Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar: Band 7 §§ 303 bis 358 [10., völlig neu bearb. Aufl. Reprint 2015] 9783111712277, 9783110119244


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German Pages 1115 [1100] Year 1988

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Table of contents :
Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung §§ 303—305
Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten
§§ 306-311 c
§§ 311 d, 311 e
§§312-314
§§315,316
§316a
§§316b, 316c
§ 317
§§318—323
§§ 323 a, 323 b
§ 323c
Achtundzwanzigster Abschnitt. Straftaten gegen die Umwelt
Vorbemerkungen zu den §§ 324 ff
§§ 324—330d
Neunundzwanzigster Abschnitt. Straftaten im Amte
Vorbemerkungen zu den §§ 331 ff
§§ 331—335 a
§ 336
(§§ 337-339 weggefallen)
§ 340
(§§ 341,342 weggefallen)
§§343-345
(§§ 346,347 weggefallen)
§ 348
(§§ 349-351 weggefallen)
§§ 352-353 d
§§ 354,355
§ 356
§ 357
§ 358
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Strafgesetzbuch. Leipziger Kommentar: Band 7 §§ 303 bis 358 [10., völlig neu bearb. Aufl. Reprint 2015]
 9783111712277, 9783110119244

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Großkommentare der Praxis

w DE

G

Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar Großkommentar Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage herausgegeben von

Hans-Heinrich Jescheck Wolfgang Ruß Günther Willms

Siebenter Band §§303 bis 358

w DE

_G 1988

Walter de Gruyter • Berlin • New York

Zitierweise: z. B. Tröndle LK 10. Aufl. § 3 Rdn. 5

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Strafgesetzbuch: Leipziger Kommentar; Grosskommentar / hrsg. von Hans-Heinrich Jescheck... — Berlin; New York: de Gruyter. (Grosskommentare der Praxis) Früher mit d. Angabe: Begr. von Ludwig Ebermayer... — Teilw. hrsg. von Paulheinz Baldus u. Günther Willms NE: Ebermayer, Ludwig [Begr.]; Baldus, Paulheinz [Hrsg.]; Jescheck, Hans-Heinrich [Hrsg.] Bd. 7. §§ 303 bis 358. - 10., völlig neu bearb. Aufl. - 1988 Abschlussaufnahme von Bd. 7 ISBN 3-11-011924-2

Hinweis Um in der Erscheinungsweise nicht festgelegt zu sein und auf diese Weise Bedürfnissen der Praxis besser gerecht werden zu können, wurde darauf verzichtet, die Bände durchgehend zu paginieren. Durch Verwendung der Randnummern sind Seitenzahlen — vor allem für das Zitieren — entbehrlich. Der Verlag

© Copyright 1978/1980/1982/1985/1988 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: H. Heenemann GmbH & Co, Berlin 42 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe G m b H , Berlin 61

Inhaltsübersicht

Band 4 BESONDERERTEIL Erster Abschnitt. Friedensverrat, Hochverrai und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates Erster Titel. Friedensverrat Vorbemerkungen zu den §§ 80 ff §§ 80,80 a Zweiter Titel. Hochverrat §§ 81—83a

Erschienen

Bearbeiter

7/1980 7/1980

Willms Willms

7/1980

Willms

Dritter Titel. Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates §§ 8 4 - 9 1 7/1980

Willms

Vierter Titel. Gemeinsame Vorschriften §§ 92—92b

Willms

7/1980

Zweiter Abschnitt. Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit Vorbemerkungen zu den §§ 93 ff §§ 9 3 - 1 0 1 a

5/1987 5/1987

Träger Träger

Dritter Abschnitt. Straftaten gegen ausländische Staaten Vorbemerkungen zu den §§ 102 ff §§ 1 0 2 - 1 0 4 a

4/1981 4/1981

Willms Willms

Vierter Abschnitt. Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen Vorbemerkungen zu den §§ 105 ff §§ 1 0 5 - 1 0 8 d

4/1981 4/1981

Willms Willms (V)

Fünfter Abschnitt. Straftaten gegen die Landesverteidigung Vorbemerkungen zu den §§ 109 ff §§ 109—109 k

4/1981 4/1981

Schroeder Schroeder

Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt Vorbemerkungen zu den §§ 110 ff §§ 111-122

9/1978 9/1978

von Bubnoff vonBubnoff

Siebenter Abschnitt. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung Vorbemerkungen zu den §§ 123 ff §§ 123,124 Vorbemerkungen zu den §§ 125 ff §§125-131 § 132 §§ 132a—137 §§ 138-141 § 142 (§ 143 weggefallen) §§ 144,145 § 145 a (§ 145 b weggefallen) § 145 c § 145 d

12/1978 12/1978 10/1978 10/1978 10/1978 10/1978 10/1978 12/1978

von Bubnoff Schäfer von Bubnoff von Bubnoff Herdegen von Bubnoff Hanack Rüth

12/1978 12/1978

Herdegen Hanack

12/1978 12/1978

Horstkotte Willms

Achter Abschnitt. Geld- und Wertzeichenfälschung Vorbemerkungen zu den §§ 146 ff §§ 146-152

12/1978 12/1978

Herdegen Herdegen

Neunter Abschnitt. Falsche uneidliche Aussage und Meineid Vorbemerkungen zu den §§ 153 ff §§ 153-163

12/1978 12/1978

Willms Willms

Zehnter Abschnitt. Falsche Verdächtigung §§ 164,165 (VI)

12/1978

Herdegen

Elfter Abschnitt. Straftaten, welche sich auf Religion und Weltanschauung beziehen Vorbemerkungen zu den §§ 166 ff §§ 166-168

12/1984 12/1984

Dippel Dippel

Zwölfter Abschnitt. Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie Vorbemerkungen zu den §§ 169 ff §§ 169-173

5/1986 5/1986

Dippel Dippel

Dreizehnter Abschnitt. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Vorbemerkungen zu den §§ 174 ff §§ 174—184c

12/1984 12/1984

Laufhütte Laufhütte

(VII)

Band 5 Erschienen

Bearbeiter

Vierzehnter Abschnitt. Beleidigung Vorbemerkungen zu den §§ 185 ff §§ 1 8 5 - 2 0 0

12/1988 12/1988

Herdegen Herdegen

Fünfzehnter Abschnitt. Verletzung des persönlichen Lebens und Geheimbereichs Vorbemerkungen zu den §§ 201 ff §§201,202 §§ 202 a, 203 §§ 2 0 4 - 2 1 0

8/1988 8/1988 8/1988 8/1988

Träger Träger Jähnke Träger

Sechzehnter Abschnitt. Straftaten gegen das Leben Vorbemerkungen zu den §§211 ff §§211-217 Vorbemerkungen zu den §§ 218 ff §§ 218—220a §§ 221,222

2/1980 2/1980 10/1983 10/1983 4/1981

Jähnke Jähnke Jähnke Jähnke Jähnke

Siebzehnter Abschnitt. Körperverletzung Vorbemerkungen zu den §§ 223 ff §§ 2 2 3 - 2 3 3

4/1981 4/1981

H.-J. Hirsch H.-J. Hirsch

Achtzehnter Abschnitt. Straftaten gegen die persönliche Freiheit Vorbemerkungen zu den §§ 234 ff §§ 2 3 4 - 2 3 8 §§ 2 3 9 - 2 4 1 a

8/1979 8/1979 8/1986

Vogler Vogler Schäfer

Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung Vorbemerkungen zu den §§ 242 ff §§ 2 4 2 - 2 4 8 c (VIII)

8/1988 8/1988

Ruß Ruß

Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung §§ 2 4 9 - 2 5 2 §§ 253-256

12/1982 12/1982

Herdegen Lackner

Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei Vorbemerkungen zu den §§ 257 ff §§ 257-262

12/1982 12/1982

Ruß Ruß

(IX)

Band 6

Erschienen

Bearbeiter

Zweiundzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue § 263 § 264 §§265,265 a § 265 b §§ 266

9/1979 9/1979 9/1979 9/1979 9/1979

Lackner Tiedemann Lackner Tiedemann Hübner

Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung Vorbemerkungen zu den §§ 267 ff §§ 267-282

9/1982 9/1982

Tröndle Tröndle

Vierundzwanzigster Abschnitt. Konkursstraftaten Vorbemerkungen zu den §§ 283 ff §§ 283-283 d

12/1984 12/1984

Tiedemann Tiedemann

Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz Vorbemerkungen zu den §§ 284 ff §§284-287 §§ 288—302 a

(X)

11/1979 11/1979 11/1979

vonBubnoff vonBubnoff Schäfer

Band 7 Erschienen

Bearbeiter

Sechsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung 10/1978

§§ 3 0 3 - 3 0 5

Wolff

Siebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten §§ 3 0 6 - 3 1 1 c §§ 311 d, 311 e §§312-314 §§315,316 § 316a §§ 316b, 316c §317 §§318-323 §§ 323 a, 323 b § 323 c

10/1978 10/1985 10/1978 10/1978 10/1978 10/1978 10/1978 6/1985 6/1985 8/1988

Wolff Steindorf Wolff Rüth Schäfer Rüth Wolff Wolff Spendel Spendel

Achtundzwanzigster Abschnitt. Straftaten gegen die Umwelt Vorbemerkungen zu den §§ 324 ff §§ 324—330d

10/1985 10/1985

Steindorf Steindorf

Neunundzwanzigster Abschnitt. Straftaten im Amte Vorbemerkungen zu den §§ 331 ff §§ 331—335a §336 (§§ 3 3 7 - 3 3 9 weggefallen) §340 (§§ 341,342 weggefallen) §§ 3 4 3 - 3 4 5 (§§ 346,347 weggefallen) §348 (§§ 3 4 9 - 3 5 1 weggefallen) §§ 3 5 2 - 3 5 3 d §§ 354,355 §356 §357 §358

5/1982 5/1982 5/1982

Jescheck Jescheck Spendel

5/1982

H.-J. Hirsch

5/1982

Jescheck

5/1982

Tröndle

5/1982 5/1982 7/1980 5/1982 5/1982

Träger Schäfer Hübner Jescheck Schäfer

S e c h s u n d z w a n z i g s t e r Abschnitt Sachbeschädigung

§303 Sachbeschädigung (1) Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. Die gegenwärtige Fassung der Vorschrift geht auf Art. 19 Nr. 161, 207 EGStGB 1974 zurück. Eine sachliche Änderung ist mit der Neufassung nicht verbunden. Schrifttum: Burmeisler Die Sachbeschädigung nach geltendem Recht u n d nach den neueren Strafgesetzentwürfen, insbesondere nach dem Entwurf von 1927, Diss. Tübingen 1934; Geier Erscheinungsformen u n d Strafzumessung bei d e r Sachbeschädigung, Diss. Freiburg 1950; Germann Auslegung u n d freie Rechtsfindung, SchwZStr. 1941 134, 163; Gerstenberg Löschen von T o n b ä n d e r n als neuer strafrechtlicher Tatbestand, N J W 1956 778; Haas Sachbeschädigung durch wildes Plakatieren? Probleme des § 303 StGB, O L G Bremen und O L G Hamburg, M D R 1976 773, JuS 1978 14; Händel M i ß b r a u c h von N o t r u f e n u n d Beeinträchtigung von Unfallverhütungseinrichtungen, D A R 1975 57; Hall Der Sachbegriff im Strafrecht, Diss. Rostock 1930; Hering Die d a u e r n d e Sachentziehung o h n e Bereicherungsabsicht, Diss. Heidelberg 1930; Hirschberg Der Vermögensbegriff im Strafrecht (1934); Imig Sachbeschädigung d u r c h Sachbehandlung, Diss. Köln 1935; Knaak Das Delikt der einfachen Sachbeschädigung, Diss. Greifswald 1902; Klug Anm. zu BGHSt. 13 207, J Z 1960 226; Kühs Die Sachbeschädigung im reichsdeutschen, österreichischen Strafrecht und im Strafgesetzentwurf von 1927, Diss. Jena 1934; Lampe Betriebssabotage, ZStW 89 (1977) 325; Lang-Hinrichsen Anm. zu B G H S t . 6 107, J Z 1955 288; Lehmann Z u r Lehre vom objektiven Tatbestand der Sachbeschädigung, StrafrAbh. 119; Lewy Die Sachbeschädigung, Wesen, U m f a n g u n d Kritik derselben nach geltendem Recht, Diss. Leipzig 1915; Eduard Leutz Die Sachbeschädigung, Historisch und dogmatisch dargestellt, Diss. Freiburg 1914; Lueder Die Vermögensbeschädigung (1867); Merke! Ist rechtswidriges Löschen von T o n b ä n d e r n Sachbeschädigung? N J W 1956 778; Müller D i e Sachbeschädigung im früheren, im geltenden und im zukünftigen Strafrecht, Diss. Erlangen 1933; Paulus Der strafrechtliche Begriff der Sachzueignung (1968); Pernice Die Sachbeschädigung nach röm. Recht (1867); W. Peter Die Sachentziehung im geltenden und z u k ü n f t i g e n Strafrecht, Diss. Münster 1970; v. Pradzynski Sachbeschädigung u n d Aneignung, StrafrAbh. 88; Rieger Die Strafbarkeit der Sachentziehung nach geltendem Recht und in den Strafgesetzentwürfen, Diss. Tübingen 1930; Rommel Zur einfachen Sachbeschädigung, StrafrAbh. 184; Rotering Die Sachbeschädigung, GerS 47 211; Rotering Zeit- u n d Streitfragen (Sachbeschädigung) G A 47 [1900] 410; Rottmüller Das neugeschaffene Delikt der dauernden Entziehung von Sachen, Diss. Erlangen 1926; Säftel Die einfache Sachbeschädigung und die Sachentziehung im gegenwärtigen u n d zukünftigen Strafrecht, Diss. Heidelberg 1971; Salewski Z u r Soziologie u n d Strafwürdigkeit der Sachbeschädigung, StrafrAbh. 360; W. Sauer Schließen sich Diebstahl und Sachbeschädigung begrifflich a u s ? Diss. Halle 1908; Sax Bemer(i)

§303

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

kungen zum Eigentum als strafrechtlichem Schutzgut, Festschr. f. Laufke (1971) S. 321; Schmoller Sachbeschädigung, VDB Bd. 6 143; Fr.-Chr. Schroeder Anm. zu zwei OLG-Entscheidungen, JR 1976 338; Uhlmann Zur einfachen Sachbeschädigung im Strafrecht, Diss. Erlangen 1893; Weber, Das Delikt der Sachbeschädigung im Landgerichtsbezirk Bonn in den Jahren 1953—1954, Diss. Bonn 1956; Wessels Zueignung, Gebrauchsanmaßung und Sachentziehung, NJW 1965 1153; Westerburg Die dauernde Entziehung von Sachen im Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich, Diss. Freiburg 1931; Widtmann Die Stellung des Verfügungsberechtigten bei der Sachbeschädigung, Diss. Erlangen 1932; Wolf Der Sachbegriff im Strafrecht, Festgabe f. d. Reichsgericht 1929 Bd. 5 44. — Niederschriften Bd. V 71, 122, 123, 127, 133, 224, 248, 252, 254, 258, 316 f; Bd. VI 94 ff, 314 ff; Bd. XII 608. 1

I. Einfache Sachbeschädigung. Die Vorschrift des § 303 schützt das Eigentum, anders als die §§ 242 ff, gegen solche Angriffe, die sich unmittelbar gegen das Dasein oder gegen den unversehrten Bestand einer Sache richten und damit das Eigentumsrecht an ihr beeinträchtigen ( R G G A 51 [1904] 49; RGSt. 4 326). Die Sachbeschädigung bewirkt meist eine Minderung des Vermögenswerts, jedoch gehört dies nicht zum Tatbestande (BayObLGSt. 5 96, 98). Ginge es bei dem Vergehen nach § 303 unmittelbar um Vermögensschädigung, so müßte es tatbestandsmäßig jede Entwertung der Sache mit oder ohne Einwirkung auf ihren Stoff erfassen, z. B. auch bloßes Drücken des Marktpreises. Es besteht Einverständnis darüber, daß Sachbeschädigungen ohne Vermögensschädigung vorkommen, ausnahmsweise sogar eine Vermögensmehrung bewirken können (RGSt. 33 177, 180).

2

II. Fremde Sache. Handlungsgegenstand der Sachbeschädigung ist eine fremde Sache. Der Begriff Sache hat die gleiche Bedeutung wie bei den Aneignungsdelikten nach den §§ 242 ff (Heimann-Trosien LK 9 Rdn. 7 ff Vor § 242), allerdings mit zwei sogleich erörterten Einschränkungen. Er umfaßt nur selbständige, verkehrsfähige, körperliche Gegenstände, die also sinnlich wahrnehmbar u n d Gegenstand selbständiger unmittelbarer Herrschaft sind (RGSt. 32 165, 173 ff, 180 ff; RG Recht 1907 Nr. 392). Die Aneignungsverbrechen (z. B. die §§ 242, 246) beziehen sich nur auf bewegliche Sachen. § 303 enthält keine solche Einschränkung. Er schützt auch unbewegliche Sachen etwa eine Hausruine (RGSt. 27 420); eine Brunnenanlage (RG Rspr. 9 171); einen Garten oder Bauplatz; einen zum Anbau bestimmten Acker ( K G J 46 C 368). Anders als z. B. beim Diebstahl gehören zu den Sachen im Sinne des § 303 keine Gegenstände, welche in jeder Beziehung wertlos sind, welche also weder einen Gebrauchswert, noch einen Tauschwert, noch einen Affektionswert haben. Die Frage ist streitig. Zum Teil wird angenommen, gänzliche Wertlosigkeit einer Sache habe nur Bedeutung für den Vorsatz (Frank Anm. I; Olshausen Anm. 1). Aber schon in RGSt. 10 120, 122 ist die Frage mit Recht verneint u n d betont, d a ß der Eigentümer an der Sache ein vernünftiges Interesse nehmen müsse (anders noch R G Rspr. 1 640). Gegen diese Meinung spricht, d a ß sie den strafrechtlichen Schutz auf Sachen ausdehnt, an deren Erhaltung niemand ein Interesse hat. Wird in solchen Fällen Strafantrag gestellt, so geschieht dies meist nicht aus Wahrung eines berechtigten Interesses, sondern zur Schikane. Daher verdient die Ansicht den Vorzug, welche gänzlich wertlose Gegenstände ausschließt. So auch z. B. Maurach BT § 25 I B 3; Sch.-Schröder[Stree]Rdn. 3; Dreher Rdn. 2. Vgl. daneben Hirschberg, Der Vermögensbegriff, S. 278. Unerheblich ist es, ob die Sache eine natürliche Einheit darstellt oder aus mehreren verbundenen Sachen zusammengesetzt ist. Auf die Art der Verbindung kommt es nicht an. Stets muß aber ein körperlicher Z u s a m m e n h a n g zwischen den Teilen bestehen. Ein solcher Zusammenhang (2)

Sachbeschädigung (Wolff)

§303

fehlt bei der Sachgesamtheit, bei welcher eine Mehrheit körperlich selbständiger Sachen eine wirtschaftliche Einheit bildet. Daher ist eine Bibliothek, eine Gemäldegalerie, ein Warenlager, eine Schafherde, ein Bienenschwarm im Gegensatz zu den einzelnen Bestandteilen als Ganzes nicht durch § 303 geschützt. Teilweise wird allerdings eine Ausnahme zugunsten funktioneller Einheiten wie eines Bienenschwarms gemacht (Rotering GerS 4 222 f ; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 6; vgl. auch R G Rspr. 3 251). § 303 verlangt als Gegenstand der Sachbeschädigung eine fremde Sache (vgl. 3 auch Heimann-Trosien L K 9 Rdn. 15 ff. vor §242). Deshalb scheiden alle Sachen aus, welche verkehrsunfähig oder herrenlos sind oder im Alleineigentum des Täters stehen. Die menschliche Leiche ist zwar eine Sache (str.; vgl. Heimann-Trosien LK 9 R d n . 14 vor § 242 und bei § 168) aber im Regelfalle keine fremde. Durch den Tod eines Menschen entstehen keine Eigentumsrechte an dem Leichnam. Dieser wird nicht durch § 303 sondern durch § 168 geschützt (RGSt. 64 313, 314; s. bei § 168 u n d Heimann-Trosien L K 9 Rdn. 19 f vor §242). Gleiches gilt für Leichenteile. Jedoch greift bei Mumien, Moorleichen und Anatomieen zur Verfügung gestellten Leichnamen § 303 ein. Auch vom lebenden menschlichen Körper getrennte Teile sind nicht herrenlose Sachen; sie fallen mit Trennung in das Eigentum dessen, von dem sie stammen (str.; vgl. Heimann-Trosien L K 9 Rdn. 13, 18 vor § 242). Bei Hei9 mann-Trosien L K Rdn. 12 ff vor § 242 und § 168 auch Näheres zu den durch Sektion und Transplantation aufgeworfenen Problemen. Eine Sache ist für den Täter auch dann fremd, wenn er an ihr Miteigentum irgendwelcher Art hat (RGSt 12 376, 377; RGRspr. 7 531). III. Die Tathandlung besteht im Beschädigen oder Zerstören einer Sache. 4 Beschädigt ist eine Sache, wenn ihre Brauchbarkeit derart vermindert worden ist, d a ß sie im Verhältnis zu ihrer bisherigen Beschaffenheit mangelhaft wird. Das kann geschehen durch Verursachen eines bisher noch nicht bestehenden Mangels oder durch Verstärkung eines schon vorhandenen. Die Sache m u ß nunmehr einen Fehler dergestalt aufweisen, d a ß ihr jetziger Zustand von dem früheren abweicht. Ein solcher Mangel kann vorübergehende Bedeutung haben (Feuchtigkeit des unter Wasser gesetzten Gebäudes, die sich nach und nach wieder verliert) oder dauernder Art sein. Auf äußere Wahrnehmbarkeit der Einwirkung kommt es nicht an. Auch die Art der Einwirkung auf die Sache ist gleichgültig, sie kann mechanischer oder chemischer Art sein (RGSt. 20 182, 183), sie kann die äußere Form oder auch die innere Beschaffenheit berühren (RGSt. 43 204: Besudeln eines Marmordenkmals mit Farbe). Bei Tieren genügt die nachteilige Einwirkung auf das Nervensystem (RGSt. 37 411, 412: Kitzligmachen eines Pferdes), das Verderben der Dressur oder d a s Bösartigmachen. Die Verursachungsformen sind unbegrenzt: Verunreinigung eines Briefkastens, so daß sein Inhalt stofflich Schaden nimmt (OLG Darmstadt G A 43 [1895] 134; Oetker J W 1922 712); Säen von wucherndem Unkraut in den roggenbestellten Acker; Einschütten von Kot in den Wasserbehälter eines Brunnens (RG Rspr. 9 171); Störung des Abflusses eines Teiches oder einer Wasserleitung (BayObLGSt. 5 96); das Einsetzen von Hechten in den Karpfenteich. Auch unechtes Unterlassen kommt in Betracht, etwa pflichtwidriges Verderbenlassen; Nichtwarten oder Nichtfüttern eines Tieres. Die Mangelhaftigkeit wird vor allem erkennbar an dem stofflichen Bestand der 5 Sache (Substanzverletzung oder -Veränderung). Sie kann aber auch die Funktionsfähigkeit und die äußere Erscheinung, die Ansehnlichkeit betreffen. Die stoffliche (3)

§303

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

Veränderung ist die augenfälligste und wichtigste Begehungsform. Lehre wie Rechtsprechung haben sie zunächst allein berücksichtigt (RGSt. 13 27, 28; 32 165, 190; 33 177, 178; 39 328, 329). Allmählich, zuerst in Sonderfällen (z. B. RGSt. 20 353; 33 177, 178), kam der Gedanke der Gebrauchsminderung hinsichtlich der der Sache gegebenen Zweckbestimmung auf. Das Gewicht verlagerte sich dorthin (RGSt. 20 182, 183 ff; 31 329, 331; 43 204, 205; 64 250). Schließlich wurde die Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit in RGSt. 74 13 (dort ist allerdings irrig von „Aufhebung" der Gebrauchsfähigkeit die Rede) für ausschlaggebend angesehen. Das ist in der Grundformel für die Sachbeschädigung zusammengefaßt (RGSt. 74 13, 14): „jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf die S a c h e . . . , durch die die stoffliche Zusammensetzung der Sache verändert oder sonst ihre Unversehrtheit derart aufgehoben wird, daß die Brauchbarkeit für ihre Zwecke vermindert wird." Das Gewicht ruht hiernach auf der Herabsetzung der Gebrauchsfähigkeit. Dies ist deshalb zu eng, weil eine nicht nur ganz geringfügige stoffliche Veränderung jedenfalls genügen muß. Diese vom Rechtsschutzbedürfnis her gewonnene Auslegung hat dazu geführt, die Minderung der Gebrauchsfähigkeit von zusammengesetzten Sachen durch Zerlegen oder die Veränderung von äußerer Erscheinung und Form für sich allein, also ohne Substanzverletzung, genügen zu lassen. Die Rechtsprechung nach 1945 (vgl. BGHSt. 13 207) ist diesen im wesentlichen vom RG vorgezeichneten Linien in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre gefolgt. Die Tendenz der Strafrechtsreform geht gleichfalls dahin, daß Unbrauchbarmachen einschließlich der Verunstaltung einzubeziehen (§ 249 E 1962). 6

Beispiele aus der Rechtsprechung für Beschädigungen: Verunreinigung eines Brunnens durch Einschütten von Kot (RG Rspr. 9 171) oder durch Einbringen von Seife (OLG Dresden DRiZ 1931 Nr. 208); Verunreinigung eines Briefkastens, so daß Briefe durchfeuchtet wurden (OLG Darmstadt GA 43 [1895] 134 und BayObLG HRR 1930 Nr. 2121); Durchstreichungen auf einer Urkunde (RGSt. 19 319); Ersetzen schwammbefallener Bretter und Balken eines Hauses, wenn es dem Eigentümer auf die Nachweismöglichkeit des Schwammbefalls ankommt (RGSt. 33 177); Hervorrufen pathologischer Veränderungen bei Tieren (RGSt. 37 411); Formveränderung einer an einer elektrischen Anlage angebrachten Plombe derart, daß an der Anlage manipuliert werden konnte (RG LZ 1914 Sp. 1393); Eingrabungen in einen in vorhistorischer Zeit von Menschenhand errichteten Erdhügel (RG GA 51 [1904] 49); Aussäen von Unkraut auf mit Roggen bestellten Acker (KGJ 46 C 368); Abhauen von in der Erde steckenden Holzpfählen (BayObLGSt. 8 4). Als Beschädigung ist das Löschen eines Tonbandes zu behandeln, weil die die Wiedergabe ermöglichende magnetische Ordnung im Band zerstört ist, auch wenn das Band als solches erneut verwendet werden kann (Kohlrausch/Lange Anm. II; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 8; Dreher Rdn. 5; Merkel NJW 1956 778; a. A. Gerstenberg NJW 1956 540; Lampe GA 1975 1, 16). Beschmutzungen sind dann als Sachbeschädigung angesehen worden, wenn sie „eine belangreiche Veränderung der äußeren Erscheinung und Form mit sich" bringen; so RGSt. 43 204 für das Bemalen einer Marmorbüste, auch wenn die Farbe sofort abgewaschen werden konnte. Weitere Beispiele: Begießen einer Litfaßsäule mit Petroleum (RGSt. 66 203); Bespritzen von Kleidung mit Urin (RG HRR 1936 Nr. 853); Zeichnungen mit Stiefelschwärze an der Zimmerdecke einer Mietwohnung (OLG Hamburg HansOLGSt. 1 109); Bemalen von Hauswänden mit politischen Propagandaparolen (OLG Hamburg JZ 1951 727); Bekleben von Brücken(4)

Sachbeschädigung (Wolff)

