritt des Täters durch freiwilliges Abbrechen des in Gang gesetzten Kausalgeschehens nicht möglich ist (Busch LK 9 §46 Rdn. 29; zum Sonderfall des § 138, der allerdings mangels Versuchsstrafbarkeit nur theoretische Bedeutung hat, vgl. oben vor § 22 Rdn. 65). Zum Sonderfall des Rücktritts vom unechten Unterlassungsdelikt vgl. unten Rdn. 142. b) Gelingen der Erfolgsabwendung

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aa) Da der Ursachenablauf beim beendeten Versuch — vom untauglichen und fehlgeschlagenen Versuch abgesehen — in Gang gesetzt worden ist, muß der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg abwenden. Das Rücktrittsbemühen des Täters muß erfolgreich sein. Erreicht der Täter die Erfolgsabwendung nicht, weil sein Vorgehen hierzu ungeeignet oder weil es unzulänglich ist, tritt der Erfolg also trotz seiner Bemühungen ein, so bleibt er aufgrund seines Erfolgsabwendungsrisikos strafbar (RG HRR 1936 638 ; Busch LK 9 § 46 Rdn. 31 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 61).

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Eine Erfolgsabwendung liegt auch nicht vor, wenn der Eintritt des Erfolgs durch eine vorübergehende Unterbrechnung des bereits auf den Erfolg in Gang gesetzten Ursachenverlaufs nur zeitlich hinausgezögert wird, so wenn der Zündungszeitpunkt bei einer Zeitbombe neu eingestellt wird, um die Gefährdung Dritter durch die Explosion zu vermeiden. Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich das wieder in Gang gesetzte Tatgeschehen als andere Tat darstellt. Hier sind die beim Aufgeben der Tat gültigen Grundsätze entsprechend anwendbar (vgl. dazu oben Rdn. 79 f).

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Wegen der grundsätzlichen Erfolgsabwendungsverpflichtung ist der Täter auch dann aus dem Vollendungstatbestand zu bestrafen, wenn der Erfolg deshalb eintritt, weil der Täter irrtümlich annimmt, sein Versuch sei fehlgeschlagen, und schon deshalb im Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolgs Maßnahmen unterläßt (RGSt. 55 105 f; RG LZ 1933 595; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 64). Ein derartiger Versuch ist 99

Rudolphi SK Rdn. 27; Grünwald Welzel-Feschrift S. 75 Anm. 38. (162)

Rücktritt (Vogler)

§24

zwar rücktrittsfähig, da Rücktritt nur bei objektivem und subjektivem Fehlschlag ausscheidet (vgl. unten Rdn. 132); das bloße Unterlassen genügt aber nicht. Zur Fallgruppe des mißlungenen Rücktritts vgl. unten Rdn. 148 ff. Strafbar wegen Tatvollendung bleibt der Täter auch, wenn er objektiv zu wenig 116 oder Ungeeignetes tut oder nicht mehr rechtzeitig tätig wird, aber (subjektiv) irrig meint, er habe den Erfolg bereits abgewendet und daraufhin nichts weiter unternimmt, da er grundsätzlich das Erfolgsabwendungsrisiko trägt. Die irrige Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. führt nicht zum Tatbestandsirrtum 1°°. Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn der wirkliche Kausalverlauf wesentlich von dem vom Täter vorgestellten abweicht und dem Täter der Erfolg deshalb nicht als vorsätzlich bewirkt zugerechet werden kann, ζ. B. Tod des lebensgefährlich vergifteten Opfers durch einen Unfall beim Transport ins Krankenhaus (Blei § 69 III 2 a; vgl. dazu auch § 22 Rdn. 127). In diesem Fall gilt § 24 Abs. 1 Satz 2, da es an einer dem Täter zurechenbaren vollendeten Tat fehlt (Rudolphi SK Rdn. 28). Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist dem Täter die Straffreiheit selbst dann zu 117 verwehren, wenn er durch außergewöhnliche Umstände, ζ. B. höhere Gewalt oder Dazwischentreten Dritter in den Kausalverlauf, gehindert wird, den Erfolg abzuwenden. Dieser harten Konsequenz ist jedenfalls dann zu begegnen, wenn die Erfolgsabwendungsbemühungen durch das Opfer selbst zunichte gemacht werden (vgl. Lenckner Gallas-Festschrift S. 292 ff; Baumann § 34 II 2 a). Dies läßt sich damit begründen, daß der Täter zwar das Risiko des Zufalls bis zur höheren Gewalt tragen soll, nicht aber für eine planmäßige Verhinderung durch den Verletzten einstehen muß (Schröder JuS 1962 82). Das Opfer zeigt durch sein Eingreifen in den Geschehensablauf, daß es den Erfolgseintritt billigt, mit der Folge, daß dieser dem Zurücktretenden nicht mehr zugerecht werden kann (vgl. oben § 22 Rdn. 127). Zu einer Straflosigkeit genügt deshalb das freiwillige und ernsthafte Bemühen um Tatverhinderung. Dieses Rücktrittsbemühen muß auch dann ausreichen, wenn das Opfer in die 118 Rechtsgutsverletzung nicht wirksam einwilligen kann, wie ζ. B. bei einer versuchten Tötung, bei der sich das Opfer weigert, zur Abwendung des Erfolgs ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch dann ist dem Täter in analoger Anwendung von § 24 Abs. 1 Satz 2 Straffreiheit zu gewähren 101 ; da der Täter durch sein ernsthaftes Bemühen um Erfolgsverhinderung seine Ungefährlichkeit und die Entbehrlichkeit der Bestrafung gezeigt hatl° 2 . Über diese Fälle hinaus, in denen die Erfolgsabwen100 Vgl. zu § 46 a. F. RGSt. 55 106; RG D R Z 1933 298; Busch LK 9 § 46 Rdn. 31. 101 Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 V D 5; Lenckner Gallas-Festschrift S. 292 ff ; Baumann AT § 3 4 II 2 a; Arzt G A 1964 1. 102 Nach Otto Maurach-Festschrift S. 99 (vgl. auch Jescheck AT § 28 IV 4) soll es schon am Zurechnungszusammenhang fehlen, weil die Steuerbarkeit des Geschehens dort ihre Grenze finde, wo eine Person in Kenntnis der Gefahrensituation den Vortäter bewußt von der Herrschaft über das Geschehen ausschließt; krit. dazu Lencker Gallas-Festschrift S. 292 Fußn. 32: mit der Beendigung des Versuchs habe der Täter selbst die Herrschaft über das Geschehen aus der Hand gegeben, es sei ihm lediglich nicht gelungen, sie nachher wieder zu erlangen. Die Kritik setzt unzulässigerweise die Beendigung des Versuchs mit dem Ende der Tatherrschaft gleich. Richtig ist zwar, daß das Opfer gerade das bewirkt, was der Täter ursprünglich wollte und er deshalb den Kausalverlauf nicht „verändert". Damit ist aber weder die Frage der Zurechnung noch die nach der Wirkung der Rücktrittsbemühungen präjudiziell. (163)

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2. Abschnitt. Die Tat

dungsbemühungen durch das Opfer selbst zunichte gemacht werden, ist die Ausnahme von der Haftung des Täters für das Vollendungsrisiko jedoch nicht auszudehnen. Die mit der h. L. auch hier vertretene Auffassung, daß der Zurücktretende grundsätzlich das Erfolgsabwendungsrisiko trägt (vgl. unten Rdn. 151), kann auch nicht mit dem Hinweis entkräftet werden, wenn der Erfolg schon während eines unbeendeten Versuchs eintrete, sei dem Täter die konkrete Erfolgseignung seines Verhaltens nicht bekannt, daher sei der erforderliche Vollendungsvorsatz nicht gegeben (so Schroeder LK § 16 Rdn. 34). Träfe dieser Einwand zu, so läge schon gar kein Versuch vor, denn bloßer Versuchsvorsatz ist kein Tatvorsatz i. S. des § 22 (vgl. oben § 22 Rdn. 5). Ein allgemeiner Grundsatz, daß die Strafe gemildert oder ganz von ihr abgesehen werden kann, wenn die Tat trotz Rücktrittsbemühungen des Täters vollendet wird, ist nicht anzuerkennen (Lenckner Gallas-Festschrift S. 294). 119

Nach Eser (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 63) soll der Haftungsausschluß für den Erfolg auch bei Fahrlässigkeitsdelikten gelten. Obgleich hier ein Versuch aus Gründen juristischer Logik ausscheidet (vgl. oben vor § 22 Rdn. 17), sei die Straffreiheit in den Fällen zu gewähren, in denen das von einer fahrlässigen Handlung des Täters betroffene Opfer die vom rücktrittswilligen Täter angebotene Hilfe zur Erfolgsabwendung zurückweist. Dem ist nur im Ergebnis, nicht in der Begründung zuzustimmen.

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bb) Die eigene Tätigkeit oder die einer Hilfsperson (vgl. oben Rdn. 113) muß für den Nichteintritt der Vollendung ursächlich sein. Der Täter verhindert die Vollendung der Tat, wenn er wissentlich eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens mitursächlich wird (BGH 4 StR 80/81 v. 19. 3.1981). Daß die Verhinderung der Vollendung daneben auf anderen, vom Willen des Täters unabhängigen Umständen beruht, schadet nicht. Bei einer nur mitursächlichen Verhinderung der Vollendung ist es gleichgültig, ob andere, weitergehende Möglichkeiten ungenutzt geblieben sind, die den Eintritt der Vollendung mit einer nach den Umständen größeren Sicherheit verhindert hätten (BGH StV 1981 540). Ebenso ist es ohne Belang, ob das Opfer möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt ohne das Zutun des Zurücktretenden hätte gefunden und ärztlich versorgt werden oder ob dieser noch mehr hätte tun könnenl03. Für die Feststellung, daß die Erfolgsverhinderung auf die Rücktrittstätigkeit zurückzuführen ist, genügt eine an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit. In den Fällen, in denen die Tatvollendung aus anderen Gründen als wegen des Rücktritts scheitert, ζ. B. weil der Versuch fehlgeschlagen oder untauglich ist oder der Eintritt des Erfolges durch selbständig handelnde Dritte verhindert wird, scheidet ein Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 1 aus. Hat jedoch der Täter vom Mißlingen der Tat keine Kenntnis, ist Raum für § 24 Abs. 1 Satz 2 (vgl. dazu unten Rdn. 132).

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Bleibt zweifelhaft, ob der Erfolg ohne Zutun des Zurücktretenden und ohne Zutun anderer tatsächlich eingetreten wäre, muß der Zurücktretende die „Vollendung verhindern" (§ 24 Abs. 1 Satz 1). Die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen des Täters und der wirklichen Sachlage ist für die rechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Wer damit rechnet oder auch nur für möglich hält, daß der tatbestandsmäßige Erfolg aufgrund seines tatbestandsmäßigen Handelns eintritt, muß auf Verhinderung der Tatvollendung gerichtete Tätigkeiten entfalten. Er hat in seiner Vorstel103 BGH 4 StR 665/79 v. 31. 1. 1980; BGH bei Holtz MDR 1980 453; BGH VRS 61 262; BGH 1 StR 813/81 v. 19. 1. 1981 ; BGH 4 StR 206/82 v. 24. 5. 1982. (164)

Rücktritt (Vogler)

§24

lung die Gefahr der Verwirklichung des tatbestandsmäßigen Erfolgs gesetzt. Infolgedessen muß er den Willen der Abstandnahme von der Tat durch Handlungen manifestieren, die auf Vereitelung der Tatvollendung abzielen und objektiv oder wenigstens aus seiner Sicht dazu ausreichen 104. Der Zurücktretende darf sich in diesem Fall nicht mit Maßnahmen begnügen, die, wie er erkennt, (möglicherweise) unzureichend sind, wenn ihm bessere Verhinderungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Solche Verhinderungsmöglichkeiten muß er ausschöpfen (BGH bei Holtz MDR 1978 985; Lackner Anm. 4 b). Er darf dem Zufall dort nicht Raum bieten, wo er ihn vermeiden kann. Tut er es, wendet er die Tatvollendung nicht durch seine Tätigkeit ab (vgl. RG HRR 1930 2182), da er das volle Risiko des Erfolgseintritts trägtl05. Entschließt sich daher der Täter, das von ihm verletzte Opfer mit dem Pkw zum 122 Krankenhaus zu bringen, genügt es nicht, wenn er bis auf etwa 95 m an einen Nebeneingang des Krankenhauses heranfährt, dort das Opfer aussteigen und allein in Richtung Krankenhaus gehen läßt und sich entfernt. In diesem Fall hat der Zurücktretende die von ihm gewählte, objektiv und aus seiner Sicht geeignete Verhinderungsmöglichkeit nicht ausgeschöpft (BGHSt. 31 46); der Täter hatte aus Gründen, die mit der von ihm für notwendig erachteten Erfolgsabwendung in keinem Zusammenhang standen, sein Bemühen vorzeitig abgebrochen und es dem Zufall überlassen, ob seine schwerverletzte, aus Kopfwunden blutende Frau das Krankenhaus allein oder mit fremder Hilfe erreicht und alsbald ärztliche Behandlung erfährt. Bei dieser Sachlage ist es gleichgültig, ob der Täter hoffte oder sogar darauf vertraute, daß „alles gut gehen" werde. Er hatte jedenfalls „anfängliche Zweifel", ob seine Frau das Krankenhaus erreichen würde. Er hätte ohne weiteres das von ihm erkannte Risiko und damit den Grund seines Zweifels vermeiden können. Weil er es nicht tat und es deshalb einer vom Angeklagten nicht veranlaßten Rettungshandlung eines Dritten bedurfte, hat er weder die objektiv gebotenen noch die aus seiner Sicht ausreichenden Bemühungen zur Erfolgsabwendung an den Tag gelegt. Daran ändert nichts der Umstand, daß der Angeklagte noch einmal umkehrte, um sich zu vergewissern, ob seine Frau das Krankenhaus erreicht hat. In diesem Vergewissern lag kein Zuendeführen (Ausschöpfen) der Verhinderungsmöglichkeit, sondern allenfalls der Wille dazu (BGHSt. 31 46, 50). Das genügt nicht (BGH NJW 1973 632; vgl. auch Krauß JuS 1981 883 sowie BGH NStZ 1981 342). Verhindert der Täter die Tatvollendung, kommt es nicht darauf an, ob er etwa 123 noch mehr hätte tun können (BGH 5 StR 315/78 v. 7. 6. 1978; BGH 4 StR 58/81 v. 26. 3.1981; BGH StV 1981 396). „Die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts vom beendeten Versuch hängt allein davon ab, daß der Täter die Vollendung der Tat freiwillig verhindert. An weitere Voraussetzungen ist diese Wirkung nicht geknüpft. Die Chance, vom beendeten Versuch mit strafbefreiender Wirkung zurückzutreten, bleibt dem Täter bis zu dem Zeitpunkt erhalten, in dem er den Erfolg nicht mehr abzuwenden vermag. Gelingt es ihm, die Vollendung der Tat zu verhindern, so kommt es nicht darauf an, wann er sich zur Rettung des Opfers entschloß (BGH 3 StR 237/77 v. 13. 7.1977), was diesem Entschluß voranging, wie sich ihm die Sachlage bis dahin darstellte, ob er den Erfolg zunächst irrtümlich schon für eingetreten erachtete, was er in der Zwischenzeit tat oder unterließ, welche Vorstellungen oder 104 BGHSt. 31 46, 49; BGHSt. 14 75, 80; BGHSt. 20 330, 332, 333; BGH NJW 1973 632, 633; BGH bei Holtz MDR 1978 279 und MDR 1978 995. 105 BGH NJW 1973 632, 633 ; BGH bei Holtz MDR 1978 985. (165)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

Beweggründe ihn hierbei bestimmten, insbesondere d a f ü r maßgebend waren, daß er zunächst keine Rettungsmaßnahmen traf, sondern sie erst in einem späteren Zeitpunkt — aber noch rechtzeitig — e r g r i f f (BGH NStZ 1981 388). c) Freiwilligkeit 124

Auch beim beendeten Versuch führt nur der freiwillige Rücktritt zur Straffreiheit; insoweit sind dieselben Maßstäbe anzulegen wie beim unbeendeten Versuch (vgl. oben Rdn. 82 ff); deshalb kommt es auch hier nicht darauf an, ob die Motive, aus denen der Täter zurücktritt, ethisch billigenswert sind (RGSt. 37 404; 61 115; 63 159; BGHSt. 7 296; vgl. dazu auch oben Rdn. 90).

125

§ 46 Nr. 2 a. F. stellte nicht auf die Freiwilligkeit ab, sondern darauf, daß die Tat „noch nicht entdeckt" war. (Zur Bedeutung des Merkmals „entdeckt" f ü r den Rücktritt vom unbeendeten Versuch vgl. oben Rdn. 105 ff.) Obwohl der Wortlaut des Gesetzes auf das Objekte „Entdecktsein" abhob, hatte die h. L. die Gesetzesfassung bereits früh subjektiv gedeutet u n d auf die Kenntnis des Täters von der Tatentdeckung oder seiner Annahme, daß die Tat entdeckt sei, abgestellt, ohne Rücksicht auf die wirkliche Entdeckung 106. Die zur Entdeckung entwickelten Grundsätze sind auch heute noch verwertbar, weil die Entdeckung der Tat ein Anhaltspunkt für die Freiwilligkeit des Rücktritts sein kann 107. Als entdeckt ist die Tat anzusehen, wenn ein anderer sie in ihren wesentlichen kriminellen Eigenschaften, nicht notwendig in ihrer konkreten strafrechtlichen Bedeutung (BGH N J W 1969 1074; B G H G A 1971 52) wahrgenommen hat u n d seine Kenntnis ausreicht, die Vollendung der Tat zu verhindern oder darauf ein strafrechtliches Verfahren zu gründen (vgl. RGSt. 71 243). Die Entdeckung betrifft also die als Straftat irgendwelcher Art erkannte Versuchshandlung, nicht notwendig bereits die Person des Täters (RGSt. 62 303, 394). Sie besteht darin, d a ß eine bisher unbekannte oder jedenfalls nicht als rechtswidrig erkannte Handlung ganz oder teilweise zur Kenntnis einer an sich verfolgungswilligen und -fähigen Person kommt, ohne Rücksicht auf die zutreffende Beurteilung durch den Entdeckenden oder auf die Beweisbarkeit'08. Wesentlich ist nicht, d a ß der Entdeckende die Handlung für strafbar halten konnte (so anscheinend RGSt. 3 94), sondern, d a ß er sie als irgendwie strafbar erkannt hat (RGSt. 71 242; 62 305), gleichgültig, ob er die Tat wirklich verhindert oder anzeigt (RGSt. 71 243).

126

Entscheidend ist, welche Vorstellung der Zurücktretende hat: Hält der Versuchstäter seine Tat für noch nicht entdeckt, obwohl sie tatsächlich bereits entdeckt ist, kommt freiwilliger Rücktritt in Betrachtl09. Umgekehrt geht der Irrtum des Täters, die Tat sei schon entdeckt, regelmäßig zu seinen Lasten, weil er in diesem Fall nicht mehr freiwillig zur Verhinderung des Erfolgs tätig wirdl 10. 106 Vgl. Sch.-Schröder11 § 46 Rdn. 35; Henkel JW 1937 2377; Maurach4 § 41 V C 1 b; Busch LK 9 § 46 Rdn. 36, 39, 40 mit weit. Nachw.; vgl. demgegenüber RGSt. 3 94; 68 85. 107 Vgl. BGH bei Daliinger MDR 1975 724; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 67; Jescheck § 51 IV 2; Dreher-Tröndle Rdn. 8. 108 Vgl. RGSt. 1 375; 38 403; 59 412; 66 61; 71 242; BGH JR 1952 414; BGH NJW 1969 1073; BGH bei Dallinger MDR 1969 532. 109 BGH bei Dallinger MDR 1975 365; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 67; Jescheck § 51 IV 2; Dreher-Tröndle Rdn. 13; zu § 46 a. F. a. A. vom Standpunkt der objektiven Lehre RGSt. 3 93; 68 82; RG GA Bd. 69 177. 110 RGSt. 63 158; 38 404; Maurach AT 4 § 41 V C 1 a; Dreher-Tröndle Rdn. 12; Sch.-SchröderEser Rdn. 67 ; a. A. Baumann AT § 34 II a; Kohlrausch-Lange § 46 Anm. VII 2 a. Vgl. zum Ganzen auch Busch LK 9 §46 Rdn. 39 und BGHSt. 21 216, wo die Frage offengelassen wurde.

Rücktritt (Vogler)

§24

Die Entdeckung führt aber nicht zwangsläufig zur Unfreiwilligkeit. Selbst wenn 127 sie feststeht, schließt sie die Freiwilligkeit eines Rücktritts nicht notwendig auslH. Hatte der Täter die Vorstellung, seine Handlungen seien bereits entdeckt oder würden alsbald entdeckt werden, so ist dies nur ein Anhaltspunkt für die Unfreiwilligkeit! 12. E s kommt entscheidend darauf an, welche Nachteile der Täter durch die Entdeckung befürchtet und wie sich dies auf seine Motivationslage auswirkt 113. Der Rücktritt ist unfreiwillig, wenn ein Dritter die Tathandlung in dem oben 128 Rdn. 125 beschriebenen Sinne entdeckt hat und den Täter die Furcht vor Maßnahmen dieses Dritten motiviert (dazu Knapp JuS 1976 802). Das ist ζ. B. der Fall, wenn der Täter die Anzeige eines unbeteiligten Dritten befürchtet. Demgegenüber steht der Freiwilligkeit nicht entgegen, daß die Tat von Personen entdeckt wird, von denen der Täter nichts zu befürchten hat, so ζ. B. von Tatbeteiligten, Eingeweihten, Gesinnungsgenossen oder sonstigen dem Täter nahestehenden Personen (vgl. RGSt. 1 375; 66 62; OLG Hamm NJW 1963 1541; BGH bei Dallinger MDR 1972 751). Die Vorstellung des Täters, entdeckt zu sein, steht der Freiwilligkeit nur dann 129 entgegen, wenn der Täter vor Beginn des Rücktritts zu dieser Erkenntnis gelangt. Verhindert er die Tatvollendung dadurch, daß er einen Dritten ersucht, den Erfolg abzuwenden, veranlaßt er ζ. B. einen Arzt, das Opfer zu retten, so ist durch diese Entdeckung die Freiwilligkeit des Rücktritts nicht ausgeschlossen (BGHSt. 21 216; RGSt. 15 46; RG HRR 29 455). Die Entdeckung durch Dritte ändert dann an der Freiwilligkeit nichts mehr (vgl. BGH StV 1982 219). Davon ist der Fall zu unterscheiden, daß ein anderer den Dritten zu Hilfe geholt hat und erst dessen Erscheinen den Täter aktiviert; dann ist Unfreiwilligkeit anzunehmen (BGH bei Dallinger MDR 1969 532). Möglich ist auch die Tatentdeckung durch das Opfer selbst!! 4 ; sie führt aber 130 ebenfalls nicht zwangsläufig zum unfreiwilligen Rücktritt! 15. Unfreiwilligkeit liegt nur vor, wenn der Täter durch die Furcht vor Maßnahmen motiviert wird, die er von dem Verletzten, der die Tathandlung miterlebt oder später entdeckt hat, erwartet (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975 365; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 52). Hat der Täter in seinem Plan das nahe Risiko der Strafverfolgung in Kauf genommen und wendet er nun freiwillig den Erfolg ab, ohne daß sich gegenüber seinem Plan oder seinen Vorstellungen die Sachlage geändert, insbesondere das Risiko erhöht hat, kann strafloser Rücktritt bejaht werden 116. Tritt der Täter dem Opfer von vornherein offen gegenüber, wie ζ. B. bei einer Erpressung, ist der T?tentschluß von Anfang an darauf gerichtet, die Tat trotz Entdeckung durch das Opfer selbst zu Ende zu führen (vgl. dazu Ulsenheimer S. 336); deshalb ist freiwilliger Rücktritt mogl i ! BGH bei Dallinger M D R 1975 365; BGH 3 StR 15/77 v. 16. 2. 1977; BGH 5 StR 274/77 v. 24. 5. 1977; BGH 4 StR 251/77 v. 2. 6. 1977. Π2 BGH 5 StR 274/77 v. 24. 5. 1977; BGH 4 StR241/77 v. 2. 6. 1977. Π3 Vgl. BGH 3 StR 496/81 v. 29. 1. 1982 und Bottke S. 504 ff, der allerdings darauf abstellt, ob die Nachteile nach den Regeln des Verbrecherhandwerks gebieten, zurückzutreten. 114 Vgl. RGSt. 66 61, 62 f; BGH JR 1952 414; Baumann JuS 1972 631; Bringewat JuS 1971 403; Dreher NJW 1971 1048; Dreher-Tröndle Rdn. 9; Eser II Fall 34 Anm. 16 ff. 115 BGH bei Dallinger M D R 1975 724; Rudolphi SK Rdn. 29; a. A. für das alte Recht RGSt. 26 77, 78; BGHSt. 24 48 mit krit. Anm. Dreher NJW 1971 1046 und Bringewat JuS 1971 403 ff; BGH NJW 1972 mit abl. Anm. v. Löbbecke NJW 1973 62. 116 Schmidhäuser Studienbuch 11/94; Ulsenheimer S. 336; Rudolphi SK Rdn. 29. (167)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

lichll?. Die Entdeckung führt auch dann nicht zur Unfreiwilligkeit, wenn der Täter, wie ζ. B. bei einem Tötungsversuch, im Falle der Vollendung vom Opfer nichts zu befürchten hat, weil es keine Hinweise auf die Täterschaft für die Strafverfolgung mehr geben kann (vgl. Rudolphi SK Rdn. 29; Schmidhäuser Studienbuch 11/94).

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3. Rücktritt vom aussichtslosen Versuch (Absatz 1 Satz 2) Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 erlangt der Täter schon durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Verhinderung der Vollendung Straffreiheit, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird. Die Vorschrift ermöglicht Strafbefreiung durch Rücktritt auch in den Fällen, in denen der Erfolg von vornherein gar nicht eintreten konnte und folglich auch nicht zu verhindern war. Damit wird zwar der in § 24 Abs. 1 Satz 1 enthaltene objektive Grundsatz durchbrochen, daß der Nichteintritt des Erfolgs auf das Rücktrittsverhalten des Täters zurückführbar sein muß (Kausalzusammenhang zwischen Rücktrittsverhalten und Erfolg; vgl. oben Rdn. 120). Die Regelung entspricht aber dem subjektiven Grundsatz der Versuchslehre: Wenn die Versuchsbegründung primär durch die Tätervorstellung bestimmt wird, muß Entsprechendes auch für Rückgängigmachung des Versuchs genügen (vgl. oben Entstehungsgeschichte vor § 22). Weil die Straffreiheit des Zurücktretenden daraus abzuleiten ist, daß die die Versuchsstrafe begründenden Faktoren durch den Rücktritt aufgehoben erscheinen (Krauß JuS 1981 858), genügt es in derartigen Fällen, daß sich der Täter freiwillig und ernsthaft um Erfolgsverhinderung bemüht (vgl. dazu auch Arzt GA1964 2 ff, der eine generell taugliche Rücktrittshandlung verlangt). § 24 Abs. 1 Satz 2 ist, sofern der Täter den Versuch noch für vollendbar hält, nicht nur bei einem untauglichen (vgl. BGH MDR 1969 494; BGH StV 1982 219) und objektiv fehlgeschlagenen Versuch! 18, sondern auch auf die Fallgruppe anwendbar, in der die Tatvollendung zufällig oder durch das bewußte Eingreifen Dritter verhindert wird (vgl. BGHSt. 31 46, 48 f; Dreher-Tröndle Rdn. 14; MaurachGössel-Zipf AT 2 § 41 V D 4). Schließlich ist eine entsprechende Anwendung dann in Betracht zu ziehen, wenn nicht festgestellt werden kann, ob das Ausbleiben des Erfolgs auf dem Rücktrittsverhalten des Täters oder auf anderen Gründen beruht, sofern nicht bereits über den Grundsatz in dubio pro reo Satz 1 anwendbar ist (Sch.Schröder-Eser Rdn. 70; dazu auch oben Rdn. 120).

133

Im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 2 kann dahinstehen, ob der Versuch beendet oder unbeendet war, wenn nur der Zurücktretende sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung der Tat zu verhindern (BGH 1 StR 813/81 v. 19.1. 1982). Straflosigkeit erlangt der Täter aber nur unter folgenden drei Voraussetzungen : 134 aa) Zunächst ist erforderlich, daß der tatbestandsmäßige Erfolg nicht bzw. nicht in einer dem Täter als vorsätzlich zurechenbaren Weise eingetreten ist (vgl. BGHSt. 11 324 mit Anm. Lange JZ 1958 671 ; BGH MDR 1969 494; vgl. dazu oben Rdn. 116). Der Erfolgseintritt muß ohne Zutun des Täters ausgeblieben sein. Damit unterscheidet sich § 24 Abs. 1 Satz 2 wesentlich von § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., der

117 Vgl. Schmidhäuser Studienbuch 11/94; Blei AT § 69 III 2 b; Blei JA 1971 298; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 52; Rudolphi SK Rdn. 29. 118 BGH MDR 1969 494; BGH bei Dallinger MDR 1969 532; BGH GA 1971 52; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 70. (168)

Rücktritt (Vogler)

§24

einen Kausalzusammenhang zwischen Rücktrittsbemühen und Nichteintritt des Erfolgs voraussetzt (vgl. Eser II Fall 34 Anm. 32 und oben Rdn. 120). bb) In objektiver Hinsicht entfällt das Erfordernis des Gelingens der Erfolgsab- 135 wendung; da beim aussichtslosen Versuch eine gelungene Erfolgsverhinderung schlechterdings ausscheidet, die Aussichtslosigkeit dem Täter aber nicht zum Nachteil gereichen soll, tritt an die Stelle der Erfolgsverhinderung das entsprechende Bemühen. Es genügt für den strafbefreienden Rücktritt, daß der Täter sich um Erfolgsverhinderung bemüht hat. Unerheblich ist auch, daß durch die Verletzung tatsächlich keine Lebensgefahr für das Opfer bestand. Das Bemühen setzt ein positives Tätigwerden voraus. Die bloße Absicht, sich bemühen zu wollen, genügt nichtig. Diesem Erfordernis ist dann Genüge getan, wenn der Täter objektiv taugliche Rettungshandlungen vorgenommen hat. Die objektive Eignung der auf Verhinderung der Vollendung zielenden Handlungen ist jedoch nicht unbedingt zu verlangen, da der „Handlungswert der Rücktrittsleistung" das maßgebliche Kriterium der Straffreiheit ist (Krauß JuS 1981 885). Ausreichend ist deshalb auch, daß nach der Tätervorstellung das Bemühen geeignet war, die Vollendung abzuwenden 120. Das „freiwillige und ernsthafte Bemühen" um Verhinderung der Vollendung, 136 von dem das Gesetz spricht, kann der Sache nach nur ein von der Intention der Erfolgsabwendung bestimmtes Bemühen sein: Der Täter muß eine ihm bekannte, objektiv oder doch wenigstens aus seiner Sicht ausreichende Verhinderungsmöglichkeit ausschöpfen (BGHSt. 31 46; BGH bei Holtz MDR 1980 453). Daran sind hohe Anforderungen zu stellen 121. Der Rücktritt ist jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Täter objektiv noch mehr hätte tun können, sofern er im übrigen das ihm mögliche und aussichtsreich erscheinende u n t e r n i m m t l 2 2 . Entschließt er sich, das Opfer ins Krankenhaus zu bringen, muß er dies auch ausführen. Es genügt nicht, daß er das von ihm erheblich verletzte und blutende Opfer bis auf 95 m an das Krankenhaus heranführt, dort aussteigen und allein in Richtung Krankenhaus gehen läßt und sich entfernt (BGHSt. 31 46, 50). Keinesfalls reicht es aus, wenn der Täter völlig sinn- und aussichtslose Gegenmaßnahmen ergreift, wie etwa ζ. B. aberg l ä u b i s c h e s „Gesundbeten" eines bereits V e r g i f t e t e n 123. Hat der Täter sich um die Erfolgsabwendung nicht bemüht, so bleibt er auch dann strafbar, wenn sein Untätigbleiben auf der irrigen Annahme beruht, der Erfolg werde ohnehin nicht eintreten (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 64; Rudolphi SK Rdn. 30). Der Rücktritt ist nicht ausgeschlossen, wenn der Täter erkennt, daß der Erfolg 137 schon aus anderen Gründen nicht eintreten kann. Voraussetzung ist allerdings, daß 119 Vgl. BGH NJW 1973 632; zum passiven Verhalten als ernsthaftes Bemühen im Rahmen des § 49 a. F. vgl. BGH GA 1974 243. 120 BGH bei Holtz M D R 1978 279, 985; Lenckner Gallas-Festschrift S. 297 ff; Sch.-SchröderEser Rdn. 71 ; Grünwald Welzel-Festschrift S. 712. Für eine generelle Tauglichkeit des Bemühens, den Erfolg abzuwenden, falls er wirklich einzutreten drohe, sprechen sich Arzt GA 1964 2 ff und Bottke S. 533 f aus. 121 BGH 1 StR 833/80 v. 24.3. 1981; BGH bei Holtz M D R 1978 279, 985; Dreher-Tröndle Rdn. 14; BGH 1 StR 56/81 v. 12. 3. 1981 ; BGH 4 StR 206/82 v. 24. 5.1982. 122 BGH bei Holtz M D R 1980 453. Zu der Frage, ob der Wahl des Mittels subjektiv sorgfältige Überlegungen des Zurücktretenden vorausgehen müssen, vgl. unten Rdn. 139 f. 123 Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 71; Bottke S. 534 f; Rudolphi SK Rdn. 30; vgl. dazu auch unten Rdn. 183. (169)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

er in diesem Zeitpunkt bereits mit seinen Abwendungsbemühungen begonnen hat124. Darunter wird verstanden, daß der Täter bei der Kenntnisnahme von der Entdeckung bereits alles veranlaßt haben muß, was objektiv oder doch wenigstens nach seiner Vorstellung zur Erfolgsabwendung geführt haben würde (vgl. Rudolphi SK 1 Rdn. 30, der verlangt, d a ß der Täter seinen Rücktrittsentschluß schon in Form eines unbeendeten „Versuchs" betätigt habe), oder nach einer anderen Formulierung, daß der Täter zur Erfolsverhinderung bereits „unmittelbar angesetzt" habe (Eser II Fall 34 Anm. 35 b). Das Gesetz erfordert ein „Bemühen" i. S. eines aktiven Tuns, begnügt sich also nicht mit einem „bloß etwas tun wollen und sich dazu auf den Weg machen". Zu verlangen, aber auch genügend ist, daß der Täter die Handlungsreihe, die den Erfolg abwenden soll, bereits in einer Weise in Gang gesetzt hat, die sein Vorhaben nach außen hin eindeutig erkennen läßt (BGH N J W 1973 632, 633). Dadurch wird der rechtserschütternde Eindruck, den die Tat bei der Rechtsgemeinschaft hervorgerufen hat, in gewisser Weise wieder ausgeglichen. Zugleich wird dem Täter die Möglichkeit genommen, sich auf eine solche Absicht herauszur e d e n ^ . Zur Straflosigkeit genügt deshalb etwa das Wählen der Telefonnummer, durch das ein Arzt herbeigerufen werden soll, nicht ohne weiteres dagegen der Gang zur Telefonzelle, um einen Krankenwagen oder die Polizei zu verständigen (vgl. BGH N J W 1973 632; Blei JA 1973 396; Eser II Fall 34 Anm. 35 b). 138

cc) In subjektiver Hinsicht ist Voraussetzung, daß der Täter den Versuch für vollendbar gehalten hatl26. Wenn der Zurücktretende erkennt, daß durch sein bisheriges Tun der tatbestandsmäßige Erfolg nicht eintreten kann, ist sein Versuch auch in subjektiver Hinsicht fehlgeschlagen; dann ist ein Rücktritt unmöglich (vgl. oben Rdn. 132). Das Erfolgsabwendungsbemühen muß freiwillig und ernsthaft, d. h. nicht nur zum Schein (BGH 3 StR 7/72 v. 3. 5. 1972) erfolgen. Die Freiwilligkeit ist nicht zwangsläufig dadurch ausgeschlossen, daß die Tat durch das Opfer entdeckt war, als sich der Täter um die Abwendung des Erfolgs bemüht hat (vgl. BGH 3 StR 15/77 v. 16. 2. 77; zur Freiwilligkeit und der Bedeutung der Entdeckung vgl. oben Rdn. 106 ff, 125 f); auch nicht, wenn der Zurücktretende mit Verbluten des Opfers ohne sofortige ärztliche Hilfe rechnete (vgl. BGH 1 StR 813/81 v. 19. 1.1982).

139

Das Merkmal „ernsthaft" setzt voraus, daß der Täter alles unternimmt, was nach seiner Vorstellung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist {Sch.-Schröder-Eser Rdn. 72; Lenckner Gallas-Festschrift S. 297 ff). Er muß auch zu neuen oder geeigneteren Mitteln greifen, wenn er zu der Einsicht gelangt, d a ß sein bisheriges Bemühen aussichtslos ist oder wenn er auch nur Zweifel hegt, ob sein Bemühen erfolgreich ist 127. Der Täter darf sich nicht mit einer oberflächlichen Wundversorgung begnügen, statt sich um ärztliche Versorgung zu bemühen (vgl. B G H bei Holtz M D R 1978 279). Fraglich ist, ob der Begriff des ernsthaften Bemühens außerdem auch Gewissenhaftigkeit in der Auswahl des Mittels voraussetzt, ob der Zurücktretende also Überlegungen darüber angestellt haben muß, wie er die Vollendung verhindern 124 Rudolphi SK Rdn. 30; Eser II Fall 34 Anm. 35 b; vgl. auch Blei JA 1973 395, 397. 125 Zum Zeitpunkt des „ernsthaften Bemühens" speziell bei Gefährdungsdelikten vgl. OLG Düsseldorf NJW 1971 1850 mit abl. Anm. Meyer-Gerhards JuS 1972 506 f. 126 BGH NJW 1969 1073; BGH bei Holtz MDR 1979 988; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V D 4. 127 Lenckner Gallas-Festschrift S. 297; Grünwald Welzel-Festschrift S. 715 f; BGH bei Holtz MDR 1978 985 ; Rudolphi SK Rdn. 30. (170)

Rücktritt (Vogler)

§24

kann. Die Frage wird z. T. unter Hinweis auf die Parallele zum erfolgreichen Rücktritt verneint: Wenn dort das bewußte und gewollte Unterbrechen des in Gang befindlichen Ursachenablaufs genüge, ohne weiter danach zu fragen, ob der Zurücktretende lediglich das Glück hatte, die richtige Maßnahme getroffen zu haben, oder ob die Erfolgsabwendung das Resultat einer persönlich gewissenhaften Abwägung der in Betracht kommenden Rücktrittsmöglichkeiten war, dann spreche dies dafür, daß es in den Fällen, in denen das Gesetz trotz Mißlingens des Rücktritts Straffreiheit gewähre, nicht anders sein könne'28. Gegen den Vergleich mit dem erfolgreichen Rücktritt und den daraus gezogenen 140 Schlußfolgerungen bestehen jedoch Bedenken. Erfolgreicher Rücktritt setzt einen Ursachenzusammenhang zwischen Rücktrittsverhalten und Ausbleiben des Erfolgs voraus. Durch dieses objektive Erfordernis ist der notwendige Zusammenhang zwischen beiden gewährleistet, so daß sich das Gesetz in subjektiver Hinsicht mit einer auf Erfolgsabwendung abzielenden Handlung begnügen kann. Weitere Anforderungen aufzustellen ist überflüssig, weil der Zurücktretende das volle Risiko für die Eignung seines Rücktrittsverhaltens zur Erfolgsabwendung trägt. Aus diesem Grund reicht der „gute Wille" des Zurücktretenden neben der kausal bewirkten Erfolgsabwendung aus. Den „guten Willen" als solchen deshalb auch in Fällen des Rücktritts vom aussichtslosen Versuch zu honorieren, besteht kein hinreichender Grund. Es erscheint im Gegenteil gerechtfertigt, die geringen objektiven Voraussetzungen durch erhöhte Anforderungen an die subjektive Seite auszugleichen. Daher genügt es nicht, daß der Zurücktretende mit „gutem Willen" etwas tut, um den (vermeintlichen) Erfolgseintritt abzuwenden, sondern er muß im Rahmen des persönlich und tatsächlich Möglichen prüfen, wie er die Vollendung verhindern kann. Die Prüfungspflicht bezieht sich in erster Linie auf das Vorhandensein objektiv geeigneter Maßnahmen. Der Zurücktretende kann sich bei objektiv gegebenen Rettungsmöglichkeiten nicht darauf berufen, er habe eine ungeeignete Maßnahme für ausreichend gehalten, wenn er keinerlei Überlegung angestellt hat. Aber auch bei mehreren objektiv vorhandenen Rettungsmöglichkeiten hat er die jeweilige Erfolgswahrscheinlichkeit zu prüfen. Da es sich um ein hypothetisches Wahrscheinlichkeitsurteil handelt, dürfen daran allerdings keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden. Mit dieser Einschränkung erscheint es gerechtfertigt, die Ernsthaftigkeit des Bemühens von der subjektiv sorgfältigen Überlegung des Zurücktretenden abhängig zu machen (a. A. Lenckner Gallas-Festschrift S. 299; Grünwald Welzel-Festschrift S. 715). Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, daß dann u. U. einem objektiv zur Er- 141 folgsabwendung an sich geeigneten Bemühen, das nur deshalb nicht zum Ziel führt, weil die Tat aus anderen Gründen nicht vollendet wird, die Ernsthaftigkeit nur mangels vorausgegangener Prüfung abgesprochen werden müsse. Hat der Zurücktretende eine objektiv geeignete Maßnahme getroffen, stellt sich die Frage der Prüfungspflicht in der Regel gar nicht, es sei denn, daß die Erfolgswahrscheinlichkeit hinter einer anderen Maßnahme erheblich zurückbleibt (der Täter läßt das lebensgefährlich verletzte Opfer, ohne von der zwischenzeitlichen Rettung durch Dritte zu wissen, liegen, um zu einem Stunden entfernt wohnenden Arzt zu gehen, obwohl er bei nur geringer Aufmerksamkeit eine Telefonzelle in unmittelbarer Nähe des Tat128 Lenckner Gallas-Festschrift S. 298 f; Grünwald Welzel-Festschrift S. 715 f; gegen besondere Gewissenhaftigkeit bei der Auswahl seiner Abwendungsmaßnahmen auch Sch.Schröder-Eser Rdn. 72. (171)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

orts bemerkt hätte; Beispiel nach Haft JA 1979 311). Dann kann allerdings von einem „ernsthaften" Bemühen schwerlich die Rede sein (zu den Anforderungen in der Rechtsprechung vgl. auch oben Rdn. 136). 4. Sonderfälle a) Unterlassungsdelikte 142

143

144

Während beim Begehungsdelikt nur im Fall des beendeten Versuchs ein positives Tun des Zurücktretenden erforderlich ist (oben Rdn. 111), muß der Täter im Unterlassungsbereich sowohl beim unbeendeten wie auch beim beendeten Versuch (oben Rdn. 40) ein aktives Tun entfalten, da er nur so den Erfolg verhindern kann. Allerdings hat der Täter beim unbeendeten Unterlassungsversuch das Risiko, daß trotz seines Rücktritts der tatbestandsmäßige Erfolg eintritt, nicht zu tragen 129. Strafbefreiender Rücktritt kann deshalb auch dann noch in Betracht kommen, wenn der Erfolg von anderer Seite verhindert wird (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 30; a. A. Maihof er GA 1958 298). Dagegen trägt der Täter beim beendeten Unterlassungsversuch das Erfolgsabwendungsrisiko ebenso wie beim Begehungsdeliktl30. b) Erfolgsqualifizierte Delikte Auch vom versuchten erfolgsqualifizierten Delikt (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 70) ist Rücktritt möglich, und zwar zunächst dann, wenn der Täter den Eintritt der zunächst vorsätzlich angestrebten Folge freiwillig verhindert (Schroeder LK 10 § 18 Rdn. 42). Aber auch der Eintritt der Erfolgsqualifizierung steht dem Rücktritt vom Versuch des Grunddelikts nicht unbedingt entgegen. Beispielsweise liegt Raubversuch mit Todesfolge gemäß §§ 249, 251, 22 vor, wenn der Räuber das Opfer, um es zu berauben, würgt und dieses dann wider Erwarten tot zu Boden sinkt. Nimmt der Täter daraufhin von der Tat Abstand, ohne etwas weggenommen zu haben, kann ein wirksamer Rücktritt vom versuchten Raub mit Todesfolge in Betracht kommenl31. Dann ist der Strafrahmen der §§ 222, 224 bzw. 226 anzuwenden (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26). Ebenso ist zu verfahren, wenn bereits der Versuch einer Brandstiftung den Tod eines Menschen verursacht hat (vgl. BGHSt. 7 38). Von Teilen der Literatur wird die Rücktrittsmöglichkeit als unbefriedigend empfunden (vgl. etwa Schneider JZ 1956 752) und eine entsprechende „Zusatzbestimmung zum Rücktrittsparagraphen" gefordert, um den Rücktritt „bei den eines bestimmten Erfolges wegen mit erhöhter Strafe bedrohten Verbrechen" auszuschließen, wenn jener Erfolg eingetreten sei (so Radbruch VDA 2 252). Nach Ulsenheimer (Bockelmann-Festschrift S. 411 ff; vgl. auch Wolter JuS 1981 168, 178) scheidet be129 A. A. Rudolphi SK vor § 13 Rdn. 56; nach Jescheck LK § 13 Rdn. 49 ist es nur dann gerechtfertigt, den Zurücktretenden mit der Gefahr des Mißlingens der Rettungstat zu belasten, wenn er mit seinem Eingreifen zu lange zugewartet hat, so daß die Verhinderung des Erfolgs allein durch riskantere Mittel als die ihm ursprünglich obliegende Handlung erreicht werden kann. 130 Vgl. Maihofer GA 1958 298; Jescheck § 60 II 3 und LK10 § 13 Rdn. 48 f; a. A. Busch LK 9 § 46 Rdn. 48. 131 RG HRR 1941 521 ; zu ähnlichen Fallgestaltungen vgl. BGH NJW 1955 1327; BGH 2 StR 94/69 v. 4.6.1969; Ulsenheimer Bockelmann-Festschrift S. 405 ff; Schroeder LK10 § 18 Rdn. 42. (172)

Rücktritt (Vogler)

§24

reits nach geltendem Recht Rücktritt aus, wenn die besondere Tatfolge schon im Versuchsstadium eintritt und sich in ihr die tatbestandsspezifische Gefahr des Grunddelikts realisiert. Für diese Einschränkung besteht kein Anlaßl31a. Dem Strafbedürfnis ist durch Anwendung von § 226 (ggf. §§ 224 bzw. 222, 240, 239 Abs. 2) Rechnung zu tragen (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 26; Wessels § 14 IV 6). c) Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft Entgegen der h. M. (vgl. etwa Stratenwerth Rdn. 842 f; Sch.-Schröder-Eser 145 Rdn. 106) ist der Rücktritt des mittelbaren Täters nach § 24 Abs. 1 zu beurteilen. Der mittelbare Täter führt die Tat durch die Mittelperson aus, deren Handlungen ihm als eigene zugerechnet werden. Deshalb kann auch bei einer Deliktsbegehung in mittelbarer Täterschaft zwischen dem unbeendeten und dem beendeten Versuch unterschieden werden. Unbeendeter Versuch liegt vor, wenn das Werkzeug noch nicht alle Handlungen vorgenommen hat, die zur Erfolgsherbeiführung erforderlich sind; beendeter, wenn die erforderlichen Handlungen vorgenommen worden sind (vgl. oben Rdn. 42). Versagt das Werkzeug, ehe es zum unmittelbaren Ansetzen zur geplanten Tatbestandsverwirklichung kommt, ist es überhaupt noch nicht zum Versuch gekommen (Busch LK 9 § 46 Rdn. 45; vgl. oben § 22 Rdn. 96 ff). Gibt das Werkzeug nach Eintritt in das Versuchsstadium ohne Absprache mit 146 dem mittelbaren Täter die Tatausführung auf, so kommt dieser Rücktritt, falls er den Anforderungen des § 24 genügt, nur dem Werkzeug zugute. Die nachträgliche Genehmigung des Verhaltens des Mittlers durch den mittelbaren Täter beinhaltet noch keinen Rücktritt des mittelbaren Täters (Busch LK 9 § 46 Rdn. 45; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 106). Vielmehr tritt der mittelbare Täter nur dann wirksam zurück, wenn er die Voraussetzungen des § 24 erfüllt. Dabei ist die Besonderheit zu beachten, daß sowohl im Falle des beendeten wie des unbeendeten Versuchs ein aktives Eingreifen in den Geschehensablauf erforderlich ist. Der mittelbare Täter muß nach Ansetzen des Tatmittlers zur eigentlichen Tatausführung in jedem Fall hindernd eingreifen (so auch Stratenwerth Rdn. 845). Das folgt daraus, daß zwar beim unbeendeten Versuch des Alleintäters der Erfolg schon dann nicht eintritt, wenn die weitere Tatausführung aufgegeben wird; wird die Tat aber durch Einschaltung eines Mittlers durchgeführt, kann es zur Tataufgabe nur kommen, wenn dieser die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Soll diese Aufgabe dem mittelbaren Täter zugute kommen, muß er auf den Tatmittler aktiv eingewirkt haben, damit es nicht zur Tatvollendung kommt. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann der Rechtsprechung und h. L. zuge- 147 stimmt werden, daß sich der mittelbare Täter nur dann auf § 24 berufen kann, wenn das Werkzeug in bewußter Willensvertretung (nach den von Anfang an oder für einen bestimmten Fall erteilten Weisungen des mittelbaren Täters oder nach dessen nachträglicher Weisung) zurücktritt, denn nur dann ist der Rücktritt von dem mittelbaren Täter selbst gewollt und ihm zuzurechnend! b. Auch dann, wenn der Tat' 3 1 a Krit. dazu auch Schroeder LK10 § 18 Rdn. 42, der die Anknüpfung des qualifizierenden Erfolgs an einen Teil der Tatbestandshandlung beklagt (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 70 0 und es deshalb für nicht angängig hält, dem Täter auch noch die Möglichkeit des Rücktritts vom Versuch des Grunddelikts abzuschneiden. 131bVgl. RGSt. 39 41;56 211; Busch LK 9 § 46 Rdn. 45; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 106; DreherTröndle Rdn. 17; vgl. auch Jescheck § 51 VI 3 und v. Scheurl S. 134, der zu weitgehend fehlgeschlagenen Versuch annimmt, wenn der Tatmittler in Übereinstimmung mit dem mittelbaren Täter zurücktritt. (173)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

mittler wegen Änderung der Sachlage innehält und wegen Weisungen rückfragt, kommt Rücktritt in Betracht, wenn der mittelbare Täter die Fortsetzung der Tatausführung aufgibt und den Tatmittler dazu anhält!32. Das gilt bei einem bösgläubigen Tatmittler allerdings nur, wenn dieser sich in bezug auf den Rücktritt den Weisungen des mittelbaren Täters unterordnet (vgl. Eser II Fall 35 Anm. 18 ff; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 106; aber auch RGSt. 39 41). d) Erfolgseintritt trotz Rücktrittsbemühens 148

Der Täter kann einem Irrtum über die Wirksamkeit des bereits Getanen unterliegen mit der Folge, daß trotz der Rücktrittsbemühungen der Erfolg eintritt. Eine derartige Situation kann sowohl beim unbeendeten, wie beim beendeten Versuch eintreten. Beim unbeendeten Versuch beispielsweise, wenn der Täter sein Opfer mit mehreren Giftdosen töten will und nach Verabreichung von zwei Raten, die er fälschlich für nicht ausreichend hält, freiwillig von der weiteren Durchführung des Planes absieht, das Opfer aber gleichwohl den Tod findet!33. Als Beispiel für den beendeten Versuch dient in der Literatur der Fall, daß der Täter eine Zeitbombe gelegt hat, um sein Opfer zu töten und nun seinen Sinn ändert und die Bombe entschärfen will. Auf der Fahrt zum Tatort verunglückt er und wird bewußtlos ins Krankenhaus gebracht, das Opfer wird durch die Explosion getötet (vgl. Schmidhäuser Studienbuch 11/74 mit weit. Beispielen).

149

Ausgehend von dem Grundsatz, daß der Rücktritt vom Versuch voraussetzt, daß es beim Versuch bleibt, spricht sich der überwiegende Teil der Lehre in derartigen Konstellationen für die Vollendungsstrafe aus 134. Sei der Erfolg als Konsequenz der Versuchshandlung eingetreten, handele es sich überhaupt nicht mehr um ein Versuchsproblem ( K r a u ß JuS 1981 886). Nur wenn der wirkliche Tatverlauf vom vorgestellten erheblich abweiche, liege ein vorsatzausschließender Irrtum über den Kausalverlauf vor; da die Zurechnung des Erfolgs ausscheide, liege Versuch vor, von dem nach den allgemeinen Grundsätzen zurückgetreten werden könnel35. Nach Schmidhäuser (Studienbuch 11/75) scheidet allerdings ein Rücktritt aus, weil der ursprünglich bezweckte Erfolg nicht abgewendet worden, sondern aufgrund der vom Täter geschaffenen Gefahr tatsächlich eingetreten sei. Dazu komme u. U. die Strafbarkeit wegen fahrlässig (vollendeten) Tötungsdelikts.

150

Nach einer anderen Auffassung in der Literatur ist danach zu differenzieren, ob im Zeitpunkt des Rücktritts der tatbestandsmäßige Erfolg bereits eingetreten ist oder nicht. Sei der Erfolg noch nicht eingetreten, komme bei Freiwilligkeit Strafbefreiung in B e t r a c h t 136. Der Täter sei aus einem Fahrlässigkeitstatbestand, also ζ. B. 132 Vgl. Schröder MDR 1949 717; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 106; v. ScheurlS. 135. Als Beispiel genannt bei Baumann-Weber S. 533; Schmidhäuser 15/76; Backmann JuS 1981 329. 134 Vgl. Baumann §34 II l a ; Jescheck §51 III 3; Stratenwerth Rdn. 716; Rudolphi SK Rdn. 16; Krauß JuS 1981 886; Bockelmann AT §27 V 3; Schmidhäuser Studienbuch 11/76, insbesondere 11/73: Die abgeschossene Kugel ist des Teufels — mit dem Ingangbringen des Geschehens hat sich der Täter an den Zufall verkauft; a. A. Schroeder LK 9 § 59 Rdn. 132; Meister M D R 1955 688 f; Schröder JuS 1962 85 (für den Teilnehmer); differenzierend Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23 ff. 135 Walter S. 245 ff mit weit Nachw.; Jescheck §5\ III 3; RudolphiSK Rdn. 16. 136 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23 ; Eser II Fall 33 Anm. 47 ff unter Berufung auf BGH bei Dal133

l i n g e r M D R 1 9 5 3 7 2 2 ; i m E r g e b n i s e b e n s o Backmann

J u S 1 9 8 1 340. (174)

Rücktritt (Vogler)

§24

§ 222 in Tateinheit mit Körperverletzung zu bestrafen, da im Tötungsvorsatz der Körperverletzungsvorsatz notwendig enthalten sei und die Wirkung des § 24 die bereits vollendete Körperverletzung nicht ergreifen k ö n n e t . Eine Haftung nach § 226 scheide wegen der erst nachträglichen Fahrlässigkeit aus (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 23). Bei einem Zweifel des Täters, ob das bereits Getane ausreicht, den Erfolg herbeizuführen, genüge es allerdings nicht, daß dieser sein Vorhaben einfach aufgebe, vielmehr könne er d a n n wegen des auch aus seiner Sicht bestehenden Erfolgsrisikos nur nach den Rücktrittsregeln für beendeten Versuch straflos werden'38. Sei dagegen bei den Rücktrittsbemühungen des Täters der tatbestandsmäßige Erfolg bereits eingetreten, so liege Vollendung auch dann vor, wenn der Täter davon nichts wußte (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 25 und Eser II Fall 33 Anm. 47 ff). Allenfalls wegen einer wesentlichen Abweichung im Kausalverlauf könne dem Täter der Erfolgseintritt nicht zugerechnet werden ; d a n n sei auch noch Raum f ü r einen Rücktritt von der an sich verbleibenden Strafbarkeit wegen Versuchs, und zwar je nach Vorstellung des Täters nach den Regeln des beendeten oder des unbeendeten Versuchs^. Eine sachliche Begründung für eine Differenzierung ist nicht ersichtlich. Wenn 151 auch an sich vom Täter nichts anderes verlangt werden kann, als daß er sich so verhält, wie es aus seiner Sicht zur Erfolgsabwendung erforderlich ist (Stratenwerth Rdn. 710), kann eine subjektive Versuchslehre doch nicht so weit gehen, die objektiv eingetretene Tatvollendung aus subjektiven G r ü n d e n in der Person des Täters zu negieren. Durch den Erfolgseintritt ist der Anwendungsbereich der Versuchsregeln grundsätzlich überschritten (vgl. oben Rdn. 1). Die Frage nach der Haftung für den Eintritt des Erfolgs ist d a n n nicht mehr ein auf subjektiver Grundlage zu lösendes Versuchsproblem, sondern ein Problem der objektiven Zurechnung. Der h. M., die sich in diesen Fällen f ü r die Vollendungsstrafe ausspricht (oben Rdn. 149), ist daher zuzustimmen. Die Rücktrittsbemühungen des Täters sind im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 zu berücksichtigen.

III. Rücktritt bei Tatbeteiligung mehrerer (§ 24 Abs. 2) 1. Sinn und Bedeutung der Sonderregelung Ist der Versuch strafbar, haftet der daran Beteiligte nach den allgemeinen Teil- 152 nahmegrundsätzen wie der Haupttäter. Er erlangt aber Straffreiheit, wenn er freiwillig die Vollendung der Tat verhindert (dazu unten Rdn. 166 ff) oder sich freiwil137 Schröder JuS 1962 82; vgl. auch Wolter ZStW 89 (1977) 698, der zwar die Anwendbarkeit des § 24 verneint, ebenso aber Strafbarkeit wegen eines vollendeten vorsätzlichen Delikts, da die Fallgruppe durch das Fehlen des vollen Handlungsunwerts gekennzeichnet sei; krit. dazu Rudolphi SK Rdn. 16, nach dem auch der unbeendete Versuch vom Vorsatz getragen ist, das Delikt zu vollenden und deshalb die Realisierung einen auch für das vollendete Delikt ausreichenden Handlungswert darstellt; vgl. auch v. ScheurlS. 48 f; wieder anders Münoz-Conde GA 1973 40. 138 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 24; vgl. auch BGHSt. 22 331; Geilen JZ 1972 335; Wolter ZStW 89 (1977) 695 f. 139 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 25; ferner Muñoz-Conde GA 1973 34; a. A. Schmidhäuser 15/76; vgl. auch Schroeder LK § 16 Rdn. 34, der bei Erfolgseintritt beim unbeendeten Versuch Vollendungsvorsatz verneint, da dem Täter die konkrete Erfolgseignung seines Verhaltens unbekannt geblieben sei, vgl. dazu oben Rdn. 118. (175)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

lig und ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemüht, falls die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet (dazu unten Rdn. 178 ff) oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird (dazu unten Rdn. 187 ff). 153

Der Rücktritt des Tatbeteiligten war im früheren Recht nicht geregelt, es hatten sich aber in Analogie zu § 46 a. F. im wesentlichen unbestrittene Grundsätze entwikkelt, nach denen sich bei Beteiligung mehrerer an einer Straftat der Mittäter, Anstifter oder Gehilfe durch Rücktritt Straffreiheit verdienen konnten (vgl. dazu Busch LK 9 § 46 Rdn. 43 ff): Der Teilnehmer mußte den von ihm erbrachten Tatbeitrag unschädlich machen. Entsprechend der Unterscheidung von unbeendetem und beendetem Versuch reichte bloßes Abstehen von der Tat in den Fällen aus, in denen der Tatbeteiligte noch nicht alles Erforderliche getan hatte, um den Erfolg mitzubewirken. Hatte er dagegen seinen Tatbeitrag voll erbracht oder jedenfalls genug getan, um den Erfolg im Zusammenwirken mit den Tatbeiträgen der anderen herbeizuführen, so mußte er entweder durch aktives Eingreifen die Vollendung der Tat verhindern oder seinen Tatbeitrag in der Weise rückgängig machen, daß in der vollendeten Tat nichts mehr enthalten war, was sich mit seinem bereits verwirklichten Tun in ursächliche Verbindung bringen l i e ß l 4 0 . Der erfolgreichen Verhinderung der Vollendung bzw. der tatsächlich gelungenen Eliminierung des Tatbeitrags war nach der in BGHSt. 11 324 für den Einzeltäter anerkannten Analogie das ernsthafte Bemühen darum gleichzustellen, wenn die Tat aus anderen Gründen nicht vollendet bzw. der Tatbeitrag nicht wirksam wurde, weil er von vornherein ungeeignet war oder seine Wirkung durch äußere Ereignisse entfiel (Grünwald Welzel-Festschrift S. 702 f; Lenckner Gallas-Festschrift S. 281). Hatte der Beteiligte seinen Tatbeitrag unschädlich gemacht, dann erlangte er Straffreiheit auch, wenn die Haupttat zur Vollendung kam.

154

Die jetzige Regelung bedeutet demgegenüber eine Verschärfung der Voraussetzungen, unter denen der Teilnehmer Straflosigkeit erlangen kann. Für den strafbefreienden Rücktritt des Tatbeteiligten ist außer der Neutralisierung des eigenen Tatbeitrags auch noch erforderlich, daß der Zurücktretende die Vollendung der Haupttat verhindert bzw. sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Haupttat zu verhind e r n ^ . Das schließt nicht aus, daß in den Fällen, in denen zur Tatvollendung noch ein weiteres Dazutun des Teilnehmers erforderlich ist, ein entsprechendes Unterlassen genügen kann (vgl. unten Rdn. 169).

155

Die Begründung für diese bewußte Verschärfung (vgl. E 1962 Begr. S. 146), nämlich die erhöhte Gefährlichkeit des deliktischen Vorhabens bei Tatbeteiligung mehrerer (so BT-Drucks. V/4095 S. 12), überzeugt nicht, da der wirksame Rücktritt des Tatbeteiligten gerade voraussetzt, daß sein Tatbeitrag — und damit auch dessen Gefährlichkeit — vollständig beseitigt i s t I 4 2 . sie läßt sich auch mit dem maßgebli140 RGSt. 38 223, 225; 47 358, 361 ; 54 177, 178; 55 105 f; 59 412; 62 405, 406; 70 293, 295; RG JW 1934 692; BGH NJW 1951 410. 141 Vgl. Sch.-Schröder-Eier Rdn. 101 ; Preisendanz Anm. 7 c; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 2, 3; Stratenwerth Rdn. 845; vgl. auch Grünwald Welzel-Festschrift S. 704; Lenckner Gallas-Festschrift S. 295; Maurach AT 4 § 50 III C 2 u. a.; a. A. Walter JR 1976 100 ff; krit. hierzu Blei JA 1976 311 ; vgl. oben Entstehungsgeschichte. 142 Vgl. Jescheck § 51 VI 3 Fn. 49; v. Scheurl S. 148 f; krit. ferner Sch.-Schröder-Eser Rdn. 102; Roxin JuS 1973 333; Grünwald Welzel-Festschrift S.701; J. Meyer ZStW 87 (1975) 619; Lenckner Gallas-Festschrift S. 305; Stratenwerth Rdn. 844; Schmidhäuser 15/94; Lackner Anm. 7 a; Walter S. 134 f und JR 1976 100 mit weit. Nachw. und schließlich die Begründung zu § 26 AE. (176)

Rücktritt (Vogler)

§24

chen Grundgedanken der Rücktrittsprivilegierung nur schwer in Einklang bringen. Zwar ließe sich behaupten, daß die durch die Beteiligung an der versuchten Tat mit herbeigeführte Rechtserschütterung der Allgemeinheit (Eindruckstheorie; vor §22 Rdn. 52) nicht schon dadurch getilgt werde, daß der Beteiligte die konkrete Gefährlichkeit seines eigenen Tatbeitrags wieder beseitige (so jedoch offenbar Lenckner Gallas-Festschrift S. 306; vgl. auch Schmidhäuser 15/94), sondern erst dann, wenn sich der um Rücktritt bemühende Tatbeteiligte durch Verhinderung der Tat uneingeschränkt auf die Seite des durch sein ursprüngliches Verhalten mittelbar angegriffenen Rechtsguts stelle und damit seine Distanzierung von dem verbrecherischen Vorhaben manifestiere^. Das dem Tatbeteiligten abverlangte Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung würde sich aber auf rechtserschütternde Eindrücke beziehen, die andere und nicht der zurücktretende Tatbeteiligte hinterlassen haben (vgl. auch Roxin Einführung S. 24). Deshalb erscheint die Begründung der Neufassung mit Hilfe der Eindruckstheorie fragwürdig; soll die Eindruckstheorie nicht in eine konturlose „Wiedergutmachungstheorie" ausufern, darf sie nur „die normative Prägung des zurücktretenden Tatbeteiligten" im Auge haben (vgl. Walter S. 135; vgl. auch Lenckner Gallas-Festschrift S. 306). Hinter der Neufassung des § 24 Abs. 2 verbirgt sich der kriminalpolitische Ge- 156 danke, daß derjenige, der einmal mitgemacht hat, nicht passiv bleiben darf, wenn die anderen weitermachen (Dreher-Tröndle Rdn. 16 mit Verweis auf E 1962 Begr. S. 146 und BT-Drucks. V/4095 S. 12), was um so mehr gelten soll, als der Tatbeteiligte normalerweise die psychischen Folgewirkungen seines ursprünglichen Tatbeitrags nicht abzusehen vermöge und ihn auch bei schwersten Delikten nach h. M. keine Anzeigepflicht gem. § 138 treffe. Diese kriminalpolitische Entscheidung ist insofern bedenklich, weil dadurch eine Haftung für fremde Tat, die dem deutschen Strafrecht ansonsten fremd ist, begründet (vgl. Jescheck AT § 51 VI 3 Fußn. 49) und der rücktrittswillige Tatbeteiligte praktisch „zum Funktionsträger der Verbrechensbekämpfung" gemacht wird (hiergegen Walter S. 134: Verstoß gegen das im Rücktrittsinstitut niedergelegte Bewährungsprinzip). Gerade für den Tatbeteiligten in einer untergeordneten, nicht besonders bedeutenden Rolle, auf dessen Beitrag für die Fortsetzung des Tatablaufs am ehesten verzichtet werden kann und der am ehesten Hemmungen unterliegt, in den weiteren Geschehensablauf zu intervenieren, wirkt sich die Regelung des § 24 Abs. 2 grundsätzlich negativ aus (vgl. Walter S. 134; vgl. auch Lenckner Gallas-Festschrift S. 294). Trotz dieser Bedenken ist die gesetzgeberische Entscheidung anzuerkennen und 157 eine dagegen gerichtete „korrigierende" Interpretation unzulässig 144. Die Tragweite der Regelung sollte auch nicht überschätzt werden. Die Verschärfung wirkt sich nur dort aus, wo der Beteiligte weiß oder damit rechnet, daß er durch die Beseitigung seines Tatbeitrags die Vollendung nicht verhindern kann. Hier kann er sich künftig 143 Vgl. Grünwald Welzel-Festschrift S. 711; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 102; ähnlich Jescheck § 51 I 4; vgl. auch Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 3: „Wegen der erhöhten Gefährlichkeit bei Beteiligung mehrerer kann für den Rücktritt damit nicht auf die einzelnen Tatbeiträge abgestellt werden, sondern nur auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung insgesamt"; Rudolph» SK Rdn. 35. 144 Vgl. Lackner Anm. 7 a; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 3 a; differenzierend Haft JA 1979 306, 311; a. A. Walter S. 135: unauflöslicher systematischer Widerspruch zu den Grundsätzen in § 24 Abs. 1; vgl. auch Walter JR 1976 100 ff; ferner Schmidhäuser 15/94: Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Gleicheitsgrundsatz. (177)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

nicht mehr darauf berufen, seinen Tatbeitrag rückgängig gemacht zu haben, sondern er muß darüber hinaus den Eintritt der Vollendung verhindern {Lenckner Gallas-Festschrift S. 299). Aber auch insoweit kommt ihm § 24 Abs. 2 Satz 2 zugute, da unter den dort genannten Voraussetzungen (die Tat wird ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen) nicht die Verhinderung der Tat erforderlich ist, sondern das ernsthafte Bemühen um sie genügt 145. 158

Bereits aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 folgt, daß der Rücktritt nur dem Tatbeteiligten zugute kommt, der in eigener Person zurücktritt (BGHSt. 4 172, 179; RGSt. 56 209, 211; 14 19, 24); das gilt unabhängig davon, ob man die Rücktrittsregelung als persönlichen Strafaufhebungsgrund oder als Entschuldigungsgrund (vgl. oben Rdn. 21 f) begreift. Derjenige Teilnehmer, der nicht selbst freiwillig zurücktritt, wird durch den Rücktritt des Haupttäters oder eines anderen Teilnehmers nicht straffrei (RGSt. Al 358, 361 ; 6 341, 343; 3 249), doch reicht es aus, wenn ein Beteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen einverstanden ist (RGSt. 20 259, 261; 55 105, 106; 56 209, 211; Dreher-Tröndle Rdn. 15). Anstifter und Gehilfen haften wegen ihrer Beteiligung an der versuchten Straftat unbeschadet der Straflosigkeit des Täters weiter. Es ist deshalb das Rücktrittsverhalten jedes einzelnen Tatbeteiligten gesondert zu würdigen. „Tatbeteiligte" in diesem Sinne sind Mittäter, Anstifter und Gehilfen. Der mittelbare Täter ist nicht Tatbeteiligter i. S. des Abs. 2. Sein Rücktritt beurteilt sich nach Abs. 1146, vgl. oben Rdn. 145. 2. Abgrenzung des Anwendungsbereichs

159

Von Bedeutung ist die Rücktrittsregelung für den Beteiligten (ebenso wie für den Einzeltäter) erst, wenn die Haupttat in das (strafbare) Versuchsstadium getreten ist, da es eines strafbefreienden Rücktritts nur bedarf, soweit es um die Beteiligung an einem schon verwirklichten und nach allgemeinen Grundsätzen der Teilnahme zurechenbaren Versuch der Haupttat geht. Da die Vorbereitung grundsätzlich straflos ist, entsteht erst mit dem Übergang in das Versuchsstadium für den Beteiligten eine Situation, in der er sich durch einen Rücktritt Straffreiheit von einem an sich strafbaren (bzw. strafbar gewordenen) Vorverhalten verdienen muß (vgl. Lenckner Gallas-Festschrift S. 290).

160

Die Fälle, in denen es entweder überhaupt nicht zu einem strafbaren Versuch der Tat kommt oder in denen es an der Kausalität des Tatbeitrags des Teilnehmers für den Versuch der Tat fehlt (der Beteiligte hat vor Versuchsbeginn keinen fortwirkenden oder noch wirksam werdenden Tatbeitrag erbracht oder diesen Tatbeitrag bis zu diesem Zeitpunkt neutralisiert, so daß er sich nicht mehr auswirkt) fallen nicht unter § 24 Abs. 2 (ζ. B. Nichtbenennung eines Zeugen nach vorheriger Aufforderung, für den Fall seiner Vernehmung eine Falschaussage zu machen, BGHSt. 4 200 f; die Ehefrau bringt ihren Mann nicht an den Ort, an dem dieser getötet werden soll, BGH GA 1974 243). Insoweit handelt es sich um „versuchte Beteiligung", die von der „Beteiligung am Versuch" zu unterscheiden ist (vgl. dazu vor § 22

145 Vgl. Lackner Anm. 7 a; Grünwald Welzel-Festschrift S. 704 f mit weit. Nachw.; vgl. auch v. Scheurl S. 119, 144 und unten Rdn. 178 ff, 187 ff. 146

Α. A. Preisendanz Anm. 7; Maurach-Gössel-Zipf Eser Rdn. 106; Dreher-Tröndle Rdn. 17.

AT 2 § 50 III C; vgl. auch

Sch.-Schröder(178)

Rücktritt (Vogler)

§24

Rdn. 96). Bei der versuchten Teilnahme ist schon die Teilnahmehandlung gescheitert, während beim Rücktritt des Tatbeteiligten die Teilnahme am Versuch durchaus erfolgreich gewesen ist, nicht zur Vollendung gekommen ist die Haupttat selbst. Die versuchte Teilnahme ist schon nach allgemeinen Grundsätzen — soweit nicht § 30 eingreift — straflos. Deshalb braucht der Tatbeteiligte, der seinen Tatbeitrag im Vorbereitungsstadium geleistet hat und noch vor Beginn der Tatausführung „zurücktritt", nicht die besonderen Rücktrittsvoraussetzungen des § 24 Abs. 2 zu erfüllen, um straffrei zu bleiben {Lenckner Gallas-Festschrift S. 282; a. A. Haft JA 1979 310). Es genügt, daß er sich von der Tat absetzt, gleichgültig ob freiwillig oder unter Zwang, um Bestrafung wegen Beteiligung an der (versuchten oder vollendeten) Tat zu vermeiden 147. Soweit die versuchte Teilnahme schon als solche strafbar ist, schafft § 31 eine besondere Rücktrittsmöglichkeit 148 . Nicht unter die Rücktrittsregeln fallen auch die Sachverhalte, in denen der Be- 161 teiligte seinen zunächst geleisteten Beitrag noch im Vorbereitungsstadium derart unschädlich macht, daß sein Beitrag zwar für den Versuch, aber nicht mehr für die Vollendung wirksam werden kann. In diesen Fällen hat der Tatbeteiligte zwar seinen Beitrag zunächst mit Vollendungsvorsatz geleistet und dieser geht auch noch in eine Haupttat ein, die das Stadium des strafbaren Versuchs erreicht, doch bewirkt der Teilnehmer durch seine Rücknahmehandlung ein Ergebnis, das dem beim agent provocateur entspricht. Auch dieser bleibt straffrei, obwohl die von ihm provozierte Tat die Grenze zum strafbaren Versuch überschreitet (dazu § 22 Rdn. 5). Entsprechendes gilt, wenn der Teilnehmer seinen Vollendungsvorsatz noch im Vorbereitungsstadium aufgibt und seinen Tatbeitrag jedenfalls so umgestaltet, daß eine Vollendung ausgeschlossen istl49. Gleichgültig ist, ob der Tatbeitrag von Anfang an keine Wirksamkeit in der Vollendung des Delikts entfalten konnte (Verschaffen eines untauglichen Abtreibungsmittels) oder ob der Beteiligte den ursprünglich wirksamen Tatbeitrag später, aber vor Versuchsbeginn unschädlich gemacht hat (Vertauschen des wirksamen mit einem unwirksamen Abtreibungsmittel; vgl. Otto JA 1980 708). Da es sich in diesen Fällen nicht um eine Frage des Rücktritts handelt, kommt es auf die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 nicht an. Ob das Verhalten des Beteiligten auf Freiwilligkeit beruht oder nicht, spielt deshalb keine Rolle (Lenckner Gallas-Festschrift S. 284). Weil es sich um eine Frage des Teilnehmervorsatzes handelt, wirkt auch der Irrtum des Teilnehmers über die Wirksamkeit des Tatbeitrags entlastend (vgl. Lenckner Gallas-Festschrift S. 284, in Betracht kommt aber Strafbarkeit wegen fahrlässiger Erfolgsverursachung). Von der Rücktrittsregelung werden auch die Fälle nicht erfaßt, in denen der Tä- 162 ter sich vergebens bemüht, seine im Vorbereitungsstadium geleisteten Beiträge rückgängig zu machen. Von „Rücktrittsbemühungen" kann schon deshalb keine Rede sein, weil Rücktritt erst nach Versuchsbeginn in Frage kommt. Wird die Tat unter Fortwirkung des Beitrags des Beteiligten begangen und vollendet, stellt sich die Frage, ob ihm trotz seiner Bemühungen, seinen Tatbeitrag zu neutralisieren, die vollendete Tat zugerechnet werden kann. Der BGH hat die Frage bejaht in einem Fall, in dem die Täter einen Überfall auf eine Bank verabredet und vorbereitet hatten, ein Beteiligter jedoch kurz vor Tatausführung Bedenken bekam und — aller147 BGHSt. 28 346, 347; RGSt. 47 358, 359 f; 54 177, 178; Lenckner Gallas-Festschrift S. 282, 283; Grünwald Welzel-Festschrift S. 706; Lackner Anm. 7 c; RudolphiSK Rdn. 31. 148 Vgl. dazu Bottke Rücktritt vom Versuch der Beteiligung nach § 31 StGB (1980). 149 Lenckner Gallas-Festschrift S. 284 f ; Otto JA 1980 708 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 83. (179)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

dings vergebens — noch einen anderen Tatbeteiligten von dem Plan abzubringen versucht hatte (BGHSt. 28 346). Zunächst stellt der BGH zutreffend fest, daß es auf die Rücktrittsvoraussetzungen des § 24 Abs. 2 nicht ankommt, weil das Stadium der Vorbereitung noch nicht überschritten war, als der Beteiligte die Tat nicht mehr wollte und sich bemühte, einen anderen Beteiligten vom Tatvorhaben abzubringen. Da der vom Beteiligten auf der Grundlage gemeinsamen Wollens der Tatbestandsverwirklichung geleistete Beitrag seine Bedeutung nicht dadurch verlor, daß er sich entschloß, an der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung nicht teilzunehmen, stand seine Haftung für die vollendete Tat f e s t l 5 0 . Fraglich konnte nur sein, ob der Beteiligte als Täter oder Gehilfe haftet. Nach Ansicht des BGH soll es dafür maßgebend darauf ankommen, ob er die Tat als „eigene" oder „fremde" wollte; der Umstand, daß das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung, die Durchführung und der Ausgang der Tat nicht mehr vom Willen des Tatbeteiligten abhingen, könne zwar nichts an der inneren Einstellung ändern, mit welcher er seine Tatbeiträge erbracht habe, aber bei einer wertenden Betrachtung könne nicht außer Betracht bleiben, daß die Einstellung des Beteiligten das Stadium der Vorbereitung nicht überdauert h a b e ' 5 1 . Daß sich die Art der Tatbeteiligung bei Wegfall subjektiver Voraussetzungen infolge Lossagens von der Tat vor Herbeiführung der Vollendung ändern kann, dürfte kaum zweifelhaft s e i n 152. Darüber hinaus sollte — wenn der Tatbeteiligte sich im Vorbereitungsstadium von der Tat abgesetzt hat — allgemein mittäterschaftliche Haftung auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen der Tatbeteiligte seinen arbeitsteilig erbrachten Tatbeitrag, auf dem sodann das weitere Geschehen aufbaut, schon vollständig im Vorbereitungsstadium geleistet h a t l 5 3 . im Falle BGHSt. 28 346 würde danach nur eine Bestrafung wegen Beihilfe in Betracht kommen. Weder Täterschaft noch Beihilfe, sondern Bestrafung wegen Verbrechensverabredung (§ 30 Abs. 2) nimmt Backmann JuS 1981 342 mit nicht stichhaltiger Begründung an. 163

Die Haftung für die vollendete Tat, sei es als Täter oder als Gehilfe, ist dann problematisch, wenn der „Zurücktretende" sich vor Beginn der tatbestandsmäßigen Handlung bemüht, den Täter oder Mittäter von der Tat abzubringen, der andere scheinbar auf den Umstimmungsversuch eingeht, in Wahrheit aber am Tatplan festhält und bei der Realisierung aus dem vom „Rücktrittswilligen" geleisteten Tatbeitrag Nutzen zieht. Rechtsprechung! 54 u n d Literaturl 55 nehmen auch hier Strafbarkeit wegen vollendeter Tat an. Nur falls die Tat im Versuchsstadium steckenbleibe, könne der Teilnehmer in analoger Anwendung von Satz 2 1. Alt. straflos sein (Sch.-

150 Vgl. RGSt. 54 177, 178; 55 105, 106; 59 412, 413; 73 52, 60; BGHSt. 11 268, 272; BGH NJW 1956 30, 31 ; BGH NJW 1951 410; Lackner Anm. 7 b; Lenckner Gallas-Festschrift S. 283 Anm. 7, 286, 289/290; Rudolphi SK Rdn. 33 f; Schmidhäuser 15/97; Preisendanz Anm. 7d; differenzierend Küper JZ 1979 781 f Fn. 68. 151 BGHSt. 28 346, 349 unter Berufung auf den Hinweis von Lenckner Gallas-Festschrift S. 286 Anm. 16, daß auch der Mittäter jedenfalls wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar bleibe, wenn er weiß, daß die Tat von den anderen unter Benutzung seines Tatbeitrags begangen wird. 152 Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 77: Wegfall der Zueignungsabsicht und damit (mit-)täterschaftlichen Handelns bei Fortbestehen der Ursächlichkeit für die Wegnahmehandlung. 153 Otto JA 1980 709; noch weitergehend Rudolphi SK Rdn. 31, der Mittäterschaft bei bloßer Mitwirkung im Vorbereitungsstadium mangels Tatherrschaft grundsätzlich ausschließt. 154 RGSt. 47 358, 361 f; 55 105, 106; RG HRR 1933 1898; BGHSt. 28 346, 348. 155 Lenckner Gallas-Festschrift S. 289 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 81. (180)

Rücktritt (Vogler)

§24

Schröder-Eser Rdn. 81). Zur Begründung wird auf den Haupttäter, der sich noch im Versuchsstadium erfolglos um die Verhinderung der Folgen seines Tuns bemüht, hingewiesen. Dieser Hinweis rechtfertigt es jedoch nicht, auch dem nur im Vorbereitungsstadium tätig gewordenen, vom Haupttäter bewußt getäuschten Teilnehmer das Risiko dafür aufzubürden, daß sein Beitrag für die Verwirklichung der Haupttat mitursächlich wird. Immerhin hat es der Haupttäter im Vergleichsfall bis zum Versuchsstadium kommen lassen, während sich beim Beteiligten in der hier in Frage stehenden Fallgruppe „alles noch im Vorfeld des Angriffs auf das Rechtsgut abspielt, in einem Zeitpunkt also, in dem der Tatbeitrag des Beteiligten noch nicht eigentlich gefährlich geworden ist" 156. in diesem Stadium muß es genügen, wenn der Beteiligte überzeugt sein durfte, daß die Tat infolge seiner Bemühungen nicht geschehen werde 1 57 . Vom Ausgangspunkt her, daß es sich hier nicht um die spezielle Rücktrittsproblematik handelt, da es im Zeitpunkt des „Rücktritts" noch nicht zu einem strafbaren Versuch gekommen ist, ist die strenge Erfolgshaftung wie bei Tatbeiträgen im Versuchsstadium nicht gerechtfertigt. (Daß die irrige Annahme der Rücktrittsvoraussetzungen nicht einem Tatbestandsirrtum gleichkommt — vgl. oben Rdn. 116 —, steht dazu nicht in Widerspruch, weil es mangels Versuchs nicht um „Rücktritt" geht.) Dem Tatbeteiligten sollte zugute kommen, daß es sich aus seiner Sicht bei der Tat um einen Exzeß des Haupttäters handelt und hinsichtlich des Erfolgseintritts für ihn eine (wesentliche) Abweichung im Kausalverlauf vorliegt. Kommt deshalb nur eine Versuchsbestrafung in Betracht, so ist Raum für die (analoge) Anwendung von Satz 2 1. Alti 5 8 . Mit dieser Lösung wird auch die unerfreuliche prozessuale Konsequenz ausgeräumt, daß die Einlassung des Täters über die Strafbarkeit oder Straflosigkeit des Teilnehmers entscheidet (vgl. v. Scheurl S. 85). Dasselbe hat für die Fälle zu gelten, in denen der Tatbeteiligte im Vorbereitungs- 164 stadium zwar einen Tatbeitrag erbringt, aber davon ausgeht, daß sein Beitrag noch nicht ausreicht, um die Haupttat auszuführen, sondern daß noch weitere Mitwirkungshandlungen dazu erforderlich sind. Die Gleichstellung mit dem Alleintäter im Falle des unbeendeten Versuchs (Erfolgseintritt, obwohl der Täter glaubt, noch nicht alles Erforderliche getan zu haben, vgl. oben Rdn. 151) ist auch hier nicht gerechtfertigt, weil sich das Geschehen noch im Vorbereitungsstadium abspielt (a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 82). Hält der Beteiligte seinen Tatbeitrag noch nicht für ausreichend und ergänzungsbedürftig, so ist die Begehung der Tat ohne seinen Beitrag für ihn eine wesentliche Abweichung im Kausalverlauf, sofern er von seiner Mitwirkungsbedürftigkeit überzeugt war. Rechnet er jedoch damit, daß sein Tatbeitrag ergänzt und dadurch möglicherweise für die Haupttat mitursächlich wird, kann von einer solchen Beteiligung nur nach den Regeln des Abs. 2 zurückgetreten werden, falls es tatsächlich zum Versuch kommt (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 82).

156

Lenckner Gallas-Festschrift S. 288, der sich allerdings für eine Milderung des bei Rücktritt vom Versuch vielleicht noch berechtigten Prinzips der strengen Erfolgshaftung nur dann ausspricht, wenn der Tatbeteiligte glaubt, durch seinen „Rücktritt" im prinzipiell straflosen Vorbereitungsstadium die Tatausführung bzw. die Fortwirkung seines Tatbeitrags unmöglich gemacht zu haben. 157 Vgl. Backmann JuS 1981 339, der unter dem Gesichtspunkt der „Gefahrherrschaft" darauf abstellt, ob der Tatbeitrag bei vorausschauender Betrachtungsweise schon die abschließende Gefahr der Begehung der Haupttat enthält. 158 Für den Fall, daß die Haupttat nur versucht wird, ebenso Sch.-Schröder-Eser Rdn. 82.

(181)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

3. Rücktrittsmöglichkeiten für den Teilnehmer 165

Der Anwendungsbereich des § 24 Abs. 2 gewinnt Bedeutung somit für den Beteiligten erst in den Fällen, in denen die Haupttat in das Versuchsstadium getreten ist und der ursprünglich mit Vollendungswillen geleistete Tatbeitrag im Versuch der Haupttat wirksam geworden ist. Im Rahmen des Rücktritts bei Tatbeteiligung mehrerer kommt es nicht mehr darauf an, ob der Versuch beendet oder unbeendet ist (vgl. oben Entstehungsgeschichte und Rdn. 153 0 , da der Beteiligte Straffreiheit stets nur durch Erfolgsverhinderung bzw. das ernsthafte Bemühen darum erlangen kann. Die früher übliche Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch ist insoweit gegenstandslos geworden 159. Sobald der Versuch der Haupttat nach allgemeinen Teilnahmeregeln dem Tatbeteiligten objektiv und subjektiv zuzurechnen ist, trägt er grundsätzlich das Risiko f ü r die Verhinderung der Vollendung der Haupttat. a) Rücktritt vom erfolgsgeeigneten Versuch (Absatz 2 Satz 1) durch Verhinderung der Tatvollendung

166

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1, der § 24 Abs. 1 Satz 1 entspricht, erlangt der Tatbeteiligte Straffreiheit, wenn er die Deliktsvollendung freiwillig verhindert. In objektiver Hinsicht setzt die Vorschrift die Nichtvollendung der Haupttat durch ein kausales RUcktrittsverhalten des Tatbeteiligten voraus. Auf welche Weise er die Vollendung verhindert, ist gleichgültig; entscheidend ist allein, daß die Haupttat durch sein Verhalten nicht zur Vollendung kommt. Subjektiv ist Freiwilligkeit erforderlich (vgl. dazu oben Rdn. 82 ff, 124 ff).

167

Der Tatbeteiligte muß dafür sorgen, daß das Delikt in der geplanten Form von den anderen Beteiligten endgültig nicht mehr ausgeführt werden kann 160. Dazu kann die Beseitigung des bereits geleisteten Tatbeitrags genügen, wenn dadurch zugleich die Vollendung der Tat unmöglich gemacht wird. Der Teilnehmer läßt sich ζ. B. das zur Ö f f n u n g des Tresors erforderliche Einbruchswerkzeug nach Tatbeginn zurückgeben 161. Die Neutralisierung des bisherigen Tuns stellt in diesen Fällen zugleich das Mittel dar, mit dem er die Vollendung v e r h i n d e r t ^ . Der Anstifter kann die Kausalität seines Beitrags grundsätzlich nur durch Verhinderung der Tatvollendung b e s e i t i g e n ^ , indem er ζ. B. den Haupttäter noch vor Erreichen des Taterfolgs umstimmt, so d a ß dieser seinen Tatentschluß fallen läßt und es nicht mehr zur Vollendung kommtl64. Bleibt der Beteiligte untätig in der irrigen Annahme, d a ß

159 Vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 3 b; Preisendanz Anm. 7; Rudolphi SK Rdn. 32; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 86; a. A. wohl Schilling S. 112 f. 160 Vgl. RGSt. 59 412, 413 ; BGH NJW 1956 30; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 b. 161 Dreher-Tröndle Rdn. 16; Lenckner Gallas-Festschrift S. 297; Preisendanz Anm. 7 c; vgl. auch Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 b. 162 Lenckner Gallas-Festschrift S. 297; so schon RGSt. 47 361 ; 59 412, 413; BGH NJW 1956 30 f; Grünwald Welzel-Festschrift S. 704; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 89; Dreher-Tröndle Rdn. 16; ähnlich Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 3 a. 163 Vgl. Dreher-Tröndle Rdn. 16; RGSt. 20 259, 261; 56 209, 210; 70 293, 295; krit. Haft JA 1979 312. 164 Vgl. RGSt. 47 361; 56 209, 210; 70 293, 295; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 88; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 b; Jescheck § 51 VI 3; Dreher-Tröndle Rdn. 16; vgl. auch BGH 2 StR 680/77 v. 19. 4. 1978: Durch Zuruf werden die anderen von der Tat abgehalten; zust. Dreher-Tröndle Rdn. 16. (182)

Rücktritt (Vogler)

§24

auch die anderen Beteiligten zurücktreten, so ist dieser Irrtum unbeachtlich (Dreher- Tröndle Rdn. 16 unter Bezugnahme auf BGH 2 StR 413/64 v. 30.10.1964 und RGSt. 55 105,106). Der Rücktritt ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Zurücktretende sich 168 zum Zwecke der Erfolgsverhinderung der Hilfe Dritter bedient, beispielsweise die Polizei noch rechtzeitig vor Eintritt des Taterfolgs zum Tatort ruft oder eine Falschaussage noch rechtzeitig berichtigt (vgl. RGSt. 62 405, 406; BGHSt. 4 172, 179; Jescheck § 51 VI 3; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 b). Der Tatbeteiligte, dem die ins Versuchsstadium getretene Haupttat zuzurechnen 169 ist, muß im Regelfall durch aktive Gegentätigkeit die Vollendung des Delikts verhindern, ζ. B. der Beteiligte an einem Betrugsversuch klärt vor Eintritt des Vermögensschadens die getäuschte Person über den wahren Sachverhalt auf 165 . Dafür spricht auch der Wortlaut des § 24 Abs. 2, der auf einer Erfolgsverhinderung durch aktives Täterverhalten abzustellen scheint, wie es für den Rücktritt des Haupttäters vom beendeten Versuch in § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. typisch ist. Gleichwohl kann auch das bloße Unterlassen als Rücktrittsverhalten ausreichen 166, sofern es den Nichteintritt des Erfolges bewirkt. Anderenfalls könnte ein Tatbeteiligter, der durch die bloße Untätigkeit die Vollendung der Tat verhindern kann, durch diese Untätigkeit allein nicht strafbefreiend zurücktreten^. Stellt der Teilnehmer die Lieferung weiterer Giftmengen, die der Täter sich auf einem anderen Wege nicht beschaffen kann, nach Versuchsbeginn (zu dem Fall, daß die Lieferungen schon im Vorbereitungsstadium eingestellt werden, vgl. oben Rdn. 164) ein, so ist er freiwillig nach Abs. 2 Satz 1 zurückgetreten, wenn es deshalb nicht zur Vollendung der Tat kommtl68. Verkennt allerdings der Zurücktretende, daß die bereits gelieferte Menge zur Tötung ausreichend ist, scheidet Rücktritt aus 169. Für einen strafbefreienden Rücktritt reicht es aus, daß ein Tatbeteiligter mit dem 170 die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen einverstanden ist (RGSt. 20 259, 261; 55 105; 56 209, 211; Dreher-Tröndle Rdn. 15). Anderenfalls könnte bei einem wirksamen Rücktritt des Haupttäters, der bereits zur Erfolgsverhinderung führt, der ebenfalls rücktrittswillige Gehilfe gar nicht zurücktreten. Die Rechtsprechung verlangt in derartigen Fällen allerdings eine Übereinstimmung der Willensrichtungl70. Beschränkt sich der Täter, der seinen Tatentschluß aufgegeben hat, darauf, seinem Mittäter das für dessen Einsatz vereinbarte Zeichen nicht zu geben

165 Vgl. RGSt. 38 223, 225; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 b; Dreher-Tröndle Rdn. 16. 166 Vgl. Lenckner Gallas-Festschrift S. 295 f; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 89; v. Scheurl S. 77 f, 121 ff mit weit. Nachw. 167 Otto JA 1980 709; Maurach-Gössel-Zipf KT 2 § 50 III C 3 a; Stratenwerth Rdn. 844; im Ergebnis ebenso Lenckner Gallas-Festschrift S. 295 Anm. 39 und v. Scheurl S. 77 f, die eine analoge Anwendung der Vorschrift befürworten. 168 Vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 3 a; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 89; v. Scheurl S. 123 ff; Stratenwerth Rdn. 844; früher bereits Schröder MDR 1949 716. 169 Vgl. Otto JA 1980 709. Straflosigkeit könnte nur dadurch erzielt werden, daß auf den Unterlassungsfall § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. analog angewandt wird und auch dann nur unter der nicht haltbaren Prämisse (vgl. dazu oben Rdn. 150 f), daß das Nichtweiterhandeln vor Vollendungseintritt den Täter entlastet; vgl. dazu Lenckner Gallas-Festschrift S. 295 f Anm. 41. 170 Vgl. dazu RGSt. 56 209, 211 ; 47 358, 361 ; 55 105, 106; Otto JA 1980 710. (183)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

und greift dieser deshalb nicht ein, so ist darin ein ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat durch den Mittäter zu verhindern, nur zu sehen, wenn seine bisherige Verhaltensweise nach seiner Vorstellung geeignet war, den Mittäter ebenfalls zur Aufgabe seines Tatentschlusses zu veranlassen (BGH 3 StR 789/82 v. 16. 3. 1983). Konnte der Mittäter die Tat nach dem Tatplan gar nicht alleine ausführen, dann hat der Täter durch sein Verhalten die Vollendung verhindert. 171

Die Verhinderungspflicht des Tatbeteiligten ist auf die Tat beschränkt, die er bei Vollendung durch seinen Tatbeitrag in zurechenbarer Weise „als Tatbeteiligter" mitbewirkt haben würde. Strafbefreiender Rücktritt scheidet nur aus, wenn die vollendete Tat mit der ursprünglichen Tat, an deren Versuch er beteiligt war, identisch ist. Das bloße Ausscheiden eines Tatbeteiligten ändert an der Identität der Tat nichts, gleichgültig, ob der Tatbeitrag ersatzlos wegfällt oder die anderen Tatgenossen den Tatbeitrag selbst übernehmen (ist in dem vollendeten Delikt allerdings nichts mehr enthalten, was auf den früheren Tatbeitrag zurückgeht, ist der Teilnehmer nur wegen Versuchs strafbar, vgl. dazu unten Rdn. 190 a. E.). Andererseits fehlt es an der Tatidentität, wenn die anderen Tatgenossen aufgrund des Ausscheidens des Teilnehmers den Tatplan aufgeben und die Tat später aufgrund eines neuen Tatentschlusses a u s f ü h r e n 171. Der Teilnehmer haftet für die neue Tat selbst dann nicht, wenn er weiß, daß die anderen ihr Vorhaben nicht endgültig aufgegeben haben.