§303

pfeilern mit Plakaten (OLG Hamburg NJW 1975 1981; einschränkend OLG Hamburg M D R 1976 774); für Plakatkleben als Sachbeschädigung auch OLG Karlsruhe JZ 1975 642; OLG Bremen MDR 1976 773; OLG Hamm NJW 1976 2173; OLG Schleswig SchlHA 1977 177; OLG Karlsruhe MDR 1977 1037; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1977 251; OLG Celle M D R 1978 507; Bemalen einer Festungsmauer mit Farbe (LG Bamberg NJW 1953 997, 998); Besprühen eines Schildes mit Farbe (LG Berlin u. KG JZ 1976 98). Beschädigung ist nicht notwendig das Überstreichen einer Maueraufschrift mit Kleister (RG Recht 1907 Nr. 392). Fälle von Sachbeschädigung ohne Substanzverletzung sind: Blockieren der Ventilsteuerung einer Dampfmaschine durch leicht wieder herauszunehmende Holzkeil und Eisenfeile (RGSt. 20 182); Werfen eines Fahrrades in einen mit Wasser gefüllten Graben (OLG Celle ZStW 45 [1925] 479); Werfen eines Gewehrs in Sand, so daß es anschließend gereinigt werden mußte (KG GA 39 [1891] 75); Versetzen von Wäsche mit Wanzen und Wanzenbrut (OLG Hamburg HansOLGSt. 1 110). Bei zusammengesetzten Sachen wurden als Beschädigung anerkannt: Wegnahme einer lose aufgelegten Bohle von einer Brücke (RGSt. 20 353); vgl. aber auch RGSt. 13 27: bei entsprechend ordnungsgemäßer Bedienung herausgezogenen Brettern aus einem Stauwerk wurde Beschädigung verneint (ebenso OLG München OLGESt. 6 48, zit. nach GA 39 [1891] 75); Herunterholen einer Fahne vom Mast (RGSt. 64 250; 65 354); Entfernen eines leicht zu ersetzenden Handrades von einer Turbine (RG JW 1922 712), nicht jedoch die Entfernung der Leitungsstange eines Straßenbahnmotorwagens (RGSt. 39 223); Ablassen von Luft aus einem Auto- oder Fahrradreifen (BGHSt. 13 207; a. A. OLG Düsseldorf NJW 1957 1246; vgl. dazu KlugiZ 1960 226); nicht dagegen Abziehen und Danebenlegen von Radzierkappen eines Personenkraftwagens (OLG Hamm VRS 28 [1965] 437); Lösen von Wagenrädern unter Fortwerfen der haltenden Stifte (BayObLGSt. 1 195); Entfernen und Fortwerfen einer Wagenspannkette (OLG Darmstadt GA 39 [1891] 75); Entfernen von Bolzen und Laschen eines Bahngleises (RGSt. 55 169); Abmontieren eines Spülbeckens (OLG Hamm GA 1966 187); Herausziehen eines mit anderen zusammenhängenden Marktstandes (BayObLGSt. 6 136); Herausnahme von als Wasserstandsanzeige dienenden Steinen (RGSt. 31 143 u. 329); Herausziehen einer im Boden eingelassenen Reklametafel (BayObLG JW 1926 2764); Abreißen eines angenagelten Wegweiserarms (OLG Dresden Annalen 12 317). Bei allen Formen der Beschädigung kommt es auf eine gewisse Erheblichkeit der 7 Beeinträchtigung an. Nicht jede unbedeutende oder vorübergehende Beeinträchtigung der stofflichen Unversehrtheit, der Funktionsfähigkeit oder äußeren Erscheinung reicht aus; sie muß „nicht unerheblich" sein (RGSt. 43 204, 205). Dies ist Tatfrage. Eine Beeinträchtigung ist in der Regel gegeben, wenn der frühere Zustand nicht wieder hergestellt werden kann (RGSt. 13 27, 29) oder wenn die Wiederherstellung einen nicht geringfügigen Aufwand von Zeit, Arbeit oder Kosten erfordert (BGHSt. 13 207, 208; BayObLG HRR 1930 Nr. 2121; OLG Bremen MDR 1976 775; OLG Hamburg NJW 1975 1981; OLG Hamm VRS 28 [1965] 437). Die Grenze zwischen erheblicher und unerheblicher Mängelverursachung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGHSt. 13 207, 208; OLG Karlsruhe JZ 1975 642, 643). Bei der recht weitgehenden Auslegung des Begriffs Beschädigung und in Anbetracht der nicht unerheblichen Strafdrohung für Sachbeschädigung sei in diesem Zusammenhang an den Satz minima non curat praetor erinnert. Die Ausbesserung einer Sache beseitigt Mängel und ist deshalb in aller Regel das 8 Gegenteil einer Beschädigung (RGSt. 33 177, 179; Frank Anm. II 1; Maurach BT (5)

§303

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

§ 25 II A 2; vgl. aber auch R G LZ 1914 Sp. 1394). Sie setzt voraus, daß sie sachgem ä ß durchgeführt wird (nicht: die störende Beseitigung eines Druckfehlers in einem Kunstdruck, die nicht bloß der Erhaltung dienende Reparatur an einem Sammlungsstück, die dessen Ursprungswert mindert) und daß sie dem Verfügungswillen des Eigentümers entspricht (nicht also, wenn dieser an der unveränderten Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes, z. B. zu Beweiszwecken, ein rechtlich anzuerkennendes Interesse hat — RGSt. 33 177). Wiederherstellung einer zuvor beschädigten Sache vermag die Sachbeschädigung als Delikt allerdings nicht mehr zu beseitigen (RGSt. 43 204, 205). 9

Die bloße Sachentziehung ist, weil vom Normzweck nicht mehr gedeckt, keine Sachbeschädigung. Also nicht: das Ableiten von Wasser (RGSt. 39 328; vgl. auch RGSt. 13 27, 28); das Fortwerfen fremder Sachen; Fliegenlassen eines einheimischen Vogels (RGSt. 20 182, 185); Laufenlassen von eingefangenem Wild. Die Frage ist bereits für das geltende Recht streitig (a. M. z. B. Kohler GA 54 [1907] 1,11 u n d die Vorauflage mit weiteren Nachweisen; wie hier Sch.-Schröder[Stree]Rdn. 8, 10; Dreher Rdn. 9). Das Anliegen der Strafrechtsreformen war es, auch die Sachentziehung zu erfassen (vgl. zuletzt § 251 E StGB 1962). — Führt die Entziehungshandlung aber dazu, daß die Sache über kurz oder lang mangelhaft oder zerstört wird, ist Sachbeschädigung zu bejahen: Werfen von Küchengeräten in einen Fluß, wenn es dort verrostet oder durch die Strömung verbeult oder zerbrochen wird ( R G GA 51 [1904] 182); Versenken eines Fahrrades (OLG Celle ZStW 45 [1925] 479) oder eines Fahnentuchs (RGSt. 64 250) in Wasser; Zurücklassen der Anstaltskleidung im Walddickicht durch den entwichenen Sträfling; Auslaufen- oder Entweichenlassen von Flüssigkeiten oder Gasen. — Der bestimmungsmäßige Verbrauch von Sachen ist schließlich ebensowenig als Beschädigung anzusehen.

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IV. Die zweite mögliche tatbestandsmäßige Handlung ist das Zerstören einer fremden Sache. Die Zerstörung unterscheidet sich von der Beschädigung nur graduell; sie liegt vor, wenn die Sache für ihren bestimmungsgemäßen Zweck völlig u n b r a u c h b a r geworden ist (RGSt. 8 33; 39 223, 224). Zerstört ist eine Sache, die vollständig verändert oder vernichtet ist: Einschmelzen, Auftauen, Töten eines Tieres, Verbrennen ( R G GA 57 [1910] 201), Zertrümmern, Ausströmenlassen, Auslaufenlassen. Das Zerstören kann auch im Verlust der Verwendungsfähigkeit wenigtens für einige Dauer bestehen: bestimmungswidrige Zerstückelung, Magnetisierung eines dadurch unbrauchbar werdenden Apparats, Zerlegen eines Drucksatzes. Die Herstellung einer neuen Sache durch Verarbeitung ist Zerstörung der dazu benutzten Grundstoffe (Rotering G S 47 211, 221). Der Begriff teilweises Zerstören hat im Rahmen des § 303 keine Bedeutung (vgl. aber § 305 Rdn. 2). Bei teilweiser Zerstörung liegt Beschädigung vor (OGHSt. 2 94, 97).

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V. Die Rechtswidrigkeit ist kein Tatbestandsmerkmal sondern allgemeines Verbrechensmerkmal (BayObLGSt. 1952 259, 263). Sie folgt meist schon aus der Fremdheit der Sache, also aus der Verletzung fremden Eigentums. So kann der Aussteller einer Urkunde, die jetzt einem anderen gehört, durch Verändern Sachbeschädigung begehen, soweit nicht Urkundenfälschung oder -Unterdrückung vorliegt. Der Täter kann jedoch aus privat- oder öffentlichrechtlichen Gründen zur Beschädigung oder Zerstörung der fremden Sache befugt sein. Öffentlichrechtliche Befugnisse hat etwa die Polizei, der Gerichtsvollzieher (gewaltsames Ö f f n e n von Räumen oder Behältnissen) oder die Feuerwehr. Hierher gehört auch der Jagd(6)

Sachbeschädigung (Wolff)

§303

schütz als sonderpolizeiliche Regelung (Drews/Wacke, Polizeirecht S. 68), soweit er die Tötung wildernder Hunde und Katzen umfaßt. Er ist in den §§ 23, 25 BJagdG in Verbindung mit den Landesjagdgesetzen geregelt (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit BVerfGE. 18 305). Vgl. dazu näher Mitzschke/Schäfer, BJagdG § 25 Anm. 8, 10, 15 und Lorz in Erbs/Kohlhaas Bd. II § 23 BJagdG (J 12) Anm. 7 u. 8. Beispiele aus der Rechtsprechung: RGSt. 24 225; BayObLGSt. 11 181; 1952 259; 1967 26; OLG Celle NdsRpfl. 1968 205; OLG Hamm MDR 1960 865; OLG Köln N J W 1954 1617. Zu betonen ist, daß das Jagdschutzrecht als Polizeirecht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegt, Mißbräuche also nicht nur über § 17 TierSchG geahndet werden können. Das Recht, Haustauben während der Sperrzeiten zum Schutze von Feldern und Gärten zu erlegen, zu fangen oder sich anzueignen, ist landesrechtlich geregelt (vgl. Art. 130 EGBGB und die z. B. bei Palandt (Degenhart) EGBGB Art. 130 Anm. 2 gegebenen Nachweise). Das BrieftaubenG v. 1. Okt. 1938 — RGBl. I 1335 —, das Brieftauben ausnahm, ist teilweise aufgehoben oder geändert worden (vgl. z. B. Bad.-Württ. G. v. 3. Febr. 1970 — GBl. 22 —, Bremen VO v. 23. Sept. 1970 - GBl. 124 - ; § 3 d. Hess. G. v. 5. Okt. 1956 GVB1. 145 - i. d. E. d. G. v. 16. März 1970 - GVB1.1 243 - ; § 23 d. nds. Feldund ForstordnungsG i. d. F. v. 5. März 1975 - GVB1. 83 - ; § 35 N R W Feld- und ForstschutzG v. 24. März 1970 - GVB1. 302 - ) . An allgemeinen Rechtfertigungsgründen kommen vor allem in Betracht: Notstand nach §§ 228, 904 BGB (RGSt. 34 295; RG Recht 1913 Nr. 1535; BayObLGSt. 8 59), Selbsthilferechte aus §§ 229 und 859 BGB (BayObLGSt. 8 4), außerdem Einwilligung, wobei es auf die Sittenwidrigkeit der Tat nicht ankommt (RGSt. 27 420; Dreher Rdn. 11; a. M. die Vorauflage).

VI. Der innere Tatbestand erfordert Vorsatz (vgl. § 15). Zum Vorsatz gehört das 12 Wissen, daß die Einwirkung auf die Sache diese schädigt oder zerstört und daß die Sache fremd ist (RGSt. 15 12, 13; 33 177, 179; BayObLGSt. 6 136; 8 59), daneben der Wille, die fremde Sache zu beschädigen oder zu zerstören. Beschädigungsoder Zerstörungsabsicht ist jedoch nicht erforderlich (RGSt. 15 12, 13; RG LZ 1914 Sp. 1393, 1394; RG HRR 1936 Nr. 853). Bedingter Vorsatz genügt (RGSt. 19 209, 211; KGJ 29 C 83). Hält der Täter die beschädigte Sache irrig für völlig wertlos, so handelt er im Tatbestandsirrtum. Der Irrtum des zerstörenden Täters, er werde nur beschädigen, hat allenfalls bei der Strafzumessung Bedeutung. Bezüglich der Irrtumsfragen bei Rechtfertigungsgründen gelten die allgemeinen Grundsätze. — Fahrlässige Sachbeschädigung ist nicht mit Strafe bedroht. Das gilt nach Art. 4 Absätze 2 und 5 EGStGB 1974 auch für das Landesrecht, da die Sachbeschädigung im StGB abschließend geregelt ist.

VII. Versuch, Vollendung, Täterschaft. Der Versuch ist nach Absatz 2 strafbar. Er 13 beginnt mit dem Anfang der tatbestandsmäßigen Handlung. Die Vollendung tritt ein mit der Mangelhaftigkeit der Sache. Für die Täterschaft wirken die allgemeinen Grundsätze dahin, daß mittelbarer Täter (vgl §25 Abs. 1 2. Altern.) ist, wer den Eigentümer z. B. durch Täuschung dazu bestimmt, seine eigene Sache zu beschädigen oder zu zerstören (er macht ihm vor, sein Tier sei unheilbar krank und müsse zur Verhütung weiterer Schäden sofort geschlachtet werden, vgl. Olshausen Anm. 2). (7)

§303

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

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VIII. Strafantrag. Die Sachbeschädigung ist Antragsdelikt. Verletzter und damit Antragsberechtigter (§ 77 Abs. 1) ist, wer ein dingliches oder persönliches unmittelbares Recht an der Sache hat und wessen Recht durch die Tat verletzt wird (RGSt. 1 306; 4 326; 63 76; 71 137; RG JW 1935 204; BayObLG NJW 1963 1464; Kohlrausch/Lange Anm. VI; Dreher Rdn. 13; Maurach BT § 25 A 5; a. M. Olshausen Anm. 13 a; Sch.-Schröder[Stree]Rdn. 15; Rommel StrafrAbh. 184 84, 88; nach diesen nur der Eigentümer). Persönlich berechtigt ist z. B. der Entleiher, nicht jedoch derjenige, der es übernimmt, für eine Sache zu sorgen, und Anspruch auf Erstattung der dabei aufgewendeten Kosten hat (RGSt. 4 326; RG HRR 1925 Nr. 1595); der Mieter einer Sache (RGSt. 1 306; RG Rspr. 6 766; RG JW 1935 204); der Untermieter (RG JW 1935 204); der Inhaber einer Werkswohnung (RGSt. 71 137); der Käufer einer Sache, auf den die Verlustgefahr übergegangen ist (BayObLG NJW 1963 1464). Bei Beschädigung einer aufgrund Werkvertrags in ein Grundstück eingefügten Sache ist vor Abnahme des Werks durch den Besteller auch der Hersteller verletzt und deshalb antragsbefugt (RGSt. 63 76). Bei Beschädigung von verkauften Gütern auf dem Versandwege ist der die Versendungsgefahr tragende Käufer antragsberechtigt (RGSt. 63 76, 78). Allerdings muß die Sachbeschädigung den Antragsteller unmittelbar treffen. Daher ist die Versicherungsgesellschaft, bei der die Sache gegen Beschädigung versichert war und die den Schaden decken muß, nicht antragsberechtigt (RG GA 50 [1903] 287). — Das Antragsrecht geht weder bei Ersatz des Schadens durch einen Dritten (RGSt. 71 137) oder den Täter noch dadurch verloren, daß der Antragsberechtigte nach der Verletzung aufhört, Inhaber des verletzten Rechts zu sein (RGSt. 71 137). Wird Staatseigentum beschädigt oder zerstört, so ist die zur Verwaltung berufene Stelle oder Person antragsberechtigt (RGSt. 51 83; 65 354, 357; RG GA 57 [1910] 201). Wird Eigentum oder ein unmittelbares Recht an der Sache einer juristischen Person verletzt, so ist der gesetzliche Vertreter antragsberechtigt. Beim Zusammentreffen mehrerer Antragsberechtigungen hat jeder Antragsbefugte eine selbständige Berechtigung (RG H R R 1925 Nr. 1595; KG DJZ 1925 Sp. 1811). Die Möglichkeit, den Antrag zurückzunehmen, richtet sich nach § 77 d.

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IX. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich mit: § 113; § 120; § 123 (BGH, Urt. v. 28. Jan. 1958 - 1 StR 644/57 - ) ; § 124; § 125 Abs. 1 1. Altern. (RG H R R 1937 Nr. 1557, insoweit in RGSt. 71 137 nicht mit abgedruckt; a. A. BGH, Urt. v. 7. Mai 1968 — 5 StR 699/67 — Gesetzeseinheit); mit § 133, da dort keine fremde Sache erforderlich ist (Widersprüchlich Dreher: vgl. § 133 Rdn. 17 einerseits, § 303 Rdn. 14 andererseits); § 145 Abs. 1; § 177 (BGH, Urt. v. 5. April 1963 - 4 StR 76/63 - ) ; § 185 (RG HRR 1936 Nr. 853); § 223 a (RG GA 60 [1913] 66); mit § 304 (str.; a. A. Dreher § 304 Rdn. 15); § 306 (RGSt. 57 294, 296); § 308, wenn die mitverbrannte Sache nicht Bestandteil des in Brand gesetzten Gegenstandes ist (RG JW 1935 2372), sonst tritt § 303 zurück (BGH LM StGB § 308 Nr. 1, insoweit in BGHSt. 6 107 nicht mit abgedruckt); mit § 309 (RGSt. 54 1); § 310 b; §311; §313; §315; § 315 b (a. A. OLG Braunschweig MDR 1967 419); §317 Abs. 3 (str.); § 17 TierschutzG. — Gesetzeseinheit: Folgende Bestimmungen verdrängen den § 303: § 90 a; § 104; § 109 e; § 121 (RG GA 56 [1903] 86; RG Recht 1921 2483; a. M. OLG Celle MDR 1964 693; alle zu § 122 Abs. 2 a. F.); § 125 a Nr. 4; § 133; § 134; § 202, soweit das Beschädigen nicht über das Öffnen hinausgeht; §§ 242, 243 Nr. 1 trotz der Umwandlung in Regelbeispiele (für den alten Rechtszustand: RGSt. 40 430; 53 279; RG Rspr. 3 251; BGHSt. 22 127); § 274 Abs. 1 Nr. 1 (RG GA 57 [1910] 399); § 305; § 321 (RG Rspr. 4 692); die landesrechtlichen Vorschriften zum Schutze von (8)

Gemeinschädliche Sachbeschädigung (Wolff)

§304

Feld und Forst (Art. 4 Abs. 5 EG StGB 1974; vgl. zum alten Rechtzustand RGSt. 48 212; RG Rspr. 3 249, 250). — § 303 ist allerdings dann wieder anwendbar, wenn die Strafbarkeit aus einer die Sachbeschädigung an sich verdrängenden Strafvorschrift entfällt (RGSt. 15 12, 14; RG Rspr. 4 692). — Tatmehrheit zwischen Sachbeschädigung und Diebstahl ist anzunehmen, wenn die Beschädigung nur zur Vorbereitung des Diebstahls dient (RG Rspr. 3 251). Beschädigt oder zerstört der Dieb eine von ihm bereit gestohlene Sache, so greift ausschließlich § 242 ein. Die Zuneigung geht jeder weiteren Verfügung über die Sache vor (RG Rspr. 10 488). Bei zusammengesetzten Sachen kann der Diebstahl eines Teiles und die Beschädigung eines anderen Teiles in Tateinheit zusammentreffen (Äomme/StrafrAbh. 184 105 f; Aneignung der Edelsteine, die aus einem Schmuck unter Verletzung der Fassung herausgebrochen werden). Wer maschinell den Humus eines fremden Baugrundstücks abschiebt und für eigene Zwecke verwendet, begeht Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

§304 Gemeinschädliche Sachbeschädigung (1) Wer rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft oder Sachen, die dem Gottesdienste gewidmet sind, oder Grabmäler, öffentliche Denkmäler, Gegenstände der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes, welche in öffentlichen Sammlungen aufbewahrt werden oder öffentlich aufgestellt sind, oder Gegenstände, welche zum öffentlichen Nutzen oder zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen, beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Die derzeitige Fassung der Vorschrift geht auf Art. 19 Nr. 162 und 207 EGStGB 1974 zurück. Eine sachliche Änderung ist mit der Neufassung nicht verbunden.

I. Die gemeinschädliche Sachbeschädigung ist in § 304 wegen des Angriffs auf 1 bestimmte, unter besonderem Schutz stehende öffentliche Güter mit erhöhter Strafe bedroht. Sie ist kein erschwerter Fall des § 303, sondern ein eigenständiges Vergehen (Kohlrausch/Lange Anm. I; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 1; Dreher Rdn. 1; Maurach BT § 25 I A 2). Der § 304 ist teils weiter, teils enger als der Tatbestand der einfachen Sachbeschädigung. Weiter insofern, als das Merkmal der fremden Sache nicht erforderlich ist (RGSt. 43 240, 242; RG Rspr. 10 595, 596; BayObLGSt. 20 146, 147, 150). Daher kann auch bestraft werden, wer seine eigene oder eine herrenlose Sache beschädigt oder zerstört (BayObLGSt. 20 146, 150). Enger ist § 304 insoweit, als er nur bestimmte, genau bezeichnete Gruppen von Sachen schützt. Maßgebend ist bei § 304 nicht das Eigentumsinteresse, sondern das Gemeininteresse an der allgemeinen Nutzung bestimmter Sachen. Die „Vernichtung oder Brauchbarkeitsminderung von Kulturgütern" soll verhindert werden (E. WolfZAkDR 1938 100, 101; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 1). Die Aufzählung der nach § 304 geschützten Gegenstände ist erschöpfend. Ihr 2 gemeinsames Merkmal ist die Zweckbestimmung, den öffentlichen Interessen oder (9)

§304

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

solchen Belangen zu dienen, welche vom Gesetzgeber den öffentlichen Interessen gleichgestellt sind. Diese Widmung muß zur Zeit der Tat bestehen. Ob die Sache ursprünglich anderen Zwecken gewidmet war, ist unerheblich (RGSt. 9 26, 28; 34 1, 2; 43 240, 244). Die öffentliche Zweckbestimmung kann durch schlüssige Handlung geschehen (RG JW 1927 126), insbesondere stillschweigende Billigung und Aufrechterhaltung eines bestehenden Zustands (Olshausen Anm. 2). Ein tatsächlicher Zustand allein genügt jedoch nicht (RGSt. 58 346, 347), er muß mit dem Willen des Verfügungs- oder Widmungsberechtigten übereinstimmen. In diesem Sinne sind die Entscheidungen RGSt. 5 318, 319 und RG Rspr. 1 134, 135 durch RGSt. 9 26, 28 richtiggestellt worden. Vgl. auch RGSt. 43 240. 3

II. Die tatbestandsmäßige Handlung, Beschädigen oder Zerstören ist die gleiche wie bei § 303. Die dort unter Rdn. 4 ff gegebenen Erläuterungen gelten daher auch für § 304. Zur Beschädigung oder Zerstörung im Sinne des § 304 gehört jedoch außerdem, daß die besondere Zweckbestimmung der Sache, um derentwillen der § 304 sie schützt, beeinträchtigt wird (RGSt. 9 219, 220; 43 31, 32; 66 203, 205; OLG Rostock H R R 1929 Nr. 2057; allg. Meinung). Fehlt es daran, so greift unter seinen Voraussetzungen der § 303 ein, andernfalls ist die Tat straflos, sofern nicht Versuch vorliegt (vgl. RGSt. 65 133,134). Beispiele für § 303 in derartigen Fällen: Anbringen von Inschriften an einer Ruhebank (OLG München OLGESt. 5 352); Abpflücken von einzelnen Blumen (RGSt. 9 219); Bemalen der Wand einer Eisenbahnüberführung (RG H R R 1933 Nr. 350).

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III. Gegenstände der Verehrung einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft. Näheres darüber Heimann-Trosien LK 9 § 243 Rdn. 33. Der Ort, an welchem sich die Gegenstände der Verehrung befinden, muß mindestens zeitweise den Mitgliedern der Religionsgesellschaft zugänglich sein. Das Merkmal der Zugänglichkeit fehlt bei dem Kruzifix in einer Privatwohnung (BayObLGSt. 7 284). Es ist vorhanden bei einem Kruzifix, einem Heiligenbild oder einer Reliquie, die in einer katholischen Kirche oder Kapelle aufgestellt sind. Kirchtürme und Kirchengebäude gehören nicht zu den Gegenständen der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft (RG Recht 1921 Nr. 2484). Der Ausdruck im Staat bestehende Religionsgesellschaft hat in § 304 dieselbe Bedeutung wie in §§ 166, 167. Vgl. Heimann-Trosien LK 9 § 166 Rdn. 18, § 167 Rdn. 3, 6.

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IV. Eine Sache ist dem Gottesdienst gewidmet, wenn sie die dauernde Bestimmung hat, bei Versammlungen einer Religionsgesellschaft in einer dem Zweck, den Vorschriften oder Gebräuchen dieser Gesellschaft entsprechenden Weise benutzt zu werden, wenn sie unmittelbar dazu dient, daß an oder mit ihr gottesdienstliche Handlungen vorgenommen werden (BGHSt. 21 64). Maßgebend sind also die Anschauungen der betreffenden Glaubensgemeinschaft. Darunter fallen: Altäre, Monstranzen, Kruzifixe und Kelche samt Schmuck und Zubehör, sowie Leuchter, Kanontafeln, Heiligengemälde, Skulpturen (BGHSt. 21 64); Altarkerzen (RGSt. 53 144); Abendmahlsgerät; Meßgewänder; die ewige Lampe (RG GA 67 [1919] 444); dagegen nicht der Opferstock (BGH LM StGB § 243 I Nr. 1 Nr. 1) und der Klingelbeutel (vgl. Arnold SeuffBl. 3 313); auch nicht Sitzbänke und Stühle; Blumenvasen zum Schmuck des Altars (RG GA 57 [1910] 226); Gebet- und Gesangsbücher wohl wenigstens dann, wenn sie dauernd in der Kirche aufbewahrt werden (a. M. Olshausen § 243 Anm. 3). Der Ausdruck Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind, reicht in § 304 weiter als in § 243 Nr. 4, er umfaßt auch Kirchen und Kapellen — (10)

Gemeinschädliche Sachbeschädigung (Wolff)

§304

also unbewegliche Gegenstände — (RG Recht 1921 Nr. 2484) einschließlich der Sakristei (vgl. RGSt. 45 243; RG H R R 1935 Nr. 396; BGHSt. 9 140); der Fensterscheiben einer Kapelle (RG GA 57 [1910] 226). Vgl. im übrigen Heimatm-Trosien L K 9 § 243 Rdn. 33. V. Grabmäler sind Erinnerungszeichen, die zum Gedächtnis Verstorbener auf 6 oder an ihren Gräbern angebracht werden; nach BGHSt. 20 286: alle diejenigen dauerhaften Teile des Grabes, die — auch ohne Beschriftung — nach Art, Gestaltung und Ausführung in enger Verbindung mit sonstigen Anhaltspunkten auf den Toten hinweisen und damit nach der Lebensauffassung selbst den Charakter eines Erinnerungszeichens tragen (hier: eine auf einem Steinsockel montierte bronzene Kreuzigungsgruppe, die zu einem gut gepflegten Grab gehörte); also nicht lediglich die üblichen Grabsteine; vgl. auch RG GA 53 [1906] 441. In RGSt. 42 116 ist der Schutz auf Erinnerungszeichen beschränkt, welche dauernd diesem Zweck dienen. Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Auch für den Schutz vorläufiger Erinnerungszeichen kann ein Bedürfnis bestehen, z. B. in Kriegszeiten bei Soldatengräbern. Der strafrechtliche Schutz des Grabmals erlischt nicht mit dem Untergang des privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Anspruchs auf Benutzung der Grabstätte. Er dauert über diesen Zeitpunkt hinaus fort, so lange ein tatsächliches Pietätsinteresse an dem Weiterbestehen des Grabes erkennbar wird (RGSt. 42 116), z. B. durch Pflege und Ausschmückung. — Abpflücken von Blumenschmuck ist nicht ohne weiteres Beschädigung eines Grabmals (RGSt. 7 190; 9 219, 220). VI. Denkmäler sind Erinnerungszeichen, welche das Andenken an Personen, 7 Ereignisse oder Zustände dauernd erhalten sollen. Darunter fallen nicht nur zu diesem Zweck aufgestellte oder errichtete Standbilder, Säulen und Bauwerke (z. B. „Ruhmeshallen"), sondern auch Gegenstände, die „als kennzeichnende Reste eines früheren Kulturabschnitts von geschichtlicher, wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedeutung sind" (RGSt. 43 240, 241; ablehnend Frank Anm. II 4). Ohne Belang ist, ob sie unversehrt oder nur in Bruchstücken erhalten sind. Als Beispiele seien genannt: Kirchen oder Kirchtürme (RGSt. 43 240); Kapellen; Türme; Burgen; Festungswerke (LG Bamberg NJW 1953 997); Tore; Häuser. Ein Hünengrab kann ebenfalls die Eigenschaft eines kulturhistorischen Denkmals erlangen (OLG Celle NJW 1974 1291; vgl. RG GA 51 [1904] 49). - öffentlich sind Denkmäler, die für öffentliche Zwecke bestimmt oder, wie es in RGSt. 43 240, 243 heißt, die der Öffentlichkeit gewidmet sind. Geschützt werden sollen nur Gegenstände, die den öffentlichen Schutz auch dem Eigentümer gegenüber, dessen Recht eingeschränkt wird, erfordern. Ein ausdrücklicher Widmungsakt ist entbehrlich. Daneben müssen Denkmäler, um öffentlich zu sein, sich an einem öffentlichen Ort befinden, also allgemein zugänglich sein. Zu eng ist es jedoch, allein auf öffentliche Wege, Straßen und Plätze abzustellen (so Frank Anm. II 4). VII. Im Sinne des § 304 ist ein Gegenstand der Kunst, der Wissenschaft oder des 8 Gewerbes nur dann öffentlich aufgestellt, wenn die Aufstellung an öffentlichen Orten auch einem öffentlichen Interesse dienen soll. Daher Hegt dieses Tatbestandsmerkmal nicht vor, wenn ein Händler zu Geschäftszwecken gewerbliche Erzeugnisse in seinem Schaufenster oder Verkaufsstand ausstellt. — Eine Sammlung ist öffentlich, wenn sie der Allgemeinheit offensteht, auch wenn der Zutritt für den Einzelnen von einer Erlaubnis oder sonstigen Bedingungen abhängig gemacht ist (BGHSt. 10 285). Ist der Benutzerkreis beschränkt (wie z. B. bei einer Außenstehen(ii)

§304

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

den nicht zugänglichen Behörden- oder Gerichtsbibliothek), so ist § 304 unanwendbar. Die Eigentumslage ist unerheblich (vgl. RGSt. 66 203); die Sammlung muß also nicht im Eigentum der öffentlichen Hand stehen. Staats- und Universitätsbibliotheken sind öffentliche Sammlungen (BGHSt. 10 285). — Was Gegenstand der Kunst, der Wissenschaft oder des Gewerbes ist, läßt sich allgemein kaum sagen und mag im Einzelfall zweifelhaft sein. Doch wird sich in derartigen Fällen vom Zweck der Bestimmung her, kulturelle Werte zu schützen, eine Abgrenzung finden lassen. — Siehe im übrigen Heimann-Trosien LK 9 § 243 Rdn. 34 ff. 9

VIII. Zum öffentlichen Nutzen dienen Gegenstände, wenn sie durch ihren Gebrauch oder in anderer Weise der Allgemeinheit unmittelbar nützen und dafür auch bestimmt sind (RGSt. 58 346; 66 203, 204; Frank Anm. II 6 c; Olshausen Anm. 2 f ; Kohlrausch/Lange Anm. I 5; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 5; Dreher Rdn. 11 ; Maurach BT § 25 II C 2 c). Das Reichsgericht hat gelegentlich unter Widerspruch des Schrifttums auch Gegenstände einbezogen, die in „irgendeiner Beziehung" zum Nutzen des Publikums stehen (RGSt. 5 318; 9 26; 31 143; 34 1, 2; RG LZ 1916 Sp. 696). Das geht zu weit, denn im Grunde nützen die meisten Dinge in irgendeiner Weise mittelbar auch der Allgemeinheit. Deshalb genügt auch nicht „eine nicht zu entfernte Beziehung zum Nutzen des Publikums". Der Maßstab liegt vielmehr darin, ob jedermann, wenn auch erst nach Erfüllung bestimmter allgemeingültiger Bedingungen, ohne Vermittlung dritter, zu beliebiger Auswahl der Teilnehmer befugter Personen aus dem Gegenstand oder aus dessen Erzeugnissen oder Wirkungen Nutzen ziehen kann (RGSt. 58 346, 348; 66 203, 204; BGHSt. 10 285, 286). Dagegen ist es hier nicht wesentlich, daß der Gegenstand dem Publikum unmittelbar zugänglich ist (a. M. noch RG GA 60 [1913] 443). — Zu den Sachen, die der Allgemeinheit unmittelbar Nutzen bringen sollen, gehören: öffentliche Wege (RGSt. 8 399, 401; 28 117; BayObLGSt. 24 13; OLG Hamm JMB1NRW 1972 71); das Steinpflaster auf solchen Wegen (RG GA 60 [1913] 69); Brücken (BayKassH GA 24 [1876] 644); Schutzgeländer an Wegen und Brücken (RG Recht 1914 Nr. 1201); Wegweiser (OLG Dresden Annalen Bd. 12 317); öffentliche Garten- und Parkanlagen (RGSt. 5 318; 9 26); Friedhöfe (RGSt. 7 190; 43 31, 32); Bäume (RG Rspr. 1 134; 10 595; BayObLGSt. 20 146); Ruhebänke in öffentlichen Anlagen (OLG München OLGESt. 5 352); allgemein nutzbarer Brunnen mit speisender Quelle und der verbindenden Rohrleitung (RGSt. 39 328, 330; 58 346); Teile einer öffentlichen Telegraphen- oder Fernsprechanlage (RGSt. 34 251); eine öffentliche Fernsprechzelle (BGH, Urt. v. 6. Dez. 1960 — 1 StR 520/60 — ); die Masten einer elektrischen Leitung (RG JW 1927 126); ein öffentliches Schulhaus (RMG 16 156; BGH, Entsch. v. 3. Okt. 1967 - 1 StR 379/67 - ) ; das mit dem Schulgebäude baulich zusammenhängende Direktionsgebäude, auch wenn das Schulgebäude noch im Bau ist (OLG Celle HRR 1930 Nr. 1889); ein Gemeindespritzenhaus (RG GA 52 [1905] 399); Kirchtürme mit Glocken oder Uhren (RG Recht 1921 2484); Litfaßsäulen (RGSt. 66 203); Eisenbahnüberführungen (RG HRR 1933 Nr. 350); Böschungskronen von zum Bahngelände gehörenden Abzugsgräben (OLG Rostock GA 40 [1892] 347); Wagen einer öffentlichen Eisenbahn oder Straßenbahn (RGSt. 34 1; BGH M D R 1952 532); Feuermelder (RGSt. 65 133, 134; RG LZ 1915 Sp. 1112; OLG Dresden LZ 1915 Sp. 1546); Postbriefkästen (OLG Darmstadt GA 43 [1895] 134; BayObLG JW 1931 1620) Verkehrszeichen (BGH VRS 19 [1960] 130); Parkuhren (AG Nienburg NdsRpfl. 1961 232); Wahlurnen für öffentliche Wahlen (RGSt. 55 60, 61); nicht dagegen die Wahlurne bei einer Betriebsratswahl (RG G A 69 [1924] 98); trigonometrische Marksteine (RGSt. 39 206; a. A. Sch.-Schröder [Stree] (12)

Gemeinschädliche Sachbeschädigung (Wolff)

§304

Rdn. 5); ein aus längs dem Flußufer in den Boden eingelassenen Steinen bestehender Wasserstandsanzeiger (RGSt. 31 143 u. 329; differenzierend Sch.-Schröder [Stree7 Rdn. 5); Maschinen eines öffentlichen Versorgungsbetriebs (RG JW 1922 712, 713). Ob ein Schild mit dem Hinweis: „Sie betreten die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" dem öffentlichen Nutzen dient (so LG Berlin und KG JZ 1976 98 m. abl. Anm. v. Fr.-Chr. Schroeder), erscheint fraglich. — Sachen, die nur mittelbar dem öffentlichen Nutzen dienen, scheiden aus. Beispiele: Bienenvölker (a. A. RGSt. 72 1: Die Vernichtung von Bienenvölkern beeinträchtige fühlbar die Grundlagen der Ernährungswirtschaft); der „Deutsche Acker" (a. M. AG Burgau DJ 1937 123); Kühe (a. A. OLG Dresden DJ 1939 1004); Industrieanlagen (RGSt. 58 346, 348); Gegenstände, die nur innerbehördlichen Zwecken dienen (RGSt. 31 143, 145) — wie der Schreibtisch im Dienstzimmer eines Gemeindebeamten (RG GA 60 [1913] 443) oder ein Polizeifunkgerät (BGH, Beschl. v. 8. Aug. 1967 - 1 StR 347/67 - ) - oder allein militärischen Zwecken (RGSt. 5 318; 9 26); Wege, die nur einzelnen Grundeigentümern dienen (RGSt. 8 399, 401); ein Gemeindearmenhaus (BayObLGSt. 11 75); eine Gefängniszelle oder sonstiges Gefängnisinventar (RG LZ 1916 Sp. 696) wie z. B. die Betten (RG HRR 1926 Nr. 2309); die Räume einer Bahnhofsgaststätte (AG Euskirchen MDR 1977 335). Der § 304 setzt andererseits nicht voraus, daß der Gegenstand ausschließlich dem 10 öffentlichen Nutzen dient. Er kann gleichzeitig noch anderen Zwecken gewidmet sein (RGSt. 5 318, 319; 29 246; 34 1, 3; 66 203, 204). Ebensowenig schadet der vorübergehende Ausschluß der bestimmungsgemäßen Verwendung, solange die Zweckbestimmung erhalten bleibt, z. B. bei Reparatur (OLG Celle H R R 1930 Nr. 1889; OLG Hamm JMB1NRW 1958 8). — Ob eine Sache dem öffentlichen Nutzen dient, hat der Strafrichter selbständig zu prüfen. IX. Zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze oder Anlagen dienen in der 11 Regel Bäume, Sträucher und Blumen (OLG Rostock HRR 1929 Nr. 2057; vgl. RGSt. 5 318, 320). Das Abreißen von einzelnen Blättern oder Ziersträucherteilen reicht noch nicht aus (RGSt. 7 190, 191), auch nicht das Pflücken einzelner Blumen, wohl aber das einer kostbaren, die ganze Anlage beherrschenden Blüte (RGSt. 9 219, 221). Auch andere Gegenstände können für diesen Zweck bestimmt sein, z. B. eine Ehrenpforte, sofern die Verschönerung nicht nur vorübergehend sein soll (OLG Celle GA 60 [1913] 301), ein Standbild (RGSt. 43 204; OLG Karlsruhe GA 47 [1900] 453), nach RGSt. 64 250, 252; 65 354, 356; BGH, Urt. v. 29. April 1954 - 3 StR 439/53 — u. U. eine gehißte Fahne, wenn sie von der zuständigen Stelle zur Verschönerung der Straße bestimmt ist. Es sind allerdings nicht nur solche Gegenstände gemeint, die beweglich sind oder ursprünglich beweglich waren; die gefällige Gestaltung unbeweglicher Teile genügt (RGSt. 28 117, 118). Die Verschönerung muß nicht der einzige Zweck der Anlage sein. Eine Allee von Bäumen kann z. B. gleichzeitig der Holznutzung dienen. Als öffentliche Anlage kann auch ein Friedhof einzustufen sein (RGSt. 7 190; 9 219). X. Zur Rechtswidrigkeit s. § 303 Rdn. 9 entsprechend. Eine Einwilligung ist nur 12 beachtlich, wenn sie von der zuständigen Stelle herrührt und im Rahmen der Zweckbestimmung bleibt, solange diese besteht. Die Beschädigung oder Zerstörung der eigenen Sache kann rechtwidrig sein, wenn der Täter nicht die freie Verfügung darüber besitzt (RGSt. 43 240; RG Rspr. 10 595). Demgemäß kann der Eigentümer gegen § 304 verstoßen, wenn die Einwirkung auf die dort angeführten Gegenstände auch ihm untersagt ist. (13)

§305

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

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XI. Vorsatz. Die Vorschrift des § 304 setzt Vorsatz voraus. Vgl. § 303 Rdn. 10. Bedingter Vorsatz genügt. Das Erfordernis des Wissens um die Fremdheit der Sache entfällt; dafür muß die Kenntnis der Eigenart der in § 304 aufgeführten Gegenstände hinzutreten. Die Annahme, kraft Eigentums verfügungsberechtigt zu sein, ist ein Verbotsirrtum. Der Irrtum über die Art der Befriedung eines beschädigten oder zerstörten Gegenstandes ist gleichgültig.

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XII. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich mit: § 88; § 90 a; § 125; § 136 (RGSt. 65 133, 135); § 145 Abs. 1; § 168, wenn außer dem Grabmal auch der Grabhügel oder die Einfriedung des Grabes beschädigt oder zerstört wird; wird dagegen das Grabmal allein beschädigt, verdrängt § 304 den § 168 (RG GA 53 [1906] 441; RG GA 56 [1909] 76; OLG Celle NdsRpfl. 1966 225; Bedenken bei Heimann-Trosien L K 9 § 168 Rdn. 20); auch wenn beschimpfender Unsinn im Sinne des § 168 mit einer Beschädigung nach § 304 zusammentrifft (RGSt. 39 155); §§ 242, 243 (BGHSt. 20 286; a. A. OLG Hamm M D R 1953 568); § 274 Abs. 1 Nr. 2 (str.; a. A. z. B. die Vorauflage und Sch.-Schröder[Stree]Rdn. 14; wie hier Olshausen Anm. 6 b ; Dreher Rdn. 15); § 303 (str.); § 305; § 308 (RGSt. 57 294, 296); § 3 1 0 b ; § 3 1 1 ; § 3 1 1 a ; § 3 1 7 Abs. 3 (str.); § 321. — Gesetzeseinheit: Verdrängt wird § 304 durch: § 104; § 109 e; § 317 Abs. 1 u. 2; § 21 Abs. 1 RNaturschutzG (OLG Celle NJW 1974 1291, 1293); dagegen tritt § 145 Abs. 2 hinter § 304 zurück.

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XIII. Die Strafverfolgung tritt von Amts wegen ein. § 303 Abs. 3 ist hier nicht anwendbar (RGSt. 43 240, 242).

§305 Zerstörung von Bauwerken (1) Wer rechtswidrig ein Gebäude, ein Schiff, eine Brücke, einen Damm, eine gebaute Straße, eine Eisenbahn oder ein anderes Bauwerk, welche fremdes Eigentum sind, ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Die gegenwärtige Fassung der Vorschrift geht auf Art. 11, 12, 19 Nr. 162 und Nr. 207 EGStGB 1974 zurück. Gegenüber der alten Fassung ist die Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat entfallen und ist neben die Androhung von Freiheitsstrafe die wahlweise Androhung von Geldstrafe getreten.

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I. Zerstören von Bauwerken. Der Tatbestand der „gemeingefährlichen Sachzerstörung" (Frank Anm. I) bildet einen besonders schweren Fall der Sachbeschädigung nach § 303, also eine Straftat gegen das Eigentum. Infolgedessen umfaßt er die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes der einfachen Sachbeschädigung, insbesondere auch das Merkmal, daß die zerstörte Sache fremd ist (RGSt. 8 399, 400). Zu diesem Begriff s. § 303 Rdn. 3. Zu diesen allgemeinen Merkmalen treten — und daraus erklärt sich die im Vergleich zu § 303 höhere Strafdrohung — zwei weitere hinzu: a) der Gegenstand muß zu den in § 305 genannten Sachen gehören, b) dieser Gegenstand muß teilweise oder ganz zerstört worden sein. (14)

Zerstörung von Bauwerken (Wolff)

§305

II. Tatbestandsmäßige Handlung ist bei § 305 die gänzliche oder teilweise Zerstö- 2 rung, nicht auch bloßes Beschädigen. Zum Begriff der Zerstörung vgl. § 303 Rdn. 8. Ein teilweises Zerstören ist nach Reichsgericht und Oberstem Gerichtshof für die Britische Zone das völlige Unbrauchbarmachen hinsichtlich eines zwecknötigen Teils des Gegenstandes oder das Unbrauchbarmachen hinsichtlich einer von mehreren Zweckbestimmungen der Sache für nicht unbeträchtliche Zeit (RGSt. 54 205; OGHSt. 1 53; 2 209, 210). Auch schon beschädigte, in diesem Sinne teilzerstörte oder noch unfertige (BGHSt. 6 107) Gegenstände können zerstört oder weiter zerstört werden (OGHSt. 2 209, 210). Teilweise Zerstörung wurde angenommen: bei der teilweisen Wegnahme eines Brückengeländers, so daß nur noch Fußverkehr möglich war (RG Rspr. 7 274, 275); bei dem Herausschlagen von Stallwänden (RG GA 41 [1893] 137); bei Vernichtung des Bodenraumes eines Hauses; bei dem Losreißen und Beseitigen der gemauerten Fundamente eines Kuhstalls (RG, Urt. v. 9. Mai 1924 — 4 D 305/24 —); bei Lockerung der Schienen einer Eisenbahn durch Entfernen von Bolzen und Laschen (RGSt. 55 169, 170); bei Zerstörung von Türen, Fenstern und des Inventars einer Synagoge (OGHSt. 1 53; 1 199). Sie wurde verneint: beim Durchbrechen des Fußbodens einer Gefängniszelle (SächsOAppG GA 24 [1876] 644); beim Durchlöchern des Strohdachs eines Wohnhauses (RG Recht 1907 Nr. 970); beim gewaltsamen Aufbrechen eines Türschlosses (RGSt. 54 205, 206).

III. Handlungsgegenstand und daher besonders geschützt sind alle Bauwerke, 3 die im Eigentum oder Miteigentum eines anderen stehen. Ein Bauwerk, das § 305 als Ober- und Auffangbegriff nennt (RGSt. 15 263, 264), ist jedes selbständige Werk von einiger Bedeutung, das durch menschliche Arbeit geschaffen ist, auf dem Grund und Boden ruht, ohne notwendig fest mit ihm verbunden zu sein, und für gewisse Dauer bestimmt ist. Kunstgerechte Errichtung, wie in RGSt. 30 246, 248 anklingt, ist nicht Voraussetzung; auch eine sachwidrig errichtete Anlage ist ein schutzwürdiges Bauwerk (RG HRR 1930 Nr. 462; offengelassen in RGSt. 8 399). — Die Einbeziehung des Schiffs zeigt, daß der Begriff Bauwerk in § 305 nicht auf unbewegliche Gegenstände beschränkt ist, sondern — ausnahmsweise — auch bewegliche Sachen umfaßt. Das ist allerdings streitig. Die Rechtsprechung und ein Teil der Lehre wollen unter Bauwerk nur unbewegliche Sachen verstehen (RGSt. 15 263, 264; 33 391; RG Rspr. 2 140; 6 477; Frank Anm. II 7; Dreher Rdn. 7). Wie hier: Olshausen Anm. 2; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 4. Größere praktische Bedeutung hat der Meinungsstreit nicht. Auch lehrt der Begriff Gebäude, der kurzlebige Ausstellungs- und Zirkusgebäude einschließt (RGSt. 70 360, 361), daß die Bestandsdauer gering bemessen sein kann. So bleibt als begriffswesentlich allein die selbständige, durch menschliche Arbeit errichtete Anlage (RGSt. 15 263, 265; RG Rspr. 6 477) von gewisser Größe und Bedeutung übrig. Die Verbindung mit dem Grund und Boden und di$ Bestimmung zu gewisser Dauer sind nur Regelerscheinungen, nicht Wesensmerkmale. — Zu den anderen Bauwerken hat die Rechtsprechung gerechnet: eine Gartenmauer (PrOT GA 24 [1876] 603); eine steinerne Grenz- und Scheidemauer (RG Rspr. 6 477); ein Hoftor (RG Rspr. 2 140); einen künstlichen Fischteich (RGSt. 15 263); eine Stauanlage (RG Recht 1914 Nr. 716); eine Hüterhütte (RG HRR 1930 Nr. 462); einen freistehenden, auf Balkenfundament ruhenden, ausgemauerten und gedeckten Abtritt (RG Rspr. 9 198). Unerheblich ist es, ob das Bauwerk bereits vollendet ist (RGSt. 30 246; BGHSt. 6 107); die Brandmauer eines begonnenen Neubaus genügt (RG LZ 1914 Sp. 1568); ebenso eine Baugrube, die eine Zisternenanlage aufnehmen soll (OLG Naumburg H R R 1939 Nr. 1073); (15)

§305

26. Abschnitt. Sachbeschädigung

ferner teilweise zerstörte Gebäude (OGHSt. 2 209, 210; vgl. oben Rdn. 2). Dagegen rechnet RGSt. 27 420 die Schornsteine einer Brandruine nicht zu den Bauwerken. 4

IV. Gebäude ist im gleichen Sinne wie bei §§ 306, 308 zu verstehen (vgl. dort jeweils Rdn. 2): ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest — wenn auch nur durch die eigene Schwere — verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet (vgl. BGHSt. 1 158, 163). Anders als bei § 243 Nr. 1 (vgl. Heimann-Trosien LK 9 § 243 Rdn. 12) kommt es auf die Eignung zur Abhaltung Unbefugter nicht an. Deshalb sind Rohbauten einzubeziehen, wie in BGHSt. 6 107 überzeugend dargelegt. Das Reichsgericht erfaßte diese über den Begriff anderes Bauwerk (RGSt. 30 246). Ein Gebäude soll danach Menschen, Tieren oder Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewähren und eine seiner Zweckbestimmung entsprechende Dauerhaftigkeit und Festigkeit besitzen (RGSt. 10 103, 104; RG Rspr. 9 198, 199). Eine dauernde Verbindung mit dem Erdboden ist nicht notwendig. Es genügt, daß das Bauwerk wegen seiner Schwere nicht fortbewegt werden kann, ohne seine Gestalt zu verändern (RG Rspr. 9 198, 199). Demgemäß ist auch ein Holzschuppen, der ohne weitere Verbindung auf einem Fundament von gemauerten Steinen ruht, ein Gebäude (RG, Urt. v. 20. Jan. 1911 — 5 D 834/10 —).

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V. Schiff. Aus der Gleichstellung des Schiffs mit unbeweglichen Sachen und aus dem Zweck der Strafbestimmung ist zu folgern, daß eine gemeingefährliche Sachzerstörung nur an größeren Fahrzeugen begangen werden kann (Frank Anm. II 2; Olshausen Anm. 3 b; Sch.-Schröder [Stree] Rdn. 3; Dreher Rdn. 3).

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VI. Brücke. Aus den gleichen Gründen ist auch der Begriff Brücke auf Bauten von einiger Erheblichkeit zu beschränken. Bloße Fußgängerstege, deren Größe, Festigkeit und Tragfähigkeit nur gering ist, kommen nicht in Betracht (RGSt. 24 26; vgl. auch RGSt. 20 353; RG Rspr. 5 383; RG Recht 1914 Nr. 1201). Nach RGSt. 33 391 muß der Bau auch bei einer Brücke mindestens durch die eigene Schwere derart an seinen Standort gebunden sein, daß er ohne Beeinträchtigung seiner Gestalt nicht an einen anderen Ort gebracht werden kann. Unerheblich ist es, ob die Anlage im Privateigentum steht und Privatgrundstücke miteinander verbindet (RGSt. 24 26; RG Rspr. 5 383).

7

VII. Damm. Unter den Begriff Damm fallen nicht bloß Staudämme und Deiche zum Schutz gegen Wasser, sondern auch andere Erdaufschüttungen, soweit sie nicht Bestandteile einer gebauten Straße oder einer Eisenbahn sind.

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VIII. Eine gebaute Straße ist eine feste Kunststraße im Gegensatz zu Wegen, die im wesentlichen durch bloßen fortgesetzten Verkehr von selbst entstehen (RGSt. 8 399; vgl. auch RGSt. 74 13, 14). Kanäle werden gleichfalls zu den gebauten Straßen gerechnet (Frank Anm. II 5; Olshausen Anm. 3 e; Kohlrausch/Lange Anm. II 4; Sch.-Schröder[Stree] Rdn. 3; Dreher Rdn. 5); zumindest sind sie andere Bauwerke.

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IX. Unter Eisenbahn im Sinne des § 305 ist nur der Bahnkörper, also der Unterbau, und Schwellen und Schienen als Oberbau zu verstehen, wobei Trennung dieser Bestandteile auch ohne Substanzverletzung der Einzelteile Zerstörung sein kann (RGSt. 55 169). Das rollende Material gehört nicht dazu. Klein- und Privatbahnen sind erfaßt. Bahnen, deren Geleise in den Straßenkörper eingelassen sind (16)

Zerstörung von Bauwerken (Wolff)

§305

— wie Pferdebahnen (vgl. SächsOAppG GA 24 [1876] 644) oder Straßenbahnen — bilden einen Teil der Straße; in Zweifelsfällen kann auf das umfassende andere Bauwerk zurückgegriffen werden. X. Für die Rechtswidrigkeit gelten die Ausführungen bei § 303 Rdn. 9.

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XI. Zum Vorsatz gehört außer den bei § 303 Rdn. 10 erläuterten Merkmalen das 11 Wissen des Täters um die besonderen Eigenschaften der Sache, die ihren verschärften Strafschutz begründen, andernfalls ist nur der Grundtatbestand des § 303 anwendbar. XII. Der Versuch ist strafbar (Abs. 2).

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XIII. Konkurrenzen. Tateinheit ist z. B. möglich mit § 124; § 125 a; §304; mit 13 § 306 (RGSt. 57 294, 296); § 308 Abs. 1 2. Altern. (RGSt. 57 294, 296); dagegen tritt § 305 hinter § 308 Abs. 1 1. Altern, zurück (BGH LM StGB § 308 Nr. 1, insoweit in BGHSt. 6 107 nicht mit abgedruckt). Tateinheit ist auch denkbar mit § 311. — § 305 verdrängt § 125 und § 303. — Der Strafaufhebungsgrund des § 310 gilt nicht für die mit Brandstiftung zusammentreffende Sachbeschädigung. XIV. Strafantrag ist nicht erforderlich (RGSt. 43 240, 242).

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Siebenundzwanzigster Abschnitt Gemeingefährliche Straftaten

§306 Schwere Brandstiftung Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer in Brand setzt 1. ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude, 2. ein Gebäude, ein Schiff oder eine Hütte, welche zur Wohnung von Menschen dienen, oder 3. eine Räumlichkeit, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient, und zwar zu einer Zeit, während welcher Menschen in derselben sich aufzuhalten pflegen. D u r c h Art. 19 Nr. 164 E G S t G B 1974 sind die Eingangsworte neu gefaßt worden. Schrifttum: (Auf die Erfassung des bei den Brandstiftungsdelikten reichhaltigen kriminologischen und kriminalistischen Schrifttums wurde verzichtet) Alsberg Anm. zu zwei RG-Entscheidungen, JW 1928 2463; Blei JA 1975 589; 1976 99; Brehm Die ungefährliche Brandstiftung — BGH NJW 1975, 1369, JuS 1976 22; Bruns Anm. z. einer LG-Entscheidung, DR 1943 903; Gallas Abstrakte und konkrete Gefährdung, Heinitz-Festschrift, S. 171; Geerds Die Brandstiftungsdelikte im Wandel der Zeiten und ihre Regelung im ausländischen Strafrecht, Sammelwerk des BKA 1962, S. 15; Grünhut Anm. z. RGSt. 60 136, JW 1926 2188; Jagusch Anm. z. BGHSt. 10 208, LM StGB § 306 Nr. 2; Kern Anm. z. RG JW 1929 780, JW 1929 1470; Klussmann Über das Verhältnis von fahrlässiger Brandstiftung (§ 309 StGB) und nachfolgender vorsätzlicher Brandstiftung (§308 StGB) durch Unterlassen, MDR 1974 187; Marlin Anm. z. BGHSt. 20 246, LM StGB § 307 Ziff. 2 Nr. 1; Meves Die Grundsätze des Reichsstrafgesetzbuchs über die tätige Reue, GS 24 161; Niggemeyer Die vorsätzliche Brandstiftung unter besonderer Berücksichtigung der Strafrechtsreform, Kriminalistik 1960 377; Osenbrueggen Die Brandstiftung in den Strafgesetzbüchern Deutschlands und der deutschen Schweiz (1854); Rudolphi Inhalt und Funktion des Handlungsunwertes im Rahmen der personalen Unrechtslehre, Maurach-Festschrift, S. 51 (59 0 ; Schmitt Anm. z. BGHSt. 18 363, JZ 1964 189; Schröder Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte? JZ 1967 522; Schröder Die Gefährdungsdelikte im Strafrecht, ZStW 81 [1969] 7; Siebenhaar Der Begriff der Gemeingefährlichkeit und die gemeingefährlichen Delikte nach dem Reichsstrafgesetzbuche, ZStW 4 [1884] 245; Siebs Der strafrechtliche Schutz von Heide und Moor gegen Feuerbrunst und Feuergefahr nach preußischem und Reichsrecht, GA 66 [1919] 290; Spöhr Zum Begriff der Räumlichkeit in § 306 Ziff. 3 StGB, MDR 1975 193; v. Storch. Die vorsätzliche Brandstiftung, Eine kriminologisch-strafrechtl. Untersuchung, Diss. Kiel 1965; Strathenwerth Anm. z. OLG Hamm JZ 1961 94, JZ 1961 95; G. Timcke Der Straftatbestand der Brandstiftung in seiner Entwicklung durch die Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, Diss. Göttingen 1965; Tzermias Die Brandstiftung, Schweiz. Zs. f. Strafrecht 1961 254; Ulimann Zur Lehre von der Anzündung der eigenen Sache des Thäters, GS 30 589; Ulsenheimer Zur Problematik des Versuchs erfolgsqualifizierter Delikte, GA 1966 257; M. Volz Unrecht und Schuld abstrakter Gefährdungsdelikte, Diss. Göttingen 1968; Wanjeck Ein Beitrag zur Lehre von der Brandstiftung und Überschwemmung nach heutigem Deut(18)

Schwere Brandstiftung (Wolff)

§306

sehen Strafrecht, GS 31 1; v. Weber Darf der Kaufmann Streichhölzer an Kinder verkaufen? ZAkDR 1942 263. - Niederschriften V 45, 229, 291 f; VIII 418, 421, 432 ff, 449 ff, 453 ff, 641 ff; IX 235 ff, 413 f, 534 f, 551, 559; XII 618 f.