172

Aber nicht jede Umplanung aufgrund des Ausscheidens des Tatbeteiligten macht die Tat zu einer anderen. Damit stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Einheit der Tat zu bestimmen isti 7 2 . Die überwiegende Meinung will auf die Regeln der Handlungseinheit oder -mehrheit abstellen 173. Im Falle einer natürlichen 174 Handlungseinheit sei Tatidentität gegeben.

173

Ein sicherer Maßstab ist damit aber nicht gewonnen, weil der Begriff der natürlichen Handlungseinheit selbst umstritten ist und unterschiedlich weit oder eng ausgelegt wird (vgl. dazu Vogler LK vor § 52 Rdn. 9, 13). Es hat deshalb nicht an Bemühungen gefehlt, den Maßstab durch zusätzliche Kriterien zu präzisieren. So wird über einen bloß räumlich-zeitlichen Zusammenhang hinaus die Gleichartigkeit von Angriffsobjekt und Ausfuhrungsweise gefordert (Küper, Grünwald). Übereinstimmung besteht weitgehend darüber, daß eine wertende Betrachtungsweise maßgeblich sein müsse, bei der die zeitlich-räumliche Kontinuität des deliktischen Vorgehens, aber auch die Identität des Angriffsobjekts und die Vergleichbarkeit der Angriffsweise wertend zu beurteilen seien (Otto JA 1980 710). Aufgrund einer wertenden Betrachtung könne Tatidentität und damit die Haftung des Beteiligten selbst dann bejaht werden, wenn sich die Tat bei wesentlicher Änderung der Tatmodalitä171 BGH NJW 1956 31; BGH bei Dallinger M D R 1966 23; Schröder M D R 1949 716; a. A. v. Scheurl S. 84 ff. 172 Küper JZ 1979 779: „Ein durchaus offenes und kaum in Angriff genommenes Problem"; vgl. dazu auch Grünwald Welzel-Festschrift S. 714; Haft JA 1979 310; v. ScheurlS. 120. 173 Lenckner Gallas-Festschrift S. 303; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 91; Küper JZ 1979 779 f; Stratenwerth Rdn. 711 ; zurückhaltender Grünwald Welzel-Festschrift S. 714, der zwar von „Berührungspunkten" spricht, aber eine Gleichsetzung ablehnt; a. A. Haft JA 1979 310. 174 Für die „rechtliche" Handlungseinheit (fortgesetzte Tat) soll das allerdings nicht gelten, weil es sich verbiete, mit Hilfe dieser aus Praktikabilitätserwägungen künstlich geschaffenen Figur den gesetzlichen Tatbegriff zum Nachteil des Täters bzw. Beteiligten zu erweitern, Lenckner Gallas-Festschrift S. 304. (184)

Rücktritt (Vogler)

§24

ten gegen dasselbe Opfer richtet (ζ. B. gewaltsames Einbrechen einer Tür statt des zuvor geplanten Einsteigens, vgl. Otto JA 1980 710). Als äußerste Grenze wird übereinstimmend anerkannt, daß eine neue Tat vor- 174 liegt, wenn sie sich als Exzeß des Tatausfiihrenden darstellt!? 5 . Letztlich sind damit die allgemeinen Teilnahmegrundsätze für die Beantwortung der Identitätsfrage maßgebend. Deshalb kommt es im Einzelfall entscheidend auf die Art der Beteiligung und die Konkretisierung durch den Tatplan an. Bei der Anstiftung und Beihilfe können die Grenzen weitergezogen werden als bei der Mittäterschaft, weil Anstifter und Gehilfe regelmäßig die Einzelheiten der Tatausführung dem Täter anheimstellen. Nach dem Tatplan ist jeweils im konkreten Fall zu entscheiden, in welchem Maße es für die Beteiligung an der Haupttat auf eine genaue Konkretisierung der Haupttat nach Zeit, Ort und Angriffsobjekt und -modalität ankommt, und ob demnach die Weiterführung der Tat durch den Haupttäter noch vom Vorsatz des Tatbeteiligten gedeckt ist. Der für den Rücktritt erforderliche Verhinderungswille ist auf die durch den Tatplan konkretisierte Tat zu beziehen. Da es sich bei der Identitätsfrage um ein allgemeines Rücktrittsproblem handelt 175 (Lenckner Gallas-Festschrift S. 301; Küper JZ 1979 779), kann auch auf die in anderem Zusammenhang entwickelten Lösungsansätze zurückgegriffen werden. Auch beim Rücktritt des Alleintäters geht es darum, ob (und wann) das geplante spätere Verhalten mit dem bisherigen noch eine „einheitliche Tat" bildet oder ob es bereits eine „neue" andere Tat darstellt. Im Rahmen des § 24 Abs. 1 wird das Identitätsproblem im allgemeinen als Frage nach dem erforderlichen Umfang der Abstandnahme von der geplanten Tat unter dem Stichwort der „Endgültigkeit" der Tataufgabe erörtert. Zwar sind eindeutige Antworten bisher auch dort nicht gefunden worden ; aber vom Standpunkt der dazu oben Rdn. 79 f vertretenen Auffassung kann als gesichert angesehen werden, daß jedenfalls die Verschiebung der Tat auf unbestimmte Zeit und der abstrakte Vorbehalt, die Tat bei geeigneter Gelegenheit weiterzuführen, keine Identitätsgrundlage darstellen, selbst wenn Tatobjekt und Modalität der Ausführung unverändert bleiben. Die Identitätsfrage stellt sich auch beim Versuch durch mehrere Tätigkeitsakte 176 (vgl. oben Rdn. 47 ff), wenn der Täter sein Handeln nicht bis zum Eintritt des Erfolgs fortsetzt, sondern seine darauf gerichtete Tätigkeit aufgibt. Die Entscheidung darüber, ob in diesen Fällen die ersten erfolglosen Versuchshandlungen einen selbständigen fehlgeschlagenen und damit nicht mehr rücktrittsfähigen Versuch darstellen oder ob die sämtlichen auf das angestrebte Ziel gerichteten Handlungen eine Einheit bilden, soll ebenfalls davon abhängen, ob die einzelnen Teilakte eine natürliche Handlungseinheit bilden (vgl. oben Rdn. 61). Die dort erhobenen Bedenken gegen die K o n k u r r e n z l ö s u n g 176 gelten allerdings auch hier. Ein zusätzliches Abgrenzungskriterium könnte dagegen der Gesichtspunkt liefern, daß zwischen dem Tatbeitrag und der später vollendeten Tat ein deliktsspezifisches Näheverhältnis bestehen muß (vgl. oben Rdn. 70). Auf dieser Grundlage wäre strafbefreiender Rücktritt des Teilnehmers immer dann zu verneinen, wenn sein Beitrag trotz der Ab-

175 Jescheck § 51 VI 3; Grünwald Welzel-Festschrift S. 713; v. Scheurl S. 120; Sch.-SchröderEser Rdn. 91 ; Rudolphi SK Rdn. 33. 176 Vgl. oben Rdn. 63 sowie den Einwand von Grünwald Welzel-Festschrift S. 714, die beiden Tatbegriffe (des Versuchs- und des Konkurrenzrechts) seien „keineswegs gleichzusetzen, da sie Rechtssätzen angehören, die ganz unterschiedliche Problemlagen betreffen". (185)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

standnahme die vollendete Tat deliktsspezifisch fortprägt. Es genügt nicht, daß „in der tatsächlich vollendeten Tat noch Voraussetzungen der ursprünglich begonnenen Tat mitenthalten sind" (so aber Sch.-Schröder-Eser Rdn. 93); maßgebend ist vielmehr, daß der Beitrag so fortwirkt, daß er zum Unrechtsgehalt auch der später vollendeten Tat „paßt". Der Beitrag muß in einer Weise in der vollendeten Tat enthalten sein, die dem vertypten Unrecht des konkreten Delikts entspricht (vgl. dazu oben § 22 Rdn. 59 ff). 177

Danach besteht jedenfalls Identität und ein strafbefreiender Rücktritt entfällt, wenn der Teilnehmer die Tat für den Augenblick verschiebt, zugleich aber eine Tätigkeit vornimmt, die es den anderen Beteiligten ermöglicht, die Tat später zu vollenden (BGH NJW 1956 30). Dasselbe gilt dort, wo die Anrufe zur Feststellung der Anwesenheit des Tatopfers trotz nachträglichem Umstimmungsversuch dem Mittäter die Tatbegehung erleichtert haben (OLG Schleswig SchlHA 1951 48), oder die Warnungen vor der Tatausführung den Mittäter nicht ernstlich umzustimmen vermochten (vgl. RG HRR 1933 1898). Tatidentität entfällt dagegen, wenn der Gehilfe am Tatort die für einen Raub hingegebene Waffe wieder zurücknimmt, es trotz seines Widerspruchs aber noch zu einem Diebstahl kommt (a. A. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 93). Zwar ist der Diebstahl im Raub enthalten, der Teilnehmer hat aber den für einen Raub deliktsspezifischen Beitrag rückgängig gemacht. Im Hinblick auf den Diebstahl kommt allenfalls eine psychische Fortwirkung der zurückgenommenen physischen Beihilfe in Betracht (vgl. dazu unten Rdn. 189 f). Zwanglos erklärt sich auch der Fall, daß einer der Mittäter nach Abbruch des geplanten Diebstahlsversuchs die Gelegenheit zu einer Vergewaltigung ausnutzt (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 93). Die Unterstützung des Diebstahls entspricht nicht dem Unrecht des konkret verwirklichten Delikts. Ist der Teilnehmer für die Verhinderung des Diebstahls ursächlich geworden, liegt insoweit strafbefreiender Rücktritt vor.

b) Rücktritt beim aussichtslosen Versuch (Absatz 2 Satz 2 1. Alt.) durch Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung 178 Nach § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Alt genügt bei Nichtvollendung der Tat ohne Zutun des Beteiligten dessen freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, um Straffreiheit zu erlangen. Wie § 24 Abs. 2 Satz 1 setzt die Vorschrift objektiv voraus, daß der Erfolg nicht eintritt. Im Gegensatz zu Satz 1 werden hier die Fälle erfaßt, in denen die Ursächlichkeit des Tatbeitrags für die Vollendung der Tat schon aus anderen Gründen als der Erfolgsverhinderung durch den Beteiligten entfällt. Da es auf einen Ursachenzusammenhang zwischen Rücktrittsbemühen und Nichtvollendung der Tat nicht ankommt, kann dahingestellt bleiben, aus welchem Grund die Tatvollendung ausgeblieben ist (vgl. Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III c 4 b; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 95). 179

Die Vorschrift erfaßt insbesondere untaugliche und fehlgeschlagene Versuchshandlungen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt war (ζ. B. Versuch mit untauglichen Mitteln) oder ob der Taterfolg durch das Einwirken anderer Kräfte ausbleibt, wie ζ. B. durch erfolgreiches Abwehrverhalten des Opfers selbst (vgl. Dreher-Tröndle Rdn. 14, 16; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 94). Daneben kommen auch die Fälle in Betracht, in denen die Vollendung durch den Rücktritt eines anderen Beteiligten verhindert wird (vgl. RGSt. 56 209, 212; Dreher-Tröndle Rdn. 16). Während dann der Teilnehmer, der durch seinen freiwilligen Rücktritt die Tatvollendung verhindert, nach § 24 Abs. 2 Satz 1 straflos bleibt, erlangen Teilnehmer, deren Rücktrittsbemühungen für die Vermeidung des (186)

Rücktritt (Vogler)

§24

Taterfolgs nicht mehr ursächlich werden können, über § 24 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. Straffreiheit. An die Stelle der kausalen Erfolgsverhinderung (Absatz 2 Satz 1), die beim aus- 180 sichtslosen Versuch schlechterdings ausscheidet, treten zusätzliche Anforderungen auf der subjektiven Seite. Wenn der Beteiligte schon objektiv nicht für die Verhinderung der Vollendung ursächlich werden kann, wird ihm subjektiv freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung abverlangt. Dazu ist grundsätzlich erforderlich, daß der Täter aktiv Gegenmaßnahmen ergreift; die bloße innere Abstandnahme von der Tat reicht nicht aus. Er muß die Handlungsreihe, die den Erfolg abwenden soll, bereits in einer Weise in Gang gesetzt haben, die sein Vorhaben nach außen hin eindeutig erkennen läßt (BGH NJW 1973 632 f zu § 46 Nr. 2 a. F.). Die Gegenmaßnahmen müssen darauf gerichtet sein, die Tatvollendung zu ver- 181 hindern. Insofern sind die Anforderungen gegenüber der früheren Rechtslage (vgl. oben Rdn. 153 f) verschärft. Es genügt nicht, daß der Teilnehmer seinen Tatbeitrag rückgängig macht bzw. sich ernsthaft um die Neutralisierung seines Tatbeitrags bemüht, sondern er muß darüber hinaus sich bemühen, die Vollendung der Tat zu vereiteln (h. M.; a. A. Walter JR 1976 100 ff; dagegen Blei JA 1976 311). Allerdings kann die Rückgängigmachung des eigenen Tatbeitrags oder das ernsthafte Bemühen, ihn unschädlich zu machen, zugleich das ernsthafte Bemühen enthalten, die Vollendung der Tat zu verhindern, z. B. wenn die Vollendung der Tat durch die Neutralisierung des Tatbeitrags unmöglich wird oder der Teilnehmer davon ausgeht, dem Täter dadurch ein Weiterhandeln unmöglich zu machen 177. insoweit gilt dasselbe wie beim Rücktritt nach Absatz 2 Satz 1 (vgl. oben Rdn. 167). Umstritten ist, welche Anforderungen an das Bemühen um Erfolgsabwendung zu 182 stellen sind, ob unter dem „ernsthaften Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern", in Absatz 2 Satz 2 dasselbe zu verstehen ist, wie beim Rücktritt vom aussichtslosen Versuch des Alleintäters nach Absatz 1 Satz 2 (vgl. dazu oben Rdn. 139 f). Während z. T. die Auffassung vertreten wird, der Teilnehmer müsse ähnlich wie der Alleintäter in Absatz 1 Satz 2 alles tun, was in seinen Kräften steht und was ihm zur Abwendung der Vollendung notwendig und geeignet erscheint (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 103), will eine andere Ansicht das ernsthafte Bemühen um die Verhinderung der Vollendung anders auslegen als in § 24 Abs. 1 Satz 2 beim Rücktritt des Alleintäters. Hinsichtlich der über die (vermeintliche) Unschädlichmachung des Tatbeitrags hinausgehenden Verhinderung der Vollendung reiche es aus, wenn der Teilnehmer eine auf sie abzielende Handlung vornehme, selbst wenn er danach deren Scheitern e r k e n n e 1 7 8 . Dahinter steht das Bestreben, die Anforderungen an die Rücktrittsvoraussetzungen so zu mindern (Grünwald Welzel-Festschrift S. 717), daß sie in möglichst vielen Fällen erfüllt sind, um die als ungerechtfertigte Härte empfundene gesetzliche Erschwerung des Rücktritts des Tatbeteiligten abzuschwächen. Zur Begründung wird auf die unterschiedliche Funktion hingewiesen, die das Bemühen um Tatverhinderung im Falle des Alleintäters einerseits und nach Absatz 2 andererseits habe. Nach Absatz 1 Satz 2 trete das Bemühen an die Stelle der tatsächlichen Erfolgsverhinderung, die der Täter wegen der Aussichts-

177 LencknerGallas-Festschrift S. 297; Preisendanz Anm. 7 c; Rudolphi SK Rdn. 34. 178 Grünwald Welzel-Festschrift S. 718; Lenckner Gallas-Festschrift S. 299; Rudolphi Rdn. 35. (187)

SK

§24

2. Abschnitt. Die Tat

losigkeit des Versuchs nicht bewirken könne. Dem entspreche in Absatz 2 Satz 2 das Bemühen um Rückgängigmachung des Tatbeitrags. Das Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung trete zu der (vermeintlichen) Unschädlichmachung des Tatbeitrags als zusätzliches Moment hinzu. Deshalb sei es gerechtfertigt, das ernsthafte Bemühen in Absatz 2 anders als in Absatz 1 auszulegen. 183 Die Meinungen sind indessen nicht so weit auseinander, wie es zunächst erscheint. Der Meinungsstreit betrifft zum einen nicht das Bemühen um die (vermeintliche) Unschädlichmachung des im Versuch wirksam gewordenen Tatbeitrags. Das Bemühen, den eigenen Tatbeitrag unschädlich zu machen, entspricht dem Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung des Alleintäters nach Absatz 1 Satz 2. So wie dieser muß auch der Teilnehmer alles tun, was ihm zum Rückgängigmachen seines Tatbeitrags geeignet und erforderlich erscheint; notfalls muß er auch andere oder geeignetere Schritte unternehmen, wenn er erkennt, daß sein bisheriges Bemühen aussichtslos war (Grünwald Welzel-Festschrift S. 718; vgl. dazu im einzelnen oben Rdn. 139). Zum anderen sind von dem Meinungsstreit nicht die Fälle betroffen, in denen der Beteiligte ein völlig irreales Mittel benutzt. Wenn auch die Art und Geeignetheit der zur Vollendungsverhinderung erforderlichen Maßnahme grundsätzlich aus der Sicht des Zurücktretenden zu beurteilen ist (Grünwald WelzelFestschrift S. 715), so reicht die Benutzung eines völlig irrealen Mittels doch nicht als ernsthaftes Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung aus. Der „abergläubischen" Verhinderungsmaßnahme entspricht im umgekehrten Fall der „abergläubische" Versuch. So wie dieser mangels rechtserschütternden Eindrucks keine Strafbarkeit begründet, ebensowenig kann ein nicht ernstzunehmender Verhinderungsakt den durch die Teilnahme an der versuchten Tat mitbewirkten rechtserschütternden Eindruck beseitigen (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 103). Wenn das Recht auch insofern „großzügig" sein kann, als bei Absatz 2 Satz 2 der Tatbeitrag des Rücktrittswilligen für die Vollendung jedenfalls nicht kausal wird, so erscheint es doch zweifelhaft, ob deshalb der auf die Verhinderung der Vollendung gerichtete „gute Wille" auch dann honoriert werden soll, wenn er absolut töricht ist (so Lenckner Gallas-Feschrift S. 298 Anm. 43). Die Zweifel sind schon deshalb begründet, weil sonst die Gefahr bestünde, bloßen Schutzbehauptungen zuviel Raum zu geben 179 . Wird der Begriff der abergläubischen Verhinderungsmaßnahme so eng wie bei § 23 Abs. 3 ausgelegt (vgl. dazu oben § 23 Rdn. 28 ff), besteht kein Hinderungsgrund, irrealen Verhinderungsmaßnahmen schon generell die Rücktrittsqualität abzusprechen. 184

Die Meinungsverschiedenheiten beschränken sich daher im wesentlichen auf die Frage, ob der Beteiligte, der eine nach seiner Vorstellung geeignete Maßnahme zur Verhinderung der Tatvollendung getroffen hat, sich entgegenhalten lassen muß, er habe andere aussichtsreichere Maßnahmen ergreifen können oder er habe nach Vornahme einer auf Vollendungsverhinderung abzielenden Maßnahme, wenn er deren Scheitern erkennt, zu anderen Maßnahmen greifen müssen. Zwar wird man dem Beteiligten keine gesteigerte Gewissenhaftigkeit in der Wahl seiner Mittel abverlangen können (Lenckner Gallas-Festschrift S. 297 ff), aber eine Freistellung von jeder Überlegung oder Prüfung wäre mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes kaum vereinbar. Gleichwohl dürfen die an den Alleintäter zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu oben Rdn. 139) nicht unbesehen auf die entsprechenden Bemühungen 179

Vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 103, der sich bejahendenfalls für „strengere Anforderungen" an die Ernsthaftigkeit des Bemühens ausspricht. (188)

Rücktritt (Vogler)

§24

des Beteiligten übertragen werden. Dagegen spricht die Geltung der Bemühensformel auch für die Fallgruppe der 2. Alternative des Satzes 2, bei der die Rückgängigmachung des Tatbeitrags bei Weiterhandeln der anderen Beteiligten nicht zur Tatverhinderung führt. Würde als ernsthaftes Bemühen nur anerkannt, wenn der Beteiligte alle Möglichkeiten der Vollendungsverhinderung ausschöpft, käme dem ernsthaften Bemühen nur in seltenen Fällen eine selbständige Bedeutung neben der erfolgreichen Verhinderung zu (Grünwald Welzel-Festschrift S. 717). Im Ergebnis würde das darauf hinauslaufen, entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur ein Bemühen, sondern die tatsächliche Verhinderung der hier im Gegensatz zu Absatz 1 Satz 2 möglichen Tatvollendung zu fordern (Rudolphi SK Rdn. 35). Das ernsthafte Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, scheitert deshalb — im Unterschied zum Rücktritt des Alleintäters nach Absatz 1 — nicht daran, daß der Beteiligte von mehreren geeigneten Mitteln nicht das mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit und nach dem Mißlingen eines geeigneten Mittels auch keine weiteren auf Verhinderung der Tat gerichteten Maßnahmen ergriffen hat, sofern er eine als Ergebnis seiner Überlegungen ihm geeignet und ausreichend erscheinende Maßnahme getroffen hat 180. Es genügt also nicht, daß der Beteiligte irgend etwas tut, was bei gutwilliger Betrachtung als Bemühen qualifiziert werden kann, andererseits ist nicht nur die Wahl des „richtigen" Mittels als ernsthaftes Bemühen anzuerkennen (so aber wohl Haft JA 1979 312). Insbesondere darf bei der 2. Alternative des Satzes 2 aus dem Eintritt der Vollendung nicht geschlossen werden, der Beteiligte habe sich um ihre Verhinderung nicht ernsthaft bemüht (ebenso Haft JA 1979 312). Auf die Art und Weise des Bemühens kommt es an, nicht auf dessen Ergebnis. Benutzen die anderen Tatbeteiligten den zum fehlgeschlagenen Versuch geleiste- 185 ten Tatbeitrag des Zurückgetretenen zur Begehung einer neuen strafbaren Handlung, so haftet der Beteiligte dafür nicht (RGSt. 47 358). Zur Frage der Identität zwischen versuchter und vollendeter Tat gelten im übrigen dieselben Grundsätze wie für Absatz 2 Satz 1 (vgl. oben Rdn. 171 ff). Zur Freiwilligkeit des Bemühens, die Vollendung der Tat zu verhindern, wird 186 auf die Ausführungen zu § 24 Abs. 1 (vgl. dazu oben Rdn. 82 ff, 124 ff) verwiesen. c) Rücktritt bei teilnahmeunabhängiger Tatvollendung (Absatz 2 Satz 2 2. Alt.) durch Bemühen um Verhinderung der Tatvollendung § 24 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. eröffnet für den Teilnehmer eine Rücktrittsmöglichkeit 187 trotz Vollendung der Tat. Der Grundsatz, daß strafbefreiender Rücktritt nur für Versuchstaten in Betracht kommt (vgl. oben Rdn. 1), wird dadurch nicht durchbrochen. Für den Teilnehmer geht es nur um Strafbefreiung vom Vesuch, denn die Vorschrift erfaßt nur solche Fälle, in denen eine Haftung des Teilnehmers für die vollendete Tat schon nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen ausscheidet, weil der (mit Vollendungsvorsatz geleistete) Tatbeitrag des zurücktretenden Teilnehmers zwar für den Versuch, nicht aber für die Tatvollendung kausal geworden ist. Deshalb ist zwischen der Kausalität für den Versuch als Voraussetzung dafür, daß der Beteiligte sich überhaupt wegen Versuchsteilnahme strafbar macht, und der Kausalität für die Vollendung der Tat zu unterscheiden. Daß sich die Kausalität des Tatbeitrags 180 Sch.-Schröder-Eser Rdn. 103 unter Bezugnahme auf Haft JA 1979 312, der je nach Fallgestaltung darauf abstellen will, ob der Beteiligte das durch die Beteiligung geschaffene rechtlich relevante Risiko für die Tatvollendung wieder beseitigt hat. (189)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

eines Teilnehmers auf den Versuch beschränkt, kann darin begründet sein, daß der Teilnehmer seinen ursprünglichen Tatbeitrag im Versuchsstadium gänzlich neutralisiert hatl81 oder daß sein Tatbeitrag schon durch andere von seinem Willen unabhängige Ereignisse seine Bedeutung für die Weiterführung der Tat verloren hatte (ζ. B. weil sein Tatbeitrag von den übrigen Beteiligten nicht aufgegriffen wird bzw. sich als überflüssig herausstellt; der zur Verfügung gestellte Dietrich erweist sich wegen zusätzlicher Sicherungen als ungeeignet) 182. 188

Mangels Kausalität des Tatbeitrags f ü r die vollendete Tat kommt nur eine Strafbarkeit wegen Teilnahme an der versuchten Tat in Betracht. Der Teilnehmer kann sich insoweit Straffreiheit unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 2. Alt. verdienen: Er m u ß seinen Tatbeitrag — soweit er nicht schon aus anderen G r ü n d e n für die Vollendung unwirksam ist — rückgängig machen u n d dessen Wirkung für die Tatvollendung ausschalten. Bloßes Bemühen darum genügt nicht. Mag der Teilnehmer sich auch noch so ernsthaft bemühen, die Wirksamkeit seines früheren Tatbeitrags zu beseitigen, gelingt ihm dies nicht, so scheidet Rücktritt aus u n d es liegt Beteiligung an der vollendeten Tat vorl83.

189

N u r wenn es dem Beteiligten gelingt, seinen Tatbeitrag f ü r die Vollendung unwirksam zu machen, ist die Tat „unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen". Ob die Zurücknahme physischer Tatbeiträge dazu in jedem Fall ausreicht, könnte im Hinblick auf die psychische Fortwirkung rückgängig gemachter physischer Tatbeiträge zweifelhaft erscheinen. Eine solche Fortwirkung wird selten ganz auszuschließen sein, wenn man sich f ü r die Beihilfe mit jeder Förderung der Haupttat begnügt. D a n n ließe sich ein Fortwirken des Tatbeitrags schon damit begründen, d a ß durch die Beteiligung am Versuch der Wille der anderen Tatbeteiligten zur Vollendung der Tat bestärkt worden sei (so Baumann JuS 1963 57; dagegen v. Scheurl S. 99, 111). Die Rücktrittsmöglichkeit nach Absatz 2 Satz 2 2. Alt. würde damit praktisch leerlaufen. Um dem vorzubeugen und Härten zu vermeiden, wird einschränkend darauf abgestellt, „ob der geleistete Tatbeitrag gerade im Hinblick auf die Vollendung (unter Strafwürdigkeitsgesichtspunkten) noch von einigem Gewicht war" (v. Scheurl S. 111 ; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 99).

190

Des Rückgriffs auf vage Strafwürdigkeitsgesichtspunkte bedarf es jedoch nicht, wenn man den Gesichtspunkt der Risikoverringerung berücksichtigt. Das für die Erfolgszurechnung maßgebende Prinzip der Risikoverringerung sollte es ausschließen, die bloß psychische Fortwirkung des zurückgenommenen Tatbeitrags als rechtlich relevantes Risiko der Gefahrerhöhung für den Rechtsgutsangriff aufzufassen. (Es geht hier nicht um die psychische Beihilfe als solche, sondern um die psychische Fortwirkung zurückgenommener physischer Beihilfe). Wer den Rechtsgutsangriff des Täters zwar nicht verhindern kann, aber den Angriff durch das Entziehen seiner physischen Unterstützung abschwächt oder erschwert, leistet schon objektiv keine Beihilfe zur vollendeten Tat. Es kommt deshalb nicht auf einen Vergleich mit dem Ausgang des Geschehens an, wie es sich ohne den Beitrag des Gehilfen dargestellt hätte. D a es keinen nachweisbaren Niederschlag in der äußeren Tatgestaltung 181 Für den Anstifter RGSt. 70 293, 295; für den Gehilfen RGSt. 55 105: Zurücknahme des verschafften Nachschlüssels. 182 Busch LK9 § 46 Rdn. 46; Dreher-Tröndle Rdn. 16; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 97. 183 BGHSt. 28 346, 348; RGSt. 20 259, 261; Lackner Anm. 7 b; differenzierend unter Heranziehung der sog. „Gefahrherrschaft" als zusätzliches Abgrenzungskriterium Backmann JuS 1981 336. (190)

Rücktritt (Vogler)

§24

gibt, hinge die Beantwortung dieser Frage ohnehin von der Einlassung des Täters ab, der damit über die Strafbarkeit des Beteiligten für die vollendete Tat bestimmen könnte. Auch dieser prozessuale Gesichtspunkt spricht dafür, die bloß psychische Fortwirkung eines zurückgenommenen Gehilfenbeitrags grundsätzlich nicht als Identitätsgrundlage anzuerkennen. Nimmt der Gehilfe seinen Beitrag zur Vollendung der Tat zurück, ohne sich darüber hinaus um die Verhinderung der Tatvollendung zu bemühen, so kann er nur wegen Beihilfe zum Versuch bestraft werden. Eine Haftung aus dem vollendeten Delikt kommt nicht in Betracht, weil es im Hinblick auf die bloß psychische Fortwirkung des zurückgenommenen Tatbeitrags an einer relevanten Förderung fehlt'84. Die durch den Versuch begründete Strafbarkeit entfällt nach Absatz 2 Satz 2 2. Alt. allerdings nicht, wenn der Gehilfe sich mit der Rücknahme seines Tatbeitrags trotz Vollendungsmöglichkeit begnügt. Darüber hinaus rechtfertigt der Ausschluß des Rücktritts aber nicht, einem Tatbeteiligten die Tatvollendung zuzurechnen, der nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen nicht für die vollendete Tat haften würde!85. Der Anstifter kann allerdings die Kausalität seines Beitrags grundsätzlich nur durch Verhinderung der Tatvollendung beseitigen 186. Über die — erfolgreiche — Ausschaltung der Wirksamkeit seines früher geleiste- 191 ten Tatbeitrags hinaus muß sich der Teilnehmer freiwillig und ernsthaft — wenn auch vergeblich — bemühen, die Tatvollendung zu verhindern. Fehlt das erforderliche Bemühen des Beteiligten um Verhinderung der Tatvollendung, so bleibt er wegen Versuchs auch dann strafbar, wenn die Tat unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen worden isti 8 7 . Für die Anforderungen, die an die Ernsthaftigkeit des Bemühens, die Tatvollendung zu verhindern, zu stellen sind, gilt dasselbe wie im Fall des Rücktritts vom aussichtslosen Versuch nach Satz 2 1. Alt. (vgl. oben Rdn. 182 ff). Zum Erfordernis der Freiwilligkeit vgl. oben Rdn. 82 ff, 124 ff.

192

Die Frage der Tatidentität kann sich auch in dieser Fallgruppe stellen. Insoweit 193 gilt das oben Rdn. 171 ff Ausgeführte entsprechend. Nur die Vollendung derjenigen Tat belastet den Teilnehmer, die er in ihrer konkreten Gestalt in seine Vorstellung aufgenommen hat (Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 50 III C 4 c). Hat der Täter aufgrund des Rücktritts des Teilnehmers seinen Tatplan geändert und statt des ursprünglich beabsichtigten Raubes einen Einbruchsdiebstahl begangen, so liegt eine neue Tat vor und der Teilnehmer wird wegen NichtVollendung der ursprünglichen Tat schon nach Absatz 2 Satz 1 straffrei (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 100). IV. Wirkung des Rücktritts 1. Der Rücktritt bewirkt nach § 24, daß der Täter „wegen Versuchs nicht bestraft" 194 wird. Er ist freizusprechen, die Verfahrenskosten sind der Staatskasse aufzuerlegen. Bei Beteiligung mehrerer an der Straftat ist nur derjenige straffrei, der selbst zurück184 Die Feststellung von v. Scheurl S. 101: „Ein stringenter Beweis für die Strafbarkeit läßt sich nicht führen", sollte zu demselben Ergebnis führen, vgl. aber S. 111. 185 Vgl. Grünwald Welzel-Festschrift S. 707 f; Otto JA 1980 710; ebenso vom Erfordernis der Kausalität der Beihilfe ausgehend Dreher-Tröndle Rdn. 16. 186 Dreher-Tröndle Rdn. 16 unter Hinweis auf RGSt. 20 259, 261 ; 56 209, 210; 70 293, 295; krit. Haft JA 1979 312. 187 Lackner Anm. 7 b; v. Scheurl S. 144; Haft JA 1979 306, 309; a. A. Walter JR 1976 100, der zu Unrecht Straflosigkeit annimmt. (191)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

getreten ist (vgl. oben Rdn. 158). Ergibt sich schon im Ermittlungsverfahren, daß der Beschuldigte wirksam zurückgetreten ist, muß das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden (anders bei bloß strafbefreiend wirkendem Nachtatverhalten, das zur Einstellung nach § 153 b StPO führen kann; vgl. Bottke S. 559). 195

Straffreiheit erlangt der wirksam Zurücktretende aber nur hinsichtlich des Versuchs als solchem. Erfüllt die Täterhandlung zugleich auch die Merkmale eines anderen Delikts, sog. qualifizierter Versuch (krit. zu dieser Terminologie Busch LK 9 § 46 Rdn. 41), ist der Täter wegen der vollendeten Tat zu bestrafen. Er kann wegen eines Delikts nicht deshalb straffrei ausgehen, weil er ein schwereres beabsichtigte (vgl. RGSt. 68 204, 207; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 109). Dieser Grundsatz gilt sowohl bei Tat- wie Gesetzeseinheit 188. 196 Beim Rücktritt vom versuchten Einbruchsdiebstahl bleibt deshalb die Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung bestehen (RGSt. 40 430); beim Rücktritt von der Vergewaltigung die Strafbarkeit wegen der gewaltsam vorgenommenen sexuellen Handlungen (BGHSt. 1 152, 156; 7 296, 300; 17 1, 2; RGSt. 23 225), ebenso u. U. wegen Beleidigung; Körperverletzung statt versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung oder statt Abtreibungsversuch (GA 47 286) ; Sachbeschädigung statt versuchter Brandstiftung; beim Rücktritt vom Meineid bleibt Strafbarkeit nach § 153 bestehen (BGHSt. 8 301); Sachbeschädigung statt versuchter Körperverletzung oder versuchter Tötung; Nötigung statt Erpressungs- oder Raubversuch; Nötigung oder Bedrohung statt versuchter räuberischer Erpressung (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1978 331, 332); Fremdabtreibung statt versuchter Tötung der Schwangeren; gefährliche Körperverletzung statt Mordversuch (RG DJ 1938 723); ebenso bleibt die Strafbarkeit wegen vollendeter Giftbeibringung trotz Rücktritts vom Mordversuch bestehen (Dreher-Tröndle Rdn. 18); Körperverletzung statt Tötungsversuch trotz der begrifflich, jedoch nicht sachlich unterschiedlichen Vorsätzel89. Die Strafe für die vollendete Körperverletzung entfällt deshalb nicht, wenn der Tötungsversuch straffrei wird ( Vogler Bockelmann-Festschrift S. 727). Konkurriert Betrugsversuch mit vollendeter Urkundenfälschung, bleibt trotz des Rücktritts die Urkundenfälschung strafbar (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 109). 197

Der Grundsatz, daß im Falle des Rücktritts auf das vollendete Delikt zurückgegriffen werden kann, gilt aber nicht uneingeschränkt. So kann dem Rückgriff auf den vollendeten allgemeinen Tatbestand der Gesichtspunkt der Sperrwirkung eines privilegierten Delikts entgegenstehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn anderenfalls der Sinn der Privilegierung unterlaufen würde. Angesichts der vom Gesetz gewollten Besserstellung des Täters wäre es ein Widerspruch, ihn bei vollendeter Tat in den Genuß der Privilegierung kommen zu lassen, ihm aber im Falle des Rücktritts die Vergünstigung vorzuenthalten ( Vogler Bockelmann-Festschrift S. 729). Deshalb ist ζ. B. bei freiwilligem Rücktritt vom Versuch einer Tötung auf Verlangen, § 216 (Vergehen), der zu schweren Verletzungsfolgen (Erblindung, Lähmung) beim Opfer geführt hat, wegen der ratio der Privilegierung der Rückgriff auf § 224 (Verbrechen) ausgeschlossen. Dagegen läßt der Rücktritt die Strafbarkeit nach §§ 223, 223 a (Vergehen) u n b e r ü h r t ^ . 188 Wessels AT § 14 IV 6; Jescheck § 51 VI 2; Lackner Anm. 6; RGSt. 75 117, 120; 57 294, 296; 68 204, 207. 189 BGHSt. 16 122; 21 265, 267; BGH StV 1981 397; RGSt. 44 321, 323; 24 369; 2 442; a. A. RGSt. 61 375; 62 8, 9. 190 Vgl. BGHSt. 24 262, 266; Vogler LK vor § 52 Rdn. 116; Hirsch LK § 224 Rdn. 32. (192)

Rücktritt (Vogler)

§24

Der Rückgriff auf den Vollendungstatbestand scheidet auch dann aus, wenn das 198 vollendete Delikt lediglich eine konkrete Gefährdung des Rechtsguts beinhaltet, dessen Verletzung Gegenstand desjenigen Tatbestandes ist, von dessen Vollendung der Täter zurückgetreten ist. Wenn der Rücktritt den Täter von der Strafe für die im Versuch liegende Gefährdung befreit, muß die Befreiung auch für den Sondertatbestand der Gefährdung gelten. Tätige Reue gemäß § 310 schließt deshalb eine Bestrafung nach § 310 a aus 1 ' 1 . Ebenso ist beim Rücktritt vom Mordversuch die Bestrafung nach § 223 a in der Form der lebensgefährdenden Behandlung ausgeschlossen, nicht dagegen die nach § 223 (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 110; Jescheck §51 VI 2; a. A. RG DJ 1938 723). Erfüllt dagegen das Verhalten des Täters zugleich den Tatbestand eines abstrakten Gefährdungsdelikts, bleibt die Strafbarkeit bestehen, weil der Schutz gegen die abstrakte Gefährdung weitergeht (vgl. Busch LK 9 § 46 Anm. 48; Rudolphi SK Rdn. 38). Beispielsweise läßt der Rücktritt vom Tötungsversuch die Strafbarkeit wegen unbefugten Waffenführens unberührt (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 110). Auch für § 30 wird überwiegend angenommen, daß die Strafbarkeit beim Rück- 199 tritt vom Versuch des verdrängenden Gesetzes nicht wieder auflebt, weil die dort ausnahmsweise unter Strafe gestellten Verhaltensweisen ausschließlich die gefährliche Vorstufe der Verletzungsdelikte bilden, für deren Versuch der Täter sich Straffreiheit verdient hat'92. Dem steht allerdings kriminalpolitisch der Einwand gegenüber, daß dadurch derjenige bessergestellt werde, der über die bloße Vorbereitungshandlung hinausgehe (Dreher-Tröndle § 30 Rdn. 16). Dennoch erscheint es wegen des spezifischen Zusammenhangs zwischen Vorbereitungs- und Verletzungsdelikt in diesen Fällen vertretbar, dem Täter, der schon bis zum Anfang der Ausführung fortgeschritten ist, den freiwilligen Rücktritt höher anzurechnen, als im Fall der bloßen Vorbereitung (Maurach JZ 1961 146). Solange es sich um Entwicklungsstufen und Vorbereitungshandlungen zu ein und derselben Tat handelt, kommt § 30 kein selbständiger Unwertgehalt gegenüber den Verletzungstatbeständen zu, so daß sie mit Fortschreiten des Geschehens endgültig gegenstandslos werden und die gesamte weitere Beurteilung sich nach Versuchsgrundsätzen richtet (vgl. Vogler Bockelmann-Festschrift S. 728). Aus der Einschränkung auf Entwicklungsstufen und Vorbereitungshandlungen 200 zu ein und derselben Tat ergibt sich zwangsläufig, daß die Strafbarkeit nach § 30 beim Rücktritt vom Versuch dann wieder auflebt, wenn die versuchte Tat weniger schwer wiegt als die g e p l a n t e 1 9 3 . Die gegenteilige Auffassung erscheint im Hinblick auf die nahezu einhellige Annahme von Idealkonkurrenz bei Zurückbleiben der ausgeführten Tat hinter der geplanten wenig folgerichtig. Wird die Vorbereitungshandlung nicht durch die vollendete oder versuchte minderschwere Tat verdrängt, muß im Falle der durch Rücktritt begründeten Straflosigkeit des Versuchs die Haftung wegen der Vorbereitung der schweren Tat bestehen bleiben (Maurach JZ 1961 191 Busch LK 9 §46 Rdn. 41; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 110; Sch.-Schröder-Cramer §310a Rdn. 8; Rudolphi SK Rdn. 38; Jescheck § 51 VI 2; Walter S. 53 f, 149; Geerds S. 172; a. A. BGH NJW 1951 726; Dreher § 310 Rdn. 5; Lackner § 310 Anm. 1. 1 9 2 BGHSt. 14 378, 380; BGH NStZ 1983 364; Jescheck § 69 III 1; Sch.-Schröder-Stree vor § 52 Rdn. 139; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V E 2; vgl. auch Bottke S. 559 ff; Walter S. 53. 193 Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V E 2; Rudolphi SK Rdn. 38; a. A. Jescheck § 69 III 1 ; Sch.-Schröder-Cramer § 30 Rdn. 40; offengelassen in BGHSt. 14 378, 381. (193)

§24

2. Abschnitt. Die Tat

146). Trotz möglicher kriminalpolitischer und dogmatischer Einwände, die dahin zielen, daß der Rücktritt von der leichteren Tat den Willen zur Aufgabe der schwereren einschließe und allenfalls eine Haftung für die Differenz zwischen den in Betracht kommenden Taten begründet sei (Maurach JZ 1961 146), ist das Ergebnis unvermeidlich, wenn man den Umfang der Strafaufhebungsgründe nicht ungebührlich ausdehnen will (vgl. dazu näher Vogler Bockelmann-Festschrift S. 729). 201

Nicht alle selbständig strafbaren Vorbereitungshandlungen stehen in diesem Sinne in einer ausschließlichen Entwicklungsreihe zu der nachgelagerten Verletzungstat. Es gibt Vorbereitungshandlungen, deren Strafbarkeit wieder auflebt, wenn der Täter mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch der Haupttat zurückgetreten ist. So hat das Reichsgericht die Strafbarkeit nach § 151 trotz Rücktritts von § 146 b e j a h t ' 9 4 , und dasselbe wird heute im Verhältnis von § 149 zu §§ 146, 148 zu gelten haben, wenn nicht zugleich die Voraussetzungen des § 149 Abs. 2 und 3 erfüllt sind 195 .

202

Ist der erste Versuch gescheitert bzw. fehlgeschlagen und wiederholt der Täter den Versuch, bleibt die Strafbarkeit des ersten Versuchs unberührt, wenn er von letzterem strafbefreiend zurücktritt (RG JW 1936 324; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 110). Nur wenn die Versuchshandlungen in Fortsetzungszusammenhang stehen, wirkt der Rücktritt vom letzten Versuch auf die vorhergegangenen zurück (vgl. oben Rdn. 81).

203

2. Bleibt trotz des Rücktritts die Strafbarkeit wegen eines gleichzeitig verwirklichten vollendeten Delikts bestehen, ist es nicht zulässig, bei der Strafzumessung auf das straflos gewordene Delikt strafschärfend zurückzugreifen, insbesondere den darauf gerichteten Vorsatz negativ anzurechnen 196. Unzulässig ist es auch, dem Täter im Rahmen einer anderen Tat anzulasten, daß er einen Wiederholungsfall begangen hätte, wenn er nicht wirksam zurückgetreten wäre (vgl. Sch.-Schröder-Eser Rdn. 114).

204

Dem Sinn der Vorschrift über die Straflosigkeit des Rücktritts entspricht die Anwendung des § 154 a StPO auf die an sich unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt strafbar bleibenden Handlungen, sofern die Gesetzesverletzung neben der versuchten Haupttat nicht ins Gewicht fällt!97.

205

Hat der Täter einer versuchten Tat unter den Voraussetzungen des Rücktritts nach § 24 gehandelt, ist eine Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus unzulässig, denn der Wille, die Tat nicht zur Vollendung gelangen zu lassen oder den Erfolg abzuwenden, nimmt dem Verhalten des Täters in der Regel seine besondere Gefährlichkeit (vgl. BGHSt. 9 48, 52; 14 75, 80), so daß die selbständige Anordnung der Maßregel ungerechtfertigt ist (BGHSt. 31 132). Verhält es sich infolge der psychischen Verfassung des Täters ausnahmsweise anders, so wäre in Wahrheit

194 JW 1924 1525 mit Anm. Coenders,a. A. GeerdsS. 173 Anm. 127. 195 Dreher-Tröndle §149 Rdn. 12; Lackner §149 Anm. 6; Vogler Bockelmann-Festschrift S. 728. 196 Vgl. BGH M D R 1965 839 mit abl. Anm. Dreher; BGH bei Dallinger M D R 1966 726; BGH bei Holtz M D R 1980 813; Sch.-Schröder-Eser Rdn. 114; Rudolphi SK Rdn. 37; a. A. BGH 1 StR 154/55 v. 17. 5. 1955; Dreher M D R 1965 839; Dreher-Tröndle Rdn. 18; Lackner Anm. 6. 197 Busch LK 9 § 46 Rdn. 42; vgl. auch Sch.-Schröder-Eser Rdn. 110 und dazu Jescheck § 51 VI 2 Fn. 44. (194)

Rücktritt (Vogler)

§24

diese Verfassung, nicht die Tat der innere G r u n d f ü r die A n o r d n u n g der Maßregel. In solchen Fällen einzuschreiten, obliegt jedoch nicht dem Strafrichter, sondern dem aufgrund der landesrechtlichen Unterbringungsgesetze berufenen Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Horn SK § 63 Rdn. 3). Bei der Bemessung der Dauer der Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis 206 (§ 69 a Abs. 1) ist es unzulässig zu berücksichtigen, daß der Täter auch einen Tötungsversuch, von dem er mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, untern o m m e n hat. Eine versuchte Tat, von der der Täter mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist, rechtfertigt nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69. Das Gesetz schließt in einem solchen Fall nicht nur Strafe, sondern auch die strafrechtliche Reaktion der Verhängung einer Maßregel aus. Deshalb darf eine solche Reaktion auch nicht mittelbar bei der Bemessung einer aus anderen G r ü n d e n veranlaßten Rechtsfolge herbeigeführt werden (BGH 4 StR 570/82 v. 4.11.1982). Hat der Täter die Rücktrittsvoraussetzungen nur teilweise erfüllt, scheidet Straf- 2 0 7 befreiung nach § 24 aus. Es besteht allein die Möglichkeit, bei der Strafzumessung das Verhalten des Täters zu berücksichtigen, soweit sich darin eine das Rücktrittsprivileg rechtfertigende Verdienstlichkeit ausdrücktl98. Die irrige A n n a h m e des Diebes, das Zurückbringen der Diebesbeute führe zur Straffreiheit, ist für die Schuldfrage unbeachtlich (vgl. O L G H a m m J Z 1 9 5 2 758). Begeht der Täter anstelle der beabsichtigten Qualifikation nur noch das Grund- 2 0 8 delikt, kommt ein Teilrücktritt in Betracht (vgl. dazu Sch.-Schröder-Eser

Rdn. 113;

Zipf Dreher-Festschrift S. 395 zu § 243 Abs. 2 sowie oben Rdn. 143 Ον . Sonderregelungen Rücktritt nach § 24 setzt voraus, daß das Delikt noch nicht vollendet ist, d. h. die 2 0 9 Tatbestandsmerkmale der Strafvorschrift des Besonderen Teils noch nicht erfüllt sind (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 20). 1. Vom vollendeten Delikt ist ein „Rücktritt" nur d a n n möglich, wenn dies der 2 1 0 Gesetzgeber im Bes. Teil besonders vorgesehen hat. Das ist zum einen der Fall, wenn der Täter durch seine Gegenaktivität trotz formeller Vollendung den Eintritt des eigentlichen Schadens verhindert, zum anderen, wenn er den eingetretenen Erfolg durch eigene Tätigkeit wieder aufhebt. Im Rahmen der ersten G r u p p e honoriert der Gesetzgeber den Rücktritt bei der Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Abs. 6 Nr. 1, der Brandstiftung nach § 310 (dazu BGHSt. 18 363, 364) u n d beim Angriff auf den Luftverkehr nach § 316 c Abs. 4; in der zweiten Fallgruppe ζ. B. bei der Berichtigung einer falschen Aussage nach §§ 158 Abs. 1, 163 Abs. 2. Der „Rücktritt" vom vollendeten Delikt wirkt nur ausnahmsweise strafbefreiend (bei §§310, 163 Abs. 2); in anderen Fällen (ζ. B. §§ 129 Abs. 6 Nr. 1, 316 c Abs. 4, 158 Abs. 1) kann entweder von Strafe abgesehen oder die Strafe nach Ermessen des Richters gemildert werden (vgl. dazu auch oben Entstehungsgeschichte u n d Jescheck§ 51 V 1 mit weit. Beispielen).

198

(195)

So Sch.-Schröder-Eser Rdn. 114, der den Rechtsgedanken anderer Rücktrittsregelungen, wonach die Strafe lediglich herabgesetzt werden kann, zugunsten des Täters berücksichtigen will.

§24

2. Abschnitt. Die Tat

211

2. §24 ist auch dann nicht anwendbar, wenn der Gesetzgeber Vorbereitungsbzw. Versuchstaten im materiellen Sinne zu Vollendungstaten ausgestaltet hat, wie ζ. B. bei den zu selbständigen Straftatbeständen erhobenen Vorbereitungshandlungen (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 88 ff). Bei entsprechender Tatbestandsverwirklichung liegt ein formell vollendetes Delikt vor (Sch.-Schröder-Eser § 22 Rdn. 14; Lackner § 22 Anm. 3). Für § 24 ist deshalb nur dann Raum, wenn die Vorbereitungshandlung nur versucht ist, vorausgesetzt, daß ein Versuch der Vorbereitungshandlung überhaupt denkbar und strafbar ist (vgl. dazu oben vor § 22 Rdn. 89 ff; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 § 41 V E 2). Überschreitet der Täter die Versuchsgrenze, ist Rücktritt nur dann möglich, wenn dies besonders angeordnet ist. Im Allgemeinen Teil ist der „Rücktritt" vom Versuch der Beteiligung (§ 30) in § 31 geregelt; im Besonderen Teil sind Rücktrittsvorschriften für den Rücktritt vom Hochverrat gegen ein Land (§ 82) in § 83 a Abs. 2, die Aufgabe der Tat oder die Abwendung der Gefahr bei der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (§ 311 b) in § 311 c Abs. 3 Nr. 2 sowie der Rücktritt vom Angriff auf den Luftverkehr (§ 316 c) in § 316 c Abs. 3, 4 enthalten.

212

3. Rücktritt nach § 24 scheidet auch bei den Unternehmensdelikten a u s i " , bei denen aus der Sicht des Gesetzgebers dem Versuchsstadium schon eine so hohe Strafwürdigkeit zukommt, daß die Teilverwirklichung des rechtswidrigen Erfolgs offen der Vollendung gleichgestellt ist. § 24 wäre nur dann anwendbar, wenn es ein Versuch des Unternehmens geben würde. Das ist aber nicht der Fall (vgl. oben vor §22 Rdn. 94; Schmidhäuser 15/11). Tritt der Täter vom Unternehmensdelikt zurück, ist er auf die Sonderregelungen des Besonderen Teils angewiesen (MaurachGössel-Zipf AT 2 § 41 V E 2). Die Strafe kann z. B. beim Hochverrat (§§81, 82) gemildert oder es kann ganz von ihr abgesehen werden, wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt usw., § 83 a Abs. 1. Entsprechende Regeln gelten beim Rücktritt vom räuberischen Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a Abs. 2) und vom Unternehmen der Flugzeugentführung (§ 316 c Abs. 4).

213

Unterschiedlich beurteilt wird in der Literatur, ob der diesen Vorschriften zugrundeliegende Gedanke auf andere Unternehmenstatbestände, einschließlich der unechten Unternehmensdelikte in Betracht kommt (vgl. dazu ausführlich Schröder Kern-Festschrift S. 457 ff). Von einem Teil der Lehre wird dies für die §§ 234 a Abs. 3, 257, 265, 323 c, 334 befürwortet2*^). Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß der Auswahl der Rücktrittsvorschriften offensichtlich kein anderes Prinzip als das des Zufalls zugrunde liege201, ferner, daß die Konstruktion des Unternehmensdelikts allein dem Ausschluß der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 diene (Schröder Kern-Festschrift S. 461). Die Rechtsprechung hat allein die analoge Anwendung des § 49 a Abs. 3, 4 a. F. auf § 234 a Abs. 3 befürwortet (BGHSt. 6 87), die Anwendung des § 310 auf § 265 (RGSt. 56 95), die entsprechende Anwendung von- Rücktrittsvorschriften auf § 323 c (BGHSt. 14 213, 217), von §§ 49 a Abs. 3, 4, 82, 89 Abs. 3 (a. F.) auf § 122 Abs. 2 (BGHSt. 15 198, 199) abgelehnt. Auch nach dem überwiegenden Teil der Lehre scheidet eine analoge Anwendung der Vor199 Vgl. oben vor § 22 Rdn. 93; Burkhardt JZ 1971 357; Jescheck § 26 II 7; Lackner § 11 Anm. 7; Maurach-Gössel-Zipf AT 2 §41 V E; Rudolphi SK § 11 Rdn. 25; Sch.-Schröder-Eser § 11 Rdn. 63 ; Tröndle LK § 11 Rdn. 76 ; a. A. Kohlrausch-Lange § 46 Anm. I V I . 200 Vgl. Jescheck §51 V 3; Sch.-Schröder-Eser § 11 Rdn. 63 und §24 Rdn. 125; Schröder Kern-Festschrift S. 463 ; Stratenwerth Rdn. 733. 201 Schröder Kern-Festschrift S. 462 f ; vgl. dazu aber Bottke S. 341 f, 690. (196)

Rücktritt (Vogler)

§24

Schriften aus202. Dem ist zuzustimmen. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade einige Vorschriften analog angewendet werden sollen (so Sch.-Schröder-Eser § 11 Rdn. 63; Schröder Kern-Festschrift S. 463). Aus Gründen der Rechtssicherheit und des materialen Unwerts dieser Delikte ist eine analoge Anwendung nicht geboten (Schmidhäuser Studienbuch 11 /100). Auch dem in der Literatur gemachten Vorschlag, im Rahmen der §§ 267, 268 214 den Täter straflos zu stellen, der zwar eine unechte Urkunde herstellt, sie aber vor dem bestimmungsgemäßen Gebrauch wieder vernichtet (Sch.-Schröder-Eser Rdn. 116), kann nicht zugestimmt werden (vgl. dazu auch Bottke S. 691). Wenn auch das Herstellen der Falsifikate materiell nur Vorbereitung zum Gebrauchen oder Inverkehrbringen ist, so ist gleichwohl die Entscheidung des Gesetzgebers zu akzeptieren, der bewußt, um das Rechtsgut der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs besser zu schützen, das ehemals zweiaktige Delikt der Urkundenfälschung in ein einaktiges umgewandelt hat (dazu Tröndle LK vor § 167 Rdn. 13 f). Die damit verbundene Konsequenz, daß die Urkundenfälschung vollendet ist, sobald der Täter die Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr hergestellt hat, ist hinzunehmen.

202 Bockelmann AT §27 V 7 ; Burkhardt JZ 1971 357 f; Fincke S.55; Rudolphi SK § 11 Rdn. 26; Schmidhäuser 15/100 f; Tröndle LK § 11 Rdn. 81 ; vgl. dazu auch Bottke S. 691. (197)

DRITTER TITEL Täterschaft und Teilnahme Vorbemerkungen

Vor § 25 Schrifttum Bähr Restriktiver und extensiver Täterbegriff, 1934; v. Bar Die Lehre vom Causalzusammenhange, 1871 ; v. Bar Gesetz und Schuld im Strafrecht, Bd. II: Die Schuld nach dem Strafgesetz, 1907; Baumann Mittelbare Täterschaft oder Anstiftung bei Fehlvorstellungen über den Tatmittler? JZ 1958 230— 235; Baumann Die Tatherrschaft in der Rechtsprechung des BGH, NJW 1962 3 7 4 - 3 7 7 ; Baumann Täterschaft und Teilnahme, JuS 1963 5 1 - 5 9 , 8 5 - 9 8 , 125—138; Baumann Gedanken zum Eichmann-Urteil, JZ 1963 110—121; Baumann Beihilfe bei eigener voller Tatbestandsverwirklichung, NJW 1963 561—565; Baumann Die strafrechtliche Problematik der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, in: Henkys (Hrsg.) Die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen, 2. Aufl. (1965) 267—321 (305 ff) ; Beling Zur Lehre von der „Ausführung" strafbarer Handlungen, ZStW 28 [1908] 589—611; Bemmann Zum Fall Rose-Rosahl, M D R 1958 817—822; Benakis Täterschaft und Teilnahme im deutschen und griechischen Strafrecht (1961); Binding Die drei Subjekte strafrechtlicher Verantwortlichkeit: der Täter, der Verursacher („Urheber") und der Gehilfe, GS 71 (1908) 1 - 2 1 ; Binding Die drei Grundformen des verbrecherischen Subjekts: der Täter, der Verursacher (Urheber), der Gehilfe, in: Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. I (1915) 251—401; Birkmeyer Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts (1890); Birkmeyer Teilnahme am Verbrechen, in: VDA II. Band (1908) 1 — 159; Blauth „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Recht (1968); Bockelmann Studien zum Täterstrafrecht Teil I und II (1939/40); Bockelmann Strafrechtliche Untersuchungen (1957); Bockelmann Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme (1949); jetzt in: Strafrechtliche Untersuchungen (1957) 31—87; Bockelmann Nochmals über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, GA 1954 193ff; jetzt in: Strafrechtliche Untersuchungen (1957) 88—108; Bockelmann Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme, in: Deutsche Beiträge zum VII. Internationalen Strafrechtskongreß in Athen vom 26. 9 . - 2 . 10. 57, Sonderheft der ZStW (1957) 167ff; jetzt in: Strafrechtliche Untersuchungen (1957) 109—125; Bockelmann Zur Problematik der Beteiligung an vermeintlich vorsätzlich rechtswidrigen Taten, Gallas-Festschrift (1973) 261—272; Bruns Kritik der Lehre vom Tatbestand (1932); v. Buri Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Wirkungen (1885); v. Buri Urheberschaft und Beihülfe, in: G A 17 (1869) 233—241, 305—314; Cramer Teilnahmeprobleme im Rahmen des § 330 a StGB, G A 1961 97—108; Dahm Täterschaft und Teilnahme (1926); Dahm Über das Verhältnis von Täterschaft und Teilnahme, NJW 1949 809—812; Dietz Täterschaft und Teilnahme im ausländischen Strafrecht (1957); Dohna Das R G zur Teilnahmelehre, DStR 1940 120—112; Dreher Bericht: Die fünfte Arbeitstagung der Großen Strafrechtskommission, ZStW 67 (1955) 572—578; Dreher Oer Irrtum über Rechtfertigungsgründe, Heinitz-Festschrift (1972) 207—228; Engelsing Eigenhändige Delikte (1926); Engisch Bietet die Entwicklung der dogmatischen Strafrechts Wissenschaft seit 1930 Veranlassung, in der Reform des Allgemeinen Teils des Strafrechts neue Wege zu gehen? ZStW 66 (1954) 339—389; Exner Fahrlässiges Zusammenwirken, Festgabe für Frank, Band I (1930) 569—597; Fincke Der Täter neben dem Täter, GA 1975 161 — 176; Fliegenheimer Das Problem des „dolosen Werkzeugs" (1913); Franzheim Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat (1961); irü/iau/Eigenhändige Delikte, Diss. Frankfurt 1959; Furtner Zur Frage der Anrechnung erschwerender Umstände bei nachfolgender Mittäterschaft, JR 1960 367—369; Gallas Täterschaft und Teilnahme, Mat. 1. Bd., Gutachten der Strafrechtslehrer (1954) 121 — 153; Gallas Zum gegenwärtigen Stand der Lehre vom Verbrechen (1955) ( = ZStW 67 [1955] 1—47); Gallas Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht, in: Deutsche Beiträge zum VII. Internationa(I)

Vor § 25

2. Abschnitt. Die Tat

len Strafrechtskongreß in Athen vom 2 6 . 9 . - 2 . 10. 1957, Sonderheft der ZStW 69 (1957) 3—45; Gallas Strafbares Unterlassen im Fall einer Selbsttötung, JZ 1960 649—655 und 686—692; Geilen Suizid und Mitverantwortung, JZ 1974 145—154; Gimbernat Ordeig Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 (1968) 915—943 ; Goetz Grenzziehung zwischen Mittäterschaft und Beihülfe (1910); Goetzler Der Ideengehalt des extensiven (intellektuellen) Täterbegriffs und seine Auswirkungen, SJZ 1949 Sp. 837—846; Grünhut Grenzen strafbarer Täterschaft und Teilnahme, JW 1932 366—367; Grünwald Die Beteiligung durch Unterlassen GA 1959 111 — 123; Hanack Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen (1967); Hardwig Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, GA 1954 3 5 3 - 3 5 8 ; Hardwig Über den Begriff der Täterschaft, JZ 1965 6 6 7 - 6 7 1 ; Haupt Beiträge zur Lehre von der Teilnahme ZStW 15 (1895) 202—214; Härtung Der „Badewannenfall", JZ 1954 430/431; Hegler Zum Wesen der mittelbaren Täterschaft, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 5. Bd., Strafrecht und Strafprozeß (1929) 305—321 ; Hegler Mittelbare Täterschaft bei nicht rechtswidrigem Handeln der Mittelsperson, in: Festgabe für Richard Schmidt (1932) 51—78; Heimberger Bericht über die Behandlung der Teilnahme am Verbrechen, in: MittlKV, 11 (1904) 534—540; Heinitz Teilnahme und unterlassene Hilfeleistung beim Selbstmord, JR 1954 403—406; Heinitz Gedanken über Täter- und Teilnehmerschuld im Deutschen und Italienischen Strafrecht, in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin (1955) 93 — 118; Herzberg Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßig oder unverboten handelndem Werkzeug (1967); Herzberg Eigenhändige Delikte, ZStW 82 (1970) 8 9 6 - 9 4 7 ; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972); Herzberg Der Versuch beim unechten Unterlassungsdelikt, M D R 1973 89—96; Herzberg Grundfälle zur Tatherrschaftslehre, JuS 1974 237ff, 574ff, 719ff; JuS 1975 35 ff, 171 ff; Herzberg Täterschaft und Teilnahme (1977); Hillenkamp Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf (1971); Höpfner Zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft, ZStW 22 (1902) 2 0 5 - 2 1 7 ; Jescheck Anstiftung, Gehilfenschaft und Mittäterschaft im deutschen Strafrecht, in: SchwZStR 71 (1956) 225—243; Jescheck Strafrechtsreform in Deutschland AT, SchwZStR 91 (1975) 1—44; Johannes Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßigem Handeln des Werkzeuges. Ein Scheinproblem (1963); Kalthoener Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, NJW 1956 1662—1665; Kielwein Unterlassung und Teilnahme, G A 1955 225—232; Klee Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, ZAkDR 1940 188—191 ; Kohlrausch Täterschuld und Teilnehmerschuld, Festschrift für Erwin Bumke zum 65. Geburtstag (1939) 39—51 ; Korn Täterschaft und Teilnahme bei staatlich organisierten Verbrechen, NJW 1965 1206; Lampe Über den Begriff und die Formen der Teilnahme am Verbrechen, ZStW 77 (1965) 262—311 ; Lampe Täterschaft bei fahrlässiger Straftat, ZStW 71 (1959) 579—616; Lange Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf (1935); Lange Die notwendige Teilnahme (1940); Langer Das Sonderverbrechen (1972); Less Gibt es strafbare mittelbare Täterschaft, wenn der Tatmittler rechtmäßig handelt? JZ 1951 550—552; Lony Extensiver oder restriktiver Täterbegriff (1934); Martin Zur Frage der Zurechnung bei sukzessiver Mittäterschaft, NJW 1953 288—290; Hellmuth Mayer Täterschaft, Teilnahme, Urheberschaft, Rittler-Festschr. (1957) 243—274; Meister Zur Abgrenzung der Beteiligung am Selbstmord vom strafbaren Tötungsdelikt, GA 1953 166—173; Merkel Zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe (1925); Mezger Mittelbare Täterschaft und rechtswidriges Handeln, ZStW 52 (1932) 529—545; Müller Eigenhändige Verbrechen (1928); Niese Die finale Handlungslehre und ihre praktische Bedeutung, DRiZ 1952 21—24; Niese Die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen, JZ 1953 173—178; Nowakowski Tatherrschaft und Täterwille, JZ 1956 545—550; Paehler Die Abgrenzung von Beihilfe zum Selbstmord und Tötung auf Verlangen, M D R 1964 647—649; Roeder Exklusiver Täterbegriff und Mitwirkung am Sonderdelikt, ZStW 69 (1957) 223—268; Rosenfeld Mittäterschaft und Beihilfe bei subjektiv gefärbter Ausführungshandlung, Frank-Festgabe Band II (1930) 161 — 187; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975); Roxin Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate, G A 1963 193 — 207; Roxin Die Behandlung des Irrtums im Entwurf 1962, ZStW 76 (1964) 582—618; Roxin Zur Dogmatik der Teilnahmelehre im Strafrecht, JZ 1966 293—299; Roxin Besprechung von Fr.-Chr. Schroeder, Der Täter hinter dem Täter, ZStW 78 (1966)

(2)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 25

2 2 2 - 2 3 4 ; Roxin Literaturbericht, Strafrecht AT, ZStW 85 (1973) 76—103; Roxin Bemerkungen zum Täter hinter dem Täter, Lange-Festschrift (1976) 173—193; Roxin Gedanken zum „dolus generalis", Festschr. f. Würtenberger (1977) 109—128; Roxin Die Mitwirkung beim Suizid - ein Tötungsdelikt? Festschr. f. Dreher (1977) 331 ff; Rudolphi Die Gleichstellungsproblematik und der Gedanke der Ingerenz (1966); Sax Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des AT eines StGB's nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, ZStW 69 (1957) 4 1 2 - 4 4 0 ; Sax Der Bundesgerichtshof und die Täterlehre, JZ 1963 3 2 9 - 3 3 8 ; Schilling Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975); Schmidhäuser Aussagepflicht und Aussagedelikt, Göttinger Festschrift für das OLG Celle (1961) 207—237; Schmidhäuser Selbstmord und Beteiligung am Selbstmord in strafrechtlicher Sicht, Festschrift für Welzel (1974) 801—822; Schmidt, Eb. Die mittelbare Täterschaft, Frank-Festgabe B a n d i i (1930) 106—133; Schöneborn Kombiniertes Teilnahme- und Einheitstätersystem, ZStW 87 (1975) 9 0 2 - 9 2 4 ; Schröder Der Täterbegriff als „technisches" Problem, ZStW 57 (1938) 459—489; Fr.-Chr. Schroeder Täterschaft und Teilnahme bei eigenhändiger Tatbestandsverwirklichung, ROW 1964 97—107; Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft (1965); Spendel Zur Kritik der subjektiven Versuchs- und Teilnahmetheorie, JuS 1969 314—318; Spendel „Oer Täter hinter dem Täter" — eine notwendige Rechtsfigur? Lange-Festschrift (1976) 147—171; Straub Täterschaft und Teilnahme im englischen Recht (1952); Tjaben Die Unterscheidung zwischen Urheberschaft und Beihilfe, GA 42 (1894) 218—229; v. Uthmann Objektive und subjektive Tatherrschaft, NJW 1961 1908-1909; H. Wagner Amtsverbrechen (1975); J. Wagner Selbstmord und Selbstmordverhinderung (1975); Welzel Studien zum System des Strafrechts, ZStW 58 (1939) 4 9 1 - 5 6 6 ; Welzel Zur Kritik der subjektiven Teilnahmelehre, SJZ 1947 Sp. 645—650; Wieners Veranlassung und Unterstützung zum Selbstmord (1958); H'o//'Betrachtungen über die mittelbare Täterschaft (1927). Abgekürzt werden zitiert: Herzberg Täterschaft und Teilnahme (1977) = TUT; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975) = Täterschaft. I. Zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes D e r seit d e m 1. J a n u a r 1975 g e l t e n d e n e u e A l l g e m e i n e Teil d e s S t G B h a t d i e 1 Dreiteilung d e r M i t w i r k u n g s f o r m e n in T ä t e r s c h a f t , A n s t i f t u n g u n d Beihilfe, wie sie s c h o n d e m f r ü h e r e n R e c h t z u g r u n d e l a g , in d e n §§ 2 5 — 2 7 S t G B ü b e r n o m m e n u n d d i e D r e i t e i l u n g d e r T ä t e r s c h a f t s f o r m e n in u n m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t , m i t t e l b a r e T ä t e r s c h a f t u n d M i t t ä t e r s c h a f t , w i e sie W i s s e n s c h a f t u n d R e c h t s p r e c h u n g u n t e r d e r G e l t u n g d e s a l t e n S t G B h e r a u s g e b i l d e t h a t t e n , in d e n W o r t l a u t d e s n e u e n § 25 S t G B a u f g e n o m m e n . I m B e r e i c h e d e r T e i l n a h m e ist d i e G r u n d e n t s c h e i d u n g f ü r d i e limitierte A k z e s s o r i e t ä t , d i e d u r c h d i e S t r a f r e c h t s a n g l e i c h u n g s v e r o r d n u n g v o m 29. 5. 1943 in d a s alte S t G B E i n g a n g g e f u n d e n h a t t e , b e i b e h a l t e n w o r d e n (§§ 26, 27, 29 S t G B ) . D a s n e u e G e s e t z b r i n g t also i m V e r h ä l t n i s z u m f r ü h e r e n R e c h t k e i n e g r u n d s t ü r z e n d e n Ä n d e r u n g e n , s o n d e r n n u r e i n e R e i h e v o n — z u m Teil f r e i l i c h w i c h t i g e n — K l a r s t e l l u n g e n u n d P r ä z i s i e r u n g e n , a u f d i e in d e r n a c h f o l g e n d e n K o m m e n t i e r u n g i m e i n z e l n e n e i n g e g a n g e n w e r d e n w i r d (vgl. v o r a l l e m § 25, R d n . 3 8 — 4 2 , z u r E n t s c h e i d u n g f ü r d i e T ä t e r s c h a f t bei e i g e n h ä n d i g e r T a t b e g e h u n g , u n d v o r § 26, R d n . 2 1 — 2 4 , z u m K r i t e r i u m d e r Vorsätzlichkeit d e r H a u p t t a t als Voraussetzung der Teilnahme). D e r Text d e r h e u t i g e n §§ 2 5 — 3 0 S t G B s t i m m t in d e r S a c h e völlig ( u n d weitge- 2 h e n d a u c h im W o r t l a u t ) m i t d e n V o r s c h l ä g e n ü b e r e i n , d i e d i e S a c h b e a r b e i t e r d e s B u n d e s j u s t i z m i n i s t e r i u m s s c h o n f ü r d i e erste E r ö r t e r u n g des T h e m a s „ T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e " in d e r G r o ß e n S t r a f r e c h t s k o m m i s s i o n u n t e r b r e i t e t h a t t e n 1 . D i e s e 1

(3)

Ihr Wortlaut ist nebst Begründung abgedruckt in den „Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission", 2. Bd., Allg. Teil, 14.—25. Sitzung (1958) Umdruck 78, Anhang Nr. 16, S. 38—42. Die Sitzung fand am 3. Februar 1955 statt.

Vor § 25

2. Abschnitt. Die Tat

erste Fassung hat sich gegen eine Vielzahl von abweichenden Vorschlägen durchgesetzt, die keine grundlegend anderen Lösungen, oft aber größere Ausführlichkeit im Detail anstrebten. Diese abweichenden Vorschläge stammten teils von den Mitgliedern der Großen Strafrechtskommission 2 , teils von Gelehrten, die zu den Gesetzgebungsplänen kritisch Stellung nahmen 3 , teils sind sie sogar in ausformulierte Gesetzentwürfe eingegangen 4 . Die wichtigsten Unterschiede gegenüber dem heutigen Gesetzestext bestanden darin, daß vielfach eine eingehendere Regelung der mittelbaren Täterschaft empfohlen wurde 5 oder daß man die Abhängigkeit der Teilnahme vom Vorsatz des Täters als zu weitgehend empfand 6 . Doch enthielt auch der E 1962 in den §§29—31, 34 die heutige Regelung; der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, der das 2. Strafrechtsreformgesetz vorbereitete, hat diese Regelung beibehalten und lediglich die §§ 32 und 35 Abs. 3 des E 1962 gestrichen (dazu näher § 25, Rdn. 97, 98 und die Kommentierung zu § 30) 7 . Sie kann sich in den Grundlagen auf einen breiten Konsens in Wissenschaft und Praxis stützen 8 .

3

II. Die Ablehnung des Einheitstäterbegriffs Allgemeine Ablehnung hat vor allem das große Gegenmodell gefunden, der Einheitstäterbegriff, der auf eine Unterscheidung von Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe verzichtet und entweder alle für den Erfolg kausalen Beiträge in einer unterschiedslosen Täterschaft aufgehen läßt oder zwar verschiedene Mitwirkungsformen (die bei den meisten Lösungen nicht mit der heutigen Dreiteilung übereinstimmen) kennt, sie aber mindestens in den Rechtsfolgen gleichstellt (oder doch nur vereinzelte Ausnahmen von dieser Regel zulassen will) 9 . Bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission sind nur Krille10 und v. Stackelberg11 für den Einheitstäter eingetreten; Sympathien für eine solche Regelung haben Schwalm12 und

2

Abgedruckt: Niederschriften, Bd. 2, Anhang Nr. 14, 15, 17—20. S. 34—38, 4 2 - 5 1 ; Niederschriften, Bd. 12, Zweite Lesung des Entwurfes, Allg. Teil, Anhang A, Nr. 33—35; S. 490—495. Darunter befinden sich auch variierende Vorschläge der Sachbearbeiter des Bundesjustizministeriums. 3 Sax ZStW 69 [1957] 435/36; Täterschaft, S. 544. 4 So in den Regierungsentwurf 1958 und den Alternativentwurf zum Allgemeinen Teil. 5 Eine solche ist im Anschluß an Vorschläge von Gallas enthalten in § 28 Abs. 2 E 1958 (dazu Täterschaft, S. 54006 Für Streichung des Vorsatzerfordernisses §§28, 29 des Alternativentwurfes zum Allg. Teil ; Begründung S. 63 daselbst. 7 Die Beratungen der großen Strafrechtskommission und des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zum Thema „Täterschaft und Teilnahme", die wichtiges Material sowohl zu den grundsätzlichen Fragen wie zu vielen Einzelproblemen enthalten, sind abgedruckt in: Niederschriften, Bd. 2, S. 6 7 - 1 0 1 , 108, 109, Prot, über die Sitzungen des Sonderausschusses, V. Wahlp., 82. Sitzung vom 4. 10. 1967, S. 1647—1650; 91. Sitzung vom 14. 12. 1967, S. 1821, 1838. Gesetzesbegründung zum E 1962: BT-Drucks. IV/650, S. 146—156; zur Endfassung des Sonderausschusses: BT-Drucks. V/4095, S. 12—13. 8 Nähere (in manchen Punkten auch kritische) Stellungnahmen zur neuen Gesetzesfassung: Täterschaft, S. 539—557; Roxin in: Roxin-Stree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) 2 7 - 3 3 . 9 Zur Dogmengeschichte des Einheitstäterbegriffs vgl. Kienapfel Der Einheitstäter im Strafrecht (1971) 9 - 2 0 . Ό Niederschriften, Bd. 2, S. 98 f. •1 Niederschriften, Bd. 2, S. 100. 12 Niederschriften, Bd. 2, S. 90 f. (4)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 25

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Eb. Schmidt bekundet. Diese Empfehlungen gründeten sich vor allem auf die Schwierigkeit, die verschiedenen Beteiligungsformen voneinander abzugrenzen, und auf den Umstand, daß die Rechtsprechung in den praktischen Ergebnissen sich dem Einheitstäterbegriff vielfach annähert 14 , indem sie die objektiven Unterscheidungen der Beteiligungsformen einebnet und den „Täterwillen" mit Hilfe einer strafzumessungsähnlichen „Ganzheitsbetrachtung" ermittelt. Bei der Abstimmung ist dann aber der den Einheitstäter befürwortende Vorschlag „mit so überwältigender Mehrheit abgelehnt worden, als hätte er nie ernsthaft zur Debatte gestanden" 15 . In der Folgezeit ist die Einheitstäterregelung rechtspolitisch vor allem dadurch 4 wieder ins Gespräch gekommen, daß das Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 14) sich ihr angeschlossen hat 1 6 und daß das am 1. 1. 1975 in Kraft getretene österreichische StGB sich im Anschluß an das alte StGB von 1852 (§ 5) wiederum zum Einheitstäter bekannt hat (§§ 12 ff, 32 ff StGB). Insbesondere hat sich der in Linz lehrende Rechtslehrer Kienapfel in zahlreichen Publikationen für die Einführung des Einheitstäters auch im Kriminalstrafrecht der Bundesrepublik eingesetzt 17 . Er unterscheidet zwischen dem „formalen Einheitstätersystem", das jede denkbare Form der Mitwirkung am tatbestandsmäßigen Geschehen unterschiedslos als Täterschaft definiert, und einem „funktionalen Einheitstätersystem", das bestimmte Täterschaftstypen unterscheidet, sie aber wertmäßig und auch dem Strafrahmen nach gleichstellt 1 Dabei bevorzugt er die „funktionale Einheitstäterschaft", bei der er zwischen unmittelbarer und mittelbarer Täterschaft unterscheidet; die mittelbare Täterschaft soll sowohl deren herkömmliche Erscheinungsformen wie auch Anstiftung und Beihilfe umfassen. Der Strafrahmen soll überall derselbe sein, doch will er „mitwirkungsbezogene Strafzumessungsgründe" einführen, indem „die führende Beteiligung, die Verführung oder Ausnutzung eines anderen, die Gemeinschaftlichkeit der Tatausführung u. ä." straferschwerend, „die untergeordnete Beteiligung, die Begehung der Tat unter Einwirkung eines Dritten, die bloße Bestärkung eines bereits gefaßten Entschlusses u. ä." strafmildernd ins Gewicht fallen sollen. Das Akzessorietätsprinzip soll preisgegeben werden; doch erwägt er die „Ausklammerung" der erfolglosen Beihilfe aus der Strafbarkeit. Rechtspolitisch verdient die Entscheidung des Gesetzgebers für das Teilnahme- 5 system Beifall. Es soll nicht bestritten werden, daß eine Einheitstäterlösung durch-

13 Niederschriften, Bd. 2, S. 122. 14 Vgl. dazu näher Täterschaft, S. 108—118, sowie zur neueren Rspr. S. 577—585. 15 Kienapfel Der Einheitstäter im Strafrecht, S. 17 f. 16 Der Einheitstäterbegriff ist auch auch auf diesem Gebiet nach wie vor sehr umstritten, doch liegt die Problematik hier etwas anders als im Kriminalstrafrecht, weil die rechtsstaatlichen Bedenken, die sich gegen den Einheitstäter geltend machen lassen, bei nichtstrafrechtlichen Sanktionen minderer Art, wie sie das OWiG vorsieht, weniger schwer wiegen, während die Vereinfachung der Rechtsanwendung, die die Einebnung der Beteiligungsformen mit sich bringt, höheren Stellenwert gewinnt. Zur Diskussion: Cramer NJW 1969 1929ff; Welp, VOR 1972 229ff; Dreher NJW 1970 217ff; Lange Maurach-Festschr. (1972) 235 ff; Kienapfel NJW 1970 1826 ff. 17 „Beteiligung" und „Teilnahme", NJW 1970 1826ff; Der Einheitstäter im Strafrecht (1971); Erscheinungsformen der Einheitstäterschaft, in: Müller-Dietz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1971) 21 ff; Das Prinzip der Einheitstäterschaft JuS 1974 1 ff; Die Einheitstäterregelung der §§ 12ff und 32ff StGB, JurBl. 1974 113ff, 180ff. Zum ganzen auch Detzer Die Problematik der Einheitstäterlösung (1972). 18 Näher: Erscheinungsformen (wie Anm. 17) 25 ff; JuS 1974 5ff. (5)

Vor § 25

2. Abschnitt. Die Tat

führbar wäre. Aber sie ist mit den rechtsstaatlichen Grundlagen unseres Tatbestandsstrafrechts kaum vereinbar (1), sie führt zu einer unerwünschten Ausdehnung der Strafbarkeit (2), und sie bringt auch nicht den Vereinfachungsgewinn, den sich ihre Befürworter erhoffen (3) 19 . 6

(1) Die Tatbestandsmäßigkeit beruht nicht nur auf der kausalen Rechtsgüterverletzung, sondern sie ist bei den meisten Delikten auf bestimmte Angriffsarten beschränkt. Die Gleichstellung auch der entferntesten kausalen Beiträge hebt diese rechtsstaatlich wohlerwogenen Tatbestandsgrenzen auf. Sie muß ferner, um dem ganz unterschiedlichen Gewicht der „täterschaftlichen" Beiträge gerecht werden zu können, zu einer Vergrößerung der Strafrahmen führen und die gesetzliche Bestimmtheit der Rechtsfolgen verringern. Letzten Endes tendiert der Einheitstäterbegriff zu einem Täterstrafrecht, das sich der Kausalität nur noch als Auslöser einer an der Gefährlichkeit orientierten Strafzumessung bedient und die Sanktionsentscheidung vom Gesetz fast gänzlich auf den Richter verschiebt.

7

(2) Eine bedenkliche Strafbarkeitserweiterung liegt nicht nur in der Ausdehnung der Tatbestände und Strafrahmen, sondern vor allem auch darin, daß die versuchte Teilnahme, die heute bei der Anstiftung meist und bei der Beihilfe stets straflos ist, als versuchte Täterschaft strafbar würde. Die Strafbarkeit solcher vom Tatbestand weit entfernter Vorbereitungshandlungen ist schon in den Grenzen des geltenden § 30 StGB rechtsstaatlich nicht unproblematisch 2 0 ; sie würde durch den Einheitstäterbegriff im Bereiche der Teilnahme zu einer auch von der Kausalität gelösten generellen Bestrafung von Gesinnungsbekundungen erweitert werden.

8

(3) Schließlich kann der für den Einheitstäterbegriff seit Jahrzehnten geltend gemachte Hauptgrund, die vermeintliche Unmöglichkeit einer befriedigenden Abgrenzung der Beteiligungsformen 21 , heute nicht mehr gelten. Denn in der Wissenschaft ist auf der Basis der Tatherrschaftslehre während der letzten zwanzig Jahre eine Einigkeit erreicht worden, wie sie seit dem Inkrafttreten des StGB von 1871 nie bestanden hatte (vgl. näher § 25, Rdn. 7—10); die noch übrig gebliebenen Streitfragen sind nicht zahlreicher als auch sonst in der Allgemeinen Verbrechenslehre. Die Rspr. brauchte nur den Sprung von der subjektiven Theorie, die tatsächlich keine klare Abschichtung von Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe erlaubt (vgl. § 25, Rdn. 12—25), zu dieser materiell-objektiven Konzeption zu wagen, um festen Boden unter die Füße zu bekommen. Im übrigen könnte auch der Einheitstäterbegriff die durch die Sache gegebenen Unterscheidungen nicht aus der Welt schaffen. Das zeigt gerade die Lehre seines gegenwärtigen Hauptvertreters Kienapfel. Da er selbst das „formale Einheitstätersystem" aus rechtsstaatlichen Gründen verwirft und im Rahmen seines „funktionalen Systems" innerhalb der mittelbaren Täterschaft noch wieder zwischen „Veranlassungstäterschaft" und „Unterstützungstäterschaft" unterscheidet 2 2 , muß er selber einräumen, „die These von den .radikalen Vereinfachungen' " bestätige sich „allerdings nicht". Bei den Sonderdelikten, den eigenhändigen Straftaten, den Absichts- und Tendenzdelikten würden sich weitere Probleme stellen, die durch eine schlichte Gleichbehandlung kaum lösbar sind. Hinzu kommt, 19 20 21

22

Zur Kritik vgl. vor allem Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) 113 ff, 162 ff. Vgl. Kohlrausch-Lange 42./43. Aufl., § 49a, I — III; AE AT, 2. Aufl., S. 67. Vgl. die von Kienapfel Erscheinungsformen, S. 51, gesammelten Stimmen. Vor allem dieses Argument ist auch bei den Beratungen der Großen Strafrechtskommission (vgl. Rdn. 3) vorgebracht worden. Erscheinungsformen, S. 23. (6)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 25

daß die aus der Täterlehre hinausgeworfenen Unterscheidungen sich durch die Hintertür der „mitwirkungsbezogenen Strafzumessungsgründe" alle wieder einschleichen ; nur ist ihr Stellenwert beim Strafzumessungsakt sehr viel unsicherer als in jeder noch so umstrittenen Täterlehre. Wenn man schließlich noch die versuchte Beihilfe (bzw. „Unterstützungstäterschaft") aus der Strafbarkeit folgewidrig wieder ausklammert, treten auch insoweit die alten Abgrenzungsprobleme von neuem auf. III. Die Ablehnung des extensiven Täterbegriffs 9 Dem neuen Gesetz läßt sich auch eine Ablehnung des extensiven Täterbegriffs entnehmen. Der Streit um den extensiven oder den restriktiven Täterbegriff 23 , der um 1930 die deutsche Strafrechtswissenschaft beherrschte 24 , betrifft die Grundfrage nach dem leitenden Prinzip der Täterschaft. Der extensive Täterbegriff sieht es in der Verletzung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes und leitet daraus die Annahme ab, „an sich" sei jeder Täter, der eine strafbare Tatbestandserfüllung bewirke; Anstiftung und Beihilfe stellen sich danach als Strafeinschränkungsgründe dar, als Ausgliederungen bestimmter Bewirkungsformen aus dem Täterbereich. Eine solche Auffassung findet sich noch in BGHSt. 3 5, wo es heißt: „Wer den Erfolg des gesetzlichen Straftatbestandes verursacht, ist Täter, soweit nicht besondere Vorschriften entgegenstehen." Der restriktive Täterbegriff geht demgegenüber von der Vornahme der Tatbestandshandlung als dem Kriterium der Täterschaft aus; Anstiftung und Beihilfe sind dann Strafausdehnungsgründe und bedeuten eine Erstreckung der Strafbarkeit in einen von Tatbestand und Täterschaft nicht erfaßten Raum. Positivrechtlich ist gegen den extensiven Täterbegriff immer schon geltend ge- 10 macht worden, was auch unter dem neuen Recht noch gilt: daß er nämlich bei eigenhändigen Delikten und Sonderstraftaten (Pflichtdelikten) scheitert. Der Teilnehmer an solchen Delikten ist strafbar, obwohl er wegen Fehlens der Eigenhändigkeit oder einer tatbestandsspezifischen Pflichtverletzung keinesfalls Täter des Tatbestandes sein könnte. Nach neuem Recht ergibt sich nunmehr auch aus § 25 StGB, daß Täter nur ist, wer die Tat (in bestimmten, dort genannten Formen) „begeht", nicht schon, wer den Erfolg bewirkt. Nach der Neuregelung der Teilnahme in §§ 26, 27 StGB kommt hinzu, daß die Notwendigkeit einer Vorsätzlichkeit der Haupttat als Voraussetzung der Teilnahme dem extensiven Täterbegriff entgegensteht: Wer jemanden zu einer Tatbestandsverwirklichung veranlaßt und dabei irrig an dessen Vorsatz glaubt, kann weder als Täter noch als Teilnehmer (sondern allenfalls wegen versuchter Teilnahme) bestraft werden (vgl. näher § 25, Rdn. 97/98), obwohl er vorsätzlich eine tatbestandliche Rechtsgüterverletzung bewirkt hat. Der entscheidende Einwand gegen den extensiven Täterbegriff liegt aber darin, 11 daß er Täterschaft und Tatbestand auf die kausale Rechtsgüterverletzung reduziert 25 . Er setzt sich damit denselben Einwänden aus wie der Einheitstäterbegriff, 23 24

25

(7)

Die Termini stammen von Zimmert ZStW 49 [1929] 39ff. Vgl. Zimmerl Grundsätzliches zur Teilnahmelehre, ZStW 49 [1929] 39—54; Eb. Schmidt Die mittelbare Täterschaft, Frank-Festgabe, Bd. II (1930) 106—133; Mezger Lehrbuch Allg. Teil, 1. Aufl. (1931) 915ff; Bruns Kritik der Lehre vom Tatbestand (1932); Grünhut Grenzen strafbarer Täterschaft und Teilnahme, JW 1932 366 f ; Bähr Restriktiver und extensiver Täterbegriff (1934); Lony Extensiver oder restriktiver Täterbegriff? (1934); Lange Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf (1935). Zur Kritik grundlegend Gallas in: Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) 79—92; ferner Jescheck AT, 2. Aufl., § 61 III, IV; Täterschaft S. 8 - 1 0 , 2 8 - 3 0 .

Vor § 25

2. Abschnitt. Die Tat

zu dem er auch konsequenterweise hinführt; denn wenn jeder Beteiligte prinzipiell Täter ist, ist nicht recht einzusehen, warum es einer besonderen Regelung der Teilnahme überhaupt bedarf. Die Leugnung objektiver Unterschiede zwischen Täterschaft und Teilnahme nötigt zudem auf der Grundlage der gesetzlichen Differenzierung dazu, den Unterschied der Beteiligungsformen im Subjektiven, Gesinnungsmäßigen zu suchen. Der extensive Täterbegriff stützt also die subjektive Theorie, deren Unklarheiten und Widersprüche die Teilnahmelehre bis heute in so verhängnisvoller Weise belasten (vgl. näher § 25, Rdn. 12—25). 12

Prinzipiell zutreffend ist dagegen der restriktive Täterbegriff, insofern er davon ausgeht, daß die Tatbestandsbeschreibung gleichzeitig eine Beschreibung des Täters darstellt. Das ist beim Einzeltäter evident, kann aber auch dadurch nicht grundlegend anders werden, daß mehrere sich beteiligen. Man muß sich nur von der Auffassung der formal-objektiven Theorie lösen, die ursprünglich als Prototyp eines restriktiven Täterbegriffs galt und derzufolge nur die eigenhändige Tatbestandserfüllung die Täterschaft begründet 26 . Sie ist mit § 25 StGB nicht mehr vereinbar, der neben der unmittelbaren Täterschaft auch nicht eigenhändige Formen der Tatbegehung kennt (mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft). Vielmehr liegt der Täterschaft ein materieller Begriff der Tatbestandserfüllung zugrunde, wonach man die Tatbestandshandlung nicht nur eigenhändig, sondern auch durch den Einsatz menschlicher „Werkzeuge" oder in Arbeitsteilung mit anderen begehen kann (vgl. § 25, Rdn. 26). Ein solches Hinausgehen über die Eigenhändigkeit ändert aber nichts an der Restriktivität dieses Täterbegriffs. Die bloße Bewirkung des Tatbestandserfolges reicht für ihn zur Begründung der Täterschaft nicht aus, so daß Anstiftung und Beihilfe Ausdehnungen der Strafbarkeit bleiben und dem Tatbestand nicht subsumiert werden können. In solcher Gestalt war der restriktive Täterbegriff in der Wissenschaft schon unter dem alten Recht durchaus herrschend 27 ; er hat nun durch den neuen § 25 StGB seine Bestätigung erfahren.

IV. Rechtsvergleichung und Geschichte 13 Die meisten ausländischen Rechte unterscheiden verschiedene Beteiligungsformen 2 8 , die freilich keineswegs immer dem deutschen Recht entsprechen. So führt nach englischem Recht nur die eigenhändige Täterschaft durch den sog. „principal in the first degree" zur Täterschaft 29 , während der „principal in the second degree" etwa dem Mittäter und der „accessory before the fact" dem Anstifter und Gehilfen entspricht 30 . Das französische Recht grenzt Täterschaft und Teilnahme nach objektiven Gesichtspunkten ab, ordnet aber die gleiche Strafe an 3 1 . Nach spanischem Strafrecht werden als Täter bestraft „diejenigen, welche unmittelbar an der Ausführung teilnehmen", sowie „diejenigen, welche zur Tatausführung mit einer Hand26 Näher Täterschaft, S. 34—38. 27 Vgl. nur Blei AT, 17. Aufl., §70 III; Jescheck AT 2. Aufl., §61 III 3; Maurach AT, 4. Aufl., § 47; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25, Rdn. 7 - 1 0 ; Welzel 11. Aufl., § 15, Vorb. 3. 28 Spezialarbeiten : Benakis Täterschaft und Teilnahme im deutschen und griechischen Strafrecht, 1961; Dietz Täterschaft und Teilnahme im ausländischen Strafrecht, 1957; Straub Täterschaft und Teilnahme im englischen Strafrecht, 1952; vgl. ferner die instruktive Übersicht bei Jescheck AT, 2. Aufl., § 61 VIII. 29 Vgl. Straub (wie Anm. 28), S. 66; Dietz (wie Anm. 28), S. 89 f, 94. 30 Vgl. Täterschaft, S. 42. 31 Jescheck AT, 2. Aufl., § 61 VIII. (8)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 25

lung mitwirken, ohne welche die Tat nicht verwirklicht worden wäre" (Art. 14 Nr. 1,3 Codigo Penal) 3 2 . In anderen Ländern findet sich in verschiedenen Varianten der Einheitstäterbegriff, so im italienischen StGB von 1930 33 , das sich dem formalen Einheitstätersystem angeschlossen hat; ferner im norwegischen StGB von 1902 und im dänischen StGB von 1930, die Kienapfel dem funktionalen Einheitstätersystem zuordnet 3 4 . Von den deutschsprachigen Strafgesetzbüchern entspricht die Regelung des 14 schweizerischen StGB, das freilich die Täterschaft nicht definiert, sondern nur Anstiftung und Beihilfe ausdrücklich regelt (Art. 24, 25), im wesentlichen demjenigen in der Bundesrepublik 3 5 . Auch das StGB der D D R unterscheidet zwischen Täterschaft und Teilnahme, sieht aber als Täter nur den unmittelbaren und mittelbaren Täter an (§ 22 Abs. 1), während der Mittäter zusammen mit dem Anstifter und Gehilfen als Teilnehmer zur Verantwortung gezogen wird (§ 22 Abs. 2). Beim Gehilfen und auch beim Mittäter (wenn sein Tatbeitrag „im Verhältnis zur Gesamttat gering ist") kann eine Strafmilderung erfolgen. Dagegen beruht das neue österreichische StGB (vgl. schon Rdn. 4) auf dem funktionalen Einheitstätersystem 36 . Geschichtlich entstammen die Begriffe der Mittäterschaft, der mittelbaren Täter- 15 schaft, der Beihilfe und der Anstiftung in einer freilich noch recht unklaren, oft nur auf einzelne Tatbestände bezogenen und vom heutigen Verständnis abweichenden Form dem italienischen Strafrecht des ausgehenden Mittelalters. Von dort sind diese Vorstellungen in das gemeine Strafrecht eingedrungen (Art. 148, 177 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532) 37 und durch die Wissenschaft (Carpzow, Pufendorf, Böhmer) allmählich verfeinert worden. Die heutige Unterscheidung zwischen Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe stammt jedoch aus dem französischen Code pénal (Art. 59, 60) und ist aus diesem in das Preußische StGB von 1851 (§§ 34,35) und in das Strafgesetzbuch von 1871 übernommen worden 3 8 .

32

33

34 35

36 37 38

(9)

Näher Gimbernat Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 [1968] 915ff; sowie vom selben Verfasser: Autor y complice en Derecho penal (Madrid 1966). Dazu Heinitz Gedanken über Täter- und Teilnehmerschuld im deutschen und italienischen Strafrecht, in: Festschr. der Jur. Fakultät der FU Berlin zum 41. dt. Juristentag (1955) 9 3 - 1 1 8 ; Kienapfel Erscheinungsformen (wie Anm. 17) S. 30ff. Erscheinungsformen (wie Anm. 17) S. 36—40. Näher Hans Schultz, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Erster Band, 2. Aufl. (1974) 234 ff. Ausführl. dazu Kienapfel JurBl. 1974 1 1 3 - 1 2 3 , 180-192. Leicht zugänglich als Reclam-Heft Nr. 2990; 4. Aufl., hgg. v. Radbruch/Kaufmann 1975. Zur geschichtlichen Entwicklung, die im Rahmen dieses Kommentars nicht näher dargestellt werden kann, vgl. vor allem Heimberger Die Teilnahme am Verbrechen von Schwarzenberg bis Feuerbach, 1896; Engelmann Der geistige Urheber der Verbrechen nach italienischem Recht des Mittelalters, Festschr. f. Binding (1911) Bd. 2, S. 387 ff; Schaffstein Die Allgemeinen Lehren vom Verbrechen in ihrer Entwicklung durch die Wissenschaft des Gemeinen Strafrechts (1930) 169 ff (erweiterter Neudruck 1973); Dahm Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter (1931). Einen skizzenhaften geschichtlichen Abriß gibt H.Mayer, Strafrecht, Allg. Teil (1953) 3 0 1 - 3 0 3 ; vgl. ferner Jescheck AT, 2. Aufl., §61 II 2 a.

§ 25

2. Abschnitt. Die Tat

§25 Täterschaft (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter). Fassung des früheren § 47: Wenn mehrere eine strafbare Handlung lich ausführen, wird jeder ais Täter bestraft.

gemeinschaft-

Übersicht Rdn. I. G r u n d s ä t z l i c h e s zur A b g r e n z u n g von Täterschaft u n d T e i l n a h m e 1. E r s c h e i n u n g s f o r m e n 2. Stellung des Gesetzgebers 3. S t e l l u n g n a h m e der Wissenschaft a) Subjektive T h e o r i e n b) O b j e k t i v e T h e o r i e n c) T a t h e r r s c h a f t s l e h r e d) Die Ansicht von S c h m i d h ä u s e r . . 4. Die Ansicht der R e c h t s p r e c h u n g : Subjektive Theorie a) Die R e c h t s p r e c h u n g des Reichsgerichts b) Die R e c h t s p r e c h u n g des Bundesgerichtshofs 5. Die eigene Ansicht: T a t h e r r s c h a f t a) G r ü n d e gegen die subjektive Theorie b) Vorzüge der T a t h e r r s c h a f t s l e h r e . c) A u s z u g r e n z e n d e Tatbestandsgruppen II. Die u n m i t t e l b a r e Täterschaft III. Die mittelbare T ä t e r s c h a f t 1. Allgemeine G r u n d l a g e n 2. Die mittelbare Täterschaft k r a f t Nötigung (Nötigungsherrschaft) a) Nötigungsnotstand b) H e r b e i f ü h r u n g einer a n d e r e n Notlage i. S. des § 35 c) Nötigung z u r Selbstschädigung u n d z u r Selbsttötung d) Nötigungsherrschaft mit H i l f e eines rechtmäßig handfeinden Werkzeugs e) P r o b l e m e des rechtswidrigen bind e n d e n Befehls 3. Mittelbare H e r r s c h a f t k r a f t I r r t u m s (Irrtumsherrschaft) a) Der vorsatzausschließende I r r t u m des Tatmittlers b) Der die Rechtswidrigkeit betreff e n d e I r r t u m des Tatmittlers . . . . c) D e r I r r t u m des Tatmittlers betrifft die Voraussetzungen eines Schuldausschließungsgrundes

1 2 3 6 7 11

12 14

22 26 29 38 44

49 51 52

55 56 57 59 63

72

Rdn. d) D e r I r r t u m des Tatmittlers b e t r i f f t den k o n k r e t e n H a n d l u n g s s i n n . . e) D e r I r r t u m f ü h r t zu einer Selbstschädigung oder Selbsttötung . . . 4. Mittelbare Täterschaft d u r c h Benutz u n g von U n e r w a c h s e n e n , Schuldunfähigen u n d v e r m i n d e r t Schuldfähigen a) Einsatz von U n e r w a c h s e n e n u n d Schuldunfähigen b) D e r Einsatz v e r m i n d e r t Schuldfähiger c) Speziell: Die Veranlassung oder U n t e r s t ü t z u n g der Selbstschädig u n g oder -tötung 5. Mittelbare Täterschaft k r a f t organisatorischer M a c h t a p p a r a t e („Organisationsherrschaft") 6. Mittelbare Täterschaft d u r c h Einsatz eines qualifikationslosen dolosen Werkzeugs 7. Das P r o b l e m der mittelbaren Täterschaft d u r c h Einsatz eines „absichtslosen dolosen Werkzeugs" 8. D e r I r r t u m über Tätervoraussetzungen bei mittelbarer Täterschaft a) Die U n k e n n t n i s tatherrschaftsbeg r ü n d e n d e r U m s t ä n d e auf Seiten des H i n t e r m a n n e s b) Die irrige A n n a h m e tatherrschaftsbegründender Umstände auf seilen des H i n t e r m a n n e s . . . . 9. Exzeß u n d Objektsverwechslung beim T a t m i t t l e r 10. D e r Beginn des Versuchs bei mittelbarer Täterschaft IV. Mittäterschaft 1. Allgemeine G r u n d l a g e n a) G e m e i n s c h a f t l i c h e Begehung der Tat b) M i t t ä t e r s c h a f t bei besonderen Tätermerkmalen c) Teilweise Mittäterschaft d) M i t t ä t e r s c h a f t mit e i n e m schuldlos H a n d e l n d e n

74 83

84 86

87

88

91

94

96

100 102 104

107 114 115 116 (10)

Täterschaft (Roxin)

Rdn.

Rdn. 2. D e r g e m e i n s a m e T a t p l a n a) G r u n d l a g e n b) D e r Exzeß eines Beteiligten . . . . c) Erfolgsqualifizierte Delikte . . . . d) M i t w i r k u n g nach d e m Ausscheiden des a n d e r e n e) D e r e r r o r in obiecto oder in persona 3. Die g e m e i n s a m e T a t a u s f ü h r u n g a) Die M i t w i r k u n g im Vorbereitungsstadium

119 121 122 123 124

125

§25

b) Die Erheblichkeit des Tatbeitrages im A u s f ü h r u n g s s t a d i u m 4. Die sukzessive Mittäterschaft 5. D e r Versuch bei der Mittäterschaft . . V. Täterschaft u n d T e i l n a h m e bei Unterlassungen u n d bei fahrlässiger Tat 1. T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e bei Unterlassungen 2. T ä t e r s c h a f t u n d T e i l n a h m e bei fahrlässiger Tat VI. N e b e n t ä t e r s c h a f t

131 134 139

142 156 160

I. Grundsätzliches zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme 1. Das neue Gesetz nennt zum ersten Mal ausdrücklich die drei Erscheinungsfor- 1 men der Täterschaft, die in der Rspr. seit langem anerkannt waren: die unmittelbare Täterschaft („wer die Straftat s e l b s t . . . begeht"), die mittelbare Täterschaft („wer die S t r a f t a t . . . durch einen anderen begeht") und die Mittäterschaft („begehen mehrere die Tat gemeinschaftlich"). Daraus erwächst die Aufgabe, diese drei Formen nicht nur gegeneinander, sondern vor allem auch gegen die Teilnahme, also die Anstiftung (§ 26) und die Beihilfe (§ 27), abzugrenzen. Im einzelnen läßt sich diese Abgrenzung nicht ohne exakte Ausarbeitung der verschiedenen Täterschaftsformen durchführen (vgl. dazu eingehend unten II, III, IV). Doch bedarf es dazu, wenn die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme nicht punktueller Beliebigkeit anheimfallen soll, eines obersten Leitprinzips, das sich im Detail nur entfaltet und konkretisiert. Um dieses Problem der Abschichtung im Grundsätzlichen geht es hier zunächst. 2. Eine dezidierte Stellungnahme des Gesetzgebers zur Abgrenzung von Täter- 2 schaft und Teilnahme enthalten auch die neuen Vorschriften nicht. Es wurde oben (vor § 25, Rdn. 2) dargelegt, daß die heutige Fassung des § 25 auf den Vorschlägen beruht, die die Sachbearbeiter des BJM schon zur ersten Lesung des Allgemeinen Teils in der Großen Strafrechtskommission (zur Sitzung vom 3. Februar 1955) vorgelegt hatten. Schwalm, der damals für das BJM referierte, meinte, es sei in den Vorschlägen darauf verzichtet worden, „die Rechtsprechung für die Zukunft durch eine Neuorientierung des Täterbegriffs oder durch eine umfassendere Definition . . . zu steuern" 1 . Zur Begründung ihrer Vorschläge über die Teilnahme schrieben die Sachbearbeiter des BJM damals: „Die vorgeschlagene Beteiligtenregelung ist auf dem Tatherrschaftsgedanken . . . aufgebaut, verzichtet aber auf eine nähere Ausgestaltung dieses Gedankens im Gesetz, da der Gesetzgeber sich bei der Stellungnahme zu solchen Fragen Zurückhaltung auferlegen und die weitere Klärung der Rechtslehre und Rechtsprechung überlassen muß" 2 . Die Väter des Gesetzes wollten also der Tatherrschaftslehre bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine gewisse Präferenz einräumen, ohne sich andererseits auf eine bestimmte Theorie festzulegen. Diese Situation spiegelt sich auch in der Begründung zu § 29 E 19623, des1 2

3

(Ii)

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 2 (1958) 92. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 2 (1958), Anhang, S. 38 ff (40). Bundestagsdrucksache IV/650, S. 147/48.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

sen Wortlaut mit dem geltenden § 25 völlig übereinstimmt: „Der Entwurf gibt dem . . . Gedanken der Tatherrschaft Raum. Er verzichtet jedoch darauf, ihn gesetzlich festzulegen, um einer weiteren Entwicklung in Rechtslehre und Rechtsprechung nicht vorzugreifen". Die Beratungen des Sonderausschusses haben in dieser Frage keine neuen Gesichtspunkte mehr ergeben 4 . Bei dieser Sachlage wird man den Streit um die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auch im neuen Recht noch nicht als erledigt ansehen können. Die Entwicklung von Wissenschaft und Rechtsprechung in den letzten 100 Jahren bedarf daher nach wie vor einer Darstellung, bei der das Schwergewicht selbstverständlich auf der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg liegen muß. 3. In der Wissenschaft haben seit Beginn des 19. Jahrhunderts subjektive und objektive Theorien um die Vorherrschaft gerungen. a) Subjektive Theorien sind vor allem in den beiden Formen der Dolustheorie und der Interessentheorie aufgetreten. Beide machen die Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme davon abhängig, ob ein an der Herbeiführung des Erfolges Beteiligter den Täterwillen (animus auctoris) oder den Teilnehmerwillen (animus sodi) innehat. 3

Dabei ist nach der Dolustheorie das maßgebende Kriterium für die Bestimmung des animus socii die Willensunterordnung: Teilnehmer ist, wer seinen Willen den Entschlüssen eines anderen (des Täters) unterordnet, wer es dem anderen „anheimstellt", ob die Tat zur Ausführung kommen soll oder nicht. Täter dagegen ist, wer einen den seinen beherrschenden Willen nicht anerkennt. Der einflußreichste Vertreter der Dolustheorie im 19. Jahrhundert war der RG-Rat v. Buri, der diese Lehre auch in der Rspr. des RG durchgesetzt hat. Bei ihm heißt es 5 : „Die Verschiedenheit des Urhebers 6 von dem Gehilfen kann nur in der Selbständigkeit des urheberischen und der Unselbständigkeit des beihelfenden Willens gefunden werden. Der Gehilfe will den Erfolg nur für den Fall ihn der Urheber will, und für den Fall ihn der Urheber nicht will, will auch er ihn nicht. Die Entscheidung, ob der Erfolg eintreten solle oder nicht, muß er darum dem Urheber anheimstellen." Ganz ähnlich sah noch Bockelmannder bedeutendste Verfechter der Dolustheorie im jüngeren Schrifttum, das Kriterium der Teilnahme „in einem ganz konkreten, psychischen Sachverhalt, nämlich in der Unterordnung des Vorsatzes, den der Gehilfe faßt, unter den Tatentschluß des Haupttäters". Die „maßgebliche Entscheidung über das Ob der Tat überläßt der Gehilfe dem Haupttäter. In solchem Sinne ,unterwirft' er seinen eigenen Vorsatz dem fremden Entschluß. Dieses ,Anheimstellen' m a c h t . . . den animus socii aus".

4

Demgegenüber macht die Interessentheorie den Grad des eigenen Interesses am Erfolge zum Merkmal der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Teilnehmer ist, wer kein oder nur geringes Eigeninteresse an der Herbeiführung des Erfolges hat, Täter, wer in eigenem Interesse handelt.

4

5 6 7

Vgl. die Protokolle der 82. Sitzung vom 4. 10. 1967, S. 1 6 4 7 - 1 6 5 0 , sowie der 91. Sitzung vom 14. 12. 1967, S. 1821 ff; ferner den schriftl. Bericht des Sonderausschusses, Bundestagsdrucksache V/4095, S. 12. Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen (1885) 41. Heute: des Täters. Strafrechtliche Untersuchungen (1957) 76. (12)

Täterschaft (Roxin)

§25

Die Interessentheorie, die als selbständige Lehre nur geringe Bedeutung erlangt hat — Birkmeyer8 bezeichnete sie schon im Jahre 1907 als „wissenschaftlich überwunden" — ist meist in Verbindung mit der Dolustheorie aufgetreten, indem das Eigeninteresse als Indiz für eine fehlende Willensunterordnung beurteilt wurde; in dieser Form hat sie vor allem in der Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit hinein bedeutenden Einfluß ausgeübt (vgl. näher Rdn. 12, 13, 16, 20). In der Wissenschaft hat die subjektive Theorie in ihren verschiedenen Ausprä- 5 gungen nie die Oberhand gewonnen; so bedeutende Dogmatiker wie Beling M. E. Mayer10, Liszt ' ' und Frank12 haben sie immer scharf abgelehnt. Doch hatte ihre Durchsetzung in der Rechtsprechung ihr immerhin auch zahlreiche wissenschaftliche Anhänger zugeführt. Mit dem Vordringen der Tatherrschaftslehre (vgl. zu dieser unten Rdn. 7—10) hat die subjektive Theorie im Laufe der Nachkriegszeit jedoch immer mehr wissenschaftlichen Boden verloren. Seit der Geltung des neuen Gesetzes kann unter den Lehrbuchverfassern und Kommentatoren nur noch Baumann zu ihren Vertretern gezählt werden. Für ihn ist der animus auctoris in der Weise zu bestimmen, daß „man dem Indiz des Interesses am Taterfolg das Indiz des Tatherrschaftswillens als gleichberechtigt zugesellt". Diese Indizien sind nach seiner Lehre „austauschbar und ergänzen einander" 13 . Das Kriterium des „Tatherrschaftswillens", das eine Konzession an die Tatherrschaftslehre darstellt und auch in der neueren Rechtsprechung eine Rolle spielt, wird man dabei als modernere Formulierung der Dolustheorie interpretieren müssen; danach ist dem der „Tatherrschaftswille" abzusprechen, der seinen Willen der Entschließung eines anderen unterordnet. Zur Kritik an der subjektiven Theorie und zur eigenen Meinung vgl. Rdn. 22 ff. b) Objektive Theorien sind früher in zahlreichen verschiedenen Ausprägungen 6 vertreten worden (vgl. i. e. mit zahlr. Nachw. Täterschaft, S. 34—50). Die größte Bedeutung hat die formal-objektive Theorie erlangt, die dem Amtlichen Entwurf 1925 zugrunde lag und um 1930 die in der Wissenschaft vorherrschende Lehre war: Ihr zufolge ist Täter nur der, der die in den Tatbeschreibungen des Besonderen Teils geschilderten Handlungen selbst ausführt; alle sonst Beteiligten sind Teilnehmer. Unter den übrigen Auffassungen sind zu nennen: die „Notwendigkeitstheorie", derzufolge jeder Täter ist, der einen notwendigen Tatbeitrag leistet, ohne den die Tat also nicht hätte ausgeführt werden können; die „Gleichzeitigkeitstheorie", die alle während der Ausführung Mitwirkenden als Täter ansieht; ferner die vor allem durch den Kommentator Frank vertretene Lehre von der „physisch und psychisch vermittelten Kausalität" 14 , nach der Teilnehmer ist, wessen kausaler Beitrag nur über die Psyche eines anderen zum Erfolge führt, während die unmittelbar physische Erfolgsverursachung die Täterschaft begründet. Soweit diese Lehren beanspruchten, einen „Universalschlüssel" für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme zu liefern, haben sie heute keine Anhänger 8

Teilnahme am Verbrechen, in : Vergleichende Darstellungen des deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, II. Band (1908) 28. 9 Vgl. nur GS 101 (1932) 10. 10 Der allgemeine Teil des deutschen Strafrechts (1915, 1923) 402. 11 Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 21./22. Aufl. (1919) 211, Anm. 10. 12 Das Strafgesetzbuch für das deutsche Reich, 18. Aufl. (1931) vor § 47, II. •3 Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. (1977) § 36 I 3 c γ, S. 566, 568. 14 Das Strafgesetzbuch für das deutsche Reich, 18. Aufl. (1931) vor § 47, II. (13)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

mehr; daß sie in jeweils verschiedenen Teilbereichen der Abgrenzungsproblematik nach wie vor verwertbare Ansätze liefern, wird noch zu zeigen sein. 7

c) In der Wissenschaft absolut herrschend ist heute die Tatherrschaftslehre, die sich als eine Synthese aus der Dolustheorie und den älteren objektiven Lehren darstellt (zu ihrer Entwicklung eingehend Täterschaft, S. 60 ff). Nach ihr ist Täter, wer die Tatausführung beherrscht, Teilnehmer, wer ohne Beherrschung des Geschehens zur Tat beiträgt.

8

Sie ist in heute noch gültiger Form zuerst in der 5. Auflage dieses Kommentars (1933) von Lobe formuliert worden. Bei ihm heißt es 1 5 : „Das Wesentliche für die Täterschaft i s t . . . nicht nur das Vorliegen eines Willens des Inhaltes, die Tat als eigene zu begehen, sondern die Verwirklichung dieses Willens muß weiter auch dadurch erfolgen, daß er ausgeführt wird unter seiner Herrschaft, daß der Wille auch die seiner Verwirklichung dienliche Ausführung beherrscht und lenkt... Wer Täter ist, bestimmt sich hiernach nach diesen beiden subjektiv-objektiven Merkmalen . . . Damit wird auch eine hinreichende Abgrenzung der Teilnahme von der Täterschaft ermöglicht. Bei der Teilnahme fehlt die Beherrschung der die Herbeiführung des Erfolges bezweckenden Ausführungshandlung, diese wird vielmehr durch den Willen eines anderen ausgelöst und b e h e r r s c h t . . . " . Zusammengefaßt nennt Lobe als das Kriterium der Täterschaft den „animus domini in Verbindung mit dem entsprechenden wirklichen dominare bei der Ausführung".

9

Lobes Darlegungen blieben zunächst ohne Echo und Einfluß. Größere Bedeutung erlangte der Begriff der „Tatherrschaft" erst, als Welzel ihn in seinen „Studien zum System des Strafrechts" (1939) 16 — ohne Anknüpfung an Lobe und andere Vorläufer — als „finale Tatherrschaft" in die Konzeption seiner Verbrechenslehre einfügte. Außer durch Welzel ist die Tatherrschaftslehre in der frühen Nachkriegszeit vor allem durch Maurach und Gallas gefördert worden. Während Lobe und Welzel noch von der subjektiven Theorie beeinflußt waren, entwickelte Maurach die Täterschaft selbständig aus dem von ihm näher konkretisierten Herrschaftsbegriff. „Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfaßte In-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes, die dem Handelnden bewußte Möglichkeit finaler tatbestandsgestaltender Steuerung. Tatherrschaft hat jeder Mitwirkende, der in der tatsächlichen und ihm bewußten Lage ist, die Tatbestandsverwirklichung je nach seinem Willen ablaufen lassen, hemmen oder abbrechen zu können. Im Gegensatz zur Täterschaft ist jede Form der Teilnahme dadurch gekennzeichnet, daß es bei ihr an der Tatherrschaft des Mitwirkenden fehlt"17. Demgegenüber kommt Gallas18 von der formal-objektiven Theorie her, indem er den täterschaftskonstituierenden Begriff der Tatbestandsverwirklichung auf die Fälle ausdehnt, in denen der Handelnde nach einem Programm verfährt, dessen Verwirklichung ihm den Erfolg „in die Hand gibt" 1 9 ; ihm dient also der Tatherrschaftsbegriff als „Maßstab für eine ,auflockernde' Interpretation des tatbestands-

'5 In der Einleitung des Kommentars, S. 123. 16 In: ZStW 58 (1939) 4 9 1 - 5 6 6 (539ff). 17 So zuletzt AT, 4. Aufl. (1971) § 47 III Β 2b, S. 627. 18 Täterschaft und Teilnahme, Mat. Band I, Gutachten der Strafrechtslehrer (1954) 121 ff; Die moderne Entwicklung der Begriffe Täterschaft und Teilnahme, Sonderheft der ZStW (1957) 3 ff. 19 Vgl. Mat. Bd. I S. 128; Sonderheft (wie Anm. 18), S. 1 1 - 1 3 . (14)

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§25

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mäßigen Verhaltens" . In meinem Buch über „Täterschaft und Tatherrschaft" (1963, 31975) wurde sodann der Versuch unternommen, den Begriff der Tatherrschaft unter Einbeziehung aller früheren Ansätze in monografischer Form theoretisch abzuklären, inhaltlich auszuarbeiten und die Grenzen seiner Anwendbarkeit zu bestimmen (vgl. unten I, 5, II—VI, Rdn. 22ff). Inzwischen hat sich fast das gesamte Schrifttum, wenn auch in teilweise recht un- 10 terschiedlicher Ausprägung, der Tatherrschaftslehre angeschlossen. Als wichtigste Meinungsäußerungen sind (in alphabetischer Reihenfolge) zu nennen: Blei AT, 17. Aufl., §§ 71 II, 78 III 1; Bockelmann AT, 2. Aufl., §§ 22 I 3, 23 II 1 - 4 ; Busch Voraufl. dieses Kommentars, Vorbem. zu §47, Rdn. 13; Dreher Prot. V. WP., 91. Sitzung, S. 1826; Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 27, Rdn. 12 ff; Herzberg TuT passim; Jescheck AT, 2. Aufl., §61 V; Lackner 11. Aufl., vor §25, 2c; Lange (in Kohlrausch-Lange 42./43. Aufl., vor § 47 I, 4; § 47 I); Preisendanz 29. Aufl., vor § 25, 2 b bb; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. lOff; Samson Strafrecht I (1974) Fall 39; Sax JZ 1963 329ff; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965); Stratenwerth A T I , 2. Aufl., Rdn. 735 ff, 804ff; Wessels AT, 6. Aufl., §13 116; Welzel 11. Aufl., § 15 I. Zu den älteren Vertretern der Tatherrschaftslehre vgl. Täterschaft, S. 6 0 - 8 9 . d) Eine Sondermeinung im gegenwärtigen Schrifttum vertritt Schmidhäuser 11 (Lehrb., 2. Aufl., 14/156, S. 575). Er entwickelt eine „Ganzheitstheorie", bei der für die Täterschaft „nie ein einzelnes Moment allein, sondern . . . jedes einzelne Moment nur innerhalb dieses ganzheitlichen Zusammenhangs den Ausschlag geben" soll. Er nennt in nicht abschließender Aufzählung 16 solcher Momente, wie etwa die Gegenwart am Tatort, das Maß der Beherrschung des Geschehens, die Intensität der Tatvorbereitung, das Interesse an der Tat usw. Für die Frage, ob Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe vorliegt, kann jedesmal „ein anderer Einzelzug des Geschehens den Ausschlag geben". Zur Kritik vgl. Roxin ZStW 83 [1971] 394 ff. 4. Anders als im Schrifttum hat in der Rechtsprechung seit eh und je die subjektive Theorie vorgeherrscht. a) Das Reichsgericht hatte schon in RGSt. 2 160 ff (163) aus den Motiven zitiert: 12 „Während die Mitwirkung des Gehilfen sich dadurch kennzeichne, daß sie die That selbst als die eines Dritten behandle, zu welcher Hilfe geleistet werde, sei die Mitwirkung des Mitthäters aus der Absicht entsprungen, die That als seine eigene . . . zur Vollendung zu bringen." Das Gericht zog daraus die bündige Folgerung: „Der Mitthäter beteiligt sich also an der That als an seiner e i g e n e n , . . . der Gehilfe als an der eines anderen." RGSt. 3 181 ff (182/83) konkretisierte dies in grundlegender Weise dahin, „daß der Gehilfe nur einen von demjenigen des Thäters abhängigen Willen haben darf, er also seinen Willen demjenigen des Thäters dergestalt unterwirft, daß er es ihm anheimstellt, ob die That zur Vollendung kommen solle oder nicht. Im Gegensatz zu diesem abhängigen Willen des Gehilfen erkennt hingegen der Mitthäter einen den seinigen beherrschenden Willen nicht an." Auf dieser Grundlage baute dann die ganze folgende Rspr. auf. Zu nennen sind: RGSt. 31 80, 82; 39 193, 196; 39 298, 300; 40 21, 25; 40 390, 392; 41 61, 64; 42 151, 156; 44 69, 71 ; 52 152, 153; 53 11, 12; 53 138; 55 60; 55 282, 283; 57 274; 62 390; 63 101, 102; 66 236, 240; 66 298, 305. 20

05)

Sonderheft (wie Anm. 18), S. 14.

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2. Abschnitt. Die Tat

Dabei verwendete das RG in manchen Entscheidungen den Begriff des „Täterwillens" recht formelhaft, ohne die konkreten Umstände anzugeben, aus denen dieser Wille hergeleitet wurde; vgl. etwa RGSt. 37 55, 58; 54 152, 153; 57 307, 308; 64 273, 275. Auch griff die spätere Rspr. in zunehmendem Maße auf die wissenschaftlich längst aufgegebene Interessentheorie zurück und übertrug die zunächst vornehmlich für die Abgrenzung von Beihilfe und Mittäterschaft entwickelten subjektiven Gesichtspunkte auf das Verhältnis von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft. So heißt es in RGSt. 74 21 : „Täter der Abtreibung . . . kann auch sein, wer sich darauf beschränkt, einer Schwangeren ein Abtreibungsmittel oder -Werkzeug zu verschaffen, das diese dann selbst anwendet". Danach sollte für die Täterschaft genügen, daß eine Abtreibung „ m i t . . . Täterwillen veranlaßt" oder nur, wie im gegebenen Falle, durch Hingabe von Abtreibungsmitteln unterstützt wurde. 13

Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in der folgenreichen und viel diskutierten Entscheidung RGSt. 74 84, dem sog. „Badewannenfall" (τα den Motiven der damals entscheidenden Richter vgl. Härtung JZ 1954 430): Die Schwester einer unehelichen Mutter hatte deren neugeborenes Kind im Einverständnis mit der Mutter eigenhändig in einer Badewanne ertränkt. Das RG hob die Verurteilung der Schwester als Täterin des Tötungsdeliktes mit der Begründung auf, daß die Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung zur Annahme der Täterschaft nicht genüge: „Es wäre vielmehr weiter zu prüfen und festzustellen gewesen, ob sie die Tötungshandlung als eigene gewollt hat oder lediglich die Tat ihrer Schwester (seil, der Kindesmutter) hat unterstützen wollen. Ob jemand die Tat als eigene will, richtet sich vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, nach dem Grade seines eigenen Interesses am Erfolg" (aaO S. 85). Die Frau, die den Säugling selbst ertränkt hatte, war also, wenn sie dabei im Interesse der Kindesmutter tätig geworden war, nach Meinung des RG trotz eigenhändiger Tatbestandsverwirklichung nur Gehilfin. Diese extreme Konsequenz der subjektiven Theorie hat schon damals im Schrifttum fast einmütige Ablehnung erfahren (Mezger DR 1940 634; Graf Dohna DStR 1940 120; Klee ZAkDR 1940 188); sie hat aber die nachfolgende Rechtsprechung des BGH lebhaft beschäftigt (vgl. unten Rdn. 20) und auch in dem Gesetzgebungsverfahren, aus dem der neue § 25 StGB hervorgegangen ist, eine erhebliche Rolle gespielt (vgl. unten II, Rdn. 38 ff)·

14

b) Die Rechtsprechung des BGH hat sich mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sehr oft zu beschäftigen gehabt. Unter Beiseitelassung allzu beiläufiger Entscheidungsbemerkungen sind zu nennen: BGH NJW 1951 120; NJW 1951 323; BGHSt. 2 150, 156; 2 169, 170; BGH bei Daliinger M D R 1953 400/401; bei Herían M D R 1954 529/30; BGHSt. 6 226, 228; BGH JR 1955 304/305; BGHSt. 8 70, 73; BGH LM Nr. 10 vor § 47; BGH 8 390, 391 ; BGHSt. 8 3 9 3 - 3 9 9 ; 9 119, 121 ; 9 370, 380; BGH bei Daliinger M D R 1958 139; BGHSt. 11 268, 272; 13 162, 166/67; 14 123, 128/29; BGH M D R 1960 939/40; BGHSt. 16 1 2 - 1 5 ; BGH VRS 23 207, 209; BGHSt. 18 8 7 - 9 6 ; 19 135 138/39; BGH NJW 1966 1763; NJW 1968 1339/40; bei Dallinger M D R 1973 17; bei Dallinger M D R 1973 729; bei Dallinger M D R 1974 547. Eine eingehende Darstellung und Analyse der meisten hier genannten Entscheidungen findet sich in Täterschaft, S. 90—106, 557—577; eine vollständige Zusammenstellung der BGH-Rechtsprechung bis zum 8. Bande gibt Kalthoener NJW 1956 1662; weitere unveröffentlichte Urteile werden bei Dreher 37. Aufl., Rdn. 2 vor § 25, nachgewiesen. (16)

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Inhaltlich weisen die Entscheidungen keine einheitliche Linie auf. Zusammenfas- 15 send läßt sich sagen, daß der BGH unter der Geltung des alten Rechts bei der subjektiven Theorie geblieben ist, der Tatherrschaftslehre aber mehr oder weniger große Zugeständnisse gemacht hat. Im einzelnen ergeben sich beträchtliche Unterschiede. Bei einer Grobeinteilung lassen sich zwei Gruppen von Urteilen unterscheiden. Die erste verharrt bei der subjektiven Theorie in dem von der Rspr. des RG ent- 16 wickelten, unterschiedliche Nuancierungen zulassenden Rahmen; dabei wird teils ohne nähere inhaltliche Konkretisierung auf den Täterwillen abgestellt (etwa BGHSt. 2 169, 170; 4 20, 21; 4 41, 42; 6 226, 228; M D R 1958 139 [als Tatherrschaftswille!]; M D R 1973 17), teils wird mit der Dolustheorie und im Anschluß an RGSt. 3 181 ff das Merkmal der „Willensunterordnung" zum entscheidenden Kriterium erhoben (NJW 1951 323; M D R 1953 400/01), teils wird auch der Gesichtspunkt des Eigeninteresses in den Vordergrund gestellt (BGHSt. 16 14; VRS 23 209; M D R 1973 729). Die zweite Gruppe von Entscheidungen versucht in teilweise abweichender Form 17 und mit unterschiedlichen Ergebnissen die subjektive Theorie und die Tatherrschaftslehre miteinander zu verbinden. In einigen Urteilen wird dabei die Tatherrschaftslehre mit der Dolustheorie gleichgesetzt, derart, daß ein Beteiligter durch seine „Willensunterordnung" dem anderen die Tatherrschaft überläßt (NJW 1951 120), daß der fehlende Wille zur Tatbeherrschung den Täterwillen ausschließt (BGHSt. 13 162, 166/67) oder daß umgekehrt die Mitherrschaft eines Beteiligten seinen Täterwillen begründet (MDR 1954 529/38; BGHSt. 9 370, 380). Sodann findet sich die an Mezger (in diesem Kommentar, 8. Aufl., § 47, 2, b) anschließende Erwägung, daß über den Täterwillen nicht die Vorstellung des Handelnden, sondern der objektive Sinn seines Tuns entscheide, der wesentlich durch die Tatherrschaft bestimmt werde (BGHSt. 2 150, 156). Bisweilen werden auch verschiedene Kriterien (Willensrichtung, Tatherrschaft, Interesse, Umfang eigener Tatbestandsverwirklichung) unverbunden nebeneinander gestellt und für die „innere Haltung" (also den Täterwillen) als gleichermaßen wichtig erklärt (LM Nr. 10 vor § 47), oder es werden Täterwillen und Tatherrschaft gemeinsam zur Begründung der Täterschaft herangezogen (BGHSt. 11 68). Der Versuch einer eigenständigen normativen Kombinationstheorie findet sich in 18 verschiedenen Urteilen des J. Strafsenats. Dabei ist der Ausgangspunkt der, daß bei einer „wertenden Beurteilung" die Tatherrschaft das maßgebende Indiz für den Täterwillen sei (JR 1955 304/05): „Entscheidend i s t . . . die innere Willensrichtung der Beteiligten . . . Die gebräuchliche Wendung, Mittäter sei, wer die Tat ,als eigene' wolle, ist mißverständlich. Diese Willensrichtung ist keine innere Tatsache, die der Tatrichter bindend feststellen kann. Es handelt sich vielmehr um eine wertende Beurteilung. Für sie ist ein wesentlicher Anhaltspunkt, wieweit der Beteiligte den Geschehensablauf mitbeherrscht, so daß Hergang und Erfolg der Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängen." Diese Wendungen kehren in mehreren späteren Urteilen fast wörtlich wieder (BGHSt. 8 391; 8 396; M D R 1960 939/40; NJW 1966 1763) und haben auch auf Entscheidungen anderer Senate eingewirkt (BGHSt. 14 129; M D R 1974 547). Es handelt sich dabei um eine Fortentwicklung der „gemischt subjektiv-objektiven Teilnahmelehre" Mezgers (vgl. die 8. Aufl. dieses Kommentars, vor § 47, 4). Dabei stand diese Konzeption zunächst der Tatherrschaftslehre sehr nahe, indem bei der „wertenden Ermittlung" aller Umstände der Herrschaft über den Geschehensablauf die größte Bedeutung beigemessen wurde (JR (17)

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2. Abschnitt. Die Tat

1955 304/05 ; BGHSt. 8 396), während später auch wieder andere Umstände hervorgehoben werden u n d die „innere Billigung" des Erfolges die Täterschaft allein soll begründen können (vor allem in N J W 1966 1763); eine Entscheidung des 1. Senats benutzt die Heranziehung der „gesamten U m s t ä n d e " schließlich sogar unter Umkehrung von BGHSt. 8 393 ff wieder zur Begründung einer Teilnahme trotz eigenhändiger Tatbestandserfüllung ( M D R 1974 547). 19

Eine Beschäftigung mit der Tatherrschaftslehre als einer von der subjektiven Lehre abweichenden u n d ihr gegenüber selbständigen Theorie findet sich nur in drei veröffentlichten Entscheidungen des BGH. Dabei fallen die Stellungnahmen sehr unterschiedlich aus. BGHSt. 8 395 erwägt immerhin, ob die Tatherrschaftslehre der subjektiven Theorie des R G vorzuziehen sei, meint d a n n aber, diese Frage brauche „hier nicht entschieden zu werden", da eine recht verstandene subjektive Theorie (vgl. Rdn. 18) zum selben Ergebnis führe. BGHSt. 18 95, das sog. Staschynski-Urteil, verwirft die von ihm als „materiell-objektiv" bezeichnete Tatherrschaftslehre mindestens für den Fall staatlich angeordneter Verbrechen: „Die materiellobjektive Lehre i s t . . . zu schematisch eng. Sie bedarf weiterer Prüfung hinsichtlich ihrer Tragweite. Auch aus diesem G r u n d e verdient die bisherige Rechtsprechung, richtig verstanden, den Vorzug." Im Gegensatz zu dieser Entscheidung des 3. Senats, die zur Renaissance der subjektiven Theorie in der nachfolgenden Rechtsprechung viel beigetragen hat, wendet sich der 2. Senat in BGHSt. 19 138 unter Bevorzugung der Tatherrschaftslehre nachdrücklich gegen die subjektive Theorie. Dabei beschränkt er sich auf den zur Entscheidung stehenden Fall der Abgrenzung einer Tötung auf Verlangen (§216 StGB) von der straflosen Teilnahme am Selbstmord, doch weisen seine Argumente über die besondere Situation hinaus. Danach „können die Bedenken, die in der allgemeinen Teilnahmelehre gegen das Merkmal des ,Willens zur Tatherrschaft' geltend gemacht werden, unerörtert bleiben. Nach Ansicht des erkennenden Senats sind jedenfalls f ü r den Sonderfall der tatbestandlichen Abgrenzung des § 216 StGB gegenüber der straflosen Beihilfe zur Selbsttötung subjektiv bestimmte Kriterien, ob nämlich der H a n d e l n d e die Tat als eigene wollte, ob er den Täterwillen, den Willen zur Tatherrschaft oder ein eigenes Interesse an der Tat hatte, nicht geeignet, sinnvolle Ergebnisse zu gewährleisten." Die Ergebnisse einer subjektiven Abgrenzung seien „notwendigerweise willkürlich und unkontrollierbar", und es könne „allein darauf ankommen, wer d a s . . . Geschehen tatsächlich beherrscht hat."

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Ebenso gegensätzliche Standpunkte wie bei der Beurteilung der Tatherrschaft vertritt die Rspr. des B G H in der Stellungnahme zur äußersten Konsequenz der subjektiven Theorie, wonach auch bei eigenhändiger u n d ungenötigter Verwirklichung des gesamten Tatbestandes nur eine Beihilfe vorliegen kann, wenn der Handelnde die Tat nicht „als eigene" will (zu RGSt. 74 84, wo diese Folgerung gezogen worden war, vgl. Rdn. 13). Die erste Entscheidung des B G H , die den Begriff der Tatherrschaft a u f n i m m t ( N J W 1951 120), hält es höchstens in seltenen Grenzfällen für möglich, den Ausführenden als Gehilfen anzusehen: „Auch wenn man diese Möglichkeit nicht aus Rechtsgründen grundsätzlich verneint, würde sie doch voraussetzen, daß der Handelnde seinen Willen dem eines anderen vollständig unterordnet u n d zu diesem in einem Verhältnis steht, das diesem anderen trotz der vollständigen Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale durch das eigene Verhalten die volle Tatherrschaft überläßt." Eine solche „vollständige Unterordnung" wurde bald darauf ( N J W 1951 323) in einem Fall angenommen, wo der Ausführende geistesschwach war und auf Befehl seines am Tatort anwesenden Vorgesetzten gehan(18)

Täterschaft (Roxin)

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delt hatte. Auch BGHSt. 8 73 stellte fest: „Insbesondere kann auch Gehilfe sein, wer den vollen Tatbestand selbst verwirklicht" ; allerdings setze dies voraus, daß er „sich vollständig dem Willen eines anderen" unterordne. Allé drei Urteile wollen also zwar nicht mit RGSt. 74 84 brechen, die Möglichkeit einer Teilnahme des Ausführenden aber auf Ausnahmefälle beschränken. Einen Schritt weiter geht die Entscheidung BGHSt. 8 393, wo es schon im Leitsatz heißt: „Wer mit eigener Hand einen Menschen tötet, ist grundsätzlich auch dann Täter, wenn er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut (gegen RGSt. 74 84)." Hier wurde der Ausführende als Täter angesehen, obwohl er „nur einen schwach entwickelten Willen" hatte, eine „primitive und undifferenzierte Persönlichkeit" und zudem der Antreiberin zur Tat „hörig" war. Doch blieb dieses Urteil eine Ausnahme. Die berühmte Staschynski-Entscheidung BGHSt. 18 87 ff kehrte zu den Grundsätzen der Entscheidung RGSt. 74 84 zurück, indem sie einen ausländischen Agenten, der im Auftrage seines Geheimdienstes zwei Exilpolitiker in der Bundesrepublik eigenhändig mit einer Giftpistole getötet hatte, nur als Gehilfen bestrafte (vgl. dazu eingehend Täterschaft, S. 562 ff). Wenngleich das Urteil prinzipiell eine bloße Teilnahme des Ausführenden nur „unter bestimmten, engen Umständen" (Leitsatz) hatte zulassen wollen, wurde es zum leading-case einer Rechtsprechung, die bei der Ahndung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen die Ausführenden in weitgehendem Maße wegen mangelnden Täterwillens mit der gemilderten Gehilfenstrafe davonkommen ließ (vgl. dazu näher Rdn. 41, 42). Doch gab die spätere Rspr. des BGH auch sonst mehr und mehr ihre Zurückhaltung gegenüber den extremen Konsequenzen der subjektiven Theorie auf. Schon kurz vor dem Staschynski-Urteil hatte der BGH (VRS, 23 207 = GA 1963 187) den Insassen eines Autos, der auf Wunsch des Fahrers einen Verunglückten durch den Hinauswurf aus dem fahrenden Wagen getötet hatte, allein wegen fehlenden Eigeninteresses als Gehilfen angesehen (näher Täterschaft, S. 558 ff). Eine der letzten Entscheidungen des BGH schließlich (MDR 1974 547) beurteilt einen tödlichen Messerstich schon deswegen als Beihilfehandlung, weil der Handelnde die Tat vornehmlich deshalb vollbracht hatte, um in den Augen seiner Mittäter nicht als Feigling dazustehen. Alles in allem wird man sagen müssen, daß die Rspr. ein verwirrendes und wenig 21 befriedigendes Bild bietet. Dieses Urteil gründet sich weniger darauf, daß viele Urteile wissenschaftlicher Kritik ausgesetzt sind; das ist bei der Unabgeklärtheit, die die wissenschaftliche Diskussion noch vor wenigen Jahren kennzeichnete, kaum zu vermeiden. Bedenklich ist aber die Vielfalt ganz heterogener Begründungsansätze, die im konkreten Fall eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme unvorhersehbarer Beliebigkeit überantwortet und damit in diesem wichtigen Bereich der Verbrechenslehre erheblicher Rechtsunsicherheit Raum gegeben hat. 5. Richtigerweise wird davon auszugehen sein, daß unter dem geltenden Recht 22 Täterschaft und Teilnahme im Regelfall nach dem Maßstab der Tatherrschaft voneinander abzugrenzen sind. a) Die subjektive Theorie ist heute wissenschaftlich überholt und auch mit dem positiven Recht kaum noch zu vereinbaren. Sie beruht dogmengeschichtlich auf dem naturalistischen Positivismus des 19. Jahrhunderts, der auch die Geisteswissenschaften dem naturwissenschaftlichen Denken unterwerfen wollte und dementsprechend ein tragfähiges Strafrechtssystem nicht auf Wertungs- und Bedeutungsunterschiede, sondern allein auf das wertfreie Kausalgesetz gründen zu können glaubte. Wenn man danach zwischen Tätern und Teilnehmern objektiv keinen Unterschied (19)

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entdecken kann, weil sie für den Erfolg gleichermaßen kausal sind 2 1 , so kann die Abgrenzung nur im Subjektiven gesucht werden. Sieht man ferner, wie es dem „klassischen" System entsprach, alle psychischen Faktoren als zur „Schuld" gehörig an, so mußte die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme mit einer gewissen Zwangsläufigkeit auf die „innere Einstellung" der Beteiligten gegründet werden und sich einem an der Schuldhöhe orientierten Strafzumessungsakt nähern, wie dies auch der in der Rspr. gehandhabten Praxis weitgehend entspricht 2 2 . Demgegenüber ist inzwischen längst geklärt, daß sich die objektive Bedeutung einer Straftat nicht auf die Kausalität und die Schuld nicht auf die psychische Beziehung des Täters zum Erfolge reduzieren läßt, daß vielmehr Unrecht und Schuld durch objektive wie subjektive Elemente gleichermaßen bestimmt werden und nicht durch die abweichende Beschaffenheit ihres sachlichen Substrates, sondern nur als verschiedene Wertungsstufen voneinander abgrenzbar sind 2 3 . So ragt die subjektive Theorie, nachdem ihre beiden Prämissen dahingefallen sind, als ein dogmatisches Relikt aus dem vorigen Jahrhundert ohne tragfähiges Fundament in die Gegenwart hinein. 23

Aber auch in ihren Ergebnissen ist die subjektive Theorie unbefriedigend. Es ist oft daraufhingewiesen worden, daß es einen „Täterwillen" als eine psychisch greifbare Realität nicht gibt. Daraus erwächst die Möglichkeit, diese Leerformel vom gewünschten Ergebnis her nach wechselnden Kriterien mit einer gewissen Beliebigkeit auszufüllen und bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine Art von richterlichem Ermessen walten zu lassen, die dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gebot der Rechtssicherheit widerstreitet. Der besonders häufige Versuch, das Merkmal des Eigeninteresses zur Bestimmung des „Täterwillens" heranzuziehen, scheitert zudem von vornherein. Denn erstens ergibt schon der Wortlaut verschiedener besonders wichtiger Tatbestände (§§ 216, 253, 259, 263 StGB), daß das Handeln in fremdem Interesse nach Meinung des Gesetzgebers keineswegs gegen eine Täterschaft des Ausführenden spricht. Es ist auch zweitens das Eigeninteresse eine typische Voraussetzung jeglicher Deliktsbeteiligung; wenn aber derjenige, der an einer Tat nicht interessiert ist, normalerweise auch als Anstifter oder Gehilfe nicht an ihr mitwirken wird, kann dieses Merkmal nicht gleichzeitig zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme dienen.

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Freilich führt das Merkmal der „Willensunterordnung", auf das die Dolustheorie abstellt, zu einleuchtenderen Ergebnissen. Doch verbirgt sich dahinter, sofern man die Unter- oder Überordnung nicht in eine innerlich bleibende „Einstellung" uminterpretiert, in Wahrheit eine objektive Unterscheidung nach dem Maße der Tatherrschaft. Wer den Ablauf der Ereignisse nicht beherrscht, wird die Ausführung notwendig dem Täter anheimstellen, seinen Willen also „unterordnen" müssen; wer dagegen über den Tatablauf maßgeblich entscheidet, kann seinen Willen nicht dem eines anderen unterordnen. Ein im Sinne der Dolustheorie gedeuteter Täterwille ist also, solange man es mit dem Kriterium der Unter- bzw. Gleich- oder Überordnung ernst nimmt, nur die subjektive Komponente eines objektiven Sachverhalts, wie dies Lobe (vgl. Rdn. 8) schon vor mehr als vier Jahrzehnten hervorgehoben hat. 21

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So heute noch Baumann, AT, 8. Aufl., § 36 I 3 c δ, der meint, „daß . . . wegen der Gleichwertigkeit aller Bedingungen allein eine subjektive Abgrenzung Erfolg verspricht." Vgl. zum ganzen eingehend Täterschaft, 4—32, 110/11, 584 und passim; ferner vor allem Sax Der Bundesgerichtshof und die Täterlehre JZ 1963 329 ff. Vgl. näher meine „Bemerkungen zum Verhältnis von Rechtsidee und Rechtsstoff in der Systematik unseres Strafrechts" (Radbruch-Gedächtnisschrift [1968] 260 ff), sowie meine Schrift „Kriminalpolitik und Strafrechtssystem", 2. Aufl., 1973. (20)

Täterschaft (Roxin)

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Auch wenn der BGH vielfach den Täterwillen nicht als bloßes inneres Faktum ansehen, sondern ihn auf Grund aller Umstände wertend ermitteln will und dabei auf die Tatherrschaft als Indiz für den Täterwillen hinweist (vgl. näher Rdn. 17, 18), ist dies eine verkappte objektive Abgrenzung, die den subjektiven Ausgangspunkt nur noch terminologisch festhält. Eine Aufgabe der subjektiven Theorie ist also auch in der Rspr. schon vorbereitet. Eine Abkehr von der subjektiven Theorie wird auch durch das neue Gesetz nahe- 25 gelegt. Es enthält zwar keine Festlegung auf eine bestimmte Teilnahmelehre, aber doch deutliche Anhaltspunkte für eine Abwendung von der subjektiven Theorie. Wenn § 25 Abs. 1 nunmehr denjenigen, der die Tat „ s e l b s t . . . begeht", ausdrücklich als Täter ansieht, wird damit der weitestgehenden Konsequenz der subjektiven Theorie, daß man trotz eigenhändiger Tatausführung bei fehlendem Täterwillen nur Gehilfe sei, der Boden entzogen (dazu eingehend Rdn. 38 f). In dieselbe Richtung weist die Streichung des § 32 E 1962 durch den Sonderausschuß 2 4 . Danach wurde „wie ein Anstifter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der Annahme bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln." Entsprechendes sollte für die Beihilfe gelten. Ein Fall dieser Art muß nun straflos bleiben, weil der für eine Teilnahmebestrafung nach §§ 26, 27 StGB erforderliche Vorsatz fehlt. Es würde sich aber nach der subjektiven Theorie bei einer derartigen Konstellation um einen echten Fall der Teilnahme (eine Erfolgsverursachung mit animus sodi) handeln, so daß die Straffreistellung der subjektiven Theorie widerspricht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber zur Kennzeichnung der Mittäterschaft in § 25 Abs. 2 StGB ein eindeutig objektives Kriterium („Begehen mehrere die Tat gemeinschaftlich") verwendet, das schwerlich so verstanden werden kann, als stünde dort: „Beteiligen sich mehrere an einer Tat mit Täterwillen . . . " b) Demgegenüber bietet die Tatherrschaftslehre, die auch vom Gesetzgeber fa- 26 vorisiert wird (vgl. Rdn. 2), in den meisten Fällen einen theoretisch wie praktisch gleichermaßen überzeugenden Lösungsansatz zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Sie trägt der wegen ihrer Evidenz unbestreitbaren Erkenntnis Rechnung, daß der Täter nichts anderes ist als das Subjekt der Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils, daß seine Feststellung mithin eine Frage des tatbestandlichen Unrechts und nicht etwa der Schuld, der „inneren Einstellung" oder der „Gesinnung", ist. Der richtige Ausgangspunkt ist also der der formal-objektiven Theorie (vgl. Rdn. 6), die nur übersieht, daß die Tatbestandserfüllung, wie nunmehr durch den Wortlaut des § 25 StGB ausdrücklich klargestellt ist, nicht notwendig eigenhändig zu erfolgen braucht, sondern auch mit Hilfe vorsatzloser oder genötigter menschlicher „Werkzeuge" oder in arbeitsteiligem Zusammenwirken mit anderen erfolgen kann. Diese einseitige Fixierung auf die „Eigenhändigkeit" überwindet die Tatherrschaftslehre, indem sie es gestattet, denjenigen als Subjekt des Deliktstatbestandes und damit als Täter anzusehen, der den tatbestandlichen Erfolg unter eigener Herrschaft oder Mitherrschaft herbeiführt. Insofern stellt die Tatherrschaftstheorie also tatsächlich, wie besonders Gallas betont hat (vgl. Rdn. 9), eine „auflockernde" Fortentwicklung der formal-objektiven Theorie dar und wird mit Recht auch als „mate24

(21)

Vgl. eingehend Täterschaft, S. 255 ff; ferner Rdn. 97,98.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

riell-objektive" Lehre bezeichnet, weil ihr ein nicht an formalen Kriterien haftender, materieller Begriff der Tatbestandserfüllung zugrunde liegt. 27 Man muß nur — und deshalb ist diese Bezeichnung nicht völlig unmißverständlich — im Auge behalten, daß dabei der subjektive Tatbestand, also der Vorsatz und die Kenntnis aller die eigene Herrschaft begründenden Faktoren, schon mitgedacht ist: Wer von der eigenen Tatbestandserfüllung oder von seiner dominierenden Rolle nichts weiß, kann auch keine Herrschaft über das Geschehen ausüben und kommt als Täter nicht in Betracht. Die Tatherrschaftslehre mißt also objektiven wie subjektiven Faktoren für die Bestimmung der Täterschaft gleichrangige Bedeutung zu, so daß sich auch von der Dolustheorie her, aus der sie ja historisch (bei Lobe und Welzet) hervorgegangen ist (vgl. Rdn. 8, 9), ein Zugang zu ihr eröffnet (vgl. auch Rdn. 24). So ermöglicht das Prinzip der Tatherrschaft eine Versöhnung von Objektivisten und Subjektivisten, die zu seiner fast einhelligen Durchsetzung in der Wissenschaft beigetragen haben mag. 28

Freilich ist die „Tatherrschaft" kein Begriff, der durch die abschließende Angabe stets vorfindbarer deskriptiver Merkmale definiert wäre und unter den sich beliebige Erscheinungsformen täterschaftlichen Handelns einfach subsumieren ließen. Ein solcher Täterbegriff ist angesichts der Mannigfaltigkeit der Lebensgestaltungen überhaupt unmöglich, und die Suche danach hat die Lehre von Täterschaft und Teilnahme lange auf der verfehlten Bahn schematisierender Abstraktion festgehalten. Andererseits ist die Tatherrschaft aber auch keine Generalklausel oder ein bloßes „Bild". Vielmehr handelt es sich dabei um ein die „Zentralgestalt" oder die „Schlüsselfigur" des tatbestandsmäßigen Geschehens bezeichnendes Leitprinzip, das erst im Durchgang durch den gesamten Rechtsstoff zu inhaltlich konkreten Bestimmungen ausgearbeitet werden muß (vgl. zu den methodologischen Problemen des Täterbegriffs eingehend Täterschaft, S. 107—126, 527 — 539). Daher ist die Tatherrschaft bei der unmittelbaren Täterschaft, der mittelbaren Täterschaft und der Mittäterschaft durch jeweils differierende Merkmale gekennzeichnet und tritt allein bei der mittelbaren Täterschaft noch wieder in vielfältig verschiedenen Formen auf, die nicht auf gleiche Begriffselemente zurückführbar, sondern nur durch „anschmiegendes Entlangwandern an der gegliederten und vielfach verschlungenen Struktur des Gegenstandes" 25 beschreibbar sind. Das Prinzip der Tatherrschaft muß also am Rechtsstoff entfaltet werden, so daß man nicht seine abstrakten Merkmale „vor die Klammer ziehen", sondern erst am Schluß einer Kommentierung wissen kann, was im einzelnen bei den zahllosen möglichen Fallgestaltungen darunter zu verstehen ist. c) Auch ist die Tatherrschaft kein Universalprinzip, das ausnahmslos bei sämtlichen Tatbeständen zur Bestimmung der Täterschaft herangezogen werden könnte. Man muß vielmehr bei zwei Gruppen von Tatbeständen die Täterschaft von vornherein nach anderen Gesichtspunkten beurteilen : bei den „Pflichtdelikten" (aa) und bei den „eigenhändigen" Delikten (bb).

29

aa) Pflichtdelikte sind Tatbestände, bei denen Täter nur sein kann, wer eine dem Tatbestand vorgelagerte außerstrafrechtliche Sonderpflicht verletzt. So kann bei Amtsdelikten nur die Verletzung der dem öffentlichen Recht entstammenden tatbestandsspezifischen Pflicht, nicht aber die Tatherrschaft (oder gar der animus auctoris) die Täterschaft begründen; wenn etwa ein Amtsträger zusammen mit einem 25

Nicolai Hartmann, Die Philosophie des deutschen Idealismus, 2. Aufl (1960) 384/85. (22)

Täterschaft (Roxin)

§25

Nichtbeamten eine Aussage erpreßt, so kann trotz gemeinsamer Tatherrschaft nur der Beamte Täter des § 343 StGB sein. Entsprechendes gilt für Berufsdelikte wie § 203 Nr. 1 StGB, wo nur der Bruch der vorstrafrechtlichen ärztlichen Schweigepflicht zur Täterschaft führt, während das Ausplaudern des Geheimnisses durch einen Nichtarzt trotz etwa vorhandener Tatherrschaft höchstens eine Beihilfebestrafung auslösen kann; oder etwa für den Treubruchstatbestand des § 266 StGB, bei dem nur der Träger der strafrechtsunabhängigen Vermögensfürsorgepflicht als Täter in Betracht kommt. Die Eigenart der Pflichtdelikte besteht nach der zuerst in Täterschaft, S. 352—399, entwickelten Lehre darin, daß die Verletzung der vorstrafrechtlichen Sonderpflicht allein und völlig unabhängig von anderen Merkmalen (wie etwa der Tatherrschaft) die Täterschaft begründet, während das Fehlen der tatbestandsspezifischen Pflichtverletzung auch bei bestehender Tatherrschaft immer nur zur Annahme einer Beihilfe führen kann. Wenn also der Verwalter V eines in Deutschland lagernden Vermögens von Amerika aus einen an der Vermögensverwaltung unbeteiligten Komplizen Κ zur Beiseiteschaffung von Vermögensstücken veranlaßt, so ist V ungeachtet seiner fehlenden Tatherrschaft Täter des § 266 StGB, während Κ trotz Tatherrschaft wegen mangelnder Pflichtverletzung nur Gehilfe sein kann. Der Täterbegriff der Pflichtdelikte ermöglicht ferner eine zwanglose Erklärung der mittelbaren Täterschaft in den Fällen des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeuges (vgl. Rdn. 91—93). Er kann weiter auch zur Bestimmung der Täterschaft bei Unterlassungen Wesentliches beitragen (vgl. Rdn. 142 ff). In der Wissenschaft ist die Lehre von den Pflichtdelikten zwar noch nicht allge- 30 mein anerkannt, aber doch im Vordringen begriffen, wenn auch der Kreis der dieser Kategorie zuzuzählenden Tatbestände im einzelnen noch umstritten ist 26 . Die Rspr. hat diese Konzeption bisher nicht aufgenommen, kommt ihr aber in den praktischen Ergebnissen vielfach nahe. Das herausragende Beispiel bietet BGHSt. 9 203 ff (217/18), in welchem Falle bei einer Untreue nach § 81a GmbH-Gesetz ein Aufsichtsratsmitglied (K) dem Geschäftsführer durch Ausstellung einer Quittung die veruntreuende Handlung ermöglicht hatte, wobei es ihm „nur darauf ankam, den Geschäftsführer Η zu unterstützen". Obwohl nach überlieferter Auffassung dem Κ Tatherrschaft und Täterwille hätten abgesprochen werden müssen, kam der BGH zur Annahme einer Täterschaft und begründete das wie folgt: „Die Strafvorschrift des § 81 a GmbH-Gesetz erhält ihre Eigenart dadurch, daß der Täter zu einem bestimmten Personenkreise gehört, dem . . . das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist. Diese Gestaltung des Tatbestandes hat einmal zur Folge, daß Außenstehende nicht Täter im Sinne der Sondervorschrift sein können, sondern nur Anstifter oder Gehilfen. Auf der anderen Seite aber ergibt sich aus der Eigenart des Tatbestandes, daß die Mitglieder des Personenkreises selbst, sofern nur die sonstigen Merkmale des Tatbestandes vorliegen, regelmäßig als Täter haften. Denn sie verletzen, auch wenn sie nur zulassen oder fördern, daß ein anderer durch sein Verhalten die Körperschaft unmittelbar benachteiligt, doch eine gerade ihnen persönlich auf26

(23)

Prinzipiell zustimmend Blauth „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Recht (1968) 76ff; Herzberg TuT, § 3 III 5 b; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25, Rdn. 17; § 266 Rdn. 51 ; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 II 2. Kritische Auseinandersetzung vor allem bei Stratenwerth AT I, 2. Aufl. Rdn. 796 ff; polemische Ablehnung bei Langer Das Sonderverbrechen (1972) 223 ff (vgl. dazu Täterschaft, S. 600, Anm. 224).

§25

2. Abschnitt. Die Tat

erlegte Vermögensfürsorgepflicht; da darin der Kern ihres Verschuldens liegt, haben sie in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Untreue jedenfalls in der Regel notwendig den Täterwillen . . . Mit der . . . Stellung der Mitglieder des Aufsichtsrats wäre es nicht vereinbar, einen solchen Täter nur als Gehilfen zu bestrafen, wenn er im Interesse eines Geschäftsführers dessen Untreue unterstützt." Es ist deutlich, daß hier der Begriff des Täterwillens nur ganz formelhaft festgehalten wird, während in Wahrheit die Verletzung der „persönlich auferlegten Vermögensfürsorgepflicht" als täterschaftsbegründend beurteilt wird. Das entspricht völlig der hier über die Pflichtdelikte vertretenen Auffassung. 31

bb) Eigenhändige Delikte sind Straftaten, die nur durch körperliche Vornahme der Tatbestandshandlung selbst verwirklicht werden können. Eine uneigenhändige Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft sind hier also ausgeschlossen. Die Existenz eigenhändiger Delikte ist heute weitgehend anerkannt 2 7 , doch ist äußerst umstritten, welche Tatbestände ihnen im einzelnen zuzuzählen sind und worin der tragende Grund der Eigenhändigkeit liegt (eingehende Darstellung der Gesamtproblematik in Täterschaft, S. 399—433, 608—610, sowie bei Herzberg, ZStW 82 [1970] 8 9 6 - 9 4 7 ; ferner bei Busch, Vorauf!., § 47, Nr. 3 - 4 a ) .

32

Vielfach wird darauf abgestellt, ob nach dem Wortsinn der Gesetzesfassung das Verhalten eines Außenstehenden noch als tatbestandserfüllend angesehen werden kann (von Frühauf sog. „Wortlauttheorie"). Schon Binding28 hatte die von ihm angenommene Eigenhändigkeit der früheren Notzuchtbestimmung (§ 177 a. F.) auf diesen Gesichtspunkt gegründet: „Ich möchte doch wissen, ob jemand, der zur Notzucht angestiftet hat, sich je rühmen würde, er hätte die Geschändete genossen?" Auch der BGH hat sich zu der Meinung bekannt 2 9 , „daß die Eigenhändigkeit der Straftaten wesentlich von der Fassung der Tatbestände durch den Gesetzgeber abhängt"; so hatte er ζ. B. gemeint, das „Mißbrauchen zum außerehelichen Beischlaf in § 176 Abs. 1 Nr. 2 a. F. StGB könne „nach dem Sinn, den die Sprache mit diesem Ausdruck verbindet, nur bedeuten : den Beischlaf selbst vollziehen" 3 0 , so daß die Täterschaft eines bei der Nötigung Mitwirkenden ausgeschlossen war.

33

Diese grammatische Interpretation überzeugt aber wenig, weil hinter den Zufälligkeiten des Sprachgebrauchs und der Syntax keine plausible kriminalpolitische ratio erkennbar ist (näher Täterschaft, S. 403 ff). So war ζ. B. schon beim früheren Notzuchtstatbestand nicht einzusehen, warum die Rechtsgüterverletzung, auf deren Verhinderung es dem Gesetzgeber ankommt, nicht auch unabhängig von der Beischlafvollziehung durch tatbeherrschende Gewaltanwendung täterschaftlich realisierbar sein sollte. Sogar die Rspr. hatte in diesem Falle unter Abkehr von der Wortlauttheorie in den freilich unglücklichen Formulierungen der subjektiven Theorie immer anerkannt, daß man auch „fremden Beischlaf als eigenen wollen" könne. Der Gesetzgeber hat diesen Streitigkeiten inzwischen die Grundlage entzogen, indem er durch das 4. StrRG die Tatbestände der Vergewaltigung (§ 177 StGB) und der sexuellen Nötigung (§ 178 StGB) so umformuliert hat, daß nunmehr auch die Nötigung zum Beischlaf oder zur Vornahme bzw. Duldung sonstiger sexueller 27

Gegen die Anerkennung eigenhändiger Delikte vom Standpunkt des extensiven Täterbegriffs aus Eb. Schmidt Frank-Festgabe, Bd. 2 (1930) 106, 119 (128/29); Roeder ZStW 69 [1957] 250; FräAau/Eigenhändige Delikte (1959). 28 Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. I (1915) 268, Anm. 17. 29 BGHSt. 6 2 2 6 - 2 2 9 (227). 30 BGHSt. 15 1 3 2 - 1 3 4 (133). (24)

Täterschaft (Roxin)

§25

Handlungen mit einem Dritten dem Wortlaut des Gesetzes unmittelbar unterfällt (das erkennt jetzt auch BGH NJW 1977 1829 ausdrücklich an). Doch sollten auch beim Fehlen solcher Klarstellungen die Zufälligkeiten des Wortlautes nicht ohne erkennbare gesetzgeberische ratio zum Maßstab der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gemacht werden. Eine zweite, vornehmlich von Beling31 und Engelsing32 begründete Auffassung 34 beruht auf dem Gedanken, daß die „schlichten Tätigkeitsdelikte" im Gegensatz zu den „Erfolgsdelikten" eigenhändige Straftaten seien. Danach sind also mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft dort ausgeschlossen, wo die Erfüllung des Tatbestandes keinen Erfolg voraussetzt, sondern sich in bestimmten Körperbewegungen erschöpft („Körperbewegungstheorie"). Diese Lehre, die sich mit der Wortlauttheorie in den Ergebnissen überschneidet und auch heute in Rspr. und Schrifttum oft neben ihr verwendet wird, übersieht jedoch, daß auch Tätigkeiten nur dann mit Strafe bedroht werden, wenn sie entweder selbst einen sozial unerwünschten Zustand darstellen oder als abstrakte Gefährdungsdelikte mittelbar erfolgsbezogen sind. In beiden Fällen ist der tatbestandliche Unwert auch durch einen Außenstehenden zu verwirklichen, wenn dieser die Tatherrschaft inne hat. Wenn jemand also einen anderen nötigt, einen Hausfriedensbruch (§ 123), eine Amtsanmaßung (§ 132) oder ein abstrakt gefährdendes Verkehrsdelikt zu begehen, ist nicht einzusehen, warum er nicht mittelbarer Täter sollte sein können 33 . Danach wird man echte eigenhändige Delikte nur dort annehmen können, wo 35 der Unwert eines Tatbestandes der Herrschaft eines Außenstehenden nicht zugänglich ist. Das ist der Fall bei den täterstrafrechtlichen Delikten (heute vor allem § 181 a), wo nicht die Beherrschung einer bestimmten Handlung, sondern eine aus vielen Einzelheiten sich aufbauende Persönlichkeitshaltung den Tatbestand erfüllt. Ferner gilt es für die verhaltensgebundenen Delikte ohne Rechtsgüterverletzung, bei denen nicht unerwünschte Erfolge oder Zustände verhindert werden sollen, sondern ein sittlich verwerfliches Verhalten um seiner selbst willen pönalisiert wird. So liegt es etwa bei § 173, wenn man davon ausgeht, daß der Zweck dieser Vorschrift nicht in der Verhinderung von Erbschäden oder Familienzerrüttung besteht (denn beides droht bei vielen Tatbestandserfüllungen von vornherein nicht), sondern daß die auf alten Tabuvorstellungen beruhende Annahme einer besonderen Abscheulichkeit dieser Handlung den Strafgrund bildet. Dann kann in dem bekannten Lisztschen Kathederfall 34 , in dem eine Bordellwirtin zwei von ihrer Verwandtschaft nichts ahnende Geschwister zusammenbringt, die Initiatorin nicht als mittelbare Täterin des § 173 bestraft werden, weil es wegen der Unkenntnis der unmittelbar Handelnden an der tatbestandsspezifischen Verwerflichkeit fehlt. Entsprechendes gilt für die den verwerflichen „Verrat" des Richters an seiner Aufgabe besonders unter Strafe stellende Vorschrift des § 336 StGB (dazu näher Täterschaft, S. 428 ff)· In einem auf dem Rechtsgüterschutz beruhenden Tatstrafrecht wie dem unseren sind freilich echte eigenhändige Delikte der beiden geschilderten Fallgruppen Ausnahmen. Ihre Zahl hat dementsprechend in den letzten zehn Jahren bedeutend abgenommen, weil täterstrafrechtliche Delikte wie das Umherziehen als Landstreicher (§ 361 Nr. 3 31 Vgl. seine „Lehre vom Verbrechen" (1906) 203 f, 225/26, 234 f. 32 Eigenhändige Delikte (1926). 33 Anders für § 123 jetzt vor allem Herzberg ZStW 82 [1970] 927 ff; für den Einsteigediebstahl auch RGSt. 24 86, 88 (dazu Täterschaft, 409 f); für § 132 RGSt. 55 265, 266; 59 79, 81; OGHSt. 1 303 (dazu Täterschaft, 408 f)· 34 Strafrechtsfälle, 4. Aufl., 1919, Fall 130, 2. (25)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

a. F.) oder die Persönlichkeitsverwahrlosung (§ 361 Nr. 5 a. F.) ebenso aufgehoben worden sind wie die rein verhaltensgebundenen Delikte der einfachen Homosexualität (§ 175 a. F.) und der Sodomie (§ 175 b a. F.). 36

Die meisten Tatbestände, die heute noch die eigenpersönliche Verwirklichung fordern, sind in Wahrheit höchstpersönliche Pflichtdelikte und somit unechte eigenhändige Straftaten. Bei ihnen verhält es sich so, daß eine Verletzung der dem Tatbestand vorgelagerten Pflicht ein Handeln des Pflichtigen selbst voraussetzt. Hauptbeispiele sind die Aussagedelikte der §§ 153, 154, 156; sie können nur eigenhändig begangen werden, weil allein der Aussagende die tatbestandsspezifische Pflicht verletzen kann. Ferner gehören hierher die Fahnenflucht (§ 16 WStG), §§ 142, 170b, d, 172 u . a . ; in einigen Fällen ist die Zuordnung umstritten (bes. bei §330a; dazu Herzberg ZStW 82 [1970] 909/10; Täterschaft, S. 431, 610).

37

Bei im wesentlichen gleichen Ergebnissen hat neuerdings Herzberg (aaO) eine andere Einteilung der eigenhändigen Delikte versucht. Er unterscheidet zwischen „täterbezogenen Delikten" (u. a. §§ 173, 181a), „Tatbeständen, bei denen die mögliche Vollendung durch Dritte die Rechtsverletzung nicht verkörpern kann" (§§ 185, 336) und Tatbeständen „verfahrensrechtsabhängiger Eigenhändigkeit" (§§ 153, 154, 156). Zur Auseinandersetzung damit Täterschaft, S. 608 ff. Ganz im Sinne der im Text (Rdn. 35/36) vorgeschlagenen Aufgliederung nunmehr Samson, SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 26, 27.

38

II. Die unmittelbare Täterschaft. Wer eine Straftat „selbst" begeht, ist nach § 25 Abs. 1 Täter. Es handelt sich hier um die unmittelbare Täterschaft, die Grundform tatbestandlichen Verhaltens. Nach dem Gesetzeswortlaut ist, wer einen Tatbestand eigenhändig verwirklicht, immer Täter. Es ist also künftig nicht mehr möglich, wie es die Rspr. des RG und des BGH zugelassen hatte, jemanden, der den Tatbestand in eigener Person erfüllt hat, wegen fehlenden Täterwillens ausnahmsweise nur als Gehilfen zu bestrafen (vgl. Rdn. 13, 20). Eine solche Möglichkeit auszuschließen und damit den extremen Konsequenzen der subjektiven Theorie eine Absage zu erteilen, war auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers. In der Begründung zu der mit dem geltenden Recht übereinstimmenden Vorschrift des § 29 E 1962 heißt es (S. 149), die Bestimmung mache „deutlich, daß, wer die Tat selbst begeht, also z. B. in eigener Person tötet. . . . , stets Täter ist, und nicht etwa wegen fehlenden Täterwillens Teilnehmer sein kann, wie es in der Rspr. früher bisweilen angenommen worden ist." Dies entspricht auch der nunmehr weitaus herrschenden Meinung 3 5 .

39

Bedenken gegen die Annahme, daß der Gesetzgeber den Streit um die Beurteilung des unmittelbar Handelnden im Sinne der Täterschaft entschieden habe, finden sich nur bei Baumann, Lackner und Schmidhäuser36. Freilich würden Lackner und (mit der Beschränkung auf „die richtigen Sachverhalte") Schmidhäuser, wie sie eigens betonen, im Ergebnis eine Abkehr von der bisherigen Rspr. ebenfalls begrüßen ; sie meinen nur, diese folge nicht zwingend aus dem Gesetz. Dabei stützt sich Schmidhäuser auf die These, daß § 25 „nur den Unterschied zur mittelbaren Täter35

36

AE-AT, 1966, 1969 2 , S. 67; Busch Vorauf!, dieses Kommentars, § 4 7 , Rdn. 45; Dreher 37. Aufl., Rdn. 2 vor § 25 ; § 25 Rdn. 2 ; Herzberg TuT § 2 II ; Jescheck AT 2. Aufl., § 61 III IV; Samson SK AT, 2. Aufl., § 2 5 , Rdn. 7; Samson Strafrecht I, 2. Aufl., 238; Sch.Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 3. Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 3, Anm. 28; Lackner 11. Aufl., § 25, 1 a; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/168, S. 581. (26)

Täterschaft (Roxin)

§25

schaft" betone, daß eine gesetzliche Regelung der Frage „nach der Natur der Sache" nicht möglich sei und daß die gegenteilige Annahme auf „einem neuen Gesetzespositivismus" beruhe. Doch lassen sich Recht und Macht des Gesetzgebers, für die Entscheidung einer seit Jahrzehnten umstrittenen Fallkonstellation dem Richter eine bindende Anweisung zu geben, schwerlich bestreiten. Lackner glaubt umgekehrt, gerade aus den Gesetzesmaterialien herauslesen zu können, daß in „Extremfällen" die Entscheidung über die Täterschaft des Ausführenden weiterhin der Rspr. vorbehalten worden sei ; dies ergebe sich aus den Beratungen des Sonderausschusses. Tatsächlich haben dort Sturm und Dreher eine solche Meinung vertreten 37 . Aber auch sie waren mit allen übrigen Beratungsteilnehmern darüber einig, daß „in Fällen wie dem Badewannenfall und dem Fall Staschynski" 38 (vgl. Rdn. 13, 20) künftig eine Bestrafung des Ausführenden als Täter erfolgen müsse; als einziger vielleicht abweichend zu beurteilender Extremfall wurde von Dreher39 die Situation der auf Befehl handelnden Exekutoren eines Erschießungskommandos genannt. Aber über diese Annahme, die inzwischen auch Dreher selbst wieder aufgegeben hat 4 0 , ist nie abgestimmt worden. Vielmehr entschied sich der Sonderausschuß bei der „Endabstimmung" — im Bewußtsein, damit von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen — einstimmig dafür, auf eine Definition des unmittelbaren Täters nicht zu verzichten, wie es eine der überlieferten Judikatur entsprechende Alternative vorsah, sondern sie mit dem heutigen Wortlaut in das neue Gesetz aufzunehmen. Es ist also mit Vorbedacht gegen die extrem-subjektive Theorie Stellung genommen worden, ohne daß sich aus der Abstimmung oder dem Gesetzeswortlaut der geringste Anhaltspunkt für einen Ausnahmevorbehalt entnehmen ließe 41 . Abgesehen vom Willen des „historischen Gesetzgebers" wäre es aber auch sach- 40 lieh verfehlt, Ausnahmen vom Grundsatz der Täterschaft des unmittelbar tatbestandlich Handelnden zuzulassen. Das ergibt sich zunächst aus den dogmatischen Grundlagen der Täterlehre. Wenn Täterschaft Tatbestandserfüllung und demzufolge die unmittelbare Täterschaft ihr Prototyp ist (vgl. Rdn. 26), wie dies mit besonderer Evidenz die Alleintäterschaft zeigt, bei der fremdnütziges oder aus bedrängter Lage geborenes Handeln nie zur Beihilfe führen kann, dann kann auch bei der Beteiligung mehrerer keine Willensunterordnung und kein äußerer Druck diese Tatbestandserfüllung aufheben. Selbst der im Notstand nach § 35 StGB Handelnde bleibt Täter (vgl. Rdn. 49), wenngleich ein entschuldigter Täter. Er beherrscht die Tatausführung kraft seiner Handlung. Wenn sein der Ausführung vorangehender Handlungsentschluß dabei unter der Herrschaft eines anderen zustandegekommen ist, so kann der Hintermann mittelbarer Täter sein; doch hebt dies nicht die Täterschaft (sondern allenfalls die Verantwortlichkeit) des Ausführenden auf. Die Tatherrschaft

37

Vgl. Prot. V, 82. Sitzung v. 4. 10. 1967, S. 1647-1650; 91. Sitzung v. 14. 12. 1967, S. 1 8 2 1 1824. 38 Sturm aaO, S. 1826. 39 aaO, S. 1825. 40 In seinem Kommentar, 37. Aufl., vor § 25, Rdn. 2 heißt es nach Darstellung der extremsubjektiven Theorie: „Demgegenüber stellt § 25 I klar, daß derjenige, der selbst sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, stets Täter ist." § 25, Rdn. 2: „Damit ist die subjektive Teilnahmetheorie des RG und des BGH mindestens insoweit abgelehnt." 41 Vgl. zum ganzen ausführlich Täterschaft, S. 546—550. (27)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

des unmittelbaren Täters läßt sich also als „ Handlungsherrschaft" k e n n z e i c h n e n 4 ^ ; sie beruht auf der Ausführung der Tatbestandshandlung und ist keiner „Ausnahme" zugänglich. 41

Auch kriminalpolitisch besteht kein Bedürfnis, den unmittelbar Handelnden in „Extremfällen" nur wegen Beihilfe zu bestrafen. Denn bei befohlenen Erschießungen im Kriege — allein dieser Fall ist bisher namhaft gemacht worden — kommt neben dem Verbotsirrtum (§ 19) nach neuem Recht auch der Putativnotstand (§ 35 Abs. 2) mildernd in Betracht. Hat sich aber jemand weder bei seiner Tat geirrt noch sich genötigt gefühlt, so wird er zu recht nicht anders als andere Täter beurteilt; seine größere oder geringere Schuld ist dann bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

42

Ein Problem ergibt sich freilich beim Tatbestand des Mordes, der eine jeder Milderung unzugängliche lebenslange Freiheitsstrafe androht. Die Urteilsgründe der Staschynski-Entscheidung (Rdn. 19, 20) liefern Anhaltspunkte dafür, daß der BGH eine Täterschaft des Doppelmörders vor allem auch deshalb meinte ablehnen zu sollen, weil ihm die sonst unvermeidliche lebenslängliche Strafe in Anbetracht der zweifelsfrei vorliegenden Milderungsgründe als zu hart erschien 43 . Die Rspr. der Instanzgerichte in den NS-Gewaltverbrecherprozessen, die sich an dieses Urteil anschließt und vielfach auf die Annahme einer bloßen Beihilfe des unmittelbar Ausführenden ausgewichen ist 44 , geht auf dieselbe Motivation zurück. In der Tat ist es angesichts der Unsicherheit bei der Abgrenzung von Mord und Totschlag gesetzgeberisch verfehlt, den Strafrahmen des Mordes so starr von der ggf. bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe hinabreichenden Totschlagsstrafe abzuschichten. Auch ist ein „lebenslänglich" als absolute Strafdrohung kaum mit dem Schuldprinzip zu vereinbaren, weil die Berücksichtigung der für die Schuldhöhe maßgeblichen individuellen Umstände dadurch vielfach (besonders bei den tatbezogenen Mordmerkmalen) ausgeschlossen wird. Aber es widerspricht jedenfalls dem Gesetz, die nicht vorgesehene Strafmilderungsmöglichkeit beim Mord durch eine „Umfunktionierung" der Teilnahmelehre in den §211 hineinzupraktizieren. Will man überharte Folgen der starren Strafdrohung nicht hinnehmen, so wäre bei einer flexibleren Interpretation des § 211 anzusetzen, indem man (entgegen BGHSt. 3 330; 9 385; 11 139) beim Vorliegen schuldverringernder Umstände die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausschlösse. Auch wäre es methodisch denkbar, unter Berufung auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Schuldprinzip für „Extremfälle" eine „übergesetzliche" Milderungsklausel zu entwickeln 45 . Dagegen ist es nicht — oder mindestens nach dem neuen § 25 Abs. 1 nicht mehr — zulässig, die Täterschaft aus Gründen der Schuldminderung in eine Beihilfe umzudeuten.

42

Eingehend Täterschaft, S. 127 ff; der Begriff der „Handlungsherrschaft" wird u. a. aufgenommen bei Herzberg TuT, § 3 III 3; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 11 ; Stratenwerth A T I, 2. Aufl., Rdn. 771 ; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 3. 43 Vgl. Täterschaft, 562 ff, 579. 44 Zu den rechtspolitischen Hintergründen der Rspr. eingehend Täterschaft, 577 ff, mit weiteren Nachweisen. 45 Vgl. dazu vor allem Hanack Zur Problematik der gerechten Bestrafung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen (1967). (28)

Täterschaft (Roxin)

§25

Die unmittelbare Täterschaft setzt nicht notwendig die Erfüllung aller Tatbe- 43 standsmerkmale voraus 4 6 . Es genügt die Verwirklichung der eigentlichen Tatbestandshandlung und, wo das Gesetz mehrere Handlungen voraussetzt, die Ausführung einer von ihnen. Beim Raub (§ 249) ist also unmittelbarer Täter schon, wer entweder die Gewaltanwendung oder die Wegnahme selbst vornimmt. Praktisch ist die Frage wenig bedeutsam, weil bei teilweiser Tatbestandserfüllung ohnehin in aller Regel eine Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2) vorliegt, deren Bejahung nicht an die eigenhändige Verwirklichung des Tatbestandes gebunden ist. Andererseits wird man die Erfüllung eines akzidentiellen, nur strafzumessungserheblichen Tatbestandsmerkmals nicht eo ipso als „Selbstbegehung" und damit als täterschaftsbegründend ansehen können. Wer ζ. B. einsteigt, um Schmiere zu stehen, ist nicht schon deswegen allein Täter eines Diebstahls (§ 243 Nr. 1), sondern er ist es nur dann, wenn seine Funktion im Rahmen des Gesamtplans die Voraussetzungen der Mittäterschaft (vgl. Rdn. 125 ff) erfüllt. III. Die mittelbare Täterschaft 1. Allgemeine Grundlagen. Die mittelbare Täterschaft hat jetzt erstmals ins Ge- 44 setz Eingang gefunden, indem § 25 Abs. 1 die Möglichkeit anerkennt, eine Tat täterschaftlich „durch einen anderen" zu begehen. Die Voraussetzungen, unter denen dies geschehen kann, sind im Gesetz nicht im einzelnen festgelegt. In der Begründung des E 1962, auf den sich der Sonderausschuß 4 7 kommentarlos bezieht, heißt es 4 8 : „Angesichts dieser Vielgestaltigkeit der Formen der mittelbaren Täterschaft ist der Entwurf davon abgekommen, sie in Einzelheiten zu umschreiben. Hiergegen spricht auch, daß in diesem Bereich verschiedene Fragen, namentlich die rechtliche Beurteilung des vollverantwortlichen Tatmittlers noch der Klärung durch die Wissenschaft bedürfen und der Rechtsentwicklung insoweit nicht vorgegriffen werden sollte". Gleichwohl sind die großen Linien der Abgrenzung durch die oben auf der 45 Grundlage des Gesetzes entwickelte Täterkonzeption und die jahrzehntelange Arbeit von Rspr. und Wissenschaft vorgezeichnet. Die Tatherrschaft eines an der Ausführung der Tatbestandshandlung nicht beteiligten Hintermannes ist nur in dreierlei Weise denkbar. Der Hintermann kann durch eine Nötigung des Tatmittlers das Geschehen beherrschen (2); er kann durch Erregung oder Ausnutzung eines Irrtums das Geschehen aus dem Hintergrund lenken (3); oder er kann ggf. von den Schalthebeln eines Machtapparates aus auch ohne Nötigung und Täuschung die Ausführung von Taten nach Belieben dirigieren (5). Die Benutzung von Unerwachsenen oder Geisteskranken zur Deliktsverwirklichung (4) ist strukturell keine selbständige Erscheinungsform der mittelbaren Täterschaft, sondern steht den Nötigungs- und Irrtumsfällen nahe, indem der Hintermann entweder die mangelnde Widerstandskraft oder die fehlende Einsicht des Tatmittlers für seine Zwecke benutzt. Zu diesen Grundkonstellationen der mittelbaren Täterschaft bei Herrschaftsdelikten tritt bei Pflichtdelikten die mittelbare Täterschaft durch Benutzung eines „qualifikationslosen dolosen Werkzeuges" hinzu (6). Nach h. M. bildet schließlich

46

So freilich die Begründung des E 1962, S. 149; doch dürften sich aus den im Text genannten Gründen praktisch keine Unterschiede gegenüber der hier vertretenen Auffassung ergeben. 47 BT-Drucks. V/4095, S. 12. 48 BT-Drucks. IV/650, S. 149.

(29)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

bei Absichtsdelikten die Verwendung eines „absichtslosen dolosen Werkzeuges" (7) einen weiteren Fall der mittelbaren Täterschaft. 46

Es gibt keine anderen Situationen mittelbarer Täterschaft als die vorstehend genannten, wenn diese sich auch ihrerseits (vor allem in den Irrtumsfällen) noch weiter differenzieren lassen. Insbesondere ist die Figur einer mittelbaren Täterschaft durch Benutzung eines „dolosen Gehilfenwerkzeuges" nicht anzuerkennen. Es handelt sich bei ihr um eine Folgerung aus der extrem-subjektiven Theorie, wonach ein Ausführender beim Fehlen des „Täterwillens" nur Gehilfe und der mit Täterwillen handelnde Tatveranlasser dann konsequenterweise mittelbarer Täter ist. Um eine Konstellation dieser Art hat es sich bei dem viel erörterten „Badewannenfall" (RGSt. 74 84, Rdn. 13) gehandelt. Mit der gesetzlich nunmehr angeordneten Täterschaft des Ausführenden (Rdn. 38 ff) ist einer solchen Konstruktion die Grundlage entzogen.

47

Nicht zuzustimmen ist aber auch der Auffassung R. Langesder in solchen Fällen ungeachtet der Täterschaft des Ausführenden den Veranlasser als mittelbaren „Täter hinter dem Täter" betrachten möchte. Nach diesem „intern-subjektiven" TäterbegriffSO ist die Täterschaft eines Hintermannes nicht nach dem objektiven Gewicht seines Tatbeitrages, „nicht extern, sondern intern, von dem gerade zu betrachtenden Täter und seinen Strebungen her" 5 1 zu bestimmen. Demnach „sind für jeden Veranlasser, der in eigener Sache handelt, die von ihm Benutzten seine Werkzeuge, ob sie ihrerseits als Täter verantwortlich sind oder nicht" 5 2 . Zwar ist mit Lange ein „Täter hinter dem Täter" prinzipiell anzuerkennen (vgl. Rdn. 69, 74 ff), aber nur bei einzelnen, aus dem Herrschaftsprinzip abzuleitenden Fallgruppen, nicht schon dann, wenn der Hintermann intern „eigene Zwecke" verfolgt. Eine solche intern-subjektive Konzeption, die der Interessentheorie (Rdn. 4, 23) nahesteht, verkennt, daß im Regelfall auch Anstifter und Gehilfen ihre „eigene Sache" verfolgen und daß ein Kriterium, das typischerweise bei allen Beteiligten vorliegt, nicht gleichzeitig zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme dienen kann 5 3 .