I. Das Gesetz unterscheidet zum einen zwischen einfacher Brandstiftung (§ 308) 1 und schwerer Brandstiftung (§§ 306, 307), zum anderen zwischen vorsätzlicher (§§ 306 bis 308) und fahrlässiger Brandstiftung (§ 309). Daneben tritt das Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 310 a). Grundtatbestand ist § 308, der das vorsätzliche Inbrandsetzen bestimmter, vom Gesetz abschließend aufgezählter Sachen unter Strafe stellt. Mit § 306 sind aus dem Kreis dieser Objekte herausgenommen und in einem besonderen Tatbestand zusammengefaßt bestimmte Räumlichkeiten, in denen sich Menschen aufzuhalten pflegen. § 307 zählt qualifizierte Fälle des § 306 auf. § 309 erfaßt die fahrlässig verursachten Brände der in § 306 und § 308 bezeichneten Art und regelt einen qualifizierten Fall der fahrlässigen Brandstiftung. II. Tathandlung ist für die §§ 306 bis 308 einheitlich das Inbrandsetzen des Tatob- 2 jekts. Vollendet ist die Brandstiftung also erst mit dem Brennen; aber auch mit diesem (RGSt. 63 105, 107). Dazu genügt nicht ein Ansengen, Ankohlen (RGSt. 7 131, 132 f; SächsOAppG GA 24 [1876] 644) oder Anglimmen. Andererseits ist Einäscherung nicht erforderlich. Nach in Rechtsprechung und Lehre übereinstimmend vertretener Definition ist ein Gegenstand in Brand gesetzt, wenn ein nicht völlig unwesentlicher Bestandteil in solcher Weise vom Feuer ergriffen ist, daß er auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbständig weiterbrennen kann (RGSt. 7 131, 132; 18 355, 357; 18 362; 25 326, 329; 71 193, 194; RG JW 1937 168; OGHSt. 1 293, 298; BGHSt. 16 109, 110). Danach ist das Anzünden des Zündstoffs noch kein Brennen des Tatobjekts. Ein Brennen in heller Flamme ist nicht notwendig; auch Glimm- und Schwelbrände sind möglich (RGSt. 18 362, 363; RG Rspr. 10 383). — An einem bereits brennenden Gebäude kann eine weitere Brandstiftung begangen werden (OGH JR 1950 404; offen gelassen in BayObLGSt. 1959 175; a. A. OLG Hamm JZ 1961 94, das lediglich Beihilfe annimmt; zust. Sch.-Schröder[Cramer] 13; Dreher Rdn. 6; Maurach BT § 57 II A 2), und zwar auch in der Form, daß ein schon entstandener Brand verstärkt wird. — Ein Gebäude ist in Brand gesetzt, wenn bereits ein Teil desselben brennt. Z. B. Wände und Decken eines Raumes (RG Rspr. 4 72); Dielen und Türpfosten eines Raumes (RG GA 39 [1891] 442, 443); Parkettfußboden und Fensterrahmen in einem Raum (OLG Hamburg NJW 1953 117); eine hölzerne Türverkleidung (BGHSt. 20 246, 247); der Holzbalken einer Fachwerkwand (RGSt. 18 362); das Strohdach einer Hütte (RGSt. 18 355); nicht dagegen die Holzlattentür eines Kellerraumes, wenn sich das Feuer nicht auf weitere Gebäudeteile ausbreiten kann (BGHSt. 18 363); gleiche Grundsätze gelten beim Schiff (RG Recht 1924 Nr. 719). Kein Teil des Gebäudes sind Einrichtungsgegenstände (vgl. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1963 138; OLG Hamburg NJW 1953 117). Etwas anderes kann gelten, falls es sich um fest eingebaute Einrichtungsgegenstände handelt; inwieweit solche als Gebäudeteile anzusehen sind, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung (BGHSt. 16 109). Das Inbrandsetzen kann durch Unterlassen geschehen. Eine Garantenpflicht trifft z. B. den Versicherungsnehmer einer gegen Feuer versicherten Sache (RGSt. 64 273; RG HRR 1934 Nr. 1172); den Leiter einer freiwilligen Feuerwehr (OGHSt. 1 316) den Schornsteinfegermeister bei Brandgefahr durch fehlerhaften Schornsteinbau in einem Haus, das zu seinem Kehrbezirk gehört (RG DR 1943 76; OLG (19)

§306

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Oldenburg NdsRpfl. 1956 207). Zu möglichen Garantenpflichten eines Betriebsleiters und eines wiederholt zu Reparaturarbeiten in einem Betrieb herangezogenen Elektromeisters, wenn es durch Mängel in der elektrischen Anlage im Betrieb zu einem Brand kommt, vgl. RG H R R 1940 Nr. 585. 3

III. Tatgegenstand sind bei § 306 die unter Nr. 1 bis 3 der Bestimmung näher 3 bezeichneten Räumlichkeiten. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihrer Zweckbestimmung oder dem tatsächlichen Gebrauch nach zum Aufenthalt von Menschen dienen. Daß sich bei Brandausbruch Menschen in den Räumlichkeiten aufhalten, wird vom Gesetz nicht verlangt. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, daß eine Anwendung von § 306 zu entfallen habe, wenn im Einzelfall feststeht, daß Menschenleben nicht gefährdet werden konnten und der Täter sich davon überzeugt hatte (z. B. Sch.Schröder[Cramer] Rdn. 2 und Vorbem. 3 a vor § 306 in der 18. Aufl.; etwas abweichend in der 19. Aufl. Vorbem. 3 a ff vor § 306). Die Einschränkung wird aus dem Schuldprinzip hergeleitet. Die Rechtsprechung ist dem bisher nicht gefolgt (RGSt. 9 384, 386; OGHSt. 1 244, 245). Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung BGHSt. 26 121 eine abschließende Stellungnahme vermieden und für den von ihm beurteilten Fall darauf abgestellt, daß der Angeklagte bei dem in Brand gesteckten dreistöckigen Hotel die Gewissheit, es halte sich niemand darin auf, nicht erlangen konnte. Von der gesetzgeberischen Absicht her, die Strafbarkeit der schweren Brandstiftung gerade nicht davon abhängig zu machen, ob im Einzelfall tatsächlich Gefahr für Menschenleben bestand (vgl. die in BGHSt. 26 121, 123 f wiedergegebenen Gesetzesmaterialien), läßt sich die erwähnte Einschränkung nicht halten. Man wird nur im Rahmen der Strafzumessung helfen können. — Die Eigentumslage bezüglich der in Brand gesetzten Gegenstände ist bei § 306 ohne Bedeutung: auch der Täter kann also Eigentümer sein (RGSt. 23 102, 103; RG LZ 1925 Sp. 874).

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1. Zu den durch § 306 geschützten Aufenthaltsräumen gehören zu gottesdienstli- 4 chen Versammlungen bestimmte Gebäude. Dieser Begriff entsprach bereits — bewußt — nicht der Formulierung in § 243 Nr. 1 a. F., wo von zum Gottesdienst bestimmten Gebäuden die Rede war. Beides braucht sich nicht zu decken (vgl. das Beispiel bei Olshausen Anm. 4). Mit der Neufassung des § 243 (jetzt Nr. 4 dieser Vorschrift; vgl. dazu Heimann-Trosien LK 9 § 243 Rdn. 30 ff) ist der Vergleich mit dieser Bestimmung nur noch mit Einschränkungen möglich. § 306 Nr. 1 beschränkt sich auf Gebäude zu gottesdienstlichen Versammlungen. Eine Versammlung setzt eine größere Anzahl von Personen voraus, so daß nicht jedes dem Gottesdienst dienende Gebäude, das von daran teilnehmenden Personen betreten werden kann — und sei es noch so klein — geschützt wird. Da es auf die Zweckbestimmung für den Gottesdienst ankommt — welcher Religionsgesellschaft ist gleichgültig —, fallen außerdem Andachtsträume oder z. B. ein in einem christlichen Hospiz für gemeinsames Beten eingerichtetes Zimmer aus dem Anwendungsbereich des Paragraphen heraus. Nicht verlangt wird, daß das Gebäude ausschließlich zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmt ist. Doch muß, soll die Brandstiftung vollendet sein, auch der zu derartigen Versammlungen bestimmte Gebäudeteil in Brand gesetzt sein. — Daß der Brand zu einer Zeit ausbricht, zu der üblicherweise gottesdienstliche Versammlungen stattfinden, ist nicht notwendig.

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2. § 306 Nr. 2 spricht von Gebäuden, Schiffen oder HUtten, welche zur Wohnung 5 von Menschen dienen. (20)

Schwere Brandstiftung (Wolff)

§306

a. Der Begriff Gebäude ist entgegen dem Reichsgericht (z. B. RGSt. 32 128; 49 6 51, 52) und einem Teil des Schrifttums (z. B. Kohlrausch/Lange Anm. IV 2) nicht derselbe wie in § 243 Nr. 1 (vgl. Heimann-Trosien L K 9 § 243 Rdn. 12). Dieser Vorschrift ist wesentlich, daß das Bauwerk nicht allein dazu bestimmt und geeignet ist, zum Schutze von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen, sondern daß es auch den freien Zutritt Unbefugter verhindern kann (RGSt. 55 153; BGHSt. 1 158, 163; vgl. auch BGHSt. 3 300). Das folgt aus dem Willen des Gesetzes, Gegenständen, die der Eigentümer gegen diebischen Zugriff besonders gesichert hat, einen erhöhten Strafschutz zu gewähren. Die §§ 306 ff bezwecken nicht, die im Innern eines Gebäudes untergebrachten Sachen strafrechtlich besonders zu schützen. Es ist daher hier, anders als bei § 243 Nr. 1, nicht sachgerecht, den Begriff Gebäude mit von dem Gesichtspunkt her zu bestimmen, daß das Bauwerk geeignet sein muß, Unbefugte fernzuhalten. Maßgebend ist vielmehr der allgemeine Sprachgebrauch, der die erwähnte, bei § 243 sinnvolle Einschränkung nicht macht. Nach diesem ist schon ein mit Wänden und Dach versehener Rohbau ein Gebäude, auch wenn Türen und Fenster noch nicht eingesetzt sind (vgl. BGHSt. 6 107). Der Bundesgerichtshof hat dies zwar nur für § 308 entschieden; dieselben Erwägungen gelten jedoch auch bei § 306 (ebenso Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 5; Dreher Rdn. 3). Daher ist z. B. ein durch Brand teilweise zerstörtes Gebäude noch ein Gebäude im Sinne der Vorschrift (RG JW 1928 2463; O G H JR 1950 404). Von einer Hütte ist mindestens zu fordern, „daß sie ein selbständiges, unbeweg- 7 liches Ganzes bildet, eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und zum Schutze gegen äußere Einwirkungen in einer dem jeweiligen Zwecke genügenden Dauerhaftigkeit und Festigkeit, sei es durch Wand und Dach oder sonst ausreichend abgeschlossen ist" (RGSt. 17 179, 184; vgl. auch RG Rspr. 10 151; RG LZ 1916 Sp. 246). Zwischen Hütten und Gebäuden besteht der Unterschied, daß die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit des gesamten Bauwerks wie der einzelnen Teile bei ersteren geringer ist als bei letzteren. Als Hütten sind angesehen worden: Jahrmarktsbuden, sofern sie — und sei es infolge ihres Eigengewichts — fest auf dem Boden stehen und einen abgeschlossenen Raum bilden, auch wenn sie zerlegbar sind (RGSt. 73 204); ein Wochenendhäuschen, das auf Rollen fortbewegt werden kann (RG JW 1938 3106); dagegen nicht eine aus einem mit Zelttuch umspannten Holzgerüst bestehende Schießbude (RG DRiZ 1933 Nr. 266) oder eine kleine aus einigen Pfählen und Stroh gebaute Hüterhütte (RG Rspr. 10 151). Ein Schiff im Sinne des § 306 Nr. 2 ist jedes Wasserfahrzeug, das als Wohnstätte 8 von Menschen dient (vgl. z. B. RG Recht 1924 Nr. 719), unabhängig von seiner Größe. b. Gebäude, Hütte oder Schiff müssen zur Wohnung von Menschen dienen. Das 9 Gebäude pp. braucht nicht zu dem Zweck, Mittelpunkt des Aufenthalts eines oder mehrerer Menschen ( = Wohnung) zu sein, bestimmt zu sein (BGHSt. 26 121, 122). Der Begriff dienen hat also hier eine andere Bedeutung als in § 304, dort ist die Zweckbestimmung begriffsnotwendig. Auch auf die Eignung kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt der Tat (RGSt. 60 136, 137). Unvollendete Neubauten, Ruinenräume, aufgelassene Baracken oder Behelfsbunker kommen als Tatobjekt danach durchaus in Betracht, wenn sich in ihnen z. B., auch gegen den Willen des Berechtigten, Stadtstreicher niedergelassen haben. — Ein Gebäude dient auch dann der Wohnung von Menschen, wenn nur ein Teil der von ihm umfaßten Räume eine solche Verwendung findet (RG LZ 1926 Sp. 702; RG JW 1938 505; OLG Hamburg NJW 1953 117). Wird ein solches mehre(21)

§306

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

ren wirtschaftlichen Zwecken dienendes Gebäude in Brand gesetzt, so greift immer § 306 Nr. 2 ein, selbst wenn der Täter allein den nicht zum Wohnen dienenden Teil niederbrennen will (RG JW 1936 262, 263; BGH GA 1969 118, 119; einschränkend Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 11). Dabei kann im Einzelfall zweifelhaft sein, ob ein oder mehrere Gebäude gegeben sind. Das ist Tatfrage; ausschlaggebend ist die bauliche Beschaffenheit, nicht der unterschiedliche wirtschaftliche Verwendungszweck (RG JR 1927 Nr. 660; RG JW 1931 3281; BGH GA 1969 118; in mehreren nicht veröffentlichten Entscheidungen spricht der Bundesgerichtshof davon, daß die Baulichkeiten nach ihrer Anlage und Beschaffenheit für die natürliche Auffassung ein einheitliches zusammenhängendes Gebäude darstellen). — Ein Gebäude wird nicht dadurch unbewohnt, daß der oder die darin lebenden Menschen vorübergehend — selbst monatelang (z. B. durch Krankenhausaufenthalt — BGH, Urt. v. 9. April 1968 — 5 StR 93/68 — oder Auslandsreise) — abwesend sind (BGHSt. 26 121, 122). Zeitweiliges Bewohnen wie bei einem Wochenend- oder Ferienhaus genügt gleichfalls, um ein Gebäude zu einem für § 306 Nr. 2 geeigneten Tatobjekt werden zu lassen (OGHSt. 1 244; BGH, Urt. v. 26. Febr. 1965 - 5 StR 11/65 - ; einschränkend — auf die Zeit des tatsächlichen Aufenthalts — insoweit Sch.-Schröder[Cramer] Rdn. 7). — So, wie das Wohnen rein tatsächlich begründet wird, kann es durch Veränderung der Umstände wieder aufgehoben werden. Stirbt der einzige Bewohner eines Hauses, sei es auch eines gewaltsamen Todes durch die Hand des späteren Brandstifters (BGHSt. 23 114), oder zieht er aus (RG DRiZ 1933 Nr. 767), so wird § 306 Nr. 2 unanwendbar. Ein Aufgeben als Wohnung kann darin liegen, daß der einzige Bewohner das Gebäude in Brand steckt; dabei ist es gleichgültig, ob er zuvor seine bewegliche Habe aus dem Gebäude entfernt hat oder nicht (BGHSt. 16 394; vgl. auch BGHSt. 10 208, 215 ff; enger noch RGSt. 60 136). 10

c. Alternative Feststellung dieser drei Merkmale ist zulässig. — Zu welcher Zeit der Brand gelegt wird, ist wie bei § 306 Nr. 1 ohne Bedeutung.

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3. § 306 Nr. 3 schließlich betrifft Räumlichkeiten, welche zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen, wobei die Einschränkung gemacht ist: zu der Zeit, während der sich Menschen in den Räumlichkeiten aufzuhalten pflegen. Eine derartige Räumlichkeit kann nicht nur ein Bauwerk sein, das mit dem Grund und Boden verbunden ist, sondern jeder irgendwie abgeschlossene unbewegliche oder bewegliche Raum, der zum dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt von Menschen tatsächlich dient (vgl. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1963 138). Es kommt also auch hier nicht darauf an, ob die Räumlichkeit zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist; vielmehr handelt es sich wie bei § 306 Nr. 2 (vgl. Rdn. 9) um ein Merkmal tatsächlicher Art (BGHSt. 10 208, 214); es kann wie bei § 306 Nr. 2 (vgl. Rdn. 10 a. E.) durch tatsächliche Änderung entfallen. Von dem Begriff werden daher ganz verschiedenartige Gegenstände erfaßt: Theater, Museen, Kinos, Konzertsäle, Zirkusbauten, Künstlerwagen; Schäferkarren und Hüterhütten; Flugzeuge, Eisenbahnwagen, Autobusse, Schiffe (soweit sie nicht unter § 306 Nr. 2 fallen) unabhängig von ihrer Größe, Wohnwagen; Büros, Bergwerke, Fabrikationshallen, Werkstätten, eine Lagerhalle, in der Fertigwaren eingeliefert, sortiert und für den Abtransport bereitgestellt werden (BGH, Urt. v. 3. Okt. 1973 — 2 StR 373/73 —); eine Scheune, in der Landstreicher zu übernachten pflegen (BGHSt. 23 60; vgl. auch SächsOAppG GA 24 [1876] 644); dagegen nicht: ein Personenkraftwagen (BGHSt. 10 208), es sei denn, er ist in ein Dauerquartier umgewandelt (OLG Stuttgart OLGSt. Bd. 2 § 306 Nr. 3); eine Telephonzelle (BGH b. Holtz MDR 1977 637). Streitig ist die Rechts(22)

Schwere Brandstiftung (Wolff)

§306

läge bei Scheunen und Ställen. Das Reichsgericht hatte sie unter Hinweis auf die Gesetzesgeschichte und die fehlende Bestimmung zum Aufenthalt von Menschen, was etwas anderes bedeute, als wenn Räume für kurze Verrichtungen von Menschen betreten zu werden pflegten, dem § 308 zugeordnet (RGSt. 69 148; s. auch OLG Schleswig SchlHA 1955 99, 100). Dem liegt wohl das Bestreben zugrunde, den § 306 Nr. 3 in seinem Anwendungsbereich gegenüber § 308 nicht zu sehr auszudehnen. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLGSt. 1967 125) hat sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß auch Scheunen und Ställe grundsätzlich zu den Räumlichkeiten im Sinne von § 306 Nr. 3 zu zählen sind (ebenso Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 8; Maurach BT § 57 II C 2); es hält beide Gründe des Reichsgerichts nicht für durchschlagend. Doch ist festzuhalten, daß Scheunen und Ställe — von Ausnahmen abgesehen — nicht durch den zeitweiligen Aufenthalt von Menschen gekennzeichnet sind, sondern nur für zeitlich kürzere Verrichtungen von Menschen betreten werden. Deshalb ist dem Reichsgericht zu folgen. Denn zieht man diese Grenze nicht, so läßt sich dem § 306 Nr. 3 im Grunde jeder Raum unterordnen, den Menschen zu betreten pflegen, eine Konsequenz, die auch das Bayerische Oberste Landesgericht nicht ziehen will. Zum gleichen Ergebnis kommt trotz Zweifeln Dreher Rdn. 5. Bei § 306 Nr. 3 ist erforderlich, daß die Tat zu einer Zeit verübt wird, während 12 der Menschen sich in der Räumlichkeit aufzuhalten pflegen. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Bestimmung entfällt, wenn sich tatsächlich kein Mensch in der Räumlichkeit befunden hat. Wie bei § 306 Nr. 1 und 2 ist dies vielmehr ohne Belang (RGSt. 23 102, 103; OGHSt. 1 244, 245). IV. Der Vorsatz des Täters muß das Wissen umfassen, daß der Gegenstand der 13 Brandstiftung die im gesetzlichen Tatbestand verlangten Eigenschaften hat, sowie den Willen, den Gegenstand in Brand zu setzen. Bedingter Vorsatz genügt (RGSt. 66 141; RG JW 1938 505). Der Täter braucht nicht zu wissen, daß sich in den Räumen Menschen befinden; andererseits ist die irrige Annahme, der als Wohnung von Menschen erkannte Raum sei leer, bedeutungslos. Unerheblich ist, ob der Täter nur anzünden, das Weiterbrennen aber durch Löschen hindern wollte (RGSt. 18 355; RG JW 1930 835; BGHSt. 23 60, 63); unerheblich ferner, ob er das angezündete Gebäude für eine Hütte hält oder umgekehrt, ob er ein Gebäude, das zur Wohnung von Menschen dient, mit einer Räumlichkeit verwechselt, die zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dient. Hierbei handelt es sich um gleichwertige Tatbestandsmerkmale, die wahlweise Feststellung auch zur inneren Tatseite gestatten. Weiß der Täter dagegen nicht, daß das Gebäude, welches er anzündet, zur Wohnung von Menschen dient, so trifft nicht der § 306 Nr. 2, sondern der § 308 zu. Im Falle des § 306 Nr. 3 muß der Täter auch wissen, daß er zu einer Zeit anzündet, während welcher sich Menschen in der betreffenden Räumlichkeit aufzuhalten pflegen; nimmt er das irrig an, so kann Versuch am untauglichen Objekt gegeben sein.

IV. Versuch. Zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Versuch vgl. 14 RGSt. 66 141; RG HRR 1933 Nr. 351 und OGHSt. 2 346, 348. VI. Einen Fall von Notstand behandelt RG JW 1925 964. — Zur tätigen Reue 15 vgl. §310. (23)

§307

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

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VII. Täterschaft und Teilnahme. Zur Beihilfe vgl. RGSt. 71 193, 194 und OLG Hamm JZ 1961 94; Beihilfe kann auch durch Unterlassen begangen werden (vgl. OGHSt. 3 1). Mittäterschaft kann z. B. darin liegen, daß der eigentliche Brandstifter mit einem Kraftfahrzeug in die Nähe des Tatorts gefahren wird (RG H R R 1934 Nr. 147; s. auch RG JW 1933 427; RG JW 1933 2395; RG JW 1935 945). - Die Beteiligung ist bis zur Beendigung der Brandstiftung, die meist erst vorliegt, wenn der Tatgegenstand abgebrannt ist, möglich.

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VIII. Konkurrenzen. Tateinheit kann zwischen Nr. 1 und Nr. 2 des § 306 gegeben sein, wenn ein Gebäude gleichermaßen zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmt ist und der Wohnung von Menschen dient. Dagegen nicht zwischen § 306 Nr. 1 und Nr. 3 und zwischen § 306 Nr. 2 und Nr. 3, soweit ein Gebäude in Frage steht; §306 Nr. 3 kann nur auf Gegenstände bezogen werden, die nicht bereits unter Nr. 1 oder Nr. 2 fallen. Tateinheit ist allerdings möglich, wenn verschiedene Gegenstände durch eine Brandstiftung in Flammen gesetzt werden, von denen ein Teil Gebäude oder Hütten im Sinne von § 306 Nr. 1 und 2, ein anderer Teil Räumlichkeiten im Sinne von Nr. 3 sind. Für das Verhältnis zu § 308 vgl. dort Rdn. 25, 26. — Zwischen schwerer Brandstiftung und Mord oder Totschlag (§§211, 212) kann Tateinheit bestehen, wenn der Täter durch ein und dieselbe Handlung ein Gebäude pp. in Brand setzt und einen Menschen tötet, insbesondere, wenn die schwere Brandstiftung als Mittel für die Tötung benutzt wird. Tateinheit denkbar auch zwischen §306 und §§ 223 ff; § 222; § 265, da sich die gesetzlichen Tatbestände nicht decken (RGSt. 60 129; RG GA 35 [1887] 398; RG LZ 1914 Sp. 570; RG LZ 1925 Sp. 874; RG JW 1933 428); §§ 303, 305, weil diese Vorschriften, anders als § 306, eine fremde Sache voraussetzen (RGSt. 57 294, 296; RG JW 1901 599; BGH, Urt. v. 12. Febr. 1952 - 1 StR 2/50 - ) . Vgl. außerdem bei § 310 a und § 311. — Von § 306 verdrängt werden §§ 125, 125 a.

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IX. Nach § 325 (vgl. dort) besteht die Möglichkeit, Führungsaufsicht anzuordnen.

§307 Besonders schwere Brandstiftung Die schwere Brandstiftung (§ 306) wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft, wenn 1. der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht hat, daß dieser zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich befand, 2. der Täter in der Absicht handelt, die Tat zur Begehung eines Mordes (§ 211), eines Raubes (§§ 249, 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) auszunutzen, oder 3. der Täter, um das Löschen der Feuers zu verhindern oder zu erschweren, Löschgerätschaften entfernt oder unbrauchbar gemacht hat. Die Fassung geht auf Art. 19 Nr. 165 EGStGB 1974 zurück. Neben einer teilweisen Umformulierung liegt eine sachliche Änderung darin, daß bei Nr. 2 zu Raub, räuberischer Diebstahl und räuberische Erpressung hinzugefügt sind (der Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform — durch den Ausschuß ist die (24)

Besonders schwere Brandstiftung (Wolff)

§307

Änderung hineingekommen, vgl. BT-Drucksache 7/1232 v. 26. Nov. 1973, S. 63 —, spricht allerdings insoweit lediglich von Klarstellung, BT-Drucksache 7/1261, S. 20); außerdem ist das Delikt Erregung eines Aufruhrs gestrichen worden. I. Das Verbrechen der besonders schweren Brandstiftung ist mit erhöhter Strafe 1 bedroht. Es liegt vor, wenn zu dem allgemeinen Tatbestand des § 306 einer der erschwerenden Umstände, die in § 307 Nr. 1 bis 3 aufgezählt sind, hinzukommt. Die Anwendung des § 307 setzt also voraus, daß alle Tatbestandsmerkmale des § 306 erfüllt sind. II. 1. Zu Nr. 1: Ein Mensch muß sich zur Zeit der Tat in einer der in Brand 2 gesetzten Räumlichkeiten befunden haben, ob rechtmäßig oder nicht, ist gleichgültig. Die Zeit der Tat wird durch den Zeitraum bestimmt, in dem der Täter handelt; d. h. durch das Inbrandsetzen, beginnend mit dem Anfang der Ausführung und endend mit der Vollendung {Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 4). An einem Aufenthalt in einer der Räumlichkeiten zur Zeit der Tat fehlt es, wenn ein nach Brandausbruch zur Brandstätte gekommener Feuerwehrmann bei den Löscharbeiten tödlich verunglückt. — Der Begriff Räumlichkeit umschließt hier sämtliche Tatgegenstände des §306; jedoch braucht sich der zu Tode gekommene Mensch nicht in dem angesteckten Teil des Gebäudes pp. aufgehalten zu haben. Der Brand muß den Tod eines Menschen verursacht haben, der sich zur frag- 3 liehen Zeit in einer der Räumlichkeiten befunden hat. Beide Voraussetzungen müssen zusammentreffen (RGSt. 5 202, 203). Das ist nicht der Fall, wenn der Getötete zunächst aus einem Gebäude, in dem er sich zur Zeit der Inbrandsetzung aufgehalten hatte, hinausgelaufen ist, zurückkehrt, um z. B. Personen oder Sachen zu retten, und nunmehr infolge des Brandes zu Tode kommt (RGSt. 5 202). Im übrigen ist der Tod eines Menschen nicht nur dann durch den Brand verursacht, wenn der Mensch verbrennt, sondern auch, wenn er im Rauch erstickt, durch von in Brand geratenen Sachen ausströhmende Dämpfe oder Gase vergiftet, durch einstürzendes Mauerwerk, einen herabfallenden Balken usw. erschlagen wird oder wenn er beim Herausspringen aus dem Fenster umkommt. Streitig ist, ob ein ausreichender Kausalzusammenhang vorliegt, wenn der Tod infolge eines durch den Brand hervorgerufenen Schreckens eintritt; die Frage ist zu bejahen (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 5; Olshausen Anm. 4; Dreher Rdn. 3; Maurach BT § 57 D 1; ablehnend Frank Anm. I 1). — Erleidet ein Mensch bereits durch den Zündstoff tödliche Verletzungen, ohne daß ein Brand eines Gebäudes pp. entsteht, so ist § 307 Nr. 1 ebenfalls anwendbar (BGHSt. 7 37 gegen RGSt. 40 321,325; vgl. aber auch bereits RG JW 1903 355; ausdrücklich offengelassen in BGHSt. 20 230, 231; das Problem ist umstritten; ablehnend z. B. Dreher Rdn. 3). Mit anderen Worten: die Strafschärfung in diesem Falle tritt nicht nur ein, wenn die Brandstiftung vollendet ist; Versuch genügt, wenn er zu dem qualifizierenden Erfolg geführt hat (Versuch des § 307 Nr. 1 hält für ausgeschlossen Maurach BT § 57 II D 1). Explodiert der von dem Täter verwendete Zündstoff, und führt die Explosion, ohne daß überhaupt ein Brand entsteht, zum Einsturz eines Hauses, durch den Bewohner umkommen, so ist § 307 Nr. 1 unanwendbar; die Tat fällt unter die §§306 Nr. 2, 22 und 311 (BGHSt. 20 230; a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 5). Der Täter braucht nicht zu wissen, daß sich ein Mensch in dem Brandstiftungs- 4 objekt aufhält. Jedoch muß nach § 18 der Tod mindestens fahrlässig herbeigeführt sein. Allerdings kann der Tod auch vom Vorsatz erfaßt sein; denn Totschlag wird (25)

§308

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

in § 307 Nr. 2 nicht erwähnt, umgekehrt ist die Brandstiftung nicht immer ein gemeingefährliches Mittel im Sinne des § 211 (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 7). Es kann demnach Tateinheit mit § 211 oder § 212 vorliegen, und zwar auch bei Versuch (RG GA 59 [1912] 338). 5

III. Zu Nr. 2: Die Vorschrift bezieht sich — auch in der geänderten Fassung — dem Wortlaut nach nur auf den Fall, daß die Brandstiftung zur Vorbereitung oder Erleichterung einer anderen Straftat — Mord, Raub, räuberischer Diebstahl, räuberische Erpressung — dienen soll. Sie ist jedoch dem Gesetzeszweck nach auch anwendbar, wenn die Brandstiftung nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Begehung eines der in Nr. 2 genannten Verbrechen ist. Daher fallen unter die Vorschrift Brandstiftungen, die in der Absicht ausgeführt werden, einen Menschen in den Flammen umkommen zu lassen, wenn also versuchter Mord und besonders schwere Brandstiftung nach § 307 Nr. 2 tateinheitlich zusammentreffen (für die alte Fassung: BGHSt. 20 246; Frank Anm. I 2; Maurach BT § 57 II D 2; a. A. Kohlrausch/Lange Anm. III; für die neue Fassung wie hier Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9; Dreher Rdn. 4; a. M. Lackner Anm. 2 b). Zur Vollendung der besonders schweren Brandstiftung nach § 307 Nr. 2 ist nicht erforderlich, daß der Mord usw. bereits in das Versuchsstadium getreten ist (BGHSt. 20 246, 247).