48

Es wäre deshalb nicht richtig, wenn die Rspr. zwar nunmehr die gesetzlich festgelegte Täterschaft des Ausführenden (Rdn. 38 ff) akzeptierte, im übrigen zur Aufrechterhaltung der subjektiveri Theorie aber die mittelbare Täterschaft anstatt durch die Figur des „dolosen Gehilfenwerkzeuges" künftig mit Hilfe des „intern-subjektiven" Täterbegriffs bestimmte. Vielmehr kann eine Tatbestandshandlung einem an ihrer Ausführung nicht beteiligten Hintermann nur dann als sein Werk zugerechnet werden, wenn er kraft seines überlegenen Willens das Geschehen beherrscht, die Erfolgsherbeiführung in der Hand hat. Man kann demnach im Gegensatz zur „Handlungsherrschaft" des unmittelbaren Täters von der „Willensherrschaft"54 als

49 Kohlrausch-Lange 42-/43. Aufl., vor § 47, 5 Β 2f, S. 162. 50 Zur Entwicklung näher Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 47 ff. 51 R. Lange Die notwendige Teilnahme (1940) 78. 52 Kohlrausch-Lange 42./43. Aufl., I 5 Β vor § 47, S. 161. 53 Dazu Täterschaft, S. 144; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 119/20; Roxin Bemerkungen zum Täter hinter dem Täter, Festschr. f. R. Lange (1976) 173 ff; gänzlich ablehnend Spendet „Der Täter hinter dem Täter" — eine notwendige Rechtsfigur? in: Lange-Festschr., S. 147 ff, 171. 54 Auch terminologisch übereinstimmend Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 3; Herzberg TuT, § 13 III 2. (30)

Täterschaft (Roxin)

§ 25

dem gemeinsamen Kriterium der mittelbaren Täterschaft bei Herrschaftsdelikten sprechen. Anhand dieses Leitprinzips sind ihre einzelnen Ausprägungen unter ständiger Berücksichtigung der gesetzlichen Wertentscheidungen und der Besonderheiten des jeweiligen Rechtsstoffes zu entwickeln. 2. Die mittelbare Täterschaft kraft Nötigung („Nötigungsherrschaft") a) Ein unumstrittener Fall mittelbarer Täterschaft liegt vor, wenn der Hinter- 49 mann den Ausführenden im Sinne des § 35 StGB zur Verwirklichung eines Tatbestandes nötigt. Die Tatherrschaft des Hintermannes ergibt sich bei dieser Konstellation aus dem „ Verantwortungsprinzip"55; Der Gesetzgeber entlastet den unmittelbar Handelnden um des vom Hintermann ausgeübten Druckes willen von der Verantwortung und gibt damit zu erkennen, daß er dem Hintermann das Geschehen als seine Tat zurechnen will. Strukturell ist das, da der Ausführende immerhin vorsätzlich den Tatbestand verwirklicht, ein Fall des „Täters hinter dem (entschuldigten) Täter" 5 6 . Unmittelbar beherrscht der Nötigende allein den Genötigten. Nur weil der Genötigte seinerseits kraft seines Handelns den Geschehensablauf in der Hand hat, beherrscht der Hintermann mittelbar die Tat selbst. Die Willensherrschaft des mittelbaren Täters überlagert also die Handlungsherrschaft des Ausführenden. Aus dem Verantwortungsprinzip folgt weiter, daß nicht mittelbare Täterschaft, 50 sondern nur Anstiftung vorliegt, wenn der vom Hintermann ausgeübte Druck für eine Entschuldigung des Ausführenden nicht ausreicht. Das entspricht der jetzt überwiegenden Auffassung 5 7 . Demgegenüber will eine Mindermeinung 5 8 im „Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" (Schroeder) oder sogar bei einer erfolgreichen „Weisung des Tatveranlassers" 5 9 ebenfalls eine mittelbare Täterschaft annehmen. Dagegen spricht jedoch, daß man nach der gesetzgeberischen Wertung dem Hintermann nicht die Willensherrschaft zusprechen kann, solange der Ausführende für seine Tat voll verantwortlich gemacht wird. Auch läßt sich keine praktikable Abgrenzung mehr finden, wenn man sich von der Orientierung am Gesetz (§ 35) löst; denn eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit des unmittelbaren Täters vom Anstifter wird in den meisten Fällen vorliegen. Ein Willenseinfluß ist aber noch keine Willensherrschaft. b) Bei einer Notstandshandlung des Ausführenden liegt eine mittelbare Täter- 51 schaft nicht nur dann vor, wenn der Hintermann einen Nötigungsnotstand herbeiführt, d. h. eine von ihm geschaffene Zwangslage zur Nötigung benutzt. Es genügt auch die Herbeiführung einer anderen Notlage i. S. des § 35, wenn der Hintermann sie inszeniert, um den Bedrohten ohne weitere Nötigung zu einer durch die Rettungsnotwendigkeit entschuldigten Tatbestandsverwirklichung zu veranlassen. Wer also einen Schiffsuntergang oder einen Brand herbeiführt, ist, wenn dies von sei55 Täterschaft, S. 143ff (147f); zustimmend vor allem Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 771 f; Herzberg TuT § 3 III 2; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 4. 56 Zustimmend Herzberg TuT § 3 III 1. Abweichend Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 190 ff (dazu Roxin ZStW 78 [1966] 222 ff, 230 ff). 57 Vgl. neben den Anm. 54 Genannten vor allem Gallas Mat. Bd. I, S. 134; Jescheck AT 2. Aufl., §61 V 3a; Welzel 11. Aufl., § 15 II 2 a α. 58 Maurach AT, 4. Aufl. § 48 I A 2; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) S. 120ff; Preisendanz 29. Aufl., § 25, 3d dd. 59 Bockelmann AT, 2. Aufl., § 22 II 3 a. Das würde im Ergebnis auf den „intern-subjektiven" Täterbegriff (Rdn. 47/48) hinauslaufen. (31)

§ 2 5

2. Abschnitt. Die Tat

nem Vorsatz umfaßt wird, mittelbarer Täter auch der Tötungen, die einzelne Opfer begehen, um sich auf Kosten anderer in entschuldigter Weise zu retten 6 0 . Man wird eine mittelbare Täterschaft ferner auch dann bejahen müssen, wenn der Hintermann die Notlage nicht geschaffen hat, sondern lediglich ausnutzt („ich rette Dich nur, wenn Du den mit Dir verunglückten X tötest") oder wenn er dem unmittelbar Handelnden, sei es auch in dessen Interesse, die Tat überhaupt erst ermöglicht61 (etwa durch Beschaffen einer Waffe, mit Hilfe deren er sich durch Tötung eines anderen retten kann); denn in beiden Fällen entscheidet der Hintermann maßgeblich über das Ob der Tat, die ohne ihn nicht begangen werden müßte oder könnte. Dagegen liegt nur eine Anstiftung, bzw. Beihilfe vor, wenn ein Außenstehender dem in eine Notstandssituation Geratenen rät, sich zu Lasten eines anderen in einer nach § 35 entschuldigten Weise daraus zu befreien, oder wenn er ihn in seinem Entschlüsse bestärkt; denn da die objektive Entscheidungslage durch den Außenstehenden weder geschaffen noch verändert wird, hat er keine Herrschaft über den Entschluß des Ausführenden 6 2 . Es ist sogar recht zweifelhaft, ob es überhaupt strafbar ist, wenn man jemandem rät, von Entschuldigungsgründen „Gebrauch zu machen" 6 3 ; jedenfalls aber handelt es sich um eine (strafbare oder straflose) Teilnahme, nicht um Täterschaft 6 4 . 52

c) Sonderprobleme stellt die Nötigung zur Selbstschädigung und zur Selbsttötung. Denn die dem Opfer in solchen Fällen angesonnenen Verhaltensweisen sind nicht strafbar, so daß für die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und bloßer Nötigung nicht unmittelbar auf das Veranwortungsprinzip des § 35 zurückgegriffen werden kann. Auch teleologisch entsprechen die Konstellationen einander nicht völlig, weil das hemmende Gegenmotiv, das in der Abneigung gegen das Unrechttun und der Furcht vor Bestrafung liegt, hier entfällt 6 5 . Gleichwohl wird man aus den in Rdn. 53, 54 genannten Gründen mit der h. M. 6 6 die Kriterien des § 35 in analoger Anwendung zugrundelegen, eine mittelbare Täterschaft also nur dann annehmen dürfen, wenn die Selbstschädigung erfolgt ist, um eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit vom Opfer der Nötigung, einem seiner Angehörigen oder einer ihm nahestehenden Person abzuwenden 6 7 . 60 Ebenso GallasUaA. Bd. I, 134; Blei AT, 17. Aufl., § 72 I 3 b ; Welzel 11. Aufl., § 15 II 2 a a ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II b. 61 Im letzten Fall abw. Blei AT, 17. Aufl., § 72 I 3 b und wohl auch Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 IIb; übereinstimmend dagegen Herzberg TuT § 3 III 2, S. 16. 62 Ebenso Blei AT, 17. Aufl., § 7 2 I 3 b ; Herzberg TuT, § 3 III 2; Jescheck AT, 2. Aufl., §§ 62 IIb; Maurach AT, 4. Aufl., §§ 33 III 5a, 53 III C 2a. 63 Dagegen vor allem Maurach AT, 4. Aufl., §§ 33 III 5a; 53 III C 2 a und Rudolphi ZStW 78 (1966) 76 ff (mit jeweils unterschiedlicher Begründung). Vgl. dazu näher § 29, Rdn. 3. 64 Eingehend zu den in Rdn. 51 behandelten Fallgestaltungen Täterschaft, S. 148—153. 65 Herzberg TuT § 3 III 7. 66 Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II 1 ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 30; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 771 ff; Täterschaft, S. 1 5 8 - 1 6 3 ; Welzel 11. Aufl., § 15 II 2 a α. 67 Aus der Rspr. ist vor allem der Fall Höfeid (mitgeteilt von R. Lange Der moderne Täterbegriff [1935] 32 f) zu nennen, wo Eltern ihre Tochter durch Drohungen und Schläge zu einem Selbstmordversuch getrieben hatten; ferner OGHSt. 2 5—11 (7/8), wo KZ-Häftlinge mit den Mitteln des § 35 zu stundenlangem Aufenthalt in eiskaltem Wasser getrieben wurden. Anders liegt der in diesem Zusammenhang oft angeführte Fall RGSt. 26 242, wo ein Arbeitgeber einem Lehrling befohlen hatte, ein Stück ungereinigten Darm zu essen. D a über eine Anwendung der in § 35 genannten Zwangsmittel nichts bekannt ist, läßt sich die mittelbare Täterschaft hier besser auf die Jugendlichkeit des Opfers stützen (Rdn. 84, 87). (32)

Täterschaft (Roxin)

§25

Abweichend davon will Herzberg68 neuerdings auf die Voraussetzungen einer S3 wirksamen Einwilligung abstellen, mittelbare Täterschaft also schon dann annehmen, wenn unter der Voraussetzung einer Fremdschädigung die Einwilligung des Opfers unwirksam wäre, was schon bei einer „gewichtigen Drohung" der Fall sein soll. Wenn also A den Β durch Drohung mit einem Skandal oder mit wirtschaftlichen Nachteilen bewegt, ein dem Β gehörendes belastendes Dokument zu vernichten, so wäre das außer einer Nötigung auch noch Sachbeschädigung und Urkundenfälschung in mittelbarer Täterschaft. Das dürfte aber zu weit gehen, weil in dem vom Täter aus gesehen parallelen Fall, daß das Dokument einem Dritten gehört, jedenfalls (auch nach Meinung Herzbergs) nur eine Anstiftung vorläge und weil vom Standpunkt des Opfers aus die Furcht vor der sicheren Selbstbeschädigung der Furcht vor einer nur vielleicht möglichen Bestrafung im Falle einer Drittschädigung an Hemmungswirkung typischerweise gleichsteht. Entsprechendes gilt für den Fall der Nötigung zur Selbsttötung, wo Herzberg auf 54 die Voraussetzungen des § 216 abstellen, einen Mord oder Totschlag in mittelbarer Täterschaft also nur dann verneinen will, wenn ein Verlangen des Opfers — gesetzt, es wäre gestellt worden — „ausdrücklich und ernstlich" gewesen wäre. Das führt aber zu einer angesichts der Schwere der Strafdrohung nach §§211,212 StGB kaum erträglichen Abgrenzungsunsicherheit, weil die Vergleichsbasis gänzlich hypothetisch ist. Auch ergibt sich die Ernstlichkeit im Grunde aus der erfolgten Selbsttötung, bei welcher Annahme freilich Herzbergs Kriterium gegenstandslos wäre. In Wirklichkeit liegt das Problem bei der Veranlassung und Förderung von Selbsttötungen nicht darin, daß Drohungen unterhalb der Schwelle des § 35 tatherrschaftsbegründend wirken, sondern vielmehr in dem Umstand, daß Selbstmörder häufiger, als man früher annahm, ihrem Leben auf Grund seelischer Störungen ein Ende setzen, die unter dem Gesichtspunkt analoger Heranziehung des § 20 einen Veranlassenden zum mittelbaren Täter machen können (vgl. Rdn. 87). Die Nötigungsherrschaft sollte also auch hier auf die Anwendung der in § 35 genannten Mittel beschränkt werden. d) Möglich ist auch eine Nötigungsherrschaft mit Hilfe eines rechtmäßig handeln- 55 den Werkzeuges. Wenn A den Β durch die Mittel des § 35 zwingt, den C anzugreifen, der nun in gerechtfertigter Notwehr (§ 32) den Β verletzt oder tötet, so ist A im Hinblick auf die Schädigung des Β mittelbarer Täter nach §§223, bzw. 211/12 StGB, weil der den C rechtfertigende Umstand dem (beide Tatmittler beherrschenden) A nicht zugutekommt. Allerdings liegt mittelbare Täterschaft nur vor, wenn Β sich dem A gegenüber wirklich in einer Notstandslage befindet. Stiftet A den Β lediglich zum Angriff auf C in der Hoffnung an, daß dieser bei der Abwehr den Β verletzen werde, so ist das unter dem Gesichtspunkt einer Schädigung des Β straflos; Β muß dann die ihn treffenden Folgen seines frei verantwortlichen Handelns selbst tragen 6 9 . 68 69

(33)

TuT § 3 III 7, S. 38ff. Vgl. aus dem Schrifttum (ζ. T. weitergehend) Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 4 b; Herzberg Mittelbare Täterschaft bei rechtmäßig oder unverboten handelndem Werkzeug (1967) 29; Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II 3: Maurach AT. 4. Aufl., § 48 II Β 2 a; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 20; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 790; Welzel 11. Aufl., § 15 II 4 a. Zur Auseinandersetzung mit der älteren Literatur, der konstruktiven Problematik des rechtmäßig handelnden Werkzeuges und weiteren, strittigen Varianten der Grundkonstellation vgl. Täterschaft, S. 163—168.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

56

e) Den rechtswidrigen bindenden Befehl als Fall der mittelbaren Täterschaft durch ein unfrei handelndes Werkzeug gibt es seit dem Wegfall der Übertretungen im Strafrecht nicht mehr. Befehle, durch deren Ausführung ein Verbrechen oder Vergehen begangen würde, sind unverbindlich und dürfen nicht befolgt werden (§ 11 Abs. 2 SoldG). Führt der Untergebene den Befehl in Kenntnis seiner Unverbindlichkeit aus, so ist er Täter, wenn auch seine Schuld ggf. gemäß § 5 Abs. 2 WStG gemildert ist; der Vorgesetzte ist Anstifter, haftet aber nach der verschärften Strafdrohung des § 33 WStG 7 0 . Die gegenteilige, aus der subjektiven Theorie abgeleitete Meinung, wonach der Untergebene Gehilfe und der Vorgesetzte mittelbarer Täter ist 71 , läßt sich mit der Regelung der unmittelbaren Täterschaft im neuen § 25 Abs. 1 (Rdn. 38 ff) nicht mehr vereinbaren. Handelt der Untergebene im Verbotsirrtum, so kann freilich aus diesem Grunde eine mittelbare Täterschaft vorliegen (vgl. Rdn. 6 6 - 7 1 ) .

57

3. Mittelbare Täterschaft kraft Irrtums („Irrtumsherrschaft"). Die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft durch Einsatz eines irrenden Tatmittlers tritt uns auf vier verschiedenen Stufen entgegen. Der Irrtum kann den Vorsatz und damit schon ein tatbestandsmäßiges Handeln auf Seiten des Werkzeuges ausschließen (a); er kann die Rechtswidrigkeit betreffen, sei es, daß er — wie oft bei der Täuschung von Amtspersonen — das Handeln des Tatmittlers als rechtmäßig erscheinen läßt, sei es, daß er sich als Irrtum über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes oder als Verbotsirrtum darstellt (b); der Irrtum kann sich ferner auf die Voraussetzungen eines Entschuldigungsgrundes erstrecken (c), und er kann schließlich dem Ausführenden trotz vorsätzlich-unrechtmäßigen und schuldhaften Handelns die wahre Bedeutung seines Tuns verschleiern und so dem Hintermann eine sinngestaltende Überdetermination ermöglichen (d). Als selbständige Fallgruppe tritt die durch Täuschung bewirkte Selbstschädigung oder Selbsttötung hinzu (e).

58

Von der Nötigungsherrschaft unterscheidet sich die Irrtumsherrschaft grundlegend dadurch, daß bei ihr nicht die Handlungsherrschaft des Tatmittlers durch Zwang in den Dienst des Hintermannes gestellt wird; vielmehr wird dem mittelbaren Täter durch seine überlegene Sachverhaltskenntnis eine nötigungsfreie Lenkung des Geschehens aus dem Hinterhalt ermöglicht. Wegen dieser strukturellen Abweichung läßt sich auch das bei der Nötigungsherrschaft zur Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung heranzuziehende „Veranwortungsprinzip" (Rdn. 49) nicht ohne weiteres auf die Irrtumsherrschaft übertragen, so daß hier bei mehreren Fallgestaltungen auch eine mittelbare Täterschaft mit Hilfe eines trotz seines Irrtums verantwortlichen Tatmittlers in Betracht kommt (vgl. Rdn. 69, 74ff) 7 1 a .

59

a) Der vorsatzausschließende Irrtum des Tatmittlers. Der Grundfall wird etwa durch das Schulbeispiel bezeichnet, in dem einer ahnungslosen Krankenschwester 70

Vgl. Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II 5. Die Frage ist sehr str. ; vgl. näher Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 131 ff. 71 Busch in der Voraufl., § 47 Rdn. 40; BGHSt. 8 397f will je nach den Umständen des Falles Täterschaft oder Gehilfenschaft des Ausführenden annehmen. 7la A b w . Herzberg JuS 1974 374 f, demzufolge „beide Konstellationen (seil. Nötigungs- wie Irrtumsherrschaft)... im Grunde gleich" beschaffen sind und sich auch der Irrende „in Handlungszwang" befindet. Dazu Täterschaft, S. 592 ff. Dagegen wiederum — unter Modifizierung seiner früheren Ansicht — neuestens Herzberg TuT § 3 III 3 a. (34)

Täterschaft (Roxin)

§ 2 5

durch einen arglistigen Hintermann eine vergiftete Spritze zugespielt wird, durch deren Injektion der Patient zu Tode kommt. Es handelt sich hier um die eindeutigste Konstellation mittelbarer Täterschaft: Der Tatmittler wird als „blinder" Kausalfaktor nach Art eines mechanischen „Werkzeuges" in den allein vom Hintermann zielbewußt („final") gesteuerten Geschehensablauf eingespannt. Nur der Hintermann verwirklicht kraft seiner Tatherrschaft objektiv und subjektiv den Tatbestand und wird so zum (mittelbaren) Täter 7 2 . Mittelbare Täterschaft liegt auch dann vor, wenn der Tatbeitrag des Hinterman- 60 nes bei vorsätzlichem Handeln des unmittelbar Ausführenden nur eine Beihilfe wäre, wenn also etwa jemand einem anderen ein geladenes Gewehr reicht, obwohl er erkennt, daß das von diesem vermeintlich entdeckte „Wild" in Wahrheit ein Spaziergänger ist. Da der Ausführende auch in diesem Fall nur als blinder Kausalfaktor eingesetzt wird und der Hintermann als einziger den Ablauf final auf die Tötung eines Menschen zusteuert, ist es für die Frage nach der Tatherrschaft ohne Belang, ob bei einem Vorsatz des unmittelbar Handelnden in der Person des Hintermannes Anstiftung oder „nur" Beihilfe vorläge. Freilich werden Handlungen, die sich in diesem Falle als psychische Beihilfe darstellen würden, bei fehlendem Vorsatz des Ausführenden oftmals nicht kausal (und deshalb nicht tatherrschaftsbegründend) sein, weil es an einer „Bestärkung des Tatentschlusses" fehlen wird, wo der unmittelbar Handelnde sein Tun ohnehin für erlaubt hält und einen „Tatentschluß" im Sinne des Strafrechts überhaupt nicht faßt. Daß die fehlende Hervorrufung des Handlungsentschlusses beim vorsatzlos 61 Ausführenden an der mittelbaren Täterschaft des sehenden Hintermannes nichts ändert, entspricht der jetzt h. M. 7 3 , war aber früher sehr umstritten 7 4 . In jüngerer Zeit verneint eine Tatherrschaft des Hintermannes NowakowskP^, während Schmidhäuser76 die Annahme einer mittelbaren Täterschaft „in ganzheitlicher Sicht" (vgl. Rdn. 11) „abwegig" nennt und damit zur Straflosigkeit einer solchen vorsätzlichen Todesverursachung kommt; (denn eine Beihilfebestrafung scheitert am fehlenden Vorsatz des „Täters"). Die mittelbare Täterschaft ist ferner unabhängig davon, ob dem un vorsätzlich 62 handelnden Mittler Fahrlässigkeit zur Last fällt oder nicht. Für die unbewußte Fahrlässigkeit ist das eindeutig; denn der Umstand, daß der Ausführende den Irrtum hätte vermeiden können, ändert nichts daran, daß er in concreto die Sachlage nicht erkannt hat und deshalb ein bloßes „Werkzeug" in der Hand des Hintermannes war. Schwieriger liegt es bei einer bewußtert Fahrlässigkeit des unmittelbar Handelnden; denn hier erkennt der Mittler immerhin die Möglichkeit, daß der Erfolg eintreten könne, ist also nicht eigentlich „blind", sondern nur leichtsinnig in seinem

72

Fälle aus der Rspr.: RGSt. 39 298; 47 147, 148; 62 369, 390; 70 212. Vgl. ausführlich Täterschaft S. 173—178; Busch Voraufl. § 47 Rdn. 32; mit geringfügigen Einschränkungen Gallas Mat. Bd. I, S. 138; ZStW-Sonderheft Athen (wie Anm. 18), S. 11 ; Maurach AT 4. Aufl., § 48 II D 3 ; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 768. 74 Hauptvertreter der Gegenmeinung war M. E. Mayer Lehrbuch, S. 377. 7 5 JZ 1956 549. 76 AT, 2. Aufl., 14/22. 73

(35)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang 7 7 . Doch wird man auch dann, wenn die Differenz zwischen Vorder- und Hintermann nur im Voluntativen liegt, wenn also beide dasselbe „sehen" und nur der Ausführende die Gefährlichkeit seines Handelns, zu dem ihn der mit dem Erfolgseintritt Rechnende anstachelt, nicht „ernst nimmt", eine Tatherrschaft des aus dem Hintergrunde Dirigierenden noch bejahen können. Denn dem auf das Ausbleiben eines Erfolges leichtsinnig Vertrauenden fehlt es gegenüber den Einflüsterungen eines vorsätzlich handelnden spiritus rector für eine eigene Tatherrschaft nötigen Hemmungsmotiven 7 8 . b) Der die Rechtswidrigkeit betreffende Irrtum des Tatm-'ttlers 63

aa) Der Tatmittler handelt als rechtmäßiges Werkzeug. Mittelbare Täterschaft durch ein rechtmäßiges handelndes Werkzeug ist gegeben, wenn ein vom Hintermann hervorgerufener oder ausgenützter Irrtum des unmittelbar Handelnden die Erlaubtheit seines Tuns unberührt läßt. So liegt es vielfach bei der Täuschung von Staatsorganen. Wenn also jemand durch bewußt unwahre Beschuldigungen eine auf Grund des manipulierten Verdachtes rechtmäßige Verhaftung bewirkt, ist er mittelbarer Täter einer Freiheitsberaubung, während Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter gutgläubig-rechtmäßige Tatmittler sind (BGHSt. 3 4; 10 306). Ein klassischer Fall dieser Konstellation ist auch der Prozeßbetrug (RGSt. 72 150; vgl. näher die Erl. zu § 263). Denkbar ist ferner eine Beleidigung in mittelbarer Täterschaft, wenn dem Tatmittler der Schutz des § 193 StGB zur Seite steht, nicht aber dem Hintermann, dessen Auftrag er ausführt (RGSt. 64 23). Auch Kombinationen von Täuschung und Nötigung können in diesem Bereich vorkommen: Wenn A, um den Β zu schädigen, diesem einen Angriff durch C vortäuscht, Β daraufhin in Putativnotwehr auf C eindringt und dieser bei der erforderlichen Verteidigung den Β verletzt, so ist A mittelbarer Täter einer Körperverletzung des B, während Β als getäuschter und C als gerechtfertigter Tatmittler fungieren; Täuschungs- und Rechtfertigungseffekt können sich also auch auf zwei „Werkzeuge" verteilen.

64

Dagegen liegt bei Erstattung einer objektiv wahren Anzeige mangels einer durch Täuschung vermittelten Tatherrschaft des Hintermannes keine mittelbare Täterschaft des Anzeigenden vor, mag auch die Anzeige aus verwerflichen Beweggründen erfolgt sein (vgl. BGHSt. 3 110). Wird der Angezeigte rechtens verurteilt, so ist die Anzeige in einem solchen Falle strafrechtlich irrelevant; liegt ihr dagegen (etwa unter Berufung auf ein NS-Gesetz) ein nichtiges Terrorurteil zugrunde, so handeln die Richter selbst rechtswidrig, und es kommt eine Anstiftung in Betracht (eine mittelbare Täterschaft allenfalls auf Grund einer wirklichen oder vermeintlichen Notstandslage der Richter).

65

bb) Der Tatmittler irrt über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. Mittelbare Täterschaft ist auch anzunehmen, wenn der Hintermann einen Irrtum des Ausführenden über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtferti77 Ich habe deshalb früher (Täterschaft, S. 180—193, 220—225 in ausführlicher Auseinandersetzung mit der gesamten Problematik) eine mittelbare Täterschaft mit Hilfe eines bewußt fahrlässig handelnden Werkzeugs nur für den Fall bejahen wollen, daß der Hintermann das Risiko des Erfolgseintritts besser übersieht als der Ausführende, während bei gleicher Kenntnis der Erfolgschance nur eine Teilnahme des Hintermannes angenommen wurde (die heute wegen des Vorsatzerfordernisses in §§ 26, 27 StGB allerdings nicht mehr bestraft werden könnte). 78 Vgl. zu diesen Fragen auch Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 IV 2; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 767. (36)

Täterschaft (Roxin)

§25

gungsgrundes hervorruft oder ausnutzt, wenn also etwa jemand durch Vortäuschung indikationsbegründender Umstände einen an sich nicht indizierten Schwangerschaftsabbruch bewirkt, wenn jemand dem unmittelbar Handelnden die rechtfertigende Einwilligung des Rechtsgutsträgers vorspiegelt usw. Das versteht sich von selbst, wenn man mit der h. M. einen solchen Irrtum als vorsatzausschließend ansieht, denn dann handelt es sich um den Fall der Benutzung eines vorsatzlosen Werkzeuges (Rdn. 59—62). Es muß aber auch dann gelten, wenn man meint, beim Ausführenden entfalle nicht der Vorsatz, sondern nur die Vorsatzstrafe, oder wenn man gar, wie es die strenge Schuldtheorie vertritt, in solchen Fällen einen Verbotsirrtum annimmt. Denn unabhängig d a v o n 7 9 ist der Hintermann jedenfalls der einzige, der die Sachlage überschaut und damit die Bewirkung eines deliktischen Erfolges in der H a n d hat; das genügt, um ihn zur Zentralgestalt des Geschehens und damit zum mittelbaren Täter zu machen 8 0 . cc) Der Tatmittler handelt im Verbotsirrtum. Ob und unter welchen Vorausset- 6 6 zungen eine mittelbare Täterschaft mit Hilfe eines im Verbotsirrtum handelnden Tatmittlers möglich ist, ist im Schrifttum sehr umstritten. Welzel81 nimmt wegen der eigenen Täterschaft des Ausführenden stets nur eine Anstiftung an. Die h. L. bejaht ausnahmslos eine mittelbare Täterschaft 8 2 , während eine Reihe von Autoren dies nur bei unvermeidbarem Verbotsirrtum tut, bei vermeidbarem Verbotsirrtum dagegen den Hintermann lediglich als Teilnehmer bestrafen will 8 3 . Blefi4 hinwiederum stellt nicht auf die Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit des Irrtums, sondern auf dessen Ursprung ab, so daß ein Hintermann nur dann mittelbarer Täter ist, wenn er den Irrtum zum Zwecke der Deliktsverwirklichung hervorgerufen hat; in allen anderen Fällen soll Teilnahme an schuldloser Tat vorliegen. Tatsächlich wird man differenzieren müssen, wenn auch etwas anders, als es bis 67 jetzt geschehen ist 8 5 . Bei unvermeidbarem Verbotsirrtum ist, sofern der Hintermann für den Erfolg kausal ist, eine mittelbare Täterschaft allemal zu bejahen. Denn da der Ausführende die Rechtswidrigkeit seines Tuns nicht erkennen kann, fehlt ihm jeder Grund, von seinem Handeln Abstand zu nehmen und damit das einzige Hemmungsmotiv, das der Tatherrschaft des arglistigen Hintermannes im Wege stehen könnte; es liegt insoweit unter dem Aspekt strafrechtlicher Wertung nicht anders als bei fehlendem Vorsatz des Tatmittlers. Aber auch bei vermeidbarem Verbotsirrtum ist eine mittelbare Täterschaft anzu- 68 nehmen, wenn der Irrtum dem Handelnden die materielle Rechtswidrigkeit, also die Sozialschädlichkeit seines Tuns, verschleiert, so d a ß er sein Verhalten für vollkommen „in O r d n u n g " hält, wie dies im Bereiche des Wirtschafts- oder Nebenstrafrechts oft der Fall sein wird. Denn es ändert an der realen Herrschaft des die Er79 80

81 82

83 84 85

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Zur Problematik des „Täters hinter dem vorsätzlichen Täter" vgl. Rdn. 66 ff. Vgl. dazu mit weit. Nachw. Täterschaft, S. 205—208. Lehrbuch, 11. Aufl., § 15 II 2a. Herzberg TuT § 3 III 3a a.E.; Maurach AT, 4. Aufl., § 48 II D 2; Preisendanz 29. Aufl., §25, 3d bb; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., Rdn. 39/40 vor §25; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 126 ff. Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 5; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 7 7 9 - 7 8 1 ; Wessels AT, 6. Aufl., § 62 II 5. AT, 17. Aufl., § 72 I 3 c. Vgl. zum ganzen ausführlich Täterschaft, S. 193—205, 592—594, sowie meine „Bemerkungen zum ,Täter hinter dem Täter'", Festschr. f. R. Lange (1976) 173ff (178—183).

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2. Abschnitt. Die Tat

laubtheit Vorspiegelnden nichts, daß der Getäuschte Kenntnisse hätte haben können, die er in concreto nicht hatte. Wenn jemand im Geschäftsverkehr einen arglosen Strohmann „vorspannt", den er von der Unbedenklichkeit einer in Wahrheit verbotenen Transaktion wider besseres Wissen hat überzeugen können, übersieht er im entscheidenden Punkt als einziger die Bedeutung des Geschehens. Ob der Irrtum des Ausführenden für diesen vermeidbar war oder nicht, kann der Hintermann schwerlich beurteilen. Es ist auch für das Ausmaß der wirklich ausgeübten Herrschaft gleichgültig (während in den Nötigungsfällen das Bestehenbleiben der Verantwortlichkeit beim Ausführenden mit einem entsprechend schwächeren, herrschaftsverwehrenden Nötigungsdruck beim Hintermann korrespondiert). 69

Darin liegt der Grund, daß das für die Nötigungsfälle maßgebliche „Verantwortungsprinzip" (Rdn. 49 f) hier keine Geltung hat und ein „Täter hinter dem verantwortlichen Täter" möglich ist. Der Ausführende wird (bei geminderter Schuld) als Vorsatztäter bestraft, weil er auf der Grundlage seiner Sachverhaltseinsicht das Verbot hätte erkennen sollen ; den Hintermann aber trifft als mittelbaren Täter die ungeminderte Strafe, weil er angesichts seiner größeren Bedeutungskenntnis das Verhalten des von ihm zur Tat Veranlaßten kraft seines deliktischen Willens sinngestaltend überdeterminieren konnte. Es ist dies ein Fall höherstufiger Tatherrschaft: Die Anstiftung auf der Stufe der Sachverhaltskenntnis ist subsidiär im Verhältnis zur mittelbaren Täterschaft auf der nächsthöheren Stufe der Kenntnis des materiellen Unrechts.

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Daraus folgt andererseits, daß nur eine Anstiftung in Betracht kommt, wenn Hinter- und Vordermann unter dem Einfluß desselben Irrtums h a n d e l n ^ . War der Irrtum des Ausführenden unverschuldet, der des Tatveranlassers dagegen vermeidbar, liegt sogar eine Anstiftung zu schuldloser Tat vor, da die bloße Möglichkeit der Verbotskenntnis den Hintermann so wenig zum Tatherrn macht, wie sie beim Ausführenden eine Herrschaft des Tatveranlassers ausschließt.

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Ferner ist eine bloße Teilnahme dort anzunehmen, wo der Ausführende nicht über die materielle Rechtswidrigkeit, sondern nur über das formale Verbot irrt. Hierher gehören reine Subsumtionsirrtümer des Ausführenden, der ζ. B. ein Beweiszeichen in voller Kenntnis der Rechtsgüterverletzung fälscht, dabei aber glaubt, dies sei rechtlich nicht zu erfassen, weil Beweiszeichen keine „Urkunden" i. S. des § 267 StGB seien; ferner die Fälle der früher sog. Rechtsfeindschaft beim unmittelbar Handelnden, der etwa ausbeuterische Wuchergeschäfte (§ 302 a StGB) oder schwere Kindesmißhandlungen (§ 223 b) für zulässig hält. Hier kennt der unmittelbare Täter mit der Sozialschädlichkeit seines Tuns alle Umstände, die für das gesetzliche Verbot maßgeblich waren. Sein Irrtum verringert die Schuld nicht, wie die bloße Kann-Milderung bei der gesetzlichen Entscheidung für die Schuldtheorie (§ 17 Satz 2 StGB) erkennen läßt. Die formale Verbotskenntnis, die der Hintermann dem Ausführenden voraus hat, ist deshalb für die strafrechtliche Beurteilung irrelevant und kann nicht herrschaftsbegründend wirken. Insofern enthält also die verbreitete Auffassung, daß bei verschuldetem Verbotsirrtum nur eine Teilnahme des die Rechtslage überschauenden Hintermannes vorliege, etwas Richtiges. Aber das gilt allein für den eben bezeichneten — im ganzen wohl eher schmalen — Ausschnitt aus dem Kreis der verschuldeten Verbotsirrtümer; und auch auf diesem Sektor beruht die Teilnahme des Hintermannes nur auf dem Maß an Bedeutungskennt86

Im Ergebnis insoweit ganz übereinstimmend Sch.-Schröder-Cramer, Rdn. 39.

18. Aufl., vor § 25,

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Täterschaft (Roxin)

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nis, das der Ausführende wirklich hatte, nicht aber auf dem Vorwurf, daß er eine Bedeutungskenntnis, die er nicht hatte, hätte haben sollen. c) Der Irrtum des Tatmittlers betrifft die Voraussetzungen eines Schuldausschlie- 72 ßungsgrundes. Bedient jemand sich zur Durchführung einer Tat eines unmittelbar Handelnden, der über die sachlichen Voraussetzungen eines Schuldausschließungsgrundes — normalerweise des § 35 StGB — irrt, so ist das ein Fall mittelbarer Täterschaft®7. Solche Konstellationen werden kaum erörtert, kommen aber praktisch vor, ζ. B. wenn die Komplizen eines Delinquenten jemanden durch vorgetäuschte Morddrohungen zu Strafvereitelungshandlungen (§ 258 StGB) oder ähnlichen Delikten veranlassen. Die mittelbare Täterschaft ergibt sich daraus, daß dem Handelnden, wenn er sich auf Grund eines Sachverhaltsirrtums zur Tat genötigt fühlt und entschuldigt glaubt, der rechtlich-soziale Bedeutungsgehalt seines Tuns verschlossen ist, während der Hintermann kraft seines besseren Wissens den Irrenden in der Hand hat. Ob der Irrtum des Ausführenden vermeidbar oder unvermeidbar war, ob er vom Nutznießer hervorgerufen oder nur ausgenutzt wurde, spielt dabei aus denselben Gründen wie beim Parallelfall des Verbotsirrtums (Rdn. 68, 69) keine Rolle. Die dort erwähnte Möglichkeit bloßer Unkenntnis des formalen Verbotes durch den Ausführenden (Rdn. 71) ist hier nicht gegeben, so daß insoweit auch keine Teilnahme in Betracht kommt. Dies wird bestätigt durch den Umstand, daß § 35 Abs. 2 Satz 2 bei sonst analoger Anwendung der Verbotsirrtumsregeln anders als § 17 Satz 2 eine obligatorische Strafmilderung anordnet, den die Lage übersehenden mittelbaren Täter also ausnahmslos härter bestraft. Auch bei dieser Konstellation handelt es sich um einen Fall des Täters hinter 73 dem vorsätzlichen (entschuldigten oder in geminderter Schuld handelnden) Täter, wobei der auf der dritten Stufe der Irrtumsherrschaft agierende Hintermann den mit Tatbestands- und ggf. Verbotskenntnis ausgestatteten, sich aber entschuldigt wähnenden und deshalb nur auf der zweiten Herrschaftsstufe stehenden Tatmittler durch seine überlegene Situationskenntnis lenken kann. Eine Teilnahme ist deshalb — entsprechend den Verbotsirrtumsfällen (Rdn. 70) — dort möglich, wo Vorderund Hintermann demselben Irrtum unterliegen und es also an einer höherstufigen Herrschaft fehlt. Wenn daher A und Β gemeinsam fälschlich an eine dem A unmittelbar drohende Gefahr glauben und A dem Β rät, sich durch eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Handlung daraus zu befreien, so ist das nur eine Anstiftung. d) Der Irrtum des Tatmittlers betrifft den konkreten Handlungssinn. Bei dieser 74 vierten und schwierigsten Stufe der Irrtumsherrschaft handelt der Ausführende tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft und weiß dies auch. Gleichwohl verschleiert ihm sein Irrtum rechtlich relevante und für die Beurteilung der Tat ausschlaggebende Sachverhaltsumstände, deren Kenntnis dem Hintermann die Beherrschung der Situation gestattet und es rechtfertigt, ihm die Tatbestandserfüllung auch als sein eigenes Werk zuzurechnen 8 ®. Dabei kommen drei verschiedene Konstellationen in Betracht: aa) Die erste liegt in der Täuschung über quantifizierbare Unrechts- und Schuld- 75 maße. A veranlaßt etwa den einfältigen B, ein dem C gehörendes, sehr wertvolles 87 Näher Täterschaft, S. 2 0 8 - 2 1 1 . 88 Ausführliche Behandlung der Fallgruppen bei Roxin Festschrift f. R. Lange (1976) 184-192. (39)

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2. Abschnitt. Die Tat

Kandinsky-Gemälde wegzuwerfen, indem er ihm vorspiegelt, es handele sich um ein wertloses Geschmiere 89 . Hier ist Β Täter einer Sachbeschädigung, aber das von seinem Vorsatz umfaßte Unrechts- und Schuldmaß ist gering. Der A dagegen weiß, daß das Bild viele tausend Mark wert ist, so daß der bei weitem größere Teil des angerichteten Schadens allein auf sein Konto zu rechnen ist. Es findet hier eine Teilung der Tatherrschaft statt: Der Herrschaft des Β untersteht ein kleiner, der des A ein sehr viel umfangreicherer Teil des Gesamtschadens. Im Hinblick auf ihn ist A ein — erheblich schwerer zu bestrafender — mittelbarer Täter einer selbständigen Sachbeschädigung, und zwar ein Täter hinter dem vorsätzlich-schuldhaften Täter. Den „konkreten Handlungssinn" (Vernichtung eines bedeutenden Kunstwerks) übersieht allein der auf der vierten Stufe der Irrtumsherrschaft stehende Hintermann, der über den Kopf des auf der dritten Herrschaftsstufe handelnden Β hinweg die eigentliche Schadensherbeiführung dirigiert. Entsprechend den übrigen Fällen höherstufiger Tatherrschaft (Rdn. 70, 73) kann deshalb A nur wegen Anstiftung bestraft werden, wenn er das Bild ebenfalls für wertlos hält; die Teilnahme an der geringen vorsätzlichen Rechtsgüterverletzung des B, die sonst hinter der mittelbaren Täterschaft zurücktritt, bleibt dann selbständig strafbar. 76

Eine mittelbare Täterschaft dieser Art ist nicht nur bei allen Vermögensdelikten, sondern auch bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgiiter möglich, soweit der Schaden quantifizierbar ist. So kann etwa jemand einen anderen zu einer Körperverletzung auffordern und ihm dabei arglistig eine besondere Anfälligkeit des Opfers verschweigen, so daß dieses nicht, wie der unmittelbare Handelnde annimmt, einen leichten, sondern einen schweren Gesundheitsschaden davonträgt. Oder es kann jemand den Entschluß zu einer Freiheitsberaubung hervorrufen, indem er den unmittelbaren Täter ermuntert, jemanden in einen Raum einzuschließen, und ihm dabei versichert, dieser werde in spätestens drei Stunden befreit werden, während er genau weiß, daß der Raum frühestens in drei Tagen wieder geöffnet wird. Auch in diesen Fällen wird man den Hintermann als mittelbaren Täter ansehen müssen, weil das Schwergewicht der Rechtsgüterverletzung seiner Tatherrschaft zur Last zu legen ist.

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Freilich kann nicht jedes Unrechts- oder schuldrelevante Mehrwissen des Hintermannes täterschaftsbegründend wirken. Denn eine geringfügige Vergrößerung der Schadenshöhe fällt neben der unmittelbaren Herrschaft des Ausführenden so wenig ins Gewicht, daß sie den „Tatcharakter" nicht verändert und deshalb nicht ausreichen kann, um dem Hintermann eine selbständige mittelbare Tatbestandserfüllung zur Last zu legen. Für die Annahme mittelbarer Täterschaft ist deshalb zu verlangen, daß der selbständige Herrschaftsanteil des Hintermannes den des unmittelbar Ausführenden überwiegt, da sonst die Teilnahmekomponente der Beeinflussung im Vordergrund steht und die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens bestimmt. Erkennt der Hintermann also nur, daß der Vermögens- oder Gesundheitsschaden etwas größer oder die Freiheitsberaubung etwas andauernder sein wird, als der unmittelbar Handelnde weiß, so liegt nicht mehr als Anstiftung oder Beihilfe vor. 78 Die zweite in diesen Zusammenhang gehörende Fallgruppe betrifft die mittelbare Täterschaft durch Herbeiführung oder Ausnutzung eines Irrtums über gesetzliche Qualifikationsmerkmale. Ein Beispiel liefert BGHSt. 1 368: Hier hatte der Angeklagte 1945 beim Einmarsch der alliierten Truppen eine amerikanische Heeresstreife zur Erschießung des L mit der wahrheitswidrigen Begründung aufgefordert, 89

Beispiel nach Herzberg Tu Τ § 3 III 3 c, der hier ebenfalls mittelbare Täterschaft annimmt. (40)

Täterschaft (Roxin)

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dieser habe „Fremdarbeiter" erschossen. Er wollte unter Ausnutzung der damaligen Verhältnisse erreichen, daß L ohne Durchführung eines Verfahrens getötet werde. Amerikanische Soldaten erschossen L, ohne seine Unschuldsbeteuerungen auch nur anzuhören, allein wegen der Angaben des Angeklagten. In Wirklichkeit war L unschuldig der Rachsucht des Angeklagten zum Opfer gefallen. Die Amerikaner waren hier unmittelbare Täter eines Totschlages, während der Angeklagte, den der BGH als Anstifter nach §212 StGB bestrafte, richtigerweise als mittelbarer Täter eines Mordes (§211 StGB) anzusehen gewesen wäre. Eine ähnliche Konstellation behandelt BGHSt. 2 223, wo der Angeklagte nach Kriegsende bei der Befreiung von Konzentrationslagerinsassen diesen vorgelogen hatte, ein gewisser L sei schuld am Tod vieler KZ-Häftlinge. Frühere KZ-Insassen hatten daraufhin den L getötet. Auch hier ist eine mittelbare Täterschaft anzunehmen, soweit sich der Vorsatz des Angeklagten auf die Tötung des L erstreckte (was im konkreten Fall nicht nachzuweisen gewesen war). Bei Sachverhaltsgestaltungen dieser Art handelt der Hintermann wiederum als 79 „Täter hinter dem Täter", d. h. als „Mörder hinter dem Totschläger". Die unmittelbar Handelnden wollten einen Mörder töten und dienten in der Hand des Hintermannes stattdessen als „Werkzeuge" zur Ermordung eines Unschuldigen. Der Irrtum änderte zwar nichts an ihrer Täterschaft nach § 212 StGB, aber er verschleierte ihnen, daß es sich objektiv um eine andere Tat, und zwar um einen Mord handelte, der allein dem Hintermann zur Last fällt. Es ist dies ein Parallelfall zum Problem der „Übersteigerung" bei der Teilnahme, wo die Rspr. eine Anstiftung zum qualifizierten Delikt zutreffend auch dann für möglich hält, wenn der Täter zur Begehung des Grunddeliktes bereits entschlossen war 9 0 . So, wie die Qualifikation bei voller Sachverhaltskenntnis des unmittelbar Handelnden eine selbständige Teilnahme trägt, führt sie bei einem entsprechenden Irrtum des Ausführenden zur mittelbaren Täterschaft. Veranlaßt also A den zur Verprügelung (§ 223 StGB) eines anderen bereits entschlossenen B, dem Opfer eine schwere Körperverletzung i. S. des § 225 StGB zuzufügen, so ist er Anstifter nach § 225 StGB ; bewirkt er dagegen durch Β eine Verletzung, bei der er diesen über den beabsichtigten schweren Erfolg täuscht, so liegt ein Verbrechen nach § 225 StGB in mittelbarer Täterschaft vor, hinter der die Anstiftung zum Grunddelikt des § 223 StGB zurücktritt. Keine mittelbare Täterschaft, sondern eine bloße Anstiftung durch Erregung 80 eines Motivirrtums liegt allerdings dort vor, wo das Mehrwissen des Hintermannes sich — abgesehen von den Rdn. 75—77 behandelten Fällen quantifizierbarer Unwertsteigerung — nicht in einer gesetzlichen Qualifikation niedergeschlagen hat 9 1 . Veranlaßt A den Β zu einer Verletzung des C durch die lügenhafte Behauptung, C habe mit der Frau des Β die Ehe gebrochen, so ist A nur Anstifter einer Körperverletzung; denn Β ist zwar durch die Täuschung zur Tat motiviert worden, aber er irrt weder über die Größe der angerichteten Rechtsgüterverletzung noch über einen Qualifikationstatbestand, so daß der größere Unwert seines Verhaltens rechtlich nicht objektivierbar ist und zur Begründung einer selbständigen Tatherrschaft nicht ausreicht.

90 BGHSt. 19 339. Näher dazu § 26, Rdn. 6. 91 Im Ergebnis anders noch Täterschaft, S. 212, 213; dagegen mit berechtigter Kritik Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 786, 787. Die im Text vertretene Auffassung wird entwickelt in: Festschrift f. R. Lange (1976) 186-189. (41)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

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Die dritte Konstellation der mittelbaren Täterschaft durch Veranlassung oder Ausnutzung eines Irrtums über den konkreten Handlungssinn betrifft den manipulierten error in persona. Der Fall ist praktisch selten, aber Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Diskussionen. Es geht dabei um Fälle wie den, daß j e m a n d zur Ermordung eines anderen entschlossen ist, daß aber ein arglistiger Hintermann ihm durch eine Identitätstäuschung ein anderes Opfer unterschiebt; sei es, daß der Hintermann dem in einem Versteck lauernden Mordschützen einredet, die des Weges kommende Person sei das erwartete Opfer, während es sich in Wirklichkeit um einen anderen handelt; sei es, daß der Hintermann ohne Kontakt mit dem unmittelbaren Täter seinen Feind in eine Situation manövriert, in der ihn der Schütze für das erwartete Opfer halten m u ß u n d erschießt.

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Die mittelbare Täterschaft des Hintermannes beruht hier nicht auf einer tatverändernden Steigerung von Unrecht oder Schuld durch den Hintermann, sondern darauf, daß die Qualität des tatbestandlichen Unrechts durch die Personenverwechslung eine andere wird. Der Ausführende hat die Herrschaft über die Tötung „eines" Menschen; der Tod des Opfers in seiner konkreten Individualität aber geht allein zu Lasten des Hintermannes. Das reicht aus, um ihm eine höherstufige Tatherrschaft zuzusprechen 9 2 . Denn wenn auch der error in persona den unmittelbar Handelnden nicht entlastet, muß doch die Bewirkung der Tötung eines sonst ungefährdeten anderen Menschen den arglistigen Manipulator i. S. der §§ 212, 211 StGB belasten. So, wie es eine Anstiftung zur Tötung ist, wenn A den tatentschlossenen Β überredet, statt des C lieber den X zu erschießen, m u ß es eine mittelbare Täterschaft sein, wenn er dem Β ohne dessen Wissen den X anstelle des C unterschiebt 9 3 . Lehnt man in solchen Fällen eine mittelbare Täterschaft ab, so müßte der Hintermann völlig straflos ausgehen 9 4 , obwohl der Tod des konkreten Opfers allein sein Werk ist. Denn auch eine Teilnahme würde ausscheiden, weil im Hinblick auf die abstrakte Menschqualität des Opfers weder eine Tatveranlassung noch eine psychische Beihilfe bejaht werden kann. Diesem unerträglichen Ergebnis versuchen die Autoren, die eine mittelbare Täterschaft ablehnen, teilweise dadurch zu entgehen, daß sie den Hintermann als Nebentäter 9 5 oder unmittelbaren Täter 9 6 eines Tötungsdeliktes betrachten. Das läuft im Ergebnis auf dasselbe hinaus, ist aber eine Behelfskonstruktion, weil die plangemäße Verwirklichung einer Tat durch einen anderen Menschen nach § 25 Abs. 1 („durch einen anderen") nur als mittelbare Täterschaft qualifiziert werden kann.

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e) Der Irrtum führt zu einer Selbstschädigung oder Selbsttötung. Die bisher entwickelten Regeln der Irrtumsherrschaft passen bei der durch Täuschung bewirkten Selbstbeeinträchtigung eines anderen nicht unmittelbar, weil der „Tatmittler" weder

92

Wie hier vor allem Blei AT, 17. Aufl., § 72 I 1 c; ferner mit teilweise abw. Begründung; Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 4b; Maurach AT, 4. Aufl., § 48 I A 2; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/19; Sax ZStW 69 (1957) 434; Schroeder Der Täter hinter dem Täter, 134ff (dazu Roxin ZStW 78 [1966] 227ff). Ablehnend vor allem Welzel 11. Aufl., § 15 II 4b (dazu Roxin ZStW 80 (1968) 726ff); Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 782-787 (dazu Roxin ZStW 84 [1972] 1007f); Samson SK AT, 2. Aufl., § 25 Rdn. 30; Herzberg TuT § 3 III 3 b. 93 Näher dazu Roxin Lange-Festschrift (1976) S. 189-192. 9 4 Täterschaft, S. 212 ff (215/16). 9 5 So Herzberg JuS 1974 576; TuT § 4 I. 96 Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 785. (42)

Täterschaft (Roxin)

§25

objektiv noch subjektiv unrechtmäßig handelt. Doch lassen sie sich analog anwenden (vgl. Rdn. 52). Danach liegt selbstverständlich eine mittelbare Täterschaft vor, wenn dem unmittelbar Handelnden der Vorsatz der Selbstschädigung fehlt. Setzt also A dem Β eine vergiftete Speise vor, so ist er je nach Lage der Dinge wegen Körperverletzung oder Tötung strafbar. Auch ist bei entsprechendem Vorsatz ein Totschlag in mittelbarer Täterschaft anzunehmen, wenn A den Β unter den Bedingungen einer Diktatur dadurch zum Selbstmord treibt, daß er ihm eine bevorstehende „Abholung" durch die Geheime Staatspolizei vorspiegelt. Denn das Opfer fühlt sich hier in einer dem § 35 StGB entsprechenden Zwangssituation, so daß der Hintermann unter rechtlichen Aspekten als der eigentliche Herr des Geschehens erscheint. Wenn dagegen jemand einen anderen dadurch zum Selbstmord veranlaßt, daß er dem Opfer vortäuscht, es leide an einer unheilbaren Krankheit, ist dies nicht ohne weiteres ein Totschlag in mittelbarer Täterschaft 9 7 , weil der Selbstmörder nur in einem rechtlich nicht objektivierbaren Motivirrtum handelt 9 8 . Freilich kann im Einzelfall die auf die Veranlassung einer Selbsttötung abzielende Vortäuschung einer Krankheit auch zur mittelbaren Täterschaft führen; so ζ. B., wenn der Täuschende das Opfer in eine den Voraussetzungen des § 20 StGB entsprechende seelische Paniksituation stürzt und es dadurch zum Selbstmord veranlaßt; oder in dem von SchmidhäuserW gebildeten analog § 35 zu beurteilenden Fall, daß der Täter durch die Vorspiegelung, er habe das Opfer mit einem rasch wirkenden sehr schmerzhaften Mittel vergiftet, den Getäuschten veranlaßt, sich umzubringen, um den erwarteten qualvollen Schmerzen zu entgehen. Die dolose Vorspiegelung, einem anderen in den Tod folgen zu wollen, bewirkt dagegen wieder nur einen Motivirrtum 1 0 0 und ist deshalb strafrechtlich, wenn der Selbstmörder für sein Tun verantwortlich ist, nicht zu fassen. Nur die Schaffung einer Strafdrohung gegen die Verleitung zum Selbstmord könnte insoweit Abhilfe schaffen. 4. Mittelbare Täterschaft durch Benutzung von Unerwachsenen, Schuldunfähigen oder vermindert Schuldfähigen a) Für die Mitwirkung bei Deliktsverwirklichungen von Kindern, Jugendlichen 84 und Geisteskranken gilt: Bei den Taten strafunmündiger Kinder und Geisteskranker ist der veranlassende Hintermann in jedem Falle mittelbarer Täter; bei denen Jugendlicher stets, aber auch nur dann, wenn der Ausführende nach § 3 JGG strafrechtlich nicht verantwortlich ist. Die bloße Unterstützung begründet mittelbare Täterschaft, wenn die mangelnde Verantwortlichkeit des Handelnden auf fehlender Einsichtsfähigkeit beruht. Geht dem Unmittelbaren nicht das Unrechtsverständnis ab, sondern die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, so liegt mittelbare Täterschaft des Unterstützenden nur dann vor, wenn er dem Ausführenden die Tat ermöglicht. Diese differenzierende, aber in den meisten Situationen zur Annahme mittelbarer Täterschaft führende Lösung 1 0 1 beruht auf den in den Fällen der Nötigungs- und Irrtumsherrschaft (Rdn. 49ff, 57ff) gewonnenen Erkenntnissen; denn der Ausführende handelt in den Fällen mangelnder Hemmungsfähigkeit unfrei, so 97

Sehr str., anders noch Täterschaft, S. 225 ff ; für Annahme eines Tötungsdelikts auch Maurach AT, 4. Aufl., § 48 II 4. 98 So auch Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II 1 ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 30; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 81 ff (92). 99 AT, 2. Aufl., 14/41. 100 Anders Täterschaft, S. 227; Herzberg TuT § 3 III 7. 101 Mit ausführlicher Begründung Täterschaft, S. 233—242. (43)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

daß bei Beurteilung des Hintermannes die Grundsätze der Nötigungsherrschaft anwendbar sind, während bei Fehlen der Fähigkeit zur Unrechtseinsicht die Regeln der Irrtumsherrschaft gelten müssen. 85

Im Schrifttum wird teilweise — freilich ohne Eingehen auf die oben erwähnten Nuancierungen — in Übereinstimmung mit der hier prinzipiell vertretenen Ansicht bei fehlender Verantwortlichkeit des unmittelbar Handelnden eine mittelbare Täterschaft angenommen 1 0 2 . Vielfach jedoch wird im Anschluß an RGSt. 61 265 je nach Lage des Falles auch bei Veranlassung und Ermöglichung von Taten Verantwortungsunfähiger eine Teilnahme für möglich gehalten. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Angeklagte seinen 13jährigen Enkel zu einer Brandstiftung veranlaßt; das Gericht hatte nur eine Anstiftung angenommen, weil das Kind für die Bedeutung seines Tuns zwar „nicht volles, so doch hinreichendes Verständnis" gehabt habe. Dementsprechend stellen viele Autoren 1 0 3 darauf ab, ob das Kind oder der Geisteskranke im Einzelfall ausnahmsweise „einen eigenen Willen entfalten" (Welzel) konnten oder „zu einem eigenen Entschluß fähig" (Jescheck) waren. Weitergehend hält Bockelmann104 bei der Benutzung von Kindern und Geisteskranken sogar im Regelfall nur Anstiftung für gegeben, und zwar selbst bei einem „defektgeschädigten, schuldunfähigen" Paralytiker. „Denn einen, immerhin noch zu Arbeiten, die eine bescheidene Selbständigkeit erfordern, befähigten Kranken hat man nicht wie ein Werkzeug in der Hand ; die Entschließung zu der ihm angesonnenen Tat bleibt seine Entscheidung." Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn etwa ein Kind „wie Wachs" in der Hand des Hintermannes war. Derartige Differenzierungen verdienen jedoch keinen Beifall. Denn ob das Hemmungsvermögen und das Verständnis eines unmittelbar Handelnden „hinreichend" sind, um den Hintermann in die Rolle des bloßen Teilnehmers zu drängen, läßt sich nur nach rechtlichen Maßstäben beurteilen. Ist der Handelnde danach für sein Tun nicht verantwortlich, trifft die Verantwortung für seinen „Einsatz" notwendig den Hintermann, der unter dem Gesichtspunkt strafrechtlicher Haftung als der Herr des Geschehens erscheint. Jede andere Abgrenzung führt in Ermangelung rechtlicher Kriterien ins Willkürliche.

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b) Ist die Schuldfähigkeit des Ausführenden nur nach § 21 StGB erheblich vermindert, so muß man unterscheiden 1 0 5 : Wenn der Ausführende die Unrechtseinsicht besitzt, jedoch sein Hemmungsvermögen (die „ F ä h i g k e i t . . . , nach dieser Einsicht zu handeln") vermindert ist, kann ein Außenstehender, sofern nicht sonstige Umstände ihm die Tatherrschaft vermitteln, nur Teilnehmer sein. Denn der Gesetzgeber geht davon aus, daß der Handelnde in einem solchen Fall seinen Willen seiner Einsicht gemäß bestimmen kann — sonst würde ja § 20 StGB anwendbar sein —, und dies allein genügt, um dem Hintermann die Willensherrschaft zu verwehren. Der Umstand, daß dem Unmittelbaren die verantwortliche Selbstbestimmung erschwert war, ist für das Maß der Schuld von Bedeutung, wie es etwa auch bei

102

Vgl. etwa Gallas Mat. Bd. I S. 134; ZStW-Sonderheft Athen, S. 15; Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 4 b ; wohl auch Maurach § 48 II C, D ; Blei AT, 17. Aufl., § 72 I 3 a ; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 772, 778. 103 Besonders deutlich etwa Welzel 11. Aufl., § 15 II 2 b ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 6 2 II 4; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/88. Ό4 AT, 2. Aufl., § 25 IIa. •05 Täterschaft, S. 237 f. (44)

Täterschaft (Roxin)

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einem die Schwelle des § 35 StGB nicht erreichenden Nötigungsdruck der Fall ist; er ändert aber nichts an der Herrschaftsstruktur des Vorganges. Dagegen liegt eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes d a n n vor, wenn die geringere Schuld des unmittelbar Handelnden auf seiner verminderten Fähigkeit beruht, „das Unrecht der Tat einzusehen". In solchen Fällen handelt der Ausführende stets im Verbotsirrtum ; denn wenn er bei Tatbegehung sich des konkreten Unrechts bewußt und seine Einsichtsfähigkeit nur in abstracto gemindert war, greift § 21 nicht ein (BGHSt. 21 27). Da der Irrtum auch nicht nur die formelle Rechtswidrigkeit, sondern das „Unrecht" (also die materielle Wertwidrigkeit) des eigenen Handelns betreffen muß, ist nach den oben entwickelten Regeln der Irrtumsherrschaft (Rdn. 68) stets eine mittelbare Täterschaft anzunehmen. Im Schrifttum wird das Problem der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei verminderter Schuldfähigkeit des Ausführenden bisher kaum behandelt. Eine Differenzierung versucht allerdings Baumann106. Danach „wird in der Regel Anstiftung gegeben sein", wenn „der Veranlasser mit eigener Entscheidung" des vermindert Schuldfähigen rechnet, mittelbare Täterschaft dagegen, „wenn der Veranlasser gerade die durch den Zustand des Handelnden bedingte Verengung des Gesichtskreises (größere Möglichkeit von Fehleinschätzungen) oder das verminderte Hemmungsvermögen (emotionale Seite) für seine Zwecke einsetzt." Diese Konzeption krankt daran, daß der Begriff der „eigenen Entscheidung" in diesem Zusammenhang nicht hinreichend klar bestimmbar ist. c) Die Veranlassung oder Unterstützung der Selbstschädigung (praktisch vor al- 87 lem: der Selbsttötung) von Unerwachsenen und Schuldunfähigen wirft einige Sonderprobleme auf. Bei Kindern und bei schlechthin — d. h. im Hinblick auf jedes denkbare Delikt — schuldunfähigen Jugendlichen oder Geisteskranken ist der Hintermann stets als mittelbarer Täter anzusehen. D e n n zwar lassen sich §§ 20 StGB, 3 J G G nicht unmittelbar anwenden, weil die Selbstschädigung kein „Unrecht" ist; wem aber im Hinblick auf Recht oder Unrecht das Einsichts- oder Hemmungsvermögen gänzlich fehlt, dem wird man es auch im Hinblick auf den Wert der Erhaltung des eigenen Lebens nicht zusprechen können. Ferner wird man auch bei an sich schuldfähigen Jugendlichen, die auf G r u n d pubertärer oder situationsbedingter Konfliktsituationen einen Suizid begehen, nur selten die Fähigkeit bejahen können, die Bedeutung des Lebens richtig zu beurteilen u n d nach dieser Einsicht zu handeln; daher begründet die Veranlassung oder Ermöglichung eines Selbstmordes auch in solchen Fällen in der Regel mittelbare Täterschaft. Noch schwierigere Fragen treten bei der Selbsttötung Erwachsener auf, die durchaus schuldfähig sind und im übrigen voll verantwortlich handeln, hinsichtlich ihres eigenen Lebens aber mehr oder weniger zwanghaft selbstzerstörerischen Antrieben nachgeben. Die moderne Suizidforschung 1 0 7 neigt der Meinung zu, daß in solchen Fällen auch bei sonst intakter sozialer Verhaltenssteuerung weit häufiger, als früher angenommen wurde, das Hemmungsvermögen und damit eine „freie" Willensentscheidung des Selbstmörders fehlt. Das ist freilich ein primär psychiatrisches u n d nur mittelbar ein juristisches Problem, doch sollte bei der gerichtlichen Beurteilung der Mitwirkung am Suizid darauf Bedacht genommen werden. Wenn etwa je-

106 AT, 8. Aufl., § 36 I 4b, S. 573. 107 Vgl. nur den wichtigen, von Erwin Ringel herausgegebenen Sammelband „Selbstmordverhütung" (1969); ferner Wagner Selbstmord und Selbstmordverhinderung (1975). (45)

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2. Abschnitt. Die Tat

mand einen anderen, der infolge einer endogenen Psychose selbstmordgefährdet ist, durch eine Aufforderung, „nun endlich Schluß zu machen" oder durch die Ermöglichung der Tat in den Tod treibt, so kann der Hintermann, wenn ihm die Krankheit des potentiellen Suizidenten bekannt ist, wegen Totschlags zur Verantwortung gezogen werden. Die weitere Entwicklung der Selbstmordforschung wird künftig in diesem Bereich noch klarere Abgrenzungen ermöglichen. 88

5. Mittelbare Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate (»Organisationsherrschaft"). Eine neben der Nötigungs- und der Irrtumsherrschaft selbständige Form mittelbarer Täterschaft ist die Organisationsherrschaft 1 0 8 . Sie ist dort gegeben, wo ein Hintermann einen Machtapparat zur Durchführung von Straftaten einsetzen kann, wie dies namentlich bei den staatlich organisierten Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes der Fall war. Wer unter solchen Umständen an den Schalthebeln der Macht eine Anordnung gibt, besitzt unbeschadet der Täterschaft des Ausführenden (Rdn. 38 ff) eigene Tatherrschaft, weil die Struktur des Apparates den Vollzug des Befehls unabhängig von der Individualität des unmittelbar Handelnden garantiert. Derjenige, der schließlich den Straftatbestand mit eigener Hand verwirklicht, ist nur ein auswechselbares Rädchen im Getriebe des Machtapparates, bei dessen Ausfall sogleich ein anderer an seine Stelle tritt, so daß der Anordnende die Person des Ausführenden meist nicht einmal kennt. Es sind also nicht Nötigung oder Täuschung (obgleich beide auch im Rahmen organisatorischer Machtapparate nicht selten eingesetzt werden), sondern es ist die Fungibilität des unmittelbaren Täters, die dem Hintermann als „Schreibtischtäter" die Tatherrschaft verleiht. Die Aufforderung zur Tat, die normalerweise nur eine Anstiftung begründen kann, weil der Aufgeforderte die freie Entscheidung über das Ob der Tat in der Hand behält, wirkt hier herrschaftsbegründend, weil die etwaige Weigerung eines zur Exekution Bestimmten die Ausführung des Befehls durch einen beliebigen anderen nicht beeinträchtigt. So sind für die in den KZ's verübten Morde zwar die unmittelbar Ausführenden als Täter verantwortlich ; Täter hinter diesen Tätern sind aber auch diejenigen, die mit eigener Befehlsgewalt die Anordnung dazu gegeben haben, so daß sich bis zum obersten Befehlshaber eine ganze Kette mittelbarer Täter bilden kann. Dabei ist es unerheblich, ob ein solcher Schreibtischtäter aus eigener Initiative oder im Auftrage höherer Stellen handelt. Entscheidend ist allein, daß er den ihm unterstellten Teil der Organisation lenken kann, ohne die Deliktsverwirklichung anderen anheim stellen zu müssen. Dagegen kann jede Tätigkeit, die den Apparat nicht selbständig weiterbewegt, nur teilnahmebegründend wirken.

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Praktisch sind solche Fälle der Organisationsherrschaft selten, weil sie voraussetzen, daß der vom Hintermann betätigte Machtapparat sich als ganzer von den Normen des Rechts gelöst hat. Denn solange sich Leitung und Ausführungsorgane prinzipiell an eine von ihnen unabhängige Rechtsordnung gebunden halten, kann die Anordnung strafbarer Handlungen nicht herrschaftsbegründend wirken, weil die 108 Näher Täterschaft, S. 242—252; Roxin Straftaten im Rahmen organisatorischer Machtapparate, GA 1963 193. Zur Auseinandersetzung damit: Baumann Gedanken zum Eichmann-Urteil, JZ 1963 110; ders. Beihilfe bei eigener voller Tatbestandsverwirklichung NJW 1963 561; ders. Die strafrechtl. Problematik der nat.-soz. Gewaltverbrechen, in: Henkys Die nat.-soz. Gewaltverbrechen, 2. Aufl. (1965) 305; Hanack Zur Problematik der gerechten Bestrafung nat.-soz. Gewaltverbrechen (1967); Fr.-Chr. Schroeder Täterschaft und Teilnahme bei eigenhändiger Tatbestandsverwirklichung, ROW 1964 97 ; Korn Täterschaft und Teilnahme bei staatlich organisierten Verbrechen, NJW 1965 1206. (46)

Täterschaft (Roxin)

§25

Gesetze den höheren Rangwert haben und im Normalfall die Durchführung rechtswidriger Befehle und damit die Willensmacht des Hintermannes ausschließen. Wenn etwa in einem rechtsstaatlichen Gemeinwesen ein Behördenchef seine Untergebenen zu strafbaren Handlungen veranlaßt, oder wenn beim Militär ein Vorgesetzter rechtswidrige Befehle erteilt, dann ist das, solange nicht eine mittelbare Täterschaft aus anderen Gründen zu bejahen ist, rechtlich nur eine — ggf. aus §§ 357 StGB, 33 WStG zu bestrafende - Anstiftung (vgl. Rdn. 56). So bleiben für die Organisationsherrschaft nur die Fälle übrig, in denen entweder die Inhaber der Staatsgewalt selbst verbrecherische Organisationen aufbauen, wie es im „Dritten Reich" geschehen ist, oder in denen sich ein gegen die Rechtsordnung gerichteter „Staat im Staate" entwickelt, wie dies bei Gangstersyndikaten oder zahlenmäßig starken Terrororganisationen möglich ist. Auch Geheimorganisationen ausländischer Mächte kommen in Betracht, sofern ein gut ausgebautes Agentennetz die Durchführung von Aufträgen der Zentrale sicherstellt; man wird daher im Falle Staschynski (Rdn. 20) die Auftraggeber als mittelbare Täter ansehen können 1 0 9 . Im Schrifttum hat die Figur der Organisationsherrschaft vielfach Anerkennung 90 gefunden 1 1 0 . Doch werden auch abweichende Konstruktionen zur Begründung der Täterschaft des Hintermannes verwendet. Schmidhäuser111 kommt zum selben Ergebnis durch den Gedanken der „Benutzung eines Tatentschlossenen": „Jede Anordnung staatlich Vorgesetzter (seil, bei den NS-Gewaltverbrechen) b e d e u t e t e . . . die Freigabe von Opfern an fungible Untergebene, die . . . keine Nothilfe und keine Strafverfolgung mehr zu fürchten hatten und ihre Tatentschlossenheit austoben konnten; diese Tatentschlossenheit der vielen Untergebenen erhielt die Gestalt einer Naturgewalt, der der jeweilige Machthaber durch seine Anordnung den Weg freigab." Abgesehen davon jedoch, daß die „Tatentschlossenheit" eines Ausführenden die Tatherrschaft eines Hintermannes nicht begründet, sondern ausschließt 1 1 2 , wird diese Beschreibung den Phänomenen nicht ganz gerecht; denn die Machthaber des NS-Regimes tolerierten nicht nur eine etwa vorhandene Mordbereitschaft, sondern waren die treibende Kraft hinter diesen Aktionen. Jescheck113 andererseits betrachtet den „Mann in der Zentrale, gerade weil er die Organisation beherrscht", als Mittäter. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß es in solchen Fällen nicht nur an der gemeinsamen Tatausführung, sondern schon am gemeinsamen Tatentschluß 1 1 4 fehlt, da Befehlender und Befehlsempfänger einander meist nicht einmal kennen und jedenfalls nicht gemeinsam einen Plan fassen. Bockelmann115 schließlich hält die „Schreibtischmörder" und ihre „ H a n d l a n g e r . . . , welche die Tötung vollzogen haben", für „Nebentäter" und lehnt eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes mit der Begründung ab, daß „die im Vordergrund Handelnden nicht als bloße Werkzeuge der Hintermänner tätig geworden sind." Hier wird jedoch übersehen,

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A.A. insoweit Herzberg TuT § 3 III 8b; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/50; natürlich handelt es sich dabei letzten Endes um eine Tatfrage. 110 Busch Vorauf!, dieses Kommentars, § 47, Rdn. 48; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 791/ 92; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 3; Herzberg TuT § 3 III 8; wohl auch Sch.-Schroder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 3. Kritisch Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) S. 166 ff. 111 AT, 2. Aufl., 14/50, im Anschluß an Schroeder Der Täter hinter dem Täter, S. 168. 112 Zur Kritik der „Benutzung eines Tatentschlossenen" als einer besonderen Gruppe mittelbarer Täterschaft vgl. Roxin ZStW 78 (1966) 227 ff (in Auseinandersetzung mit Schroeder). 113 AT, 2. Aufl., § 62 II 7b; ihm folgend Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 36. 114 So auch Bockelmann AT, 2. Aufl., § 24. 115 Wie Anm. 114. (47)

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2. Abschnitt. Die Tat

daß die „Handlanger" trotz ihrer eigenen täterschaftlichen Verantwortlichkeit gerade wegen ihrer Fungibilität nur Werkzeuge ihrer Hintermänner waren und d a ß das Ineinandergreifen der einzelnen Handlungen innerhalb eines organisatorischen Machtapparates das unverbundene Nebeneinander-Herlaufen verschiedener Kausalreihen, wie es die Nebentäterschaft kennzeichnet, ausschließt 1 1 6 . 91

6. Mittelbare Täterschaft durch Einsatz eines qualifikationslosen dolosen Werkzeuges. Ein Fall mittelbarer Täterschaft liegt auch vor, wenn bei Sonderdelikten ein qualifizierter Hintermann (Intraneus) einen Nichtqualifizierten (Extraneus) zur D u r c h f ü h r u n g der tatbestandsmäßigen Handlung veranlaßt 1 1 7 . Ein Grundbuchbeamter, der in dem seiner Zuständigkeit unterliegenden G r u n d b u c h eine Tatsache durch einen Nichtbeamten falsch beurkunden läßt, ist also mittelbarer Täter nach § 348 StGB, während der unmittelbar handelnde Extraneus mangels Täterqualifikation nur Gehilfe ist (sog. qualifikationsloses doloses Werkzeug), wobei ihm noch die Milderung nach § 28 Abs. 1 StGB zugutekommt. Ebenso ist ein Vermögensverwalter Täter einer Untreue nach § 266 StGB, wenn er, ohne selbst mit H a n d anzulegen, einen Extraneus, der seinerseits nur Gehilfe nach § 266 sein kann, zur Beiseiteschaffung von Stücken des ihm anvertrauten Vermögens veranlaßt. Die mittelbare Täterschaft des qualifizierten Hintermannes ergibt sich nach der oben (Rdn. 29) entwikkelten Lehre von den Pflichtdelikten 1 1 8 aus dem Umstand, daß die Verletzung der außerstrafrechtlichen Sonderpflicht durch den Intraneus allein und unabhängig von Tatherrschaft u n d Täterwille die Täterschaft begründet. Auch vom Gesetzgeber selbst wird die täterschaftsbegründende Wirkung der bloßen Pflichtverletzung dadurch verdeutlicht, daß bei Pflichtdelikten vielfach schon die Tatbestandsfassung jede Art der Erfolgsherbeiführung umfaßt. So macht sich der Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB schuldig, wer „in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt", womit auch die Veranlassung eines Extraneus der Täterschaft des Hintermannes unterstellt wird. Entsprechend bezeichnet § 344 StGB als Täter bei der „Verfolgung Unschuldiger" jeden Amtsträger, der einen Unschuldigen „strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt". In anderen Fällen wiederum wird schon die Tatbestandshandlung selbst als Pflichtverletzung umschrieben ; so etwa, wenn § 266 StGB als Täter denjenigen nennt, der die ihm obliegende „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt". Der hier befürworteten Begründung folgen im Schrifttum SchönkeSchröder119, Wessels120 und Herzberg121 ; zu immerhin ähnlichen Lösungen kommen Wagner122 und Schmidhäuser^, der auf die unterlassene Erfolgshinderung durch den Sonderpflichtigen abstellt u n d damit immerhin ein Element der Pflichtverletzung als täterschaftsbegründend ansieht, die oft erfolgsbewirkenden Aktivitäten des Sonderpflichtigen aber zu Unrecht beiseite läßt 1 2 4 .

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Vgl. dazu auch Roxin Lange-Festschr. (1976) S. 192 f. •17 Aus der Rspr.: RGSt. 28 109 f zu einem Fall des § 348 Abs. 2 a.F. (ohne nähere Begründung). U8 Täterschaft, S. 352-399, 600ff. U9 18. Aufl., § 25, Rdn. 5, 28; § 266, Rdn. 51 (Cramer). '20 AT, 6. Aufl., § 13 II 2. 121 t u t § 3 III 5. 122 Amtsverbrechen (1975) 378 ff; dazu näher Täterschaft, S. 604. 123 AT, 2. Aufl., 14/51 ; zust. Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 35. 124 Dazu Roxin ZStW 85 (1973) 102; Wagner Amtsverbrechen, S. 380. (48)

Täterschaft (Roxin)

§25

Demgegenüber bejaht die h.A. zwar ebenfalls die mittelbare Täterschaft des In- 92 traneus, versucht dies aber mit Hilfe einer Modifizierung des Tatherrschaftsgedankens zu begründen; denn eine Tatherrschaft im Sinne realer Beherrschung des Geschehensablaufes liegt bei der reinen Veranlassung oder beim bloßen Geschehenlassen zweifelsfrei nicht vor. Repräsentativ für diese Richtung ist die Begründung von Jescheck125: „Maßgebend muß . . . die Erwägung sein, daß die Tatherrschaft in diesen Fällen nicht psychologisch, sondern normativ aufzufassen ist. Die Straftat kann von dem Tatmittler ohne die Mitwirkung des Hintermannes gar nicht begangen werden, ein strafrechtlich erhebliches Geschehen entsteht überhaupt erst dadurch, daß dieser die vom Gesetzgeber geforderte Absicht oder Eigenschaft mitbringt. Der rechtlich beherrschende Einfluß des Hintermannes ist somit für die Täterschaft entscheidend". Dabei wird jedoch verkannt, daß der „rechtlich beherrschende Einfluß des Hintermannes" in nichts anderem als seiner tatbestandsbegründenden Pflichtverletzung besteht und daß dieser Befund nur verbal verschleiert wird, wenn man ihn terminologisch einem modifizierten Tatherrschaftsbegriff unterstellt. Stratenwerth126 nennt dies „eine Scheinlösung, die das Erfordernis der Sonderpflicht umdeutet in ein Moment der Herrschaft, daher den ursprünglichen Sinn des Kriteriums der Tatherrschaft mißachtet und überdies noch die — sonst entscheidende — faktische Herrschaft des Extraneus übergeht" 1 2 7 . Der einzige Autor, der eine mittelbare Täterschaft des qualifizierten Hinterman- 93 nes auch im Ergebnis ablehnt, ist Stratenwerth128. Er meint, der Intraneus als Hintermann habe zwar die Täterqualifikation, seine veranlassende Tathandlung weise jedoch „die Struktur der Anstiftung a u f : Es handele sich daher „um eine Mischform der Beteiligungsrollen, die Elemente sowohl der Täterschaft wie der Anstiftung vereint". In der 1. Aufl. seines „Allg. Teils" plädierte Stratenwerth deshalb dafür, den Intraneus „wie einen Anstifter zu bestrafen, nach den Regeln, die für die leichtere der in der Mischform enthaltenen Rollen gelten". Aber diese Lösung ist mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Denn eine echte Anstiftung liegt jedenfalls nicht vor, weil der ausführende Extraneus nicht einmal den Tatbestand des Sonderdelikts erfüllt. Die Bestrafung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Quasi-Anstiftung aber verstößt gegen das Analogieverbot 1 2 9 . Unter dem Einfluß dieser Kritik kommt Stratenwerth nunmehr in der 2. Aufl. seines Allg. Teils 1 2 9 a konsequenterweise zur Straflosigkeit sowohl des Intraneus wie des Extraneus. Das kann aber ebenfalls nicht richtig sein, denn danach brauchte jeder Qualifizierte sich zur Ausführung der Tatbestandshandlung nur eines Extraneus zu bedienen, um straflos davonzukommen — ein kriminalpolitisch unerträgliches und vom Gesetzgeber zweifellos nicht gewolltes Ergebnis! Die Figur der Pflichtdelikte bietet daher die einzige widerspruchsfreie Lösung für das Problem des qualifikationslosen dolosen Werkzeugs.

•25 AT, 2. Aufl., § 62 II 7, im Anschluß an Gallas Mat. Bd. I, S. 135 f; ferner Maurach AT, 4. Aufl., § 48 II A; Welzel 11. Aufl., § 15 II 3 („soziale Tatherrschaft"); ähnlich ferner Bokkelmann AT, 2. Aufl., § 22 II 3 a. 126 AT I, 2. Aufl., Rdn. 796; vgl. zur Kritik auch Roxin ZStW 85 (1973) 102/03. 127 Gegen die Anwendbarkeit des Tatherrschaftsprinzips in diesem Bereich ausdrücklich auch Herzberg TuT §3 III 5; Wagner Amtsverbrechen (1975) 380; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/50, Anm. 43, S. 527. '28 Allg. Teil, 1. Aufl., Rdn. 854, 2. Aufl., Rdn. 7 9 7 - 8 0 0 . 129 Vgl. Roxin ZStW 84 (1972) 1002f; insoweit zust. Herzberg TuT § 3 III 6c. 129a Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 799. (49)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

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7. Das Problem der mittelbaren Täterschaft durch Einsatz eines „absichtslosen dolosen Werkzeugs". Eine letzte Fallgruppe mittelbarer Täterschaft sieht die h.M. in der Benutzung eines „absichtslosen dolosen Werkzeugs", wie sie namentlich beim Diebstahl in Betracht kommt, wenn der mit Zueignungsabsicht handelnde Hintermann sich zur Wegnahme eines anderen bedient, der in Kenntnis des Sachverhalts den objektiven Tatbestand in eigener Verantwortung, aber ohne Zueignungsabsicht erfüllt. Die Rspr. des RG hatte in einem solchen Falle die mittelbare Täterschaft mit der Figur des dolosen Gehilfenwerkzeugs (vgl. Rdn. 46—48) begründet, „in dem Sinne, daß zufolge getroffener Abrede jemand, bei dem der Tätervorsatz und der gesamte innere Tatbestand gegeben sind, sämtliche äußere Tatbestandsmerkmale durch einen vollständig eingeweihten, aber nicht mit Tätervorsatz handelnden Gehilfen als sein Werkzeug verwirklichen läßt" (RGSt. 39 37, 39 in einem Fall des § 242 StGB). Folgt man jedoch der Tatherrschaftslehre, so kann eine mittelbare Täterschaft nicht in Betracht k o m m e n 1 3 0 ; denn die Veranlassung der Tat eines verantwortlich Handelnden begründet wegen ihres bloßen Anstiftungscharakters ebensowenig eine Herrschaft des Hintermannes wie die Zueignungsabsicht, die als inneres Faktum keine äußere Macht verleiht. Der Versuch verschiedener Autoren, dem Hintermann mangels jeglicher realer Tatherrschaft eine „normative" 1 3 1 oder „soziale" 1 3 2 Tatherrschaft zuzusprechen, die seine Erfassung als mittelbarer Täter ermöglichen soll, verdeckt diesen Befund nur terminologisch und ist denselben Einwendungen ausgesetzt wie der Versuch, beim „qualifikationslosen dolosen Werkzeug" eine Tatherrschaft des Hintermannes zu begründen (Rdn. 92).

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Richtigerweise gibt es nur zwei mögliche Lösungen für diese Fallkonstellation. Wenn man die eigenverantwortliche Weitergabe des weggenommenen Gegenstandes an den Hintermann als Ausdruck angemaßter Verfügungsmacht ansieht und für ein Sich-Zueignen i. S. des § 242 StGB ausreichen läßt 1 3 3 , so ist der Ausführende Täter und der Hintermann Anstifter; die Kriterien der Tatherrschaft sind dann bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme voll gewahrt. Läßt man dagegen das uneigennützige Weitergeben einer eigenhändig weggenommenen Sache nicht als Zueignung gelten 1 3 4 , so scheidet eine Diebstahlsbestrafung überhaupt aus. Der Hintermann ist dann Täter einer Unterschlagung und der Wegnehmende Gehilfe dieser Tat 1 3 5 . Die Entscheidung zwischen beiden Alternativen hängt von der Auslegung des Zueignungsbegriffs ab und liegt außerhalb der Teilnahmelehre, so daß die Frage hier nicht vertieft werden kann. Doch ist klar, daß die Bestrafung des eigenhändig Wegnehmenden als Täter eines Diebstahls und des Veranlassenden als Anstifters kriminalpolitisch und von den Grundlagen der Täterlehre her die sachgerechtere Lösung ist. Deshalb rufen auch die Anhänger der Unterschlagungslösung meist nach einer Abhilfe des Gesetzgebers und verlangen, daß nach dem Vorbild 130

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132 '33 '34 '35

Eingehend Täterschaft, S. 338—347, 596f mit weit. Nachweisen; ebenso HerzbergTuT § 3 III 6; Krey Strafrecht, Bes. Teil, Bd. 2, 3. Aufl., § 1 I 4, Fall 18a (1) a.E.; Maiwaid Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte (1970) 224; Maurach AT, 4. Aufl., § 48 II A 2 a; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/52; Fr.-Chr. Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 88; Stratenwerth A T I, 2. Aufl., Rdn. 8 0 1 - 8 0 3 . So vor allem Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 II 7 im Anschluß an Gallas Mat. I, S. 135 f. WelzelU. Aufl., § 15 II 3. So Täterschaft, S. 341 ff m. weit. Nachw.; Rudolphi G A 1965 41 f, 51 f. vgl. Maiwald Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte (1970) 236—246 (244); Krey Strafrecht, Bes. Teil, Bd. 2, 3. Aufl., § 1 I 4, Fall 18 c. So Maiwald, Schmidhäuser, Krey aaO. (50)

Täterschaft (Roxin)

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des § 235 E 1962 im subjektiven Tatbestand des § 242 StGB die Absicht gefordert werde, die Sache „sich oder einem Dritten zuzueignen". Dann wäre auch von Gesetzes wegen klargestellt, daß der Hintermann Anstifter ist und daß es der systemfremden Rechtsfigur des „absichtslosen dolosen Werkzeuges" in der Teilnahmelehre nicht bedarf. 8. Der Irrtum über Tätervoraussetzungen bei mittelbarer Täterschaft Die Grundkonstellation ist die, daß der Hintermann objektiv den Tatablauf be- 96 herrscht, dies aber subjektiv nicht weiß, weil er irrigerweise annimmt, der unmittelbar Ausführende beherrsche das Geschehen. Beispielsweise erkennt der Hintermann nicht, daß der Ausführende sich in einem Tatbestandsirrtum befindet, so daß der vermeintlich Anstiftende in Wirklichkeit allein das Geschehen übersieht. Oder jemand veranlaßt einen anderen zu einer Deliktsverwirklichung, ohne zu erkennen, daß der von ihm Aufgeforderte geisteskrank ist und als widerstandsloses Werkzeug tätig wird. Weitgehende Einigkeit besteht heute darüber, daß eine mittelbare Täterschaft des Außenstehenden in solchen Fällen nicht vorliegt 1 3 6 . Denn die Ausübung einer Herrschaft setzt voraus, daß man sich ihrer bewußt ist, so daß die Kenntnis der herrschaftsbegründenden Umstände ein Element der Tatherrschaft selbst ist (vgl. Rdn. 27). Außerdem wäre es höchst unbillig, jemanden, der nach seinem Vorstellungsinhalt nur als Gehilfe zu beurteilen wäre, nach dem Strafrahmen der Täterschaft zur Verantwortung zu ziehen, oder, wenn die Ausführung nicht zustande kommt, ggf. wegen versuchter Täterschaft 1 3 7 zu strafen, anstatt eine (meist straflose) versuchte Anstiftung anzunehmen. Wenn demnach eine mittelbare Täterschaft in allen Fällen abzulehnen ist 1 3 8 , so ist im übrigen hinsichtlich der Bestrafung des Hintermannes zu unterscheiden, je nachdem ob der Außenstehende irrig an den Vorsatz des unmittelbar Handelnden glaubt, oder ob er einen anderen tatherrschaftsbegründenden Umstand fälschlich annimmt. Die erste Fallgruppe läßt sich etwa durch Sachverhalte wie diese verdeutlichen: 97 A fordert den Β auf, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten und glaubt dabei fälschlich, der Β kenne ihre Unrichtigkeit 1 3 9 ; oder der nach seiner Vorstellung zum Morde anstiftende Jagdpächter A weiß nicht, daß der aufgeforderte Β das Opfer für ein Stück Wild hält 1 4 0 ; oder der ungetreue Forstbedienstete verkauft im eigenen Namen Holz und läßt es vom Käufer abfahren, wobei er diesen zu Unrecht für bösgläubig hält 1 4 1 . Bei Sachverhalten solcher Art wäre eine Bestrafung wegen Anstiftung angemessen. Denn da der Hintermann den deliktischen Erfolg subjektiv vorsätzlich herbeigeführt hat und objektiv sein Einfluß auf das Geschehen noch größer war, als er angenommen hatte, sollte er wenigstens für die geringere Mitwirkung 136

Anders früher Kohlrausch/Lange 43. Aufl., I Β 2 a vor § 47; H. Mayer AT (1953) 329; Maurach AT, 2. Aufl., (1958) 529; teilweise auch v. Uthmann NJW 1961 1908f; Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 4 c, meint heute noch, daß die (von ihm abgelehnte) Tatherrschaftslehre hier eine mittelbare Täterschaft annehmen müsse. 137 Zum Versuch bei mittelbarer Täterschaft vgl. Rdn. 104 ff. 138 Für mittelbare Täterschaft bei „eigener Tatentschlossenheit" bzw. bei „Täterwillen" des Hintermannes jedoch Welzel 11. Aufl., § 16 VII l b ; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25, Rdn. 73. '39 Baumann JZ 1958 233; Maurach AT, 4. Aufl., § 50 III Β 3. '40 Bockelmann Strafrechtl. Untersuchungen (1957) 49, Anm. 37, S. 96, Anm. 40; Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972) 27; Welzel 11. Aufl., § 16 VII l a . 141 Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 VII 1. (51)

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2. Abschnitt. Die Tat

(also die Teilnahme) zur Verantwortung gezogen werden; wenn man die Teilnahme als eine „Mitwirkung ohne Tatherrschaft" versteht, ist das eine auch dogmatisch durchaus stimmige Lösung 1 4 2 . Nach geltendem Recht ist jedoch diese Möglichkeit dadurch verbaut, daß der Gesetzgeber — rechtspolitisch verfehlt — in den neuen §§ 26 und 27 StGB eine Anstiftung oder Beihilfe nur zu vorsätzlicher lai anerkannt hat. Dabei ist im Gesetzgebungsverfahren sehr wohl erkannt worden, daß durch die Einführung des Vorsatzerfordernisses bei der hier in Rede stehenden Fallgruppe eine Strafbarkeitslücke aufgerissen werden würde. Der E 1962 hatte zu ihrer Schließung eine selbständige Vorschrift (§ 32) vorgesehen. „(1) Wie ein Anstifter wird bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der irrigen Annahme bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln. (2) Entsprechendes gilt für die Beihilfe." Nachdem jedoch bei den Beratungen des Sonderausschusses diese Bestimmung wieder gestrichen worden ist, können solche Sachverhalte nur noch als versuchte Teilnahme behandelt werden, die allein in den seltenen Fällen der versuchten Anstiftung zum Verbrechen nach § 30 Abs. 1 StGB mit (gemilderter) Strafe bedroht, im übrigen aber straflos ist 1 4 3 . Das ist unbefriedigend, nach der bestehenden Gesetzeslage aber nicht zu ändern 1 4 4 . 98

Demgegenüber wird im Schrifttum von einigen Autoren 1 4 5 die Meinung vertreten, daß eine Bestrafung wegen vollendeter Teilnahme auch heute noch möglich sei, weil § 32 E 1962 „nur aus redaktionellen Gründen nicht in das künftige Recht übernommen worden" sei (so früher Jescheck), „mit der Streichung nichts entschieden werden sollte" (Lackner) und „der Gesetzgeber der Sache nach . . . keine Änderung eintreten lassen wollte" (Baumann). Die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen haben sich jedoch zu der Frage, wie diese Fälle nunmehr zu lösen seien, überhaupt nicht geäußert. Vielmehr ist die Streichung des § 32 E 1962 beschlossen worden, nachdem Sturm für das BJustizMin vorgetragen hatte 1 4 6 : „Die Entscheidung solcher Fälle sei in der Lehre heftig umstritten. In der Praxis spielten sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Da der Entwurf 1962 mit § 32 doch wohl zu sehr ins Detail gegangen sei, werde die Streichung dieser Vorschrift empfohlen." Man hat also die Vorschrift wegen ihrer vermeintlich geringen praktischen Bedeutung und ihres speziellen Charakters, nicht aber deshalb gestrichen, weil man meinte, ihr Inhalt ließe sich ohnehin schon aus dem Gesetz ableiten, wovon auch angesichts des Wortlautes der §§ 26, 27 StGB nicht die Rede sein kann. Vielmehr liegt es nahe, daß man auch diese relativ geringe Strafbarkeitslücke noch in Kauf nehmen wollte, nachdem man durch das Vorsatzerfordernis sehenden Auges schon weit größere Lücken (nämlich bei der Veranlassung unvorsätzlicher Pflichtdelikte) aufgerissen

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Näher dazu Täterschaft, S. 267 ff. Vgl. Roxin Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 1./2. Aufl. (1970/73) 20f, Anm. 46; ders., in: Roxin-Stree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) 29; Täterschaft, S. 555 ff; Bockelmann Gallas-Festschr. (1973) 261 ff; Maurach AT, 4. Aufl., §50 II Β 3 a ; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor §26, Rdn. 73; Samson Strafrecht I, 2. Aufl., 250; Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 27; Preisendanz 29. Aufl., § 25, III 2 c aa; Herzberg Tu Τ § 3 IV 2; Blei AT, 17. Aufl., § 72 II 4. Ebenso schon BGHSt. 9 382. Zum Ausscheiden einer Fahrlässigkeitsbestrafung vgl. Täterschaft, S. 269 f. Jescheck AT, 2. Aufl., § 61 VII 4 (aufgegeben Schw.ZStr. 91 [1975] 32); Baumann 8. Aufl., § 37 I 2a, Anm. 12; Dreher 37. Aufl., vor § 25, Rdn. 10; Lackner 11. Aufl., 4 a vor § 25; Schöneborn ZStW 87 (1975) 911. Prot. V. Wahlp., 91. Sitzung v. 14. 12. 1967, S. 1829; ebenso der schriftl. Bericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. V/4095, S. 13. (52)

Täterschaft (Roxin)

§25

hatte (Vor § 26, Rdn. 23). Man könnte zu einer Teilnahmebestrafung nur durch einen Analogieschluß aus §§ 26/27 StGB kommen, der zwar teleologisch geboten wäre, aber nach Art. 103 Abs. 2 GG unzulässig ist 1 4 7 . In der zweiten Fallgruppe, bei der der Ausführende vorsätzlich handelt, der Hin- 99 termann aber aus einem anderen Grunde entgegen seiner Annahme das Geschehen objektiv „beherrscht", ist dagegen unbedenklich eine Teilnahmebestrafung möglich 1 4 8 . Veranlaßt also A den Β zur Ausführung einer Tat, bei der Β ohne Wissen des A in einem seine Schuld ausschließenden oder mindernden Verbotsirrtum handelt, so hat A eine Anstiftung begangen; denn der Umstand, daß eine mittelbare Täterschaft an der mangelnden Kenntnis vom Verbotsirrtum des Β scheitert, ändert nichts am Vorliegen einer Anstiftung auf der ersten Tatherrschaftsstufe (vgl. Rdn. 69, 70), die nach dem Prinzip der limitierten Akzessorietät für eine Teilnahmebestrafung ausreicht. Ebenso liegt es, wenn dem Veranlasser die Geisteskrankheit des Ausführenden verborgen bleibt; obwohl der Hintermann bei Kenntnis der Schuldunfähigkeit des Ausführenden als mittelbarer Täter zu bestrafen gewesen wäre, hätte doch immer (auf niedrigerer Tatherrschaftsstufe) eine Anstiftung zu tatbestandsmäßig-rechtswidriger Tat vorgelegen, die nur hinter der mittelbaren Täterschaft zurückgetreten wäre, bei deren Ausscheiden aber selbständig strafbar bleibt (vgl. auch Rdn. 73). Entsprechendes gilt, wenn der Hintermann nicht erkennt, daß der Ausführende sich in einem Irrtum über den konkreten Handlungssinn (Rdn. 74 ff) befindet. b) Die irrige Annahme tatherrschaftsbegriindender Umstände auf Seiten des Hin- 100 termannes. Im umgekehrten Fall, daß ein Hintermann A sich irrtümlicherweise Umstände vorstellt, die ihn zum Tatherrn machen würden, während der Ausführende Β in Wirklichkeit die Sachlage vollständig beherrscht und übersieht, muß eine mittelbare Täterschaft ebenfalls ausscheiden. Sie liegt zwar nach der subjektiven Theorie vor 1 4 9 , da der Hintermann, wenn er den Ausführenden für sein Werkzeug hält, den Erfolg mit „Täterwillen" verursacht; aber diese Theorie ist abzulehnen (vgl. Rdn. 46/47) und kann gerade bei dieser Konstellation dem Gesetz kaum unterlegt werden, da auch im umgekehrten Fall der bloße Teilnahmewille nach Streichung des § 32 E 1962 (Rdn. 97/98) keine Teilnahme begründen kann. Auch wird man eine mittelbare Täterschaft nach der Tatherrschaftslehre nicht auf die Annahme stützen können, daß der Irrtum über die Werkzeugqualität des Ausführenden nur eine unbeachtliche Kausalabweichung sei 1 5 0 ; denn der Irrtum über die Täterstellung betrifft nicht den Kausalverlauf und wäre, wenn er ihn beträfe, erheblich, weil nach den Grundlagen der Tatherrschaftslehre nur eine wirkliche und nicht eine bloß vorgestellte Tatherrschaft die Täterschaft begründen kann. Dagegen wird man (wie im umgekehrten Falle die versuchte Teilnahme, vgl. Rdn. 97) eine versuchte Täterschaft bejahen müssen 1 5 1 ; denn wenn der Hintermann irrig Umstände annimmt, die ihn zum Täter machen würden, begeht er, da Täterschaft Tatbestands-

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Vgl. auch Bockelmann, Gallas-Festschr. S. 271. 148 Näher Täterschaft, S. 265 ff. 149 Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25, Rdn. 72; Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2 a ß. 150 So wohl Blei AT, 17. Aufl., § 72 II 3; kritische Auseinandersetzung auch mit älteren Auffassungen dieser Art bei Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 170. 151 Herzberg TuT § 3 IV; Maurach AT, 4. Aufl., 675; Preisendanz 29. Aufl., § 25 III 2 c b b ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 38; wohl auch Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/54. (53)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

Verwirklichung ist, den untauglichen Versuch einer Tatbestandsverwirklichung, der auch über das Vorbereitungsstadium schon hinausgelangt ist (vgl. Rdn. 104 ff) 1 5 2 · 101

Daneben ist in allen Fällen eine vollendete Teilnahme anzunehmen 1 5 3 , was praktisch deshalb sehr bedeutsam ist, weil der Versuch bei vielen Delikten nicht strafbar ist. Soweit der Hintermann die Annahme seiner Tatherrschaft nicht auf den vermeintlich fehlenden Vorsatz des Ausführenden, sondern auf andere Umstände gründet, ist das ganz unproblematisch, weil sein Vorsatz immerhin auf die Erregung eines Tatentschlusses geht, was für eine Teilnahmebestrafung ohne weiteres ausreicht. Wenn etwa A den von ihm zur Bejahung der Tat veranlaßten Β irrig für geisteskrank hält, so hat er ihn jedenfalls im Sinne des § 26 „vorsätzlich . . . zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt". Diese Anstiftung auf der zweiten Tatherrschaftsstufe bleibt bei wirklich bestehender Geisteskrankheit des Ausführenden im Verhältnis zur höherstufigen Tatherrschaft des Hintermannes außer Betracht (vgl. Rdn. 99), erlangt bei bloß versuchter mittelbarer Täterschaft aber selbständige Bedeutung. Etwas schwieriger liegt der Fall nur dann, wenn der Hintermann den Vorsatz des „Tatmittlers" fälschlich für ausgeschlossen hält, wenn also etwa ein Arzt der vermeintlich arglosen Krankenschwester eine Giftampulle zusteckt, diese ihn aber durchschaut und die Einspritzung trotzdem vornimmt. Hier will der Hintermann keinen Tatentschluß erregen. Trotzdem ist Anstiftung zu bejahen, weil eine Teilnahmebestrafung nach den neuen §§ 26, 27 StGB zwar realiter einen Vorsatz des Täters, nicht aber notwendig die Kenntnis des Teilnehmers davon voraussetzt; denn die Teilnahme ist ein „sekundärer" Begriff, eine „Mitwirkung ohne Tatherrschaft" (Vor § 26, Rdn. 6) 1 5 4 und verlangt keinen besonderen „Teilnehmerwillen". Da ihr Strafgrund in der Verursachung des Erfolges und nicht in der Korrumpierung des Täters liegt, ist der Teilnahmevorsatz als ein Minus „im Tatherrschaftsbewußtsein enthalten" 1 5 5 .

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9. Exzeß und Objektsverwechslung beim Tatmittler. Für einen vorsätzlichen Exzeß des Tatmittlers haftet der Hintermann nicht; denn es fehlt ihm insoweit nicht nur die Tatherrschaft 1 5 6 , sondern schon der Vorsatz. Wenn also der Geisteskranke anstelle der ihm angesonnenen Sachbeschädigung eine Körperverletzung begeht, ist der Veranlasser dafür nicht (oder allenfalls wegen Fahrlässigkeit) verantwortlich; er bleibt freilich wegen versuchter Sachbeschädigung strafbar 1 5 7 , weil schon im „Losschicken" des Tatmittlers ein Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB) liegt (Rdn. 104 ff). Entsprechendes gilt, wenn der Mittler im Rahmen desselben Tatbestandes vorsätzlich ein anderes Objekt schädigt, also etwa anstelle des A absichtlich den Β verprügelt. Ist die vom Hintermann intendierte Tatbestandserfüllung in dem verwirklichten schwereren Tatbestand enthalten, so liegt allerdings eine voll'52 Anders noch Täterschaft, S. 273. •53 Eingehend Täterschaft, S. 270 ff. So auch die h.M.: Bockelmann AT, 2. Aufl., § 22 II 3 b. Ablehnend Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 38; Gallas Mat. Bd. I, S. 139; Herzberg TuT § 3 IV 1 ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 1 ; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/54; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 954 ff; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 4. •54 Täterschaft, S. 268. •55 Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 1 im Anschluß an Gallas Mat. Bd. 1, S. 139. 156 So die im Ergebnis zutreffende Begründung bei Maurach AT, 4. Aufl., § 48 III 5 und Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 3. 157 Vgl. Maurach

A T , 4. A u f l . , § 4 8 I I I 5. (54)

Täterschaft (Roxin)

§25

endete mittelbare Täterschaft hinsichtlich des Grundtatbestandes vor. Begeht also der Tatmittler anstelle des vom Veranlasser geplanten Diebstahls einen Raub oder anstelle der einfachen eine schwere Körperverletzung, so ist der Hintermann nach § 242 bzw. § 223 StGB als mittelbarer Täter strafbar. Auch für eine den Tatbestand nicht verändernde Objektsverwechslung durch den 103 Tatmittler haftet der Hintermann nicht. Wenn also das nach § 35 StGB genötigte oder das geisteskranke „Werkzeug" entgegen seinem Auftrag infolge seines Irrtums nicht den A, sondern den Β erschießt, ist der Hintermann nur wegen eines versuchten Tötungsdeliktes (ggf. außerdem wegen fahrlässiger Tötung des B) zu bestrafen ; denn der error in persona des Tatmittlers stellt sich vom Hintermann aus gesehen als aberratio ictus dar und ist nach dessen Regeln, d. h. als eine wesentliche Kausalabweichung, zu behandeln (zur aberratio ictus vgl. näher bei § 16). Demgegenüber will eine im Schrifttum verbreitete Meinung die Regeln der aberratio ictus nur bei unvorsätzlich 158 oder unverantwortlich 159 handelndem Werkzeug anwenden, also etwa in dem Schulfall, daß der Arzt durch die gutgläubige Krankenschwester eine Gifteinspritzung vornehmen läßt, diese aber infolge eines Hörfehlers die Patienten verwechselt, während bei den übrigen Konstellationen der error in persona des unmittelbar Handelnden wie eine Personenverwechslung durch den Hintermann selbst behandelt werden, an dessen Strafbarkeit wegen vollendeter Tat also nichts ändern soll. Diese Differenzierung überzeugt jedoch nicht 1 6 0 ; denn es ist nicht verständlich, warum ein Geisteskranker oder Genötigter quasi stellvertretend für den Hintermann irren sollte, während der vorsatzlos Handelnde in einer dem Hintermann nicht zurechenbaren Weise irrt. Der Hintermann schickt in allen Fällen gleichermaßen ein „Werkzeug" auf den Weg, das auf Grund eines Irrtums von der durch den Hintermann vorgezeichneten Bahn abweicht. Worauf die Werkzeugqualität des unmittelbar Handelnden beruht, ist für die Personenverwechslung und die in allen Fällen gleiche Struktur der aberratio ictus ohne Belang. Nicht einmal in der Beschränkung auf das dolose Werkzeug, wie sie bei Schönke-Schröder vorgeschlagen wird, leuchtet die Annahme einer vollendeten Täterschaft des Hintermannes ein. Denn die eigene Tatherrschaft und relative Selbständigkeit des (ζ. B. qualifikationslosen) Werkzeugs steht noch mehr als selbst seine Vorsatzlosigkeit der Vorstellung entgegen, daß es „den Hintermann so vertritt, als würde dieser selbst handeln" 1 6 1 . Für die Annahme einer aberratio ictus in allen Fällen spricht außerdem der Umstand, daß nach zutreffender Auffassung sogar bei der Anstiftung eines voll verantwortlichen Täters dessen error in persona für den Anstifter beachtlich ist (vgl. § 26, Rdn. 26). 10. Der Beginn des Versuchs bei mittelbarer Täterschaft. Der Beginn des Ver- 104 suchs bei mittelbarer Täterschaft ist sehr umstritten. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung 162 soll bei unvorsätzlich handelndem Werkzeug ein Versuch schon mit der Einwirkung auf den Tatmittler beginnen, bei dolosem Werkzeug da-

•58 Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 2; Welzel 11. Aufl., § 13 I 3d; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 4. 159 Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 35. "50 Ebenso Baumann AT, 8. Aufl., § 27 I 2 b, Anm. 27; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/54. 161 Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 III 2. '62 Busch Voraufl. dieses Kommentars, §43, Rdn. 33; Kohlrausch-Lange 43. Aufl., II 3 vor § 43; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 22, Rdn. 54; Welzel 11. Aufl., § 24 III 3. (55)

§ 2 5

2. Abschnitt. Die Tat

gegen erst dann, wenn der Tatmittler seinerseits zur Ausführung ansetzt. Nach anderer Auffassung 1 6 3 soll stets schon die Einflußnahme auf den Tatmittler, einerlei, ob dieser vorsätzlich handelt oder nicht, Versuch begründen, während nach der Gegenansicht 1 6 4 gerade umgekehrt in allen Fällen erst mit dem Ansetzen des Mittlers zur Tatbestandshandlung ein Versuch des mittelbaren Täters gegeben sein soll. 105

Die Leitentscheidung des BGH (E 4 270 ff), bei der es darum ging, daß der Angeklagte, um seine Gläubiger betrügerisch zu täuschen, dem gutgläubigen Vergleichsverwalter gefälschte Unterlagen vorgelegt hatte, verzichtet auf generelle Regeln und stellt wie auch sonst bei der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch allein auf die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts im konkreten Fall ab: „Danach kann die Beeinflussung des gutgläubigen Tatmittlers eine bloße Vorbereitungshandlung sein, wenn erst beim Hinzutreten weiterer Umstände oder nach längerer Zeit eine Wirkung gewollt war; sie kann Anfang der Ausführung sein, wenn das Rechtsgut unmittelbar gefährdet ist. Wenn der Angeklagte beispielsweise die gefälschte Aufstellung dem Vergleichsverwalter in die Unterlagen hineinlegte, die dieser für seinen unmittelbar bevorstehenden Vortrag bereitgelegt hatte, liegt schon der Anfang der Täuschungshandlung durch den Angeklagten vor; dagegen ist es eine Vorbereitungshandlung, wenn der Täter die falschen Unterlagen dem Vergleichsverwalter nur zugänglich machte, ohne absehen zu können, ob davon in absehbarer Zeit Gebrauch gemacht wird. Eine Gefährdung ist zwar im ersten Fall, nicht aber im zweiten Fall gegeben, wo viele Möglichkeiten bestehen, daß der Vergleichsverwalter die unrichtigen Angaben überprüft, entdeckt oder überhaupt nicht verwertet" 1 6 5 . Die Rspr. des RG hat bei gutgläubigem Werkzeug mehrfach im Sinne des Versuchs entschieden (RGSt. 59 1 : Vergiftung eines Tees, den eine gutgläubige Mittelsperson „alsbald" servieren sollte; RGSt. 66 141: Einbau einer „Brandstiftungsanlage" in ein Haus, das anschließend verlassen wird; RGSt. 70 212: Veranlassung eines arglosen Käufers zur Wegnahme von Sachen).

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Die richtige Lösung muß von der Erkenntnis ausgehen, daß bei mittelbarer Täterschaft ein beendeter Versuch vorliegt, sobald der Hintermann das Geschehen aus der Hand gegeben hat und daß nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch, von denen hier abzuweichen kein Anlaß besteht, in diesem Augenblick ein strafbarer Versuch vorliegt 1 6 6 . Die Gut- oder Bösgläubigkeit des Tatmittlers hat also auf den Versuchsbeginn keinen Einfluß. In

•63 Baumann JuS 1963 92f; ders. AT, 8. Aufl., § 36 I 4 a ; Blei AT, 17. Aufl., § 72 II 4; Bockelmann Strafrechtl. Untersuchungen (1957) 148; ders. AT, 2. Aufl., §22 II 3 b ; Herzberg M D R 1973 94f; Maurach AT, 4. Aufl., § 41 II 5 („regelmäßig"); Schilling Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975) 104 (wenn „der mittelbare Täter d i e . . . letzte Einwirkungshandlung vorgenommen hat"). 164 Frank 18. Aufl., § 43, II 2 a ; Eb. Schmidt, Frank-Festgabe Bd. 2 (1930) 132. •65 BGH, aaO, 273; ähnlich J. MeyerZStW 87 [1975] 608: „Wenn die ,Ausführungshandlung' des Werkzeugs beginnt, o d e r . . . wenn das Geschehen aus der Sicht des Hintermannes nunmehr völlig zwangsläufig abläuft" ; in diesem Sinne wohl auch Dreher 37. Aufl., § 22, Rdn. 18. 166 Ausführlich dazu Roxin Der Anfang des beendeten Versuch, Maurach-Festschr. (1972) 213 ff. Dieser Auffassung folgen Jescheck AT, 2. Aufl., § 62 IV 1 („Wenn der mittelbare Täter die Tatherrschaft aus der Hand gibt"); Rudolphi S Κ AT, 2. Aufl., §22, Rdn. 20 (wenn „der Täter die Tat aus der Hand gibt"); Wessels AT, 6. Aufl., § 14 II 4a. Ähnlich auch Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 15/57 (der seine Auffassung aaO., Anm. 47, der hier vertretenen „nahestehend" nennt). (56)

Täterschaft (Roxin)

§25

der Regel hat der Hintermann mit der Beauftragung des handlungswilligen Tatmittlers das Seine getan, so daß das Schicksal nun „seinen Lauf nimmt" und eine Versuchsstrafbarkeit auch dann eintritt, wenn das Werkzeug an der Ausführung gehindert wird oder sich nachträglich umbesinnt. In den praktisch besonders wichtigen Fällen, daß ein gutgläubiges Werkzeug in den Geschehensablauf erst eingreifen soll, nachdem der mittelbare Täter seinen Tatbeitrag geleistet hat, liegt nach diesen Regeln Versuch vor, sobald der Hintermann das Geschehen aus seinem Herrschaftsbereich entläßt, in den hierher gehörigen Rechtsprechungsfällen also dann, wenn der Vergleichsverwalter die gefälschten Unterlagen aus dem Büro des Gläubigers abholt (BGHSt. 4 270), wenn der vergiftete Tee der Serviererin zugänglich gemacht wird (RGSt. 59 1) oder wenn der Täter nach Einbau der ,Brandstiftungsanlage' das Haus verläßt (RGSt. 66 141). Dagegen kann es entgegen BGHSt. 4 273 nicht darauf ankommen, ob der Vergleichsverwalter von den gefälschten Unterlagen etwas früher oder später Gebrauch machen oder ob er sie vor der Verwendung noch nachprüfen will. Denn das entscheidet sich oft erst später, während der Versuchsbeginn im Augenblick der Tat festgestellt sein muß; auch ist die Möglichkeit der Entdeckung oder des Scheiterns bei jedem Versuch gegeben und spielt für sein Vorliegen keine Rolle. IV. Mittäterschaft 1. Allgemeine Grundlagen a) Mittäterschaft ist nach § 25 Abs. 2 StGB gemeinschaftliche Begehung der Tat. 107 Der Gesetzeswortlaut entspricht im wesentlichen dem früheren § 47 StGB mit dem einen Unterschied, daß der Begriff des „Ausführens" durch den des „Begehens" ersetzt worden ist. Dieser Wechsel geht auf einen Vorschlag zurück, den die Sachbearbeiter des BJM schon im Jahre 1955 mit den Worten begründet hatten 1 6 7 : „Der Ausdruck .begehen' ist dem Ausdruck ,ausführen' vorgezogen worden, weil dieser auf die Eigenhändigkeit hindeutet." Eine sachliche Änderung ist damit freilich nicht verbunden. Denn auch der Begriff des „gemeinschaftlichen Ausführens" ist nie in dem Sinne verstanden worden, daß jeder Mittäter die Tatbestandsmerkmale eigenhändig verwirklicht haben müßte. In einem solchen Falle wäre auch eine spezielle Vorschrift über die Mittäterschaft unnötig, weil dann jeder Mittäter ohnehin als unmittelbarer Einzeltäter bestraft werden könnte. Der Terminus des „Begehens" hat also mehr den Sinn, für alle drei Erscheinungsformen der Täterschaft („selbst, durch einen anderen, gemeinschaftlich") den Oberbegriff abzugeben. aa) Eine Tat gemeinschaftlich begehen heißt für den Bereich der bei weitem im 108 Vordergrund stehenden Herrschaftsdelikte: gemeinsam die Tatherrschaft ausüben (vgl. zur Tatherrschaft grundsätzlich Rdn. 7—10, 22—28). Das Kriterium gemeinsamer Tatherrschaft ist das arbeitsteilige Zusammenwirken im Ausführungsstadium (zur abw. Ansicht der Rspr. vgl. Rdn. 125 ff). Jeder Mittäter muß bei der Tatbestandsverwirklichung eine Funktion ausüben, die für das Gelingen des Deliktsplanes wesentlich ist. Man kann deshalb im Gegensatz zur Handlungsherrschaft des unmittelbaren Täters (Rdn. 40) und zur Willensherrschaft des mittelbaren Täters 167

(57)

Vorschläge und Bemerkungen der Sachbearbeiter des BJM zum Thema „Täterschaft und Teilnahme", in: Niederschriften, Bd. 2 (1958) 38ff (40); ebenso das BJM im Referat von Schwalm Niederschriften, Bd. 2, S. 92; vgl. auch Dreher, Prot. V. Wahlp., 91. Sitzung vom 14. 12. 1967, S. 1825.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

(Rdn. 48) von der funktionellen Tatherrschaft168 des Mittäters sprechen. Die Struktur der funktionellen Tatherrschaft läßt sich an Beispielen wie denen verdeutlichen, daß von zwei Bankräubern der eine die Angestellten mit der Pistole in Schach hält, während der andere die Kasse ausräumt, oder daß ein Angreifer das Opfer festhält, damit der andere es ungehindert verprügeln kann. Das Gelingen der Tat ist in solchen Fällen nur durch das Zusammenwirken beider möglich, so daß der Plan mit dem funktionsgerechten Beitrag des einzelnen steht oder fällt. Die Tatherrschaft des Mittäters beruht also darauf, daß er durch seinen Tatanteil gleichzeitig die Gesamttat beherrscht; der Ausfall des einzelnen bringt auch für die anderen den Plan zum Scheitern. Freilich darf man dabei nicht auf eine Kausalbetrachtung ex post abstellen. Wenn es etwa darum geht, ob jemand als Mittäter angesehen werden kann, der bei der Tat Schmiere gestanden hat, so wäre es verfehlt, hinterher Beweise darüber aufzunehmen, ob die Tat im konkreten Fall auch ohne die Aufstellung des Wachtpostens gelungen wäre. Entscheidend ist vielmehr allein, ob von der Planung her der Aufpasser eine sachlich bedeutende Funktion ausübte, so daß es auf sein „Funktionieren" ggf. hätte ankommen können. Dies wird in der Regel zu bejahen sein, so daß der „Schmieresteher" Mittäter ist, es sei denn, seine Komplizen hätten ihn auf einen von der Planung her nicht erforderlichen, nebensächlichen Posten abgeschoben. 109

Demgegenüber wird vom Standpunkt der subjektiven Teilnahmetheorie aus die Mittäterschaft vielfach als eine wechselseitige mittelbare Täterschaft erklärt (RGSt. 58 279; 63 101 ; 66 236, 240; 71 23, 24 1 6 9 ). Jeder Mittäter würde danach unabhängig von der Erheblichkeit des eigenen Beitrages die Tat durch den anderen begehen. Diese Auffassung ist jedoch schon deshalb abzulehnen, weil bei einer Mehrzahl voll verantwortlicher Mittäter keiner den anderen in der Hand hat, so daß auch keiner bloßes „Werkzeug" eines anderen ist (vgl. Rdn. 46 ff)· Die Tatherrschaft des Mittäters gründet sich nicht auf die Beherrschung seines Komplizen, sondern darauf, daß er durch seinen eigenen Tatanteil das Geschehen mitträgt. Eine mittelbare Täterschaft ließe sich nur vom Standpunkt eines intern-subjektiven Täterbegriffs (Rdn. 47, 48) aus begründen, für den der Täterwille allein den Veranlasser zum mittelbaren Täter machen kann; diese Lehre ist jedoch unzutreffend (Rdn. 22—25, 47). Auch mit dem Wortlaut des neuen Gesetzes ist die Auffassung der Mittäterschaft als einer wechselseitigen mittelbaren Täterschaft schwerlich zu vereinbaren. Denn danach müßte § 25 Abs. 2 StGB überflüssig sein, weil der Mittäter die Tat teils „selbst", teils „durch einen anderen" beginge und damit schon nach § 25 Abs. 1 StGB als Täter strafbar wäre; auch muß der Gesetzgeber mit dem Begriff „gemeinschaftlich" in § 25 Abs. 2 StGB etwas anderes gemeint haben als die mittelbare Täterschaft, die in § 25 Abs. 1 StGB mit dem völlig abweichenden Begriff des „Handelns durch einen anderen" bezeichnet wird.

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Teilweise wird auch bestritten, daß die Mittäterschaft durch das Prinzip der Tatherrschaft überhaupt befriedigend erklärbar sei. So meint Schröder170, bei der Mit168

Dazu eingehend Täterschaft, S. 275—305, 597—600. Der Terminus wird aufgenommen bei Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 III 1 ; Lackner 11. Aufl., § 25, 2b bb; Maurach AT, 4. Aufl., § 49 II C 2; Samson Strafrecht I, 2. Aufl., S. 239; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 43; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 825; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 II 5. 169 Aus dem Schrifttum Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 3a; Kohlrausch-Lange 43. Aufl., vor § 47, I 5 c; Lange Der moderne Täterbegriff (1935) 55; Sax ZStW 69 (1957) 434ff; Sch.Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 45. 170 Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., Rdn. 66 vor §§ 25 ff. (58)

Täterschaft (Roxin)

§25

t ä t e r s c h a f t h a b e j e d e r Beteiligte „die T a t h e r r s c h a f t a n sich n u r f ü r seinen T a t a n t e i l " , so d a ß es zur B e g r ü n d u n g der T ä t e r s c h a f t des R ü c k g r i f f s auf d e n „ T ä t e r w i l l e n " bed ü r f e . Gimbernat171 u n d Herzberg172 vertreten — u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r u n d mit A b w e i c h u n g e n im einzelnen — die A u f f a s s u n g , d a ß der T a t b e i t r a g des Mittäters, s o f e r n dieser nicht die T a t b e s t a n d s h a n d l u n g a u s f ü h r e , nicht in d e m s e l b e n Sinne als t a t b e s t a n d s e r f ü l l e n d a n g e s e h e n w e r d e n k ö n n e wie der des u n m i t t e l b a r e n u n d des m i t t e l b a r e n T ä t e r s ; b e i d e bezweifeln a u c h , d a ß d e r Begriff der T a t h e r r schaft auf i h n in allen Fällen a n w e n d b a r sei. D a r a n ist n a t ü r l i c h richtig, d a ß es sich a n d e r s als in d e n Fällen des § 25 Abs. 1 S t G B n i c h t u m A l l e i n - 1 7 3 , s o n d e r n u m Mith e r r s c h a f t h a n d e l t u n d d a ß diese strukturell a n d e r s b e s c h a f f e n ist als die H e r r s c h a f t des u n m i t t e l b a r e n u n d des m i t t e l b a r e n Täters. A u c h ist es eine F r a g e gesetzgeberischer W e r t e n t s c h e i d u n g , o b die M i t t ä t e r s c h a f t der H a n d l u n g s - u n d der Willensh e r r s c h a f t in d e n R e c h t s f o l g e n gleichgestellt w e r d e n soll, so d a ß § 25 Abs. 2 S t G B d u r c h a u s konstitutive B e d e u t u n g hat. A b e r d a s ä n d e r t nichts d a r a n , d a ß die f u n k tionelle T a t h e r r s c h a f t d e n einzelnen ü b e r die b l o ß e „ T e i l h e r r s c h a f t " h i n a u s z u m M i t h e r r e n der G e s a m t t a t m a c h t 1 7 4 u n d d a ß dieser Begriff alle d e m § 2 5 Abs. 2 S t G B zu s u b s u m i e r e n d e n Fälle e r f a ß t . W e n n Herzberg175 die Ansicht vertritt, d a ß in d e n F ä l l e n d e r v o n i h m sog. „ a d d i t i v e n " M i t t ä t e r s c h a f t (ζ. B. schießen bei e i n e m Attentat zwanzig V e r s c h w ö r e r gleichzeitig auf d a s O p f e r , „ u m d a s G e l i n g e n w a h r scheinlicher zu m a c h e n " ) die H a f t u n g d e r Beteiligten nicht d u r c h d e n G e d a n k e n der „ f u n k t i o n e l l e n T a t h e r r s c h a f t " erklärt w e r d e n k ö n n e , weil es auf d e n Beitrag des einzelnen w a h r s c h e i n l i c h nicht a n k o m m e , so ist d a s nicht z u z u g e b e n ; d e n n j e d e r , der die W a h r s c h e i n l i c h k e i t des G e l i n g e n s erhöht, hat n a c h d e m T a t p l a n u n d bei d e r A u s f ü h r u n g eine relevante F u n k t i o n u n d wird d a d u r c h z u m Mitträger der T a t h e r r schaft. bb) Bei Pflichtdelikten ( R d n . 29 f) gilt in K o n s e q u e n z ihres a b w e i c h e n d e n Täter- 111 begriffs a u c h f ü r die M i t t ä t e r s c h a f t etwas anderes. M i t t ä t e r s c h a f t bei Pflichtdelikten liegt in der g e m e i n s a m e n Verletzung einer g e m e i n s a m e n a u ß e r s t r a f r e c h t l i c h e n Sond e r p f l i c h t 1 7 6 , o h n e d a ß es auf die A r t des v o n d e n M i t w i r k e n d e n geleisteten Tatbeitrages im ü b r i g e n a n k ä m e . V e r u n t r e u e n also zwei im Sinne des § 266 S t G B V e r m ö g e n s f ü r s o r g e p f l i c h t i g e d a s i h n e n a n v e r t r a u t e G e l d , sind sie a u c h d a n n Mittäter, w e n n n u r d e r eine die faktische H a n d l u n g a u s ü b t u n d die alleinige T a t h e r r s c h a f t inn e h a t , w ä h r e n d der a n d e r e sich auf einen g e r i n g f ü g i g e n ä u ß e r e n Beitrag bes c h r ä n k t ; d a die Pflichtverletzung allein die T ä t e r s c h a f t b e g r ü n d e t , ist auch f ü r die M i t t ä t e r s c h a f t nichts a n d e r e s als die — bei Vorsatzdelikten auf g e m e i n s a m e m Tatp l a n b e r u h e n d e — G e m e i n s a m k e i t des Pflichtverstoßes e r f o r d e r l i c h 1 7 7 . D a r a u s 171

Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 80 [1968] 915 ff (933 u. passim). 172 T u T ) § 5. Abw. Schilling Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975) 74 (und passim), der die Mittäterschaft als „Spielart mehrfacher Einzeltäterschaft" ansieht, sich über deren Voraussetzungen aber nicht näher äußert. 174 In diesem Sinne auch Welzel ZStW 58 [1939] 549/50: „Ein jeder ist nicht bloß Täter eines Teils", und „Mittäterschaft ist nicht eine Sonderform der Alleintäterschaft"; vielmehr ist jeder „Mittäter am Ganzen". 175 TuT, § 5 I 1. 17 6 Näher Täterschaft, S. 355 ff. 177 Abw. Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 796, der aber im Falle des § 266 StGB im Ergebnis zustimmt (Rdn. 799)! Dazu wieder Täterschaft, S. 604/05. (59)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

folgt, daß bei Pflichtdelikten auch der Tatbeitrag des einen Mittäters in einem Tun und der des anderen in einem bloßen Unterlassen bestehen kann. Wenn also zwei Aufsichtsbeamte dem Gefangenen vereinbarungsgemäß dadurch die Flucht ermöglichen, daß der eine ihm den Schlüssel zur Öffnung der Zellentür überreicht (aktives Tun), während der andere entgegen seiner Pflicht die Außenpforte unverschlossen läßt (Unterlassen), so sind sie Mittäter einer qualifizierten Gefangenenbefreiung (§ 120 Abs. 2 StGB). Denn sie erfüllen denselben Tatbestand und verstoßen gegen eine gemeinsame Aufsichtspflicht, deren Verletzung sie ohne Rücksicht auf die Art des äußeren Verhaltens zu Tätern macht. Ebenso ist, da die Unterlassungsdelikte Pflichtdelikte sind (Rdn. 147), auch eine Mittäterschaft durch einverständliches Unterlassen möglich (RGSt. 66 71, 74). Andererseits genügt die Mitherrschaft ohne Verletzung der tatbestandsspezifischen Sonderpflicht zur Begründung einer Mittäterschaft bei Pflichtdelikten nicht: Der Extraneus, der mit einem Postbeamten gemeinsam Postsendungen unterdrückt (§ 354 StGB), kann trotz Innehabung der Mitherrschaft immer nur Gehilfe sein; entsprechend kann Mittäter nach §332 StGB auch ein Beamter nicht sein, wenn er nicht seine Pflicht in der Weise verletzt, daß er für sich Vorteile fordert, sich versprechen läßt oder annimmt (BGHSt. 14 123); Mittäter einer Unfallflucht kann nur sein, wer selbst warte- und duldungspflichtig ist (BGHSt. 15 1) usw. 112

Dagegen ist eine Mittäterschaft nicht in der Form möglich, daß der Begehungstäter eines Herrschaftsdelikts und ein Unterlassender als Täter eines Pflichtdelikts (zu den Unterlassungsdelikten als Pflichtdelikten vgl. Rdn. 147) Mittäter einer Straftat sein könnten (so aber BGH NJW 1966 1763: die Gastwirtin, die Körperverletzungen in ihrer Wirtschaft duldet, als Mittäterin durch Unterlassen). Eine solche Möglichkeit scheitert daran, daß die Mittäterschaft für die mehreren Beteiligten einheitliche Zurechnungskriterien verlangt, an denen es hier fehlt, weil das Tun und das Unterlassen verschiedenen Täterbegriffen unterfallen. Wenn also der Badewärter ungerührt zusieht, wie jemand einen Nichtschwimmer ins tiefe Wasser stößt, so sind zwar beide Täter (einer Begehungstat und eines Unterlassungsdeliktes, vgl. Rdn. 147ff)), aber sie sind nicht Mittäter; denn eine Mittäterschaft kann sich nur aus gemeinsamer arbeitsteiliger Herrschaft, an der es hier fehlt, oder aus der Verletzung einer gemeinsamen Pflicht ergeben, die hier ebenfalls nicht vorliegt. Angesichts der beidseitigen Täterschaft handelt es sich jedoch mehr um ein konstruktives als um ein praktisches Problem.

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cc) Auch bei eigenhändigen Delikten (Rdn. 31 ff) ist schon per definitionem keine uneigenhändige Mittäterschaft möglich. Wer also einen Verwandtenbeischlaf (§ 173 StGB) in noch so mitbeherrschender Form ins Werk setzt, kann gleichwohl nur Gehilfe sein, wenn er nicht selbst als Verwandter in tatbestandsmäßiger Form den Beischlaf vollzieht. Von Mittäterschaft kann man bei eigenhändigen Delikten allenfalls dann sprechen, wenn mehrere Personen nach gemeinsamem Tatplan in gegenseitigem Zusammenwirken jeweils höchstpersönlich den Tatbestand der Rechtsbeugung (§ 336 StGB) 1 7 8 erfüllen. Da jedoch in solchen Fällen notwendig immer zuerst eine unmittelbare Täterschaft vorliegen muß, die schon nach § 25 Abs. 1 StGB zur Täterbestrafung führt, kommt der Mittäterschaft bei eigenhändigen Delikten keine praktische Bedeutung zu. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Rspr. den Kreis der eigenhändigen Delikte (Rdn. 31—37) bisweilen zu weit zieht. So ist ζ. B. die Amts-

178 Dazu Täterschaft, S. 428 ff. (60)

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anmaßung weder in der ersten (so aber R G H R R 1936 Nr. 305; RGSt. 59 79, 81 ; OGHSt. 1 303), noch in der zweiten Tatbestandsalternative (so aber RGSt. 55 265, 266 f) als eigenhändiges Delikt anzuerkennen, so daß insoweit eine Mittäterschaft ggf. durchaus möglich ist. b) Die Mittäterschaft setzt wie alle übrigen Erscheinungsformen der Täterschaft 114 auch das Vorliegen sonstiger besonderer Tätermerkmale bei jedem einzelnen Mittäter voraus. Wenn daher ein Tatbestand strafbegründende Absichten, Gesinnungen, Tendenzen usw. fordert, deren Vorliegen an weitere Voraussetzungen als die Innehabung der Tatherrschaft gebunden ist, so müssen diese Merkmale bei jedem Mittäter vorliegen. Die Einzelheiten gehören in den Besonderen Teil. Doch sei darauf hingewiesen, daß solche Fälle weit seltener sind, als gemeinhin angenommen wird. Wenn man ζ. B. davon ausgeht, daß die (Mit-)Herrschaft bei der Wegnahme eines Gegenstandes und der Verfügung über ihn schon die in § 242 StGB geforderte Zueignungsabsicht begründet' 8 0 , ist der Mitinhaber der Tatherrschaft bei Begehung eines Diebstahls ohne weiteres auch Mittäter. Auch kann entgegen BGHSt. 2 317 die Mittäterschaft bei der Unterschlagung nicht von der Gewahrsamsinnehabung durch jeden einzelnen Gewahrsamsinhaber abhängig gemacht werden 1 8 1 , weil es sich dabei nicht um ein Tätermerkmal handelt und die Tatbestandsmerkmale auch sonst vom Mittäter nicht eigenhändig erfüllt zu werden brauchen; wer also die Zueignung mitbeherrscht, kann Mittäter einer Unterschlagung auch ohne eigenen Gewahrsam sein. c) Da die Täterschaft tatbestandsbezogen ist, gibt es auch eine teilweise Mittäter- 115 schaft in der Form, daß hinsichtlich eines Tatbestandes Mittäterschaft besteht, hinsichtlich eines anderen aber nicht. Es können also A und Β Mittäter eines Hausfriedensbruches sein, obwohl A bei den anschließend im Hause begangenen Delikten (etwa einem Einbruchsdiebstahl) nur Gehilfe ist. Das hat vor allem auch für das Zusammentreffen von Herrschafts- und Pflichtdelikten Bedeutung: Wenn ein Amtsträger gemeinsam mit einem Privatmann während der Ausübung seines Dienstes eine Körperverletzung begeht, so sind beide Mittäter nach § 223 StGB, während unter dem Gesichtspunkt des § 340 StGB nur der Beamte Täter und der Privatmann Gehilfe ist. Ferner ist eine Mittäterschaft in der Weise möglich, daß der eine nur den Grundtatbestand (etwa 212 StGB) und der andere außerdem einen qualifizierten (ζ. B. § 211 StGB; RG DR 1944 1480 oder privilegierten Tatbestand (ζ. B. § 217 StGB; RGSt. 72 373, 375) erfüllt. Wenn BGHSt. 6 329, 330 im Verhältnis von Mord und Totschlag keine Mittäterschaft zulassen will, so beruht das auf der irrigen Prämisse, daß die §§211, 212 StGB selbständige, voneinander unabhängige Tatbestände seien. Beide Beteiligte wären richtigerweise als Mittäter, wenn auch aus verschiedenen Strafrahmen, zu bestrafen. Weiterhin kann eine Mittäterschaft in der Weise vorliegen, daß der eine die ge- 116 meinschaftliche Tat durch eine Handlung in Fortsetzungszusammenhang, der andere sie durch eine selbständige Handlung verwirklicht, RGSt. 34 47, 48; 42 6. Zur Mittäterschaft bei der gesamten fortgesetzten Tat RGSt. 67 392. Erst recht wird im Rahmen desselben Tatbestandes eine Mittäterschaft nicht durch die unterschiedliche Motivation der Beteiligten ausgeschlossen; so liegt eine Mittäterschaft beim 179

Näher Täterschaft, S. 408 f; dort auch weitere Beispiele. 180 vgl. Täterschaft, S. 339ff und Rdn. 95. 181 Ausführl. Begr. Täterschaft, S. 349 f, 386 f. (61)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

Betrug auch dann vor, wenn der eine Mittäter sich selbst, der zweite aber den anderen bereichern will (RGSt. 59 104, 107). Ebenso ist bei zweiaktigen Tatbeständen eine Mittäterschaft in der Weise möglich, daß ζ. B. ein Mittäter die Urkunde fälscht, der andere von ihr Gebrauch macht (RGSt. 59 79, 81). 117

d) Eine Mittäterschaft ist auch mit einem schuldlos Handelnden möglich, etwa bei Geisteskrankheit (z.T. abw. RGSt. 63 101, 104), jugendlichem Alter (dazu RGSt. 19 192, 193 0 oder Verbotsirrtum eines Beteiligten. Freilich liegt im Hinblick auf den Tatbeitrag des Entschuldigten eine mittelbare Täterschaft vor, soweit sie nach allgemeinen Regeln bei der Benutzung Entschuldigter begründet ist. Aber der eigene Tatbeitrag des nicht Entschuldigten kann im Zusammenhang mit dem Handeln des anderen seine Mittäterschaft begründen, da die fehlende Schuld des Partners nach § 29 StGB insoweit eine Mittäterschaft nicht hindert. Wenn also jemand mit einem Geisteskranken zusammen einen Mord in der Weise begeht, daß er das Opfer festhält, während der Schuldunfähige es ersticht, so begründet der Stich eine mittelbare Täterschaft und das eigene Festhalten eine Mittäterschaft des verantwortlich Handelnden.

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e) Eine Mittäterschaft kann sich nicht nur auf die Verwirklichung von Tatbeständen des Besonderen Teils beziehen, sondern auch hinsichtlich der gesetzlichen Teilnahmeformen vorliegen. Eine in Mittäterschaft begangene Anstiftung (RGSt. 13 121, 123; 53 189, 190; 71 23, 2 4 0 ist also ebenso wie eine durch arbeitsteiliges Zusammenwirken geleistete Beihilfehandlung möglich. Der einzelne wird dann als Mittäter nach den Regeln der Anstiftung oder Beihilfe bestraft, auch wenn seine eigene Handlung für sich genommen die Voraussetzungen der gesetzlichen Teilnahmeform nicht erfüllen würde. 2. Der gemeinsame Tatplan

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a) Das Kriterium des gemeinsamen Tatplanes oder Tatentschlusses als subjektive Voraussetzung der Mittäterschaft ist nicht nur vom Standpunkt der subjektiven Teilnahmetheorie, sondern auch von dem der Tatherrschaftslehre aus als prinzipiell notwendig anzuerkennen. Denn das die funktionelle Tatherrschaft begründende arbeitsteilige Zusammenwirken erfordert einen übergreifenden Gesamtplan, aus dem sich die „Funktion" des einzelnen Beitrages erst ergibt. Freilich genügt es, daß der einzelne Mittäter bei der Ausführung in Übereinstimmung mit dem oder den anderen im Sinne des Planes handelt und ihn dadurch zu einem gemeinsamen macht. Eine Mitwirkung bei der Entstehung des Planes ist nicht nötig. Auch besteht Einigkeit darüber, daß die Mittäterschaft „nicht einer vorherigen Verabredung bedarf. Nicht einmal eine stillschweigende, der VerÜbung der strafbaren Handlung vorausgehende Einigung ist erforderlich; wohl aber ein, wenn auch erst während der Tat entstandenes Einverständnis" (RGSt. 8 42, 43; in diesem Sinne auch OGHSt. 2 355; BGH GA 1969 214; BGH bei Dallinger M D R 1971 545). Mittäterschaft ist selbst dann möglich, wenn die einzelnen Mitwirkenden sich nicht kennen, „sofern sich nur jeder bewußt ist, daß neben ihm noch ein anderer oder andere mitwirken und diese von dem gleichen Bewußtsein erfüllt sind" (RGSt. 58 279; vgl. auch BGH GA 1973 185). Eine stillschweigende, durch schlüssiges Handeln bekundete Willensübereinstimmung bei der Ausführung reicht danach aus (RGSt. 49 239, 241 ; 54 271, 272), ist aber auch unverzichtbar.

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Eine Mittäterschaft liegt also noch nicht darin, daß zwei an verschiedenen Orten vom Förster gestellte Wilderer kurz hintereinander auf diesen schießen, ohne daß (62)

Täterschaft (Roxin)

§25

der eine vom Schuß des anderen etwas weiß oder damit gerechnet hätte; die durch das Zusammentreffen der Angriffe bei Begehung eines gemeinschaftlichen Jagdvergehens begründete besondere Gefährlichkeit genügt nicht (RGSt. 8 42). Ebenso kommt Mittäterschaft nicht in Betracht, wenn jemand einem Dieb durch Zurückhaltung von Verfolgern die Flucht ermöglicht, dieser aber von der Unterstützung überhaupt nichts bemerkt (BGHSt. 6 248, 249); ein solches einseitiges Zusammenwirken kann stets nur Beihilfe begründen. Wenn bei einem Diebstahl der eine dem anderen vorspiegelt, mit Zustimmung des Eigentümers zu handeln, dieser aber die Täuschung durchschaut, sind beide Täter des § 242 StGB, aber nicht Mittäter (BGH bei Daliinger MDR 1957 526). Ferner fehlt es an einer Mittäterschaft, wenn verschiedene Täter sich lediglich, „sei es auch auf Grund gemeinsam gewonnener Erkenntnisse oder gemeinsam angestellter Überlegungen, dazu entschließen, eine günstige Situation zur Begehung gleichartiger Straftaten auszunutzen", ζ. B. bestimmte, gleichartige Warenhausbetrügereien zu begehen (BGHSt. 24 286, 288); ein mittäterschaftlicher Plan setzt die Bezogenheit der einzelnen Tatanteile aufeinander voraus. b) Aus der Notwendigkeit eines gemeinsamen Tatplanes folgt, daß der Exzeß 121 eines Beteiligten den übrigen nicht zugerechnet werden kann. Läßt also bei einer gemeinschaftlichen Körperverletzung oder bei einem Raube einer der Beteiligten sich zu einem Tötungsdelikt hinreißen (RGSt. 44 321, 324; BGH NJW 1973 377), ist er insoweit Alleintäter. Eignet sich einer von mehreren Nötigern abredewidrig eine Sache zu, so wird nur er nach § 249 StGB bestraft, während im übrigen die mittäterschaftlich begangene Nötigung bestehen bleibt (BGH GA 1968 121; vgl. ferner RGSt. 57 307, 308; 67 367, 369). Freilich muß der Mittäter die Handlungen seiner Komplizen nicht in jedem Detail vorhergekannt haben. Denn der gemeinschaftliche Vorsatz kann das Tun auch nur im allgemeinen umfassen und jedem einzelnen in der Art der Ausführung mehr oder weniger Freiheit einräumen (vgl. etwa RGSt. 57 307, 308; 59 245, 246f; 59 389, 390; 67 367, 369; BGH GA 1968 18). Mittäterschaft liegt also auch noch vor bei Abweichungen, „die im Rahmen der üblichen Spielbreite einschlägiger Taten liegen, mit denen man nach den Umständen des Falles gewöhnlich rechnen muß und die das Interesse des anderen Mittäters gleichwertig befriedigen, ζ. B. wenn statt des Geldes Sachen weggenommen werden, die unschwer in Geld umgesetzt werden können" (BGH bei Dallinger M D R 1966 197; ähnlich OLG Schleswig SchlHA 1951 48). Wird über die ausdrückliche Abrede hinaus durch einen Mittäter ein qualifizierter oder ein anderer Tatbestand verwirklicht, so können die übrigen aus diesen Bestimmungen allerdings nur dann bestraft werden, wenn sie mit dieser Möglichkeit wenigstens gerechnet.und sie in Kauf genommen oder sich aus Gleichgültigkeit auch ohne konkretisierende Vorstellungen von vornherein mit allem ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden erklärt haben (vgl. BGH bei Dallinger M D R 1955 143). c) Bei erfolgsqualifizierten Delikten (z. B. §§ 177 Abs. 3, 226, 251 StGB) ist zu- 122 nächst erforderlich, daß das Grunddelikt in Mittäterschaft begangen wird. Im Hinblick auf den qualifizierenden Erfolg ist keine Mittäterschaft möglich, weil diese bei fahrlässigen Straftaten (ob nun gewöhnliche Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit vorausgesetzt wird) in Ermangelung eines gemeinsamen Tatplans in der Regel ausscheidet (vgl. Rdn. 119). Ein Mittäter haftet daher für den schwereren Erfolg nur dann, wenn auch er selbst im Hinblick auf ihn fahrlässig (§§ 18, 226 StGB) oder (63)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

leichtfertig (z. B. §§ 177 Abs. 3, 251 StGB) gehandelt hat. Das ist vielfach dann der Fall, wenn die Art der Verletzung oder Gewaltanwendung, die zu dem schwereren Erfolg geführt hat, im Rahmen des gemeinsamen Tatplanes lag (vgl. etwa RGSt. 59 389, 390; 67 367, 369f)· Dagegen scheidet eine Haftung der übrigen Mittäter ζ. B. nach § 251 StGB dann aus, wenn einer von ihnen bei der Gewaltanwendung erheblich über das vereinbarte und gebilligte Maß hinausgeht oder sogar den Tod des Opfers abredewidrig vorsätzlich herbeiführt (BGH NJW 1973 377). Aus der früheren, durch die neuere Gesetzgebung ζ. T. überholten Rspr.: RGSt. 59 389; 67 367; BGH bei Dallinger MDR 1951 274. 123

d) An einem gemeinsamen Tatplan (und auch an einer gemeinsamen Ausführung) fehlt es ferner dann, wenn ein Mittäter die Tat erst nach dem Ausscheiden des anderen und ohne dessen Willen begeht. BGHSt. 9 180: der Mann entfernt sich, nachdem er gemeinsam mit der Frau das Kind getötet zu haben glaubt; später entdeckt die Frau, daß das Kind noch lebt und tötet es durch eine neue, selbständige Handlung. Hier ist nur der Tötungsversuch in Mittäterschaft begangen, während die zur Vollendung führende Handlung allein der Frau zuzurechnen ist. Die gegenteilige Ansicht des BGH ist nicht nur mit der Tatherrschaftslehre, sondern auch mit der subjektiven Teilnahmetheorie nicht zu vereinbaren; denn auch an der vom BGH angenommenen und für genügend erachteten „geistigen Mitwirkung" fehlt es, wenn der angebliche Mittäter von der Handlung des anderen weder etwas weiß noch damit rechnet 1 8 2 . Nach Dreher183 soll es darauf ankommen, ob der Mann, „wenn er erkannt hätte, daß die Tat noch nicht beendet war, deren Beendigung gewollt hätte." Aber auch solche hypothetischen Erwägungen können eine aktuell fehlende Mitwirkung nicht ersetzen.

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e) Der error in objecto bzw. persona eines Mittäters soll nach BGHSt. 11 268 und der h. M. 1 8 4 auch für die übrigen Mittäter unbeachtlich sein. In dem vieldiskutierten BGH-Fall hatte von drei fliehenden Verbrechern einer, wie es abgesprochen war, einen Verfolger erschießen wollen, statt dessen aber infolge einer Verwechslung die Kugel auf seinen Genossen abgefeuert; der BGH bestrafte den getroffenen Komplizen als Mittäter eines (untauglichen) Mordversuches an sich selbst. Beifall verdient jedoch die an Boden gewinnende Gegenmeinung, wonach die Mittäter für die Personenverwechslung eines Beteiligten nicht einzustehen b r a u c h e n D e r gemeinsame Tatplan erstreckt sich nur auf die Abwehr und evtl. Erschießung von Verfolgern. Wird statt dessen ein Mittäter erschossen, so ist das ein Exzeß, für den die übrigen nicht verantwortlich gemacht werden können. Das ist bei der absichtlichen Erschießung eines Mittäters ganz unbestreitbar; an der Überschreitung des gemeinsamen Tatplans ändert sich aber dadurch nichts, daß sie irrtümlich erfolgt 1 8 6 .

182 Näher Täterschaft, S. 288. 183 M D R 1956 499. 184 Baumann JuS 1963 126f (zurückhaltender AT, 8. Aufl., § 36 I 3d); Blei AT, 17. Aufl., § 78 I a.E.; Dreher il. Aufl., § 25, Rdn. 8; Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 I 2; Maurach k l , 4. Aufl., § 49 III 4; Schröder JR 1958 428. Zweifelnd Lackner 11. Aufl., §25, 2 c c c ; Welzel 11. Aufl., § 15 IV 1 ; Wesse/s AT, 6. Aufl., § 13 III 2. •85 Täterschaft, S. lOOf, 286f, 311 f; Eser Strafr. II, 2. Aufl., Fall 39, S. 1 5 5 - 1 5 9 ; Herzberg TuT § 5 II 1 ; Spendel JuS 1969 314ff; im Ergebnis auch Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/19, der freilich schon Mittäterschaft ablehnt (zu dieser Frage Täterschaft, S. 311 ΟΙ 86 Ausführliche Begründung in Täterschaft aaO. (64)

Täterschaft (Roxin)

§25

3. Die gemeinsame Tatausführung a) Die Mitwirkung im Vorbereitungsstadium. Nach der ständigen Rspr. schon des 125 RG kann jede beliebige und noch so geringfügige Mitwirkung im Vorbereitungsstadium die Mittäterschaft begründen, sofern sie nur mit „Täterwillen" (d. h. praktisch meist: ohne Willensunterordnung oder mit eigenem Interesse) geleistet wird. Es genügen also bloße Ratschläge und Tips (Beschreibung der Örtlichkeit, Anregungen für eine zweckmäßige Ausführung, RGSt. 35 13, 17; 53 138; 67 392), die Mitbeteiligung an der vorbereitenden Planung eines Mordes (RG DR 1944 147), das Hinfahren des ausführenden Täters an den Tatort (RG H R R 1934 Nr. 147), die bloße Veranlassung zur Abtreibung oder die Verschaffung eines Mittels dazu (RGSt. 74 21, 23), wie überhaupt jede beliebige sich „äußerlich" nur als vorbereitende oder beihelfende Tätigkeit kennzeichnende Handlung (RGSt. 14 28, 29; 54 152, 153; 63 101, 102f; 64 272, 274 f; 66 236, 240 ; 67 392; 71 24 f; RG JW 1938 2193). Nicht ausreichend soll nur eine bloße Mitwirkung bei der Verabredung sein, sofern sie nicht zugleich auch den Täterwillen bei der Ausführung stärkt (RGSt. 56 329 f; 66 240; 71 23, 25; RG JW 1936 1913). Der BGH hat diese Rspr. bruchlos fortgesetzt. Auch für ihn genügt zur Mittäter- 126 schaft „eine geistige Mitwirkung, auch eine Vorbereitungshandlung in der Weise, daß der Mittäter dem ausführenden Tatgenossen durch einen vor der Ausführung gegebenen Rat zur Seite steht oder in irgendeinem Zeitpunkt" dessen Willen zur Verwirklichung des Tatbestandes stärkt. (BGHSt. 11 268, 271; ferner vor allem BGHSt. 16 12: Beteiligung an der Verabredung. Weiter: BGHSt 14 124, 128/29; BGH NJW 1951 410 Nr. 23; bei Daliinger M D R 1953 271 f; GA 1973 185; OGHSt. 1 98). Auch im Schrifttum herrscht diese Auffassung überwiegend noch vor, und zwar nicht nur bei Vertretern der subjektiven Teilnahmetheorie, sondern teilweise auch bei Anhängern der Tatherrschaftslehre 1 8 7 . Diese Auffassung ist jedoch in Übereinstimmung mit der im Schrifttum vordrin- 127 genden Lehre abzulehnen 188 . Denn da Täterschaft Tatbestandsverwirklichung ist (Rdn. 2 6 0 , kann auch Mittäterschaft nur Mitherrschaft bei Verwirklichung der Tatbestandshandlung, d. h. bei der Ausführung selbst, sein. Wer nur bei der Vorbereitung mitwirkt, kann das Geschehen zwar beeinflussen, aber nicht beherrschen. Er bleibt, wenn der Ausführende frei und verantwortlich handelt, bei der Realisierung des Planes immer von der Initiative, den Entschlüssen und der Tatgestaltung des unmittelbar Ausführenden abhängig. Das gilt selbst für noch so wichtige Tatbeiträge. Auch wer den Schlüssel konstruiert hat, mit dem allein der Safe des zu Bestehlenden geöffnet werden kann, gibt, wenn er den Ausführenden auf den Weg schickt, mit dem Schlüssel zugleich die Tat selbst aus der Hand, die von nun an — also noch vor dem Eintritt ins Versuchsstadium und damit in ihrem gesamten deliktischen Ablauf — allein der Herrschaft des Ausführenden untersteht. Jede andere

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188

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Baumann JuS 1963 86f; Blei AT, 17. Aufl., § 78 III (mit starken Einschränkungen); Bokkelmann AT, 2. Aufl., §23 II 2 d a a ; Busch Vorauf!, dieses Kommentars, §47 Rdn. 21; Dreher 37. Aufl., § 25 Rdn. 7; Maurach AT, 4. Aufl., § 49 II C 2; Preisendanz 29. Aufl., § 25 IV 5 (mit starken Einschränkungen); Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 51 ; Welzel 11. Aufl., § 15 IV 2 c ; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 III 2 (mit Einschränkungen). Eingehend Täterschaft, S. 292—305. Aus dem Schrifttum: Gallas Mat Bd. 1 137; Gimbernat Ordeig ZStW 80 (1968) 9 3 I f f ; Herzberg TuT § 5 II 2 a ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 III 1 ; H. Mayer AT (1953) 314; StudB., § 39 V 2; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/22; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25, Rdn. 47; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 825.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

Auffassung ist nicht nur mit der Tatherrschaftslehre unvereinbar. Sie verwischt auch die Grenzen der Täter- und Teilnahmeformen insgesamt und zerstört damit letzten Endes die auf ihrer Trennung beruhende Konzeption des Gesetzgebers. So wird ζ. B. die auf die Abgrenzung von mittelbarer Täterschaft und Anstiftung zu wendende Mühe sinnlos, wenn Einflußnahmen eines Hintermannes, die zur Begründung einer mittelbaren Täterschaft nicht ausreichen (vgl. Rdn. 50), als „Stärkung des Tatentschlusses" mit Hilfe des „Täterwillens" in eine Mittäterschaft umgedeutet werden. 128

Wenn demnach nur die arbeitsteilige Mitwirkung im Ausfiihrungsstadium die Mittäterschaft begründen kann, so bedeutet das nicht, daß die Tatbeiträge notwendig gleichzeitig geleistet werden müßten. Zum Ausführungsstadium gehört vielmehr der gesamte Zeitabschnitt zwischen Versuchsbeginn und materieller Beendigung der Tat. Wer also das Opfer an den Tatort fährt, wo der Komplize es verabredungsgemäß niederschlägt, wer das Petroleum in der Scheune des Bauern ausschüttet, das der Genösse gleich darauf entzündet, der ist Mittäter, obwohl sein Beitrag unmittelbar vor der eigentlichen Tatbestandshandlung endete; denn für eine natürliche Betrachtung sind diese Handlungen Bestandteile eines einheitlichen Geschehenskomplexes und gehören zur Ausführung hinzu.

129

Auch eine Anwesenheit des Mittäters am Tatort ist nicht notwendig erforderlich. Der Einsatzleiter etwa, der von einer Befehlszentrale aus telefonisch, per Funkspruch oder durch Mittelsmänner die einzelnen Ausführungshandlungen durch Weisungen dirigiert oder koordiniert, ist Mittäter ebenso wie derjenige, der im Rahmen eines Betrugsmanövers bei der erwarteten Rückfrage die Vorspiegelungen seines „Kollegen" brieflich oder telefonisch in der von vornherein geplanten Weise bestätigt. Freilich wird man selbst bei Planern und Organisatoren nicht darauf verzichten dürfen, daß sie — sei es auch aus der Ferne — bei der Ausführung tätig geworden sein müssen. Das wird ungeachtet sonstiger Übereinstimmung von Stratenwerth 189 bestritten, der meint, man werde „bei der Frage, ob der Tatbeitrag ,im Ausführungsstadium' wesentlich w a r , . . . nicht auf den Zeitpunkt abstellen können, in dem er geleistet wurde, sondern allein darauf, in welcher Weise er bei der Ausführung weiterwirkte. Planung und Organisation eines von mehreren ausgeführten Deliktes müssen auch dann Mittäterschaft begründen, wenn der Organisator nicht noch während der Ausführung in Verbindung mit den Akteuren steht: Der Plan zeichnet das Verhalten der Beteiligten im Ausführungsstadium vor, gestaltet die einzelnen Rollen und beteiligt den Organisator deshalb an der Tatherrschaft." Dem ist deshalb nicht zu folgen, weil die Beiträge aller Teilnehmer bei der Ausführung in mehr oder weniger bestimmender Weise „weiterwirken", so daß eine Abschichtung unter diesem Gesichtspunkt die Grenzen der Beteiligungsformen verwischen muß. Wenn man aber allein den weiterwirkenden Anteil an der Planung mittäterschaftsbegründend sein lassen will — die „Lieferung von Werkzeugen, Waffen etc." oder den „Hinweis auf Gelegenheiten zur Deliktsbegehung" will auch Stratenwerth190 unter allen Umständen ausscheiden — so ist eine solche Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen des „Weiterwirkens" deshalb nicht überzeugend, weil sich diese Wirkung, wenn der Vorbereitende auf jegliche Mitwirkung im Ausführungsstadium verzichtet, immer nur insoweit entfalten kann, wie der Handelnde ihr nach freier Entscheidung Einfluß gewährt. Auch kann eine noch so detaillierte Planung 189 AT I, 2. Aufl., Rdn. 826; ihm zustimmend Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 III. 190 w i e Anm. 189. (66)

Täterschaft (Roxin)

§25

nicht die „gemeinschaftliche Begehung" ersetzen, die § 25 Abs. 2 StGB fordert, zumal da gerade Anstifter durch die Mitlieferung des Planes oft überhaupt erst den Tatentschluß hervorrufen können, ohne durch denselben Umstand gleich schon Mittäter zu werden 1 9 1 . Nach diesen Gesichtspunkten ist auch der Fall des Bandenchefs zu entscheiden, 130 der in der Literatur häufig als Paradebeispiel einer Mittäterschaft trotz fehlender äußerer Mitwirkung herangezogen wird. Er kann mittelbarer Täter sein, wenn die Voraussetzungen der Organisationsherrschaft (Rdn. 88 f) erfüllt sind oder wenn er seine „Untergebenen" im Sinne des § 35 StGB (Rdn. 49) in der Hand hat. Er kann auch Mittäter sein, wenn er die Durchführung der Taten leitet oder absichert (Rdn. 129). Über diese Konstellationen hinaus, die einen erheblichen Teil der einschlägigen Fälle abdecken, ist er aber nur Anstifter, (was auch wegen der täterschaftsgleichen Strafdrohung dem Strafbedürfnis vollauf genügt). Der überschießende Unwert, der in der Eigenschaft als Rädelsführer oder Hintermann liegt, wird durch § 129 Abs. 4 StGB erfaßt, kann aber hinsichtlich der Einzeltat die Abgrenzung der Beteiligungsformen nicht beeinflussen. b) Die Erheblichkeit des Tatbeitrages im Ausführungsstadium. Auch wenn ein 131 Tatbeitrag im Ausführungsstadium geleistet wird, begründet er doch nur dann die Mittäterschaft, wenn er „wesentlich" ist, d. h. wenn ihm eine im Rahmen arbeitsteiliger Ausführung relevante Funktion zukommt (vgl. Rdn. 108) 192 . Es genügt also nicht die Hinreichung eines Erfrischungsgetränks an den schwer „arbeitenden" Einbrecher oder die Bereitstellung eines Löschblattes für den Urkundenfälscher, einerlei, ob diese Handlungen mit oder ohne „Täterwillen" erfolgen. Erst recht reicht ein „anfeuernder Z u r u f nicht aus, den der BGH auch ohne jede sonstige Beteiligung für eine Mittäterschaft nach § 178 StGB genügen lassen will (MDR 1955 244). Die Annahme, daß man auf Grund „geistiger Mitwirkung" die von einem anderen verübte sexuelle Nötigung „als . . . eigene Tat gewollt" haben und dadurch zum Mittäter werden könne, löst die Tatbestandsbezogenheit des Täterbegriffs auf und ist im Grunde nicht einmal mit der subjektiven Teilnahmetheorie zu vereinbaren; denn wer nur am Rande des Geschehens ermunternde Reden führt, muß die Durchführung der Tat notgedrungen dem anderen anheimstellen und sich seinen Entschlüssen unterordnen. Freilich genügt die bloße Anwesenheit für die Annahme einer Mittäterschaft dann, wenn jemand nach dem Tatplan eine relevante Funktion erfüllen sollte und nur auf Grund des konkreten Tatablaufs mit weitergehenden Beiträgen nicht „zum Zuge kam" (RGSt. 26 345). Auf der anderen Seite ist jeder, der bei der Ausführung eine taterhebliche Funk- 132 tion ausübt, Mittäter, ohne daß es dazu eines zusätzlichen „Täterwillens" bedürfte; denn wer die Durchführung einer Tat mitbeherrscht, kann sich den Folgen seines Tuns nicht durch innere Vorbehalte entziehen. Es ist also verfehlt, wenn der BGH denjenigen, der auf Grund eines gemeinsamen Planes mit Tötungsvorsatz das Opfer aus einem fahrenden Wagen wirft (VRS 23 207 ff), der bei einer Vergewaltigung die Nötigung ausführt (bei Daliinger MDR 1973 17) oder gar bei einem gemeinschaftlichen Mord den tödlichen Stich führt (bei Daliinger MDR 1974 547), nur als Gehilfen bestraft, weil ein — als psychologisches Faktum ganz ungreifbarer — 191

192

(67)

Ganz übereinstimmend Herzberg TuT § 5 II 2 a ; ferner Samson SK AT, 2. Aufl., § 2 5 Rdn. 47. Übereinstimmend vor allem Stratenwerth A T I, 2. Aufl., Rdn. 825/26; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25 Rdn. 47.

§25

2. Abschnitt. Die Tat

„Täterwille" gefehlt habe. Selbst der Umstand, daß jemand sich nur unter dem Druck seiner Komplizen an der Ausführung beteiligt, schließt (abgesehen von entschuldigenden Notstandssituationen) seine Mittäterschaft nicht aus (so zutr. die bei Dallinger MDR 1966 197 angeführten unveröffentl. BGH-Entscheidungen). 133

Die Frage, ob ein Tatbeitrag im Ausführungsstadium die für eine Mittäterschaft erforderliche Erheblichkeit erreicht, ist nur unter Einbeziehung aller Umstände des konkreten Geschehensablaufes zu beantworten. Sie ist im Zweifel dann zu bejahen, wenn ein Tatbeitrag auf Grund eines vor der Ausführung besprochenen gemeinsamen Planes geleistet wird; denn ein Beitrag, der für die Durchführung als von vornherein irrelevant erscheint, wird kaum verabredet werden. Beim späteren Hinzutritt eines weiteren Beteiligten wird dagegen öfters nur eine begleitende Unterstützung geringfügiger Art und damit eine Beihilfe vorliegen. Der häufige Fall des „Schmierestehens" wird in der Regel im Sinne der Mittäterschaft zu entscheiden sein (vgl. Rdn. 108) 193 .

134

4. Die sukzessive Mittäterschaft. Die sukzessive Mittäterschaft, d. h. der mittäterschaftsbegründende Eintritt in eine schon begonnene Ausführungshandlung, ist unbestrittenermaßen möglich und bietet als solche keine rechtlichen Probleme. Wer also bei einer Widerstandshandlung hinzukommt und sich nun an weiteren Angriffen auf den Vollstreckungsbeamten beteiligt (§113 StGB), oder wer bei einem Diebstahl nach geschehener Entwendung eines Teils der Beute bei der Wegnahme der restlichen Stücke mitwirkt, ist Mittäter; Voraussetzung dafür ist natürlich, daß die nachträgliche Beteiligung im Einverständnis aller Mitwirkenden erfolgt (Rdn. 119 ff) und nicht etwa selbständig und auf eigene Rechnung geschieht. Eine sukzessive Mittäterschaft soll nach der Rspr. während des gesamten Ausführungsstadiums möglich sein, also auch noch zwischen formeller Vollendung und materieller Beendigung der Tat (RGSt. 71 193, 194; OGHSt. 3 3). Wer also nur den Abtransport der schon weggenommenen Diebstahlsgegenstände besorgt, ist danach Mittäter 1 9 4 . Allerdings muß eine Förderung noch möglich sein. Ist dies nicht der Fall, „weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und weil das Tun des Eintretenden auf den weiteren Ablauf des Geschehens ohne Einfluß bleibt, kommt mittäterschaftliche Mitwirkung trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht" (BGH bei Dallinger M D R 1975 366).

135

Darüber hinaus rechnet die neuere Rspr. einem nachträglich hinzukommenden Mittäter auch solche Erschwerungsgründe zu, die schon vor seinem Eintritt verwirklicht worden sind. In der Leitentscheidung BGHSt. 2 344 hatte ein zunächst allein handelnder Dieb eine Verkaufsbude aufgebrochen, einen Teil der Lebensmittel entwendet, in die Wohnung des bisher uneingeweihten Angeklagten gebracht und dann mit diesem gemeinsam den Rest der Beute aus dem Kiosk geholt. Der BGH bestrafte entgegen der Rspr. des RG (RG Rspr. 8 80; RG JW 1923 756; 1924 1436; RGSt. 59 79, 82) den später Hinzukommenden als Mittäter aus dem erschwerten Tatbestand des § 243 Abs. 1 Nr. 2 a.F. StGB, obwohl der Erschwerungsgrund schon I 9 3 Anders insoweit Samson SK AT, 2. Aufl., § 25 Rdn. 47. •94 Vorausgesetzt, daß man eine Unterscheidung von formeller Vollendung und materieller Beendigung beim Diebstahl überhaupt anerkennt; dagegen mit eingehender Begründung Roxin-Schünemann-Haffke Strafrechtl. Klausurenlehre, 2. Aufl. (1975) 230f; Herzberg TuT § 5 III 2. Vgl. ferner § 26, Rdn. 19, § 27, Rdn. 22. (68)

Täterschaft (Roxin)

§25

vor seinem Eintritt in den Tatplan abgeschlossen vorlag. „Wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen als Mittäter eintritt, so bezieht sich sein Einverständnis auf einen verbrecherischen Gesamtplan, und das Einverständnis hat die Kraft, daß ihm auch das einheitliche Verbrechen als solches strafrechtlich zugerechnet wird" (BGHSt. 2 344, 346). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der zuerst allein Handelnde die Tat nach dem ersten Teilabschnitt als beendet angesehen und erst nachträglich auf Grund eines neuen Tatentschlusses den Komplizen für die Fortführung des Diebstahls herangezogen hatte. Der BGH stützt sich im wesentlichen auf das Argument, daß nach ständiger Rspr. dem Gehilfen unabhängig vom Zeitpunkt seiner Unterstützung alle vom Täter verwirklichten Erschwerungsgründe zuzurechnen seien (RGSt. 52 202) und daß es keinen einleuchtenden Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Beihilfe und Mittäterschaft gebe. Die spätere Rspr. ist dem im wesentlichen gefolgt (BGH G A 1966 210 = bei Daliinger MDR 1966 197; bei Daliinger MDR 1969 533). Wenn allerdings bei Begehung eines Raubes jemand erst nach Ausübung der Gewalt hinzukommt, soll er zwar Mittäter nach § 249 StGB, nicht aber auch Mittäter der durch die Gewaltanwendung gleichzeitigverwirklichten und schon abgeschlossen vorliegenden Körperverletzung sein können (BGH MDR 1969 533). Das OLG Frankfurt (NJW 1969 1915) hat bei der Wegnahme von Sachen aus einem schon vorher erbrochenen Kiosk die Zurechnung der Einbruchsmerkmale wegen bereits abgeschlossener Vortat abgelehnt, dabei aber betont, daß auch der Entscheidung BGHSt. 2 344 die in Täterschaft, S. 289 ff, angegebenen, „nach Meinung des Senats triftigen Erwägungen" entgegenstünden. Das Schrifttum ist der Rspr. des BGH anfangs überwiegend gefolgt 19 ^, während 136 eine an Anhängern ständig zunehmende, inzwischen fast gleich starke Gegenmein u n g 1 9 6 die Anrechnung vorher verwirklichter Erschwerungsgründe in Übereinstimmung mit der älteren Rspr. ablehnt. Diese Ablehnung verdient Beifall 1 9 7 . Wenn Mittäterschaft Mitherrschaft ist, kann sie nur so weit reichen, wie bestimmte Qualifikationsmerkmaie in funktionsbedingter Arbeitsteilung verwirklicht werden ; was vor dem Eintritt in den Tatplan geschehen ist, entzieht sich jeder Mitbeherrschung. Aber selbst vom Standpunkt der subjektiven Theorie aus kann eine nachträgliche Kenntnisnahme nicht als ein „Täterwille" gedeutet werden, der jedenfalls beim Geschehen selbst vorliegen und das Handeln aller Beteiligten schon zu diesem Zeitpunkt mitbestimmen müßte. Auch kriminalpolitisch ist die Lösung des BGH unpraktikabel. Denn ob derjenige, der das Qualifikationsmerkmal verwirklicht, bei der späteren Hinzuziehung eines Komplizen auf Grund eines von vornherein gefaßten Gesamtplanes oder eines neuen Tatentschlusses handelt, kann der nachträglich Dazukommende nur selten wissen und ist auch für die Beurteilung seiner Strafwürdigkeit gleichgültig.

'95 Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 3 d ; Blei AT, 17. Aufl., § 72 II; Busch Vorauf!, § 47, Rdn. 17; Dreher 37. Aufl., § 25, Rdn. 9; Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 II 2; Lackner 11. Aufl., § 25, 2 b a a ; Maurach AT, 4. Aufl., §49 III 1; Niese NJW 1952 1176ff; Preisendanz 29. Aufl., § 25, II 7; Welzel 11. Aufl., § 15 IV 1. Ohne eigene Stellungnahme Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25 Rdn. 63. •96 Bockelmann AT, 2. Aufl., § 23 III 1 ; Eser Strafr. II, 2. Aufl., Fall 40, Rdn. 1 6 - 1 9 ; Herzberg TuT § 5 III 2; Täterschaft, S. 289f; Sax Nottarp-Festschr. (1961) S. 136f; Schilling Der Verbrechens versuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975) 105; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 820, 873 f; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/21 ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 25 Rdn. 48. 197 Eingehende Begründung in Täterschaft, S. 289—292. (69)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

137

Unter den die Rspr. des BGH ablehnenden Autoren ist weiterhin strittig, ob der nach Verwirklichung eines Erschwerungsmerkmals Hinzukommende wenigstens wegen Beihilfe zum erschwerten Tatbestand bestraft werden k a n n 1 9 8 oder ob auch insoweit eine Anrechnung des Erschwerungsgrundes unterbleiben muß 1 9 9 . In diesem Punkt ist der Rspr. zuzustimmen, die eine Anrechnung der Erschwerungsumstände zuläßt. Denn die Beihilfe ist — anders als die Mittäterschaft — akzessorisch; der Gehilfe wird nicht für die eigene Mitverwirklichung des Tatbestandes, sondern dafür bestraft, daß er fremdes Handeln fördert. Dabei kann es auf den Zeitpunkt der Förderung nicht ankommen: Wer dem eingeschlossenen Einbrecher auf Grund eines plötzlichen Entschlusses eine Strickleiter durch das Fenster wirft, an der dieser sich mit der Beute herablassen kann, hat Beihilfe zum Einbruchsdiebstahl geleistet, auch wenn die Qualifikation im Zeitpunkt des Hinzutritts bereits verwirklicht war. So wäre auch in BGHSt. 2 344 neben der Mittäterschaft beim einfachen Diebstahl eine Beihilfe zu § 243 Abs. 1 Nr. 2 a.F. StGB anzunehmen gewesen, weil der zuerst Handelnde die Beute nicht allein hatte abschleppen können, so daß der später Hinzutretende ihm insoweit auch im Hinblick auf den Einbruch geholfen hat.

138

Im Schrifttum wird teilweise die Meinung vertreten, daß die Problematik der Anrechnung von Erschwerungsgründen bei der sukzessiven Mittäterschaft ihre praktische Bedeutung heute weitgehend verloren habe, nachdem § 243 StGB nur noch eine Strafzumessungsregel sei 2 0 0 . Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Rspr. ζ. B. auch im Verhältnis von Raub und Diebstahl eine Anrechnung bereits abgeschlossener Erschwerungsgründe vornimmt (bei Dallinger MDR 1969 553) und daß auch im Verhältnis der §§ 242, 243 StGB zueinander die Frage für die Strafrahmenwahl bei der Strafzumessung noch ähnliche Bedeutung hat wie zuvor 2 0 1 .

139

5. Der Versuch bei der Mittäterschaft. Der Versuch beginnt für jeden einzelnen der Mittäter in dem Augenblick, da einer von ihnen zur Tatausführung unmittelbar ansetzt 2 0 2 . Hat also bei einem Raube einer der Mittäter nach dem gemeinsamen Tatplan mit der Gewaltausübung begonnen, so sind, wenn die Tat in diesem Stadium scheitert, alle wegen versuchten Raubes zu bestrafen, auch wenn sie zu der ihnen angesonnenen Wegnahme noch nicht angesetzt haben, bei isolierter Betrachtung sich also noch im Vorbereitungsstadium befinden. Es folgt dies aus dem Umstand, daß Mittäterschaft gemeinsame Tatherrschaft ist. Da jeder einzelne durch eine Funktion im Rahmen des Geschehens die gesamte Tatbestandsverwirklichung mitbeherrscht und folglich auch an jedem Einzelakt als Mitträger der Tatherrschaft beteiligt ist, ist notwendig auch das „Ansetzen" des einzelnen zur Ausführung ein Versuch aller. Diese (von Schilling) sog. „Gesamtlösung" ist auch kriminalpolitisch allein befriedigend, weil sonst Zufälligkeiten der Rollenverteilung und der Aufeinanderfolge der verschiedenen Tatbeiträge bei vorzeitiger Entdeckung der Tat ohne einleuchtenden Grund dazu führen könnten, daß verschiedene Mittäter teils wegen versuchter Tat bestraft, teils auf Grund bloßer Vorbereitung freigesprochen werden müßten. 198 So Täterschaft, S. 290 f. 199 So zuletzt Herzberg TuT, 4. Teil, bei und in Anm. 37; Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 40, Rdn. 20. 200 Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25 Rdn. 63; Schmidhäuser AT, 2. Aufl. 14/21. 201 Vgl. Eser Strafr. II, 2. Aufl., Fall 40, Rdn. 15. 202 Durchaus h.M.; Täterschaft, S. 452 ff; Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 IV 1 ; Lackner 11. Aufl., § 22, 1 b bb; Maurach AT, 4. Aufl., § 49 III 3 a. (70)

Täterschaft (Roxin)

§25

Demgegenüber hat Schilling2°3 die von ihm sog. Einzellösung entwickelt, der zu- 140 folge der Tatbeitrag jedes Mittäters für sich genommen auf seine Versuchsqualität hin untersucht werden muß. „Mit dem Vollzug des eigene Tatherrschaft begründenden Beitrags liegt für den einzelnen Beteiligten ein beendeter Versuch vor" 2 0 4 . Danach soll im Falle der Entscheidung BGHSt. 11 268 ff (Sachverhaltsschilderung Rdn. 124) schon mit der Verabredung des evtl. Schußwaffengebrauchs für die Komplizen des späteren Schützen ein Versuch gegeben sein 2 0 5 . Andererseits soll bei einem gemeinschaftlichen Giftmord „in Raten" derjenige, der dem Opfer die letzten Teilmengen beibringen soll, nicht schon mit der Verabredung und auch nicht mit der Giftbeibringung durch seine Mittäter, sondern erst dann ins Versuchsstadium eintreten, wenn „er die selbst übernommenen Dosen zuführt" 2 0 6 . Eine solche Annahme wird aber der Struktur der Mittäterschaft (vgl. Rdn. 139) nicht gerecht; sie führt auch zu einer Ungleichmäßigkeit in der Bestimmung der Versuchsgrenze, die mit dem Grundgedanken des § 22 StGB schwerlich zu vereinbaren ist. Einen Mittelweg zwischen Gesamt- und Einzellösung hat das RG in einer frühen 141 Entscheidung (RGSt. 9 3 ff) zu gehen versucht. Hier lag es so, daß ein Ehepaar einen Diebstahl hatte begehen wollen, und daß der Mann, als die beiden entdeckt wurden, damit beschäftigt war, die Küchentür aufzubrechen, während die Frau, die die Sachen mit wegnehmen sollte, noch untätig daneben stand. Das RG meinte, wer „in keinerlei Art bei der Versuchshandlung des anderen aus der Untätigkeit herausgetreten" sei, könne „nicht wegen des bloßen Versprechens und Vorsatzes, dies demnächst tun zu wollen, schon als Mittäter betrachtet werden". Eine eigene Versuchshandlung sei aber auch nicht erforderlich; vielmehr genüge es, wenn der gemeinsame Plan für den Zeitpunkt der Versuchshandlung des anderen irgendein Tun oder Verhalten vorgeschrieben „habe, das sich von dem Tun oder Verhalten eines unbeteiligten Dritten unterschied". Dieses Verhalten könne „unter dem Minimum der Tätigkeit geblieben sein, welche man für die Mittäterschaft an der vollendeten Tat erfordern dürfte" 2 0 7 . Eine solche Auffassung, die übrigens mit der subjektiven Theorie nicht zu vereinbaren ist, wird bei einer Anwesenheit am Tatort in der Regel zur Annahme eines mittäterschaftlichen Versuchs und damit zum richtigen Ergebnis führen; sie hebt aber zu sehr auf den äußeren Eindruck ab, während der Versuchsbeginn vom Tatplan her bestimmt werden muß, demzufolge hier in jedem Falle eine Versuchsstrafbarkeit der Frau zu bejahen war. V. Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen und bei fahrlässiger Tat 1. Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen. Die Frage, ob ein erfolgsab- 142 Wendungspflichtiger Unterlassender, der die deliktische Handlung eines anderen nicht verhindert, Täter oder Teilnehmer sei, wird von der Rspr. nach denselben Kriterien beurteilt wie bei Begehungsdelikten. Das RG hat also im Sinne der subjektiven Theorie darauf abgestellt, ob der Unterlassende den Täter- oder Teilnehmerwillen hatte (vgl. Rdn. 12 ff), wobei im Verhältnis zu einem vorsätzlichen Begehungstäter meist eine Beihilfe des Unterlassenden angenommen wurde. Zu nennen sind: RGSt. 53 292; 58 244, 247; 64 273, 275; 66 71, 75; 69 349; 73 53, 54.

203

204 205 206 207 (71)

Der Verbrechensversuch des Mittäters und des mittelbaren Täters (1975). w i e Anm. 203, S. 112. w i e Anm. 203, S. 112/13. w i e Anm. 203, S. 114. RGSt. 9 6 / 7 .

§25

2. Abschnitt. Die Tat

143

Der BGH hat sich bisher in fünf Entscheidungen mit der Frage befaßt 2 0 8 und dabei die verschiedenen Ansätze seiner Rspr. (vgl. Rdn. 14—21) in wechselnder Weise auf die Unterlassungen übertragen. BGHSt. 2 150 ff bestraft eine Frau, die den Selbstmord ihres Mannes nicht verhinderte, als Täterin eines Totschlages durch Unterlassen und zieht dabei den Gedanken der Tatherrschaft heran 2 0 9 : Regelmäßig habe „der Hilfspflichtige die volle oder doch einen großen Teil der Herrschaft über die Sachlage" und könne ihr „durch sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben". Demgegenüber sei „ein innerer Vorbehalt unbeachtlich, den Tod nicht als die Folge eigener Verursachung zu wollen" (aaO, S. 156). In einer zweiten Entscheidung (BGH LM Nr. 10 vor § 47) 2 1 0 hatte der Angeklagte als Vater tatenlos zugesehen, wie die Mutter das neugeborene Kind ertränkte. Hier will der BGH die Beteiligungsform „nach der inneren Haltung des Angeklagten zur Tat und zum Erfolg" beurteilen und dabei „Willensrichtung, Tatherrschaft und Interesse am Taterfolg unter Berücksichtigung des Umfangs der eigenen Tatbestandsverwirklichung" ins Auge fassen. BGHSt. 13 162ff 2 1 1 behandelt wieder einen Fall der unterlassenen Selbstmordhinderung, kommt hier aber abweichend von BGHSt. 2 150 auf Grund rein subjektiver Abgrenzung zur Annahme einer (straflosen) Beihilfe. Die Umstände sprächen dafür, daß der Angeklagte „das zum Tode seiner Schwiegermutter führende, von ihr selbständig herbeigeführte G e s c h e h e n . . . nicht beherrschen wollte, daß ihm also der ,Täterwille' gefehlt" habe. Dieser Wille sei „auch bei Begehen einer verlangten Tötung durch Unterlassen erforderlich" (aaO, S. 166). BGH M DR 1960 939 f 2 1 2 kehrt dann aber für die Nichthinderung eines Selbstmordes der Sache nach wieder zu einer objektiven Abgrenzung zurück, indem der Täterwille der Angeklagten daraus gefolgert wird, daß sie, als der Verlobte „sich in die Schlinge hatte fallen lassen und bewußtlos war, die volle und alleinige Tatherrschaft" innehatte. Die bisher letzte Entscheidung zum Thema, BGH NJW 1966 1763 behandelt einen Fall, in dem eine Gastwirtin es geduldet hatte, daß Stammgäste einer jungen Frau Haare abgeschnitten hatten 2 1 3 . Dabei hebt das Urteil für die Abgrenzung zunächst auf die LM Nr. 10 vor § 47 genannten objektiven Kriterien ab, stützt die Täterschaft der Angeklagten dann aber allein auf das subjektive Merkmal, daß sie „das Treiben der vier männlichen Täter" billigte.

144

Gegenüber dieser schwankenden und uneinheitlichen Rspr. steht eine im Schrifttum verbreitete Meinung auf dem Standpunkt, daß ein unterlassender Garant neben einem vorsätzlich handelnden Begehungstäter grundsätzlich nur Gehilfe sein könne. Die Tatherrschaft geht nach dieser Auffassung „erst dann auf den Unterlassenden über, wenn der Handelnde den Tatablauf nicht mehr beherrscht" 2 1 4 .

208

209 210 211 212 213 214

Eingehende Analyse und kritische Erörterung der Entscheidungen in Täterschaft, S. 489 ff; 57Iff. Näher Täterschaft, S. 91 f. Näher Täterschaft, S. 95 f. Näher Täterschaft, S. 101 f. Näher Täterschaft, S. 103 f. Näher Täterschaft, S. 571 f. Jescheck AT, 2. Aufl. Ferner vor allem Gallas JZ 1952 372 ; ders. Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) 187, bei und in Anm. 67; Kielwein GA 1955 227. Aus der jüngsten Literatur sind weiter zu nennen: Bockelmann AT, 2. Aufl., § 26 I 2; Lackner 11. Aufl., § 27, 4; ähnlich Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 17/12. Auf die Tatherrschaft abstellend auch Maurach AT, 4. Aufl., § 52 II A 2 a. (72)

Täterschaft (Roxin)

§25

Die Versuche, Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungen mit Hilfe des 145 „Täterwillens" oder der „Tatherrschaft" zu trennen, sind jedoch grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt. Dabei sprechen gegen die subjektive Theorie, die schon bei Begehungsdelikten abzulehnen ist (Rdn. 22 ff), hier noch zusätzliche Argumente. Denn da der Unterlassende per definitionem völlig untätig bleibt — selbst eine verbale Ermunterung wäre schon aktive Beihilfe — gibt es für die Annahme eines Täter- oder Teilnehmerwillens keinerlei Anhaltspunkte im äußeren Geschehen. Man kann daher nur darauf abstellen, ob der Unterlassende dem Geschehen mehr (dann Täterschaft) oder weniger (dann Teilnahme) erfreut seinen Laufließ. Das führt aber zu einer Bestrafung nach der Gesinnung, die dem Unrechtscharakter der Beteiligungsformen nicht gerecht wird. Auch entziehen sich solche rein inneren Regungen nachträglicher gerichtlicher Feststellung, so daß die Abgrenzung sich in erheblicher Rechtsunsicherheit verliert. Schließlich ist zu bedenken, daß die innere Einstellung auch beim unterlassenden „Alleintäter" sehr unterschiedlich sein kann, ohne daß dies an seiner Täterschaft etwas zu ändern vermöchte. Aber auch die Tatherrschaft ist bei Unterlassungstaten kein geeignetes Kriterium 146 zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Denn die Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden, die in der Rspr. zur Begründung der Tatherrschaft herangezogen worden ist, ist eine Voraussetzung jeder Unterlassung, (auch einer etwaigen Teilnahme durch Unterlassen), so daß danach Unterlassen und Tatherrschaft identisch sein müßten. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt so, daß ein Unterlassender niemals die Tatherrschaft hat. Diese setzt eine Gestaltung des Geschehensablaufs voraus (vgl. näher Rdn. 26 ff), an der es bei völligem Nichtstun notwendig fehlt. So wenig die Unterlassung kausal oder final ist, so wenig kann sie eine Tatherrschaft begründen. Wenn also einige Autoren (Rdn. 144) dem Unterlassenden, sofern zwischen ihm und dem Erfolge ein vorsätzlicher Begehungstäter steht, die Tatherrschaft allemal absprechen, so ist das durchaus richtig. Sie übersehen aber, daß ein Unterlassender auch dann nicht zum Tatherrn wird, wenn ein Begehungstäter das Geschehen nicht oder nicht mehr in der Hand hat. Eine andere Auffassung läßt sich auch in diesen Fällen wiederum nur auf die Erfolgsabwendungsmöglichkeit stützen, die erstens keine Tatherrschaft ergibt und zweitens auch beim Dazwischenstehen eines Begehungstäters notwendige Haftungsvoraussetzung ist. Richtigerweise ist davon auszugehen, daß die Unterlassungsdelikte Pflichtdelikte 147 sind (zu diesem Begriff Rdn. 29 ff), bei denen nicht wie bei den meisten Begehungsdelikten zwischen Täterschaft und Teilnahme nach der äußeren Art des Tatbeitrages differenziert werden kann. Täter ist vielmehr, sofern der Tatbestand überhaupt durch Unterlassen verwirklicht werden kann, jeder, der die außerstrafrechtliche Sonderpflicht (die Erfolgsabwendungspflicht) verletzt, deren Innehabung Voraussetzung der Tatbestandserfüllung ist. Der Vater, der sein Kind nicht vor dem Tode bewahrt, obwohl ihm dies möglich und zuzumuten war, ist also unabhängig von innerer Einstellung und Tatherrschaft als Täter eines Totschlages durch Unterlassen zu bestrafen, einerlei, ob das Kind von einem anderen umgebracht wird oder als Opfer eines Unfalls in die hilfsbedürftige Lage gerät. Es besteht auch deshalb kein berechtigter Grund, etwa im ersten Falle stets Beihilfe und im zweiten stets Täterschaft anzunehmen, weil es in der konkreten Situation sehr viel leichter sein kann, eine Straftat (ζ. B. durch Drohung mit Anzeige) zu verhindern, als ein Kind aus dem Wasser oder den Flammen zu retten, in die es durch einen Unglücksfall geraten ist. Zwar ist es richtig, daß nach dem Maßstab der Tatherrschaft der Unterlas(73)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

sende im Verhältnis zu einem vorsätzlichen Begehungstäter stets nur Gehilfe sein könnte. Da dieses Kriterium jedoch bei Pflichtdelikten nicht maßgeblich und eine Abgrenzung mit seiner Hilfe auch unabhängig davon undurchführbar ist (Rdn. 146), kann es darauf nicht ankommen. 148

Die Auffassung, daß die Täterschaft bei unechten Unterlassungsdelikten nur die Tatbestandserfüllung durch einen Erfolgsabwendungspflichtigen voraussetzt, wird auch durch den neuen § 13 gestützt. Denn der Gesetzgeber hat auf die noch im E 1962 enthaltene Wendung, daß der Unterlassungsdelinquent „als Täter oder Teilnehmer" strafbar sei, nach der Begründung des Sonderausschusses 2 1 5 nur deshalb verzichtet, „um nicht in den dogmatischen Streit um die Frage einzugreifen, ob bei den Unterlassungsdelikten überhaupt eine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme möglich ist"; der Lehre von der generellen Täterschaft des Erfolgsabwendungspflichtigen ist also ausdrücklich Raum gegeben worden. Da der Gesetzgeber außerdem der Forderung 2 1 6 nach einer fakultativen Strafmilderung für den Unterlassungstäter in § 13 Abs. 2 entsprochen hat 2 1 7 , ist auch das Argument entkräftet, daß eine Bestrafung des Unterlassenden als Täter der im Verhältnis zum „positiven Tun" meist geringeren Strafwürdigkeit seines Verhaltens nicht gerecht werde; es galt ohnehin für das Unterlassen ganz allgemein, so daß das Problem auch nach früherem Recht nicht gelöst werden konnte, indem man nur für einzelne Fallgruppen auf den Beihilfestrafrahmen zurückgriff.