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IV. Zu Nr. 3: Erschwerend wirkt allein das Entfernen oder Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften, wenn damit das Löschen des Feuers verhindert oder erschwert werden soll, nicht dagegen das Beseitigen anderer Löschmittel oder von Rettungsgerät; ebensowenig wird erfaßt die Behinderung oder Ausschaltung der Löschmannschaft. Das Abstellen der Wasserleitung kann straferhöhender Umstand sein, wenn dadurch Löschgerät unbrauchbar wird (Frank Anm. I 3; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 10; Dreher Rdn. 5; Maurach BT § 57 II D 3; a. A. z. B. Olshausen Anm. 6). Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist anzunehmen, daß das Entfernen oder Unbrauchbarmachen eines einzigen Geräts genügt (Olshausen Anm. 6). Auf den Zeitpunkt kommt es nicht an; das Entfernen oder Unbrauchbarmachen kann dem Inbrandsetzen nachfolgen. Der Täter braucht dazu auch nicht in eigener Person tätig zu werden; er kann das Löschgerät durch einen Dritten entfernen lassen. Wem die Löschgeräte gehören, ist gleichgültig. Ebenso, ob das Löschen des Feuers tatsächlich erschwert oder verhindert worden ist.

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V. Auch wenn mehrere Qualifikationsmerkmale zusammentreffen, liegt nur eine besonders schwere Brandstiftung vor (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 10 a; demgegenüber befürworten Olshausen Anm. 7 und Dreher Rdn. 1 Tateinheit). Alternative Feststellung der qualifizierenden Umstände scheidet jedoch aus.

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VI. Zur tätigen Reue vgl. § 310. — Bei § 307 kann Führungsaufsicht angeordnet werden, § 325.

§308 Brandstiftung (1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer Gebäude, Schiffe, Hütten, Bergwerke, Magazine, Warenvorräte, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern, Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnis(26)

Brandstiftung (Wolff)

§308

sen oder von Bau- oder Brennmaterialien, Früchte auf dem Felde, Waldungen oder Torfmoore in Brand setzt, wenn diese Gegenstände entweder fremdes Eigentum sind oder zwar Eigentum des Täters sind, jedoch ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer einer der in § 306 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Räumlichkeiten oder einem der vorstehend bezeichneten fremden Gegenstände mitzuteilen. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Die Fassung fußt auf Art. 19 Nr. 166 EGStGB 1974; eine sachliche Änderung gegenüber der alten Fassung ist nicht eingetreten. I. In § 308, der einfachen Brandstiftung, sind zwei verschiedene Tatbestände 1 zusammengefaßt, nämlich die Inbrandsetzung bestimmter einerseits fremder, andererseits eigener oder herrenloser Sachen. Erstere ist, wenn sie sich auf die in § 308 aufgezählten Gegenstände bezieht, ohne jede Einschränkung als Brandstiftung strafbar (unmittelbare Brandstiftung), letztere nur dann, wenn eine Gefahr für eine der in § 306 bezeichneten Räumlichkeiten oder der in § 308 bezeichneten fremden Sachen entstanden ist (mittelbare Brandstiftung). Der erste Tatbestand ist demnach seinem Wesen nach ein Eigentumsdelikt, ein spezieller Fall der Sachbeschädigung, während der zweite Tatbestand ein abstrakt gefährliches Delikt ist (RGSt. 11 345, 346). — Der in § 308 aufgeführte Katalog ist von einer überholten Wirtschaftsordnung geprägt. Er erfaßt z. B. nicht Land- und Luftfahrzeuge oder Maschinen. Soweit nicht § 306 eingreift, bleibt in derartigen Fällen allein die Strafbarkeit aus §§ 303 ff. Wegen der deutlich unterschiedlichen Strafrahmen dieser Bestimmungen und des § 308 können im Einzelfall Ungereimtheiten entstehen. Andererseits sind z. B. bei dem Inbrandsetzen von fremden Früchten auf dem Felde, Hütten oder Bau- und Brennmaterialvorräten Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Strafrahmen des § 308 überzogen erscheinen. Inwieweit eine restriktive Auslegung des Tatbestandes helfen kann (so Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 1; vgl. auch RG JW 1937 997), erscheint zweifelhaft. Eine Neuabgrenzung von Sachbeschädigung und Brandstiftung wäre daher sehr wünschenswert. Vgl. dazu § 320 des Entwurfs 1960, der eine weitgehende Abkehr von der kasuistischen Regelung der Brandstiftungsdelikte vorsieht. II. Zum Begriff des Inbrandsetzens vgl. § 306 Rdn. 2. § 308 verwendet den 2 Begriff in übereinstimmender Bedeutung. III. Die möglichen Tatgegenstände der Brandstiftung sind in § 308 abschließend 3 aufgezählt. Es sind dies: 1. Gebäude und Hütten. Die Begriffe decken sich mit den in § 306 Nr. 2 verwen- 4 deten (RG Rspr. 10 151, 155). Vgl. dort Rdn. 6 und 7. 2. Schiffe. Nach heute wohl allgemeiner Meinung sind nur größere Wasserfahr- 5 zeuge hierherzuzählen. Das ergibt ein Vergleich mit den beiden zuerst erwähnten Tatobjekten des § 308, Gebäuden und Hütten; diese drei Gegenstände sind bereits früher zusammengestellt worden (vgl. RGSt. 17 179, 180 ff). Danach scheiden jedenfalls aus: Kähne, Ruder-, Falt- und offene Segelboote, die nur wenigen Personen Platz bieten; Motorboote entsprechender G r ö ß e ; Flöße. (27)

§308 6

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

3. Bergwerke.

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4. Magazine. Dabei handelt es sich um Räumlichkeiten, die dazu bestimmt sind, Vorräte von Waren, Kriegsbedarf, Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstände für längere Zeit aufzubewahren, mit Einschluß der in diesen Räumen befindlichen Vorräte (RGSt. 13 407; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1963 138, 139; Bedenken gegen den Einschluß auch der Vorräte äußert Frank Anm. II 5). Vom Gesetz sind nur magazinierte Vorräte von größerem Umfang und erheblichem Wert gemeint; ein zweirädriger Geräte- und Materialwagen einer Baufirma ist deshalb kein Magazin (BGH, Urt. v. 24. Nov. 1965 - 2 StR 410/65 - ) .

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5. Warenvorräte, welche auf dazu bestimmten öffentlichen Plätzen lagern. Für den Begriff des Vorrats sind zwei Merkmale wesentlich: Eine Menge von Gegenständen muß zum Zwecke künftiger Verwendung vereinigt sein (RGSt. 10 186; 28 39; 51 282, 285; 62 28). Bereits gebrauchte Gegenstände können einen Vorrat bilden, wenn sie zur weiteren Verwendung aufbewahrt werden. Stroh, welches als Strohdach oder Strohwand benutzt wird, stellt keinen Vorrat dar, da diese Benutzung nicht zum Zwecke künftiger Verwendung geschieht (RGSt. 28 39). — Die vorhandene Menge von Gegenständen muß eine gewisse Erheblichkeit haben (RGSt. 8 233; 10 186, 188; 51 282, 285; 62 28; RG JW 1937 997). Ob und wann eine Menge als erheblich angesehen werden kann, ist nach den Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen (RGSt. 62 28). Entscheidend ist eine an objektiven Maßstäben ausgerichtete Beurteilung, nicht die Vorstellungen des Eigentümers über Art und Dauer der Verwendung (RGSt. 13 218). Auf Warenvorräte findet § 308 nur Anwendung, wenn sie sich auf öffentlichen, d. h. allgemein zugänglichen, Lagerplätzen befinden. Um einen Platz zum Lagerplatz zu machen, ist eine entsprechende Zweckbestimmung erforderlich.

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6. Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder von Bau- oder Brennmaterialien. Zum Begriff Vorräte vgl. die vorhergehende Anmerkung. — Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind alle Rohprodukte der Ausnutzung des Grund und Bodens, bei deren Gewinnung dieser selbst seiner Substanz nach unverändert bleibt (RG JW 1906 791); also nicht Erde, Torf, Steine, Sand (RGSt. 39 22, 23). Von landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu unterscheiden sind forstwirtschaftliche Erzeugnisse, die in § 308 nicht mit aufgeführt und deshalb nur über Tatbestandsmerkmale wie Brenn- oder Baumaterialvorräte zu erfassen sind (RG JW 1937 997). Ohne Bedeutung ist, ob bei Hervorbringen der Bodenprodukte eine menschliche Tätigkeit mitgewirkt hat oder nicht. Hiernach sind zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen alle Feld- (z. B. Rüben - RG GA 40 [1892] 326), Wiesen- und Gartenfrüchte zu rechnen, insbesondere auch Heu und Stroh (RGSt. 8 233; 35 285) oder Rohr (RGSt. 27 14). Landwirtschaftliche Erzeugnisse verlieren diese Eigenschaft, wenn durch Verarbeitung oder sonstige Verwendung eine Veränderung ihrer Substanz eingetreten ist (RGSt. 39 22, 23 f; R G JW 1906 791). Infolgedessen ist ein Düngerhaufen kein landwirtschaftliches Erzeugnis (RG Rspr. 2 82). Dagegen behält Baumwolle, auch wenn sie bereits in den Handelsverkehr übergegangen und damit zur Ware geworden ist, den Charakter eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses, solange sie nicht verarbeitet ist (RGSt. 39 22, 25; vgl. auch RG JW 1906 791). Das hat Bedeutung deshalb, weil der Schutz durch § 308 für Vorräte landwirtschaftlicher Erzeugnisse weiter geht als für Warenvorräte (vgl. Rdn. 12). (28)

Brandstiftung ( W ö l f l )

§308

Als Baumaterialien werden nicht allein die zur Errichtung eines Bauwerks selbst 10 benutzten Stoffe, sondern auch Gerüst- und Schalbretter, zum Abstützen verwendete Balken, Bretter eines Bauzauns und ähnliches zu verstehen sein. Auch ein Stapel von zugeschnittenen Brettern und Balken, aus denen das Gerüst einer Jahrmarktsbude zusammengesetzt werden kann, kann hierher zu zählen sein (RGSt. 73 204, 206). Brennmaterialien sind z. B. Heizöl, Erdgas, Kohle, Holz (RG JW 1937 997), 11 Torf; aber auch ein zur Erzeugung von Holzkohle errichteter Holzstoß (RGSt. 62 28).

Vorräte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und von Bau- und Brennmateria- 12 lien sind im Gegensatz zu den Warenvorräten überall, auch auf dem Transport, geschützt (RGSt. 10 186, 187). 7. Früchte auf dem Felde. Damit sind im Rahmen der Feldwirtschaft angebaute 1 3 oder ohne Feldbau wachsende, aber landwirtschaftlich genutzte Pflanzen und Pflanzenteile gemeint (nach RG JW 1929 780 auch Fichten), nicht sonstige Bodenbestandteile wie Torf. Einen besonderen wirtschaftlichen Nutzen oder Wert brauchen die Früchte auf dem Felde nicht zu haben (RG GA 52 [1905] 389). Ebensowenig muß ein Vorrat gegeben sein; es genügen deshalb schon geringe Mengen (a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 7); doch reicht es beispielsweise keinesfalls, wenn eine Handvoll Ähren verbrannt wird (offen gelassen in RG GA 49 140, 141). U. a. in dieser Entscheidung ist besonders darauf hingewiesen, daß dem Gesetz der Gedanke zugrundeliegt, mit der Inbrandsetzung bestimmter Gegenstände, darunter der Früchte auf dem Felde, gehe die Vermutung gemeiner Gefahr einher, die den gegenüber §§ 303 ff strengeren Strafrahmen rechtfertige. Danach gehören Grasstoppeln, die beim Abmähen einer Wiese zurückgeblieben sind, zu den Früchten auf dem Felde (RGSt. 38 140); ebenso wildwachsendes Gras und Wiesengras (RG JW 1928 2464; OLG Celle NdsRpfl. 1952 57, 58; vgl. aber auch RG JW 1929 780). Die Früchte auf dem Felde verlieren diese ihre Eigenschaft nicht bereits mit der Trennung vom Boden. Die Eigenschaft bleibt solange bestehen, als sich die landwirtschaftlichen Produkte noch auf dem Feld befinden und dort nicht zur Aufbewahrung für längere Zeit aufgestapelt sind (RG GA 49 [1902] 140; BayObLG JW 1930 2970). Entscheidend ist, ob die Feldfrüchte abgeerntet (eingeheimst) sind (RGSt. 5 385, 386 f; 9 163). Sind sie es, so handelt es sich um landwirtschaftliche Erzeugnisse. 8. Waldungen. Waldung bedeutet dasselbe wie Wald. Für einen solchen ist kenn- 14 zeichnend — und damit erforderlich — eine erhebliche, zusammenhängende, ganz oder zum größten Teil mit Bäumen bestandene Bodenfläche. Jedoch gehören zum Wald nicht nur hochstämmige Bäume, sondern auch das zwischen diesen stehende Unterholz und der übrige Pflanzenwuchs (RG DJ 1934 913). Gleichfalls das abgefallene Laub (RGSt. 6 22). Eine Reihe einzeln stehender Waldbäume ist noch kein Wald (RGSt. 9 381; KG DJ 1934 913). Ebensowenig eine mit Walderzeugnissen (wie Buschwerk, Gras, Moos, Laub), aber nicht mit Bäumen bedeckte Grundfläche (in diesem Sinne könnte die Begriffsbestimmung in RGSt. 9 381, 382 verstanden werden; so weitgehend Olshausen Anm. 3 h; einschränkend Frank Anm. II 8). Der Wald kann durch Menschenhand oder auf natürliche Weise entstanden sein. Meist wird er der Holznutzung dienen, muß dies aber nicht (RGSt. 9 381). Vollendet ist das Delikt, wenn die Waldung in Brand gesetzt ist. Werden Walderzeugnisse ange(29)

§308

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

steckt, ist Vollendung dann gegeben, wenn sich das Feuer ohne weiteren Zündstoff auf Unterholz und Hochstämme ausdehnen kann (RGSt. 6 22; enger wohl Sch.Schröder [Cramer] Rdn. 8). Unter dieser Voraussetzung kann das Anzünden von Laub genügen (vgl. RGSt. 2 314; weitergehend wohl RG Rspr. 3 59, 60 0- Ist allein dürres abgebrochenes Holz in Brand gesetzt worden und das Feuer erloschen, ohne daß Unterholz oder Baumstämme in Brand geraten sind, scheidet § 308 aus (RG JW 1935 532). 15

9. Torfmoore. Das Moor kann stellenweise mit Heide bewachsen sein; in diesem Falle ist zugleich der Begriff Früchte auf dem Felde erfüllt (RG H R R 1939 Nr. 474).

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10. Alternative Einordnung unter gleichwertige Tatgegenstände ist möglich. So sind gleichwertig Gebäude und Hütte (RG LZ 1916 Sp. 246), Vorrat von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Vorrat von Baumaterialien (RGSt. 35 285, 287); als gleichwertig sind auch behandelt worden eine Hütte und ein Vorrat von Baumaterialien (RGSt. 73 204, 206); Früchte auf dem Felde und Torfmoor (RG H R R 1939 Nr. 474).

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IV. Unmittelbare Brandstiftung. Die genannten Gegenstände sind als fremdes Eigentum ohne Einschränkung gegen Inbrandsetzung geschützt. Fremdes Eigentum sind sie, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters stehen (RGSt. 11 345, 348 ff). Fremdes Eigentum besteht daher, wenn der Täter Miteigentümer oder Gesamthandsberechtigter ist.

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V. Mittelbare Brandstiftung. Bei der mittelbaren Brandstiftung ist entscheidend die durch die Beschaffenheit und Lage der Tatgegenstände bedingte gemeine Gefahr; entgegen dem Gesetzeswortlaut („oder zwar Eigentum des Täters sind") ist kein Tatbestandsmerkmal, daß die in Brand gesetzten Gegenstände dem Täter zu Eigentum gehören (RG DJ 1940 549), die Bestimmung ist vielmehr auch auf herrenlose Sachen zu beziehen (RG GA 41 [1893] 33; RG JW 1930 924 (Nr. 33); Sch.Schröder [Cramer] Rdn. 13, 14).

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Die Gegenstände müssen ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sein, das Feuer auf eines der Schutzobjekte des § 306 oder auf die Tatgegenstände des § 308, soweit sie in fremden Eigentum stehen, zu übertragen. Beschaffenheit und Lage müssen zusammentreffen; eines allein genügt nicht. Dabei kommt es auf die abstrakte, nicht auf die konkrete Gefahr der Feuerübertragung an (BGH NJW 1951 726; a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 13 a). Deshalb ist die zur Zeit des Brandes herrschende Windrichtung z. B. ohne Bedeutung (RG JW 1928 412; RG JW 1929 2736; RG JW 1930 924 (Nr. 31); RG JW 1934 171). Diese Gefahr ist vom in Brand gesetzten Objekt her zu beurteilen, nicht von den benachbarten Gegenständen aus zu sehen (BGH NJW 1951 726; a. M. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 13 a). Dabei ist der Standpunkt eines vorausschauenden objektiven Betrachters zugrundezulegen (RG JW 1928 412; RG JW 1934 171; OLG Celle NdsRpfl. 1952 57, 58), eine rückschauende Betrachtungsweise ist unzulässig.

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Fehlt es an einer derartigen Gefahr für die im Gesetz bezeichneten Räumlichkeiten und Gegenstände, so ist das Inbrandsetzen eigener Gebäude, Hütten, Schiffe usw. im Sinne des § 308 straflos. Stiftet der Eigentümer einen anderen zur Brandlegung an einem möglichen Tatgegenstand des § 308 an und besteht keine Gefahr, wie sie die mittelbare Brandstiftung erfordert, bleiben beide straflos; für den Täter (30)

Brandstiftung ( W o l f f )

§308

liegt zwar eine fremde Sache vor, so daß unmittelbare Brandstiftung in Betracht kommt, doch wirkt die Einwilligung des Eigentümers für ihn rechtfertigend (RGSt. 12 138; RG GA 41 [1893] 33; BGH, Urt. v. 9. Jan. 1953 - 1 StR 652/52 - ; vgl. zur Einwilligung als Rechtfertigungsgrund bei der unmittelbaren Brandstiftung auch RGSt. 11 345, 348). Ist in diesem Falle die gemeine Gefahr zu bejahen, so ist auch der Täter wegen mittelbarer Brandstiftung zu bestrafen, da es, wie erwähnt, nicht darauf ankommt, daß er Eigentümer des Tatgegenstandes ist (RG DJ 1940 549; OLG Celle NdsRpfl. 1952 57). — Willigen bei der mittelbaren Brandstiftung der oder die Eigentümer der gefährdeten Sachen ein, so wird, wenn nicht Räumlichkeiten im Sinne von § 306 Nr. 1 bis 3 in Frage stehen, gleichfalls Rechtfertigung anzunehmen sein (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 14 a). VI. Subjektiv muß Vorsatz gegeben sein. Bedingter Vorsatz genügt (RGSt. 6 22, 21 23). Dabei muß der Täter im ersten Fall des § 308 wissen, daß die in Brand gesetzte Sache fremdes Eigentum ist. Hält er sie irrtümlich für seine eigene, kommt, wenn auch mittelbare Brandstiftung ausscheidet, nur fahrlässige Brandstiftung in Frage (RG DJ 1940 549). — Der Vorsatz, eine Waldung in Brand zu setzen, ist nicht vorhanden, wenn der Täter nur einen einzelnen Strauch oder Baum anzünden will (RGSt. 6 22, 23; BGHSt. 18 363, 365). Im zweiten Fall des § 308 muß der Täter wissen, daß die in Brand gesetzte Sache 22 nach Lage und Beschaffenheit geeignet ist, das Feuer den im Gesetz genannten Räumlichkeiten und Gegenständen mitzuteilen. Da es, wie oben dargelegt, auf die abstrakte Gefahr ankommt, braucht der Täter auch allein die abstrakte Eignung zur Feuerübertragung zu kennen. Deshalb ist der Vorsatz nicht ausgeschlossen, wenn sich der Täter bereits beim Inbrandsetzen vorgenommen hat, alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Weiterverbreitung des Feuers zu treffen, dies auch tut und daher glaubt, die konkrete Gefahr der Feuerausdehnung gebannt zu haben (a. A. OLG Celle NdsRpfl. 1952 57, 58). Fehlt die Kenntnis von der erwähnten Eignung, so kommt fahrlässige Brandstiftung in Betracht. Der Irrtum über die Eigentumslage ist ohne Bedeutung, wenn der in Brand 23 gesetzte Gegenstand geeignet ist, das Feuer im Sinne der mittelbaren Brandstiftung weiterzugeben (RG DJ 1940 549). Ein Irrtum des Täters über die Einwilligung des Eigentümers schließt die Bestrafung im ersten Falle des § 308 aus, dagegen nicht im zweiten Fall, sofern die Brandstiftung durch den Eigentümer gleichfalls strafbar wäre (RG GA 73 [1928] 175). Ein Irrtum bezüglich der in § 308 aufgezählten Gegenstände ist unerheblich, wenn sie — wie z. B. bei einem Vorrat von landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder von Baumaterialien — gleichwertig sind (RGSt. 35 285; Olshausen Anm. 7). VII. Für minder schwere Fälle sieht Absatz 2 einen milderen Strafrahmen vor. — 24 Zur tätigen Reue vgl. § 310. VIII. Konkurrenzen. 1. Unmittelbare Brandstiftung: Tateinheit ist möglich mit 25 § 265 (RGSt. 60 129; BGH JR 1977 390); mit § 222 (BGHSt. 23 60, 64); § 304; §§306, 307 (RGSt. 64 273, 279; RG JW 1929 2736; RG Recht 1930 Nr. 2118); § 309; §311 (BGH, Urt. v. 6. Juni 1973 - 2 StR 535/72 - ) . Dagegen treten die §§303 und 305 zurück, soweit es um den inbrandgesetzten Gegenstand geht; anders, wenn der angezündete Gegenstand, z. B. eine Baubude (Hütte) andere Dinge, nämlich das darin aufbewahrte Arbeitsgerät, umschließt, dann ist Idealkon(31)

§309

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

kurrenz gegeben (RG JW 1935 2372). §§ 125, 125 a werden verdrängt, sofern nicht § 308 Abs. 2 eingreift. — Zum Verhältnis zu § 310 a vgl. dort 26

2. Mittelbare Brandstiftung: Idealkonkurrenz ist denkbar mit § 265 (RGSt. 60 129); §§ 303, 304; § 305 (RGSt. 57 294, 296); mit § 311. Tateinheit zwischen § 306 und mittelbarer Brandstiftung ist gegeben, wenn durch dieselbe Handlung mehrere Gegenstände vorsätzlich in Brand gesetzt werden, von denen die einen zu den in § 306, die anderen zu den in § 308 2. Altern, bezeichneten gehören (RGSt. 64 273, 279; R G J W 1929 2736; RG HRR 1930 Nr. 1296; RG Recht 1930 Nr. 2118; BGH, Urt. v. 30. Nov. 1965 — 1 StR 342/65 —). Setzt der Täter dagegen ein unbewohntes Gebäude in Brand, um dadurch den Brand eines weiteren, bewohnten Gebäudes zu erreichen, so tritt § 308 2. Altern, als Gefährdungsdelikt gegenüber dem § 306 Nr. 2 als Verletzungsdelikt zurück; je nachdem, ob der gewollte Erfolg eintritt oder nicht, ist § 306 dabei vollendet oder nur versucht (RG JW 1938 505). §§ 125, 125 a werden verdrängt, soweit nicht § 308 Abs. 2 eingreift. — Vgl. außerdem bei § 310 a.

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3. Für Idealkonkurrenz zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Brandstiftung Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 21. — § 308 wird teilweise durch Landesrecht ergänzt. Zur Fortgeltung der VO zum Schutze der Wälder, Moore und Heiden gegen Brände v. 25. Juni 1938 — RGBl. I 700 - vgl. KG NJW 1976 1465.

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IX. Nach § 325 (vgl. dort) ist die Anordnung von Führungsaufsicht möglich.

§309 Fahrlässige Brandstiftung Wer einen Brand der in den §§ 306 und 308 bezeichneten Art fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn durch den Brand der Tod eines Menschen verursacht wird, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 309 ist durch Art. 19 Nr. 167 EGStGB 1974 in der Strafandrohung gemildert worden. 1

I. Der äußere Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung ist erfüllt, wenn eines der in § 306 oder § 308 — trotz des gesetzlichen Wortlauts „und" (OLG Braunschweig NdsRpfl. 1963 138) — angeführten Objekte (vgl. bei diesen Bestimmungen) in Brand gesetzt wird. Ist keiner dieser Räume oder Gegenstände Objekt der Tat, so liegt nur (straflose) fahrlässige Sachbeschädigung vor (Maurach BT § 57 II E 1).

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Der Ausdruck einen Brand verursachen in § 309 hat dieselbe Bedeutung wie in Brand setzen in den §§ 306, 308 (RGSt. 4 22, 23; 7 131, 132). In allen diesen Fällen ist erforderlich, daß der vom Feuer ergriffene Gegenstand auch nach Entfernen oder Erlöschen des Zündstoffs selbständig weiterbrennen kann (vgl. näher § 306 Rdn. 2). Es kommt also auf Verursachung an (BayObLGSt. 1959 175). Der Täter braucht jedoch für den Brand nicht die alleinige Ursache gesetzt zu haben (RGSt. 6 146); selbst das vorsätzliche Handeln eines Dritten, das dazwischen tritt, unterbricht den Ursachenzusammenhang nicht (RGSt. 61 318). Bewirkt jemand aber (32)

Fahrlässige Brandstiftung ( W o l f f )

§309

durch ein vor dem Brandausbruch liegendes Verhalten — z. B. eine bestimmte Baumaßnahme —, daß ein dann nicht von ihm fahrlässig hervorgerufener Brand eine stärkere Wirkung erhält, als es ohne sein Verhalten geschehen wäre, so ist dieses Handeln für den Brand nicht ursächlich geworden, § 309 ist nicht anwendbar (BayObLGSt. 1959 175). Tatbestandserfüllung durch Unterlassen ist möglich (vgl. § 306 Rdn. 2). Zu dem 3 dabei auftretenden Problem der Kausalität vgl. RGSt. 75 49. — Zu beachten ist, daß ein fahrlässig hervorgerufener Brand eine Garantenpflicht aus vorangegangenem gefährdenden Tun zur Folge haben kann; unterläßt der Täter dann Löschmaßnahmen, kann ihm eine vorsätzliche Brandstiftung vorzuwerfen sein (RGSt. 60 77; vgl. näher Klussmann MDR 1974 187). II. Für die Fahrlässigkeit gelten die allgemeinen Grundsätze. — Als Beispiele für 4 fahrlässige Brandstiftung seien erwähnt: Anfertigung eines Bauplans unter Vorschreiben eines nichtfeuerfesten Baumaterials, ohne daß die notwendige Ummauerung von Rauchrohren vorgesehen ist (BayObLGSt. 1958 217); Verlegung eines Holzbalkens in der Nähe eines Rauchrohrs bei Errichtung eines Hauses (RGSt. 9 152); der Bau und das Beziehenlassen einer feuergefährdeten Dachwohnung (RGSt. 61 318); Schweißen ohne ausreichende Sicherungsmaßnahmen (AG Köln BB 1957 1018); dazu gehört, daß bei Schweißarbeiten in der Nähe von Fachwerkbalken die gefährdeten Stellen nach Beendigung der Arbeiten solange beobachtet werden müssen, bis an ihnen eine Übertemperatur nicht mehr wahrgenommen werden kann (BGH, Urt. v. 14. Nov. 1973 - 2 StR 275/73 - ) ; das Deklarieren von Phosphor, der per Schiff versandt werden soll, als ungefährliche Ladung, so daß die Behälter ohne besondere Sicherungsmaßnahmen verstaut werden (RG Recht 1924 Nr. 719); Verbrennen von Unkraut auf einem von Wald umgebenen Acker, auch wenn die Abstände der Waldschutz VO (RGBl. 1938 I 700) eingehalten sind (BGH LM StGB § 309 Nr. 1); Umgang mit offenem Feuer in der Nähe von leicht brennbaren Flüssigkeiten oder Gegenständen (RGSt. 40 321; RG Rspr. 4 428; KG JW 1932 2047); Umgang mit offenem Feuer in einem Pferdestall (RG HRR 1939 Nr. 1560); das Verbringen von leicht brennbaren Dingen in die Nähe eines geheizten Ofens (RG Rspr. 4 72); unbeaufsichtigtes Brennenlassen eines elektrischen Heizofens in einem Büroraum (OLG Hamburg NJW 1953 117); achtloses Fortwerfen eines brennenden Streichholzes (RG GA 40 [1892] 326); unter Umständen der Verkauf von Streichhölzern an kleine Kinder (RGSt. 76 1,2). — Die Verletzung von feuerpolizeilichen Vorschriften (RGSt. 76 1) oder Unfallverhütungsvorschriften (BayObLG OLGSt. Bd. 2 § 309 Nr. 1) begründet für sich allein den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht (mißverständlich OLG Oldenburg NdsRpfl. 1956 207). III. Eine Qualifizierung bedeutet es, wenn durch den Brand, den durch die 5 Inbrandsetzung eines der in §§ 306, 308 aufgezählten Tatgegenstände herbeigeführten Erfolg (RGSt. 40 321, 323), der Tod eines Menschen verursacht worden ist und den Täter auch insoweit (§ 18) der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft. Dabei ist es, sofern es zu einem Brand kommt, gleichgültig, in welcher Phase des Inbrandgeratens eines der Tatgegenstände des § 306 oder § 308 die Ursache für den Tod eines Menschen gesetzt worden ist (RG JW 1903 355; anders RGSt. 40 321; dagegen aber BGHSt. 7 37). Bleibt ein Brand aus, so ist § 309 unanwendbar; es kommt lediglich fahrlässige Tötung in Betracht. Der erforderliche Kausalzusammenhang liegt vor, wenn der Getötete ein brennendes Gebäude bereits verlassen hatte, aber wieder (33)

§310

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

zurückgekehrt war, um Sachen oder andere Personen zu retten, und dabei umgekommen ist (RGSt. 5 202). Die Frage ist hier also anders zu entscheiden als im Rahmen des § 307 Nr. 1 (vgl. dort Rdn. 3). 6

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IV. Konkurrenzen. Setzt der Täter durch eine Handlung mehrere unter § 306 oder § 308 fallende Gegenstände in Brand und handelt er teils vorsätzlich, teils fahrlässig, so ist Tateinheit zwischen § 309 und § 306 oder § 308 (in beiden Alternativen) möglich (RG H R R 1930 Nr. 1296); Tateinheit ebenfalls mit § 303 denkbar (RGSt. 54 1). § 222 tritt gegenüber dem qualifizierten Fall des § 309 zurück. Zum Verhältnis zu § 310 a vgl. dort. V. Zum Beginn der Verjährung bei der fahrlässigen Brandstiftung vgl. bei § 78 a.