149

In den vom BGH entschiedenen Fällen (Rdn. 143) ist demnach stets Täterschaft anzunehmen, soweit eine Erfolgsabwendungspflicht des Unterlassenden zu bejahen ist. Das Vorliegen einer täterschaftsbegründenden Pflichtenstellung kann freilich im Einzelfall sehr zweifelhaft sein; doch ist dies ein Problem der Unterlassungsdogmatik (vgl. im einzelnen die Erl. zu § 13) und nicht der Teilnahmelehre. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß in den Fällen unterlassener Selbstmordhinderung, die in der neueren Rspr. im Vordergrund gestanden haben, eine Erfolgsabwendungspflicht abzulehnen ist, wenn es sich um den selbstverantwortlichen Suizid eines Erwachsenen handelt 2 1 8 ; Täterschaft und Strafbarkeit sind also aus diesem Grunde und nicht wegen etwa fehlenden Täterwillens abzulehnen.

150

Eine Teilnahme durch Unterlassen kommt danach vornehmlich nur dann in Frage, wenn ein Tatbestand auch bei bestehender Erfolgsabwendungspflicht durch Unterlassen nicht verwirklicht werden kann; da Täterschaft Tatbestandsverwirklichung ist (Rdn. 26), kann ein pflichtwidriges, aber nicht tatbestandsmäßiges Unterlassen nur als Teilnahme bestraft werden 2 1 9 . Das gilt zunächst für eigenhändige Delikte (Rdn. 35): Wer als Garant einen Verwandtenbeischlaf (§ 173, die Blutschande des früheren Rechts) nicht abwendet, hat gleichwohl keinen strafbaren Beischlaf durch Unterlassen vollzogen, sondern leistet durch seine Untätigkeit nur Beihilfe zur Begehungstat der Verwandten. Entsprechendes gilt für die den eigenhändigen nahestehenden höchstpersönlichen Pflichtdelikte (Rdn. 36), zu denen namentlich die 215 BT-Drucks. V/4095, S. 8. 216 Dazu eingehend Täterschaft, S. 501 ff. 217 Über die Fälle, in denen von dieser Milderung Gebrauch zu machen ist, vgl. näher Roxin in: Roxin-Stree-Zipf-Jung Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) 7—10. 218 Zur Begründung Täterschaft, S. 473 ff; Roxin Die Mitwirkung beim Suizid — ein Tötungsdelikt?, in: Festschrift für Dreher (1977) S. 331 ff m. w. Nachw. 219 Vgl. zu den verschiedenen Fallgruppen näher Täterschaft, S. 479 ff; übereinstimmend Rudolph,i Die Gleichstellungsproblematik und der Gedanke der Ingerenz (1966) 63; ders. SK AT, 2. Aufl., Rdn. 41 vor § 13. (74)

Täterschaft (Roxin)

§ 2 5

Aussagestraftaten zählen: Wer einen Meineid pflichtwidrig nicht abwendet, kann gleichwohl nicht Täter, sondern stets nur Gehilfe eines Meineides durch Unterlassen sein. Es gilt schließlich für qualifizierte Herrschaftsdelikte wie die Zueignungsdelikte, bei denen die Tatbestandserfüllung durch Begehen über die Tatherrschaft hinaus an Kriterien gebunden ist, die durch Unterlassen nicht zu verwirklichen sind. Der Nachtwächter, der den Diebstahl der ihm anvertrauten Sachen nicht verhindert, kann sie sich durch seine Untätigkeit nicht zueignen und deshalb nur wegen Beihilfe durch Unterlassen bestraft werden. Eine weitere, weniger bedeutsame Fallgruppe der Teilnahme durch Unterlassen 151 ist die, daß ein Garant eine von ihm zu verhindernde Beihilfehandlung geschehen läßt220. Wenn jemand nicht dagegen einschreitet, daß sein Sohn sich der Beihilfe zu den Delikten anderer schuldig macht, kann er auch selbst nur als Gehilfe durch Unterlassen bestraft werden, weil er von vornherein nur für die Verhinderung eines Beihilfeerfolges einzustehen hatte (er ist gewissermaßen Unterlassungstäter einer Beihilfe). Die Auffassung, daß Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungsdelikten nicht 152 nach den Merkmalen des „Täterwillens" oder der „Tatherrschaft" abgegrenzt werden können, ist im Schrifttum heute wohl schon herrschend 2 2 1 . Sie ist von Griinwald222 und Armin Kaufmann223 begründet worden, die beide eine Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme in diesem Bereich überhaupt ablehnen. Die in diesem Kommentar vertretene Lehre, wonach der Unterlassende grundsätzlich Täter ist, in den Rdn. 150, 151 genannten Fällen aber auch Gehilfe sein kann, wird geteilt von Rudolph^24, während Stratenwerth225 bei sonst völliger Übereinstimmung in den Ergebnissen die Beihilfemöglichkeit bei den in Rdn. 151 genannten Fallkonstellationen unerwähnt läßt. Nach einer weiteren Konzeption, die ursprünglich von Schröder226 stammt und 153 später vor allem von Herzberg227 aufgenommen worden ist, muß nach der Art der Garantenstellung unterschieden werden: Beschützergaranten, die ein bestimmtes Rechtsgut „rundum" zu verteidigen haben (so, wie etwa Eltern ihr Kind vor sämtlichen Gefahren schützen müssen), sollen stets Unterlassungstäter sein, während Überwachungsgaranten, die nur bestimmte Gefahrenquellen überwachen müssen (so, wie ein geladenes Gewehr oder Gift vor dem Zugriff eines Mörders zu schützen sind), lediglich wegen Beihilfe durch Unterlassen bestraft werden sollen, wenn sie die vorsätzliche Begehungstat eines anderen nicht verhindern. Eine solche Unter-

220 Rudolphi SK AT, 2. Aufl., Rdn. 42 vor § 13. 221 Vgl. Lackner 11. Aufl., § 27, 4: die animus-Formel werde „der andersartigen Struktur des Unterlassens nicht gerecht", sowie Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 27, Rdn. 18: eine Beherrschbarkeit „durch Nichtstun" werde „von der h. L. heute zu Recht verneint". 222 Die Beteiligung durch Unterlassen, G A 1959 110 ff. 223 Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 291 ff; ihm folgend Welzel 11. Aufl. § 2 8 V 2. 224 Die Gleichstellungsproblematik (o. Anm. 219), S. 1 3 8 - 1 4 9 ; SK AT, 2. Aufl., vor § 13, Rdn. 3 7 - 4 0 . 225 AT I, 2. Aufl., Rdn. 1175 ff. 226 Vgl. zuletzt Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25, Rdn. 80 ff; daran anschließend Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 27, Rdn. 22ff. 227 Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972) 257—273; TuT § 6 I, II; im Erg. ähnlich Schünemann Grund und Grenzen der Unterlassungsdelikte (1971) 377 f. (75)

§25

2. Abschnitt. Die Tat

Scheidung ist jedoch nicht hinreichend plausibel, weil der Unterlassende für die Abwendung des Erfolges in beiden Fällen gleichermaßen einzustehen hat, eine Abstufung nach täterschafts- und beihilfebegründenden Garantenstellungen im Gesetz also keine Stütze findet228; die Überlegung, daß bei der NichtÜberwachung von Gefahrenquellen die Hauptverantwortung den Begehungstäter treffe, greift in versteckter Weise auf das Tatherrschaftsprinzip zurück, das in diesem Bereich untauglich ist 2 2 9 . 154

Eine Unterlassungstäterschaft ist nicht nur als Einzeltäterschaft, sondern auch als Mittäterschaft möglich 2 3 0 : Sie liegt vor, wenn mehrere Unterlassende vereinbarungsgemäß ein und dieselbe Erfolgsabwendungspflicht verletzen (RGSt. 66 74: Vater und Mutter lassen gemeinsam ihr Kind unversorgt; mehrere Gefangenenwärter lassen nach gemeinsamem Plan Gefangene durch Untätigkeit entkommen, § 120 Abs. 2; oder zwei Vermögensverwalter unterlassen einvernehmlich Maßnahmen zur Wahrung der ihnen anvertrauten Werte, § 266). Freilich hat die Rechtsfigur eines in Mittäterschaft begangenen Unterlassens keine besondere praktische Bedeutung, weil ohnehin jeder der Beteiligten für sich Täter eines Unterlassungsdeliktes ist 2 3 1 . Ein Aufeinander-Angewiesen-Sein mehrerer Unterlassender ist allein in den seltenen Fällen gegeben, wo die geforderte Handlung nur gemeinsam erbracht werden kann (Ehegatten unterlassen die Angabe der gemeinsamen Steuererklärung 232 ; ein Tresorraum, in dem jemand eingeschlossen ist, kann nur von zwei Inhabern verschiedener Schlüssel gemeinsam geöffnet werden 2 3 3 ). Auch zwischen einem Begehungs- und einem Unterlassungstäter ist bei Pflichtdelikten (nur bei ihnen!) Mittäterschaft möglich; näher dazu Rdn. 111, 112.

155

Dagegen ist die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft durch Unterlassen abzulehnen 2 3 4 . Zwar wird teilweise eine mittelbare Täterschaft angenommen, wenn ein Garant die Begehungstat eines „Werkzeugs" nicht verhindert, wenn also etwa ein Irrenwärter gegen die Tat des ihm anvertrauten Geisteskranken nicht einschreitet 2 3 5 . Da jedoch auch in solchen Fällen lediglich ein Garant die Abwendung des Erfolges unterläßt, strukturell also im Verhältnis zu anderen zurechenbaren Unterlassungen kein Unterschied vorliegt, sollte man hier von einer unmittelbaren Unterlassungstäterschaft sprechen. Praktische Bedeutung hat die Frage im übrigen nicht. Wenn andererseits jemand mit täterschaftsbegründenden Mitteln einen Garanten zur Unterlassung zwingt (ζ. B. den Vater mit Gewalt an der Rettung seines Sohnes hindert), liegt überhaupt kein Unterlassungsdelikt, sondern eine unmittelbare Begehungstäterschaft vor.

228 Rudolphi SK, 2. Aufl., AT, Rdn. 40 vor § 13. 229 Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1077. Zum ganzen auch Täterschaft, S. 506 ff. 230 Näher Täterschaft, S. 469 f; gegen die Möglichkeit einer Mittäterschaft Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 189; Welzel 11. Aufl., § 28 V 1. 231 Vgl. zum ganzen auch Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1067. 232 Jescheck AT, 2. Aufl., 518. 233 Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1067. 234 Näher Täterschaft, S. 471 f; ebenso Grünwald G A 1959 122; Jescheck AT, 2. Aufl., 511; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 195 ff; Sch.-SchröderCramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 37 ff; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1065. 235 Baumann AT, 8. Aufl., § 36 I 4 a ; Blei AT, 17. Aufl., § 72 II 2; Maurach AT, 4. Aufl., § 48 III 1; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 17/7. (76)

Täterschaft (Roxin)

§25

2. Täterschaft und Teilnahme bei fahrlässigen Taten. Im Regelfall kennt das Ge- 156 setz bei fahrlässigen Delikten keine Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Da die Tatbestandsverwirklichung meist allein an die zurechenbare Erfolgsverursachung anknüpft, bleibt für eine Teilnahme kein Raum. Abgrenzungsmerkmale, wie die der „Tatherrschaft" oder des „Täterwillens", kommen auch, weil zwischen der Vorstellung des Handelnden und dem Erfolg bei den weitaus zahlreicheren Fällen unbewußter Fahrlässigkeit keine Beziehung besteht, von vornherein nicht in Betracht. Bei der bewußten Fahrlässigkeit wären zwar solche Unterscheidungen mutatis mutandis möglich 236 ; da der Gesetzgeber aber bewußte und unbewußte Fahrlässigkeit gleich behandelt, bleiben sie für die fahrlässige Tatbestandserfüllung (und damit für die Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme) irrelevant. Eine fahrlässige Teilnahme liegt insbesondere auch dann nicht vor, wenn zwi- 157 sehen der unvorsätzlichen Handlung und dem Erfolge die vorsätzliche Deliktsbegehung eines anderen steht. Wenn A in der Wirtsstube unvorsichtigerweise ein geladenes Gewehr hängen läßt, mit dem Β später vorsätzlich den C erschießt, so läßt sich eine Straflosigkeit des A jedenfalls nicht, wie es früher oft geschah 237 , mit der Annahme einer fahrlässigen Teilnahme begründen, die nicht unter Strafe stehe. Denn das Argument, daß A bei vorsätzlichem Handeln Gehilfe des Β gewesen wäre und deshalb bei bloßer Fahrlässigkeit „erst recht" nur (strafloser) Teilnehmer sein könne, beruht auf der irrigen Prämisse, daß Täterschaft und Teilnahme bei vorsätzlichen und fahrlässigen Taten nach denselben Gesichtspunkten abgegrenzt werden könnten. Wenn man bei vorsätzlichen Taten einen Rückgriff auf fahrlässige Erstursachen ausschließen will, so ist ein solches „Regreßverbot" 238 eine Frage der Zurechnung zur fahrlässigen Täterschaft und kein Teilnahmeproblem. Das Thema ist also in diesem Zusammenhang nicht näher zu behandeln. Das RG hat in mehreren grundlegenden Entscheidungen (RGSt. 61 318 ff; 64 316 ff; 64 370 ff) ein Regreßverbot und damit die Konstruktion einer fahrlässigen Teilnahme in solchen Fällen ebenso wie eine anders begründete Einschränkung der Fahrlässigkeitshaftung abgelehnt; der BGH hat diese Rspr. fortgesetzt (BGHSt. 4 360ff). Von einer fahrlässigen Teilnahme kann man demnach nur in den Ausnahmefäl- 158 len sprechen, in denen die Täterschaft bei fahrlässigen Delikten an besondere Voraussetzungen gebunden ist, die bei Außenstehenden fehlen. Das ist insbesondere bei höchstpersönlichen Pflichtdelikten (unechten eigenhändigen Straftaten) der Fall (vgl. Rdn. 36). So kann ein fahrlässiges Aussagedelikt nach § 163 StGB als Täter nur begehen, wer selbst falsch aussagt. Wer, ohne selbst aussagen zu müssen, den Täter in seiner falschen Vorstellung leichtsinnig bestärkt, ist als fahrlässiger Teilnehmer straflos. Im Einzelfall können hier schwierige Abgrenzungsfragen entstehen. So liegt es nahe anzunehmen, daß fahrlässige Taten nach §§ 315c Abs. 3 oder 316 StGB nur von dem Fahrer des Kraftfahrzeugs als Täter begangen werden können, so daß Außenstehende, deren Sorglosigkeit zu der Gefahr beiträgt, nur straflose

236 Vgl. dazu Täterschaft, 2. Aufl., S. 551 ff. 237 Vgl. näher Täterschaft, 2. Aufl., S. 542 ff, 575 ff. 238 Vgl. näher Täterschaft, 2. Aufl., S. 542ff, sowie Roxin Gallas-Festschr. (1973) 244ff. Im Schrifttum der letzten Jahre stehen der Regreßverbotslehre mehr oder weniger nahe: Lampe ZStW 71 (1959) 613ff; Naucke ZStW 76 (1964) 409ff; Otto Maurach-Festschr. (1972) 91 ff; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1164; Welp Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung (1968) 27Iff. (77)

2. Abschnitt. Die Tat

§25 239

Teilnehmer s i n d . Doch hat etwa Schröder240 gemeint, es könne „das Delikt des § 315 c in der Weise begangen werden, daß der Täter dem betrunkenen A, dessen Trunkenheit er fahrlässig nicht erkennt, seinen P K W zu einer Fahrt zur Verfügung stellt". D a n n läge also eine strafbare Täterschaft vor. Im einzelnen geht es hier um Auslegungsfragen, deren Behandlung in den Besonderen Teil gehört. 159

Auch eine mittelbare Täterschaft ist nur bei fahrlässigen Pflichtdelikten (Rdn. 29 ff) in der Weise möglich, d a ß ein Sonderpflichtiger den Tatbestand durch ein qualifikationsloses Werkzeug erfüllt, indem ζ. B. ein Amtsträger eine leichtfertige Vollstreckung gegen einen Unschuldigen (§ 345 Abs. 2 StGB) durch einen anderen vornehmen läßt, der nicht unvorsätzlicher Täter dieses Tatbestandes sein kann und deshalb als „leichtfertiger Gehilfe" straflos bleiben muß. Im Regelfall des fahrlässigen Erfolgsdeliktes jedoch liegen zwei fahrlässige Einzeltäterschaften vor, wenn der Erfolg durch zwei hintereinander gestaffelte, von zwei Personen fahrlässig gesetzte Bedingungen herbeigeführt wird (ζ. B. läßt der eine ein geladenes Gewehr achtlos herumliegen, während der zweite es durch eine hinzukommende Sorgfaltswidrigkeit zur Entladung bringt). Da hier die fahrlässige Verursachung allein die Täterschaft begründet, ist für eine Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Täterschaft kein Raum. In entsprechender Weise kann auch eine fahrlässige Mittäterschaft allenfalls bei Pflichtdelikten in Betracht kommen, wenn dieselbe Pflicht durch eine zusammenwirkende Unachtsamkeit in tatbestandserfüllender Weise verletzt wird. Praktische Bedeutung hat eine solche Begriffsbildung aber nicht, da schon jeder für sich Täter ist.

160

VI. Nebentäterschaft. Unter Nebentäterschaft versteht man den Fall, d a ß mehrere Personen gemeinsam einen deliktischen Erfolg herbeiführen, ohne als Mittäter zu handeln (RGSt. 19 141, 145; 55 78, 79; 68 256; BGHSt. 4 20; 7 112; B G H N J W 1966 1823). Das kann vorsätzlich geschehen ( N J W 1966 1823: Mutter und Tochter töten den Familienvater unabhängig voneinander durch jeweils selbständige Verletzungshandlungen) und kommt in der Praxis vor allem bei Teilnahmehandlungen vor, indem j e m a n d durch mehrere unabhängig voneinander auf ihn einwirkende Personen angestiftet wird (RGSt. 14 92, 95; 43 293, 296; 55 78, 80). Am häufigsten aber ist die Nebentäterschaft bei fahrlässigen Taten, wenn die selbständigen Sorgfaltswidrigkeiten mehrerer Personen in einem Erfolg zusammentreffen.

161

Es ist heute anerkannt, daß der Begriff der Nebentäterschaft keine selbständige Bedeutung hat, sondern nur ein nicht-mittäterschaftliches Zusammentreffen von Einzeltäterschaften kennzeichnet. Die Probleme, die bei solchen Konstellationen auftreten, betreffen vor allem die Kausalität des einzelnen Beitrages und lassen sich mit dem Begriff der Nebentäterschaft nicht lösen; er hat deshalb „dogmatisch . . . keinen W e r t " 2 4 1 . Auch die Rechtsfolgen, die der Nebentäterschaft früher für die Einziehung, für den Strafantrag, die Verbindung zusammenhängender Sachen u n d die Revisionserstreckung zugeschrieben wurden, bestehen in Wahrheit nicht, wie zuletzt Finche242 zusammenfassend dargetan hat. Man könnte also auf diesen Begriff verzichten. 239 Vgl. näher Täterschaft, 2. Aufl., S. 572 f. 240 Zuletzt Sch.-Schröder 17. Aufl., Rdn 34 vor § 47; jetzt aufgegeben in: Sch.-Schröder-Cramer\%. Aufl., §25, Rdn. 43. 241 Jescheck AT, 2. Aufl., § 63 II 3. 242 Der Täter neben dem Täter, GA 1975 161 — 176; ablehnend auch Spendel Lange-Festschr. (1976) S. 171. (78)

Vorbemerkungen zu den §§ 26, 27

Vor § 26 Für Anstiftung und Beihilfe gemeinsam geltende Grundsätze Schrifttum zur Teilnahme Vgl. auch die Schrifttumsangaben zu § 25. Bemmann Zum Fall Rose—Rosahl, MDR 1958 817—822; Bemmann Die Umstimmung des Tatentschlossenen zu einer schwereren oder leichteren Begehungsweise, Gallas-Festschr. (1973) 273—280; Bindokat Negative Beihilfe und vorangegangenes Tun, NJW 1960 2318— 2320; v. Buri Zur Lehre von der Teilnahme an dem Verbrechen und der Begünstigung (1860); v. Buri Urheberschaft und Beihilfe, GA 17 (1869) 2 3 3 - 2 4 1 , 3 0 5 - 3 1 4 ; Claß Die Kausalität der Beihilfe, Stock-Festschr. (1966) 115—126; Coenders Die objektive Natur der Beihilfe, ZStW 46 (1925) 1 - 1 2 ; Cramer Teilnahmeprobleme im Rahmen des §330 StGB, GA 1961 9 7 - 1 0 8 ; Cramer Anmerkung zu BGHSt. 19 339, JZ 1965 3 1 - 3 2 ; Dreher Die Kausalität der Beihilfe, MDR 1972 5 5 3 - 5 5 7 = Bemühungen um das Recht (1972) 250—263; Engisch Das Problem der psychischen Kausalität beim Betrug, Festschr. für H. v. Weber (1963) 247—270; Esser Die Bedeutung des Schuldteilnahmebegriffs im Strafrechtssystem, GA 1958 321—333; Franzheim Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat (1961); Freudenthal Die notwendige Teilnahme am Verbrechen (1901); Furtner Verhältnis von Beihilfe und Begünstigung, MDR 1965 431—434; Furtner Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, JR 1966 169-171 ; Gallas Anmerkung zu BGHSt. 8 137, JR 1956 2 2 6 - 2 2 7 ; Gribbohm Ist die Anstiftung zur persönlichen Begünstigung straflos, wenn der Anstifter selbst begünstigt wird? MDR 1961 197-200; Grünwald Der praktische Fall, JuS 1965 3 1 1 - 3 1 5 ; Grünwald Die Begünstigung durch Unterlassen, GA 1959 110—123; Hardwig Nochmals: Betrachtungen zur Teilnahme, JZ 1967 86—89; Haupt Beiträge zur Lehre von der Teilnahme, ZStW 15 (1895) 202—214; Heilborn Der Agent provocateur (1901); Heinze Die Verleitung des Tatentschlossenen zu einer Änderung seiner anfangs geplanten Tat, Diss. Heidelberg 1974; Hergt Die Lehre von der Teilnahme am Verbrechen (1909); Herzberg Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, G A 1971 1 — 12; Hoepfner Über die rechtliche Eigenart von Anstiftung und Beihilfe, ZStW 26 (1906) 5 7 9 - 6 3 1 ; Hoffmann Zur Teilnahmelehre, NJW 1952 9 6 4 - 9 6 4 ; Isenbeck Beendigung der Tat bei Raub und Diebstahl, NJW 1965 2326—2329; Karge Agent provocateur, Diss. Frankfurt 1969; Katzenstein Der Agent provocateur vom Standpunkt des RStGBs, ZStW 21 (1901) 3 7 4 - 4 3 9 ; Kielwein Unterlassung und Teilnahme, GA 1955 2 2 5 - 2 3 2 ; Kohler Anstiftung und Agent provocateur, GA 55 (1908) 1 — 12; v. Kries Ein Beitrag zur Lehre von der Teilnahme, ZStW 7 (1887) 5 2 1 - 5 7 2 ; Küper Der „agent provocateur" im Strafrecht, GA 1974 321—335; Lampe Teilnahme am Verbrechen, ZStW 77 (1965) 262—311; Lange Die notwendige Teilnahme (1940); Lange Die Schuld des Teilnehmers insbesondere bei Tötungs- und Wirtschaftsverbrechen, JR 1949 165—172; Lange Zur Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, JZ 1959 560—564; Less Der Unrechtscharakter der Anstiftung, ZStW 69 (1957) 4 3 - 5 8 ; Loewenstein Error in obiecto und aberratio ictus, JuS 1966 310—315; Lüderssen Zum Strafgrund der Teilnahme (1967); Martin Beihilfe zur Anstiftung, DRiZ 1955 290—291 ; Hellmuth Mayer Täterschaft, Teilnahme, Urheberschaft, Rittler-Festschrift (1957) 243—274; Maurach Beihilfe zum Meineid durch Unterlassung, DStR 1944 1—20; Maurach Zur neueren Judikatur über Meineidsbeihilfe durch Unterlassen, SJZ 1949 541—546; Paul Merkel Anstiftung und Beihilfe, Frank-Festgabe Band II (1930) 134—160; Dieter Meyer Zum Problem der „Kettenanstiftung", JuS 1973 7 5 5 - 7 5 8 ; Dieter Meyer Anstiftung durch Unterlassen? MDR 1975 982—984; Minti Die Lehre von der Beihilfe (1892); Montenbruck Abweichung der Teilnehmervorstellung von der verwirklichten Tat, ZStW 84 (1972) 323—352; Müller-Dietz/Backmann Der praktische Fall, JuS 1971 412—419; Nagler Die Teilnahme am Sonderverbrechen (1903); Oehler Das erfolgsqualifizierte Delikt und die Teilnahme an ihm, GA 1954 33 — 43 ; Oehler Die mit Strafe bedrohte tatvorsätzliche Handlung im Rahmen der Teilnahme, Festschr. der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag (1955) 255—283; Paehler Die Abgrenzung von Beihilfe zum Selbstmord und Tötung auf Verlangen, MDR 1964 (79)

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

647—649; Perten Die Beihilfe zum Verbrechen (1918); Piotet Systematik der Verbrechenselemente und Teilnahmelehre, ZStW 69 (1957) 14—42; Plate Zur Strafbarkeit des agent provocateur, ZStW 84 (1972) 294—322; Röhricht Die rechtliche Natur der Anstiftung (1913); Salomon Vollendete und versuchte Beihilfe, Diss. Göttingen 1968; Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht. Zugleich ein Beitrag zur Kausalität der Beihilfe (1972); Samson Die Kausalität der Beihilfe, Peters-Festschr. (1974) 121 — 135; Schaffstein Die Risikoerhöhung als objektives Zurechnungsprinzip im Strafrecht, insbesondere bei der Beihilfe, Honig-Festschr. (1970) 1 6 9 - 1 8 4 ; Schwind Grundfälle der „Kettenteilnahme", M D R 1969 1 3 - 1 5 ; Seebald Teilnahme am erfolgsqualifizierten und am fahrlässigen Delikt, G A 1964 161 — 173; Stork Anstiftung eines Tatentschlossenen, Diss. Münster 1969; Stratenwerth Der Agent provocateur, MDR 1953 717—721; Stree Bestimmung eines Tatentschlossenen zur Tatänderung, HeinitzFestschr. (1972) 277—293; Trechsel Der Strafgrund der Teilnahme (1967); Tröndle Zur Frage der Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, GA 1956 122—154; Vogler Zur Frage der Ursächlichkeit der Beihilfe für die Haupttat, Heinitz-Festschr. (1972) 295—315; Wegner Teilnahme, in: Aschrott-Kohlrausch (Hrsg.) Reform des Strafrechts (1926) 102—119; Wuttig Fahrlässige Teilnahme am Verbrechen (1902); Zimmerl Grundsätzliches zur Teilnahmelehre, ZStW 49 (1929) 39—54; Zöller Die notwendige Teilnahme, Diss. Bonn 1970. Abgekürzt werden zitiert: Herzberg Täterschaft und Teilnahme (1977) = TuT; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975) = Täterschaft. Übersicht Rdn.

Rdn. I. D e r Strafgrund der T e i l n a h m e 1. Die eigene Auffassung

1

a) Verletzung eines dem T e i l n e h m e r gegenüber geschützten Rechtsguts . b) Bindung an das Unrecht der Haupttat c) Sekundäre Natur der T e i l n a h m e . . d) T e i l n a h m e als akzessorischer Rechtsgutsangriff 2. Andere Auffassungen a) Die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie b) Die reine Verursachungstheorie . . . c) Die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie d) Zusammenfassung

2 4 6 7

8 10

II. D i e limitierte Akzessorietät 1. D e r G r u n d s a t z a) F o r m e n der Akzessorietät im allgemeinen 18 b) Die limitierte Akzessorietät im Strafgesetzbuch 19 c) Die Vorsätzlichkeit der Haupttat . . 21 d) Die Rechtswidrigkeit der Haupttat . 25 III. Die notwendige T e i l n a h m e 1. Begriff und Erscheinungsformen . . . . 27 2. Stellungnahme von Rechtsprechung und S c h r i f t t u m 29 3. Eigene Ansicht 32

15 17

I. Der Strafgrund der Teilnahme 1

1. Die eigene Auffassung. Anstiftung und Beihilfe unterstehen dem Oberbegriff der Teilnahme. Teilnahme ist vorsätzliche Rechtsgüterverletzung durch täterschaftslose Mitwirkung an einer mit Tatbestandsvorsatz begangenen, tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen Tat. Der Teilnehmer ist also strafbar, weil er, ohne selbst tatbestandsmäßig zu handeln, das tatbestandlich geschützte Rechtsgut mittelbar, nämlich durch die Mitwirkung an der täterschaftlichen Handlung eines anderen, angreift 1 . Das bedeutet im einzelnen:

2

a ) Eine Teilnahme im Sinne des Gesetzes kann nur vorliegen, wenn der Teilnehmer ein auch ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut verletzt. Das überlebende Opfer einer versuchten Tötung auf Verlangen ( § 2 1 6 S t G B ) ist also nicht wegen Anstiftung 1

Im Ergebnis ebenso Stratenwerth 2. Aufl., vor § 2 6 Rdn. 1 4 - 1 8 .

AT I, 2. Aufl., Rdn. 860—862 und Samson

SK AT, (80)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

strafbar, weil das angegriffene Leben wegen der Straflosigkeit der Selbsttötung gegenüber dem Anstifter strafrechtlich nicht geschützt ist; ebensowenig sind Unterstützungshandlungen des Auffordernden unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe strafbar. Aus demselben Grunde liegt keine strafbare Anstiftung vor, wenn jemand einen andern, um ihn zu prüfen oder zu überführen, zur Unterschlagung einer Sache bestimmt, die dem Veranlassenden selbst gehört: Niemand kann sein eigenes Eigentum in strafrechtlich relevanter Weise angreifen. Auch die Straflosigkeit des agent provocateur (näher § 26 Rdn. 17, § 27 Rdn. 31), der die von ihm veranlaßte oder unterstützte Tat nur bis zum Versuch gelangen lassen will, erklärt sich daraus, daß der Mitwirkende das tatbestandlich geschützte Rechtsgut nicht verletzen will; es ist zwar auch ihm gegenüber geschützt, aber die Handlung zielt nicht auf die Verwirklichung des Tatbestandes ab und ist deshalb keine strafbare Teilnahme. Beide Fallgruppen zeigen, daß es unrichtig ist, das Unrecht der Teilnahme aus- 3 schließlich aus dem Akzessorietätsprinzip zu erklären und damit aus dem Unrecht der Haupttat abzuleiten. Denn die Mitwirkung kann straflos sein, obwohl der Täter selbst strafbares Unrecht verwirklicht. Vielmehr ist das Unrecht der Teilnahme insofern unabhängig vom Täterunrecht, als der Teilnehmer auch selbst ein ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut beeinträchtigen muß. Der Strafbarkeit einer Teilnahme am Sonderdelikt steht das nicht entgegen, weil das Rechtsgut dieser Tatbestände keineswegs zur Disposition des Extraneus steht, sondern auch von ihm, wenngleich nicht als Täter, verletzt werden kann. b) Andererseits wird das Unrecht der Teilnahme aber auch wesentlich durch das 4 Unrecht der Haupttat bestimmt. Dies zeigt sich zunächst daran, daß die Mitwirkung an einer vorsätzlichen Tat die zwar nicht immer hinreichende (Rdn. 2), aber doch stets notwendige Bedingung jeder Teilnahmebestrafung ist. Diese Abhängigkeit ist auch nicht bloß faktischer Natur, wie gelegentlich gesagt wird, sondern sie ist für die Ausgestaltung der Teilnahmebestrafung rechtlich maßgebend. So setzt die strafbare Teilnahme voraus, daß die Haupttat wenigstens versucht worden ist, eine Lösung, die sich mit der Annahme einer vollständigen Selbständigkeit des Teilnahmeunrechts nicht vereinbaren läßt. Ebenso zeigt der Umstand, daß der Strafrahmen der Anstiftung und Beihilfe sich am Strafrahmen der Haupttat orientiert, daß das Unrecht der Tätertat das Unrecht der Teilnahme nach oben und unten begrenzt; innerhalb des durch die Haupttat (und im Falle des § 27 zusätzlich durch § 49 Abs. 1) begrenzten Rahmens können dann wieder selbständige Unrechtselemente der Teilnahme (wie ihre Intensität und Gefährlichkeit) sich auswirken. Der teleologische Sinn dieser Akzessorietätsbindung liegt in der rechtsstaatlichen 5 Konturierung der Teilnahmehandlung. Da jedes beliebige, für den Erfolg kausale Verhalten Teilnahme sein kann, verhindert die Bindung an die Tatbestandshandlung, daß die Strafbarkeit mit Hilfe eines vom Tatbestand abgelösten Teilnahmebegriffes ausgedehnt wird. Der Rechtsfigur einer solchen „Urheberschaft" hat der Gesetzgeber eine Absage erteilen wollen. Ob er in diesem Bestreben nicht sogar zu weit gegangen ist, indem er in allen Fällen eine vorsätzliche Tätertat verlangt und dadurch kriminalpolitisch unverständliche Strafbarkeitslücken aufgerissen hat, steht auf einem anderen Blatt (vgl. Rdn. 23, 24); de lege lata ist dieser Wille des Gesetzgebers jedenfalls zu respektieren. Andererseits verhindert eine derartige Ableitung wesentlicher Elemente des Teilnahmeunrechts aus dem Täterunrecht aber auch eine Einschränkung der Strafbarkeit, die dann eintritt, wenn man verlangt, daß bestimmte Unrechtselemente der Tätertat (etwa die Beamteneigenschaft) auch in der Person des Teilnehmers vorliegen müssen. (81)

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

6

c) Die Teilnahme ist schließlich ein „sekundärer" Begriff, indem sie eine täterschaftslose Mitwirkung ist, so daß ihr Umfang durch die Reichweite der Täterschaft, des primären Begriffs, wesentlich mitbestimmt wird 2 . Teilnehmer kann also nur sein, wer nicht Täter ist. Der umgekehrte primäre Teilnahmebegriff, der unter dem Motto : „Täter ist, wer nicht Teilnehmer ist" 3 , zu einem sekundären Täterbegriff kommt, verkennt die konstituierende Bedeutung, die der Tatbestand für die Täterschaft und dadurch mittelbar für die Teilnahme hat. Auch wäre die Annahme, daß eine Mitwirkung, die nicht als Teilnahme strafbar sei, deshalb zur Täterschaft werde, bei konsequenter Durchführung mit dem Gesetz nicht vereinbar (etwa bei der Veranlassung eines unvorsätzlichen Pflichtdeliktes).

7

d) Will man diese Konzeption auf eine knappe Formel bringen, so könnte man die Teilnahme als „akzessorischen Rechtsgutsangriff" (genauer: als akzessorischen Angriff auf das tatbestandlich geschützte Rechtsgut) bezeichnen. Der Begriff des „Rechtsgutsangriffs" umschreibt dabei den tragenden Grund der Teilnahmebestrafung und liefert eine inhaltliche Begründung für die selbständigen Elemente des Teilnehmerunrechts. Die Hinzufügung des Adjektivs „akzessorisch" macht andererseits deutlich, daß eine strafbare Teilnahme nur über einen tatbestandsmäßig handelnden Täter möglich ist, daß also das Teilnahmeunrecht zum guten Teil auch aus dem Unrecht der Haupttat abgeleitet wird und daß schließlich die Teilnahme ein gegenüber der Täterschaft sekundärer Begriff ist, indem sie die primäre Täterschaft nur ergänzt. Man könnte dabei, wie es neuerdings Herzberg4 vertritt, von selbständigen Teilnahmetatbeständen sprechen, die „sowohl autark-geschlossen durch den Kreis ihrer eigenen Merkmale wie offen für die Ergänzung und Umformung durch Elemente des Haupttatbestandes" seien. Doch würde damit vom Standpunkt der hier vertretenen Auffassung nicht mehr zum Ausdruck gebracht, als daß das Unrecht der Teilnahme aus dem eigenständigen Merkmal des Rechtsgutsangriffs und den abgeleiteten Elementen des Haupttatunrechts gemischt ist.

2. Andere Auffassungen 8 a) Die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie. Die ältere Schuldteilnahmetheorie sah den Strafgrund der Teilnahme nicht in der durch den Teilnehmer herbeigeführten Rechtsgutsverletzung, sondern vielmehr darin, daß der Teilnehmer den Täter korrumpiere, indem er ihn in schuldhafte Handlungen verwickele. Diese Lehre ist heute schon durch das positive Recht erledigt, weil § 29 StGB ausdrücklich eine Teilnahme auch bei fehlender Schuld des Täters zuläßt. Hellmuth Mayer, der letzte Anhänger der Schuldteilnahmetheorie, vertritt denn auch heute eine „Theorie der Doppelnatur der Teilnahmevorschriften"^, indem er deren Strafgrund teils in der Schuldteilnahme, teils in einer davon unabhängigen Urheberschaft erblickt; damit wird aber die in Wahrheit vorhandene einheitliche Konzeption der Teilnahme zugunsten zweier diametral verschiedener Begründungen zerrissen, die alle beide mit 2

3

4

5

So die ganz h.L. im Anschluß an Lange Der moderne Täterbegriff und der deutsche Strafgesetzentwurf (1935) 5/6; ZStW 63 [1951] 504; Kohlrausch-Lange42/43. Aufl. vor § 47,1. So zuletzt Bockelmann Strafrechtliche Untersuchungen (1957) 76, Anm. 106; vgl. aber Bockelmanns eigene Einschränkungen in Anm. 106, S. 77. Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, GA 1971 1 — 12 (12); Herzberg weicht im einzelnen jedoch von der hier vertretenen Auffassung ab. Zuletzt: StudB (1967) § 39 II 4; zuvor: AT (1953) 317ff; sowie: „Täterschaft, Teilnahme, Urheberschaft," Festschr. f. Rittler (1957) 243 ff. (82)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

dem Gesetz nicht zu vereinbaren sind, wie sich aus den Darlegungen Rdn. 2—6 ergibt. Eine dem Prinzip der limitierten Akzessorietät Rechnung tragende Umformung 9 der alten Lehre ist die von Trechsel6 begründete Unrechtsteilnahmetheorie7. Der Anstifter setze den Täter dadurch, daß er ihn zu seiner Tat veranlasse, der „sozialen Desintegration" aus 8 . Wer ζ. B. einen unerkennbar Schuldunfähigen zur Tat treibe, setze ihn doch wenigstens dem Nachteil einer Strafuntersuchung und der Verhängung etwaiger Maßregeln aus; „als notwendige Folge wird sein Verhältnis zu seiner sozialen Umwelt verschlechtert. Eine gewisse soziale Desintegration wird also auch in diesen Fällen die Regel sein." Auch diese Theorie zerstört die Einheit des Teilnahmestrafgrundes; denn sie paßt von vornherein nicht auf die Beihilfe, für die Trechsel9 denn auch allein auf den „kausalen Beitrag zur Begehung der Haupttat" abstellt. Zudem wäre es auch bei der Anstiftung, wenn das durch sie verletzte Rechtsgut die „soziale Integration" des Täters wäre, unverständlich, warum ihr Strafrahmen sich nach dem der schuldhaft begangenen Haupttat richtet 10 . Ferner wäre die „soziale Integration" ein sehr verschwommenes Rechtsgut; bei einem sozial schon völlig desintegrierten Täter einerseits und bei einem unentdeckt bleibenden Delinquenten andererseits wird ihre Beeinträchtigung schwer aufweisbar sein 11 . Auch läßt sich die Straflosigkeit der notwendigen Teilnahme und des agent provocateur nicht aus dem Gesichtspunkt fehlender sozialer Desintegration beim Täter erklären. b) Die reine Verursachungstheorie. Die reine Verursachungstheorie, die von 10 Schmidhäuser12 und Lüderssen13 — mit teilweise abweichender Begründung und abweichenden Ergebnissen — vertreten wird, geht im theoretischen Ansatz von der gänzlichen Selbständigkeit des Teilnahmeunrechts aus; sie verabsolutiert also die Rdn. 2, 3 dargelegte zutreffende Einsicht, daß die Teilnahme nicht in allen ihren Strafbarkeitsvoraussetzungen aus dem Unrecht der Haupttat ableitbar ist. „Nicht so ist es", heißt es bei Schmidhäuser, „daß nur der Haupttäter den Rechtsgutsanspruch verletzt und der Teilnehmer daran teilhat, sondern so, daß der Teilnehmer selbst den Rechtsgutsanspruch verletzt. Diese Auffassung von einem Eigenunwert der Teilnahme geht von einer Selbständigkeit des Unrechtstatbestandes des Teilnehmerdelikts aus". Die Akzessorietät ist für ihn nur eine Art Strafbarkeitsvoraussetzung: „wenn das Strafgesetz das Teilnehmerdelikt weitgehend von einer begangenen Haupttat abhängig macht, so hat das seinen Grund nur in der Strafwürdigkeit (nicht anders als der Erfolgseintritt beim Täterdelikt auch)". Dieser Ansatz hatte Schmidhäuser zunächst zu der These geführt, daß die Teil- 11 nähme am Sonderdelikt straflos sei 14 : „Wenn die Verletzung einer Sonderpflicht 6 7

8 9 10 11 12 13 14 (83)

Trechsel Der Strafgrund der Teilnahme (1967) 54 ff. Auch Stratenwerth nennt seine Lehre „Unrechtsteilnahmetheorie" (AT I, 2. Aufl., Rdn. 860), obwohl sie mit der von ihm bekämpften Auffassung Trechsels nichts zu tun hat, sondern im wesentlichen mit der hier vertretenen Ansicht übereinstimmt. aaO, S. 55. aaO, S. 107. Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 856. Vgl. noch Samson, SK AT, 2. Aufl., Rdn. 6 vor § 26, und zu den älteren Versuchen ähnlicher Art Lüderssen Zum Strafgrund der Teilnahme (1967) 54 ff. AT, 2. Aufl., 14/57. Zum Strafgrund der Teilnahme (1967). AT, 1. Aufl., 1970, 14/98; Zur Kritik: Roxin ZStW 83 [1971] 399f.

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

für den Unrechtstatbestand wesentlich ist, dann kann derjenige, den diese Pflicht nicht trifft, auch nicht als Teilnehmer an der Unrechten Tat des Sonderpflichtigen bestraft werden ; denn er verletzt auch als Teilnehmer das Rechtsgut nur in der allgemeinen Weise, die das Gesetz straflos gelassen hat." Nunmehr räumt er jedoch ein 15 , daß die Teilnahme am echten Sonderdelikt nach dem Gesetz strafbar ist, wenn er auch die „Strafbarkeit des Extraneus aus dem echten Sonderdelikt nach wie vor für sachwidrig" hält 16 . Darin steckt aber das Anerkenntnis, daß die Lehre von der gänzlichen Selbständigkeit des Teilnahmeunrechts mit dem Gesetz nicht vereinbar ist; so spricht er denn auch von der „Gesetzeslage in ihrer verwirrenden Struktur" und davon, daß man „in der Gesetzgebung noch geraume Zeit brauchen wird, bis man die sachwidrige Regelung überwunden hat" 17 . Das heißt aber, daß die reine Verursachungstheorie ein rechtspolitisches Programm ist und die Struktur der Teilnahme im geltenden Recht nicht erfaßt. 12

Auch Lüderssen geht von prinzipiell selbständigen Teilnahmetatbeständen 18 aus und wendet sich „gegen das akzessorische Denken im Bereich der Teilnahme" 19 . Er stellt vor allem darauf ab, ob das tatbestandliche Rechtsgut gegenüber dem Teilnehmer geschützt ist. Ist das der Fall, so kommt er zu einer Teilnahmebestrafung, auch wenn es an einer entsprechenden Haupttat fehlt. So will er ζ. B. die Teilnahme am Selbstmord mit der Begründung bestrafen, daß das Leben des Suizidenten gegenüber Außenstehenden geschützt sei, vom Anstifter also angegriffen werde, auch wenn der Selbstmörder in seiner Person keinen Tatbestand verwirkliche 20 . In entsprechender Weise soll nach §§211,212 StGB haften, wer einem anderen „den Rat gibt, einen um Rettung flehenden Verunglückten getrost liegen zu lassen" 21 , auch wenn der in dieser Weise Aufgeforderte nur nach § 330 c StGB bestraft wird. Da der Ratgeber durch „positives Tun" ein ihm gegenüber geschütztes Leben angreife, hafte er wegen Teilnahme am Tötungsdelikt, auch wenn ein Tötungstatbestand täterschaftlich nicht begangen sei. Das ist gewiß eine theoretisch interessante Konzeption. Aber sie ist mit dem Wortlaut der §§ 26, 27 StGB, die nun einmal eine limitierte Akzessorietät anordnen, schlechterdings nicht zu vereinbaren; und sie führt auch zu jener Strafbarkeitsausdehnung, die zu verhindern gerade der Zweck der Akzessorietätsbindung ist (vgl. Rdn. 5) 22 .

13

Wo Lüderssen andererseits, wie bei der Bejahung einer Strafbarkeit der Teilnahme an Pflichtdelikten, den Vorstellungen des Gesetzgebers folgt, kommt auch er entgegen seinem Ansatz um die Anerkennung einer partiellen Bindung des Teilnahmeunrechts an das Haupttatunrecht nicht herum. Wenn er sagt 23 : „Wer nicht Beamter ist, kann — mittelbar — das Rechtsgut der ,Reinheit der Amtsführung'... nur unter der Voraussetzung verletzen, daß ein Beamter... in Aktion tritt. Diese Unterschiede zwischen Qualifizierten und Nichtqualifizierten sind rein faktischer '5 •6 17 '8 19 20 21 22

AT, 2. Aufl., 14/85, 14/95. AT, 2. Aufl., 14/85, Anm. 25. AT, 2. Aufl., 14/64. Wie Anm. 13, S. 161 ff. Wie Anm. 13, S. 192. Wie Anm. 13, S. 168, 214f. Wie Anm. 13, S. 192. Darüber, daß dies auch kriminalpolitisch nicht wünschbar ist, vgl. im Hinblick auf den Selbstmord Roxin Die Mitwirkung beim Suizid — ein Tötungsdelikt?, in: Festschr. f. Dreher (1977) S. 33Iff. 23 Wie Anm. 13, S. 137. (84)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

Natur", so ist der Hinweis auf die nicht wegzudisputierende „faktische Natur" der Akzessorietät eine „Verlegenheitsauskunft" 2 4 , die nichts daran ändert, daß das entscheidende Unrechtselement der Haupttat die Teilnehmerbestrafung rechtlich trägt. Die reine Verursachungstheorie kann daher mit den Teilnahmeproblemen nur 14 fertig werden, indem sie entweder das Gesetz oder ihren eigenen Ansatz mißachtet. Sie scheitert an dem Umstand, daß wesentliche Elemente des Teilnahmeunrechts aus dem Haupttatunrecht abzuleiten sind. Aber sie hat das Verdienst, die selbständigen Unrechtselemente der Teilnahme in aller Deutlichkeit herausgehoben zu haben. c) Die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie. Die akzessorietätsorien- 15 tierte Verursachungstheorie 25 , die der heute h.M. entspricht, sieht den Strafgrund der Teilnahme wie die reine Verursachungstheorie nicht in der Korrumpierung oder der sozialen Desintegration des Täters, sondern in der Herbeiführung der tatbestandlichen Rechtsgüterverletzung. Sie stellt dabei aber im Gegensatz zur reinen Verursachungstheorie den Akzessorietätsgedanken ganz in den Vordergrund, indem sie das Teilnahmeunrecht aus dem Unrecht der Tätertat ableitet und die selbständigen Unrechtselemente der Teilnahme vernachlässigt. So heißt es bei Jescheck26, das Unrecht des Teilnehmers bestehe darin, „daß er an der Normverletzung des Täters mitwirkt. Das Unrecht der Teilnehmertat muß deshalb nach Grund und Maß vom Unrecht der Haupttat abhängig sein." Maurach27 sieht den „Strafgrund der Teilnahme in der Veranlassung oder Unterstützung fremden Unrechts" und Lackner28 faßt die überwiegende Auffassung dahin zusammen, „daß Anstifter und Gehilfen die vom Täter begangene rechtswidrige Tat fördern bzw. mitverursachen". Auch der BGH sieht im Anschluß an die ältere Rspr. (RGSt. 5 227, 228; 15 315, 316) das „Wesen der Anstiftung" in der „Verursachung eines rechtswidrigen Verhaltens" (BGHSt. 4 355, 358). Diese Auffassung vermeidet die Aporien der reinen Verursachungstheorie und 16 wird dem legislatorischen Zweck des Akzessorietätsprinzips vollauf gerecht. Sie kommt aber in Begründungschwierigkeiten29 in den Fällen strafloser notwendiger Teilnahme, bei der Aufforderung zur Strafvereitelung zugunsten des Auffordernden und in entsprechenden Konstellationen. Denn hier liegt allemal eine Mitwirkung an einer vorsätzlich-rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung vor. Die Rspr. nimmt denn auch vielfach in zu weitgehender Weise eine Strafbarkeit an (vgl. näher Rdn. 30), die sich nicht schon durch eine Ablehnung der Schuldteilnahmetheorie, sondern erst dann ausschließen läßt, wenn man den eigenen Rechtsgutsangriff des Mitwirkenden als ein akzessorietätsunabhängiges, selbständiges Element des Teilnahmeunrechts betrachtet. Selbst die Straflosigkeit des agent provocateur (vgl. näher §26 Rdn. 17, §27 Rdn. 31) ergibt sich nicht schon daraus, daß man aus dem Verursachungsgedanken die Notwendigkeit eines auf die Erfolgsherbeiführung gerichteten Teilnehmervorsatzes ableitet; denn auch der Versuch des Täters ist ein Erfolg im Rechtssinne, der zur Bestrafung wegen Teilnahme am Versuch 24 Stratenwerth AT I, 2. Aun., Rdn. 859. 25 Samson SK AT, 2. Aufl., Rdn. 10 vor § 26 spricht von einer „modifizierten Verursachungstheorie". 26 AT, 2. Aufl., § 64 I 2. 27 AT, 4. Aufl., § 50 III D 2. 28 11. Aufl., 4 vor § 25. 29 So vor allem auch Samson, SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 13 unter Bezugnahme auf Liiderssen wie Anm. 13, S. 61 ff. (85)

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

führen könnte. Nur die Scheinhaftigkeit des eigenen Rechtsgutsangriffs kann in solchen Fällen die Straflosigkeit dessen, der an einer vorsätzlich-rechtswidrigen Versuchshandlung mitwirkt, zureichend erklären. Die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie ist also zu einseitig auf das Unrecht der Haupttat fixiert. 17

d) Zusammenfassung. Die hier vertretene Lehre von der Teilnahme als einem „akzessorischen Rechtsgutsangriff" läßt sich demnach zwischen der „reinen" und der „akzessorietätsorientierten" Verursachungstheorie einordnen. Sie vermeidet die Einseitigkeiten beider, indem sie das Unrecht der Teilnahme teils aus der Tätertat und teils aus dem eigenen Rechtsgutsangriff des Mitwirkenden ableitet. Sie verlangt also, daß jede strafbare Teilnahme akzessorisch sei, daneben aber immer auch einen selbständigen Rechtsgutsangriff enthalte. Sie ist demnach eine „gemischte Verursachungstheorie", die sich als Synthese der Rdn. 10 ff, 15 f dargestellten divergierenden Verursachungstheorien darstellt. Zugleich ergibt sich, daß die wissenschaftliche Diskussion sich im wesentlichen nicht mehr, wie es heute meist noch dargestellt wird, zwischen den Polen der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie einerseits und der Verursachungstheorie andererseits bewegt, sondern daß der Streit auf der gemeinsamen Grundlage der Verursachungstheorie vor allem darum geht, ob und inwieweit das erfolgsbezogene Teilnahmeunrecht selbständig oder aus der Tätertat abzuleiten ist. II. Die limitierte Akzessorietät 1. Der Grundatz

18

a) Jede Teilnahme ist akzessorisch, d. h. abhängig von einer täterschaftlich begangenen Tat. Das Maß dieser Abhängigkeit ist nicht vorgegeben, sondern steht zur Disposition des Gesetzgebers. M. E. Mayer3° hat die verschiedenen Grade der Akzessorietät beschrieben und benannt: Man spricht von minimaler Akzessorietät, wenn die Teilnahme nur eine tatbestandsmäßige Haupttat voraussetzt; von limitierter Akzessorietät, wenn eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Haupttat verlangt wird; von extremer Akzessorietät, wenn die strafbare Teilnahme an das Vorliegen einer unrechtmäßigen und schuldhaften Tätertat gebunden ist; und schließlich von Hyperakzessorietät, wenn sogar strafausschließende, straferhöhende und strafmildernde Umstände dem Teilnehmer zugerechnet werden. Das StGB, das ursprünglich extrem-akzessorisch orientiert war, ist mit der Strafrechtsangleichungsverordnung vom 29. 5. 1943 zum Prinzip der limitierten Akzessorietät übergegangen, das auch der neue Allgemeine Teil in den §§ 26, 27 StGB übernommen hat.

19

b) Danach setzen Anstiftung und Beihilfe eine „vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat" voraus. Da eine „rechtswidrige Tat" nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB „nur eine solche" ist, „die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht", muß also eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Täterschaft vorliegen. Sie muß außerdem nach dem Wortlaut des Gesetzes „vorsätzlich" sein (zur Vorsätzlichkeit vgl. näher Rdn. 21—24). Soweit man den Vorsatz systematisch beim Tatbestand einordnet, steckt darin nur die Verdeutlichung, daß auch der subjektive Tatbestand erfüllt sein muß; hält man den Vorsatz für ein Schuldelement, so bedeutet das Vorsatzelement einen Schritt in Richtung auf die extreme Akzessorietät. Von den übrigen Schuld30

M. E. Mayer Versuch und Teilnahme, in: Aschrott-Liszt Reform des Strafgesetzbuches (1910) Bd. I, S. 355; Lehrbuch (1915/1923) 391; vgl. auch die an Mayer anschließende Darstellung in Bockelmann Strafrechtl. Untersuchungen (1957) 31. (86)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

elementen ist aber die Teilnahme jedenfalls unabhängig, wie § 29 StGB noch ausdrücklich klarstellt. Außerdem ist auch die limitierte Akzessorietät bei „besonderen persönlichen Merkmalen" nach Maßgabe des § 28 StGB aufgelockert (vgl. die Erl. zu § 28). Die praktische Bedeutung der Entscheidung für die limitierte und gegen die ex- 20 treme Akzessorietät ist freilich nicht sehr groß. Denn in aller Regel wird bei der Mitwirkung an einer entschuldigten Tat nicht Anstiftung oder Beihilfe, sondern mittelbare Täterschaft vorliegen (vgl. im einzelnen § 25, Rdn. 44ff). Doch ist das nicht immer so. So kann bei der Mitwirkung an einer entschuldigten Notstandstat Teilnahme gegeben sein, wenn der Außenstehende die Situation nicht geschaffen hat und nicht ausnutzt (§ 25, Rdn. 51) oder wenn er sie nicht kennt; es ist u. U. Teilnahme an einer im entschuldigten Verbotsirrtum begangenen Tat (§ 25, Rdn. 70) oder an einer Handlung möglich, bei der beide Beteiligte irrig die Voraussetzungen eines entschuldigten Notstandes annehmen und der unmittelbar Handelnde nach § 35 Abs. 2 S. 1 exkulpiert ist (§ 25, Rdn. 73); auch bei der Mitwirkung an der Tat eines Schuldunfähigen kommt im Einzelfall eine Teilnahme in Betracht (näher § 25, Rdn. 84 ff), die vor allem auch dann anzunehmen ist, wenn dem Außenstehenden der Schuldausschluß beim unmittelbar Handelnden verborgen bleibt (§ 25, Rdn. 99). Seine relativ größte Bedeutung gewinnt der Grundsatz der limitierten Akzessorietät bei Pflichtdelikten (§25, Rdn. 29 f)· Da hier die mittelbare Täterschaft eines Extraneus nicht möglich ist, kann ein Nichtqualifizierter auch dann nicht Täter sein, wenn er die Tatherrschaft innehat. Wer also als Nichtbeamter einen Amtsträger unter den Voraussetzungen des § 35 StGB zu einem (exkulpierten) echten Amtsdelikt nötigt oder ihn dazu veranlaßt, indem er ihn in einen unvermeidbaren Verbotsirrtum versetzt, kann als Anstifter bestraft werden. c) Einige Auslegungsschwierigkeiten bereitet das Kriterium der Vorsätzlichkeit. 21 Strittig ist vor allem, ob ein Irrtum des unmittelbar Handelnden über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes die „Vorsätzlichkeit" seiner Tat i. S. der §§ 26, 27 ausschließt. Das hat praktische Bedeutung wieder bei Pflichtdelikten: Wenn jemand einen Arzt durch die Vorspiegelung, er sei von seiner Schweigepflicht entbunden, zur Offenbarung eines Geheimnisses veranlaßt (eine ähnliche Konstellation lag BGHSt. 4 355 ff und OLG Köln M D R 1962 591 f zugrunde), kann der Arzt nach der herrschenden eingeschränkten Schuldtheorie (näher Erl. zu § 16) nicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft werden, weil sein Irrtum die Vorsatzstrafe ausschließt und die Fahrlässigkeit nicht strafbar ist. Der Hintermann kann, weil er nicht unter der Schweigepflicht des Arztes steht, kein mittelbarer Täter sein. Er kann aber wenigstens als Anstifter bestraft werden, wenn man die „Vorsätzlichkeit" i. S. der §§ 26, 27 als Tatbestandsvorsatz deutet, so daß dem Täter nur bewußt gewesen zu sein braucht, daß er ein ärztliches Geheimnis offenbart 3 1 . Dagegen lehnt es die wohl überwiegende Meinung ab 3 2 , den Vorsatzbegriff in §§ 26, 27 StGB von der Irrtumslehre abzukoppeln; sie muß daher mangels vorsätzlicher Haupttat zur Straflosigkeit des Hintermannes kommen. 3· In diesem Sinne Täterschaft, S. 552 ff; im Erg. mit teilw. unterschiedlicher Begründung ebenso Dreher 37. Aufl., § 16 Rdn. 27; ders. Heinitz-Festschr. (1972) 222; Jescheck AT, 2. Aufl., § 41 III 2a, Anm. 41 ; Lackner 11. Aufl., 4a vor § 25; Rudolphi SK AT, 2. Aufl., § 16, Rdn. 13. 32 Vgl. nur Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor § 25 Rdn. 38; Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 28; Preisendanz 29. Aufl. § 26, 2 a. (87)

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

22

Den Vorzug verdient die erstgenannte Auffassung, die das Merkmal „vorsätzlich" im Sinne des bloßen Tatbestandsvorsatzes versteht 33 . Das macht es zwar notwendig, unter der „Vorsätzlichkeit" in §§ 26, 27 etwas anderes zu verstehen, als es für die Vorsätzlichkeit oder mindestens die Vorsatzstrafe in § 16 erfordert wird; aber es ist auch sonst keine Seltenheit, daß gleiche Worte in verschiedenen teleologischen Zusammenhängen abweichend ausgelegt werden. Eine solche abweichende Auslegung ist hier geboten. Den ή wenn der Sonderpflichtige, der über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrt, straffrei bleibt, so wird er von der Verantwortlichkeit entlastet, weil er Opfer einer Täuschung geworden ist. Es wäre aber kriminalpolitisch verfehlt, ausgerechnet den, der diese Täuschung ins Werk gesetzt und damit doppelte Verantwortlichkeit auf sich geladen hat, nun ebenfalls von der Strafbarkeit zu entlasten. Auch die legislatorische Teleologik des Vorsatzerfordernisses in §§ 26, 27 deckt ein solches Ergebnis nicht; denn wenn durch die Bindung der Teilnahme an die Tatbestandshandlung einer Ausuferung der Strafbarkeit vorgebeugt werden sollte (vgl. Rdn. 5), genügt zur Erreichung dieses Zwecks das Erfordernis des Tatbestandsvorsatzes durchaus. Die typischen Merkmale, auf die auch die Teilnahme bezogen bleiben soll, sind ohnehin im Leitbildtatbestand versammelt, mit dessen bewußter Verwirklichung durch den unmittelbar Handelnden man sich daher für die Teilnahme zufrieden geben kann.

23

Auch bei dieser Auslegung reißt das Kriterium der Vorsätzlichkeit noch bedenkliche Strafbarkeitsliicken auf. Denn wenn ein Extraneus durch eine Täuschung über Merkmale des Leitbildtatbestandes erreicht, daß ein Intraneus den objektiven Tatbestand eines Pflichtdeliktes erfüllt, ist dieses in seinem Unwert über die schlichte Anstiftung hinausgehende Verhalten strafrechtlich nicht faßbar. So bleibt es straflos, wenn jemand einen Arzt dadurch zum Bruch der Schweigepflicht veranlaßt, daß er ihm vorspiegelt, die zu offenbarende Tatsache sei kein „Geheimnis". Man könnte hier nur dann zu einer Strafbarkeit des Extraneus kommen, wenn es eine Anstiftung zu unvorsätzlicher Haupttat gäbe, wie sie die ältere Rspr. (BGHSt. 4 355; 5 47) zugelassen hatte. Der Gesetzgeber hat jedoch die seit BGHSt. 9 370 die Rspr. beherrschende Gegenmeinung kodifiziert, wonach eine Verurteilung wegen Anstiftung oder Beihilfe stets ein vorsätzliches Handeln des Täters voraussetzt. Ob dies berechtigt war, war im Schrifttum bis zuletzt und ist auch heute noch heftig umstritten 3 4 ; es hätte wohl zu sachgemäßeren Ergebnissen geführt, wenn der Gesetzgeber die Akzessorietät so weit gelockert hätte, daß auch eine nur objektiv tatbestandsmäßige Täterhandlung ggf. die Möglichkeit einer Teilnahme offengelassen hätte 3 5 .

24

Straflos ist angesichts des Vorsatzerfordernisses nach geltendem Recht auch der Fall, daß jemand einen anderen zu einer Straftat veranlaßt und dabei irrig annimmt, dieser handle vorsätzlich. Vgl. darüber ausführlich § 25, Rdn. 97, 98.

33

Zur Begründung eingehend Täterschaft, S. 552 ff. 34 Gegen die gesetzliche Lösung und für eine Streichung des Vorsatzerfordernisses de lege ferenda ausführlich Täterschaft, S. 367—379, 554 f; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., vor §25, Rdn. 36, 37; für die gesetzliche Regelung aber nachdrücklich Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 26, 27; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 880. 35 Der wissenschaftliche Meinungsstreit über die Frage hatte sich vor allem an der Entsch. OLG Stuttgart JZ 1959, 579 entzündet. Vgl. dazu außer den in Anm. 34 genannten Fundstellen noch Dohm M D R 1959 508; Lange JZ 1959 560; Rudolphi GA 1970 353. (88)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

d) Die weitere Teilnahmevoraussetzung, wonach die Haupttat „rechtswidrig" 25 sein muß, bringt die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, daß an einer gerechtfertigten Tatbestandshandlung keine strafbare Teilnahme möglich ist. Für die „Rechtswidrigkeit" i. S. der §§ 26, 27 wird man aber unabhängig davon, ob der Täter sorgfaltswidrig gehandelt hat, ein objektiv verbotswidriges Verhalten genügen lassen müssen. Wenn also der ausführende Intraneus bei einem Pflichtdelikt über die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrt, kann der mitwirkende und die Sachlage übersehende Extraneus auch dann wegen Teilnahme bestraft werden, wenn der Irrtum des unmittelbar Handelnden nicht auf einem Sorgfaltsverstoß beruht (vgl. Rdn. 21, 22). Die Rechtfertigung schließt zwar eine strafbare Teilnahme, nicht aber eine mit- 26 telbare Täterschaft durch ein rechtmäßig handelndes Werkzeug aus ; vgl. dazu § 25, Rdn. 55. Andererseits zieht der Umstand, daß der Ausführende tatbestandsmäßig und rechtswidrig handelt, nicht in allen Fällen ohne weiteres die Strafbarkeit eines Mitwirkenden nach sich; vgl. Rdn. 2, 3.

III. Die notwendige Teilnahme Schrifttum: Schütze Die notwendige Teilnahme am Verbrechen (1869); Freudenthal Die notwendige Teilnahme (1901); Lange Die notwendige Teilnahme (1940); Zöller Die notwendige Teilnahme, Diss. Bonn 1970; Otto Straflose Teilnahme?, in: Lange-Festschr. (1976) 197.

1. Unter „notwendiger Teilnahme" versteht man die Erscheinung, daß manche 27 Straftaten einen Tatbestand verwirklichen, der zu seiner Erfüllung notwendig die Beteiligung mehrerer fordert. Die Bezeichnung ist alt (sie stammt von Martin, 1820) und eingebürgert, aber nicht genau ; so wirkt ζ. B. in den Fällen des sexuellen Mißbrauchs (§§ 174—174b StGB) das Opfer häufig in einer quasi mittäterschaftlichen Weise mit, die sowohl über eine „Teilnahme" wie über das Maß des zur Tatbestandserfüllung „Notwendigen" hinausgeht. Bei der strafrechtlichen Behandlung der notwendigen Teilnahme unterscheidet 28 man zwischen Konvergenz- und Begegnungsdelikten. Konvergenzdelikte sind Tatbestände, die voraussetzen, daß mehrere in derselben Richtung auf die Rechtsgutsverletzung hinarbeiten; ζ. B. die Gefangenenmeuterei (§ 121), die von mehreren gemeinschaftlich begangene Körperverletzung (§ 223 a), der Landfriedensbruch (§ 125) usw. Ihre rechtliche Beurteilung ist unproblematisch: Sie sind nach dem Gesetz alle als Täter zu bestrafen. Bei den Begegnungsdelikten dagegen wirken die verschiedenen Beteiligten zwar auch auf dasselbe Ziel hin, aber von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichen Tätigkeitsakten; so verschafft bei der Kuppelei (§ 180) der Kuppler die Gelegenheit, während der Verkuppelte sie ausnützt; der Wucherer nimmt, der Bewucherte gibt die Vermögensleistungen (§ 302a) usw. Da bei den Begegnungsdelikten der Gesetzgeber in der Regel nur die Strafbarkeit derer ausdrücklich angeordnet hat, die in einer der beiden Richtungen tätig werden (so des Kupplers und des Wucherers in den obigen Beispielen), kann zweifelhaft sein, ob und ggf. inwieweit der andere Teil strafbar ist, der durch seinen eigenen tatbestandsnotwendigen Tätigkeitsakt an der strafbaren Handlung des „Partners" mitwirkt. Das ist primär eine Frage der Auslegung der einzelnen Tatbestände, auf die hier verwiesen werden muß. Doch lassen sich auch einige allgemeine Grundsätze aufstellen. (89)

Vor § 26

2. Abschnitt. Die Tat

29

2. Weitgehende Einigkeit besteht heute darüber, daß jede Teilnahme straflos ist, die das Maß des zur Tatbestandsverwirklichung Notwendigen nicht überschreitet; der Gefangene, der sich befreien läßt, ist also nicht wegen Beihilfe nach § 120, der Prozeßbeteiligte, der sich den Parteiverrat des gegnerischen Anwalts zunutze macht, nicht wegen Teilnahme nach § 356 strafbar. Derjenige, der durch eine Strafdrohung geschützt werden soll, ist ferner auch dann straflos, wenn er das Maß der notwendigen Mitwirkung überschreitet; so sind die vor sexuellem Mißbrauch geschützten Personen (§§ 174—174b) auch dann straflos, wenn sie die sexuellen Handlungen nicht nur dulden, sondern sich aktiv an ihnen beteiligen.

30

Die Rspr., die diese beiden Einschränkungen der Strafkeit ebenfalls anerkennt, betrachtet jede darüber hinausgehende Mitwirkung als strafbar; der Gefangene, der einen anderen zu seiner Befreiung anstiftet, wird also ebenso nach §§26, 120 bestraft wie der flüchtige Delinquent, der von einem anderen Unterschlupf begehrt, stets nach §§ 26, 257 a.F. (heute: § 258) bestraft worden ist. Aus der Rspr. des RG sind zu nennen: RGSt. 2 439; 5 275, 276; 5 435; 8 294; 12 122; 23 242; 29 304, 305; 34 273, 275; 39 134, 135; 51 131, 132; 52 3; 61 31, 32; 61 314, 316; 65 416, 417 ; 70 233, 234; 70 344, 348; 71 114, 116; 73 137. Der BGH hat diese Rechtsprechung fortgesetzt. Strafbar ist danach vor allem die Anstiftung zur Begünstigung durch den Begünstigten selbst (BGHSt. 5 76, 81 m. weit. Hinw. auf die Rspr. des R G ; BGHSt. 17 236), die Anstiftung zur Gefangenenbefreiung durch den Gefangenen (BGHSt. 4 396, 400 f; 17 369, 374, wonach freilich die wechselseitige Hilfe zweier sich gemeinsam befreienden Gefangenen entgegen den sonst angenommenen Prinzipien für straflos erklärt wird), die Anstiftung zur Kuppelei durch den Verkuppelten (für § 180 a.F. BGHSt. 10 386f; 15 377, 382) und schließlich die Anstiftung des Zuhälters durch die Dirne (BGHSt. 9 72 f; 19 107 f)·

31

Eine im Schrifttum weit verbreitete Meinung hält die notwendige Teilnahme über die in Rdn. 29 genannten Fälle hinaus entgegen der Rspr. auch dann für straflos, wenn die Handlung einer besonderen Motivationslage entspringt, um deretwillen der Gesetzgeber die täterschaftliche Alleinbegehung straflos gelassen hat. So wird die Anstiftung zur Strafvereitelung oder Gefangenenbefreiung durch den Nutznießer dieser Taten als straflos angesehen, weil jedermann sich straflos der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entziehen darf36. Noch weitergehend wird bisweilen angenommen, daß eine Mitwirkung des notwendig Beteiligten auch dann straflos sei, „wenn sie die nach dem Tatbestand typische Beteiligungsform ist, wenn also in den betreffenden Tatbeständen die Initiative typischerweise von dem notwendig Beteiligten ausgeht" 3 7 , wie es etwa bei der Anstiftung des Kupplers durch den Verkuppelten (§ 180 a.F.) der Fall ist.

32

3. Beifall verdient zunächst die Annahme, daß eine notwendige Teilnahme, die das zur Erfüllung des Tatbestandes erforderliche Mindestmaß nicht überschreitet, straflos ist. Das wird zwar neuerdings von Herzberg38 bestritten, der im Falle der Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) den Begünstigten auch dann wegen Beihilfe bestrafen will, wenn er die ihm vom Schuldner übergebenen Sachen lediglich annimmt (Sachverhalt nach RGSt. 2 439). Dem dürfte aber entgegenstehen, daß der 36

Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 VI 2 b ; Kohlrausch-Lange 42./43. Aufl., vor § 47, IV; Maurach AT, 4. Aufl., § 50 II A 2; Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 49; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/173; Stratenwerth A T I, 2. Aufl., Rdn. 949; Welzel 11. Aufl., § 16 VI. Welzel 11. Aufl., § 16 VI; Kohlrausch-Lange 42./43. Aufl., IV vor § 47. 38 TuT § 13 II 2, bei Fall 101. (90)

Vorbemerkungen (Roxin)

Vor § 26

Gesetzgeber, wenn er bei Begegnungsdelikten beide Beteiligte für strafbar erklären will, dies immer ausdrücklich anordnet (etwa in § 173 oder §§ 331 ff), so daß sich im Gegenschluß die Straflosigkeit wenigstens der tatbestandsnotwendigen Mindestbeteiligung ergibt. Richtig ist auch, daß jede Tatbeteiligung des durch den Tatbestand Geschützten 3 3 straflos bleiben muß. Dabei handelt es sich freilich nur um einen Anwendungsfall des aus dem Strafgrund der Teilnahme zu gewinnenden Gedankens, daß der Teilnehmer ein ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut angreifen muß (vgl. Rdn. 2, 7). Wenn der Bewucherte den Täter zu seiner wucherischen Handlung anstiftet, fehlt es an einer strafbaren Teilnahme schon deshalb, weil das Vermögen des Geschädigten nicht gegen ihn selbst geschützt ist. Ebenso kann niemand seine eigene sexuelle Integrität in strafrechtlich relevanter Weise verletzen, so daß alle Mitwirkungshandlungen des Opfers nach §§ 174 ff straflos sind. Entsprechendes gilt nach der Neufassung durch das 4. StRG für die notwendig Beteiligten nach §§ 180—181 a; die frühere Rspr. über die Strafbarkeit einer Anstiftung zur Kuppelei oder Zuhälterei durch den notwendig Beteiligten (vgl. Rdn. 30) muß also als überholt angesehen werden. Straflosigkeit tritt auch dann ein, wenn das mitwirkende Opfer über das verletzte Rechtsgut nicht disponieren kann oder eine ausdrückliche Einwilligung in seine Verletzung unwirksam wäre: Straffrei ist daher nicht nur das Opfer einer versuchten Tötung auf Verlangen (§ 216), sondern auch derjenige, der zu einer sittenwidrigen und daher trotz der Einwilligung strafbaren Körperverletzung (§ 226 a) angestiftet hat 3 9 . Worin immer man in diesen Fällen die ratio für die Bestrafung des Täters erblicken mag: Jedenfalls sind Leben und Körper nicht gegen eine Beeinträchtigung durch das Opfer selbst geschützt, so daß auch deren mittelbare Beeinträchtigung keine Teilnahmestrafbarkeit begründen kann. Dieser Gedanke trägt auch die Straflosigkeit des notwendig Beteiligten in den 34 Fällen, da jemand zur Strafvereitelung oder Gefangenenbefreiung anstiftet, um sich selbst der Strafe zu entziehen. Denn da Strafverfolgung und Strafvollzug nicht dagegen geschützt sind, daß der Delinquent selbst sich ihnen entzieht, kann auch deren mittelbare Beeinträchtigung ihn nicht inkulpieren. Wenn vielfach auf den „psychischen Druck", unter dem der Delinquent steht, als Grund der Straflosigkeit verwiesen wird 4 0 , so ist damit nur die ratio dafür genannt, warum der Gesetzgeber auf einen Strafrechtsschutz ihm gegenüber verzichtet. Der Umstand, daß der notwendig Beteiligte in diesen Fällen nicht mittelbar eigene Rechtsgüter verletzt und daher nicht der durch diese Tatbestände Geschützte ist, ändert also nichts daran, daß es am Strafgrund der Teilnahme fehlt. Man darf davon ausgehen, daß der Gesetzgeber sich nunmehr dieser Auffassung 35 entgegen der bisherigen Rspr. prinzipiell angeschlossen hat. Denn wenn der durch das EG StGB mit Wirkung ab 1. 1. 1975 eingeführte § 257 Abs. 3 S. 2 ausdrücklich die Bestrafung des Vortäters anordnet, „der einen an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung anstiftet", so läßt sich daraus im Umkehrschluß folgern, daß eine solche Bestrafung in §§ 120, 258, die einer derartigen Klausel entbehren, nicht eintreten soll 41 ; für § 258 läßt sich das auch dem neuen Abs. 5 entnehmen. § 257 Abs. 3 S. 2 bestätigt als Ausnahme für die sachliche Begünstigung (Vorteilssicherung) die Regel und wird als konzeptionswidrige „Anleihe bei der Schuldteilnahmelehre" 39 40 41

(91)

A. A. Otto Lange-Festschr., S. 213; wie hier dagegen Herzberg TuT § 13 II 1. Vgl. etwa Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 949. Vgl. Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 49.

§26

2. A b s c h n i t t . D i e T a t

(Herzberg) allgemein kritisiert 42 ; die Vorschrift ist daher eng auszulegen, so daß bei Mittäterschaft, mittelbarer Täterschaft und Beihilfe des notwendig Beteiligten der Grundsatz der Straflosigkeit wieder in seine Rechte eintreten kann 4 3 . 36

Über die in Rdn. 32—35 genannten Fälle hinaus lassen sich allgemeine Grundsätze für eine Straflosigkeit des notwendig Beteiligten nicht angeben. Insbesondere kann der Umstand, daß die Initiative typischerweise vom notwendig Beteiligten ausgeht (vgl. Rdn. 31), nicht die Straflosigkeit jeder Mitwirkung im Gefolge haben. Denn auch wenn der Anstoß zum Parteiverrat (§ 356) meistens von der Gegenseite ausgehen wird, ist kein Grund ersichtlich, warum deren Anstiftung straflos bleiben sollte; Entsprechendes gilt für die Anstiftung zur Gläubigerbegünstigung durch den Gläubiger (§ 283 c). Andererseits spricht vieles dafür, eine Anstiftung zur Höchstpreisüberschreitung durch den Käufer straflos zu lassen (für Strafbarkeit: RGSt. 70 347) ; aber das ist dann nicht Folge des allgemeinen Grundsatzes, sondern Ergebnis einer Auslegung des individuellen Tatbestandes.

§26 Anstiftung Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Fassung vor dem 1. 1. 1975: §48 (1) Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen mit Strafe bedrohten Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. (2) Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. Frühere Fassung des § 48 Abs. 1 vor der VO v. 29. 5. 1943 (RGBl. 1339/341): Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen strafbaren Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. Schrifttum vgl. Vor § 26. Übersicht Rdn. ]

I. Die B e s t i m m u n g eines a n d e r e n I. Die H e r v o r r u f u n g des Tätervorsatzes a) Kausalität b) D e r F o r t s e t z u n g s z u s a m m e n h a n g im besonderen 42

2

Rdn. c) Die Veranlassung eines Tatentschlossenen z u r T a t ä n d e r u n g . . . . 4 d) Die H e r v o r r u f u n g weiterer subjektiver Tatbestandselemente 7

3

Herzberg T u T § 13 II 2 ; Lackner 11. A u f l . , § 2 5 7 , 7 ; Otto Schröder-Stree 18. A u f l . , § 2 5 7 , R d n . 33. 43 Sch.-Schröder-Stree 18. A u f l . , § 2 5 7 , R d n . 34.

L a n g e - F e s t s c h r . , S. 2 1 4 ;

Sch.-

(92)

Anstiftung (Roxin) Rdn. 2. Ausführung des Entschlusses durch den Angestifteten 3. Bestimmtheit von Haupttat und Person des Anzustiftenden II. Die Mittel der Anstiftung 1. Keine gesetzliche Beschränkung . . . . 2. Notwendigkeit des geistigen Kontakts . 3. Anstiftung durch Unterlassen III. Der Vorsatz des Anstifters 1. Doppelung der Bezugspunkte (sog. Doppelvorsatz) a) Abgrenzung zur Fahrlässigkeit . . . b) Kenntnis der strafbarkeitsbegründenden Haupttatumstände c) Fehlen des Willens zur Herbeiführung einer vollendeten Haupttat (der agent provocateur) 2. Entsprechung von Anstiftervorstellung und ausgeführter Tat a) Abweichungen von Anstiftervorsatz und Haupttat

Rdn.

8 9 11 12 13

IV. V.

14 15 16

17 21

§26

VI. VII.

b) Der Exzeß des Angestifteten c) Error in persona oder obiecto des Täters d) Vorsätzlicher Übergang des Täters zu einem anderen Objekt e) Erfolgsqualifizierte Delikte Anstiftung zu Sonderdelikten (Pflichtdelikten) Einheit und Mehrheit der Anstiftung, Täterschaft und Teilnahme bei der Anstiftung 1. Handlungseinheit und -mehrheit bei der Anstiftung 2. Anstiftung in Mittäterschaft 3. Anstiftung in Nebentäterschaft 4. Anstiftung in mittelbarer Täterschaft . 5. Die Kettenanstiftung 6. Verhältnis von Anstiftung und Beihilfe Ort, Zeit und Verjährung der Anstiftung . Die Strafe des Anstifters

25 "26 27 28 30

32 33 34 35 36 37 38 40

22

I. Die Bestimmung eines anderen. Die Anstiftung hat zwei Erfolge zur Vorausset- 1 zung: die Hervorrufung des Tatentschlusses in einem anderen (Rdn. 2 ff) und die vorsätzliche Begehung der rechtswidrigen Tat entsprechend diesem Entschluß (Rdn. 8). Dabei braucht weder die Haupttat noch die Person des Anzustiftenden völlig bestimmt zu sein (Rdn. 9f). 1. Die Hervorrufung des Tätervorsatzes a) Durch die Anstiftung muß in dem anderen der Entschluß zu einer bestimm- 2 ten rechtswidrigen Tat, d. h. der Tätervorsatz, hervorgerufen werden. Die Einwirkung des Anstifters muß ursächlich sein, RGSt. 13 121, 122; BGHSt. 9 370, 379 f; dabei genügt bloße Mitursächlichkeit, RG H R R 1939 Nr. 1314, 1315; BGH bei Daliinger M D R 1970 730. Das ist nur dann der Fall, wenn dieser Entschluß bei dem anderen noch nicht vorhanden war. Er ist noch nicht vorhanden, wenn erst eine bloße Geneigtheit besteht, er ist aber hervorgerufen, wenn ein schon Geneigter, ja möglicherweise ein sich zur Begehung der Straftat sogar Anbietender nunmehr durch die Anstiftung zum festen Entschluß gebracht wird oder wenn der noch Schwankende einen solchen festen Entschluß faßt, RGSt. 37 171, 172; BGH bei Daliinger M D R 1972 569. Auch eine bloße allgemeine Entschlossenheit, bei jeder Gelegenheit bestimmte Straftaten zu verüben, steht der Möglichkeit einer Anstiftung zum konkreten Verbrechen nicht entgegen, RGSt. 37 171; BGH bei Dallinger M D R 1957 395. Ein zu einer konkreten Tat bereits fest Entschlossener (omnímodo facturus) kann dagegen nicht mehr angestiftet werden, jedoch kommt psychische Beihilfe oder versuchte Anstiftung (§ 30) in Frage, RGSt. 13 121; 36 402, 404; 72 373, 375 m. Anm. Kohlrausch ZAkDR 1939 245; BGH 3 StR 295/52 v. 30. 4. 1953; BGH bei Dallinger M D R 1957 395. b) Wenn der andere den Vorsatz gefaßt hat, eine Straftat im Fortsetzungszusam- 3 menhang zu begehen, so ist eine Anstiftung zu den einzelnen unselbständigen Akten nicht möglich, da der Entschluß im Sinne eines auf die Einzelakte gerichteten Ge(93)

§26

2. Abschnitt. Die Tat

samtvorsatzes bereits vorhanden ist; a.A. RGSt. 56 326, 328; RG JW 1933 2281 (welches zwischen dem Gesamtvorsatz und der konkreten Entschließung zur Begehung der Einzelakte unterscheidet) m. abl. Anm. Wegner; wie das RG Dreher Rdn. 13. 4

c) Ob auch die Veranlassung eines bereits Tatentschlossenen zur Tatänderung als Hervorrufung des Tatentschlusses zu werten ist, ist umstritten. Man muß hier drei Fallgruppen unterscheiden : aa) Wird der Täter veranlaßt, statt der geplanten Tat eine nicht im Verhältnis der Qualifizierung und Privilegierung zu ihr stehende andere Tat, also ein „aliud", zu begehen (einen Raub statt eines Betruges, eine Körperverletzung an des Anstifters Feind Β statt an A), so liegt bezüglich dieser neuen Tat Anstiftung vor („Umstiftung" 1 ).

5

bb) Wird der Täter veranlaßt, statt eines qualifizierten Delikts nur eine im Verhältnis der tatbestandlichen Abwandlung zu ihr stehende leichtere Tat, also das Grunddelikt (einfache statt gefährliche Körperverletzung) oder eine weniger schwere qualifizierte Form (Einbruchsdiebstahl ohne statt mit Waffen), m. a. W. ein „minus", zu begehen, so scheidet Anstiftung wegen des bereits bestehenden Tätervorsatzes aus, es kann lediglich psychische Beihilfe (§27, Rdn. 10ff) in Betracht kommen, insoweit der Abwiegelnde immerhin den Täter in seinem Entschluß zur Begehung der leichteren Tatbestandsform bestärkt hat 2 ; doch kann das Verhalten des Abwiegelnden u. U. nach § 34 gerechtfertigt sein, wenn es das einzige Mittel war, um eine wesentlich schwerere Begehungsweise zu verhindern (so zu Recht Eser II, 2. Aufl., Nr. 43, Rdn. 10).

6

cc) Wird der Täter schließlich veranlaßt, statt des von ihm geplanten Grunddelikts eine qualifizierte Ausfiihrungsart zu verwirklichen, so liegt nach der sehr umstrittenen Ansicht des BGH mit Rücksicht auf die erhebliche „Übersteigerung" (Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II Β 4), also die wesentliche Erhöhung des Unwertgehalts gegenüber dem ursprünglichen Plan, Anstiftung zum qualifizierten Delikt vor (BGHSt. 19 339: Veranlassung des zum einfachen Raub Entschlossenen, das Opfer mit einem Knüppel bewußtlos zu schlagen, als Anstiftung zu § 250 I Nr. 2). Während ein großer Teil des Schrifttums dieser Ansicht zustimmt 3 , nimmt eine ebenfalls beachtliche Zahl von Autoren nur psychische Beihilfe zum Grundtatbestand und, soweit das Mehr tatbestandlich selbständig erfaßbar ist, Anstiftung zu dem zur Qualifizierung führenden Tatteil an (im Falle des BGH also Beihilfe zum einfachen 1

Bemmann Gallas-Festschrift, S. 277; Eser Jur. Studienkurs, Strafrecht II, 2. Aufl., Nr. 43, Rdn. 11. Samson SK AT, 2. Aufl., § 26, Rdn. 4 will dagegen darauf abstellen, ob das Maß der Rechtsgutsverletzung gleich bleibt; daher soll etwa das Umstimmen von Erpressung zum Betrug keine Anstiftung sein. 2 Bemmann Gallas-Festschr., S. 279; Eser II Nr. 43 Rdn. 9; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 6. 3 Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2 b α ; Busch in: LM Nr. 2 5 / 2 6 zu § 48 a.F.; Dreher i l . Aufl., § 26 Rdn. 3 ; Lackner 11. Aufl., § 26, 2 ; Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II Β 4 ; Otto Grundkurs Strafrecht, Allg. Strafrechtslehre (1976) § 22 II 3; Preisendanz 29. Aufl., § 26, 3 c ; Roxin ESJ Strafrecht A T (1973) 163; Stree Heinitz-Festschr., S. 277 ff; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/113; Erika Stork Anstiftung eines Tatentschlossenen, Diss. Münster (1969) 124 ff, 175. (94)

Anstiftung (Roxin)

§26

Raub und Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung) 4 . Doch schließt der Umstand allein, daß ein Delikt im anderen enthalten ist, die Anstiftung jedenfalls dann nicht aus, wenn das schwerere Delikt tatbestandlich verselbständigt ist: der zur Körperverletzung Entschlossene kann zum Totschlag, der zum Diebstahl Entschlossene zum Raub angestiftet werden. Daran zeigt sich, daß nicht das äußere Tatbild, sondern das Unwertgepräge der verschiedenen Tatbestände darüber entscheidet, ob ein Delikt im Verhältnis zum anderen ein aliud oder ob es teilweise identisch ist (Stree Heinitz-Festschrift, S. 281 ff). Aus diesem Grunde ist Anstiftung zur schwereren Gesamttat, nicht nur zu dem hinzutretenden Mehr, überall da anzunehmen, wo der zum Grundtatbestand Entschlossene veranlaßt wird, die Tat unter Umständen zu begehen, die zu einer gesetzlichen Qualifikation führen. Nicht ausreichen kann dagegen die bloße Änderung des Unwertgehaltes, die nicht zur Anwendbarkeit einer anderen Gesetzesvorschrift führt (so aber BGHSt. 19 339, 341); in solchen Fällen liegt bloße Beihilfe vor (Stree Heinitz-Festschrift, S. 279 ; vgl. zum Ganzen auch § 25, Rdn. 78-80). d) Gehören zur Haupttat über den Vorsatz hinaus weitere subjektive Tatbestands- 7 elemente, d. h. vor allem bestimmte Absichten (Zueignungs-, Bereicherungsabsicht), so muß der Anstifter auch diese hervorrufen (RGSt. 71 98, 99; Stratenwerth ATI, 2. Aufl., Rdn. 879; abw. Busch Vorauf!., § 48, Rdn. 5). Das folgt aus dem Erfordernis des Bestimmens zur rechtswidrigen Tat, zu welcher auch der volle subjektive Tatbestand gehört. 2. Der für den Begriff der vollendeten Anstiftung erforderliche zweite Erfolg ne- 8 ben der Hervorrufung des Tatentschlusses liegt darin, daß der Angestiftete diesen Entschluß ausführt und die vom Anstifter vorgestellte Tat begeht; dafür genügt Versuch, wenn dieser strafbar ist, § 23 I (RGSt. 14 19, 23; 38 248, 249 f)· Zwischen der wenigstens versuchten Ausführung der Haupttat und der Anstiftung muß ursächlicher Zusammenhang vorliegen. Dieser wird nicht notwendig dadurch aufgehoben, daß der Haupttäter den vom Anstifter hervorgerufenen Tatvorsatz vorübergehend aufgibt; die Anstiftung kann trotzdem fortwirken und das Wiederaufleben des früheren Vorsatzes herbeiführen. Wird also der Angestiftete zunächst wieder schwankend und tritt vom Versuch der Haupttat, sei es unfreiwillig, sei es freiwillig (!), vorerst zurück, so liegt gleichwohl Anstiftung vor, wenn er die Tat später doch noch ausführt und dies wenigstens auch auf dem Fortwirken der Anstiftung beruht (vgl. auch RGSt. 70 293, 295, wo der Kausalzusammenhang zwischen Anstiftung und Totschlag bejaht wurde, obwohl der Täter nach den ersten, noch nicht tödlichen Hieben bereits von dem vermeintlich erschlagenen Stiefvater abgelassen und ihn erst nach einiger Zeit endgültig getötet hatte, als er bemerkt hatte, daß das Opfer sich wieder aufzurichten versuchte). Kommt es nicht zur Ausführung des von dem Anstifter hervorgerufenen Entschlusses, so liegt in der Bestimmung eine bloße versuchte Anstiftung, die nur unter den Voraussetzungen des § 30 I ausnahmsweise strafbar sein kann. Über das Erfordernis der vorsätzlich begangenen Haupttat s. eingehend vor § 26 Rdn. 2 1 - 2 4 . 4

(95)

Cramer JZ 1965 31 f; Eser II 2. Aufl., Nr. 43 Rdn. A 8; Grünwald JuS 1965 313, 315 Anm. 32; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 2 c ; Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972) 33; Samson SK AT, 2. Aufl., § 26, Rdn. 4; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 6; Welzel 11. Aufl., § 16 II 2.

§26 9

10

2. Abschnitt. Die Tat

3. Die Tat, zu der angestiftet wird, braucht nach allg. Meinung^ nicht in allen 9 Einzelheiten bestimmt zu sein ; Zeit, Ort und konkrete Ausführungsmodalitäten können ebenso dem Angestifteten überlassen bleiben, wie die Person des Opfers, wenn es dem Anstifter auf sie nicht ankommt (RGSt. 34 327, 328: Anstiftung zu Abtreibungshandlungen an allen Frauen, die diese künftig wünschen sollten; BGHSt. 15 276, 277: Anstiftung zur Anfertigung pornographischer Photos von beliebigen jungen Mädchen). Stets erforderlich ist aber die Fixierung eines bestimmten Tatbestandes und der wesentlichen Dimensionen des Unrechts, welche durch Auslegung des Verhaltens des Anstifters aus dem Gesamtbild der Anstiftungssituation zu ermitteln ist. Die Aufforderung, der andere möge seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle bestreiten oder sich das Geld durch Diebstähle beschaffen, ist also hinreichend bestimmt, wenn nur die Größenordnung der Beträge zwischen den Beteiligten einigermaßen feststeht 6 (vgl. auch RGSt. 1 110, wo die Erklärung, die Angeklagte sei dumm, daß sie die Gelegenheit nicht benutze und sich Geld mache, wohl zu Unrecht nicht als Anstiftung zur Unterschlagung des Markterlöses durch die Dienstmagd angesehen wurde). Nicht ausreichend ist dagegen die bloße Aufforderung zu Delikten unbestimmter Art („Du mußt eben mal ein Ding drehen", „Du mußt es ihm mal zeigen") in einer Situation, die keine eindeutige Auslegung erlaubt. Zu beachten ist im übrigen, daß nicht selten der Anstifter zu mehreren Taten alternativ auffordern wird (ζ. B. Erpressung/Raub, Diebstahl/Betrug o. ä.). Auch die Person des Anzustiftenden braucht nicht völlig bestimmt zu sein. Es genügt, wenn sich die Aufforderung an die eine oder andere unbestimmte Person aus einem individuell bestimmten Personenkreis richtet und zur Anstiftung wird. Nur eine an einen ganz unbestimmten Personenkreis gerichtete Aufforderung enthält keine genügend bestimmte Bezeichnung der Person des Angestifteten, OLG Hamm VRS 26 (1964) 105 (keine Anstiftung durch ein Schild, das Kraftfahrer zur Benutzung eines gesperrten Privatweges auffordert), h. M. 7 . Es kann aber § 111 eingreifen; vgl. dazu Samson JZ 1969 258; Finche Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975) 76 ff. II. Die Mittel der Anstiftung

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1. Die Mittel, durch die der Anstifter den Tatentschluß hervorruft, werden vom Gesetz nicht beschränkt. Jedes Mittel ist geeignet, das in dem anderen den Entschluß erzeugen kann, auch eine stillschweigende, konkludente Handlung. § 48 a. F. zählte beispielhaft auf: Geschenke, Versprechen, Drohung, Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums. Allerdings ist hier zunächst zu prüfen, ob nicht mittelbare Täterschaft vorliegt (vgl. dazu § 25, Rdn. 57 ff). Ein Beispiel für Anstiftung durch Irrtumserregung gibt 5

Vgl. etwa Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2 b ; Dreherei. Aufl., Rdn. 6; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 2 b ; sowie die in der nachfolgenden Anm. Genannten. 6 Für Unbestimmtheit dieser Aufforderung dagegen Maurach AT, 4. Aufl., § 5 1 II Β 2; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/102; Stratenwerth A T I, 2. Aufl., Rdn. 889. 7 Eser II 2. Aufl., Nr. 44, Rdn. A 1 / 2 ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 2 b ; Lackner 11. Aufl., § 26 4; Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II Β 1 ; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26 Rdn. 14; Samson SK AT, 2. Aufl., § 26, Rdn. 8; Welzel 11. Aufl., § 16 II 4; grundsätzlich zustimmend auch Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/103, der darauf abstellt, ob jeder einzelne sich zu dem entsprechenden Verhalten aufgerufen sieht; gänzlich abweichend Dreher i l . Aufl., § 26, Rdn. 3, und Gallas-Festschr., S. 323, der auch die Aufforderung an einen völlig unbestimmten Personenkreis als Anstiftung ansieht. (96)

Anstiftung (Roxin)

§26

OLG Hamburg HESt. 2 317: Vorspiegelung, Dritte hätten mit einer Anzeige gedroht. Auch die bloße Überredung oder Raterteilung kommt in Frage, RG Rspr. 3 93, RGSt. 53 189, 190. Der Rat muß aber den verbrecherischen Entschluß wecken, nicht nur der Ausführung eines bereits gefaßten Entschlusses dienen, sonst ist er Beihilfe. Eine Anregung oder Angabe rein theoretischer Möglichkeit und Belehrung genügt nur, wenn darin zumindest versteckt der Rat, die Aufforderung und Bestimmung liegt, in dieser Weise zu verfahren, BGH MDR 1957 395 (Aufforderung des Ehemannes an die generell zur Abtreibung bereite Hebamme, „bald einmal zu seiner Frau zu kommen", als Anstiftung zur Abtreibung). Dasselbe muß von einem Wunsch oder einer bloßen Bitte, RG HRR 1942 Nr. 741 (Bitte an einen Reichsbahnhilfsschaffner um Überlassung einer gebrauchten Fahrkarte zu mißbräuchlicher nochmaliger Verwendung als Anstiftung zur Amtsunterschlagung und Urkundenbeseitigung im Amt), gelten. Liegt in dem Wunsch zugleich die Erregung eines Motivs für den Täter, dem Wunsche Erfüllung zu bringen, und sollte dieses Motiv angeregt werden, so kann aber auch hier schon eine Bestimmung vorliegen, RGSt. 36 402, 405 (Anstiftung zur Gefangenenbefreiung durch den Wunsch nach Verwendung einzelner auf einem landwirtschaftlichen Gut beschäftigter Gefangener ohne besondere Aufsicht). Auch scheinbares Abraten kann geeignet sein. Das Versprechen von Hilfe für den Fall der Begehung und das Bieten von Gelegenheit ist für sich allein jedoch noch keine Anstiftung. Dagegen kann die Beseitigung von Hemmungen den endgültigen Tatentschluß herbeiführen, RG JW 1933 2281, HRR 1939 Nr. 714; BGH 1 StR 761/52 v. 12. 3. 1954. 2. Die Anstiftung setzt jedoch stets einen geistigen Kontakt zwischen dem Anstif- 12 ter und dem anderen voraus; die Schaffung einer zur Tat anreizenden Situation allein ist daher kein geeignetes Anstiftungsmittel 8 . Keine Anstiftung liegt daher vor, wenn einem Postbeamten ein Fangbrief zugespielt wird, um ihn der Unterschlagung zu überführen ; wenn der verfolgte Bankräuber einige Geldscheine fallen läßt, um seine Verfolger dazu zu bringen, sie an sich zu nehmen und zu behalten ; wenn der von seinen Gläubigern bedrängte Kaufmann die Fenster seiner Villa demonstrativ offen stehen läßt, um durch einen Einsteigediebstahl die Möglichkeit zur Erlangung von Versicherungsbeträgen zu erhalten; wenn der eifersüchtige Ehemann nach Hause gelockt wird, in der Hoffnung, er werde dort den in flagranti überraschten Liebhaber seiner Ehefrau verprügeln. Die Gegenmeinung beruft sich darauf, daß die hier vertretene Ansicht kriminalpolitisch unbefriedigend sei, weil sie gerade die raffiniertesten Methoden der Tatveranlassung straffrei lassen müsse. Sie übersieht jedoch, daß die fehlende Möglichkeit einer Strafmilderung bei der Anstiftung (der Anstifter wird stets „gleich einem Täter" bestraft) die Einbeziehung solcher typischerweise weniger strafwürdiger Fälle verbietet, ganz abgesehen davon, daß bei der geplanten Veranlassung zu einem Verbrechen sonst schon die erfolglose 8

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Sehr str.; wie hier Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 1 ; H. Mayer AT, § 49 III 1 c; Rutkowski NJW 1952 48; Sax MDR 1964 67; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/104; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 7; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 882 f. Noch weitergehend verlangt eine Abstimmung der Beteiligten D. Meyer Das Erfordernis der Kollusion bei der Anstiftung, Diss. Hamburg 1973; ders. JuS 1970 592 ff, MDR 1975 893 f. Dagegen lassen die bloße provozierende Situation ausreichen Dreher 37. Aufl., § 26, Rdn. 3 ; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972) 120ff; ders. TuT, 4. Teil, 2b; Lackner 11. Aufl., § 26, 2; Preisendanz 29. Aufl., § 26, 4; Samson SK AT, 2. Aufl., § 26, Rdn. 5; Widmaier JuS 1970 242 f.

§ 2 6

2. Abschnitt. Die Tat

Schaffung einer provozierenden Tatsituation als Anstiftungsversuch gemäß § 30 Abs. 1 bestraft werden müßte 9 . 13

3. Ob eine Anstiftung durch Unterlassen möglich ist, ist außerordentlich umstritten 1 0 . Da Anstiftung die Hervorrufung des Tatentschlusses durch geistige Beeinflussung ist (vgl. Rdn. 12), kann es eine eigentliche Anstiftung durch Unterlassen nicht geben ; denn bei der bloßen Untätigkeit fehlt der geistige Kontakt mit dem Täter. Doch gibt es immerhin eine Konstellation, bei der der Unterlassende nach den Regeln der Anstiftung bestraft werden muß: Dort, wo sich seine Garantenpflicht darauf erstreckt, eine Anstiftungshandlung eines anderen zu verhindern 1 1 . Wenn etwa ein Vater nicht verhindert, daß sein minderjähriger Sohn einen anderen zu einem Diebstahl anstiftet, muß er selbst nach §§ 26, 242 bestraft werden. Das hat für die Strafbarkeit erhebliche praktische Bedeutung; denn eine Täterschaft oder eine Beihilfe durch Unterlassen scheiden hier aus; auch würde eine Beihilfe milder und eine Täterschaft im Falle des Versuchs strenger bestraft werden. In Schmidhäusers Beispiel 12 , daß A den Entschluß des B, A's Vater zu töten, nicht verhindert, liegt dagegen bei A eine täterschaftliche Tötung durch Unterlassen vor; denn A hat die Pflicht, für den Nichteintritt des Todeserfolges einzustehen, und diese Pflicht verletzt er schon dadurch, daß er den Tötungsentschluß des Β nicht verhindert und nicht gegen ihn einschreitet 13 . III. Der Vorsatz des Anstifters

14

1. Nach § 26 wird als Anstifter nur bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener Tat bestimmt hat. Der Vorsatz des Anstifters muß daher darauf gerichtet sein, im Anzustiftenden den Tatentschluß hervorzurufen, und hat zwei Bezugspunkte: Die eigene Anstiftungshandlung und die Ausführung der konkreten Haupttat durch den bestimmbaren Täter (sog. „Doppelvorsatz" des Anstifters) 14 . 9 Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/104; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 883. Gegen die Möglichkeit einer Anstiftung durch Unterlassen: Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2 ß; GrünwaldGA 1959 122f; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 6; Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 292; H. Mayer AT (1953) § 49 III 1 c; D. Meyer Das Erfordernis der Kollusion bei der Anstiftung, Diss. Hamburg (1973) 155 ff, ders. M D R 1975 982ff; Otto Grundkurs Allg. Strafrechtslehre (1976) § 22 II 7; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 7. Für die Möglichkeit einer Anstiftung durch Unterlassen mit teilweise unterschiedlichen Begründungen: Busch Vorauf!., § 48, Rdn. 14; Herzberg Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip (1972) 119 ff ; Lackner 11. Aufl., §26, Anm. 3; Loewenheim Anstiften durch Unterlassen, Diss. Frankfurt/Main (1972) 33; Luhberger Strafbare Teilnahme durch Unterlassen, Diss. Heidelberg (1962) 105 ; Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II A; Rudolphi SK AT, 2. Aufl., vor § 13, Rdn. 42; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 17/10; Spendei JuS 1974 753. 1 ' So treffend Rudolphi SK AT, 2. Aufl., vor § 13, Rdn. 42; vgl. zum ganzen die ausführliche Darstellung bei Herzberg Die Unterlassung . . . (wie Anm. 10) S. 119—127. •2 AT, 2. Aufl., 17/10. 13 Gegen Schmidhäuser auch Herzberg Unterlassung (wie Anm. 10) S. 126, der sowohl Beihilfe wie Täterschaft durch Unterlassen annehmen will. 14 Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 43, Rdn. 12; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 2 b ; Lackner 11. Aufl., §26, 4. Die Rede vom „Doppelvorsatz" hat „mnemotechnischen Wert" (Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2), weil sie hervorhebt, daß der Anstiftervorsatz sich auf mehr als einen Tatumstand beziehen muß (s. ferner Busch Voraufl. §48, Rdn. 4; Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 37; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/110, Fußn. 9). 10

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Anstiftung (Roxin)

§26

a) An einer vorsätzlichen Anstiftungshandlung fehlt es, wenn ein anderer nur 15 leichtfertig zur Tatbegehung veranlaßt wird (A teilt dem Β die Rundgangszeiten des Nachtwächters X mit, ohne zu bedenken, daß Β seit längerem plant, X bei einem vorgetäuschten Raubüberfall zu ermorden); u.U. kann aber der Veranlasser Täter eines Fahrlässigkeitsdeliktes sein. § 26 fordert jedoch nicht dolus directus ; dolus eventualis genügt, RGSt. 72 26, 29; RG HRR 1937 Nr. 1681 ; BGHSt. 2 279, 281 f. b) Der Vorsatz des Anstifters muß grundsätzlich die Umstände umfassen, die die 16 Strafbarkeit der Haupttat begründen. Gehört zur inneren Seite der Tat noch eine weitere psychische Verfassung des Täters, ein bestimmter Beweggrund oder eine besondere Absicht, so muß der Anstifter auch diese subjektiven Tatelemente kennen. Der Anstifter zu einer Erpressung muß also wissen, daß der Angestiftete vorsätzlich und in Bereicherungsabsicht handelt; er selbst braucht jedoch keine Bereicherungsabsicht zu haben, RGSt. 56 171. Kennt der Anstifter Umstände nicht, die das Unrecht der Tat begründen, oder nimmt er irrtümlich Umstände an, die für den Haupttäter einen Rechtfertigungsgrund ergeben würden (A stiftet den Β zu einer vermeintlichen Notwehrhandlung an), so ist die Tat dem Anstifter nicht zurechenbar^. c) Der Anstiftervorsatz fehlt auch, wenn der Anstifter nicht die Vollendung der 17 Tat will, sondern sich vorstellt, daß der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg nicht erreichen wird 16 . Der klassische Fall ist der des sog. agent provocateur, des Lockspitzels, der einen Delinquenten, um ihn überführen zu können, zu einer Straftat veranlaßt, ihn aber noch im Versuchsstadium von der Polizei ergreifen lassen will. Die zweite hierhin gehörige Konstellation ist die, daß ein Hintermann jemanden zu einem Versuch veranlaßt, dessen Untauglichkeit der Hintermann von vornherein kennt (A veranlaßt Β zu einem Totschlagsversuch mit einem Revolver, den er vorher heimlich entladen hat). Die Straflosigkeit des Veranlassenden folgt hier zwingend aus dem Strafgrund der Teilnahme (vgl. Vor § 26 Rdn. 2, 16): Da der Hintermann das tatbestandlich geschützte Rechtsgut nicht verletzen will, fehlt es an dem Rechtsgutsangriff, der die Teilnahmestrafe legitimiert. Freilich werden von anderen Ansätzen her immer wieder auch abweichende Lö- 18 sungen vertreten. So läßt sich vom Standpunkt der Schuldteilnahmetheorie (vgl. Vor § 26 Rdn. 8) eine Strafbarkeit daraus herleiten, daß der Veranlassende den Täter in

15

Str., wie hier Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §26, Rdn. 15; a.A. Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 2 b ; Welzel 11. Aufl., § 16 II. Nimmt auch der Täter die sachlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes an, so mangelt es bereits an einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat, vgl. Sch.-Schröder-Cramer § 26, Rdn. 15. 16 Η. M.: RGSt. 15 315; 16 25, 26; 32 353, 355; 37 321, 323; 44 172, 174; 56 168, 170; 60 21, 24; BGHZ 8 86; BGH M D R 1954 335; BGH GA 1975 333. Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 2 b α ; Blei AT, 17. Aufl., § 79 I; Bockelmann AT, 2. Aufl., § 25 III 1 b aa; Dreher 37. Aufl., § 26, Rdn. 8; Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 43, Rdn. 14; Herzberg GA 1971 11 f; Küper GA 1974 321 ff ; Lackner 11. Aufl., § 26, 4 ; Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II Β 3 ; Otto Grundkurs Strafrecht AT (1976) § 22 II 4; Preisendanz 29. Aufl., § 26, 5 d ; Rudolphi MaurachFestschr. S. 66f; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 16; Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 38; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 890 f; Welzel 11. Aufl., § 16 II 3. (99)

§26

2. Abschnitt. Die Tat

strafrechtliche Schuld gestürzt hat 1 7 . Aber auch die akzessorietätsorientierte Verursachungstheorie der h. L. (vgl. vor § 26 Rdn. 15) kann die Straflosigkeit dieser Fälle aus dem Strafgrund der Teilnahme nicht konsequent erklären, weil der Veranlassende immerhin strafrechtliches Unrecht verursacht, das ihm zugerechnet werden müßte, wenn sich das Unrecht der Teilnahme wirklich allein auf das Unrecht der Haupttat gründete. So haben sich denn auch unter diesem Gesichtspunkt immer wieder Befürworter einer Strafbarkeit des agent provocateur gefunden 1 8 . Plate schließlich und sein Lehrer Schmidhäuser wollen auf der Grundlage der Schmidhäuserschen Straftatsystematik, die zwischen Gefährdungs- und Zielunrecht unterscheidet, für das Anstiftungsunrecht schon eine willentliche Gefährdung des Rechtsgutsobjektes durch den agent provocateur ausreichen lassen 19 . Da sie jedoch für die Schuld ebenfalls eine Vorsätzlichkeit hinsichtlich des Erfolges verlangen, besteht im Ergebnis kein Unterschied gegenüber der h. M. Bei einem bloßen Gefährdungsvorsatz will es anscheinend Jescheck20 bewenden lassen; dem ist nur insoweit zu folgen, als der Gefährdungsvorsatz im konkreten Fall gleichzeitig einen Eventualdolus hinsichtlich der Erfolgsherbeiführung in sich schließt. Vertraut der Anstifter dagegen auf die Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden, so kommt, wenn er dennoch eintritt, ggf. nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tat in Betracht. 19

Aus dem Strafgrund der Teilnahme ergibt sich auch, daß der Anstifter selbst dann straflos bleibt, wenn sein Vorsatz zwar die formelle Vollendung, nicht aber die materielle Beendigung der Tätertat umfaßt 2 1 ; ζ. B. der Veranlassende will zwar die Ergreifung der Beute durch die von ihm zur Tat verlockten Einbrecher zum Zwecke der Überführung noch zulassen, sorgt aber dafür, daß sie unmittelbar danach am Tatort festgenommen werden. Der Veranlassende will hier den Rechtsgutsinhaber nicht schädigen, so daß es an einem die Teilnahmestrafe begründenden materiellen Rechtsgutsangriff fehlt.

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Dagegen ist aus Teilnahmegesichtspunkten eine Straflosigkeit des Anstifters dann nicht mehr zu begründen, wenn dieser den Täter, um ihn überführen zu können, zur materiellen Beendigung eines Delikts veranlaßt. Wenn A den Schläger Β zu einer Körperverletzung anstiftet, um ihn nach vollbrachter Tat festnehmen zu lassen, ändert dieser Zweck an seiner Strafbarkeit wegen Anstiftung nichts. Im Einzelfall kann freilich aus Gesichtspunkten, die außerhalb der Teilnahmelehre liegen, trotzdem Straflosigkeit eintreten 2 2 . Dies wird häufig auf Grund einer Einwilligung oder mutmaßlichen Einwilligung des Rechtsgutsträgers der Fall sein: Wenn sich 17

Für Strafbarkeit denn auch H. Mayer Kl (1953) 336, 342; anders später H. Mayer StudB., (1967) § 40 I 3. Freilich muß die Schuldteilnahmetheorie nicht zum Ergebnis der Strafbarkeit des agent provocateur kommen, soweit sie neben der Korrumpierung des Täters auch eine Erfolgsbewirkung verlangt. Vgl. Plate ZStW 84 [1972] 297, Anm. 9; Küper GA 1974 323 ff. 18 Stratenwerth MDR 1953 717 ff; (anders — im Sinne der hier vertretenen Auffassung — AT I, 2. Aufl., Rdn. 8900; Jescheck AT, 1. Aufl., S. 457 (aufgegeben 2. Aufl., § 64 III 2 b, S. 522; dazu vgl. unten bei Anm. 20). Kritisch Plate ZStW 84 [1972] 297ff. Plate ZStW 84 [1972] 294ff; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14, 107/108. Kritisch dazu Küper GA 1974 333 ff. 20 AT, 2. Aufl., § 64 III 2 b im Anschluß an Plate. Dazu Küper GA 1974 333, Anm. 81. 21 Ebenso Dreher 37. Aufl., §26, Rdn. 8; Maurach AT, 4. Aufl., §51 II Β 3; Preisendanz 29. Aufl., §26, 5d; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §26, Rdn. 16; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/107, Anm. 7; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 890. 22 Näher zu solchen Fällen Plate ZStW 84 [19721 308 ff. (100)

Anstiftung (Roxin)

§26

ζ. Β. der Hauseigentümer gegenüber der Polizei damit einverstanden erklärt, die Einbrecher in seiner Wohnung festnehmen zu lassen, kann es wegen des Einverständnisses nur zu einem versuchten Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) kommen, so daß der agent provocateur aus diesem Grunde straflos bleibt; Entsprechendes würde ggf. (unabhängig von der Frage der materiellen Beendigung) auch für die Wegnahme von Sachen gelten. Ferner kann unter besonderen Umständen auch § 34 StGB zur Rechtfertigung herangezogen werden, dessen Voraussetzungen aber nur selten vorliegen werden. 2. Die vom Angestifteten ausgeführte Tat kann dem Anstifter nur dann zum 21 Vorsatz zugerechnet werden, wenn sie dem Unrechtsgehalt und der Angriffsrichtung nach im wesentlichen der Tat entspricht, zu der der Anstifter bestimmen wollte 23 . a) Bei Abweichungen von Zeit, Ort und Modalität der Ausführung ist innerhalb 22 desselben Tatbestandes gleichwohl noch eine Anstiftung zu bejahen. Da schon bei der Anstiftung die Tat nicht bis in diese Einzelheiten hinein bestimmt zu sein braucht, können in diesem Rahmen auch Abweichungen von einer konkreteren Anstiftervorstellung unberücksichtigt bleiben. Stellt sich also der zum Meineid Anstiftende vor, daß der Täter eine falsche Darstellung beschwören werde, so ändert sich nichts an seiner Strafbarkeit nach §§ 26, 154 StGB, wenn der Täter wahrheitswidrig aussagt, er wisse nichts über das Beweisthema (BGH, LM § 154 Nr. 37). Auch wenn der Täter statt der einen die andere Tatbestandsalternative verwirklicht oder entgegen der Vorstellung des Anstifters nicht allein, sondern mit einem anderen zusammen handelt, berührt das die Strafbarkeit des Anstifters nicht. Verwirklicht der Täter dagegen einen anderen Tatbestand, so kann der Anstifter 23 dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Begeht der zum Diebstahl Angestiftete stattdessen eine Hehlerei, so liegt nur eine straflose versuchte Anstiftung zum Diebstahl vor, während eine Anstiftung zur Hehlerei wegen fehlenden Vorsatzes ausscheidet; der Vorschlag von Montenbruckeinen „außergesetzlichen Grundtatbestand" zu konstruieren und den Anstifter im Beispielsfall wegen Teilnahme an „dem Überführen eines fremden Vermögensgegenstandes in das eigene Vermögen (durch Ansichbringen)" zu bestrafen, ist wegen der Tatbestandsbezogenheit des Vorsatzes de lege lata nicht zu verwirklichen. Besondere Probleme ergeben sich, wenn die Handlung des Angestifteten in den 24 wesentlichen Dimensionen des Unrechts vom Vorsatz des Anstifters abweicht. Hier ist zu unterscheiden : Geht der Angestiftete in der Quantität über die vom Anstifter vorgestellte Tat hinaus, ohne den qualitativen Rahmen des Deliktstyps zu verlassen (der zu einer bloßen Ohrfeige Angestiftete prügelt sein Opfer halbtot), so bleibt die Strafbarkeit wegen Anstiftung unberührt, und die abweichende Tatvorstellung ist

23 H. M.: RGSt. 60 1 ; 67 343, 344; 70 293, 295. Vgl. aus dem Schrifttum nur Sch.-SchröderCramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 17; Montenbruck Abweichung der Teilnehmervorstellung von der verwirklichten Tat, ZStW 84 [1972] 323 ff. 24 ZStW 84 [1972] 344ff u. passim (339). Entsprechendes gilt gegenüber Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 3 c γ, der unter Herbeiziehung der für die Wahlfeststellung geltenden Grundsätze bei einer Anstiftung zur Erpressung, wenn der Täter stattdessen einen Betrug begeht, eine Bestrafung wegen Anstiftung zum Betrüge zulassen will. Kritisch auch Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall 43, Rdn. 17 a. (101)

§26

2. Abschnitt. Die Tat

nur bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Aus denselben Gründen liegt eine Anstiftung zum Grunddelikt sowohl dann vor, wenn der zum Grunddelikt Angestiftete die Voraussetzungen eines Regelbeispiels für einen besonders schweren Fall erfüllt (Einbruchsdiebstahl statt einfachen Diebstahls), als auch dann, wenn er einen qualifizierten Tatbestand verwirklicht (Diebstahl mit Waffen statt einfachen Diebstahls). Verändert sich dagegen durch das von der Vorstellung des Anstifters abweichende Verhalten des Angestifteten die Qualität des Unrechts, so kann dem Anstifter, soweit überhaupt die Kausalität der Anstiftung zu bejahen ist, diese andersartige Tat nicht mehr zum Vorsatz zugerechnet werden. Stiftet also A den Β zu einer Zechprellerei im Grand-Hotel an, begeht der Β jedoch statt dessen, dadurch auf die Idee gebracht, einen Betrug großen Ausmaßes gegenüber der Hoteldirektion, so liegt eine Anstiftung dazu nicht vor, weil ein derartiges Verhalten vom Vorsatz des A überhaupt nicht gedeckt wird 2 5 . 25

b) Geht die Tat des Angestifteten über den Anstiftervorsatz hinaus (Exzeß des Angestifteten), ist der Anstifter nur so weit strafbar, wie sein Vorsatz reicht. Begeht also der zum Diebstahl Angestiftete, weil er die Beute nicht gewaltlos erlangen kann, einen Raub, so wird der Veranlasser gleichwohl nur wegen Anstiftung zum Diebstahl bestraft (RGSt. 67 343); ebenso ist der Veranlasser nur wegen einer Anstiftung zur Körperverletzung zur Verantwortung zu ziehen, wenn der zu Mißhandlungen Aufgeforderte weitergehend das Opfer erschlägt (BGHSt. 2 223, 225). Tut umgekehrt der Angestiftete weniger, als er nach dem Willen und der Vorstellung des Anstifters tun sollte, so kann der Veranlasser nur wegen Anstiftung zu dem weniger schweren Delikt bestraft werden, ggf. in Tateinheit mit einer versuchten Anstiftung (§ 30 StGB) zur Verwirklichung des schwereren Tatbestandes. Wenn also der zum Meineid Angestiftete nur uneidlich bewußt falsch aussagt, ist der Anstifter nach §§ 26, 153 StGB in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum Meineid strafbar (so grundlegend BGHSt. 9 131 ff unter Aufgabe teilweise entgegenstehender früherer Urteile).

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c) Ein error in persona bzw. in objecto des Täters, der für den Täter selbst unbeachtlich ist, soll nach der früher herrschenden Meinung auch die Strafbarkeit wegen Anstiftung zur vollendeten Tat nicht berühren 2 6 . Wenn A den Β zur Tötung des C anstiftet, und Β in der Dämmerung den D mit dem C verwechselt, so soll also nicht nur Β wegen vollendeter Tat nach § 212 StGB, sondern auch A wegen Anstiftung dazu bestraft werden. Dabei wird jedoch verkannt, daß der error in persona des unmittelbar Handelnden für den veranlassenden Hintermann eine aberratio ictus dar-

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26

Auf den konkreten Unrechtsgehalt stellen ebenfalls ab Maurach AT, 4. Aufl., § 51 II D 2; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 889, die allerdings zusätzlich eine Fixierung der konkreten Angriffsrichtung bzw. der Begehungsweise in ihren Grundzügen verlangen; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/102, läßt sogar allein die Konkretisierung auf eine bestimmte Tatmöglichkeit entscheiden; demgegenüber muß jedoch die ausschlaggebende Bedeutung der rechtlichen Qualität des veranlaßten Verhaltens betont werden. So im Anschluß an die Entscheidung des preußischen Obertribunals (GA 1859 322) im Falle Rose-Rosahl aus dem Schrifttum Backmann JuS 1971 119; Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 3 c E (mit Einschr.); Dreher StGB, 37. Aufl., § 26, Rdn. 15; Loewenstein JuS 1966 314; Maurach AT, 4. Aufl., §51 III Β 2 b ; Müller-Dietz/Backmann JuS 1971 416; Sch.Schröder-Cramer 18. Aufl., § 26, Rdn. 18; Welzel 11. Aufl., §§ 13 I 3d γ, 16 II 5. (102)

Anstiftung (Roxin)

§26

stellt 27 . Auch wäre es ein untragbares Ergebnis, den A wegen Anstiftung zu zweifachem Morde zu bestrafen, wenn Β nach Entdeckung der Verwechslung den nunmehr erscheinenden C erschießen würde; der Anstiftervorsatz umfaßt nur eine Tötung, und das ist im Beispielsfall die des C. Die Autoren, die eine Anstiftung zur vollendeten Tat zutreffend ablehnen, nehmen teils eine versuchte Anstiftung, ggf. in Tateinheit mit fahrlässiger Tat 2 8 , teils eine Anstiftung zur versuchten Tat 2 9 an. Nach richtiger Auffassung liegt nur eine versuchte Anstiftung vor. Denn „die Ausführung am falschen Objekt i s t . . . kein Versuch der Ausführung am richtigen Obj e k t " 3 0 ; sonst müßte der Täter, obwohl er nur einen Schuß abgegeben hat, nicht nur wegen vollendeter, sondern dazu auch wegen versuchter Tat bestraft werden 3 1 . Zur entspr. Problematik bei der Mittäterschaft vgl. § 25, Rdn. 124. d) Erst recht ist in der Regel der Erfolg vom Anstiftervorsatz nicht mehr gedeckt, 27 wenn der Täter mit Vorbedacht entgegen der Intention des Anstifters auf ein anderes Objekt übergeht. Wenn also A den Β zur Erschießung des C auffordert und dieser stattdessen den D umbringt, so liegt nur eine versuchte Anstiftung (hinsichtlich des C) vor. Für Abweichungen der Täterhandlung hinsichtlich des Tatobjektes gilt also etwas anderes als für Abweichungen von Zeit, Ort und Modalität hinsichtlich desselben Tatbestandes (Rdn. 22). Eine unwesentliche, den Anstiftervorsatz unberührt lassende Abweichung kann hier nur insoweit vorliegen, wie eine aberratio ictus sich auch sonst als unbeachtliche Kausalabweichung darstellt. Das ist dann der Fall, wenn es dem Handelnden im Rahmen seines Tatplanes auf die Individualität des Tatobjektes nicht ankommt 3 2 . Wenn etwa A den Terroristen Β anstiftet, das Polizeirevier 1 in die Luft zu sprengen, dieser dann aber aus strategischen Gründen das Polizeirevier 2 für seinen Bombenanschlag auswählt, so ist A gleichwohl wegen Anstiftung zu vollendeter Tat zu bestrafen ; denn im Rahmen seines Planes ist diese Abweichung gleichgültig. e) Bei erfolgsqualifizierten Delikten (ζ. B. §§ 224 ff StGB) haftet nach h. M. der 28 Anstifter für den Erfolg auch dann, wenn sein Vorsatz sich nur auf die Begehung des vorsätzlichen Grunddeliktes richtet; Voraussetzung ist aber, daß der Anstifter selbst hinsichtlich des Erfolges fahrlässig handelt (so BGHSt. 2 223, 225; 19 339, 341 33 ). Ob der Täter selbst den Erfolg vorsätzlich, fahrlässig oder schuldlos verursacht, ist dabei gleichgültig. Wenn also der Anstifter zur Körperverletzung oder zum Raube fahrlässig bzw. leichtfertig nicht voraussieht, daß der Täter das Opfer

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So die im Vordringen begriffene Meinung, die schon Binding Die Normen, Bd. III (1918) 213, vertreten hatte: Bemmann M D R 1958 821 ; Blei AT, 17. Aufl., § 79 II 1 ; Hillenkamp Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf (1971) 63 ff; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 4; Lackner 11. Aufl., § 26, 4; Letzgus Vorstufen der Beteiligung (1972) 54ff; Otto Grundkurs Strafrecht AT (1976) § 22 II 6; Preisendanz 29. Aufl., § 26, 5c; Täterschaft S. 215; Rudolphi SK AT, 2. Aufl., § 16, Rdn. 30; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/123; Schroeder LK, 9. Aufl., §59, Rdn. 23; Spendei JuS 1969 314; Stratenwerth AT, 2. Aufl., Rdn. 284; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 IV 2. 28 Vgl. Bemmann, Hillenkamp, Jescheck, Letzgus, Roxin, Rudolphi wie Anm. 27. 29 Blei, Schmidhäuser, Stratenwerth wie Anm. 27. 30 Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 III 4, Anm. 16b. 31 Rudolphi SK AT, 2. Aufl., § 16, Rdn. 30. 32 Eingehend dazu Roxin Bemerkungen zum dolus generalis, in: Festschrift für Wiirtenberger, 1977, 109 ff, 123. 33 Dazu Anm. Cramer JZ 1965 32. (103)

§26

2. Abschnitt. Die Tat

umbringen werde, so haftet er nach §§ 26, 226 bzw. 251, obwohl der Täter aus §§211, 12 bestraft wird (so lag es in den vom BGH a a O entschiedenen Fällen). Wenn umgekehrt der Anstifter zur Körperverletzung anders als der Täter den Eintritt der schweren Folge (etwa nach § 226 StGB) voraussehen kann, wird seine Strafe aus §§ 26, 226 StGB entnommen, obwohl der Täter selbst sich nur eines Vergehens nach § 223 StGB schuldig macht. 29

Konstruktiv beruht diese überwiegend vertretene Lösung auf der Prämisse, daß die Tat des Anstifters sich als Anstiftung zum Grunddelikt in Verbindung mit fahrlässiger (Neben-)Täterschaft hinsichtlich der schweren Folge darstellt 3 4 . Akzeptiert man diesen Ausgangspunkt, besteht hinsichtlich des Anstiftervorsatzes keine Besonderheit. Freilich kann man zu ganz anderen Ergebnissen kommen, wenn man, wie es jüngst GösseßS vertritt, die vorsätzlichen Grunddelikte mit fahrlässiger Erfolgsherbeiführung als Fahrlässigkeitstaten mit typisiertem Sorgfaltspflichtverstoß a u f f a ß t ; d a n n ist mangels vorsätzlicher Haupttat überhaupt keine Anstiftung, sondern nur fahrlässige Nebentäterschaft möglich. Aber diese Konzeption und andere abweichende Lösungen 3 6 beruhen nicht auf Meinungsverschiedenheiten über die Anstiftung, sondern auf unterschiedlichen Ansichten über die Struktur der erfolgsqualifizierten Delikte; insoweit m u ß auf die Erläuterungen zu § 18 StGB verwiesen werden. Immerhin läßt der Wortlaut des § 18 StGB, der ausdrücklich von „Tätern" und „Teilnehmern" spricht, darauf schließen, daß der Gesetzgeber eine Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt für generell möglich und strafbar hält; auch kriminalpolitisch ist nicht recht einzusehen, warum der Anstifter hinsichtlich der schweren Folge nicht entsprechend dem Täter behandelt werden sollte, da der Gesetzgeber auch sonst den Anstifter „gleich einem Täter" (§ 26 StGB) zur Verantwortung zieht.

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IV. Anstiftung zu Sonderdelikten (Pflichtdelikten). Eine Anstiftung ist auch zu Delikten möglich, bei denen der Anstiftende nicht Täter sein könnte: Wer also bei einem Pflichtdelikt (vgl. § 25 Rdn. 29) als Extraneus den Träger der außerstrafrechtlichen Sonderpflicht zu einer tatbestandserfüllenden Pflichtverletzung, ζ. B. zu einer Rechtsbeugung (§ 336), einem Parteiverrat (§ 356), einer Unfallflucht (§ 142) oder einer Untreue (§ 266) veranlaßt, kann ohne weiteres als Anstifter bestraft werden (zu den vom Gesetzgeber vorgesehenen strafrahmenändernden Akzessorietätslockerungen vgl. die Kommentierung zu §§ 28, 29). Die Strafbarkeit der Anstiftung entspricht heute der absolut h. M. u n d der Rspr. (RGSt. 63 313, 318; BGHSt. 4 355, 359). Die zuletzt noch von Schmidhäuser (vgl. näher vor § 26 Rdn. 11) vertretene Gegenmeinung mißt der Selbständigkeit des Teilnahmeunrechts zu große Bedeu-, tung bei, wenn sie verlangt, daß sämtliche Merkmale des Täterunrechts auch beim Teilnehmer vorliegen müßten (vgl. vor § 2 6 Rdn. 5, 10—14). Mindestens für die Tätermerkmale kann eine solche A n n a h m e der Natur der Sache nach nicht gelten; da aber gerade die Sonderpflichtverletzung das Tätermerkmal der Pflichtdelikte ist 34

So auch BGHSt. 19 341 f; aus dem Schrifttum vgl. nur Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §18, Rdn. 7. 35 Dogmatische Überlegungen zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt nach § 18 StGB, in: Lange-Festschr., S. 219ff. 36 Aus dem neueren Schrifttum : Hanack-Sasse Zur Anwendung des § 56 auf den Teilnehmer, DRiZ 1954 217; Oehler Das erfolgsqualifizierte Delikt und die Teilnahme an ihm, GA 1954 33; Seebald Teilnahme am erfolgsqualifizierten und am fahrlässigen Delikt, GA 1964 161 ; Ziege Die Bedeutung des § 56 für Anstiftung und Beihilfe, NJW 1954 179. (104)

Anstiftung (Roxin)

§26

(vgl. § 25, Rdn. 29, 30), kann ihr Fehlen keinen Einfluß auf die Bestrafung des Anstifters (oder des Gehilfen) haben 37 . Strafbar ist nach einhelliger Rspr. und absolut h. L. auch die Anstiftung zum Un- 31 terlassungsdelikt. Bestritten wird dies allein von Armin Kaufmann38 und im Anschluß an ihn von Welzeß9. Kaufmann hält eine Anstiftung zum Unterlassungsdelikt für „undenkbar": „Denn da ein ,UnterlassungsVorsatz' nicht existiert, kann auch das Wesensmerkmal der Anstiftung nicht erfüllt werden, nämlich einen Tatentschluß zu wecken" 40 . Dem ist jedoch nicht zu folgen 41 . Es gibt sehr wohl einen Unterlassungsvorsatz in Gestalt des Entschlusses, in einen Kausalverlauf nicht einzugreifen; die Erregung dieses Entschlusses durch einen anderen genügt für eine Strafbarkeit nach § 26 StGB. Die Lösung Kaufmanns, der die Anstiftung zur Unterlassung als täterschaftliche Begehung betrachten und etwa die telefonische Empfehlung einer unterlassenen Hilfeleistung als Totschlag durch Begehen bestrafen will, ist auch unter dem speziellen Aspekt der Täter- und Teilnahmelehre abzulehnen. Denn erstens fehlt es dem nur zur Unterlassung Auffordernden an der Tatherrschaft, die allein im Regelfall seine Täterschaft begründen könnte. Und zweitens führt Kaufmanns Lehre bei Pflichtdelikten zu dem fehlerhaften Ergebnis (vgl. Rdn. 30) der Straflosigkeit des tatveranlassenden Extraneus : Die Aufforderung zu einer Untreue durch das Unterlassen vermögensfürsorgerischer Maßnahmen müßte straflos sein, weil der Veranlassende wegen vermeintlich fehlenden Vorsatzes beim Ausführenden nicht Anstifter, wegen seiner fehlenden Pflichtenstellung aber auch nach den Prämissen Kaufmanns nicht Täter sein könnte. V. Einheit und Mehrheit der Anstiftung, Täterschaft und Teilnahme bei der Anstiftung 1. Mehrere Einwirkungshandlungen des Anstifters, die auf die Erregung dessel- 32 ben Tatentschlusses abzielen, begründen nur eine Anstiftung. Da die „Tat" des Anstifters i. S. der §§ 52, 53 StGB seine Anstiftungshandlung und nicht die Tatbestandserfüllung durch den Täter ist, liegt auch dann nur eine Anstiftung i. S. des § 52 StGB vor, wenn jemand durch eine Aufforderung einen Täter zu mehreren Straftaten oder mehrere Täter zu mehreren Straftaten veranlaßt. Die früher vielfach vertretene Gegenmeinung, die aus der akzessorischen Natur der Teilnahme folgerte, daß so viele in Realkonkurrenz stehende Anstiftungshandlungen wie Tätertaten anzunehmen seien (so auch RGSt. 38 26, 27; 51 97, 101), ist heute allgemein aufgegeben (RGSt. 70 26, 334, 344)42. Dagegen liegen mehrere selbständige Anstiftungen vor, wenn durch mehrere Handlungen ein Täter zu mehreren Straftaten veranlaßt wird oder wenn dadurch verschiedene Täter zur Begehung von Straftaten motiviert werden.

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42 (105)

Vgl. dazu in kritischer Auseinandersetzung mit Schmidhäuser auch Roxin ZStW 83 [1971] 399 und im Anschluß daran Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 26, Rdn. 16. Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 190 ff. 11. Aufl., § 27 V 1. Wie Anm. 38, S. 191. Ausführl. kritische Auseinandersetzung mit Kaufmann in Täterschaft, S. 510—525; Stree (GA 1963 1 ff) ist unabhängig davon zu denselben Ergebnissen gekommen. Den Kritikern Kaufmanns hat sich (mit der Ausnahme Welzels) das gesamte Schrifttum angeschlossen. Vgl. aber auch Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 3 a.

§26

2. Abschnitt. Die Tat

33

2. Gemeinsame Anstiftung in Mittäterschaft ist möglich (vgl. §25, Rdn. 118). Der Ausdruck „Täter" in § 25 bezieht sich nicht nur auf die Tatbestände des Besonderen Teils, sondern umfaßt auch die Teilnahmeformen (vgl. schon RGSt. 13 121, 123; 53 189, 190; 71 23, 24f; H R R 1941 Nr. 727; BGH bei Daliinger M D R 1953 400). Erforderlich ist nur, daß die allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllt sind, d. h. daß mehrere Personen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken — etwa im Rahmen eines gemeinsamen Gespräches — den Tatentschluß hervorrufen (zu den Voraussetzungen der Mittäterschaft vgl. näher § 25, Rdn. 108 ff).

34

3. Auch die Nebentäterschaft ist bei der Anstiftung häufig (vgl. schon oben § 25, Rdn. 160). Sie liegt vor, wenn jemand durch mehrere, unabhängig voneinander auf ihn einwirkende Personen zu einer strafbaren Handlung angestiftet wird.

35

4. Ebenso ist eine Anstiftung in mittelbarer Täterschaft möglich. Sie liegt ζ. B. vor, wenn jemand durch eine notstandsbegründende Drohung (§ 35 StGB) oder durch Täuschung einen anderen dazu bringt, seinerseits bei einem Dritten einen Tatentschluß hervorzurufen (zu den Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft vgl. näher § 25, Rdn. 44ff). Allerdings muß der mittelbare Anstifter seine objektiv bestehende Herrschaft auch kennen, um die Tatherrschaft zu haben; wenn der Hintermann irrtümlich „annimmt, der Mittelsmann überschaue den Sachverhalt" (BGHSt. 8 137, 139) 43 , fehlt es an einer mittelbaren Täterschaft; da eine Anstiftung zur Anstiftung den Vorsatz des Mittelsmannes voraussetzt, lag in dem vom BGH entschiedenen Fall wohl nur eine versuchte Anstiftung vor.

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5. Anstiftung zur Anstiftung (Kettenanstiftung) liegt vor, wenn jemand einen anderen anstiftet, seinerseits einen Dritten zur Begehung einer Straftat anzustiften 4 4 . Sie wird als Anstiftung zur Haupttat bestraft (BGHSt. 6 359; 8 137). Dabei ist nicht erforderlich, daß der entferntere Anstifter die Zahl der Bestimmenden, die zwischen dem von ihm zur Anstiftung Bestimmten und dem Haupttäter stehen, kennt; auch den Haupttäter braucht er nicht namentlich zu kennen (BGHSt. 6 359).

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6. Beihilfe zur Anstiftung wie Anstiftung zur Beihilfe sind demgegenüber als Beihilfe zur Haupttat zu bestrafen; denn in beiden Fällen wird kein Tatentschluß durch den Helfenden oder Anstiftenden erregt, sondern die Tat nur mittelbar gefördert (vgl. näher § 27 Rdn. 43).

38

VI. Ort, Zeit und Verjährung der Anstiftung. Für den Ort der Begehung einer Anstiftung gilt § 9 Abs. 2 StGB. Die Anstiftung ist danach sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Anstifter gehandelt hat oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Anstifter zu einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Anstiftung das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatortes nicht mit Strafe bedroht ist. Vgl. näher die Kommentierung zu § 9 Abs. 2.

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Tatzeit ist für die Anstiftung nach § 8 StGB die Zeit der Anstiftertätigkeit. Für die Frage, welches Recht auf die Anstiftung anzuwenden ist oder ob der Anstifter ζ. B. einem Straffreiheitsgesetz unterfällt, kommt es also nicht auf den Zeitpunkt 43 Dazu Anm. Gallas JR 1956 225. 44 Eingehend dazu Schwind MDR 1969 13; D. Meyer JuS 1973 755. (106)

Beihilfe (Roxin)

§27

der Tatbegehung, sondern auf den der Anstiftungshandlung an. Vgl. näher die Kommentierung zu § 8. Dagegen fällt der Verjährungsbeginn gegen den Anstifter mit dem beim Angestifteten zusammen, weil von dessen Tat die Strafbarkeit der Anstiftung abhängig ist (vgl. § 78 a Abs. 1 S. 2 StGB). Die Verjährung einer ausländischen Straftat nach ausländischem Recht führt nicht zur Verjährung einer im Inland begangenen Anstiftung, die sich nach inländischem Recht richtet (RGSt. 9 10). VII. Die Strafe des Anstifters. Der Anstifter ist nach dem Wortlaut des § 26 StGB 40 „gleich einem Täter", d. h. nach dem Strafrahmen der Tätertat, zu bestrafen, wobei selbstverständlich seine Strafe im konkreten Fall niedriger oder auch höher als die des Täters sein kann. Bleibt die Haupttat im Versuch stecken, so kann die Strafe des Anstifters in derselben Weise wie die des Täters gemildert werden. Modifikationen der Anstifterstrafe enthält § 28 StGB. Den Vorschlag des Alternativentwurfs (§ 28 Abs. 2), für den Anstifter eine fakultative Strafmilderung vorzusehen, hat der Gesetzgeber nicht aufgenommen, obwohl es Formen der Anstiftung (etwa die beiläufige Anregung oder den tatauslösenden Tip) gibt, die der Beihilfe näher stehen als der Täterschaft; man meinte, Fällen geringerer Strafwürdigkeit bei der Strafzumessung innerhalb des allgemeinen Strafrahmens Rechnung tragen zu können 4 5 . Bei Zusammentreffen verschiedener Beteiligungsformen tritt die leichtere hinter der schwereren als subsidiär zurück, so daß also die Beihilfe gegenüber der Anstiftung (BGHSt. 4 244), aber auch die Anstiftung gegenüber allen Formen der Täterschaft subsidiär ist (RGSt. 33 401 ; 44 208, 211 ; 62 74, 75; 63 133, 134).

§27 Beihilfe (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern. Fassung vor dem 1. 1. 1975: §49 (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, kann jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen ermäßigt werden.

45

(107)

So der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, BT-Drucks. V/4095, S. 13. Zur rechtspolitischen Problematik vgl. die Begründung des Alternativentwurfs zum Allg. Teil, S. 67; Roxin u. a„ Einführung in das neue Strafrecht, 2. Aufl. (1975) 33; Schroeder Der Täter hinter dem Täter (1965) 202ff; Gallas ZStW 80 [1968] 32f; Armin Kaufmann ZStW 80 [1968] 37.

§27

2. Abschnitt. D i e Tat

Frühere Fassung des § 49 Abs. 1 vor der VO v. 20. 5.1943 (RGBl. 1339/341): Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. Frühere Fassung des § 49 Abs. 2: Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen zu ermäßigen. Schrifttum vgl. Vor § 26. Übersicht Rdn. I. Grundsätzliches zur Hilfeleistung 1. Der Streitstand 1 2. Die Beihilfe als kausale Risikosteigerung a) Notwendigkeit einer Kausalität der Beihilfe 2 b) Die nähere Bestimmung der Kausalität 3 c) Die Chancenerhöhung als hinzutretendes Zurechnungskriterium . 4 d) Die Ausschaltung hypothetischer Kausalverläufe 6 e) Die Wirksamkeit des Gehilfenbeitrages bis zur Vollendung 7 f) Gehilfenbeiträge, die sich nachträglich als überflüssig herausstellen 8 g) Die Bedeutung bestehender oder fehlender psychischer Beziehungen zwischen Täter und Gehilfen . 9 h) Die psychische Beihilfe 10 3. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinungen a) Die Ansicht der Rechtsprechung . 14 b) Die Beihilfe als Gefährdungsdelikt 17 c) Die Beihilfe als Intensivierung und Übernahme (Samson) 19 II. Der objektive Tatbestand 1. Generelle Bestimmung 20 2. Der Zeitpunkt der Hilfeleistung a) Beihilfe vor der Tat 21

III.

IV. V.

VI. VII. VIII.

Rdn. b) Der spätestmögliche Zeitpunkt . . 22 c) Sonderfälle 23 3. Die Mittel der Hilfeleistung 24 4. Beihilfe durch Unterlassen a) Anwendungsbereich 26 b) Zurechnungsvoraussetzungen . . . 27 Der Vorsatz des Gehilfen 1. Allgemeine Bestimmung 28 2. Bestimmtheit der Kenntnis von der Haupttat 30 3. Fehlen des Willens, zu einer vollendeten Haupttat beizutragen 31 4. Irrtum des Gehilfen über die Rechtfertigung seines Handelns 32 5. Abweichungen von Haupttat und Gehilfenvorstellung 33 Beihilfe zu Sonderdelikten (Pflichtdelikten) 34 Einheit und Mehrheit der Beihilfe, Täterschaft und Teilnahme bei der Beihilfe 1. Einheit und Mehrheit der Beihilfe a) im allgemeinen 36 b) der Fortsetzungszusammenhang im besonderen 38 2. Beihilfe in Mittäterschaft 40 3. Beihilfe in Nebentäterschaft 41 4. Beihilfe in mittelbarer Täterschaft . . 42 5. Anstiftung und Beihilfe zur Beihilfe . 43 Ort, Zeit und Verjährung der Beihilfe . . 44 Die Strafe des Gehilfen 47 Konkurrenzen 49

I. Grundsätzliches zur Hilfeleistung 1

1. Der Streitstand. Das Gesetz bezeichnet als Gehilfen denjenigen, der vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Als Hilfeleistung kommt jeder Tatbeitrag in Betracht, der nicht als Täterschaft oder Anstiftung zu qualifizieren ist (zur Abgrenzung der Beihilfe von der Täterschaft vgl. die Erläuterungen zu § 25, zur Anstiftung § 26 Rdn. 1 ff). Beim Begriff der Hilfeleistung ist die zentrale Frage, um die schon seit den Anfängen der reichsgerichtlichen Rechtsprechung und seit 1966 wieder mit vermehrter Heftigkeit gestritten wird, ob die Beihilfe zur vollendeten Tat eine Kausalität der Hilfeleistung für den Erfolg voraussetzt. In der Judikatur ist dies stets verneint worden. Die Leit(108)

Beihilfe (Roxin)

§ 2 7

entscheidung RGSt. 58 113ff sagt dazu (114/115): „Daß der Erfolg der Haupttat durch die Gehilfentätigkeit ursächlich mitbewirkt, gefördert oder erleichtert wird, i s t . . . nicht erforderlich. Der Tatbestand der einmal geleisteten Beihilfe wird nicht dadurch beseitigt, daß die Gehilfentätigkeit für den mit ihr beabsichtigten und tatsächlich eingetretenen Erfolg einflußlos gewesen i s t . . . Die bloße Absicht des Gehilfen, durch seine Hilfeleistung die Haupttat zu unterstützen und zu fördern, reicht allerdings zur Annahme einer . . . strafbaren Beihilfe nicht aus. Es muß hinzukommen, daß die den Verbrechenstatbestand verwirklichende Handlung, bevor sie zum Abschluß gekommen ist, zu irgendeinem Zeitpunkt durch das Tätigwerden des Gehilfen tatsächlich gefördert worden ist." Auf dieser Linie liegt — mit gewissen Schwankungen in der Begründung und in den Ergebnissen — auch die übrige Rechtsprechung 1 : RG Rspr. 4 464; 9 149; RGSt. 4 95, 96; 6 169, 170; 8 267, 268; 13 265, 266f; 27 157, 158, 28 266, 267; 51 136, 141; 67 191, 193; 71 176, 178; 73 53; 75 112, 113; BGHSt. 8 390; BGH VRS 8 201 ; VRS 23 209; BGH bei Daliinger MDR 1967 173; MDR 1972 16; OGHSt. 1 321, 330; 2 23, 44; BayObLGSt. 1959 132, 138; OLG Hamm HESt. 2 244; OLG Hamburg JR 1953 27; OLG Freiburg JZ 1951 85. Diese Auffassung hat vor allem im älteren Schrifttum gelegentlich Beifall 2 , überwiegend jedoch Ablehnung gefunden. Die h. M. hält bei mannigfachen Differenzen im einzelnen an der Forderung fest, daß der Tatbeitrag des Gehilfen für den Erfolg ursächlich gewesen sein müsse^, während andere Autoren die Beihilfe neuerdings als Gefährdungsdelikt auffassen. Dabei wird teils im Sinne eines konkreten Gefährdungsdeliktes nur, aber auch stets verlangt, daß der Gehilfe durch seinen Beitrag den Erfolg der Tat wahrscheinlicher mache, das Risiko des Erfolgseintrittes erhöhe 4 ; teils wird mit Hilfe einer konkret-abstrakten Betrachtungsweise darauf abgestellt, daß der Gehilfe einen Beitrag leisten müsse, der die Tathandlung konkret fördere und dabei zur Mitherbeiführung des Erfolges generell geeignet sei^ ; teils wird auch eine nur abstrakte Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes als für eine vollendete Beihilfe ausreichend angesehen 6 . ' Gute Zusammenstellung der Judikatur bei Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht. Zugleich ein Beitrag zur Kausalität der Beihilfe (1972) 55ff; Dreher Die Kausalität der Beihilfe, in: Bemühungen um das Recht (1972) 250ff. ( = M D R 1972 553 ff). 2 Binding Strafrechtl. und strafprozessuale Abhandlungen, Bd. 1 (1915) 311; v. Hippel II S. 462; H. Mayer AT (1953) 323 ; Sauer AT S. 223 ; v. Weber Grundriß, S. 72 und JZ 1951 85; Wegner AT, S. 237. Aus dem gegenwärtigen Schrifttum: Blei AT, 17. Aufl., § 80 II 2; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 IV 3. 3 So die Abhandlung von Claß Die Kausalität der Beihilfe, in: Stock-Festschr. (1966) 115 ff ; Dreher (wie Anm. 1); Samson (wie Anm. 1); ders. Die Kausalität der Beihilfe, in: PetersFestschr. (1974) 121 ff. Aus der Kommentar- und Lehrbuchliteratur: Baumann AT, 8. Aufl., §37 II 2a, b a (zweifelnd); Bockelmann AT, 2. Aufl., §25 III 2 a ; Dreher 37. Aufl., § 27, Rdn. 2; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 IV 2 c ; Lackner 11. Aufl., § 27, 2 a ; Maurach AT, 4. Aufl., § 52 II A 1 ; Mezger 3. Aufl. (1949) 411 ff; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/143; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §27 Rdn. 10; Samson SK AT, 2. Aufl., §27 Rdn. 9 f f ; Welzel 11. Aufl., § 16 III 3. 4 Salomon Vollendete und versuchte Beihilfe, Diss. Gött. 1968; Schaffstein Die Risikoerhöhung als obj. Zurechnungsprinzip im Strafrecht, insbesondere bei der Beihilfe, in: HonigFestschr. (1970) 169ff; wohl auch Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 899. 5 Vogler Zur Frage der Ursächlichkeit der Beihilfe für die Haupttat, in: Heinitz-Festschr. (1972) 295ff; ihm folgend Preisendanz 29. Aufl., § 27, 3d. 6 Herzberg Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände, GA 1971 I f f (4 ff); auch H. Mayer StudB (1967) § 39 V I a spricht davon, die Hilfeleistung müsse „wenigstens abstrakt geeignet sein, die Tat zu fördern". (109)

§27

2. Abschnitt. Die Tat

2. Beihilfe als kausale Risikosteigerung 2

a) Die Notwendigkeit einer Kausalität der Beihilfe. Grundsätzlich wird von der im Schrifttum herrschenden Meinung auszugehen sein. Danach muß die Beihilfe für den Erfolg in der Weise kausal sein, daß der Beitrag des Gehilfen die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert. An dem Erfordernis einer in diesem Sinne zu verstehenden Kausalität ist festzuhalten. Denn erstens ist die Kausalität schlechthin die notwendige, wenn auch nicht immer (und auch hier nicht, vgl. Rdn. 4) hinreichende Bedingung für die Zurechnung zur Begehungstat. Zweitens gestattet der Strafgrund der Teilnahme kein Absehen von der Ursächlichkeit des Gehilfenbeitrages: Versteht man die Teilnahme als „akzessorischen Rechtsgutsangriff" (vor § 26 Rdn. 17), so kann man wie bei allen Varianten der Verursachungstheorie (vor § 26 Rdn. 10 ff) von einem gelungenen Angriff und damit von einer vollendeten Teilnahme nicht sprechen, wenn der Beitrag des Gehilfen sich bei der Tatbestandsverwirklichung nicht ausgewirkt hat. Drittens schließlich verwischt man die Grenzen zwischen der straflosen versuchten und der strafbaren vollendeten Beihilfe, wenn man Förderungs- und Gefährdungshandlungen, die auf die Tatbestandshandlung ohne Einfluß geblieben sind, als vollendete Beihilfe bestraft.

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b) Die nähere Bestimmung der Kausalität. Mit der Entscheidung für das Kausalitätserfordernis beginnen aber die Probleme erst. Denn es ist überaus umstritten, was man bei der Beihilfe unter Kausalität verstehen und wie man sie feststellen soll. Einigkeit besteht heute darüber, daß eine Kausalität nicht nur dann besteht, wenn ohne den Gehilfenbeitrag der Erfolg entfallen wäre. Das kann im Einzelfall so sein (etwa wenn der Mord ohne die Beschaffung des Giftes nicht hätte ausgeführt werden können). Aber es genügt völlig eine Mitwirksamkeit des Gehilfenbeitrages, eine die Begehung in irgendeiner Weise beeinflussende „Modifikationskausalität", wie sie etwa vorliegt, wenn jemand dem Einbrecher Handschuhe mitgibt, damit er die Fensterscheibe besser eindrücken kann. Claß'1 hat hier von einem „herabgemindert wirksamen Kausalanteil" gesprochen, den er „als bloße Zufluß- oder Verstärkerkausalität" bezeichnet und die er für eine Beihilfe genügen lassen will. Das ist im Ergebnis zutreffend, bezeichnet aber keine besondere Art von Kausalität, sondern nur eine konsequente Anwendung der für die Äquivalenzformel auch sonst geltenden Grundsätze. Wenn Claß% etwa den Fall bildet, daß jemand einem Tresorknakker, der am Safe herumbohrt, einen sofort öffnenden Schlüssel reicht, so ergibt sich die Kausalität dieses Gehilfenbeitrages ohne weiteres daraus, daß der wirkliche Geschehensablauf durch die Verwendung des Schlüssels umgestaltet worden ist. Es kann hier wie überall nur auf das konkrete Bild der Tatausführung ankommen, während die hypothetische Frage, ob die Tat auch beim Wegfall des Gehilfenbeitrages zur Vollendung gekommen wäre, außer Betracht bleiben muß 9 . Ebenso ist die Wichtigkeit oder Unwichtigkeit eines Tatbeitrages, die für die Bejahung einer Mittäterschaft entscheidende Bedeutung hat (vgl. § 25, Rdn. 108, 131), auf die Kausalität einer Beihilfe ohne Einfluß; auch wer dem Tresorknacker während .der Arbeit eine Flasche Coca-Cola zur Erfrischung reicht, ist in diesem Sinne kausal 1 0 . 7 Stock-Festschrift (1966) 125/26. 8 Stock-Festschrift, S. 116. 9 Vgl. dazu nur Samson Peters-Festschr., S. 124 unter Hinweis auf die grundlegende Schrift von Engisch „Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände" (1931). 10 Α. A. offenbar Herzberg GA 1971 6. (110)

Beihilfe (Roxin)

§27

c) Die Chancenerhöhung als hinzutretendes Zurechnungskriterium. Allerdings 4 kann nicht, wie Mezgern es wollte, jegliche Modifikation des Tatbildes für die Annahme einer Beihilfe genügen. Wenn Mezger die Hingabe eines Schlüssels, den der Täter zwar bei sich trägt, aber überhaupt nicht verwenden will, als für eine Beihilfe ausreichend ansieht (weil ein Täter mit Schlüssel etwas anderes sei als ein Täter ohne Schlüssel), so ist dem nicht zu folgen. Denn zwar können auch untaugliche Beiträge das Geschehen verändern. Wollte man aber deshalb eine vollendete statt nur eine versuchte Beihilfe annehmen, so würde dadurch „das Kausalitätsprinzip als Zurechnungserfordernis ad absurdum geführt" 1 2 , weil der Zweck seiner Heranziehung (die Abschichtung von strafbarer vollendeter und strafloser versuchter Beihilfe) von vornherein vereitelt wäre. Auch erscheint es nicht sinnvoll, etwa jemanden wegen Beihilfe zu bestrafen, der dem zum Diebstahl aufbrechenden Täter lediglich eine Feder an den Hut gesteckt oder der ein Tatmittel heimlich gegen ein anderes völlig gleichwertiges ausgetauscht hat'3. Vielmehr ist unter den die Ausführung modifizierenden Bedingungen eine einschränkende Auswahl zu treffen, indem als Beihilfe nur solche Handlungen beurteilt werden, die den Erfolg ermöglichen, erleichtern, intensivieren oder sein Gelingen absichern, die also dem Täter bei Ausführung der Tat nützlich sind, seine Lage verbessern und ihm in diesem Sinne helfen 1 4 . Das steht völlig in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen der Zurechnungslehre, wonach nur solche Handlungen strafrechtlich zugerechnet werden dürfen, die das Risiko der Herbeiführung eines rechtlich mißbilligten Erfolges bzw. die Gelingens-Chance eines Deliktes in irgendeiner Weise erhöht haben 1 5 . Diese Einsicht gilt für alle Begehungsdelikte schlechthin und muß deshalb im besonderen auch für die nicht durch spezifische Täter- oder Tatbestandskriterien qualifizierte, auf keine bestimmte Begehungsweise festgelegte Beihilfe Gültigkeit haben. Wenn demnach die Beihilfe als ein akzessorischer Rechtsgutsangriff durch kau- 5 sale Risikoerhöhung verstanden werden kann, so scheidet als Beihilfe zunächst trotz seiner Kausalität jeder Beitrag aus, der die Erfolgschance vermindert hat, indem er die Tat zwar nicht verhinderte, aber doch erschwerte oder verzögerte, die Situation des Täters also per saldo verschlechterte. Keine strafbare Beihilfe ist aber auch eine Geschehensbeeinflussung, die für den Erfolg weder nützlich noch schädlich, sondern gleichgültig war. In dem Schulbeispiel des dem Täter gereichten Glases CocaCola (Rdn. 3) ist also zu unterscheiden. Strafbare Beihilfe liegt vor, wenn dem nach stundenlanger Arbeit mit der Bohrmaschine ermüdeten Bankeinbrecher das Getränk zur Erfrischung und Stärkung gereicht wird ; denn dadurch wird die Deliktsausführung — sei es auch geringfügig — positiv beeinflußt. Ist dagegen eine Chancensteigerung schlechthin nicht ersichtlich — ζ. B. wird das Glas dem Urkundenfälscher während seines rasch zu erbringenden Handlungsaktes zugetragen — so ist auch eine Beihilfe abzulehnen; die deliktsfreundliche Gesinnung des bewirtend Hinzutretenden genügt dafür nicht. Erst recht liegt keine Beihilfe vor, wenn jemand dem Täter, der etwa gerade auf einen anderen schießen will, einen Trunk anbietet

U Lehrbuch, 3. Aufl., S. 413. 12 Schaffstein Honig-Festschr., S. 176. 13 Das letzte Beispiel stammt von Samson Peters-Festschr., S. 129. 14 In wichtigen Punkten übereinstimmend Samson in den Anm. 1, 3 genannten Schriften. Über Abweichungen zwischen seiner und der hier vertretenen Auffassung vgl. Rdn. 19. 15 Vgl. dazu grundsätzlich Roxin Gedanken zur Problematik der Zurechnung im Strafrecht, in: Strafrechtliche Grundlagenprobleme (1973) 1 2 3 f f ( = Honig-Festschr., S. 133 ff). (III)

§27

2. Abschnitt. Die Tat

und dadurch die Ausführung mit möglicherweise vereitelnder Wirkung verzögert; denn darin liegt sogar eine Chancenverschlechterung. 6

d) Die Ausschaltung hypothetischer Kausalverläufe. Zu beachten ist, daß bei Beurteilung der Chancenerhöhung auf den konkreten Sachverhalt abgestellt werden muß und kein hypothetischer Sachverhalt hinzugedacht werden darf. Wenn in einem viel diskutierten Beispiel Schaffsteins16 jemand dem Einbrecher die Leiter zum Tatort trägt, die dieser ggf. auch selbst hätte tragen können, so ist dies entgegen der Auffassung Schaffsteins eine strafbare Beihilfe. Denn in concreto ist die Herbeischaffung der Leiter für den Erfolg kausal geworden, indem sie ihn ermöglicht oder wenigstens die Chance des Täters wesentlich erhöht hat. Zu einem anderen Ergebnis kann man nur kommen, wenn man ein hypothetisches anderes Verhalten (das Tragen der Leiter durch den Täter selbst) hinzudenkt. Das ist aber unzulässig, weil ein strafbares Verhalten nicht dadurch irrelevant werden kann, daß erforderlichenfalls auch ein anderer eingesprungen wäre. Sonst müßte jeder Gehilfe straflos sein, wenn notfalls der Täter dessen noch so wichtigen Beitrag selbst übernommen hätte (ζ. B. er hätte sich den unerläßlichen Dietrich, den der Gehilfe beschafft hat, notfalls auch selbst besorgt).

7

e) Die Wirksamkeit des Gehilfenbeitrages bis zur Vollendung. Wichtig ist ferner, daß als vollendete Beihilfe nur ein Beitrag herangezogen werden darf, der bei der Ausführung bis zum Schluß chancensteigernd gewirkt und seine Bedeutung nicht schon im Versuchsstadium oder noch früher eingebüßt hat. So liegt eine straflose versuchte Beihilfe nicht nur in den unstrittigen Fällen vor, daß der Täter eine ihm angebotene Hilfe zurückweist oder daß diese ihn nicht erreicht (z. B. bei per Post versandten Hilfsmitteln) 17 , sondern auch dann, wenn der Täter die Hilfe zunächst annimmt, aber noch vor Eintritt in das Versuchsstadium wieder auf sie verzichtet (ζ. B. wenn er einen ihm übergebenen Nachschlüssel dann doch nicht mitnimmt oder ihn unbenutzt läßt, als er beim Herannahen an das Haus, aus dem er stehlen will, im Erdgeschoß ein Fenster offenstehen sieht, in das er nun einsteigt). Wirkt ein Beitrag nur ins Versuchsstadium hinein chancensteigernd und büßt dann seine Bedeutung ein — der mitgegebene Schlüssel bricht im Schloß ab, und der Täter dringt nun auf andere Weise ins Haus ein — so liegt eine strafbare Beihilfe zum Versuch, nicht aber zur vollendeten Tat vor. Selbstverständlich genügt es aber, wenn die eigentliche Beihilfehandlung im Vorbereitungsstadium erfolgt; entscheidend ist, daß ihre Auswirkung nicht vor dem Eintritt in das Ausführungsstadium erlischt.

8

f) Gehilfenbeiträge, die sich nachträglich als überflüssig herausstellen. Andererseits wird eine strafbare Beihilfe keineswegs dadurch ausgeschlossen, daß sich hinterher herausstellt, der Beitrag sei überflüssig gewesen. Das gilt ζ. B. für das Wachestehen, sofern es sich nicht schon als Mittäterschaft darstellt (dazu § 25, Rdn. 108, 133). Eine Beihilfe liegt nicht nur vor, wenn der Täter ohne den Wachtposten die Tat überhaupt nicht begangen oder wenn er bei der Tat ständig nach etwaigen Entdeckern Ausschau gehalten hätte, so daß der Schmierestehende die konkrete Ausführung erleichtert hat 18 . Vielmehr hat sich der Wachestehende auch dann wegen Beihilfe strafbar gemacht, wenn der Täter notfalls ohne Wache die Tat gewagt hätte und wenn die Wache nicht tätig zu werden brauchte, weil sich kein potentieller Ent16

Honig-Festschr., S. 182. Zu diesen beiden Fallgruppen vgl. Dreher Bemühungen um das Recht (1972) 250 f. 18 So jedoch Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972) 196. 17

(112)

Beihilfe (Roxin)

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decker näherte. Denn ob der Täter ggf. auch ohne Wache gehandelt hätte, ist wiederum eine unerhebliche hypothetische Frage (vgl. Rdn. 6); und der Umstand, daß die Wache nicht einzugreifen brauchte, ändert nichts daran, daß sie bei der erforderlichen objektiven Betrachtung ex ante bis zur Vollendung für den Täter chancensteigernd bzw. risikoverringernd wirkte. An der Kausalität dieser Hilfeleistung fehlt es (unabhängig von der Frage einer psychischen Beihilfe, vgl. Rdn. 10ff) nicht; denn ein Diebstahl durch zwei Personen (den Wegnehmenden und den Wachestehenden), der etwas anderes ist als eine allein ausgeführte Tat, wird selbstverständlich durch jeden der beiden Beteiligten mitverursacht. Ebenso liegt (auch wo es keinen qualifizierenden Tatbestand dafür gibt) eine Beihilfe vor, wenn jemand dem Täter für alle Fälle eine Waffe mitgibt, die dieser dann mangels Entdeckung nicht benötigt. Denn für die Begehung einer Tat mit einer Waffe ist der Lieferant des Revolvers kausal, und chancensteigernd wirkt die Waffe während des gesamten Ausführungsaktes auch dann, wenn schließlich von ihr kein Gebrauch gemacht werden muß. Die Konstellation liegt im entscheidenden Punkt anders als der Fall, in dem der Täter die Überflüssigkeit eines ihm mitgegebenen Schlüssels schon im Vorbereitungs- oder Versuchsstadiums erkennt und nun auf die Benutzung dieses Werkzeugs endgültig Verzicht leistet (vgl. Rdn. 7). Denn in diesem Gegenbeispiel einer versuchten Beihilfe oder einer Beihilfe zum Versuch wirkt der Schlüssel während der Herbeiführung des Erfolges in seinem früheren Einfluß nicht mehr fort und bedeutet auch bis zum Abschluß der Tat keine Chancensteigerung mehr. g) Die Bedeutung bestehender oder fehlender psychischer Beziehungen zwischen 9 Täter und Gehilfen. Mindestvoraussetzung für eine strafbare Beihilfe ist allerdings, daß das Tun des Gehilfen entweder dem Täter bekannt ist oder doch wenigstens für einen einsichtigen Durchschnittsbeobachter als chancenverbessernd in Erscheinung tritt. Daher liegt keine Beihilfe in dem Schulfall vor, daß ein Taschendieb im Gedränge einem Passanten die Brieftasche stiehlt, während ein Kollege des Diebes, von dessen Anwesenheit dieser indes nichts weiß, sich aus beruflicher Solidarität in der Nähe postiert, um notfalls das beliebte künstliche Gedränge hervorzurufen, unter dessen Wirkung der Taschendiebstahl erleichtert wird 19 . Hier fehlt es zwar nicht an einer Chancensteigerung. Die Annahme einer Beihilfe würde aber, wenn der bereitstehende Kollege überhaupt nichts unternimmt, weil der Taschendiebstahl auch ohne Gedränge gelingt, auf Bestrafung einer innerlich gebliebenen reinen Hilfsbereitschaft hinauslaufen 20 . Ihre Pönalisierung würde einem Gesinnungsstrafrecht bedenklich nahe kommen; auch würde sich eine solche Beihilfe dem forensischen Nachweis entziehen. Wenn freilich der eingriffsbereite Kollege sein Verhalten mit dem Täter vorher abgesprochen hat, kann er auch ohne Rückgriff auf die Rechtsfigur der psychischen Beihilfe (dazu Rdn. lOff) als Gehilfe bestraft werden; seine Beurteilung entspricht dann derjenigen eines Wachpostens. Andererseits ist abweichend von der Anstiftung (vgl. § 26, Rdn. 12) ein psychischer Kontakt zwischen Gehilfen und Täter dann nicht erforderlich, wenn der Beihilfecharakter eines Tuns (oder auch Unterlassens) aus den Umständen objektiv erkennbar ist. Schlägt also der Freund des Einbrechers den herannahenden Polizisten aus eigenem Antrieb nieder, ohne daß der im Hause beschäftigte Täter etwas weiß oder bemerkt, so kann unbedenklich eine strafbare Beihilfe angenommen werden. 19

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Maurach AT, 4. Aufl., § 52 III A ; für Beihilfestrafbarkeit im Anschluß an Maurach Baumann JuS 1963 137; Schaffstein Honig-Festschr., S. 180. Zutreffend Dreher Bemühungen um das Recht (1972) 257.

§27

2. Abschnitt. Die Tat

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h) Die psychische Beihilfe. Strafbar ist auch die psychische Beihilfe, eine Hilfeleistung also, die nur über die Psyche des Täters wirkt und sich nicht in physischen Tatbeiträgen niederschlägt. Voraussetzung ist freilich auch hier ein Kausalzusammenhang zwischen der psychischen Einwirkung und dem Erfolge. 11 Dieser Zusammenhang ist ohne weiteres gegeben bei der sog. „technischen Rathilfe" 2! , d. h. bei der Erteilung von Ratschlägen, die sich auf die konkrete Durchführung fördernd auswirken. Wer dem Täter die genaue Lage der Räume beschreibt, aus denen gestohlen werden soll, wer Anleitungen zum geschickteren Aufbrechen der Türen gibt oder sonst durch Anregungen die Gestaltung der Ausführung in förderlicher Weise modifiziert, dessen Tatbeitrag ist in derselben Weise kausal wie die physische Beihilfe. 12 Als psychische Beihilfe faßbar ist in vielen Fällen auch die von Claß entdeckte Fallgruppe der sog. „vorgeleisteten Strafvereitelung"22. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn jemand einen Beitrag leistet, der für die Herbeiführung eines tatbestandsmäßigen Erfolges an sich irrelevant ist, aber eine spätere Strafverfolgung erschweren soll, wenn also ζ. B. jemand den Tätern Tarnanzüge und Gesichtsmasken liefert, die eine Erkennung durch das Opfer und eine spätere Entdeckung verhindern sollen. Dabei handelt es sich materiell um eine vorweggenommene Strafvereitelungshandlung, die im Zusammenhang mit § 258 StGB unter Strafe gestellt werden müßte, vom Gesetzgeber aber offenbar übersehen worden ist und deshalb auch von Claß als de lege lata straflos betrachtet wird. Man wird indessen vielfach annehmen können, daß die Durchführung der Tat von derartigen Vorkehrungen abhängig ist, weil der Täter ohne ausreichende Sicherung vor dem späteren Gefaßtwerden nicht (oder doch nur in anderer Art und Weise) zur Ausführung geschritten wäre; dann ist die vorgeleistete Strafvereitelung für den konkreten Entschluß und damit auch für die Ausführung kausal und kann ohne Bedenken als Beihilfe bestraft werden. Daß der Täter sich möglicherweise bei einer Verweigerung der vorgeleisteten „Begünstigung" anderwärts strafvereitelnde Sicherungen beschafft hätte, bleibt hier wie sonst außer Betracht. Wenn dagegen ein Täter zur Begehung der Tat (etwa eines Einbruchs) schon fest entschlossen ist und ein anderer ihm, ohne daß der Täter daran vorher gedacht hätte, Handschuhe zur Verhinderung entdeckungsfördernder Fingerabdrücke aufdrängt, ist das als Beihilfe nicht zu fassen; hier müßte der Gesetzgeber einen neuen Absatz in § 258 StGB einfügen, wenn er ein solches Verhalten unter Strafe stellen will. 13 Die schwierigsten Probleme wirft die psychische Beihilfe auf, die lediglich in einer „Bestärkung des Tatentschlusses" besteht. Soweit diese Bestärkung zu einer Intensivierung der Tatbestandshandlung führt, ist freilich auch hier die Kausalität eindeutig. Wenn also etwa bei einer Körperverletzung die anfeuernden Rufe Umstehender zur Folge haben, daß der Täter um so heftiger oder länger auf das Opfer eindrischt, liegt ein klarer Fall strafbarer psychischer Beihilfe vor. (Darüber, daß derartige nicht tatbestandsverändernde „Übersteigerungen" keine Anstiftung begründen, vgl. § 26, Rdn. 6 a.E). Man wird jedoch eine Modifizierung des äußeren Tatbildes nicht allemal verlangen, sondern eine Kausalität auch dort bejahen können, wo die psychische Einwirkung lediglich in nachweisbarer Form den Tatentschluß stabilisiert, indem der Gehilfe dem Täter etwa Bedenken ausredet oder 21 Samson SK AT, 2. Aufl., § 27, Rdn. 13. 22 Claß Stock-Festschrift, S. 116 ff ; Claß spricht im Hinblick auf den früheren § 257 StGB noch von „vorgeleisteter Begünstigung". (114)

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durch Lieferung weiterer Tatmotive seinen Entschluß unumstößlich macht. Denn in einem solchen Falle ist der Tatentschluß in seiner konkreten psychischen Realität und Wirkkraft durch den Gehilfenbeitrag in risikosteigernder Form mitgestaltet worden; die Beihilfe ist dann mittelbar für den Erfolg kausal, indem sie den die Tat bedingenden Entschluß (mit-)verursacht: causa causae est causa causati 23 . Dagegen reichen bloße Zustimmungs- und Solidarisierungsbekundungen, die einen bereits gefaßten Tatentschluß auch in seiner Festigkeit und Intensität nicht beeinflussen, sondern den Täter nur in einer für die Tatverwirklichung folgenlosen Art erfreuen, für die Bejahung einer strafbaren Beihilfe nicht aus. Bloße Gesinnungsbekundung ist noch keine Hilfe; es wäre auch rechtsstaatlich bedenklich, wenn man mittels § 27 StGB die Strafbarkeit in einem Tatbestandsstrafrecht auf reine Sympathisanten erstrecken wollte. 3. Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinungen. Aus der in Rdn. 2 ff entwickelten Auffassung ergibt sich die Stellungnahme zu den wichtigsten abweichenden Teilnahmekonzeptionen. a) Die Ansicht der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung basiert auf der in RGSt. 14 58 114, 115 exemplarisch ausgesprochenen These, daß der Gehilfenbeitrag die Handlung des Täters „tatsächlich gefördert" haben müsse, für den eingetretenen Erfolg aber „einflußlos" geblieben sein könne (vgl. näher Rdn. 8). Auch der BGH hat diese Lehre übernommen, wenn er feststellt 24 , eine dem Haupttäter gewährte Unterstützung sei „auch dann tatbestandsmäßige Beihilfe, wenn sie für den Erfolg nicht ursächlich ist", und es reiche „aus, daß die Gehilfentätigkeit die Handlung des Haupttäters fördert oder erleichtert" 25 . Die Kritik hat seit Jahrzehnten darauf hingewiesen, daß diese Konzeption widersprüchlich sei, und das ist sie in der Tat: Da die Handlung des Täters auf die Tatbestandverwirklichung abzielt , kann sie nur durch Beiträge gefördert werden, die sich auch auf den Erfolg auswirken; was für den Erfolg irrelevant ist oder gänzlich ohne Einfluß auf ihn bleibt, kann die Handlung des Täters höchstens scheinbar und nach den Intentionen der Beteiligten gefördert haben und deshalb nur eine versuchte Beihilfe sein. So hat Mezger26 denn auch schon vor langer Zeit nachgewiesen, daß in fast allen RG-Entscheidungen, die mit der Förderungsformel arbeiten, in Wirklichkeit eine Kausalität des Gehilfenbeitrages vorgelegen hat, so daß im Ergebnis kein Unterschied gegenüber der hier vertretenen Meinung besteht. Vielfach beruht die Annahme fehlender Kausalität auf dem Mißverständnis, daß der Gehilfenbeitrag condicio sine qua non für die Deliktsbegehung gewesen (vgl. Rdn. 3) sein müsse oder daß eine sich hinterher als überflüssig herausstellende erfolgsfördernde Handlung nicht kausal sei (vgl. Rdn. 8). Wenn demnach der Meinungsunterschied sich auch in den meisten Fällen nicht 15 auf das praktische Ergebnis auswirkt, birgt die Lehre der Rechtsprechung doch die Gefahr in sich, eine nur versuchte Beihilfe oder eine Beihilfe zum Versuch in eine Beihilfe zur vollendeten Tat umzudeuten. Dieser Gefahr ist das RG wiederholt erle23

Auf dieser Linie wohl auch Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 900; sehr viel enger (zu eng!) dagegen Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972) 189 ff ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 27, Rdn. 15. 24 VRS 8 199 (201). 25 Bei Dallinger MDR 1972 16. 2« Lehrbuch, 3. Aufl., S. 413. (115)

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2. Abschnitt. Die Tat

gen. So hat zwar RGSt. 38 156 es zutreffend abgelehnt, den nicht benutzten Ratschlag, eine zu stehlende Kassette mit einem Schraubenzieher von ihrer Unterlage zu lösen, als Beihilfe zu bestrafen; doch hat es in einer Entscheidung vom 7. 11. 1913 27 die Übergabe einer Zange an einen Einbrecher als vollendete Beihilfe bestraft, obwohl dieser den Einbruch schließlich „ohne Benutzung des Werkzeuges ausgeführt" hatte. Auch die Leitentscheidung RGSt. 58 113 wollte die Lieferung von Abtreibungsgeräten, die von der Schwangeren zunächst in Benutzungsabsicht angenommen, dann aber doch nicht verwendet worden waren, für eine Beihilfe genügen lassen 2 8 . Schon RGSt. 6 169, 170 hatte in dem Fall, daß der Gehilfe dem Täter einen Schlüssel mitgegeben hatte, der in dem zu öffnenden Schloß abgebrochen war, woraufhin der Täter auf andere Weise in das Haus gelangt war, eine Beihilfe zum vollendeten Diebstahl angenommen; richtigerweise lag hier zwar kein strafloser Beihilfeversuch, aber doch nur eine strafbare Beihilfe zum Diebstahlsversuch vor (vgl. Rdn. 7). Die Unklarheit der Förderungsformel begünstigt also, mag sie auch in den meisten Fällen unschädlich sein, eine Erstreckung der Beihilfe in den straffreien Raum. 16

Noch stärker wirkt sich der Verzicht auf das Kausalitätserfordernis im Bereich der psychischen Beihilfe aus, wo praktisch jede erkennbare Billigung der Haupttat als Beihilfe bestraft wird (vgl. näher Rdn. 25). Das erleichtert zwar dem Richter den Beweis, ist aber mit den Grundlagen eines Tatbestandsstrafrechts schwerlich zu vereinbaren (vgl. Rdn. 13).

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b) Die Beihilfe als Gefährdungsdelikt. Die in neuerer Zeit in verschiedenen Varianten entwickelten Meinungen, wonach auf die Kausalität des Gehilfenbeitrages für den Erfolg verzichtet werden könne, weil schon eine konkrete oder abstrakte Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsgutes für eine Beihilfebestrafung ausreiche, setzen sich allesamt dem Einwand aus, „die versuchte Beihilfe als vollendete Beihilfe zu bestrafen" 2 9 ; denn eine objektive Gefährdung, bei der der Vorsatz auf die Erfolgsherbeiführung gerichtet sein muß (sonst liegt der straflose Fall des agent provocateur vor), ist strukturell ein Versuch. Den Versuch der Beihilfe aber hat der Gesetzgeber straflos gelassen.

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Im übrigen sind gegen die einzelnen Ansätze unterschiedliche Einwände zu erheben. Schaffstein und sein Schüler Salomon (vgl. Rdn. 1 bei Anm. 4) haben mit der Einführung des Risikoerhöhungsgedankens in die Teilnahmelehre das richtige Zurechnungsprinzip durchaus gefunden. Da sie aber das Erfordernis der Risikoerhöhung von der Kausalbeziehung ganz lösen, anstatt es zu ihrer Einschränkung zu benutzen, gerät ihnen der Teilnahmebereich teils zu weit, teils zu eng; zu weit insofern, als sie wirkungslose Beiträge (Mitgabe nicht verwendbarer Schlüssel und dgl.) als vollendete Beihilfe bestrafen; zu eng insofern, als sie kausale und tatfördernde Beiträge (das Tragen der Leiter zum Tatort, vgl. näher Rdn. 6) durch Einbeziehen hypothetischer Kausalverläufe als nicht risikosteigernd von der Bestrafung ausnehmen wollen 3 0 . Vogler (\gl. Rdn. 1 bei Anm. 5), der ebenfalls mit dem an sich zutref27 Zitiert in RGSt. 58 115. Im Ergebnis kam die Entscheidung aber aus anderen Gründen zum Freispruch, vgl. Dreher Bemühungen um das Recht (1972) 252. 29 Darüber eingehend Samson Die Kausalität der Beihilfe, Peters-Festschr., S. 121 — 135 (132). 30 Zur Kritik Samson Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972) 75 ff, ders. Die Kausalität der Beihilfe, Peters-Festschr., S. 125 ff; Dreher Bemühungen um das Recht, S. 25 ff; Herzberg GA 1971 7 f ; Vogler Heinitz-Festschr., S. 307 f.

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fenden Risikoprinzip operiert, vermeidet die zu starke Einengung der SchaffsteinSalamonschen Lehre, indem er im Hinblick auf den Erfolg eine abstrakte Gefährlichkeit des Gehilfenverhaltens genügen läßt und eine konkrete Förderung lediglich des Täterverhaltens verlangt. Aber auch er geht mit dem Verzicht auf die Kausalität des Gehilfenbeitrages auf der anderen Seite zu weit; da auch in concreto unbrauchbare und unverwendete Tatbeiträge zur Herbeiführung des Erfolges in der Regel generell geeignet und damit abstrakt gefährlich sind, verwandelt er Fälle straflosen Versuchs in strafbare Teilnahme 31 . Herzberg schließlich sieht die Beihilfe von vornherein als „abstraktes Gefährdungsdelikt" 32 an und meint, für eine vollendete Beihilfe sei nichts erforderlich als die Verursachung von „Hilfe": „Der Täter hat bei der Durchführung seiner Tat Beistand erhalten, und das genügt" 33 . Vom grundsätzlichen Einwand der gesetzwidrigen Strafbarkeitserweiterung abgesehen ist gegen diese Lehre geltend zu machen, daß die zentralen Begriffe der „Hilfe" und des „Beistandes" gänzlich unbestimmt bleiben. Anscheinend soll alles „Hilfe" sein, was „abstrakt gefährlich" ist. Aber eine so vage Auskunft genügt dem gesetzlichen Bestimmtheitserfordernis nicht. Wenn Herzberg das Hinreichen eines Getränkes an den Täter selbst dann als „Hilfe" ansehen will, wenn es „den Erfolg der Wegnahme verzögert und dadurch gefährdet" oder wenn er den als Gehilfen bestrafen will, der lediglich bewirkt hat, daß der Täter die Handlung mit „besserer Laune" durchführt, dann ist nicht einmal mehr zu erkennen, worin die „abstrakte Gefährlichkeit" solcher Beiträge bestehen soll; die Grenzen der Strafbarkeit verschwimmen hier im Ungewissen 34 . c) Die Beihilfe als Intensivierung und Übernahme (Samson). Die von Samson in 19 mehreren Publikationen entwickelte Lehre 35 steht unter den neueren Konzeptionen der hier vertretenen Ansicht am nächsten. Auch Samson gewinnt die Fälle strafbarer Beihilfe durch eine Auswahl unter den für den Erfolg kausalen Bedingungen. Er nimmt jedoch diese Auswahl nicht mit Hilfe des Risikoerhöhungsgedankens, sondern mittels der von ihm sog. Prinzipien der „Intensivierung" und der „Übernahme" vor. Danach leistet Beihilfe, wer den Erfolg dadurch mitverursacht, daß er die Rechtsgutsverletzung ermöglicht oder intensiviert (Intensivierungsprinzip) oder daß er dem Haupttäter sonst von diesem zu erbringende rechtswidrige Leistungen abnimmt (Übernahmeprinzip), indem er ihm die Durchführung der Tat erleichtert. Das läuft in den Ergebnissen im wesentlichen auf das hier vertretene Risikoerhöhungsprinzip hinaus. Eine Abweichung liegt aber ζ. B. darin, daß Samson nur die Übernahme rechtswidriger Beiträge als strafbare Beihilfe ansieht und deshalb den straflos lassen will, „der sich dem ahnungslosen Postboten gegenüber erbietet, das Paket mit der Höllenmaschine die letzten Meter vom Gartentor bis zur Haustür zu tragen. Dies gilt auch, wenn er weiß, was das Paket enthält" 36 . Überzeugend ist das nicht, weil das Setzen einer erfolgsfördernden Bedingung beim Bestehen eines entsprechenden Vorsatzes für eine strafrechtliche Zurechnung durchaus genügt 37 . 31

Detailkritik an Vogler bei Samson Peters-Festschr., S. 127 ff. 32 GA 1971 7. 33 GA 1971 6. 34 Ausführliche Kritik an Herzberg bei Vogler Heinitz-Festschr., S. 298 ff; Samson PetersFestschr., S. 126 f. 35 Vgl. Anm. 1, 3. 36 Hypothetische Kausalverläufe im Strafrecht (1972) 171. 37 Gegen Samson in diesem Punkt auch Vogler Heinitz-Festschr., S. 312, Anm. 91, der von der „Schwäche des sog. Übernahmeprinzips" spricht. (117)

§27

2. Abschnitt. Die Tat

Auch läßt sich mit den Prinzipien der Intensivierung und Übernahme das „Sichermachen" der Tatbestandshandlung nicht als Beihilfe erfassen, was wenig sachgerecht ist und Samson ζ. B. bei der Beurteilung des Wachestehens in große Schwierigkeiten bringt (vgl. Rdn. 8). Auch Samsons gänzliche Ablehnung der psychischen Beihilfe — soweit diese nicht in technischer Rathilfe besteht — ist eine zu weitgehende Konsequenz seiner Zurechnungsprinzipien (vgl. Rdn. 10 ff).

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II. Der objektive Tatbestand 1. Der objektive Tatbestand der Beihilfe besteht darin, daß jemand einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Zu dem Erfordernis der vorsätzlichen rechtswidrigen Tat (sog. Haupttat) s. o. vor § 26, Rdn. 19— 26. Über die Kausalität der Hilfeleistung s. Rdn. 1 —19.

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2. a) Der Zeitpunkt der Hilfeleistung wird vielfach mit dem der Haupttat zusammenfallen, doch ist dies keineswegs notwendig. Beihilfe kann vielmehr schon zu bloßen Vorbereitungshandlungen3*> geleistet werden, ja selbst schon vor Entschließung des Haupttäters zur Tat einsetzen 39 .