§310 Tätige Reue Hat der Täter den Brand, bevor derselbe entdeckt und ein weiterer als der durch die bloße Inbrandsetzung bewirkte Schaden entstanden war, wieder gelöscht, so wird er nicht wegen Brandstiftung bestraft. Die Vorschrift ist bis auf die hinzugefügte Überschrift (Art. 19 Nr. 207) durch das EGStGB 1974 nicht verändert worden.

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I. §310 tritt neben die allgemeinen Rücktrittsvorschriften (vgl. §§24, 31) und bietet dem Täter unter bestimmten Voraussetzungen Straflosigkeit bei vollendetem Delikt (RGSt. 40 321, 323 0- Es handelt sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund; dieser wirkt bei mehreren Tatbeteiligten also nur für den Täter oder Teilnehmer, der mit gelöscht hat. § 310 gilt sowohl für die vorsätzliche als auch für die fahrlässige (RGSt. 19 394, 395; OLG Hamburg NJW 1953 117) Brandstiftung. Statt der früheren Fassung „so tritt Straflosigkeit ein" heißt es seit der Neufassung vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 839) „so wird er nicht wegen Brandstiftung bestraft". Damit ist klargestellt, daß §310 auf die Strafbarkeit nach § 3 1 0 a ohne Einfluß (BGH LM StGB § 310 a Nr. 1) und ein mit der Brandstiftung begangenes weiteres Delikt trotz tätiger Reue strafbar bleibt; so z. B. Versicherungsbetrug (RGSt. 56 95; a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9) oder Sachbeschädigung. Maurach (BT § 57 II F 4) weist aber zutreffend darauf hin, daß dann, wenn bezüglich der Brandstiftung § 310 eingreift, bei den bestehenbleibenden Nebentatbeständen häufig § 46 (jetzt § 24) anwendbar sein wird.

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II. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 310 ist, daß drei verschiedene Tatsachen zusammentreffen: 1. der Brand darf noch nicht entdeckt sein, 2. darf ein weiterer als der durch die Inbrandsetzung hervorgerufene Schaden noch nicht entstanden sein, 3. muß der Täter den Brand gelöscht haben.

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1. Der Brand ist entdeckt, wenn ein unbeteiligter Dritter, von dem eine Verhinderung der Tat oder eine Anzeige zu erwarten ist, ihn ohne Zutun des Täters wahrnimmt (RGSt. 1 375, 377; RG GA 39 [1891] 330, 331). Unbeteiligt ist der (34)

Tätige Reue (Wolff)

§309

Dritte, wenn er weder Teilnehmer noch Mitwisser ist (RGSt. 1 375, 377). Zur Entdeckung genügt nicht bereits das Wahrnehmen des Feuerscheins oder der Rauchentwicklung (RG H R R 1930 Nr. 847; anders möglicherweise RG GA 39 [1891] 330, 331) durch einen Dritten; andererseits ist nicht erforderlich, daß die Brandstiftung entdeckt ist {Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 3). Zieht der Täter dritte Personen zum Löschen hinzu, so bedeutet das nicht, daß der Brand damit durch diese Personen im Sinne der Bestimmung entdeckt ist (RGSt. 1 375, 377). — Fühlt sich der Täter nicht entdeckt und löscht den Brand erfolgreich, so kommt ihm der Strafaufhebungsgrund zugute, auch wenn er durch einen Außenstehenden beobachtet worden war (Maurach BT § 57 II F 2; a. A. RGSt. 1 375, 377). Hat der Täter vor der Entdekkung des Brandes durch einen Dritten bereits mit Löschen begonnen und führt das dann unter Mithilfe des hinzugekommenen Dritten fortgesetzte Bekämpfen des Feuers zum Erfolg, so kommt dem Täter § 310 zugute (RG HRR 1930 Nr. 847). 2. Für den Begriff des weiteren Schadens, der Sach- und Personenschaden umfas- 4 sen kann (Olshausen Anm. 3 unter Hinweis auf die Motive; Sch.-Schröder[Cramer] Rdn. 4 b), kommt es darauf an, ob das Feuer einen erheblich größeren Umfang gewonnen hat, als zum selbständigen Weiterbrennen erforderlich war. Es muß also nach dem Zeitpunkt, in dem die vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung vollendet war, das Feuer weiter um sich gegriffen und hierdurch Schaden angerichtet haben, der nach den Umständen des Falles erheblich anzusehen ist (RGSt. 1 375, 378; 57 294, 295; OLG Hamburg NJW 1953 117; OLG Hamm NJW 1963 1561; auf das Merkmal der Erheblichkeit verzichten Frank Anm. I; Olshausen Anm. 3; ob damit tatsächlich eine Einschränkung gemeint ist, bleibt zweifelhaft). Es genügt, wenn der weitere Schaden im selben Raum entsteht, in dem sich der Brandherd befindet (OLG Hamburg NJW 1953 117). Der durch das Löschen verursachte Schaden ist ohne Belang {Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 4 d). Kommt es, wie z. B. bei § 306 Nr. 2, auf das Inbrandsetzen eines Gebäudes an, so bleibt bei der Beurteilung, ob ein weiterer Schaden eingetreten ist, außer Betracht, ob und welche Einrichtungsgegenstände verbrannt sind (RGSt. 57 294, 295). Cramer {Sch.-Schröder Rdn. 4) ist darin zuzustimmen, daß es für die Erheblichkeit des weiteren Schadens nicht immer auf die wirtschaftliche Bedeutung ankommt; denn z. B. bei § 308 sind Tatgegenstände erfaßt, die nicht notwendig einen besonderen wirtschaftlichen Wert verkörpern müssen. Bei der mittelbaren Brandstiftung nach § 308 genügt, daß der weitere Schaden an den eigenen Sachen des Täters entstanden ist, um die Anwendbarkeit von §310 auszuschließen (Dreher Rdn. 2; a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 4 c). Das Oberlandesgericht Oldenburg (NJW 1969 1778) hat dies zu Recht aus dem Umstand gefolgert, daß es sich bei § 308 Abs. 1 2. Altern, um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. — Bei der Frage, ob ein erheblicher weiterer Schaden eingetreten ist, ist dem Tatrichter weitgehende Ermessensfreiheit eingeräumt (RGSt. 57 295 f; OLG Hamburg NJW 1953 117). 3. Der Täter — zu ergänzen ist über den Gesetzeswortlaut hinaus: und Teilneh- 5 mer — hat den Brand gelöscht, wenn er das Feuer durch seine eigene Tätigkeit mit Erfolg bekämpft hat. Sein Motiv dafür ist unerheblich; auch Angst vor Strafe kommt ihm zugute. Nicht erforderlich ist, daß der Täter die Löscharbeiten allein oder überhaupt mit eigener Hand verrichtet (RGSt. 1 375, 376; 19 394, 395; 57 294, 296; RG LZ 1931 Sp. 1334; s. auch OLG Hamm NJW 1963 1561). Er bleibt auch dann straflos, wenn er mit fremder Hilfe das Feuer löscht oder wenn er sich darauf beschränkt, rechtzeitig Hilfe anderer zu holen. Das Löschen durch andere Personen (35)

§ 310 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

muß aber nicht nur auf die Tätigkeit, sondern auch auf den Willen des Täters zurückzuführen sein; dem Vorsatz auf Brandstiftung muß ein auf das Löschen gerichteter Vorsatz gegenübertreten (RG JW 1930 3412). Bei fahrlässiger Brandstiftung braucht der Täter nicht erkannt zu haben, daß er den Brand verschuldet hat, um in den Genuß der Straflosigkeit zu kommen (RGSt. 19 394, 395). Hat der Täter den Entschluß, den Brand zu löschen, nicht ausführen können, weil der Brand von selbst erloschen ist, so soll nach RG JW 1928 508 § 310 nicht anwendbar sein. Doch wird in diesem Falle das freiwillige und ernsthafte Bemühen um das Löschen des Brandes entsprechend § 24 Abs. 1 S. 2 dem Erfolg gleichzustellen sein (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 5; Dreher Rdn. 4; Maurach BT § 57 II F 3). Dagegen genügt die bloße Absicht zu löschen nicht, mag sie auch bereits vor Brandlegung vorhanden gewesen sein (RGSt. 18 355; BGHSt. 23 60, 63).

§ 310 a Herbeiführen einer Brandgefahr (1) Wer 1. feuergefährdete Betriebe und Anlagen, insbesondere solche, in denen explosive Stoffe, brennbare Flüssigkeiten oder brennbare Gase hergestellt oder gewonnen werden oder sich befinden, sowie Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft, in denen sich Getreide, Futter- oder Streumittel, Heu, Stroh, Hanf, Flachs oder andere land- oder ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse befinden, 2. Wald-, Heide- oder Moorflächen, bestellte Felder oder Felder, auf denen Getreide, Heu oder Stroh lagert, durch Rauchen, durch Verwenden von offenem Feuer oder Licht oder deren ungenügende Beaufsichtigung, durch Wegwerfen brennender oder glimmender Gegenstände oder in sonstiger Weise in Brandgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Verursacht der Täter die Brandgefahr fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Die Neufassung, die — abgesehen von einer Milderung des Strafrahmens — keine sachliche Änderung bedeutet, folgt aus Art. 19 Nr. 168 EGStGB 1974.

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I. Die Vorschrift ist durch Gesetz vom 28. Juni 1935 — RGBl. I 839 — (vgl. dazu Schäfer JW 1935 2478, 2481) in das StGB eingefügt worden und beschränkte sich zunächst auf den Schutz von Wald-, Heide- und Moorflächen. Anlaß waren zahlreiche Waldbrände im Jahre 1934 gewesen. Durch Gesetz vom 4. September 1941 — RGBl. I 549 — ist sie auf volkswirtschaftlich besonders wichtige, feuergefährdete Betriebe und Anlagen einschließlich landwirtschaftlicher Betriebe und Anlagen ausgedehnt worden (s. dazu Schmidt-Leichner DR 1941 2145, 2149 f)- Bedenkt man die Entstehungsgeschichte und -zeit der Vorschrift, erscheint es sehr zweifelhaft, ob das geschützte Rechtsgut allein in der Sicherheit der Allgemeinheit vor einer Gemeingefahr (so Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 1) zu sehen ist, nicht auch in der Volks- und Ernährungswirtschaft (so Rietzsch in Pfundtner/Neubert Das neue Deutsche Reichsrecht II c 6 S. 169, 183 Anm. 1; Schmidt-Leichner DR 1941 2145, 2149 f)Bei dem Herbeiführen einer Brandgefahr handelt es sich um ein konkretes Gefähr(36)

Herbeiführen einer Brandgefahr ( W o l f f )

§310 a

dungsdelikt. Große praktische Bedeutung hat die Bestimmung nicht erlangt (so auch Martin LM StGB § 310 a Nr. 2). Die in Nummer 2 aufgezählten Gefährdungshandlungen gelten auch für die in Nummer 1 angeführten Schutzobjekte; sie sollten daher redaktionell ausgerückt werden. II. Die Vorschrift soll für die geschützten Gegenstände den Eintritt einer konkre- 2 ten Brandgefahr verhindern. Das Herbeiführen einer derartigen Brandgefahr ist auf jede Weise — durch Tun oder Unterlassen — möglich; das Gesetz zählt beispielhaft auf: Rauchen, das Verwenden oder ungenügende Beaufsichtigung von offenem Licht oder Feuer, das Wegwerfen brennender oder glimmender Gegenstände. Ein solches Verhalten ist nicht schlechthin verboten. Vielmehr muß dem Täter nachgewiesen werden, daß er durch seine Handlungsweise eines der geschützten Objekte in eine solche Gefahr gebracht hat, daß nach den obwaltenden Umständen die begründete Besorgnis besteht, es könne ein Brand eintreten (BGH, Urt. v. 2. März 1971 — 5 StR 585/70 —). — Das Inbrandgefahrbringen kann allerdings nicht mit denselben Umständen begründet werden, aus denen die Feuergefährlichkeit abgeleitet wird (BGHSt. 5 190, 197). III. 1. Mögliche Tatobjekte sind zum einen feuergefährdete Betriebe und Anla- 3 gen. Auch hier zählt das Gesetz Beispiele auf. Danach gehören zu den feuergefährdeten Betrieben solche, die mit Sprengstoffen, Treibstoffen und brennbaren Gasen arbeiten oder sie produzieren; so ein Betrieb, der pyrotechnische Artikel herstellt (RGSt. 77 120, 121). Der Bundesgerichtshof (BGHSt. 5 190) hat die gesetzlichen Beispiele dahin verallgemeinert, daß als feuergefährdete Betriebe und Anlagen anzusehen sind, „die deshalb einer erhöhten, d. h. über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Brandgefahr ausgesetzt sind, weil die vorhandenen Erzeugnisse oder Vorräte entweder sich leicht von selbst entzünden oder aber leicht Feuer fangen und einmal vom Feuer erfaßt, „wie Zunder" brennen ( . . . ) . Dabei spielen neben dem Grad der Selbstentzündlichkeit oder Feuerempfänglichkeit auch die Menge der Erzeugnisse oder Vorräte und die Art ihrer Lagerung eine Rolle." Daneben sind nach dieser Entscheidung solche Betriebe und Anlagen als feuergefährdet einzustufen, „die wegen anderer ihnen anhaftender Eigenschaften besonders leicht in Brand geraten können ( . . . ) oder bei denen wegen solcher Eigeschaften ein einmal ausgebrochener Brand ungewöhnlich schnell um sich greift und deshalb nur selten mit Erfolg bekämpft werden kann." Als mögliche derartige Eigenschaften werden erwähnt: besondere bauliche Beschaffenheit (leichte Holzbauweise z. B.) oder gefährliche Produktionsverfahren wie Arbeit mit offenem Feuer oder das Zusammentreffen dieser beiden Gegebenheiten. Jedoch ist nicht jedes in Holz errichtete Gebäude allein deswegen als feuergefährdet anzusehen. Zu den leicht Feuer fangenden Gegenständen gehört z. B. nicht gelagertes Grubenholz (KG DJZ 1928 Sp. 1091). Anhaltspunkte können die Maßstäbe von Gewerbeaufsichtsbehörden, Berufsgenossenschaften und Feuerversicherung für feuergefährdete Betriebe geben. Nach Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 3 (so auch bereits Rietzsch in Pfundtner/Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht II c 6 S. 184 Anm. 2) gehören zu den feuergefährdeten Betrieben auch Theater und Kinos. — Es genügt, daß ein Teil des Betriebs derart feuergefährdet ist, sofern er mit den übrigen Teilen der Gesamtanlage in einem so engen räumlichen Zusammenhang steht, daß ein dort ausgebrochenes Feuer auf die Gesamtanlage übergreifen muß, falls es nicht ausnahmsweise gelingt, das Feuer schon im Keime zu ersticken (BGHSt. 5 190, 195); anders könnte (37)

Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie ( W o l f f )

§ 310 b

es sein, wenn nur ein verhälnismäßig kleiner und unbedeutender Teil einer erhöhten Brandgefahr ausgesetzt wird. 4

2. Für die Anlagen oder Betriebe der Land- oder Ernährungswirtschaft kommt es auf eine besondere Feuergefährdung nicht an; auch wenn sie meist brandgefährdet sein werden. Zum Begriff landwirtschaftliche Erzeugnisse vgl. § 308 Rdn. 9. — Zu den Merkmalen Wald-, Heide- und Moorflächen sei auf § 308 Rdn. 14, 15 verwiesen.

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3. In wessen Eigentum sich die gefährdete Sache befindet, ist unerheblich; der Täter kann selbst Eigentümer sein (Rietzsch in Pfundtner/Neubert Das neue Deutsche Reichsrecht II c 6 S. 184 Anm. 5). Die Einschränkung, die bei der mittelbaren Brandstiftung nach § 308 im Gesetz vorgesehen ist, gilt für § 3 1 0 a nicht (OLG Schleswig SchlHA 1955 99, 100; a. A. Sch.-Schröder [CramerJ Rdn. 3). Wortlaut und Sinn der Vorschrift bieten für diese Meinung keinen Anhalt. Auch ist es nicht ausgeschlossen, den Anwendungsbereich des Gefährdungsdelikts weiter zu ziehen als den des Verletzungsdelikts, zumal sich in § 310 a und § 308 die Schutzobjekte nicht vollständig decken.

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IV. Die Gefährdung kann vorsätzlich (Absatz 1) oder fahrlässig (Absatz 2) herbeigeführt werden. Die Annahme von Fahrlässigkeit setzt die Voraussehbarkeit des Eintritts einer konkreten Gefährdung voraus. Ein Verstoß gegen z. B. das Rauchen an bestimmten Orten verbietende landesrechtliche Vorschriften bedeutet noch nicht Fahrlässigkeit im Rahmen des § 310 a.

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V. Konkurrenzen. Ist ein Brand entstanden, so wird § 310 a als Gefährdungsdelikt von den §§ 306 ff als Verletzungsdelikten verdrängt. Greifen letztere Vorschriften, z. B. wegen tätiger Reue nach § 310, im Einzelfalle nicht durch, so ist § 310 a anzuwenden (BGH NJW 1951 726; OLG Celle NdsRpfl. 1952 57, 58; OLG Schleswig SchlHA 1955 99, 100; a. M. Sch.-Schröder [Cramer]Rdn. 8). - § 310 a seinerseits verdrängt landesrechtliche Brandverhütungsvorschriften; vgl. § 308 Rdn. 27.

§ 310 b Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie (1) Wer es unternimmt, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeizuführen und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) Wer durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeiführt und dadurch fahrlässig eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert verursacht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe bei Taten nach Absatz 1 lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, bei Taten nach Absatz 2 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (38)

Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie (Wolff)

§ 310

b

I. Die Bestimmung ist durch Art. 19 Nr. 169 EGStGB 1974 in das Strafgesetz- 1 buch eingefügt worden; sie entspricht dem § 40 AtomG a. F. mit Ausnahme des in Anlehnung an § 311 Abs. 5 hinzugefügten Absatzes 4. § 40 AtomG a. F. ist zugleich aufgehoben worden (Art. 192 EGStGB 1974). Damit hat der Gesetzgeber wie bereits zuvor bei § 311 entsprechend § 322 E StGB 1960 und § 322 E StGB 1962 das Delikt wegen seiner Bedeutung in das Strafgesetzbuch eingestellt (vgl. Begr. z. E StGB 1962 S. 501 und Niederschriften VIII 417, 642 ff; IX 242, 252 ff, 264 ff, 269, 415, 416 f, 551, 552, 559, 560; XII 619 0- Das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (AtomG) ist inzwischen neu gefaßt und unter dem 31. Oktober 1976 (BGBl. I 3053) bekanntgemacht worden. Es enthält ergänzende Strafbestimmungen. II. Wegen der besonderen Gefährlichkeit, die dem Mißbrauch von Kernenergie 2 innewohnt, greift die Strafbarkeit bereits früh ein: § 310 b ist in Absatz 1 als Unternehmensdelikt (§ 11 Abs. 1 Nr. 6) angelegt, Vorbereitungshandlungen werden außerdem durch § 311 b erfaßt, § 311 c schließlich behandelt Fälle tätiger Reue. Bei § 310 b handelt es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Die Strafandrohung ist nach der Schuldform abgestuft. Die Vorschrift entspricht in ihrem Aufbau weitgehend dem §311. — § 310 b gehört zu den Taten, die ohne Rücksicht auf Tatort, Recht des Tatorts und Staatsangehörigkeit des Täters dem deutschen Strafrecht unterliegen (6 Nr. 2). III. Die Tathandlung nach Absatz 1 erfordert, daß der Täter es unternimmt (Ver- 3 such und Vollendung), durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeizuführen. Unter dem Freisetzen von Kernenergie ist das vom Täter veranlaßte Freiwerden der in den Atomkernen gebundenen Energie durch Kernspaltungs- und Kernverschmelzungsvorgänge zu verstehen (E StGB 1962 Begr. S. 501; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 3; Dreher Rdn. 2; vgl. auch Dalcke/Fuhrmann/Schäfer B II 16 § 40 AtomG Anm. 2). Aus einem derartigen Vorgang muß eine Explosion entstehen, also plötzlich auftretende Druckwellen außergewöhnlicher Beschleunigung (vgl. § 311 Rdn. 4). Bei durch Kernenergie verursachten Explosionen werden die Druckwellen wohl immer von Wärmewellen und radioaktiver Strahlung begleitet sein (vgl. auch Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I § 40 AtomG Rdn. 4). Dabei ist nicht nur an die Detonation von Wasserstoff- und Atombomben oder Atomgranaten zu denken. Auch kontrolliert verlaufende Atomkernspaltungs- (bei Atomreaktoren) oder -verschmelzungsvorgänge, die z. B. der Energieversorgung dienen, fallen, wenn der Täter die Steuerungsmechanismen außer Funktion setzt und es dadurch zu einer unkontrollierten, explosionsartigen Kernreaktion kommt, in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Herbeiführen bedeutet Verursachen ( D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r B II 16 § 40 AtomG Anm. 2). IV. Durch die Explosion muß eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines 4 anderen — Tatbeteiligte sind vom Schutz der Vorschrift ausgeschlossen — oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert entstanden sein. Dabei genügt es, wenn die Gefahr durch die Begleiterscheinungen einer Kernexplosion, Wärme und radioaktive Strahlung, hervorgerufen wird. Vgl. im übrigen bei § 311 Rdn. 5. V. Bei Absatz 2 und 4 genügt der Versuch, eine Explosion herbeizuführen, nicht; 5 sie muß, soll der Tatbestand erfüllt sein tatsächlich eingetreten sein. Im übrigen ent(39)

§311

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

spricht der objektive Tatbestand dem des Absatzes 1. — Bei dem Delikt nach Absatz 2 ist Versuch nach den allgemeinen Regeln möglich. 6

VI. Subjektiv ist bei Absatz 1 Vorsatz hinsichtlich des gesamten objektiven Tatbestands notwendig; bedingter Vorsatz genügt. — Bei Absatz 2 muß das Herbeiführen einer Kernexplosion mindestens bedingt vorsätzlich geschehen; in bezug auf die dadurch entstandene Gefahr muß dem Täter Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein. Es handelt sich um eine Vorsatztat (§ 11 Abs. 2), so daß Teilnahme möglich ist. — Das Vergehen nach Absatz 4 ist durch insgesamt fahrlässige Begehung gekennzeichnet.

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VII. Entsprechend den verschiedenen Verschuldensformen sind die Strafrahmen unterschiedlich ausgestaltet. — In Absatz 3 ist für Taten nach Absatz 1 und 2 die Strafandrohung erhöht, wenn ein besonders schwerer Fall vorliegt. Als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall führt das Gesetz den leichtfertig verursachten Tod eines Menschen an. Zum Begriff der Leichtfertigkeit vgl. bei § 15. Sonst ist für einen besonders schweren Fall an das Hervorrufen einer Gefahr für viele Menschen oder an die Vernichtung bedeutender Sachwerte zu denken.

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VIII. Die Tat ist gerechtfertigt, wenn die gefährdeten Personen oder die Eigentümer der gefährdeten Sachen sämtlich einwilligen (Sch.-Schröder [Cramer]Rdn. 12; vgl. Fischerhof, Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I § 40 AtomG Rdn. 19; a. A. Dreher Rdn. 9; Mattern/Raisch, AtomG § 40 Rdn. 8). Da die Vorschrift als konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist, kann auf die abstrakte Gefährlichkeit der Tat nicht abgestellt werden. Als Rechtfertigungsgründe sind vor allem von Bedeutung Genehmigung und bei gefährlichen Arbeiten mit Kernenergie unter Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen erlaubtes Risiko (vgl. zu letzterem Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 11 und — in der dogmatischen Einordnung abweichend — Lackner Anm. 6). Schließlich kommen völkerrechtliche Normen in Betracht ( F i s c h e r h o f D e u t s c h e s Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I § 40 AtomG Rdn. 15).

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IX. Über tätige Reue vgl. § 311 c, über Führungsaufsicht § 325 und über Einziehung § 325 a.

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X. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich mit den vorsätzlichen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten (a. A. für § 211 Mattern/Raisch, AtomG § 40 Rdn. 11); mit §230; mit § 222, soweit nicht Leichtfertigkeit gegeben ist, dann tritt §222 zurück (vgl. § 311 Rdn. 11; generell für Gesetzeseinheit Lackner Anm. 6); aber auch mit §§303 ff; §§ 306 ff; §§ 312 bis 314; § 321. - §311 und §311 b Abs. 1 Nr. 1 werden durch § 310 b verdrängt.

§311 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (1) Wer anders als durch Freisetzen von Kernenergie, namentlich durch Sprengstoff, eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder (40)

Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (Wolff)

§ 3 1 1

fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (3) Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Literatur: Cramer Die Neuregelung der Sprengstoffdelikte durch das 7. Strafrechtsänderungsgesetz, NJW 1964 1835; Fuhrmann Anm. zu BayObLGSt. 1973 117, JR 1974 476; Herzberg Anm. zu einer BGH-Entscheidung, JR 1977 469; Lackner Das Siebente Strafrechtsänderungsgesetz, JZ 1964 674; Potrykus Die Neuregelung der Sprengstoffdelikte, Die Polizei 1965 249. — Niederschriften VIII 417, 642 ff; IX 242, 252 ff, 264 ff, 269, 415, 416 f, 418 f, 551, 552, 559, 560; XII 619 f.

I. Die Vorschrift ist neu gefaßt worden durch Art. 1 Nr. 1 des 7. StrÄG vom 1 l . J u n i 1964 (BGBl. I 337), mit dem Strafvorschriften gegen den Gebrauch von Sprengstoffen neu geregelt und weitgehend aus dem SprengstoffG in das StGB übernommen worden sind; außer der Neufassung des § 311 wurden die §§311 a b i s c neu in das StGB eingefügt. Der § 311 c, der die Einziehung betraf, ist durch das EGOWiG in § 325 a aufgegangen. § 311 ist durch Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Nr. 170 und 207 EGStGB 1974 geringfügig geändert worden; die §§ 311 a und b sind zu §§ 311 b und c geworden. Das Sprengstoffgesetz vom 25. August 1969 (BGBl. I 1358) ist inzwischen durch das Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz — SprengG) vom 13. September 1976 (BGBl. I 2737) abgelöst; letzteres Gesetz ist am 1. Juli 1977 in Kraft getreten. II. § 311 entspricht im wesentlichen dem § 323 E 1962; die Vorschrift deckt sich 2 inhaltlich mit dem aufgehobenen § 5 SprenstoffG a. F. (BGH Urt. v. 18. August 1964 — 5 StR 289/64). Sie stellt die Herbeiführung einer Explosion mit Ausnahme der durch § 3 1 0 b erfaßten Explosionen durch Kernenergie unter Strafe, sofern dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. § 311 ist daher ein konkretes Gefährdungsdelikt und setzt die Herbeiführung einer Gemeingefahr voraus (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 1; a. A. anscheinend Lackner Anm. 2); deshalb kann u . U . straflos sein, wer sein eigenes Haus in die Luft sprengt, sofern er nicht eine konkrete Gefahr für andere herbeiführt. Das Delikt ist zweiaktig (Dreher Anm. 2); es besteht aus der eigentlichen Tat- 3 handlung, nämlich der Herbeiführung einer Explosion, und dem daraus folgenden Eintritt einer konkreten Gefahr für die im einzelnen bezeichneten Rechtsgüter. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes unterscheidet die Vorschrift mehrere Fälle: in den Absätzen 1 bis 3 umfaßt der Vorsatz des Täters sowohl die Explosion als auch den Eintritt der Gefahr; im Absatz 4 wird zwar die Tathandlung vorsätzlich begangen, aber die Folge der Gefährdung fahrlässig herbeigeführt, im Absatz 5 endlich fällt dem Täter bezüglich der Herbeiführung der Explosion ebenso wie (41)

§ 3 1 1

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

bezüglich der Gefährdung nur Fahrlässigkeit zur Last; dementsprechend ist die Strafdrohung für die verschiedenen Fälle abgestuft. 4

III. Der objektive Tatbestand setzt die Herbeiführung einer Explosion und eine dadurch hervorgerufene Gefahr voraus. 1. Unter Explosion im Sinne der Strafvorschrift ist zu verstehen die plötzliche Auslösung von Druckwellen außergewöhnlicher Beschleunigung (Dreher Rdn. 3). Das kann namentlich geschehen durch Sprengstoffe, also Stoffe, die bei Entzündung zu einer plötzlichen Ausdehnung von Flüssigkeiten oder Gasen und dadurch zu einer Sprengwirkung führen (RGSt. 48 72; 67 35, 37), z. B. Dynamit (RG GA 55 [1908] 332); Schießmittel, z.B. Schwarzpulver, gehören hierher, sofern sie als Sprengmittel verwendet werden (RGSt. 58 276). Geeignet sind aber auch Benzin/ Luftgemische (RGSt. 8 33; BGHSt. 20 230); Azetylengas (RGSt. 67 35); Leuchtoder Erdgas (BGH GA 1966 374). Eine Explosion im Sinne des § 311 kann weiter durch unter Überdruck stehenden Wasserdampf (anders für den alten Rechtszustand RGSt. 22 304) oder unter hohem Druck stehende Gase hervorgerufen werden. Schließlich sind auch durch Unterdruck entstehende Implosionen und die Erzeugung überstarker Schallwellen, z. B. durch schnell fliegende Flugzeuge, erfaßt (Dreher Rdn. 3; Lackner Anm. 2; vgl. auch Begr. E 1962 S. 502; a. A. Sch.-Schröder [CramerJ Rdn. 3). Cramer (NJW 1964 1835, 1836 u. Sch.-Schröder Rdn. 5) befürchten, daß durch die Ausweitung des Tatbestandes auf jede Art von Explosion in Labor, Industrie und selbst in der Küche des Haushalts, für die schon Fahrlässigkeit und jede Individualgefahr ausreicht, die Strafbarkeit über Gebühr ausgedehnt werde; dem kann jedoch einmal durch eine entsprechende Auslegung des Begriffs „Explosion" begegnet werden (indem man z. B. die Verwendung kleinster Feuerwerkskörper schon mit Hilfe dieses Begriffs aus dem Tatbestand ausscheidet — Begr. E 1962 S. 502) und zum anderen dadurch, daß ein sozialadäquates Verhalten als gerechtfertigt angesehen wird (vgl. Dreher Rdn. 3, 5).