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b) Der spätest mögliche Zeitpunkt der Hilfeleistung ist umstritten. Nach Ansicht der Rechtsprechung 40 und h.L. 41 endet die rechtliche Möglichkeit der Beihilfe nicht mit dem vollen Eintritt der Rechtsgüterverletzung, sie soll vielmehr noch im Stadium ihrer materiellen Beendigung bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges gegeben sein. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat statt auf den begrenzten Strafrahmen der (von der Vollendung an möglichen) Begünstigung oder Strafvereitelung (§§ ¡257, 258) über § 27 Abs. 2 auf den u. U. strengeren Strafrahmen der Haupttat zuzugreifen. Die Entscheidung darüber, ob im Beendigungsstadium Beihilfe oder Begünstigung bzw. Strafvereitelung anzunehmen ist, soll nach der Rspr. von der Willensrichtung des Hilfeleistenden abhängen (RGSt. 58 13, 14; BGHSt. 4 132, 133). Die Ausdehnung der Beihilfe über den Eintritt der gesamten Rechtsgüterverletzung hinaus ist jedoch abzulehnen: Angesichts des Verfassungsgebotes nullum crimen sine lege, Art. 103 Abs. 2 GG, ist die Rechtsfigur der materiellen Beendigung nur da rechtsstaatlich bedenkenfrei, wo sie die Strafbarkeit begrenzt (so etwa beim agent provocateur, § 26 Rdn. 19, oder bei der Notwehr) nicht aber dort, wo sie, wie es hier der Fall ist, zu einer Ausdehnung der Strafbarkeit führt, ganz abgesehen davon, daß die h. M. für den Eintritt der materiellen Beendigung keine auch nur halbwegs präzisen Kriterien angeben kann ; im übrigen dürfte auch die Unterscheidung von Beihilfe und §§ 257, 258 anhand 38 RG Rspr. 9 149; RGSt. 4 95, 96; 28 287; 51 136, 141 ; 58 113, 114; BGHSt. 2 344, 346. 39 RG Rspr. 3 464; RGSt. 8 267, 268; 16 350; 38 417, 418f; 58 113, 114; 59 376, 379; 67 191, 193; 75 112, 113; BGHSt. 2 344, 345f. 40 RGSt. 23 292; 58 13, 14; 71 193, 194; RG JW 1934 837 m. Anm. Mezger; H RR 1940 Nr. 469; OGHSt. 2 50, 59f; 2 209, 210f; 3 1, 3; BGHSt. 3 40, 43f; 6 248, 251; 19 325; BGH VRS 16 (1959) 267; OLG Köln NJW 1956 154; OLG Hamm JZ 1961 94 m. Anm. Stratenwerth; OLG Karlsruhe GA 1971 281. 41 Baumann AT, 8. Aufl., § 37 II 2b ß; Blei AT, 17. Aufl., § 80 I; Bockelmann AT, 2. Aufl., § 25 III 2b; Hau Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen (1974) 119 ff.; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 IV 2b; Lackner 11. Aufl., § 27, 2b; Preisendanz 29. Aufl., 27, 3c; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 27, Rdn. 17; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/137; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 IV 3 — differenzierend Kühl Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1974) 94 ff; Samson SK AT, 2. Aufl., § 27, Rdn. 18. (118)

Beihilfe (Roxin)

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der Willensrichtung der Beteiligten in der psychischen Realität zumeist keine Entsprechung haben 4 2 . c) Bei Dauerdelikten endet die Möglichkeit der Beihilfe allerdings erst dann, 23 wenn der vom Täter aufrechterhaltene rechtswidrige Zustand aufhört, RGSt. 38 417. Reicht also G dem A den Türschlüssel, damit dieser die bisher durch bloße Körperkraft zugehaltene Tür zu dem Raum, in dem er den O eingesperrt hat, zuschließen kann, so ist G wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu bestrafen. Bei Haupttaten, die in Fortsetzungszusammenhang begangen werden, ist zu unterscheiden: Ist die Unterstützungshandlung ihrer objektiven Zielrichtung nach auf zukünftige Teilakte oder einen gegenwärtig andauernden, noch nicht vollendeten Teilakt gerichtet, so liegt Beihilfe vor; zielt sie dagegen auf vergangene Teilakte oder wird sie zu einem bereits vollendeten Teilakt geleistet, so ist Begünstigung oder Strafvereitelung gegeben. Vgl. RGSt. 17 227, 228; 34 5, 7; 34 1, 47 ; 56 326, 328; 57 81, 82; und Mösl in der 9. Aufl. Vor § 73, Rdn. 37. Möglich ist auch Beihilfe zu einer für den Haupttäter mitbestraften Nachtat, RGSt. 57 42, 43; 67 70, 77. Maßgebend für den Gehilfen ist dabei naturgemäß allein der Strafrahmen der Nachtat. 3. Die Mittel der Hilfeleistung wurden in § 49 a.F. mit der Formel „durch Rat 24 und Tat" bezeichnet. Es gibt also einmal die physische Beihilfe, für die jede Art von Tätigkeit in Frage kommt, die nicht Täterschaft ist; RGSt. 24 86; 39 37. Hilfeleistung ist aber auch in der Form der psychischen Beihilfe möglich, deren 25 Fallgruppen im einzelnen schon Rdn. 11 — 13 entwickelt worden sind. Aus der Rechtsprechung sind dazu ergänzend zu nennen als Fälle einer — technischen Rathilfe RGSt. 13 265 (Entscheidung eines Ehrengerichts über die Art der Waffen für ein Duell) ; 73 52, 53 (Ratschläge für die zweckmäßigste Ausführungsart beim Mord); — vorgeleisteten Straf Vereitelung RGSt. 8 267 (Ausleihen eines Staubhemdes, damit sich der Täter einer Körperverletzung unkenntlich machen kann, beseitigt dessen letzte Zweifel); BGH NJW 1951 451 (die Bereitschaft zum Lochen einer Straßenbahnfahrkarte als Alibi für den Täter eines nächtlichen Warenhausdiebstahls bestärkt dessen Tatentschlossenheit); — Intensivierung des Tatentschlusses RGSt. 27 157 (Beihilfe zur eigenmächtigen Urlaubsüberschreitung eines Soldaten durch den Rat, statt des nächsten erst den übernächsten Zug zu nehmen); — nachweisbaren Stabilisierung des Tatentschlusses RGSt. 5 140, 142 (Ehrengerichtsentscheidung über die Statthaftigkeit eines Duells); RG H RR 1938 Nr. 629 (der Angeklagte eines Ehescheidungsprozesses sagt der Zeugin zu, zu ihrer unwahren Aussage zu schweigen); HRR 1939 Nr. 1275 (Hingabe von Geld für die Abtreibung durch die dazu entschlossene Schwangere); RGSt. 73 52 (Zusage der späteren Eheschließung durch die Geliebte als Beihilfe zur Ermordung der Ehefrau). Beispiele für die zu weit gehende Annahme psychischer Beihilfe enthalten OLG Stuttgart NJW 1950 118 (Fortsetzung eines Liebesverhältnisses trotz Kenntnis der 42

(119)

Roxin-Schünemanti-Haffke Strafrechtliche Klausurenlehre mit Fallrepetitorium, 2. Aufl. (1975) 230 f; zustimmend Herzberg TuT, § 5 III 2. Auch das RG stand ursprünglich auf diesem Standpunkt, vgl. RGSt. 22 2, 4; 38 417, 418f; 52 202 (wo mit dem Begriff der Beendigung in Wahrheit die Vollendung des Diebstahlstatbestandes gemeint ist).

§27

2. Abschnitt. Die Tat

Mordpläne des verheirateten Liebhabers als Stärkung des Entschlusses zur Tötung der Ehefrau); BGH bei Dallinger M D R 1967 173 (bloßes Dabeistehen bei einem Raubüberfall als geistige Unterstützung, obwohl der Betreffende sich sogar zugunsten des Opfers eingesetzt hatte). Zweifelhaft ist auch BGHZ 63 124, 130f, das die bloße Bekundung der Verbundenheit mit den Teilnehmern einer illegalen Hausbesetzung durch zwei ebenfalls in das Haus Eingedrungene als Beihilfe zu Körperverletzungen an Polizisten bewertet. 26

4. a) Ob und inwieweit Beihilfe durch Unterlassen rechtlich möglich ist, ist sehr umstritten. Vgl. dazu zunächst die eingehende Auseinandersetzung mit Rspr. und Literatur bei § 25, Rdn. 142—153. Wie dort im einzelnen entwickelt ist, ist die objektiv zurechenbare Nichthinderung durch einen zur Erfolgsabwendung verpflichteten Garanten grundsätzlich Täterschaft. Für Beihilfe durch Unterlassen bleibt daher nur ein schmaler Raum. Sie kommt im wesentlichen nur dann in Betracht, soweit ein Tatbestand bei bestehender Erfolgsabwendungspflicht durch Unterlassen überhaupt nicht verwirklicht werden kann, d. h. bei den eigenhändigen Delikten, den höchstpersönlichen Pflichtdelikten und den qualifizierten Herrschaftsdelikten, zu denen vor allem die Zueignungsdelikte gehören. I. e. s. § 25 Rdn. 150. Ebenfalls nur Beihilfe liegt in dem seltenen Fall vor, daß der Pflichtige gegen eine von ihm zu verhindernde Beihilfehandlung nicht einschreitet, Rudolphi SK AT, 2. Aufl., vor § 13, Rdn. 42.

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b) Die objektive Zurechnung des Unterlassens setzt wie stets in der Unterlassungsdogmatik voraus, daß der Pflichtige den Erfolg auch tatsächlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte abwenden können. Weitergehend wollen RGSt. 71 176, 178; 73 52, 54 und BGH NJW 1953 1838 den Erfolgsabwendungspflichtigen schon dann wegen Beihilfe bestrafen, wenn er lediglich in der Lage war, die Deliktsverwirklichung zu erschweren. Das RG leitet dies aus der in RGSt. 58 114f entwickelten These her, daß die Beihilfe nicht Kausalität für den Erfolg erfordere, sondern schon durch die Förderung der bloßen Handlung des Haupttäters begründet werde; insoweit kann auf die bereits Rdn. 14—16 vorgetragene Kritik verwiesen werden. Im übrigen würde die konsequente Anwendung des Erschwerungsgedankens vielfach zu absurden Ergebnissen führen 4 ^. Anders könnte man höchstens urteilen, wenn man mit einer in der neueren Literatur vordringenden Meinung ganz allgemein für die Zurechnung der Unterlassung statt auf die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit eines Ausbleibens des Erfolges auf die eindeutige Verminderung der Gefahr einer Rechtsgutsverletzung abstellen wollte 4 4 . Das ist jedoch ein Problem der allgemeinen Unterlassungsdogmatik, das hier nicht behandelt werden kann. III. Der Vorsatz des Gehilfen

28

1. Nach § 27 wird als Gehilfe nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Der Vorsatz des Gehilfen hat daher wie der Vorsatz des Anstifters zwei Bezugspunkte: Die eigene Hilfeleistung und die Ausführung einer ihrem Unrechtsgehalt und der Angriffsrich43

Vgl. Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 293; Grünwald GA 1959 118, Anm. 21 ; Täterschaft, S. 489. 44 S. dazu nur Rudolphi SK AT, 2. Aufl., Rdn. 16 vor § 13; Stratenwerth AT, 2. Aufl., Rdn. 1027. (120)

Beihilfe (Roxin)

§27

tung nach bereits umrissenen, wenn auch noch nicht in allen Einzelheiten konkretisierten zukünftigen Haupttat 45 (sog. „Doppelvorsatz des Gehilfen"46). § 27 ist nicht erfüllt, wenn einem anderen fahrlässig Hilfe geleistet wird (so 29 schon die frühere Rechtsprechung, RGSt. 39 214; BGHSt. 1 283); u. U. kann aber fahrlässige Täterschaft gegeben sein 47 . Wie bei der Anstiftung ist dolus directus nicht erforderlich; dolus eventualis genügt (RGSt. 59 246; 70 24; BGHSt. 2 281; BGH NJW 1966 676 f; BGH bei Daliinger MDR 1957 266) 48 . Der Gehilfe muß daher die Tat nicht „billigen" : Weiß der Helfende, daß sein Beitrag die Haupttat fördert, steht die bloß innere Mißbilligung der Haupttat einer strafbaren Beihilfe nicht entgegen 49 . Ist die Hilfe an sich geeignet, die fremde Haupttat zu fördern, und wußte der Hilfeleistende dies, so vermag die bloß innere Absicht, nicht zu helfen, dem Beitrag des Gehilfen nicht den Charakter strafbarer Beihilfe zu nehmen 50 . 2. Der Gehilfe muß die Haupttat nur in ihren wesentlichen Merkmalen erfassen; 30 strafbare Beihilfe kann auch leisten, wer den genauen Hergang, Ort, Zeit und Opfer der Tat nicht kennt (A leiht dem Β einen Revolver, damit Β einen Diebstahl mit Waffen begehen kann; welcher Gegenstand, wem, wo und wann von Β gestohlen wird, braucht A nicht zu wissen) 51 . U. U. braucht der Gehilfe nicht einmal die Identität des Täters zu kennen (A überredet den B, ihm einen Lieferwagen zu übergeben, damit A dem unbekannten X beim Abtransport der Beute helfen kann) 52 . Auch heimliche Beihilfe ist möglich (A kennt den Plan des B, kommende Nacht in das Lagerhaus des C einzubrechen. Um sich wegen einer Kränkung an C zu rächen, stellt A dem Β eine Leiter bereit; Β glaubt, diese stehe immer an ihrem Platz), vgl. dazu näher Rdn. 9. 3. Wie der Anstifter so muß auch der Gehilfe wissen und wollen, daß die unter- 31 stützte Haupttat zur Vollendung kommt. Will dagegen der Helfende die Tat nur bis zum Versuch gelangen lassen (A liefert bewußt ein untaugliches Abtreibungsmittel 53 ) oder weiß er, daß die Haupttat nicht zur Vollendung gelangen kann, so fehlt es am Gehilfenvorsatz 54 . Im übrigen (A will die Verkaufsverhandlungen des Dealers Β beim Rauschgifthandel nur fördern, um den Β nach Abschluß von der Polizei festnehmen zu lassen 55 ), gelten die bei § 26 Rdn. 17ff entwickelten Grundsätze: Er-

45

RGSt. 59 245, 246 f; 67 343, 344 f; BGH bei Daliinger M D R 1955 143; BGH GA 1967 115. 46 Eser Strafrecht II, 2. Aufl., Fall Nr. 46, Rdn. 2; Jescheck AT, 2. Aufl., § 74 IV 2 d ; Lackner 11. Aufl., § 27, Anm. 5; vgl. aber auch § 26, Rdn. 14, Anm. 14. 47 Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 IV 2d. 48 Dreher 37. Aufl., § 27 Rdn. 8; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 27, Rdn. 29; Eser Strafrecht II 2. Aufl., Fall Nr. 46 Rdn. 13. 49 OLG Stuttgart NJW 1950 118 f; OLG Karlsruhe GA 1971 281 ; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 IV 3 d ; Busch Vorauf!., § 49 Rdn. 13. 50 Busch Voraufl., § 49 Rdn. 13; Eser II 2. Aufl., Nr. 46 Rdn. 13; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 IV 2 d m. w. Nachw.; RGSt. 56 168, 170; OLG Stuttgart NJW 1950 118f; BayObLGSt. 1951 195. 51 Vgl. RGSt. 67 343; RG JW 1938 2198 Nr. 8 am Ende; BGH M D R 1955 143; BGH GA 1967 115. 52 Busch Voraufl. § 49 Rdn. 14 m. Nachw. 53 RGSt. 56 168, 170; 60 2 3 , 2 4 f ; vgl. auch OLG Koblenz HESt. 2 279. 5 4 RGSt. 15 315, 317; 17 377 ff; 60 23, 24 ff. 55 BGH bei Dallinger M D R 1973 554. (121)

§27

2. Abschnitt. Die Tat

reicht der Täter entgegen der Sabotageabsicht des „agent provocateur" sein Ziel (das gelieferte Gift erweist sich wider Erwarten als tauglich), so kommt allenfalls eine Strafe wegen fahrlässigen Erfolgsdelikts in Betracht. 32

4. Glaubt der Gehilfe irrig, er handle gerechtfertigt, kommen die allgemeinen Grundsätze der Irrtumslehre zum Zuge 56 .

33

5. Da die Beihilfe akzessorischer Rechtsgutsangriff ist, kann der Gehilfe nur insoweit verantwortlich gemacht werden, wie die Haupttat wirklich ausgeführt worden ist. Bleibt diese hinter dem, was der Gehilfe wollte, zurück (Versuch statt Vollendung), so haftet er nur wegen Beihilfe zum Versuch. Andererseits kann dem Gehilfen keine Tat zugerechnet werden, die gegenüber der von seinem Vorsatz erfaßten ein völliges aliud darstellt oder in den wesentlichen Dimensionen des Unrechts von dem Vorsatz des Gehilfen abweicht (vgl. § 26 Rdn. 9, 24); sog. „Exzeß des Täters" (A leiht dem Β einen Dietrich, damit dieser nachts in das Haus des C einbrechen kann; Β nimmt ohne Wissen des A eine Pistole mit und erschießt den C; A kann nur wegen Beihilfe zum Hausfriedensbruch bestraft werden). Sind in dem vom Haupttäter verübten Delikt die Voraussetzungen der Tat enthalten, an der der Gehilfe mitwirken wollte, so haftet dieser für die von ihm vorgestellte Tat (so kann A wegen Beihilfe zu § 243 bestraft werden, wenn Β im Hause des C einen Raub verü b t ) 5 Z i e h t die Tat einen qualifizierenden Erfolg nach sich, so kann der Gehilfe nur dann wegen Beihilfe zum erfolgsqualifizierten Delikt bestraft werden, wenn ihm hinsichtlich des qualifizierenden Erfolges ebenfalls mindestens Fahrlässigkeit zur Last fällt, § 18 (A verschafft dem Β für einen geplanten Raub einen Dolch, das Opfer wird getötet 58 ), vgl. dazu § 26 Rdn. 28, 29.

34

IV. Beihilfe zu Sonderdelikten (Pflichtdelikten). Eine Beihilfe ist auch zu Delikten möglich, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein könnte. Wer also bei einem Pflichtdelikt (vgl. § 25 Rdn. 29) als extraneus dem Träger der außerstrafrechtlichen Sonderpflicht zu einer tatbestandserfüllenden Pflichtverletzung, ζ. B. zu einer Körperverletzung im Amt (§ 340), einer Unfallflucht (§ 142) oder einer Untreue (§ 266), Hilfe leistet, ist wegen Beihilfe zu diesen Delikten zu bestrafen (RGSt. 27 157, 159; 50 135, 141; BayObLGSt. 1961 317). Dies entspricht heute einhelliger Meinung (zu der früher abweichenden Ansicht von Schmidhäuser vgl. § 26 Rdn. 28). Der Strafrahmen für den Gehilfen wird dabei durch die Akzessorietätslockerungen der §§ 28, 29 modifiziert (vgl. die Kommentierung zu §§ 28, 29). Dabei ist eine Strafmilderung (§ 49 Abs. 1) im Falle der Beihilfe zu den echten Pflichtdelikten nach § 28 Abs. 1 obligatorisch ; eine doppelte Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 kommt nach BGHSt. 26 53 hier aber nicht in Betracht, wenn der Tatbeteiligte nur deswegen Gehilfe und nicht Täter ist, weil ihm ein besonderes persönliches Merkmal fehlt (vgl. dazu § 28, Rdn. 60).

35

Auch die Beihilfe zum Unterlassungsdelikt ist nach einhelliger Rechtsprechung und absolut h. L. strafbar. Bestritten wird dies allein von Armin Kaufmann und in

56 Dreher il. Aufl., § 27 Rdn. 11. 57 Allg. M., vgl. BGH bei Dallinger MDR 1955 143; BGHSt. 11 66; Dreher 37. Aufl., § 27, Rdn. 5. 58 BGH bei Dallinger MDR 1955 143. (122)

Beihilfe (Roxin)

§27

Anschluß an ihn von Welze!59 mit der unzutreffenden Begründung, da es einen Unterlassungsvorsatz nicht gebe, begehe der Unterlassungstäter keine vorsätzliche Tat im Sinne des § 27 Abs. 1 (vgl. § 26 Rdn. 31). Im allgemeinen wird eine solche Beihilfe allerdings nur in Form einer psychischen Stützung des Täters für möglich gehalten, etwa derart, daß jemand den Unterlassenden in seinem Entschluß zum Nichteingreifen bestärkt. Andere Formen aktiv geleisteter Beihilfehandlungen zu Unterlassungsdelikten werden vielfach als undenkbar ausgeschlossen 60 . Doch gibt es durchaus Fälle, die das Gegenteil belegen. Hat sich etwa A entschlossen, einen Verbrechensplan rechtzeitig anzuzeigen und einen Brief mit entsprechendem Inhalt bereits zur Post gebracht, läßt er nun den Brief aber durch den eingeweihten Β wieder von der Post zurückholen 61 , so muß man die Handlung des Β durchaus als durch positives Tun geleistete Beihilfe zum Unterlassungsdelikt des § 138 StGB werten. V. Einheit und Mehrheit der Beihilfe, Täterschaft und Teilnahme bei der Beihilfe 1. a) Einheit und Mehrheit der Beihilfe hängen von der Anzahl der Beihilfe- 36 handlungen und der unterstützten Haupttaten ab. Grundsätzlich gilt, mit gewissen Modifikationen in den Fällen des Fortsetzungszusammenhangs (vgl. Rdn. 38, 39), daß nur eine Beihilfe i. S. des § 52 StGB vorliegt, wenn der Gehilfe mit nur einer Unterstützungshandlung zu beliebig vielen Haupttaten oder mit beliebig vielen Unterstützungshandlungen zu einer Haupttat eines Täters Hilfe leistet. Im ersten Fall ist das heute unbestritten, da „Tat" des Gehilfen i. S. der §§ 52, 53 seine Beihilfehandlung ist, während die Durchführung der Haupttat nur seine Strafbarkeit begründet. Allein diese akzessorische Bindung aber schafft noch keinen hinreichenden Grund, wegen der Mehrheit der Haupttaten auch mehrere Beihilfehandlungen anzunehmen (RGSt. 70 26 gegen die frühere Rspr.). Dabei kommt es nicht darauf an, wieviele Täter der Gehilfe unterstützt, für wieviele Taten die Hilfe fortwirkt und in welchem Verhältnis diese Taten zueinander stehen. Verkauft also A an Β eine Kiste Einbruchswerkzeuge, von denen er weiß, daß sie an Einbrecherbanden verteilt werden sollen, so liegt hinsichtlich der damit verübten Straftaten gleichwohl nur eine Beihilfe vor (Idealkonkurrenz). Die zweite Feststellung, daß auch mehrere Beihilfehandlungen zu einer Tat eines Täters grundsätzlich nur die Annahme einer Beihilfe rechtfertigen 62 , folgt aus der Natur der Beihilfe als „akzessorischer Rechtsgutsangriff" (vor §26 Rdn. Iff, 17). Denn das Unrecht des Gehilfen läßt sich hier nur über das Unrecht einer einzigen Haupttat aus der einmaligen Verletzung des gegenüber dem Gehilfen geschützten Rechtsgutes herleiten (vor § 26 Rdn. 2 ff). Mehrheit der Beihilfe i. S. des § 53 StGB ist stets dann anzunehmen, wenn der 37 Gehilfe ohne Gesamtvorsatz (zum Fortsetzungszusammenhang Rdn. 38) mit mehreren Hilfeleistungen mehrere Taten, mehrere Einzelakte einer Fortsetzungstat 59

Armin Kaufmann Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte (1959) 195 ff; Welzel 11. Aufl., § 27 V 3. 60 Bockelmann AT, 2. Aufl., § 26 I 1 c; Jescheck AT, 2. Aufl., § 60 III 1 ; Maurach AT, 4. Aufl., § 50 III E. 61 Beispiel nach Armin Kaufmann, wie Anm. 59, S. 195, Anm. 249a; wie hier auch Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 1074. 62 So wohl auch Baumann AT, 8. Aufl., § 37 I 3 a ; a. A. die h. M.: OLG Celle Hann. Rpfl. 1947 51; Busch Vorauf!., Rdn. 25; Sch.-Schröder-Cramer § 27, Rdn. 38. (123)

§27

2. Abschnitt. Die Tat

(Rdn. 39) oder unabhängig voneinander agierende Täter unterstützt. Greifen dabei mehrere als Täter das gleiche Handlungsgut an, dann ist der Gehilfe nur dann wegen Beihilfe in Tatmehrheit zu bestrafen, wenn diese als Nebentäter gehandelt haben. Bei Mittäterschaft liegt dagegen nur eine Beihilfe vor. 38

b) Nur wegen einer fortgesetzten Beihilfe wird belangt, wer auf Grund eines einheitlichen Gesamtvorsatzes durch mehrere Hilfshandlungen eine oder mehrere Taten oder Täter unterstützt, die das gleiche Rechtsgut angreifen (h. M. seit RGSt. 70 344, 349). Ebenso ist Fortsetzungszusammenhang zwischen Beihilfe und Täterschaft möglich, wenn jemand mit Gesamtvorsatz die gleichen Rechtsgüter einmal mit und einmal ohne Tatherrschaft angreift. Das Unrechtsgefälle von der Täterschaft zur Beihilfe steht dem nicht entgegen, ebensowenig wie ein solches zwischen Versuch und vollendeter Tat Fortsetzungszusammenhang ausschließt 63 . Die Gegenmeinung beruft sich auf die Exklusivität von Gehilfen- und Täterwillen und ist eine Konsequenz der subjektiven Teilnahmelehre (RGSt. 48 206, 210; 67 139; 67 401, 407; zur subjektiven Teilnahmelehre § 25 Rdn. 12 ff).

39

Unterstützt der Gehilfe durch mehrere selbständige Beihilfeakte mehrere Einzelakte einer für den Haupttäter in Fortsetzungszusammenhang stehenden Tat, so stehen diese abweichend von dem oben (Rdn. 36) ausgeführten Grundsatz zueinander in Realkonkurrenz. Denn die Haupttat besteht hier im Grunde nicht in einem mehraktigen Rechtsgutsangriff, sondern umfaßt mehrere Rechtsgutsangriffe, die nur durch den Gesamtvorsatz des Täters zu einer Einheit verklammert sind. Sieht man das Wesen der Beihilfe in einem „akzessorischen Rechtsgutsangriff' (dazu vor § 26 Rdn. 1 — 17), so ändert diese Einheit jedoch nichts daran, daß der Gehilfe das auch ihm gegenüber geschützte Rechtsgut mehrfach selbst angreift, indem er mit mehrfachem selbständigen Vorsatz mehrere Rechtsgutsverletzungen des Täters unterstützt (ebenso RGSt. 17 227, 229; 23 300, 303; 56 326; abw. noch RGSt. 11 37, 38). Beteiligt sich der Gehilfe nur an einem Einzelakt der Fortsetzungstat, so ist ihm nur Beihilfe zu dieser Einzeltat zuzurechnen (BGH 3 StR 101/53 v. 17. 9. 1953).

40

2. Beihilfe in Mittäterschaft ist möglich (vgl. § 25 Rdn. 118 und § 26 Rdn. 33). Erforderlich ist nur, daß die allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllt sind (vgl. näher oben § 25, Rdn. 108ff), d. h. daß mehrere Personen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken — etwa durch gemeinsames Tragen der Schweißgeräte zum Banktresor — die Haupttat fördern.

41

3. Als Nebentäter (vgl. § 25 Rdn. 160) handeln die Gehilfen, wenn sie unabhängig voneinander zu der rechtswidrigen Haupttat Hilfe leisten.

42

4. Beihilfe in mittelbarer Täterschaft ist zugleich unmittelbare Beihilfe zur Haupttat, da der Einsatz des Tatmittlers diese direkt fördert. Hat A einen Diebstahl des Β gefördert, indem er dem Nachtwächter C mit dem Tode drohte (§ 35), wenn dieser nicht seinen Nachschlüssel zum Kaufhaus dem Β überließe, so ist A wegen Beihilfe zum Diebstahl zu bestrafen.

43

5. Als Beihilfe zur Haupttat werden auch die Anstiftung zur Beihilfe (RGSt. 59 396; BGHSt. 7 234, 236) und die Beihilfe zur Beihilfe (RGSt. 23 300, 306; 59 396; «

Vgl. Samson SK AT, 2. Aufl., vor § 52, Rdn. 38. (124)

Beihilfe (Roxin)

§27

OLG Hamburg JR 1953 27) bestraft, da die Beihilfe jegliche Förderung der Haupttat umfaßt (h. M.; vgl. Schwind M D R 1969 13 ff; a. A. Herzberg GA 1971 1 auf Grund seiner Lehre von der Eigendeliktsqualität der Teilnahmeformen, dagegen vor § 26 Rdn. 7). Selbst wenn es dem Gehilfen nur darauf ankommen mag, dem Unterstützten die Möglichkeit der Teilnahme zu geben, so weiß er doch, daß sein Handeln auf diesem Wege auch der Förderung der Haupttat dient, was für den Gehilfenvorsatz ausreicht (a. A. Martin DRiZ 1955 290). Eine Mehrfachmilderung der Strafe ist daher bei der Beihilfe zur Beihilfe unzulässig (RGSt. 23 300, 306; Jescheck AT, 2. Aufl., § 64 V 1). VI. Ort, Zeit und Verjährung der Beihilfe. Nach § 9 Abs. 2 ist Beihilfe sowohl an 44 dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an dem Ort, an dem der Gehilfe gehandelt hat oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Gehilfe einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Beihilfe das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatortes nicht mit Strafe bedroht ist. Vgl. näher die Kommentierung zu § 9 Abs. 2. Tatzeit der Beihilfe ist nach § 8 StGB nicht der Zeitpunkt des Erfolges, sondern 45 der der Beihilfehandlung. Vgl. näher die Kommentierung zu § 8. Die Verjährung der Beihilfe beginnt nach ständiger Rechtsprechung und ganz 46 herrschender Lehre mit der Vollendung bzw. Beendigung der Haupttat oder mit deren strafbaren Versuch (RGSt. 5 282; 41 17; BGHSt. 20 117) 64 . Ist die Haupttat in Fortsetzungszusammenhang begangen, so beginnt die Verjährung also erst mit dem Ende des letzten Handlungsteiles, auch wenn nur zu einem Akt der Fortsetzungstat Beihilfe geleistet wurde, der Gehilfe aber durch diesen einen Akt die gesamte Fortsetzungstat willentlich gefördert hat (RGSt. 40 329, 331). Hat sich der Gehilfe dagegen bewußt auf einen Teil der sich als fortgesetzte Handlung darstellenden Haupttat beschränkt, beginnt die Verjährung bereits mit der Beendigung des Einzelaktes (RGSt. 17 227; 65 361, 362; BGHSt. 20 227; OLG Stuttgart NJW 1962 2311). VII. Die Strafe des Gehilfen 1. Die Strafe richtet sich nach dem Strafrahmen der Haupttat (§ 27 Abs. 2), zu 47 der vorsätzliche Beihilfe geleistet wurde, vorbehaltlich der Anwendung von § 28 Abs. 1 und 2 und der Einschränkungen, die sich aus einem etwaigen Exzeß des Haupttäters ergeben, der den Gehilfen nicht belastet. Sie muß aber nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 gemildert werden (§ 27 Abs. 2). Deshalb ist das Gericht jedoch nicht gehindert, im Rahmen der milderen Strafdrohung dem Gehilfen eine Strafe festzusetzen, die der konkret erkannten Strafe des Haupttäters gleichkommt oder sie sogar übersteigt (RGSt. 51 106), da der gegen den Gehilfen erhobene besondere Schuldvorwurf (§ 29) im Einzelfall auch schwerer sein kann, als der gegen den Täter. In einigen Fällen sind Beihilfehandlungen auch zum selbständigen Delikt ausgestaltet, wie z. B. in § 120. Der Gehilfe kann auch dann bestraft werden, wenn der Haupttäter selbst noch nicht bestraft ist, ja selbst wenn überhaupt noch nicht genau festgestellt ist, wer eigentlich als Haupttäter in Frage kommt (OLG Hamburg JR 1953 27). 2. Eine doppelte Ermäßigung kann stattfinden: a) Bei Beihilfe zu einer Tat, die im Stadium des Versuchs stecken geblieben ist; 48 eine doppelte Strafmilderung erfogt hier aber nicht zwingend, weil § 23 Abs. 2 nur 64

(125)

Ebenso Jescheck AT, 2. Aufl., § 83 I 3; Maurach AT, 4. Aufl., § 75 II Β 1 m. w. Nachw.

§27

2. Abschnitt. Die Tat

fakultative Strafmilderung vorsieht. Entschließt sich der Richter für eine derartige Milderung, dann ist zunächst der Strafrahmen für den Versuch der Haupttat nach § 23 zu ermitteln und diesem gegenüber nochmals auf Grund von § 27 Abs. 2 zu ermäßigen (RGSt. 2 383; 61 77; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §27 Rdn. 32). Beihilfe zur Beihilfe ist dagegen zugleich mittelbare Beihilfe zur Tat, weshalb hier keine doppelte Ermäßigung stattfinden kann (RGSt. 23 300). b) Fakultativ bei einer Beihilfe durch Unterlassen nach §§ 13 Abs. 2, 27 Abs. 2 (Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 25, Rdn. 88 a). c) Bei der Beihilfe zu einem echten Pflichtdelikt nach §§ 28 Abs. 1 und 27 Abs. 2. Diese doppelte Reduzierung soll jedoch dann nicht in Betracht kommen, wenn der Tatbeteiligte nur deshalb Gehilfe ist, weil ihm die Sondereigenschaft fehlt (BGHSt. 26 53 ; vgl. dazu § 28, Rdn. 60). 49

VIII. Konkurrenzen. Wirkt eine Person in mehreren Beteiligungsformen an derselben Straftat mit, so tritt die minder schwere Beteiligungsform, nämlich die Beihilfe hinter der Anstiftung (BGHSt. 4 244), die Anstiftung hinter der Täterschaft (RGSt. 44 211), als subsidiär zurück (RGSt. 33 401 ; 40 296; 62 74; 63 134). Dagegen ist Idealkonkurrenz zwischen Täterschaft und Beihilfe grundsätzlich nur bei mehreren Straftaten möglich, da niemand eine Tat zugleich mit und ohne Tatherrschaft begehen kann. Öffnet also A nachts gewaltsam die Haustür seines Feindes Β in der Hoffnung, Diebe anzulocken, so ist er, wenn sein Plan gelingt, wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Beihilfe zum Diebstahl strafbar. Ausnahmsweise ist jedoch auch Idealkonkurrenz zwischen Beihilfe und Mittäterschaft möglich, wenn ein Teil der in Handlungseinheit begangenen Delikte echte Pflichtdelikte (vgl. Rdn. 34) sind, und nur deshalb eine Täterschaft hier rechtlich ausgeschlossen ist (BGH bei Hoffmann NJW 1952 936) 65 . Öffnen also A und der Postbeamte Β gemeinsam fremde Pakete, um den Inhalt zu verkaufen, hat sich A nicht nur als Mittäter des Diebstahls (§ 242) sondern auch wegen Beihilfe zur Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses (§ 354 Abs. 2 Ziff. 1) strafbar gemacht.

65 Vgl. näher Täterschaft S. 359. (126)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

§28

§28

Besondere persönliche Merkmale (1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. Schrifttum Vgl. auch die Schrifttumsangaben vor § 25, vor § 26. Arzt „Gekreuzte" Mordmerkmale? Zur Tragweite des § 50 II StGB, JZ 1973 681—687; Bauer Die akzessorische Natur der Teilnahme 1904; Baumann Die Verjährung der NS-Gewaltverbrechen, Festschr. f. Simon Wiesenthal (1973) 254 ff; Baumann Vorsicht bei Verjährung von Gewaltverbrechen!, NJW 1969 1279-1282; Baumann Täterschaft und Teilnahme, JuS 1963 5 1 - 5 9 , 8 5 - 9 8 , 1 2 5 - 1 3 8 ; Blauth „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommenden Strafrecht 1968; Börker Zur Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat, JR 1953 166—168; Bruns Anm. zu BGH JR 1975 509f, JR1975 510f; Class Zum Verhältnis des §211 zum §50 StGB, NJW 1949, 83—86; Cortes Rosa Teilnahme am unechten Sonderverbrechen, ZStW90 (1978); Dreher Anm. zu BGHSt 23 39, JR 1970 146—148; Gallas Diskussionsbeitrag zu Herzberg, „Die Problematik der .besonderen persönlichen Merkmale' im Strafrecht, ZStW88 (1976) 68—116, ZStW88 (1976) 1 7 3 - 1 7 6 ; Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre 1968; Gallas Der dogmatische Teil des Alternativentwurfs, ZStW80 (1968) 1 - 3 3 ; Gehrling Nochmals: §5011 StGB n. F. und die Verjährung für Teilnahme an Mord, JZ 1969 416—418; Geppert Zur Problematik des §5011 StGB im Rahmen der Teilnahme an unechten Unterlassungsdelikten, ZStW82 (1970) 40—73; Hardwig Die Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, ZStW68 (1956) 1 4 - 4 0 ; Hardwig § 50 StGB und die Bereinigung des StGB, GA 1954 65—77; Heidland Die besonderen persönlichen Merkmale i. S. des § 50 II StGB, Diss. Heidelberg 1970; Herzberg Die Problematik der „besonderen persönlichen Merkmale" im Strafrecht, ZStW88 (1976) 68—116; Herzberg Schlußwort zu der Diskussion zu: Herzberg ZStW88 (1976) 68—116, ZStW88 (1976) 178 f; Jährig Die persönlichen Umstände des § 50 StGB, Diss. Köln 1974; Jakobs Niedrige Beweggründe beim Mord und die besonderen persönlichen Merkmale in § 50 II und III StGB, NJW 1969 4 8 9 - 4 9 3 ; Jakobs Anm. zu BGHSt. 23 39, NJW 1970 1089 f; Jeschek Diskussionsbeitrag zu Herzberg ZStW88 (1976) 6 8 - 1 1 6 , ZStW88 (1976) 173; Koffka Ist § 50 II StGB a. F. auf den Gehilfen anwendbar, wenn der Haupttäter aus dem Gehilfen bekannten niedrigen Beweggründen tötet, die beim Gehilfen fehlen? JR 1969 41 f; Kohlrausch Täterschuld und Teilnehmerschuld, Festschr. f. E. Bumke (1939) 39—51; Lange Die Schuld des Teilnehmers, insbesondere bei Tötungs- und Wirtschaftsverbrechen, JR 1949 165—172; Langer Zum Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale" Festschr. f. Lange (1976) 2 4 1 - 2 6 4 ; Langer Diskussionsbeitrag zu Herzberg ZStW88 (1976) 6 8 - 1 1 6 , ZStW88 (1976) 177; Maihofer Objektive Schuldelemente, Festschr. f. H. Mayer (1966) 185—217; Maurach Die Mordmerkmale aus der Sicht des § 50 StGB, JuS 1969 249—256; Niethammer Sinn und Wirkung des § 50 StGB, DRZ 1946 167—170; Redslob Die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse 1909; Roxin Über den Rücktritt vom unbeendeten Versuch, Festschr. f. Heinitz (1972) 251—276; Roxin Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 2. Auflage 1973; Roxin Schuld und Verantwortlichkeit als strafrechtsdogmatische Systemkategorien, Festschr. f. Henkel (1974) 1 7 1 - 1 9 7 ; Roxin Über den Notwehrexzeß, Festschr. f. Schaffstein (1975) 1 0 5 - 1 2 7 ; Roxin Strafzumessung im Lichte der Strafzwecke, Festgabe f. Schultz (1977) 463—481; Samson § 50 II n. F. StGB und die Verjährung, ZRP 1969 27; Schaffstein Zur Auslegung des Begriffs der „heimtückischen" Tötung als Mordmerkmal, Festschr. f. H. Mayer (1966) 419—431; Schlutter Zur Dogmengeschichte der Akzessorietät der Teilnahme, 1941 ; Schmidhäuser Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 1958; Eb. Schmidt Zum Verhältnis der §§ 211 ff zum § 50 StGB, DRZ 1949 272; Schnyder Täterschaft und Teilnahme bei den Sonderdelikten des Schweiz. (127)

§ 2 8

2. Abschnitt. Die Tat

Strafgesetzbuches, 1962; Schröder Der § 50 StGB n. F. und die Verjährung beim Mord, JZ 1969 1 3 2 - 1 3 4 ; Schröder Roma locuta . . . ? JZ 1969 418 f; Steinke Welche persönlichen Merkmale des Haupttäters muß sich der Teilnehmer zurechnen lassen? MDR 1977 365—367; Stratenwerth Zur Funktion strafrechtlicher Gesinnungsmerkmale, Festschr. f. v. Weber (1963) 1 7 1 - 1 9 1 ; Stree Das Versehen des Gesetzgebers (§5011, III), JuS 1969 403 - 407; Schünemann Diskussionsbeitrag zu Herzberg ZStW88 (1976) 6 8 - 1 1 6 , ZStW88 (1976) 176 f; Theis Das Merkmal der Böswilligkeit und die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse, SJZ 1946 213—215; Vogler Zur Bedeutung des § 28 StGB für die Teilnahme am unechten Unterlassungsdelikt, Festschr. f. Lange (1976) 265—283; Wagner Amtsverbrechen 1975; Welze! ZÜT Systematik der Tötungsdelikte, JZ 1952 7 2 - 7 5 . Abgekürzt werden zitiert: Herzberg Täterschaft und Teilnahme (1977) = TuT; Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, 3. Aufl. (1975) = Täterschaft. Übersicht Rdn. I. Die Rechtsentwicklung 1 II. Akzessorietätslockerung u n d Strafg r u n d der T e i l n a h m e 2 III. E r f a ß t § 28 S t G B n u r Unrechts- oder auch Schuldmerkmale? Die A b g r e n z u n g des § 28 von § 29 StGB 1. D e r Streitstand 7 2. A n w e n d b a r k e i t des § 28 auf strafb e g r ü n d e n d e spezielle Schuldmerkmale? 11 3. A n w e n d b a r k e i t des § 28 auf strafm o d i f i z i e r e n d e spezielle Schuldmerkmale 14 4. Z u s a m m e n f a s s u n g 16 IV. D e r Begriff d e r „besonderen persönlichen M e r k m a l e " 17 1. Das Reichsgericht 18 2. D e r Bundesgerichtshof 20 3. Die Literatur 23 4. Die eigene A u f f a s s u n g 30 V. Die „besonderen persönlichen Merkmale" im einzelnen

I. Die Rechtsentwicklung 1

Rdn. Die Verweisung auf § 14 35 Persönliche Eigenschaften, Verhältnisse u n d U m s t ä n d e 36 3. S t r a f b e g r ü n d e n d e besondere persönliche M e r k m a l e nach § 28 Abs. 1 37 4. Strafschärfende, s t r a f m i l d e r n d e u n d strafausschließende M e r k m a l e n a c h § 28 Abs. 2 a) Strafschärfende besondere persönliche M e r k m a l e . . . . 44 b) Die Q u a l i f i k a t i o n s m e r k m a l e des Mordes insbesondere . . . 46 c) S t r a f m i l d e r n d e besondere persönliche M e r k m a l e . . . . 52 d) Strafausschließende besondere persönliche M e r k m a l e . 55 Die A n w e n d u n g des § 28 in Sonderfällen 1. § 28 bei der versuchten Anstiftung 56 2. A n w e n d b a r k e i t d e r §§ 28, 29 auf die T e i l n a h m e a m erfolgsqualifizierten Delikt? 57 Die Strafe 58 1. 2.

VI.

VII.

Das StGB von 1871 enthielt in § 50 nur eine Vorschrift, die als Vorläufer des heutigen § 28 Abs. 2 angesehen werden kann. Sie lautete: „Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach den persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen, welcher dieselbe begangen hat, erhöht oder vermindert, so sind diese besonderen Tatumstände dem Täter oder demjenigen Teilnehmer (Mittäter, Anstifter, Gehilfe) zuzurechnen, bei welchem sie vorliegen." Durch die VO v. 29. 5. 1943 (RGBl. I 339) wurde mit Einführung der limitierten Akzessorietät (vor § 26, Rdn. 18 ff) ein dem heutigen § 29 entsprechender § 50 Abs. 1 geschaffen und die bisherige Vorschrift als § 50 Abs. 2 im Wortlaut geändert und durch Einbeziehung der strafausschließenden persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse erweitert. § 50 i. d. F. der Novelle v. 29. 5. 1943 lautete demgemäß: „(1) Sind mehrere an einer Tat beteiligt, so ist jeder ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld strafbar. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen." (128)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

§28

Der dritte Schritt auf dem Wege der Gesetzgebungsentwicklung, der zum heutigen Rechtszustand hinleitet, wurde im Einfiihrungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24. 5. 1968 (BGBl. I 503), Erster Abschnitt, Art. 1, getan. Da § 14 (ursprünglich § 9) OWiG eine abschließende und eigenständige Regelung über die Beteiligung traf und dabei die Frage der Verantwortlichkeit von Beteiligten bei besonderen persönlichen Merkmalen umfassend regelte, erschien es dem Gesetzgeber nicht sinnvoll, für die strafbegründenden persönlichen Merkmale nur im Ordnungswidrigkeitenrecht eine Vorschrift zu schaffen und es im Strafrecht bei dem bisherigen Rechtszustand bewenden zu lassen, obwohl das Fehlen einer Milderungsmöglichkeit beim Mangel besonderer persönlicher Merkmale in der Person eines Teilnehmers in diesem Bereich seit langem kritisiert worden war (Protokoll der 57. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, V. Wahlp., S. 1095). Es wurde deshalb ein dem geltenden §28 Abs. 1 entsprechender §50 Abs. 2 geschaffen und der bisherige Abs. 2 in einen Abs. 3 verwandelt; gleichzeitig wurden die „besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse" auf „besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände" erweitert (vgl. dazu Rdn. 15, 19, 36) und dem Oberbegriff der „besonderen persönlichen Merkmale" unterstellt. § 50 hatte nunmehr folgende Fassung: „(1) Sind mehrere an einer Tat beteiligt, so ist jeder ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld strafbar. (2) Fehlen besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer, so ist dessen Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs zu mildern. (3) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen." Das 2. StrRG v. 4. 7. 1969, das die seit dem 1. 1. 1975 geltende Regelung geschaffen hat, beruht in der Substanz auf der durch das EGOWiG eingeführten Regelung, greift aber im Text und im Aufbau auf die §§ 33, 34 des E 1962 zurück. Danach sind die früheren §§ 50 Abs. 2 und 3 zu den neuen §§ 28 Abs. 1 und 2 geworden, während der bis dahin geltende § 50 Abs. 1 im neuen § 29 StGB verselbständigt und hinter die Regelung der besonderen persönlichen Merkmale gestellt worden ist. II. Akzessorietätslockerung und Strafgrund der Teilnahme § 28 lockert die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat insofern auf, als 2 für verschiedene Beteiligte an derselben Tat je nach dem Vorliegen oder Fehlen besonderer persönlicher Merkmale unterschiedliche Strafrahmen gelten. Stiftet etwa bei einem Pflichtdelikt (dazu § 25, Rdn. 29 ff) ein Nichtqualifizierter (ein sog. Extraneus) den Sonderpflichtigen zu einer Straftat an — es veranlaßt beispielsweise ein Privatmann einen Amtsträger zu einer Rechtsbeugung nach § 336 — so wird er nicht, wie es § 26 grundsätzlich anordnet, „gleich" dem Täter, sondern aus einem nach § 49 Abs. 1 gemilderten Strafrahmen bestraft (§ 28 Abs. 1). Ist das „besondere persönliche Merkmal" nicht — wie die Amtsträgereigenschaft im vorstehenden Beispiel — strafbegründend, sondern strafschärfend, -mildernd oder -ausschließend, so modifiziert § 28 Abs. 2 die Strafrahmen auf andere Weise, indem die an die besonderen persönlichen Merkmale geknüpften Rechtsfolgen nur bei dem eintreten, in dessen Person sie vorliegen. Wenn also etwa ein Extraneus einen Amtsträger zu einer Körperverletzung im Amt veranlaßt (§ 340), wird der Täter aus dem Strafrahmen des § 340, der Anstifter nur aus dem des § 223, also des Grundtatbestandes, bestraft. (129)

§28

2. Abschnitt. Die Tat

3

Die abweichenden Methoden der Strafmodifikation in § 28 Abs. 1 und 2 sowie deren Vereinbarkeit mit dem Strafgrund der Teilnahme sind umstritten. Folgt man der akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie der h. M., derzufolge der Teilnehmer bestraft wird, weil er eine täterschaftliche Tatbestandserfüllung verursacht hat (vgl. näher vor § 26, Rdn. 15, 16), so ist zwar § 28 Abs. 1 insofern erklärbar, als das Teilnehmerunrecht aus dem Täterunrecht abgeleitet erscheint und das Fehlen besonderer persönlicher Eigenschaften sich nur bei der Strafzumessung auswirkt. Aber § 28 Abs. 2 verträgt sich, soweit er Unrechtsmerkmale betrifft, mit dieser Strafgrunderklärung nicht, wenn man mit der h. M. davon ausgeht, daß der Teilnehmer nicht aus dem Sondertatbestand, sondern aus dem Allgemeindelikt bestraft wird; wenn etwa der Teilnehmer an einer Körperverletzung im Amt nicht nach § 340, sondern nur nach § 223 zur Verantwortung gezogen wird, so scheint dies zu zeigen, daß nicht die Qualität der Tätertat, sondern nur sein eigenes Verhalten das Unrecht des Teilnehmers begründet. Stratenwerth (AT I, 2. Aufl., Rdn. 940) schlägt deshalb vor, den „inkonsequenten" § 28 Abs. 2 so zu ändern, daß auch hier die Sonderpflichtverletzung zugerechnet wird und nur eine Milderung nach § 49 Abs. 1 stattfindet. Sieht man andererseits mit der „reinen Verursachungstheorie" Schmidhäusers das Teilnahmeunrecht als im Verhältnis zur Haupttat selbständig an, so daß der Teilnehmer nicht für das von ihm verursachte Verhalten des Täters, sondern nur für sein eigenes Tun bestraft wird (vgl. näher vor § 26, Rdn. 10), so wird man zwar im Falle des § 28 Abs. 2 die bloße Bestrafung des nichtqualifizierten Teilnehmers aus dem Tatbestand des Grunddelikts für die allein richtige Lösung halten müssen; denn der Privatmann, der etwa zu einer Körperverletzung im Amt anstiftet, hat für seine Person nur das Tatbestandsunrecht des § 223 verwirklicht. Aber von einem solchen Verständnis der Teilnahme aus bleibt wieder § 28 Abs. 1 unerklärlich, weil die Strafbarkeit der Mitwirkung eines Extraneus am echten Sonderdelikt sich nur daraus erklären läßt, daß der Außenstehende, der selbst das tatbestandlich geschützte Rechtsgut nicht verletzen kann, für das von ihm bewirkte Täterunrecht haftbar gemacht wird; bei einer isolierten Betrachtung seines eigenen Tuns müßte der extrañe Anstifter zur Rechtsbeugung straflos sein, weil er in seiner Person das Unrecht des Tatbestandes nicht verwirklichen kann. So billigt denn auch Schmidhäuser ausdrücklich das aus § 28 Abs. 2 hergeleitete Ergebnis, während er § 28 Abs. 1 für „sachwidrig" hält (AT, 2. Aufl., 14/84, bei und in Anm. 24, 25). In entsprechender Weise können auch die sonst über den Strafgrund der Teilnahme entwickelten Konzeptionen (vor § 26, Rdn. 8 ff) auf der Basis des bisherigen Verständnisses von § 28 StGB entweder nur Abs. 1 oder nur Abs. 2 mit ihrer Auffassung vereinbaren (vgl. auch Samson SK AT, 2. Aufl., § 28, Rdn. 6); Samson (SK AT, 2. Aufl., § 28, Rdn. 5) meint deshalb, „daß der Strafgrund der Teilnahme . . . — wie immer man ihn versteht — mit allen in §§ 28 I, II; 29 enthaltenen Vorschriften kaum zu harmonisieren ist". 4 Begreift man die Teilnahme als „akzessorischen Rechtsgutsangriff" (vgl. vor § 26, Rdn. 1 ff, 7), was in dem hier entscheidenden Punkt mit der in Rechtsprechung und Wissenschaft herrschenden akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie (vgl. vor §26, Rdn. 15) übereinstimmt, läßt sich jedoch §28 aus dem Strafgrund der Teilnahme sehr wohl erklären, sofern man den Abs. 2 dieser Vorschrift anders und richtiger deutet, als es bisher meist geschieht. Da sich aus dem Strafgrund der Teilnahme ergibt, daß das Täterunrecht dem Teilnehmer zuzurechnen ist, und da auch § 28 Abs. 1 dies eindeutig als Absicht des Gesetzgebers erkennen läßt, kann § 28 Abs. 2 nur so verstanden werden, daß auch hier der Teilnehmer aus dem vom Täter verwirklichten Tatbestande schuldig zu sprechen ist, und daß le(130)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

§28

diglich bei der Strafzumessung auf den Strafrahmen des Grundtatbestandes zurückgegriffen werden soll. Obwohl diese Annahme die nach dem Sinnzusammenhang des Gesetzes allein konsequente Lösung ist und sich auch mit dem Wortlaut des Gesetzes ohne weiteres vereinbaren läßt, ist sie erstmals von Wagner 1975 in seiner Schrift über „Amtsverbrechen" für einen Teil der hier einschlägigen Fälle (die von ihm sog. „unechten Staatszurechnungsdelikte") vertreten worden. Auch für ihn regelt § 28 Abs. 2 insoweit nur eine Modifizierung „der Strafe, nicht aber die Frage, nach welcher Strafbestimmung der extrañe Teilnehmer schuldig zu sprechen ist". Mit der Verurteilung aus dem vom Täter verwirklichten Tatbestand sei „gewährleistet, daß das erhöhte Unrecht und die erhöhte Schuld des Teilnehmers . . . wenigstens im Schuldspruch zum Ausdruck kommen und nicht nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden" (aaO, S. 398; vgl. auch S. 399—401). Daß ein solches Verständnis des § 28 Abs. 2 nicht nur ein Postulat systematischer 5 Konsequenz ist, sondern auch in seinen praktischen Auswirkungen allein dem Gesetz entspricht, hat jüngst Cortes Rosa1 nachgewiesen. Er hat vor allem gezeigt, daß die unechten Sonderdelikte eine Garantenstellung des Sonderpflichtigen begründen und im Unterlassungsbereich viel weiter reichen als die entsprechenden Gemeindelikte. Bei solchen Unterlassungen des Sonderpflichtigen ist der mitwirkende Extraneus überhaupt nur dann zu fassen, wenn man den Schuldspruch auf eine Teilnahme am Sonderdelikt gründet. Auch sonst ergeben sich aus dieser Konzeption praktische Auswirkungen, die dem Sinn des Gesetzes weit besser gerecht werden als die Lösungen, die aus der h. M. folgen. Es ist beispielsweise bei der Körperverletzung die Einwilligung zwar in der Regel ein Rechtfertigungsgrund für eine Tatbestandsverwirklichung nach § 223, nicht aber für den Fall des § 340, dessen Rechtsgut nicht zur Disposition des Amtsträgers steht. Wenn nun ein Privatmann einen Polizisten zur Verprügelung eines Demonstranten anstiftet, der damit zur Erzielung eines politischen Effekts auch einverstanden ist und dies alles mit dem Anstifter vorher abgesprochen hatte, so wird der Veranlasser der Tat mit Recht bestraft, und zwar wegen Anstiftung zu § 340; nur die Strafzumessung ist an den Rahmen des § 223 gebunden. Wollte man dagegen den Anstifter von vornherein nur auf der Grundlage seines eigenen Verhaltens nach § 223 schuldig sprechen, so wäre seine Tat — vorbehaltlich des § 226 a — durch die Einwilligung des Opfers gerechtfertigt, so daß die Bewirkung erheblichen Unrechts im Widerspruch zu § 28 Abs. 1 straflos bliebe. Das kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein. In entsprechender Weise muß etwa die Anstiftung eines Postbeamten zur Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses (§ 354) durch einen Extraneus auch dann strafbar sein, wenn kein Strafantrag gestellt ist; denn § 354 ist kein Antragsdelikt. Würde dagegen der Außenstehende, wie es der h. M. entspricht, auf Grund des § 28 Abs. 2 nur wegen Anstiftung zu § 202 bestraft, so müßte das Fehlen des Strafantrags seine Verfolgbarkeit hindern, wie es RG JW 1938 1583 auch annimmt. Dagegen hat nach der hier vertretenen Meinung § 28 Abs. 2 nur die Wirkung, den Strafrahmen der Anstiftungstat auf das in § 202 angegebene Maß zu begrenzen 2 . § 28 ist also bei rechtem Verständnis keine Durchbrechung des Grundsatzes der Ii- 6 mitierten Akzessorietät. Nicht nur in Abs. 1, sondern auch in den Fällen des Abs. 2 wird das Täterunrecht dem Teilnehmer zugerechnet. Die Strafrahmenmodifizierun1 2

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Teilnahme am unechten Sonderverbrechen, in: ZStW90(1978), im Druck. Weitere Argumente und nähere Auseinandersetzung mit der ganzen Problematik bei Cortes Rosa aaO.

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2. Abschnitt. Die Tat

gen bedeuten lediglich Strafzumessungsregeln, wie sie auch sonst im Bereich der Teilnahme (etwa in § 27 Abs. 2) vorkommen. Aus dieser Interpretation ergibt sich auch keine Schwierigkeit in dem umgekehrten Fall, daß bei einem Pflichtdelikt ein Intraneus einen Nichtqualifizierten zur Ausführung der Tatbestandshandlung veranlaßt. Denn in einem solchen Fall macht die Rechtsfigur des qualifikationslosen dolosen Werkzeugs (näher § 25, Rdn. 91 ff) den Hintermann zum mittelbaren Täter, so daß Akzessorietätsprobleme nicht auftreten. III. Erfaßt § 28 StGB nur Unrechts- oder auch Schuldmerkmale? Die Abgrenzung des § 28 von § 29 StGB 7

1. Eine Akzessorietätseinschränkung tritt freilich dort ein, wo spezielle Schuldmerkmale nur bei einem Beteiligten vorliegen. Die Mutter eines unehelichen Kindes etwa, die einen anderen veranlaßt, das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt zu töten, wird nur wegen Anstiftung zu § 217 schuldig gesprochen, obwohl der Täter selbst nach §212 zu bestrafen ist. Das steht aber nicht im Widerspruch zum Strafgrund der Teilnahme, sondern ist eine konsequente Folgerung aus dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät, demzufolge zwar dem Teilnehmer das vom Täter verwirklichte Unrecht zuzurechnen, die Schuld aber für jeden Beteiligten individuell zu bestimmen ist. Umstritten ist jedoch, ob dieses Ergebnis aus § 28 Abs. 2 oder nicht vielmehr aus § 29 abzuleiten ist. Die Rspr. hat seit eh und je (vgl. die Nachweise Rdn. 18) die speziellen Schuldmerkmale als „besondere persönliche Merkmale" i. S. des § 28 (des früheren § 50 Abs. 2, 3) angesehen, und die im Schrifttum überwiegende Meinung ist dem gefolgt; danach würden für § 29 nur die Schuldausschließungs- und Schuldminderungsgründe des Allgemeinen Teils übrig bleiben.

8

Demgegenüber will eine Mindermeinung^ auf allgemeine wie spezielle Schuldmerkmale gleichermaßen ausschließlich § 29 anwenden. Wenn man also etwa die „Habgier" in § 211 als ein schulderhöhendes Merkmal ansieht, würde sich nicht aus § 28 Abs. 2, sondern erst aus § 29 ergeben, daß nur derjenige aus § 211 zu bestrafen ist, dessen eigenes Handeln durch Habgier gekennzeichnet ist. Der Anwendungsbereich der §§ 28, 29 wäre dann so voneinander abzugrenzen, daß § 28 nur Unrechtsund § 29 nur Schuldmerkmale erfassen würde. Die nichtakzessorische Behandlung von Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründen würde sich dann aus dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät von selbst ergeben.

9

Dieser Streit ist für die strafmodifizierenden Merkmale (also die persönlichen Umstände, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen) ohne praktische Bedeutung, weil § 28 Abs. 2 und § 29 gleichermaßen eine nichtakzessorische Behandlung anordnen. Abweichende Ergebnisse zeigen sich jedoch in den relativ seltenen Fällen strafbegründender persönlicher Merkmale. Als Beispiele werden die „Böswilligkeit" (§§ 90 a, 130 Nr. 3, 223 b), die „Rücksichtslosigkeit" (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2) und die „Gewerbsmäßigkeit" (§ 180 a Abs. 1, 3) genannt. Wenn etwa jemand ohne eigene Böswilligkeit zur böswilligen Verächtlichmachung der Bundesrepublik (§ 90 a Abs. 1 Nr. 1) Beihilfe leistet 4 , wird er bei einer Anwendung des § 28 Abs. 1 bestraft, wenn ihm auch die Milderung des § 49 Abs. 1 zugutekommt; geht man dagegen davon aus, daß die „Böswilligkeit" als Schuldmerkmal durch § 29 erfaßt werde, so ist der Gehilfe straflos, weil die Böswilligkeit des Täters ihm nicht zuge3 Jescheck AT, 2. Aufl., §§ 61 VII 5 c, 42 III 2; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/89, 96; Stratenwerth A T I, 1. Aufl., Rdn. 980 ff; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 IV 2 b 4 Beispiel von Jescheck ZStW 88 (1976) 173 (132)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

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rechnet werden kann und in seiner Person das zur Bestrafung erforderliche Schuldmerkmal fehlt. Wer ohne eigene Rücksichtslosigkeit (ζ. B. aus altruistischen Beweggründen) einen anderen anstiftet, sich i. S. des § 315 c rücksichtslos (d. h. aus eigensüchtigen Motiven) über die Verkehrsregeln hinwegzusetzen5, ist in entsprechender Weise als Anstifter zu bestrafen oder freizusprechen, je nachdem, ob man das Kriterium der Rücksichtslosigkeit unter § 28 oder § 29 subsumiert. Die Kontroverse um die Zuordnung der speziellen Schuldmerkmale stützt sich 10 denn auch vorwiegend auf Argumente, die eine sachgerechte Behandlung der strafbegründenden Schuldmerkmale betreffen. So sieht Jescheck6 gerade in der Straflosigkeit des Teilnehmers, der das strafbegründende Schuldmerkmal der Täterhandlung in eigener Person nicht aufweist, einen für die Anwendung des § 29 sprechenden Vorteil; denn nur die Straflosigkeit entspreche dem Grundsatz, daß der Vorwurf jeweils an das eigene Handeln anknüpfe. Die Vertreter der Gegenmeinung, die alle speziellen Schuldmerkmale bei § 28 einordnen, berufen sich andererseits vornehmlich auf eine Umkehrung der Beispielsfälle, auf Sachlagen also, bei denen der Täter ohne die in der Strafvorschrift geforderte „Böswilligkeit", „Rücksichtslosigkeit" usw. handelt, während diese Merkmale beim Teilnehmer vorliegen. Dann müsse bei Heranziehung des § 29 der Teilnehmer bestraft werden, obwohl ein der Strafvorschrift entsprechendes Täterverhalten überhaupt nicht vorliege, während bei Subsumtion der „besonderen persönlichen Merkmale" unter § 28 der Außenstehende wegen Nichtanwendbarkeit des Absatzes 1 dieser Vorschrift straflos bleibe; diese Lösung sei die allein richtige, weil die Teilnehmerbestrafung voraussetze, daß alle Merkmale der Strafvorschrift in der Person des Täters erfüllt seien 7 . 2. Eine sachgerechte Lösung wird zwischen strafbegründenden und strafmodifi- 11 zierenden besonderen Schuldmerkmalen unterscheiden müssen 8 . Bei den strafbegründenden speziellen Schuldmerkmalen entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Teilnahmelehre nur eine Auffassung, die zwischen den Standpunkten der streitenden Parteien hindurchläuft und auf einer restriktiven Anwendung des § 29 beruht. Danach ist der Teilnehmer straflos, der an einem strafbaren Täterverhalten mitwirkt, dabei aber in seiner Person ohne die strafbegründende „Böswilligkeit", „Rücksichtslosigkeit" oder „Gewerbsmäßigkeit" handelt, die in der Strafvorschrift vorausgesetzt wird. Das ist eine notwendige Konsequenz der Akzessorietätslimitierung, die in § 29 unmißverständlichen Ausdruck gefunden hat. Wenn etwa die h. M. denjenigen, der ohne „Böswilligkeit" an einer Tat nach § 90 a teilgenommen hat, nach dieser Vorschrift in Anwendung des § 28 Abs. 1 zur Verantwortung zieht, so wird er entgegen der Anordnung des § 29 gerade nicht „ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft", sondern ihm wird die Schuld des Täters zugerechnet. Es wird also ein Verfahren angewendet, das zwar beim Unrecht dem Strafgrund der Teilnahme und dem § 28 entspricht, das bei Schuldmerkmalen aber nur mit der vom Gesetz abgelehnten Schuldteilnahmetheorie zu vereinbaren wäre 9 . Auch kriminalpolitisch leuchtet es wenig ein, daß jemand als Teilnehmer für eine Handlung bestraft werden soll, die er als Täter wegen Fehlens des erforderli5 Fallbeispiel bei Herzberg TuT§ 11 III 6 ZStW 88 (1976) 173 7 Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre (1968) 156; ZStW88(1976) 173; Samson SK AT, 2. Aufl., Rdn. 12; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §28, Rdn. 5; Slraienwerth ATI, 2. Aufl., Rdn. 925; Vogler Lange-Festschr. (1976) 267 8 Die Darstellung folgt insoweit Herzberg ZStW 88 (1976) 7 0 - 7 2 ; TuT, § 11 III 9 Ebenso Herzberg ZStW 88 (1976) 72; TuT, § 11 III a. E.

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2. Abschnitt. Die Tat

12 chen Schuldmerkmals straflos hätte begehen können. — Dagegen haben die Kritiker einer Anwendung des § 29 auf strafbegründende spezielle Schuldmerkmale darin recht, daß es unrichtig wäre, diese Vorschrift im umgekehrten Fall derart anzuwenden, daß ein Teilnehmer auch dann bestraft wird, wenn ein bei ihm vorliegendes spezielles Schuldmerkmal dem Täter fehlt. Es wäre also nicht angemessen, etwa jemanden wegen Beihilfe zu einer grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Vorfahrtsmißachtung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a zu bestrafen, wenn der Täter überhaupt nicht rücksichtslos und damit auch nicht strafbar gehandelt hat, die von der Vorschrift verlangte Rücksichtslosigkeit also nur beim Gehilfen vorliegt. Aber ein solches Ergebnis wird durch § 29 auch nicht geboten 1 0 . Denn die strafbegründenden speziellen Schuldmerkmale des Besonderen Teils gehören zum Garantietatbestand des Art. 103 Abs. 2 GG, und dessen Verwirklichung durch den Täter ist eine selbstverständliche Minimalvoraussetzung jeglicher Akzessorietät, die sich aus deren „teleologischem Sinn" einer rechtsstaatlichen Begrenzung der Teilnahmestrafbarkeit (näher Rdn. 5 vor § 26) ohne weiteres ergibt. § 29 ermöglicht also zwar eine Teilnahme an schuldloser Tat, aber — und darin liegt die Restriktivität seiner Anwendung auf spezielle Schuldmerkmale — keine Teilnahme an einer nicht einmal dem Garantietatbestand entsprechenden Tätertat; der Einzugsbereich der Vorschrift beginnt erst jenseits dieser Voraussetzung, an der die Einführung der limitierten Akzessorietät nicht hat rütteln wollen. 13

Es ergibt sich also, daß bei speziellen strafbegründenden Schuldmerkmalen des Besonderen Teils der Teilnehmer in doppelter Weise privilegiert ist. Er ist in Anwendung des § 29 straffrei, wenn er selbst solche Merkmale, die beim Täter vorliegen, nicht aufweist; er ist auf Grund der dem § 29 voraufliegenden Bindung jeder Teilnahme an ein den Garantietatbestand erfüllendes Täterverhalten aber auch dann straflos, wenn diese Merkmale zwar in seiner Person, aber nicht beim Täter vorliegen.

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3. Demgegenüber sind die strafmodifizierenden speziellen Schuldmerkmale anders als die strafbegründenden bei § 28 Abs. 2 einzuordnen. Sieht man also mit der in der Wissenschaft heute herrschenden Meinung (vgl. näher Rdn. 43) § 2 l l als Qualifizierung und § 217 als Privilegierung im Verhältnis zum Grundtatbestand des §212 an, so ist §28 Abs. 2 zu entnehmen, daß subjektive und objektive Schuldmerkmale (wie die „niedrigen Beweggründe" des § 211 und die uneheliche Mutterschaft nach §217) unter mehreren Beteiligten nur demjenigen strafverschärfend oder -mildernd zuzurechnen sind, in dessen Person sie vorliegen. Diese Lösung ergibt sich entgegen der im Schrifttum vertretenen Mindermeinung (vgl. Rdn. 8) nicht erst aus § 29. Das folgt aus der Gesetzesgeschichte und hat auch im Wortlaut des Gesetzes Ausdruck gefunden. Denn da das Gesetz ursprünglich nur eine dem heutigen § 28 Abs. 2 entsprechende Vorschrift enthielt (vgl. Rdn. 1), konnte bis 1943 kein Zweifel daran bestehen, daß alle die Strafe modifizierenden persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse, einerlei, ob sie systematisch dem Unrecht oder der Schuld zuzuordnen waren, ausschließlich nach § 28 Abs. 2 (dem damaligen § 50) zu beurteilen waren. Dieser Rechtszustand hat sich durch die Einführung der limitierten Akzessorietät nicht geändert. Denn der heutige § 29, der dem seit 1943 geltenden § 50 Abs. 1 der Sache nach entspricht, will nur die Teilnahme an schuldloser Tat ermöglichen, in die Strafrahmenregelung des § 28 Abs. 2 aber nicht eingreifen. Wenn es dort heißt, daß jeder „ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach

»» In diesem Sinn auch Herzberg ZStW 88 (1976) 72; TuT, § 11 IM, S. 122 (134)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

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seiner Schuld" bestraft werde, so wird damit der anzuwendende Strafrahmen nicht bestimmt, sondern vielmehr vorausgesetzt; nur innerhalb dieses Strafrahmens wird die Strafbarkeit unter Lösung von der Akzessorietätsbindung nach der individuellen Schuld des einzelnen Beteiligten bestimmt. Wenn also der Kindesvater die Mutter zu einer Tat nach § 217 anstiftet, könnte § 29, genau genommen, nichts daran ändern, daß auf den Vater der Strafrahmen des § 217 anzuwenden wäre; der Strafrahmen des § 212 wird für den Außenstehenden nur durch § 28 Abs. 2 eröffnet 1 ·. Auch die andersartige Reihenfolge der §§28 Abs. 2, 29, die das seit dem 15 1.1. 1975 geltende Recht im Verhältnis zum früheren Aufbau des § 50 gebracht hat, kann die Einordnung der strafmodifizierenden speziellen Schuldmerkmale bei § 28 Abs. 2 nicht berühren. Zwar heißt es in der Begründung des E 1962, dem der heutige Gesetzesaufbau entstammt, dadurch solle „deutlich werden, daß § 33 (der jetzige § 28) Fragen des Tatbestandes, § 34 (der jetzige § 29) Fragen der Schuld" regele 12 , aber das ist nur so zu verstehen, daß § 28 auch Merkmale des Unrechtstatbestandes, § 29 dagegen nur die Schuld betreffe; denn unter den Beispielen für „besondere persönliche Merkmale", die in der Begründung zu § 33 (jetzt § 28) aufgezählt werden 1 3 , finden sich gerade auch spezielle Schuldmerkmale (wie „aus Habgier", „gewissenlos"). Indem der Gesetzgeber seit 1968 nicht mehr nur besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse, sondern auch sonstige „Umstände" als nichtakzessorisch behandelt, wollte er ausdrücklich nicht mehr nur, wie vorher vielfach angenommen wurde, Merkmale von einer „gewissen Dauer", sondern auch „vorübergehende seelische Haltungen" in diese Vorschrift einbeziehen; dabei aber handelt es sich in aller Regel um spezielle Schuldmerkmale. 4. Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß die „besonderen persönlichen 16 Merkmale" des § 28 systematisch sowohl dem Unrecht wie der Schuld zugeordnet sein können. Dabei sind Unrechtsmerkmale ausnahmslos nach § 28 zu behandeln, während bei Schuldmerkmalen zu unterscheiden ist: Spezielle Schuldmerkmale strafmodifizierender Ali fallen unter § 28 Abs. 2; dagegen sind spezielle strafbegründende Schuldmerkmale dem § 29 in dem Sinne zu subsumieren, daß ein Teilnehmer straflos bleibt, wenn er sie nicht in seiner Person aufweist. Daneben gehören in den Bereich des § 29 auch die Schuldausschließungs- und Schuldminderungsgründe des Allgemeinen Teils. IV. Der Begriff der „besonderen persönlichen Merkmale" Das schwierigste und bisher nur unzureichend geklärte Problem des § 28 liegt aber 17 in der Frage, welche Unrechts- oder Schuldmerkmale als „besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände" zu charakterisieren sind und welche nicht. Wenn etwa jemand ohne eigene Zueignungsabsicht einen anderen zu einem Diebstahl anstiftet, oder wenn ein Außenstehender den Schuldner zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288) veranlaßt, so handelt es sich bei der Zueignungsabsicht und der Schuldnereigenschaft zweifelsfrei um Merkmale, die nur in der Person des Täters vorliegen; trotzdem führt dieser Umstand nur dann nach § 28 Abs. 1 zu einer Strafmilderung für den Anstifter, wenn diese subjektiven und objektiven Kriterien als „besondere persönliche Merkmale" anzusehen sind (was in beiden Fällen sehr umstritten ist, vgl. Rdn. 33, 38 f, 42). " Zutreffend Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 2 8 Rdn. 5; Herzberg TuT, § 11 I (Fall 81) 12 Bundestags-Drucksache IV/650, S. 153 13 wie Anm. 12, S. 152 (135)

ZStW88(1976)71;

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2. Abschnitt. Die Tat

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1. Das Reichsgericht. Das RG hatte zu den „persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen" i. S. des ursprünglichen § 50 (vgl. Rdn. 1) eine Reihe von Merkmalen gezählt, die auch heute noch allgemein unter § 28 subsumiert werden und zum relativ gesicherten Bestände dieser Vorschrift gehören: Die Gewerbsmäßigkeit (RGSt. 23 378; 25 266; 26 3; 36 154; 61268; 71 72, 73; RG JW 1934 170, Nr. 16), die Gewohnheitsmäßigkeit (RGSt. 23 378; 25 266), den Rückfall (RGSt. 23 378; 54 274, 275), die Beamteneigenschaft (.RGSt. 55 181, 182; 63 31, 35; 65 101, 104; 68 90, 91; 75 289; RG JW 1938 1583 f Nr. 2); die uneheliche Mutterschaf nach § 217 (RGSt. 2 153, 155; 72 373, 374; 74 84, 86; RG H R R 1933 Nr. 1056) und das Anvertrautsein nach § 246 (RGSt. 72 326, 328). Dabei ist nur selten der Versuch gemacht worden, den Begriff der „persönlichen Eigenschaften oder Verhältnisse" unter Lösung von den Gegebenheiten des jeweiligen Merkmals abstrakt zu definieren. Am ausführlichsten äußert sich die Entscheidung der Vereinigten Strafsenate vom 18. April 1894 (RGSt. 25 266—269, mit einer eingehenden, die Entstehungsgeschichte einbeziehenden Stellungnahme des Oberreichsanwalts, aaO S. 269—276) aus Anlaß der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit. Dabei wird vor allem darauf abgehoben, daß diese Merkmale ihrem Träger mit einer gewissen Dauerhaftigkeit verbunden (und deshalb „Eigenschaften" seien) und daß ihr Vorliegen oder Nichtvorliegen „den deliktischen Tatbestand an sich nicht" berühre. Das Gesetz erhöhe die Strafe nur „wegen des durch dieses persönliche Moment begründeten höheren Grades der Verschuldung" (aaO S. 268).

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Beide Gesichtspunkte sind aber für die Abschichtung der „besonderen persönlichen Merkmale" des § 28 von anderen, bei denen diese Vorschrift nicht anwendbar ist, heute schon auf Grund der Neuformulierung des Gesetzestextes nicht mehr brauchbar. Denn seit im Jahre 1968 (vgl. Rdn. 1) auch beim Fehlen strafbegründender Merkmale in der Person des Teilnehmers ggf. eine Strafreduktion in Betracht kommt (§ 50 Abs. 2 a. F., § 28 Abs. 1 des gelten StGB), läßt sich nicht mehr generell sagen, daß „besondere persönliche Merkmale" den „deliktischen Tatbestand an sich nicht berühren". Auch kann seither nicht mehr verlangt werden — was schon vorher umstritten war — daß diese Merkmale eine gewisse Dauerhaftigkeit besitzen müßten und nicht lediglich eine vorübergehende Einstellung oder Gesinnung des Handelnden bezeichnen dürften. Denn zwar läßt sich die Meinung vertreten, daß nur während der Tat vorliegende Motivationen, Tendenzen usw. keine „Eigenschaften" und keine „persönlichen Verhältnisse" im Sinne des alten Gesetzeswortlauts begründen könnten. Nachdem der Anwendungsbereich dieser Vorschrift jedoch auf die „besonderen persönlichen Umstände" erweitert worden ist, läßt sich eine solche Beschränkung aber jedenfalls nicht mehr halten. Es war auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich des § 28 (bzw. des seit 1968 geltenden § 50 Abs. 2, 3) nicht länger auf „dauerhafte" Elemente zu begrenzen (vgl. schon Rdn. 15). Denn in der Begründung zu § 33 E 1962, auf den die heutige Regelung wörtlich zurückgeht, heißt es 1 4 , die alte Vorschrift spreche nur von „besonderen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen" und lasse ungeklärt, ob hierunter nur fällt, was eine gewisse Dauer hat, oder ob von dieser Bestimmung auch vorübergehende seelische Haltungen . . . umfaßt werden. Der Entwurf stellt das dadurch klar, daß er unter der Überschrift der .besonderen persönlichen Merkmale' erkennbar auch besondere persönliche Umstände, die nur vorübergehender Natur sein können, einbezieht". 14

Bundestags-Drucksache IV/650, S. L52 (136)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

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2. Der Bundesgerichtshof Die Rspr. des BGH, die anfänglich ohne grundsätzliche Neuorientierung nur 20 fallweise der Judikatur des RG gefolgt war, hatte zum Problem der „Dauer" als einer Voraussetzung für das Vorliegen persönlicher „Eigenschaften oder Verhältnisse" zunächst nicht ausdrücklich Stellung genommen und es offengelassen, „ob Beweggründe unter § 50 Abs. 2 (heute: § 28 Abs. 2) fallen können" (BGHSt. 1 368, 372; dazu BGHSt. 22 375, 378). Sie war aber schon vor 1968 schrittweise zu einer anderen Abgrenzung übergegangen. Danach ist zu unterscheiden zwischen „täterbezogenen" Umständen, die als „besondere persönliche Merkmale" nach § 28. behandelt werden, und „tatbezogenen" Umständen, für die § 28 nicht gelten soll. Das ist zunächst am Fall der „bandenmäßigen Begehung des Schmuggels" (früher§401b AO) entwickelt worden. Schon BGHSt. 6 260, 262 hatte (mit Hinweisen auf ähnl. Ansätze in der früheren Rspr.) vermerkt, die Strafschärfung beruhe hier „nicht entscheidend auf besonderen persönlichen Verhältnissen der Täter, sondern in der besonderen Gestaltung der Tat. Solche Strafschärfungsmerkmale fallen nicht unter den §50 Abs. 2 StGB". Etwas deutlicher hieß es dann in BGHSt. 8 70, 72: „Die bandenmäßige Begehung des Schmuggels ist . . . stärker ein Merkmal der Tat und nicht des Täters. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 50 Abs. 2 StGB nur zutrifft, wenn ausschließlich persönliche Umstände oder Verhältnisse die Erhöhung der Strafe begründen. Wenn, wie hier, sachliche Umstände überwiegen, ist jedenfalls § 50 Abs. 2 StGB nicht anwendbar". In entsprechender Weise sagte BGHSt. 8 205, 209 im Hinblick auf dasselbe Merkmal, § 28 Abs. 2 müsse außer Betracht bleiben, wenn das Gesetz „nicht nur den Täter, sondern durch hinzutretende Umstände die Tat als Ganzes erschwerend gekennzeichnet" habe. Für den Fall der bandenmäßigen Begehung ist diese Rspr. in BGHSt. 12 220, 226 f (GrSen) der Sache nach aufgegeben worden (vgl. dazu Rdn. 45), doch haben die Kriterien der Tat- und Täterbezogenheit dadurch für die Rspr. ihre Bedeutung nicht verloren. Denn die Entscheidung BGHSt. 17 215, 217, die das Merkmal der „verfassungsfeindlichen Absicht" (§ 94 a. F.) als „tatbezogen" und damit als nicht unter § 50 Abs. 2 a. F. fallend qualifizierte, erklärte unter ausdrücklicher Berufung auf BGHSt. 8 72 wiederum, es sei „in Grenzfällen . . . entscheidend, ob das gesetzliche Merkmal überwiegend die Tat oder ob es überwiegend den Täter kennzeichnet". Die Entscheidung führt dann verdeutlichend aus, daß ζ. B. der Rückfall täterbezogen sei, während das Merkmal des „niedrigen Beweggrundes" beim Mord nicht unter § 28 falle, „weil es in erster Linie die Tat als besonders schwer erscheinen läßt, mag es mitunter außerdem auch den Charakter des Täters beleuchten". Die Einführung des Begriffs der „besonderen persönlichen Merkmale" im Jahre 21 1968 und die Einbeziehung der „persönlichen Umstände" hat die Rspr. in ihrem prinzipiellen Kurs bestätigt, hinsichtlich der „niedrigen Beweggründe" beim Mord aber zu einer Umorientierung geführt. Richtungweisend ist BGHSt. 22 375, 378, wo es heißt: „ Der Gegensatz zu den .besonderen persönlichen Merkmalen' liegt in solchen Tatumständen, die nicht zur Person des Täters, sondern zur äußeren Mordtat selbst gehören, wie z.B. die Verwendung von gemeingefährlichen Mitteln (§211 Abs. 2 StGB). Jene sind ,täterbezogen', diese ,tatbezogen' genannt worden". Diese Unterscheidung wird dann so angewendet, daß die „niedrigen Beweggründe" beim Mord als „täterbezogen" und somit nach § 28 behandelt werden. Denn, so folgert das Urteil im Anschluß an Else Koffka (JR 1969 41, 42): „Ein Motiv des Täters liegt in seiner Person und nirgends anders". Dieser Gesichtspunkt hat in der Folgezeit beim Tatbestand des Mordes zu einer differenzierenden Rspr. geführt. (137)

§28

2. Abschnitt. Die Tat

BGHSt. 23 39 erklärt die Verdeckungsabsicht beim Mord für ein täterbezogenes „besonderes persönliches Merkmal", während nach BGHSt. 23 103, 105 die „Heimtücke" und nach BGHSt. 24 106, 108 die „Grausamkeit" tatbezogene Merkmale sind und somit nicht dem § 28 unterfallen. 22

Zusammenfassend läßt sich über den gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung sagen, daß die schon vom RG dem früheren § 50 unterstellten, weitgehend außer Streit stehenden Merkmale (vgl. Rdn. 18) als „täterbezogen" behandelt werden (vgl. etwa BGHSt. 1 235, 240 für § 217, BGHSt. 5 75, 81, BGH NJW 1955 720 Nr. 18 für die Amtsdelikte, BGHSt. 17 217 für den Rückfall). Darüber hinaus kann man unter Abweichung von der früheren Rspr. davon ausgehen, daß beim Tatbestand des Mordes die mittlere Merkmalsgruppe (heimtückisch, grausam, mit gemeingefährlichen Mitteln) als tatbezogen beurteilt wird, während auf die übrigen Merkmale § 28 angewendet wird. Dabei zieht die Rspr. § 28 Abs. 1 heran, weil sie die Mordmerkmale seit BGHSt. 1 368 als strafbegründend betrachtet, während die im Schrifttum einhellige Meinung den Mord für einen qualifizierten Fall des Totschlages hält und deshalb die täterbezogenen Mordmerkmale als Fälle des § 28 Abs. 2 ansieht; aber diese Streitfrage (vgl. dazu Rdn. 43) berührt nicht die Einordnung dieser Umstände in den Bereich der „besonderen persönlichen Merkmale". Im übrigen ist für zahlreiche Merkmale die Abgrenzung auch in der Rspr. noch ungeklärt. 3. Die Literatur

23

a) In der Literatur wird heute ebenfalls, mit manchen Abweichungen im einzelnen, überwiegend die Unterscheidung von täter- und tatbezogenen Merkmalen als Kriterium für die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 28 verwendet 1 5 . Doch mehren sich die Stimmen, die das Problem noch weiterer Klärung für bedürftig halten und darauf hinweisen, daß zur Abgrenzung von tat- und täterbezogenen Merkmalen noch keine einleuchtenden Gesichtspunkte gefunden worden sind 1 6 .

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Tatsächlich können die Begriffe der Tat- und Täterbezogenheit die ihnen überbürdete Abgrenzungsaufgabe nicht erfüllen. Sie können zunächst keinesfalls so verstanden werden, daß subjektive Merkmale täterbezogen und objektive tatbezogen sind 1 7 . Denn subjektive Merkmale wie der Vorsatz, die Zueignungsabsicht beim Diebstahl und die Bereicherungsabsicht beim Betrug sind nach Rspr. und h. L. nicht täterbezogen, während objektive Umstände wie die uneheliche Mutterschaft in § 217 und die Amtsträgereigenschaft als täterbezogen gelten und nach § 28 behandelt werden. Ebensowenig kann man, wie es der BGH bei den „niedrigen Beweggründen" in § 211 getan hat (BGHSt. 22 378), als täterbezogen solche Merkmale charakterisieren, die ausschließlich in der Person des Täters „und nirgends anders" 15

Arzt Strafrecht BT, Bd. 1, Β I I I ; Baumann AT, 8. Aufl., § 37 III 2 b ß (ohne eigene Stell u n g n a h m e ) ; Blei AT, 17. Aufl., § 76 II 1 ; Bockelmann AT, 2. Aufl., § 25 V 2; Busch Voraufl., § 5 0 , R d n 18; Dreher 37. Aufl., § 2 8 , Rdn. 6; Eser Strafr. II, 2. Aufl., Fall 42, R d n . 7 f f ; Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre (1968), S. 125; Jescheck AT, 2. Aufl., § 61 VII 4 a ; Lackner 11. Aufl., § 28, 2 a (distanziert); Maurach AT, 4. Aufl., § 53 III Β 2 (distanziert); Preisendanz 29. Aufl., § 2 8 , 2; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., § 2 8 , R d n . 12 f f ; Samson SK AT, 2. Aufl., § 28, R d n . 16 f f ; Wessels AT, 6. Aufl., § 13 IV 1. Überwiegend kritisch: Herzberg Z S t W 88 (1976) 78 f f ; TuT, § 12 a. Α.; Schmidhäuser AT, 2. Aufl., 14/73 f f ; Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 931 ff. Bockelmann, Lackner, Samson, wie A n m . 15; ferner Vogler Larige-Festschrift, S. 268; Gallas Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 173 f '7 N ä h e r Bockelmann wie Anm. 15; Herzberg ZStW 88 (1976) 78 f (138)

Besondere persönliche Merkmale (Roxin)

§28

liegen. Das trifft zwar bei den „niedrigen Beweggründen" zu, aber es gilt ebenso für die schon genannten subjektiven Merkmale, die trotzdem nach der Rspr. „tatbezogen" sind. Nicht anders liegt es bei den objektiven Merkmalen. Man kann freilich sagen, daß die Eigenschaft als Mutter eines nichtehelichen Kindes, die allgemein als unter § 28 fallend betrachtet wird, ausschließlich in der Person der Betroffenen liegt; aber für die Eigenschaft als „Mann" (§ 183) gilt ganz dasselbe, und trotzdem wird dieses Merkmal einhellig als tatbezogen betrachtet. Das Begriffspaar Täterund Tatbezogenheit führt also in die Irre. Zwar kann man davon ausgehen, daß Merkmale, die nur die äußere Tat betreffen, wie die Handlung mit „gemeingefährlichen Mitteln" in § 211, nicht unter § 28 fallen, weil es sich dabei nicht um „persönliche" Merkmale handelt, auf die diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach beschränkt ist. Aber das eigentliche Abgrenzungsproblem liegt nicht hier, sondern vielmehr darin, wie man unter den überwiegend oder ausschließlich persönlichen Merkmalen die unter § 28 fallenden „besonderen" persönlichen Merkmale auswählen soll. Zu seiner Lösung kann der Begriff der Täterbezogenheit nichts beitragen. b) Im Vordringen ist deshalb eine Meinung, die unter den persönlichen Merk- 25 malen als tatbezogen und deshalb nicht unter § 28 fallend diejenigen aussondern will, die „rechtsgutsbezogen" sind. „Das führt dazu, daß dem Teilnehmer Merkmale, die den Täter und nicht die durch den Tatbestand erfaßte Rechtsgutsverletzung kennzeichnen, nur dann zugerechnet werden, wenn er sie selber aufweist. Umgekehrt werden ihm nur beim Haupttäter vorliegende persönliche Merkmale dann zugerechnet, wenn sie eine Rechtsgutsverletzung betreffen" 1 8 . Danach kommt beispielsweise dem Anstifter zur Urkundenfälschung (§ 267) die Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 auch dann nicht zugute, wenn er selbst nicht „zur Täuschung im Rechtsverkehr" handelte; denn diese Absicht zielt auf die Verletzung des in § 267 geschützten Rechtsgutes und ist tatbezogen. Andererseits erfährt der Anstifter zum Morde eine Strafmilderung (sei es nach § 28 Abs. 1, sei es nach § 28 Abs. 2), wenn die „niedrigen Beweggründe", die den Täter zum Mörder machen, ihn nicht motiviert haben; denn die Rechtsgüterverletzung (die Zerstörung menschlichen Lebens) ist vom Motiv des Handelnden unabhängig, das deshalb nicht tat-, sondern täterbezogen ist. Aber auch diese Abgrenzung ist Bedenken ausgesetzt. Denn bei dem in der Sache 26 am wenigsten umstrittenen Beispiel eines „besonderen persönlichen Merkmals", der Eigenschaft als Beamter (Amtsträger), läßt sich die Rechtsgutsbezogenheit schwerlich leugnen: „Unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgutsverletzung betrachtet, liegt hier die Steigerung des Unrechtsgehalts der Tat in der Verletzung oder Gefährdung des Interesses der Allgemeinheit an der Reinheit der Amtsführung und der Autorität des Amts" 1 9 . Die Verletzung der vortatbestandlichen Sonderpflicht ist also nicht nur eine Eigenschaft des Täters, sondern betrifft das Rechtsgut selbst 20 , so daß die Strafmilderung des teilnehmenden Nichtbeamten mit der mangelnden Rechtsgutsbezogenheit der Amtsträgereigenschaft nicht begründet werden kann. 18

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Samson SK AT, 2. Aufl., § 28, Rdn. 19 a; auf die Rechtsgutsbezogenheit als Kriterium der „Tatbezogenheit" abstellend auch Blauth „Handeln für einen anderen" nach geltendem und kommendem Recht (1968), S. 63 ff, 100 ff; Gallas ZStW88(1976) 175; Geppert ZStW 82 (1970) 40, 64 ff; Lackner 11. Aufl., §28, Rdn. 2 a; Sch.-Schröder-Cramer 18. Aufl., §28, Rdn. 14 Gallas Beiträge zur Verbrechenslehre, S. 159, zu den unechten Amtsdelikten so vor allem auch Vogler Lange-Festschr., S. 270; Herzberg ZStW 88 (1976) 81 ; abw. Geppert ZStW 82 (1970) 72; Blauth, S. 76

§28

2. Abschnitt. Die Tat

Andererseits nötigt die Abgrenzung mit Hilfe der Rechtsgutsbezogenheit, wenn man mit diesem Kriterium ernst macht, auch dort zur Anwendung des § 28 Abs. 1, wo dies bisher nie erwogen worden war und zu recht gekünstelten Ergebnissen führt. So will Samson21 die Zueignungsabsicht beim Diebstahl „zerlegen". Das Element der „Enteignung" ist auf das geschützte Rechtsgut (Eigentum und Gewahrsam) bezogen und fällt nicht unter § 28, während die Aneignungsabsicht, weil sie der Rechtsgutsverletzung nichts mehr hinzufügt, ein besonderes persönliches Merkmal sein soll. Wer also ohne eigene Aneignungsabsicht jemanden zum Diebstahl anstiftet, soll anders als der Anstifter nach §§ 267, 274 nur eine nach §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 gemilderte Strafe erfahren (anders BGHSt. 22 380). Das Ergebnis ist konsequent, aber befremdlich 22 , weil der leitende Gesichtspunkt der Rechtsgutsbezogenheit letzten Endes keine Überzeugungskraft hat: Denn wenn sich aus dem Strafgrund der Teilnahme ergibt, daß das Unrecht der Täterhandlung dem Teilnehmer zugerechnet wird (vgl. vor §26, Rdn. 15, 16), ist nicht recht verständlich, warum diese Zurechnung bei nicht rechtsgutsbezogenen Merkmalen unter Gewährung einer Strafmilderung geschehen soll, die sonst für den Teilnehmer nicht vorgesehen ist. Da ζ. B. für die Zueignungsabsicht und damit für das Unrecht des Diebstahls die Enteignungs- und Aneignungskomponente gleichermaßen konstitutiv und bedeutsam sind, fehlt der Annahme differierender Teilnehmerstrafrahmen die Plausibilität. 27

c) Herzberg hat die Ungereimtheiten der bisherigen Lösungen durch eine völlig neue Konzeption zu überwinden versucht. Er differenziert unter den persönlichen Merkmalen zwischen „wertbezogenen", die nach § 28 zu behandeln sind, und „wertneutralen", deren NichtVorliegen in der Person eines Beteiligten zu keiner Strafrahmenreduktion führen soll 23 . „Wertbezogen" sind für ihn solche Merkmale, die die Schwere des Unrechts oder der Schuld betreffen, während er als „wertneutral" diejenigen persönlichen Merkmale ansieht, „die lediglich untypische Rechtsgutsverletzungen ausgrenzen, ohne für die tatbestandlich eingegrenzten einen besonderen Unwert oder eine erhöhte Strafwürdigkeit auszudrücken" 24 . Ein „wertneutrales" persönliches Merkmal ist nach Herzberg25 ζ. B. die Täterqualifikation als „Schuldner" beim Tatbestand der Vollstreckungsvereitelung (§ 288). Er meint, es mache „für die Rechtsgutsverletzung, für das Unrecht der Tat" keinen Unterschied, „ob der bedrohte Vermögensinhaber oder ein Unbeteiligter die Sachen beiseite schafft". Wenn der Gesetzgeber nur den Schuldner bestrafe, den die Vollstreckung vereitelnden Unbeteiligten aber straflos lasse, so habe das seinen Grund allein darin, daß der Gesetzgeber den zweiten Fall als untypisch beiseitegelassen und die dadurch entstehende Strafbarkeitslücke in Kauf genommen habe. Da eine Strafmilderung für einen Beteiligten in seiner Person ein gemindertes Unrecht oder mildere Schuld voraussetze, davon aber beim Fehlen wertneutraler Merkmale nicht die Rede sein könne, dürfe hier § 28 nicht angewendet werden 26 . Als weitere wertneutrale Merkmale nennt Herzberg mit entsprechender Begründung ζ. B. die Täterqualifikationen

21 SK AT, 2. Aufi., § 28 Rdn. 20 22 Stratenwerth AT I, 2. Aufl., Rdn. 931 23 Die Problematik der „besonderen persönlichen Z S t W 8 8 ( 1 9 7 6 ) 68—116; zusammenfassend TuT, § 12 24 ZStW 88 (1976) 84 25 näher ausgeführt in TuT, § 12 II 2