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2. Durch die Explosion muß Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremdes Eigentum von bedeutendem Wert gefährdet werden. Unter Gefahr ist ein Zustand zu verstehen, bei dem der Eintritt des konkreten Schadens wahrscheinlicher ist als sein Ausbleiben. Da es sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt, genügt jede Individualgefahr; der Eintritt einer Gemeingefahr ist nicht notwendig (Sch.Schröder [Cramer] Rdn. 7). Die Gefährdung des fremden Sprengstoffs als solche reicht nicht aus; Cramer (Sch.-Schröder Rdn. 7) weist zutreffend darauf hin, daß das Abbrennen eines fremden Feuerwerks nicht den Tatbestand des §311 erfüllt, sondern als Eigentumsdelikt zu behandeln ist. — Zu dem Begriff fremde Sachen von bedeutendem Wert vgl. bei § 315 Rdn. 37, 39. — Zur Leichtfertigkeit (Absatz 3) vgl. bei § 15.

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3. Die Tat ist gerechtfertigt, soweit sich der Täter im Rahmen des erlaubten Risikos hält, d. h. wenn und soweit er Sprengstoffe oder sonstige explosive Stoffe in Gewerbe, Industrie oder Forschungsunternehmen in den Grenzen polizeilicher Vorschriften verwendet (Sch.-Schröder [CramerJ Rdn. 8; Dreher Rdn. 5). Lackner (Anm. 4) will dieses erlaubte Risiko im Rahmen der Fahrlässigkeit werten und nimmt an, daß es insoweit an der für die Fahrlässigkeit konstituierenden objektiven Sorgfaltspflichtverletzung fehle. Doch ist es wohl richtig, in dem erlaubten Risiko bei Vorsatz- wie bei Fahrlässigkeitstatbeständen einen Rechtfertigungsgrund zu (42)

Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (Wolff)

sehen (vgl. zum erlaubten Risiko als Rechtfertigungsgrund auch Praxis wird die Unterscheidung zwischen Rechtfertigungsgrund oft schwierig sein, weil an die Voraussehbarkeit im Rahmen der §311 besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. unten Rdn.

§311 Vor § 32). In der und Verschulden Fahrlässigkeit bei 9).

IV. Zum subjektiven Tatbestand enthalten die Abs. 1 bis 3, 4 und 5 verschiedene 7 Kombinationen zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit: 1. In den Fällen des Abs. 1, der besonders schweren Fälle der Abs. 2 und 3 und der minder schweren Fälle des Abs. 2 ist Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale, also sowohl der Explosion als auch der für die verschiedenen Rechtsgüter herbeigeführten Gefahr erforderlich; bedingter Vorsatz genügt. In allen Fällen der Abs. 1 bis 3 ist die Tat ein Verbrechen, auch in den minder schweren Fällen nach Abs. 2 (§ 12 Abs. 3), so daß insoweit Versuch strafbar ist. Ist der Vorsatz auf Verletzung eines fremden Rechtsguts gerichtet, so umfaßt der Verletzungsvorsatz auch den Gefährdungsvorsatz {Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 11). 2. Absatz 4 behandelt den Fall, daß die Explosion vorsätzlich herbeigeführt und 8 die Gefahr fahrlässig verursacht wird; diese Schuldform ist eine Neuerung, sie war auch in § 340 Abs. 1 Nr. 2 E 1962 nicht vorgesehen. Nach den Regeln über das erlaubte Risiko (vgl. oben Rdn. 6) können davon allerdings nur Explosionen erfaßt sein, die nicht ordnungsgemäß unter Einhaltung aller bestehenden Sicherheits- und Ordnungsvorschriften durchgeführt werden; es bleiben auch dann immer noch Fälle denkbar, in denen eine Explosion oder Sprengung unsachgemäß und unerlaubt durchgeführt wird, bei der der Täter sich aber irrig darauf verläßt, es werde keines der in Absatz 1 genannten Rechtsgüter gefährdet werden. Einschränkend auch Sch.-Schröder (Cramer) Rdn. 12. 3. In Absatz 5 ist der Fall geregelt, daß sowohl bezüglich der Explosion als auch 9 der Gefährdung nur Fahrlässigkeit gegeben ist. Hier stellt der Bundesgerichtshof besondere Anforderungen insofern auf, als es nicht allein auf die persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen des Täters ankommt, sobald er nicht mehr ausschließlich auf sein unmittelbares eigenes Erfahrungswissen angewiesen ist, sondern Warnungen und allgemeine Vorschriften zu beachten hat, welche das Ergebnis der Erfahrung von besonders sachverständigen Personen sind und auf einer umfassenden Voraussicht möglicher Gefahren beruhen. Die Vernachlässigung einer solchen Vorschrift kann auch dann einen Schluß auf die Voraussehbarkeit des Erfolgs zulassen, wenn der Täter ihre Beachtung als übertriebene Vorsicht angesehen hat (BGH GA 1966 374). V. Über tätige Reue vgl. § 311 c, über Führungsaufsicht § 325 und über Einzie- 10 hung § 325 a. — Zur Geltung des § 311 Abs. 1 bis 3 für Auslandstaten vgl. § 6 Nr. 2. VI. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich mit §§ 303 ff.; mit den Brandstiftungs- 11 delikten der §§ 306 bis 309, wenn die Explosion zum Brand führt (BGHSt. 20 230, 231; BGH Urt. v. 6. Juni 1973 - 2 StR 535/72 - ; BGH, Urt. v. 30. April 1974 - 5 StR 85/74 —); mit den Tötungsdelikten (§§ 211, 212), wenn der Tod — auch nur bedingt — gewollt war (vgl. BGHSt. 19 101); mit §§ 223 ff., 230. § 222 wird von §311 Abs. 3 verdrängt, wenn der Tod leichtfertig verursacht war, dagegen ist Tateinheit möglich, wenn der Tod zwar fahrlässig, aber nicht leichtfertig herbeigeI-Ol

§ 311 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

führt wird (a. A. Dreher Rdn. 8, nach dessen Ansicht §222 von §311 Abs. 3 schlechthin verdrängt wird); denn Leichtfertigkeit ist ein erhöhter Grad von Fahrlässigkeit (BGHSt. 14 240, 255).

§ 311 a Mißbrauch ionisierender Strahlen (1) Wer in der Absicht, die Gesundheit eines anderen zu schädigen, es unternimmt, ihn einer ionisierenden Strahlung auszusetzen, die dessen Gesundheit zu schädigen geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (2) Unternimmt es der Täter, eine unübersehbare Zahl von Menschen einer solchen Strahlung auszusetzen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe bei Taten nach Absatz 1 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, bei Taten nach Absatz 2 lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht. (4) Wer in der Absicht, die Brauchbarkeit einer fremden Sache von bedeutendem Wert zu beeinträchtigen, sie einer ionisierenden Strahlung aussetzt, welche die Brauchbarkeit der Sache zu beeinträchtigen geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.

1

I. Die Bestimmung ist durch Art. 19 Nr. 171 EGStGB 1974 anstelle des § 311 a a. F., der unter Erweiterung zu §311 b geworden ist, in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Sie entspricht weitgehend § 41 AtomG a. F., der zugleich aufgehoben worden ist (Art. 192 EGStGB 1974); geändert ist im wesentlichen die Fassung (vgl. Begr. z. E EGStGB 1974 - BT-Drucksache VII/550, S. 264 f). Die Gründe für die Einstellung in das Strafgesetzbuch gleichen denen bei § 310 b (vgl. dort Rdn. 1). § 41 AtomG a. F. geht auf § 324 E StGB 1960 zurück (vgl. Begründung zu diesem Entwurf S. 467), der mit § 324 E StGB 1962 (Begr. S. 502) übereinstimmt. Vgl. im übrigen zur Entstehungsgeschichte bei § 310 b Rdn. 1 und § 311 Rdn. 1.

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II. Bei § 311 a lassen sich drei Fälle mit entsprechend abgestufter Strafandrohung unterscheiden: In Absatz 1 ein Unternehmensdelikt (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6), bei dem die Tathandlung in dem Unternehmen besteht, einen anderen einer ionisierenden Strahlung auszusetzen, die geeignet ist, dessen Gesundheit zu schädigen. In Absatz 2, einem Unterfall von Absatz 1, ist ein anderes Tatobjekt, eine unübersehbare Zahl von Menschen, eingesetzt. Absatz 4 betrifft die Schädigung von Sachen durch ionisierende Strahlen (kein Unternehmensdelikt), wobei auch der Versuch — da es sich um ein Vergehen handelt, bedurfte dies ausdrücklicher Regelung — für strafbar erklärt ist. Allen drei Fällen gemeinsam ist, daß der Täter in Schädigungsabsicht handeln muß. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, Vorsatz ausreichen zu lassen, um die wirklich strafwürdigen Fälle zu erfassen und den medizinischen und wissenschaftlichen Umgang mit ionisierenden Strahlen nicht einzuschränken (vgl. Begr. z. E StGB 1960 S. 467). Auf das Entstehen einer abstrakten oder konkreten (44)

Mißbrauch ionisierender Strahlen (Wolff)

§ 311 a

Gefahr für Mensch oder Sache kommt es nicht an. Die aus dem Mißbrauch ionisierender Strahlen entstehende Gefahr ist kein Tatbestandsmerkmal geworden, sondern gesetzgeberisches Motiv geblieben. Die Bestimmung gehört zu den Körperverletzungs- (Absatz 1 und 2) und Sachbeschädigungsdelikten. Die Strafbarkeit ist dabei im Vergleich zu Verletzungsdelikten vorverlegt. Vorschriften mit vergleichbarem Tatbestandsaufbau sind § 229 und § 324. III. Tathandlung bei Absatz 1 und 2 ist das Unternehmen (also Versuch und Voll- 3 endung), Menschen einer ionisierenden Strahlung auszusetzen, die deren Gesundheit zu schädigen geeignet ist. 1. Unter ionisierender Strahlung sind einmal alle Photonen- und Korpuskular- 4 strahlen zu verstehen, die bei Atomen oder Molekülen derartige Veränderungen in der Elektronenhülle hervorrufen können, daß die angeregten Teilchen elektrisch leitend werden (Ionisation). Daneben aber auch Strahlen, die wie Neutronenstrahlen zu Kernreaktionen führen. Die Strahlung kann auf natürlichem oder künstlichem Wege entstehen. Zu den physikalischen Grundlagen vgl. z. B. Beck Die Strahlenschutzverordnungen Bd. 1 S. 2 ff. Neben den durch Radioaktivität, Kernspaltungs- und -verschmelzungsvorgänge entstehenden Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlen sind dies hauptsächlich Röntgenstrahlen (vgl. auch Begr. z. EStGB 1960 S. 467). 2. Die Strahlung muß geeignet sein, Menschen an der Gesundheit zu schädigen. 5 Dabei kommt es nicht auf die jeder ionisierenden Strahlung innewohnende abstrakte Gefährlichkeit an, sondern darauf, ob nach den Umständen des Einzelfalles die Möglichkeit einer Schädigung zu bejahen ist (vgl. bei Hirsch LK 9 § 229 Rdn. 7). Dies wird von Strahlungsintensität und -dauer und davon abhängen, welche Organe und Körperpartien der Opfer betroffen sind. 3. Zur Gesundheitsschädigung vgl. Hirsch LK 9 § 223 Rdn. 11 ff. Es kommen ins- 6 besondere Verbrennungen, Anregung von Zellwucherungen, Mißbildungen bei Ungeborenen, Verlust der Zeugungsfähigkeit, aber auch Schädigung der Erbanlagen, die sich erst bei Nachkommen auswirkt, in Betracht (zu letzterem wie hier Sch.-Schröder [Cramer] § 311a Rdn. 5; Dreher Rdn. 4; Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I §41 AtomG Rdn. 3; ablehnend Mattern/ Raisch AtomG § 41 Rdn. 8). Die mögliche Gesundheitsschädigung muß unmittelbare Folge der Einwirkung ionisierender Strahlen sein {Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I § 41 AtomG Rdn. 2). Eine Schädigung braucht aber nicht eingetreten zu sein. 4. Der Begriff aussetzen bedeutet jedes Handeln oder Unterlassen mit der Folge, 7 daß ein Mensch von der ionisierenden Strahlung getroffen wird (Dreher Rdn. 2). IV. Während es bei Absatz 1 genügt, wenn ein Mensch, der allerdings nicht Tat- 8 beteiligter sein darf, der ionisierenden Strahlung ausgesetzt wird, muß es bei Absatz 2 eine unübersehbare Zahl von Menschen sein. Das bedeutet eine Einschränkung gegenüber dem § 41 AtomG a. F., der von einer Vielzahl von Menschen sprach. Der Gesetzgeber will mit der jetzigen Vorschrift einer möglichen Massengefährdung begegnen. Mit dem Begriff unübersehbar ist nach den Materialien (45)

§ 311 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

gemeint: „daß die Zahl der gefährdeten Menschen so groß sein muß, daß sie auch für einen objektiven Beobachter nicht ohne weiteres übersehbar, also in der mögliT chen Zahl zu bestimmen ist" (Begr. z. E StGB 1960 S. 467). 9

V. Die Tathandlung bei Absatz 4 entspricht derjenigen bei den Absätzen 1 und 2, nur daß Tatobjekt eine Sache ist. Allerdings ist zu beachten, daß Absatz 4 kein Unternehmensdelikt enthält. Zur Erläuterung des Begriffs fremde Sache von bedeutendem Wert wird auf Rüth L K 9 § 315 Rdn. 37, 39 verwiesen. Mit der Beeinträchtigung der Brauchbarkeit einer Sache ist Beschädigen im Sinne von § 303 gemeint (vgl. dort Rdn. 3 ff). Darunter fällt auch, daß die Sache radioaktiv verseucht wird und deshalb nicht mehr ohne Gefahren für die menschliche Gesundheit benutzt werden kann (Sch.-Schröder [CramerJ § 311 a Rdn. 10; Dreher Rdn. 4).

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VI. Subjektiv ist bei Absatz 1, 2 und 4 Vorsatz erforderlich. Dieser muß sich auf die Eignung der ionisierenden Strahlung, Schäden bei Menschen oder an Sachen hervorzurufen, erstrecken. Bedingter Vorsatz genügt. Hinzukommen muß — und zwar auch bei Absatz 2, der in Zusammenhang mit Absatz 1 zu lesen ist — die Absicht, einen anderen Menschen an der Gesundheit oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert zu schädigen. Zum Begriff der Absicht vgl. Hirsch LK 9 § 229 Rdn. 15 f. Bei Absatz 2 braucht sich die Schädigungsabsicht nicht auf eine unübersehbare Zahl von Menschen zu beziehen (so aber Begr. z. E StGB 1960 S. 467). Wortlaut und Sinn bieten für eine solche Einengung keinen hinreichenden Anhalt. Vielmehr genügt auch hier die Absicht, einen oder wenige Menschen an ihrer Gesundheit zu schädigen (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 8; Dreher Rdn. 5; Dalcke/ Fuhrmann/Schäfer B II 16 §41 AtomG Anm. 4; Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht Bd. I § 41 AtomG Rdn. 11).

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VII. In Absatz 3 ist die Strafdrohung für besonders schwere Fälle der Absätze 1 und 2 verschärft. Dies entspricht der Regelung in § 310 b Abs. 3. Auf die dort gemachten Bemerkungen wird verwiesen (§310 b Rdn. 7). — Der Absatz 4 des § 311 a kennt dagegen nur einen Strafrahmen.

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VIII. Zur tätigen Reue vgl. bei § 311 c, zur Fiihrungsaufsicht bei § 325 und zur Einziehung bei § 325 a. — Zur Anwendbarkeit des § 311 a Abs. 2 auf Auslandstaten s. § 6 Nr. 2.

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IX. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich zwischen §311 a Abs. 1, 2 und den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten einschließlich der Vergiftung nach § 229 (a.A. Dalcke/Fuhrmann/Schäfer B II 16 §40 AtomG Anm. 2; Mattern/Raisch AtomG § 41 Rdn. 9); allerdings tritt § 222 zurück, wenn ein besonders schwerer Fall nach § 311 Abs. 3 S. 2 vorliegt. § 311 a Abs. 4 kann in Idealkonkurrenz stehen mit § 304; § 316 b; § 317; Tateinheit auch denkbar mit § 324. § 303 wird durch § 311 a Abs. 4 als lex specialis verdrängt (Dreher Rdn. 7; Dalcke/Fuhrmann/Schäfer B II 16 §41 AtomG Anm. 5; a.A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 21). — Vgl. ergänzend die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchVO) vom 13. Oktober 1976 - BGBl. I 2905 —, berichtigt in BGBl. 1977 I 184. (46)

Vorbereitung eines Explosions- o d e r Strahlungsverbrechens ( W o l f f )

§ 3 1 1

b

§ 311 b Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (1) Wer zur Vorbereitung 1. eines bestimmten Unternehmens im Sinne des § 310 b Abs. 1 oder des § 311 a Abs. 2 oder 2. einer Straftat nach § 311 Abs. 1, die durch Sprengstoff begangen werden soll, Kernbrennstoffe, sonstige radioaktive Stoffe, Sprengstoffe oder die zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überläßt, wird in den Fällen der Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren. I. Die Vorschrift ist ursprünglich durch Art. 1 Nr. 1 des 7. StRÄndG v. 1. Juni 1 1964 — BGBl. I 337 — mit der Übernahme wichtiger Sprengstoffdelikte aus dem Sprengstoffgesetz als § 311 a in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Sie umfaßte zunächst nur Vorbereitungshandlungen zu §311. Art. 1 Nr. 87 des 1. StrRG vom 25. Juni 1969 — BGBl. I 645 — hat die Strafdrohung ermäßigt. Durch Art. 19 Nr. 172 EGStGB 1974 ist diese Vorschrift mit dem § 42 AtomG a. F. zu der jetzigen Bestimmung zusammengefaßt worden (vgl. Begr. z. E EGStGB 1974 — BT-Drucksache VI 1/550 S. 265). Damit ist mit nicht sehr erheblichen Abweichungen § 326 des E StGB 1962 (s. auch Begründung dazu S. 503) verwirklicht. Vgl. zur Entstehungsgeschichte im übrigen bei § 310 b Rdn. 1 und § 311 Rdn. 1. II. § 311 b bedroht als selbständige Straftat Vorbereitungshandlungen zu Verbre- 2 chen nach §310b Abs. 1 und § 311 a Abs. 2 (§ 311 b Abs. 1 Nr. 1), sowie §311 Abs. 1 (§ 311 b Abs. 1 Nr. 2) mit Strafe; dabei handelt es sich im Falle des § 311 b Abs. 1 Nr. 1 um ein Verbrechen, so daß Versuch strafbar ist (a. A. Dreher Rdn. 9), während § 311 b Abs. 1 Nr. 2 Vergehen ist. Zu den Taten, deren Vorbereitung nach § 311 b strafbar ist, gehören auch die besonders schweren Fälle nach § 310 b Abs. 1 und 3, § 311 a Abs. 2 und 3 und § 311 Abs. 1 und 2, sowie die minder schweren Fälle nach § 311 Abs. 1 und 2. III. Tatgegenstand sind Kernbrennstoffe, sonstige radioaktive Stoffe, Spreng- 3 Stoffe oder die zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen. 1. Kernbrennstoffe sind nach der auch für § 311 b geltenden (vgl. Begr. z. E StGB 4 1960 S. 468) Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AtomG: Plutonium 239 und Plutonium 241, Uran 233, mit Isotopen 235 und 233 angereichertes Uran, jeder Stoff, der einen oder mehrere der vorerwähnten Stoffe enthält, und Uran und uranhaltige Stoffe der natürlichen Isotopenmischung, die so rein sind, daß durch sie in einer geeigneten Anlage (Reaktor) eine sich selbst tragende Kettenreaktion aufrechterhalten werden kann. Der Ausdruck „mit den Isotopen 235 oder 233 angereichertes Uran" bedeutet Uran, das die Isotope 235 oder 233 oder diese beiden Isotope in einer solchen (47)

§ 311 b

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Menge enthält, daß das Verhältnis der Summe dieser beiden Isotope zum Isotop 238 größer ist als das in der Natur auftretende Verhältnis des Isotops 235 zum Isotop 238. 5

2. Sonstige radioaktive Stoffe sind solche, die ohne Kernbrennstoffe zu sein, spontan ionisierende Strahlen aussenden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AtomG). Zum Begriff ionisierende Strahlen vgl. bei § 311 a Rdn. 4 und Anlage I (zu § 2) Strahlenschutz VO v. 13. Okt. 1976 — BGBl. I 2905 — Stichwort: Strahlen, ionisierende. Die radioaktiven Stoffe können natürlichen oder künstlichen Ursprungs sein.

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3. Sprengstoffe. Vgl. dazu § 311 Rdn. 4. § 311 b Abs. 1 Nr. 2 gilt jedoch nicht für sonstige Explosivstoffe im Sinne des § 311.

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4. Zur Ausführung der Tat erforderliche besondere Vorrichtungen. Ursprünglich fehlte in den Entwürfen das Wort besondere. Es ist im Gesetzgebungsverfahren für das 7. StRÄndG in den Gesetzestext gekommen und sollte eine Einengung des Tatbestandes bedeuten; man wollte allgemein verwendbares Zubehör wie eine Batterie oder einen Wecker, die erst in einen Zeitzünder eingebaut werden sollen, ausscheiden (vgl. BT-Drucksache IV/2186 S. 3 f und Begr. z. E EGStGB 1974 - BT-Drucksache VII/550 S. 265). Danach sind unter den besonderen Vorrichtungen mindestens die Gegenstände zu verstehen, die dazu erforderlich sind, um mit Kernbrennstoffen oder Sprengstoffen eine Explosion, mit sonstigen radioaktiven Stoffen die Emission von ionisierenden Strahlen herbeizuführen oder diese Vorgänge zu lenken. Bei Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen werden das alle Dinge sein, die man zur Aufbewahrung und Beförderung und zur Steuerung der Kernprozesse oder der Strahlung benötigt. Daneben sind aber auch Geräte erfaßt, die der künstlichen Erzeugung ionisierender Strahlung dienen. — Bei Sprenstoffen — und dies ist von größerer praktischer Bedeutung — kommen vor allem Zündvorrichtungen aller Art, aber auch eventuell notwendige besondere Transport- und Verwahrungsbehältnisse und solche Gegenstände in Betracht, die dazu benutzt werden sollen, den Sprengstoff dem Opfer gegenüber zu verbergen (wie z. B. bei Briefbomben die besonders präparierten Briefumschläge). Auszuscheiden sind allerdings im Hinblick auf die gesetzgeberischen Absichten all die Sachen, die an sich einen alltäglichen Verwendungszweck haben, wie Batterien, Wecker, Kabel, Metallröhren, solange sie noch nicht für die Durchführung einer Sprengstoffexplosion usw. umgearbeitet sind. Ob die Differenzierung in eigentliches und uneigentliches Zubehör weiterhilft (so Cramer NJW 1964 1835, 1838; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 7), erscheint zweifelhaft. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung ist nicht besonders glücklich (so auch Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 7) und wird noch näherer Auslegung durch die Praxis bedürfen.

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IV. Als Tathandlung führt das Gesetz verschiedene Möglichkeiten auf: das Herstellen, das sich oder einem anderen Verschaffen, Verwahren, das einem anderen Überlassen. Damit sind auch Fälle erfaßt, die bei Durchführung eines Explosionsoder Strahlungsverbrechens lediglich Beihilfe wären. Im Gegensatz zu § 311 a a. F. erwähnt das Gesetz nicht mehr die Einfuhr. Der Gesetzgeber hat auch darauf verzichtet, Ausfuhr und Inverkehrbringen besonders zu erwähnen (vgl. Begr. z. E StGB 1960 S. 468). Derartige Fälle werden bereits durch die Gesetz gewordenen Alternativen gedeckt. (48)

Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens (Wolff)

§ 311

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1. Unter Herstellen ist das tatsächliche Fertigstellen von Kernbrennstoffen, son- 9 stigen radioaktiven Stoffen und Sprengstoffen zu verstehen einschließlich der notwendigen Zwischenstufen (vgl. OGHSt. NJW1950 879, dort ist bereits das Schärfen von Sprengpatronen zum Herstellen gerechnet). 2. Das sich Verschaffen bedeutet das Herstellen eigener tatsächlicher Verfü- 10 gungsgewalt durch den Täter, wobei es nicht darauf ankommt, auf welchem Wege dies geschieht (Kauf, Diebstahl, Hehlerei pp.). Vgl. im übrigen auch bei § 146. 3. Das einem anderen Verschaffen ist gegeben, wenn ein Dritter tatsächliche Ver- 11 fügungsgewalt auf Veranlassung des Täters erhält. 4. Einem anderen überlassen ist der Tatgegenstand, wenn der Täter diesem die 12 tatsächliche Verfügungsgewalt übertragen hat (vgl. RGSt. 14 231; 15 237, 241 f; 15 387, 388; 17 257; 43 10, 15). Das kann z. B. geschehen durch Übersendung eines Konnossements (vgl. RG GA 57 [1910] 400) oder durch Einräumung der selbständigen Verwaltung eines Sprengstofflagers (vgl. RG Rspr. 8 538; RG GA 54 [1907] 80). Das Zulassen der Wegnahme genügt dazu (vgl. RGSt. 59 214, 216 f)5. Mit Verwahren ist die Ausübung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt im Sinne 13 des strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffs gemeint. V. Subjektiv ist Vorsatz hinsichtlich des objektiven Tatbestands erforderlich; 14 bedingter Vorsatz genügt (Lackner Anm. 3). — Darüber hinaus muß der Täter zur Vorbereitung entweder eines bestimmten Unternehmens nach § 310 b Abs. 1 oder § 311 a Abs. 2 oder einer Straftat nach § 311 Abs. 1, sofern sie durch Sprengstoff begangen werden soll, handeln. Mit anderen Worten: Es muß dem Täter (im Sinne von Absicht) darauf ankommen, ein Explosions- oder Strahlungsverbrechen zu fördern. (Vorsatz lassen auch insoweit ausreichen Sch.-Schröder (Cramer) Rdn. 9; Cramer NJW 1964 1835, 1838; wie hier Dreher Rdn. 8; Lackner Anm. 3). — Wer die Tat, die gefördert werden soll, ausführt, ob der Täter selbst oder ein Dritter, ist unerheblich; ebenso, ob der Dritte gutgläubig ist oder in den Plan eingeweiht, ob er schuldfähig ist oder nicht. Der Dritte, der die geplante Tat ausführen soll, braucht nicht derjenige zu sein, dem der Täter einen Tatgegenstand verschafft oder überläßt. Schließlich ist ohne Bedeutung, ob der Täter mit seinem Tun das geplante Verbrechen tatsächlich fördert. Fehit dem Täter die Förderungsabsicht, so kommt Beihilfe zu dem geplanten Verbrechen oder auch zu § 311 b in Betracht (vgl. Lackner Anm. 3). Streitig ist, in welchem Umfang das geplante Verbrechen bereits konkretisiert 15 sein muß. Das Gesetz spricht in § 311 b Abs. 1 Nr. 1 von einem bestimmten Unternehmen nach § 310 b Abs. 1 oder § 311 a Abs. 2, dagegen in § 311 b Abs. 1 Nr. 2 lediglich von einer Straftat nach § 311 Abs. 1. Das besagt jedoch nicht, daß es bei § 311 b Abs. 1 Nr. 2 auf die Vorbereitung einer bestimmten Straftat nicht ankommt. Vielmehr sind bei § 311 b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 insoweit keine Unterschiede zu machen (BGH NJW 1977 540; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9\ Dreher Rdn. 8; Lackner Anm. 3; a. M. BayObLGSt. 1973 117; Fuhrmann JR 1974 476; abweichend auch Rechtsprechung und Lehre zum Sprengstoffgesetz in der alten Fassung, vgl. RG Recht 1926 Nr. 150; Stenglein, Strafr. Nebengesetze § 7 SprengstoffG Anm. 7, 9). Dafür spricht neben den Gesetzesmaterialien (vgl. Begr. z. E StGB 1960 S. 468) (49)

§ 311 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

die von §§ 149, 275 abweichende Gesetzesfassung (zur Vorbereitung einer Straftat), die ein auf eine bestimmte Straftat zielgerichtetes Handeln nahelegt. Außerdem erscheint der Strafrahmen des § 311 b unangemessen, wenn bereits derart weit im Vorfeld des Explosionsverbrechens liegende Handlungen von der Bestimmung erfaßt würden (vgl. auch Herzberg JR 1977 469). Es fehlt im übrigen nicht an einer Strafmöglichkeit, da ergänzend § 40 Abs. 1 Nr. 4 SprengG eingreift, — Das geplante Verbrechen ist dann ausreichend bestimmt, wenn es sich in § 310 b Abs. 1, § 311 a Abs. 2 oder § 311 Abs. 1 einordnen läßt und hinsichtlich Tatziel, Tatzeit und Tatmodalitäten in den Grundzügen festliegt (vgl. dazu Willms LK 9 § 83 Rdn. 3 ff). 16

VI. Teilnahme an den Vorbereitungshandlungen nach § 311 b ist möglich, auch in Form der Beihilfe, da es sich bei § 311 b auch insoweit um selbständige Delikte handelt, als Unterstützungshandlungen unter Strafe gestellt sind.

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VII. In Absatz 2 ist der Strafrahmen für minder schwere Fälle herabgesetzt. Ein minder schwerer Fall wird meist vorliegen, wenn für das vorbereitete Verbrechen § 311 Abs. 2 2. Altern, gelten würde.

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VIII. Zur tätigen Reue vgl. § 311 c, zur Führungsaufsicht § 325, zur Einziehung § 325 a. — Zur Geltung des § 311 b für Auslandstaten vgl. § 6 Nr. 2.

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IX. Konkurrenzen. Tateinheit ist möglich mit § 83; § 242; § 259; aber auch mit § 30 in Verb, mit § 310 b Abs. 1, § 311 a Abs. 2, § 311 Abs. 1 {Dreher Rdn. 11; a. A. Lackner Anm. 5). Wird das vom Täter im Sinne von § 311 b vorbereitete Explosions- oder Strahlungsverbrechen unter seiner Beteiligung in die Tat umgesetzt, so tritt § 311 b gegenüber §§ 310 b, 311 a oder 311 zurück (vgl. RGSt. 58 296, 298); ebenso geht § 3 1 6 c Abs. 3 dem §311 b vor. — Vgl. im übrigen die ergänzenden Strafvorschriften des AtomG und des SprengG.

§ 311 c Tätige Reue (1) Das Gericht kann die in § 310 b Abs. 1 und § 311 a Abs. 2 angedrohte Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder sonst die Gefahr abwendet. (2) Das Gericht kann die in den folgenden Vorschriften angedrohte Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter 1. in den Fällen des § 311 a Abs. 1 freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder sonst die Gefahr abwendet oder 2. in den Fällen des § 310 b Abs. 2, des § 311 Abs. 1 bis 4 und des § 311 a Abs. 4 freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. (3) Nach den folgenden Vorschriften wird nicht bestraft, wer 1. in den Fällen des § 310 b Abs. 4 und des § 311 Abs. 5 freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht, oder 2. in den Fällen des § 311 b freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder sonst die Gefahr abwendet. (50)

Tätige Reue (Wolff)

§ 311 c

(4) Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen. I. Die Vorschrift ist durch Art. 19 Nr. 172 EGStGB 1974 in das Strafgesetzbuch 1 eingefügt worden. Sie faßt den § 311 b a. F., der mit dem 7. StRÄndG in das Strafgesetzbuch eingestellt worden war und sich nur auf die Sprengstoffdelikte nach §§ 311, 311 a a. F. bezog, und § 44 AtomG a. F. unter einigen Änderungen zusammen (vgl. Begr. z. E EGStGB 1974 - BT-Drucksache VII/550 S. 265 f). Die Regelung schließt sich weitgehend an § 341 E StGB 1960 (Begr. dazu S. 480) an. Zur Entstehungsgeschichte vgl. außerdem die Hinweise bei §§ 310 b bis 311b, jeweils Rdn. 1. § 311 c bestimmt die Möglichkeiten tätiger Reue für sämtliche Fälle der §§ 310 b 2 bis 311 b. Liegen die Voraussetzungen tätiger Reue vor, so hat das nur für die erwähnten Bestimmungen Bedeutung; andere, konkurrierende Vorschriften folgen den speziell für sie geltenden Regeln (z. B. § 310 für die Brandstiftungsdelikte) oder den allgemeinen Rücktrittsbestimmungen. Soweit bei §§310 b bis 311b Versuch möglich ist, greift ergänzend § 24 ein. Die mit der Bestimmung dem Täter in Aussicht gestellten Vergünstigungen sollen ihm aus kriminalpolitischen Gründen für den Entschluß einen Anreiz schaffen, ein derartiges, besonders gefährliches Verbrechen vor Eintritt von ernsthaften Schäden abzubrechen. II. 1. Bei den Unternehmensdelikten nach § 310 b Abs. 1, § 311 a Abs. 1 und 2 3 und bei den durch § 311 b zum selbständigen Delikt erhobenen Vorbereitungshandlungen setzt tätige Reue voraus, daß der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder sonst die Gefahr abwendet (§311 c Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2). Diese Regelung gilt auch für besonders schwere Fälle nach § 310 b Abs. 1 in Verb, mit Abs. 3, § 311 a Abs. 1 und 2 in Verb, mit Abs. 3 und für minder schwere Fälle nach § 311b Abs. 2. a. Das Aufgeben der weiteren Ausführung der Tat liegt vor, wenn der Täter vor 4 Vollendung eines Unternehmens nach § 310 b Abs. 1, §311 a Abs. 1 oder Abs. 2 oder vor Vollendung einer Vorbereitungshandlung nach § 311 b die begonnene Tathandlung in Aufgabe seines Tatentschlusses endgültig abbricht. Steht im Rahmen der Tathandlung ein Tun in Frage, genügt dazu schlichte Untätigkeit. Dies entspricht dem Rücktritt vom unbeendeten Versuch nach §24 Abs. 1 S. 1 1. Altern, (vgl. auch dort). b. Oder sonst die Gefahr abwendet bedeutet: bei § 310 b Abs. 1 das Abwenden der 5 zum Tatbestand gehörenden konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert; bei § 311 b Abs. 1 Nr. 1 in Verb, mit § 310 b Abs. 1 und bei § 311b Abs. 1 Nr. 2 in Verb, mit § 311 Abs. 1 das Abwenden der zum Tatbestand der vom Täter vorbereiteten Tat gehörenden konkreten Gefahr; bei § 311 a Abs. 1 oder 2 und bei § 311 b Abs. 1 Nr. 2 in Verb, mit § 311 a Abs. 2 schließlich das Abwenden der mit einem Delikt nach § 311 a Abs. 1 und 2 regelmäßig verbundenen Gefahr (die allerdings dort kein Tatbestandsmerkmal ist). — Unter Abwenden der Gefahr ist das Verhindern ihres Eintritts, aber auch das Beseitigen der bereits eingetretenen Gefahr, solange sie sich noch nicht in einem Schaden niedergeschlagen hat, zu verstehen. Dazu muß der Täter eigenes positives Handeln entfalten. Diese Alternative erlaubt also auch tätige Reue bei vollendetem Delikt. In keinem Falle darf jedoch ein Schaden entstanden sein, so daß es auf seine Erheblichkeit (vgl. unten Rdn. 8 f) nicht ankommt. (51)

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c. Freiwilligkeit ist in gleichem Sinne wie bei § 24 zu verstehen. Es kann deshalb auf die Bemerkungen zu dieser Bestimmung verwiesen werden.

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2. Die Folgen der tätigen Reue sind nach der Gefährlichkeit der in Rede stehenden Verbrechen abgestuft: Bei § 310 b Abs. 1 und § 311 a Abs. 2 hat der Richter die Möglichkeit, die Strafe nach seinem Ermessen zu mildern (§§ 311c Abs. 1, 49 Abs. 2). Bei §311 a Abs. 1 kann wahlweise gemildert oder von Strafe abgesehen werden (§§311 c Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 2; zu den Folgen der letzteren Entscheidung vgl. § 465 Abs. 1 S. 2 StPO). Bei § 311 b wirkt die tätige Reue als persönlicher Strafaufhebungsgrund (§311 c Abs. 3 Nr. 2).

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III. 1. Für tätige Reue bei den Straftaten nach § 310 b Abs. 2 oder Abs. 4, § 311 Abs. 1 bis 5 und § 311 a Abs. 4 ist Voraussetzung, daß der Täter freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Damit ist die Grenze, bis zu der der Täter tätige Reue üben kann, noch über die Vollendung des Delikts hinausgeschoben; denn diese verlangt — mit der Ausnahme des § 311 a Abs. 4, bei dem es auf eine Gefahr, da kein Tatbestandsmerkmal, nicht ankommt — lediglich Gefahreintritt. — Zur Bedeutung des freiwilligen Abwendens der Gefahr wird auf Rdn. 5 und 6 Bezug genommen. Jedoch ist zu beachten, daß es in diesen Fällen in erster Linie darum geht, die Ausdehnung des Schadens oder anders das weitere Umschlagen von Gefahr, die regelmäßig eingetreten sein wird, in Schaden zu verhindern. Es muß deshalb genügen, wenn der Täter es durch sein Tun erreicht, daß der Schaden unerheblich bleibt (vgl. auch Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 8).

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Es darf kein erheblicher Schaden entstanden sein. Was mit erheblich gemeint ist, ist zweifelhaft und streitig (vgl. das entsprechende Problem bei §315 Abs. 6). Die Gesetzesmaterialien (vgl. vor allem Begr. z. E StGB 1960 S. 481) helfen nicht recht weiter. Jedoch läßt sich die Frage einengen. Entstehen Personenschäden, so ist die nicht völlig unbedeutende Gesundheitsbeeinträchtigung oder Verletzung eines Menschen immer ein erheblicher Schaden (vgl. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9). Bei Sachschäden ist man sich darüber einig, daß die Grenze nicht in Anlehnung an einen nicht völlig belanglosen Schaden gezogen werden kann, bei dem ein Unfall im Sinne des § 142 vorliegt (Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9; Dreher Rdn. 3). § 310 kann gleichfalls nicht herangezogen werden, denn mindestens bei den Explosionsdelikten nach §§ 310 b und 311 wird — anders als beim Inbrandsetzen — durch die Explosion in aller Regel ein großer Sachschaden hervorgerufen. Sich an dem Verhältnis zwischen Wert der gefährdeten Sachen und Höhe des eingetretenen Schadens zu orientieren (so Rüth LK 9 § 315 Rdn. 51), ist nicht sachgerecht. Denn werden — wie es bei einer Explosion durch Kernenergie naheliegt — besonders hohe Sachwerte gefährdet und ist der vom dann tätige Reue übenden Täter verursachte Schaden im Vergleich dazu gering, absolut gesehen aber bedeutend, so ist die Anwendung von §311 c verfehlt. Als obere Grenze wird deshalb die Schädigung eines bedeutenden Sachwerts angesehen werden müssen. Dabei legt es die gesetzliche Wortwahl (einerseits: Gefährdung eines Sachwerts von bedeutendem Wert, andererseits: kein erheblicher Schaden) nahe, daß damit nichts Übereinstimmendes (so Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 9), sondern etwas Verschiedenes gemeint ist; nämlich mit erheblich ein Weniger im Vergleich zu bedeutend. Ein erheblicher Schaden liegt also nicht erst dann vor, wenn eine Sache von bedeutendem Wert vernichtet ist. Die von Dreher (Rdn. 3) erwähnte Wertgrenze von 500,— DM ist danach ein (52)

Freisetzen ionisierender Strahlen (Steindorf)

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praktikabler Vorschlag. — Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß für die Anwendbarkeit des § 311 c bei den aufgeführten Explosionsstraftaten wenig Raum ist, da bereits der reine Explosionsschaden meist 500,— DM übersteigen wird. 2. Auch bei den unter Rdn. 8 erwähnten Straftaten sind die Folgen tätiger Reue 10 abgestuft: Bei § 310 b Abs. 2, § 311 Abs. 1 bis 4 und § 311 a Abs. 4 kann das Gericht wahlweise die Strafe mildern oder von Strafe absehen (§311 c Abs. 2 Nr. 2). In den Fällen des § 310 b Abs. 4 und des § 311 Abs. 5 wirkt die tätige Reue als persönlicher Strafaufhebungsgrund (§311 c Abs. 3 Nr. 1). IV. Nach Absatz 4 reicht es in allen Fällen aus, daß der Täter sich freiwillig und 11 ernsthaft durch aktives Eingreifen darum bemüht, die Gefahr abzuwenden, wenn die Gefahr auf andere Weise abgewendet wird. Letzteres ist allerdings zwingende Voraussetzung. Die Gefahr kann dabei schon abgewendet sein, bevor der Täter zu ihrer Abwehr tätig wird. V. Bei mehreren Tatbeteiligten gelten die in § 24 Abs. 2 niedergelegten Grund- 12 sätze entsprechend. VI. Die Einziehungsmöglichkeit nach § 325 a bleibt bestehen, auch wenn das 13 Gericht wegen tätiger Reue von Strafe absieht oder den Täter freispricht (§ 76 a).

§ 311 d Freisetzen ionisierender Strahlen (1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten 1. ionisierende Strahlen freisetzt oder 2. Kernspaltungsvorgänge bewirkt, die geeignet sind, Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. (4) Verwaltungsrechtliche Pflichten im Sinne des Absatzes 1 verletzt, wer grob pflichtwidrig gegen eine Rechtsvorschrift, vollziehbare Untersagung, Anordnung oder Auflage verstößt, die dem Schutz vor den von ionisierenden Strahlen oder von einem Kernspaltungsvorgang ausgehenden Gefahren dient. (53/1)

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Schrifttum A. Schrifttum zum früheren Recht. Breuer Die Entwicklung des Atomrechts 1974—1976, NJW 1977 1121; Breuer Die Entwicklung des Umweltschutzrechts seit 1977, NJW 1979 1862; Buckenberger Strafrecht und Umweltschutz (1975); Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, 2. Aufl. (1978); Haedrich Atomgesetz, Das Deutsche Bundesrecht III E 50 (1979); Kimminich Atomrecht (1974); Kohlhaas Die Strafbestimmungen des deutschen Atomgesetzes, AtW 1961 453; Kohlhaas Die Straf- und Bußgeldbestimmungen des Luftverkehrsgesetzes und des Atomgesetzes, GA 1962 43; Mattern/Raisch Atom- und Strahlenschutzrecht (1978); Nehring Strafnormen im Atomenergierecht (1965); Winters Atom- und Strahlenschutzrecht (1978). B. Schrifttum zum geltenden Recht. Laufhütte-Möhrenschlager Umweltstrafrecht in neuer Gestalt, ZStW 92 (1980) 912; Rogall Das Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität (18. Strafrechtsänderungsgesetz), JZ-GD 1980 101; Sack Das Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, NJW 1980 1424; Sack Umweltschutzstrafrecht, 3. Aufl. (1984); Sander Das Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität, BB 1980 1249; Sander Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (1981); Schild Probleme des Umweltstrafrechts, Jura 1979 421; Schild Umweltschutz durch Kriminalstrafrecht? JurBl. 1979 12; Tiedemann Die Neuordnung des Umweltstrafrechts (1980); Triffterer Die Rolle des Strafrechts beim Umweltschutz in der Bundesrepublik Deutschland, ZStW 91 (1979) 309; Triffterer Umweltstrafrecht (1980); de With Das neue Umweltstrafrecht, Recht und Politik 1980 33. C. Rechtsprechungsübersichten. Albers Gerichtsentscheidungen zu Kernkraftwerken (1980); Burhenne-Dietrich Umwelturteile (Loseblattausgabe); Erler-Kruse-Pelzer Deutsches Atomenergierecht (1977); Winters Atom- und Strahlenschutzrecht (1978) Anhang III. Entstehungsgeschichte

Die Materialien sind in Rdn. 7 vor § 324 zusammengestellt. Die vorliegende Bestimmung ist durch Artikel 1 Nr. 8 des 18. StRÄndG vom 28. 3. 1980 (BGBl. I S. 373) in das Strafgesetzbuch eingefügt worden und ab 1.7.1980 in Kraft. Sie tritt an die Stelle des durch Artikel 14 des genannten Gesetzes gleichzeitig aufgehobenen § 47 AtomG 1. Von diesem unterscheidet sie sich jedoch in wesentlichen Punkten. In den ursprünglichen Entwürfen (BRDrucks. 399/78 und BTDrucks. 8/2382) war sie noch nicht enthalten. Sie wurde im Laufe der Beratungen des RAussch. eingefügt. Nachdem Tiedemann in seinen gutachterlichen Äußerungen (S. 17) bereits darauf hingewiesen hatte, daß ein Blankettatbestand wie § 47 i. V. m. § 46 Nr. 2 und 3 AtomG zumindest teilweise in das StGB übernommen werden könne, wurde bei den Beratungen der Wunsch geäußert, alle Strafvorschriften des Atomgesetzes dorthin zu übernehmen. Diesen Bestrebungen wurde zunächst von der BReg. entgegengehalten, daß die Verzahnung des § 47 AtomG mit § 46 AtomG und den Vorschriften der Strahlenschutzverordnung zu kompliziert sei. Auch war daran gedacht, eine Übernahme allenfalls in den § 311b vorzusehen, weil die Gefährdungen sich nicht auf die Außenwelt beschränkten, der Strahlenschutz sich vielmehr auch auf den Mitarbeiterschutz erstrecke. Für eine Übernahme in das StGB wurde ins Feld geführt, daß von den Schutzvorschriften des Atomgesetzes ein größerer Personenkreis betroffen sei; in der Praxis würden die meisten Strahlen bei der Anwendung ionisierender Strahlen in der Medizin freigesetzt, wodurch der einzelne sehr viel mehr gefährdet werde als bei kerntechnischen Anlagen. Ausschlag für die Übernahme

1 § 47 AtomG war zuvor durch Artikel 192 Nr. 3 EGStGB sowie durch Artikel 1 Nr. 36 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 15. Juli 1975 (BGBl. I S. 1885) geändert worden. (53/2)

Freisetzen ionisierender Strahlen (Steindorf)

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gab schließlich die Erwägung, bei den „gravierendsten" Umweltbeeinträchtigungen, nämlich im Bereich der Kernbrennstoffe und der ionisierenden Strahlen, könne man es nicht bei der Regelung in Spezialgesetzen belassen; nur so könne das Ziel des Umweltschutzstrafrechts, die Vorschriften zusammenzufassen, auffindbar und für den Rechtsbetroffenen kalkulierbar zu machen, erreicht werden. Seitens der BReg. wurde nochmals — ohne Erfolg — auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die diesem Vorhaben entgegenstünden: Die Verknüpfung beispielsweise mit der Strahlenschutzverordnung und ihren 31 Ordnungswidrigkeitstatbeständen, die ihrerseits wieder an die Verletzung verwaltungsrechtlicher Vorschriften anknüpften, sei so unübersichtlich, daß die Gefahr bestehe, daß man in einem einzigen Tatbestand nicht alle Fälle erfasse. Nachdem man zunächst eine einfache Übernahme des § 47 AtomG in Form eines konkreten Gefährdungsdelikts ins Auge gefaßt hatte, entschloß man sich schließlich dazu, ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt zu schaffen, wobei man an § 325 Abs. 1 Satz 1 anknüpfte. Ausschlaggebender Grund hierfür war, daß die bei konkreten Gefährdungsdelikten stets auftretenden Beweisschwierigkeiten umgangen werden sollten. Hierzu wurde darauf hingewiesen, daß gerade auf dem Strahlenschutzsektor der Nachweis der Ursächlichkeit in der Praxis äußerst schwierig sei. Beim Umgang mit Röntgenapparaten beispielsweise lasse sich hinterher nicht mehr genau feststellen, ob der Gesundheitsschaden direkt auf diesen zurückzuführen sei. Eine Begrenzung des Tatbestandes sollte die Formulierung „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" bringen. In den Beratungen des Innenausschusses (83/20 vom 7.11. 1979) wurde herausgestellt, daß es sich bei diesem Begriff im Strafrecht um eine „Novität" handele: Ein gewisses Vorbild sei zwar im Verkehrsstrafrecht vorhanden, wo der Begriff des Verstoßes gegen Rechtsvorschriften durch grob pflichtwidriges Verhalten eines Fahrzeugführers (§ 315 a Abs. 1 Nr. 2) enthalten sei. Weitere Streitpunkte wurden schließlich ausgeräumt: An die Stelle der Formulierung „geeignet, zu gefährden" trat „geeignet , zu schädigen". Bei der Bestrafung der fahrlässigen Tat wurde abgelehnt, nur leichtfertiges Handeln zu erfassen. Schließlich einigte man sich auch auf die Strafbarkeit des Versuchs, die bisher im Atomgesetz nicht vorgesehen war. Die Unterschiede der Neuregelung gegenüber § 47 AtomG liegen in folgendem: Wegen der Trennung der Strafvorschrift, die in das StGB übernommen wurde, von den Ordnungswidrigkeitstatbeständen des Atomgesetzes war gesetzestechnisch die Fassung als „unechter Mischtatbestand" (Göhlerl Rdn. 36 vor § 1), der Ordnungswidrigkeiten bei einer durch sie herbeigeführten konkreten Gefahr zu Straftaten werden ließ, nicht aufrechtzuerhalten. Zum anderen ging der Wille des Gesetzgebers dahin, den Strafrechtsschutz zu erweitern, die Schwelle zum Kriminaldelikt in der Weise vorzuverlegen, daß an die Stelle des konkreten Gefährdungsdeliktes ein auf die Eignung zur Herbeiführung von Schäden abstellendes „abstrakt-konkretes" Gefährdungsdelikt geschaffen wurde (BTDrucks. 8/3633 S. 23)2. Gleichzeitig 2 Diesen Deliktscharakter, der auch als „potentielles Gefährdungsdelikt" (Dreher-Tröndle& Rdn. 1; Lackner^S Anm. 1) bezeichnet wird, bestreiten Sch.-Schröder-Cramer2l (Rdn. 1), SK-Horn (Rdn. 2) und Triffterer S. 254, die — ohne überzeugende Begründung — ein abstraktes Gefahrdungsdelikt annehmen, Cramer in ausdrücklicher Abkehr von der früher in jenem Kommentar vertretenen Ansicht (vor § 306 ff Rdn. 3 und 3 a), wobei aber auch er den hier in Rede stehenden Delikten einen Sonderstatus zuerkennt. Wie hier Rogall J Z - G D 1980 101, 107; Sack Rdn. 1 und 5. (53/3)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

wurde aber einer zu starken Ausweitung der Strafbarkeit dadurch entgegengesteuert, daß das Erfordernis „grob" pflichtwidrigen Handelns eingeführt worden ist. Darunter werden einmal besonders schwere Verletzungen einer Pflicht verstanden, zum anderen aber auch Verletzungen einer besonders gewichtigen Pflicht (BTDrucks. 8/3633 S. 24). Übersicht

I. Rechtsgüterschutz II. Tathandlungen 1. Freisetzen ionisierender Strahlen . 2. Bewirken von Kernspaltungsvorgängen III. Einschränkungen des Tatbestandes 1. Das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" . 2. „Vollziehbarkeit" 3. „Geeignetheit"

Rdn. 1 2 5

6 9 10

IV. Täterschaft V. Rechtswidrigkeit VI. Innere Tatseite VII. Versuch VIII. Strafe IX. Verjährung X. Einziehung XI. Zusammentreffen mit anderen Gesetzesverletzungen

Rdn. 13 15 16 17 18 19 20 21

I. Rechtsgüterschutz 1

2

Der Bestimmung geht es um den Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit des Menschen sowie um das Eigentum an Sachen von bedeutendem Wert. Zur Erläuterung dieser Begriffe wird auf Rüth LK § 315b Rdn. 6—11 verwiesen. Allerdings ist vorliegend zu beachten, daß nach der Tatbestandsgestaltung keine konkrete Gefahr herbeigeführt sein muß. Dem Deliktscharakter als abstrakt-konkretes (potentielles) Gefährdungsdelikt entsprechend muß sich die Gefahr nicht in bestimmten Objekten individualisiert haben. Dies wirkt sich auch bei der Frage aus, ob die Rechtswidrigkeit durch Einwilligung beseitigt werden kann (Rdn. 15). II. Tathandlungen 1. Typisiertes Unrecht ist zunächst das Freisetzen ionisierender Strahlen (Abs. 1 Nr. 1). Der Begriff der ionisierenden Strahlen, der bereits (als „ionisierende Strahlung") in § 311 a Bestandteil eines Unrechtstatbestandes ist (hierzu WolffLK § 311 a Rdn. 4; Fischerhof § 47 Rdn. 4), ist mehrfach Gegenstand rechtlicher Regelungen geworden (beispielsweise in Art. 74 Nr. I I a GG). Nach Art. 1 § 1 der EuratomGrundnormen (ABl. der Europäischen Gemeinschaften 1959 S. 221) umfassen sie elektromagnetische Strahlungen (Photonen oder Quanten der Röntgen- oder Gammastrahlung) oder Korpuskularstrahlungen (Alphateilchen, Betateilchen, Elektronen, Positronen, Protonen, Neutronen und schwere Teilchen), die in der Lage sind, die Bildung von Ionen zu bewirken. Diese wiederum sind Elementarteilchen, die in einem elektrischen Feld wandern. Eine kürzere Fassung vom 1. Juni 1976 (ABl. aaO L 187 S. 2) lautet: Ionisierende Strahlungen sind Strahlungen, die aus Photonen oder Teilchen bestehen, die fähig sind, direkt oder indirekt Ionen zu erzeugen 3. Die Anlage 1 zur Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung — StrlSchV) vom 13. 10.1976 (BGBl. I S. 2905, berichtigt BGBl. 1977 I S. 184 und 269, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. 5. 1981, BGBl. I S. 445) definiert die ionisierenden Strahlen als Photonen- oder 3 So auch der Vorschlag einer Richtlinie (EURATOM) BTDrucks. 8/2967 sowie die Definition im Strahlenschutzbericht BTDrucks. 8/4101 S. 15. (53/4)

Freisetzen ionisierender Strahlen (Steindorf)

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Teilchenstrahlungen, die in der Lage sind, direkt oder indirekt die Bildung von Ionen zu bewirken. Die Schädigung durch ionisierende Strahlen besteht in der meist physisch zu- 3 nächst nicht wahrnehmbaren, aber weiterwirkenden Veränderung der bestrahlten Substanz, namentlich des lebenden Organismus (Fischerhof § 1 Rdn. 6). Ionisierende Strahlen — in derPraxis vor allem Röntgenstrahlen 4 — können vor allem in höheren Dosen (über 50 rem) Strahlenschäden auslösen, und zwar somatische (an der bestrahlten Person selbst) oder genetische, die erst bei deren N a c h k o m m e n auftreten. Strahlendosen von 300 rem führen bei etwa 20 % der Bestrahlten zum Tode (Begr. Strahlenschutzverordnung BRDrucks. 375/76 S. 8 / 9 , 1 1 ) 5 . Die Tathandlung „Freisetzen" umfaßt mehrere Begehungsmöglichkeiten des 4 Austretenlassens, Ausströmenlassens, des Lösens der Gebundenheit der Strahlung: a) die künstliche Erzeugung der Strahlung, die sich d a n n frei ausbreitet; b) die Aufhebung einer Sperrvorrichtung, die dem Ausbreiten einer bereits erzeugten Strahlung entgegensteht, die Beseitigung einer Schutzvorrichtung bei einer begrenzten künstlichen Strahlenquelle, beispielsweise einem in Verwahrung befindlichen radioaktiven Stoff oder einem in Betrieb befindlichen Strahlengerät (BTDrucks. 8/3633 S. 24). Freisetzen bedeutet, daß der Strahlung freier, unkontrollierter Lauf gelassen wird; es wird eine Lage geschaffen, in der sich die Strahlen unkontrollierbar (unkontrolliert) im Raum ausdehnen können {Lackner 15 Anm. 3 a). Diese Tathandlung k a n n auch durch Unterlassen in Garantenstellung vorgenommen werden (Lackner aaO). Erfaßt ist damit jedes Verhalten, das zur Folge hat, daß die bezeichnete gefährliche Strahlung unkontrolliert wirksam wird. 2. Die zweite Tatmodalität ist das Bewirken von Kernspaltungsvorgängen. Hierun- 5 ter wird das Verursachen der bei der Spaltung von Kernbrennstoffen (§ 328 Rdn. 3)

4 Aufschlüsse hierüber ergeben die Strahlenschutzberichte, die regelmäßig von der Bundesregierung vorgelegt werden (BTDrucks. 8/3119, 8/4101, 10/2048). Aus ihnen ergibt sich, daß vor allem Personen, die künstlichen Strahlen ausgesetzt werden, wie z. B. durch die Anwendung ionisierender Strahlen und radioaktiver Stoffe in der Medizin, besonders schutzbedürftig sind (Sander Umweltstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht S. 214). 5 rem = englisches Kurzwort aus „roentgen equivalent man" ist bis 31. 12. 1985 die Maßeinheit für die Dosis ionisierender Strahlen, die die gleiche biologische Wirksamkeit am Gewebe des menschlichen Körpers hat wie ein „R" ( = Röntgen) Gammastrahlung (Duden, Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke (1968). R ( = Röntgen = Einheit der Röntgenund Gammastrahlung) ist diejenige Strahlenmenge, die in 1,293 mg Luft Ionen der Ladung 3, 3356 x 10-10 C erzeugt. C = Curie = Maßeinheit der Aktivität eines radioaktiven Strahlers (3,7 x 1010 Zerfallsakte je Sekunde). Das Zeichen lautet jetzt Ci. Ab 1. 1. 1986 gelten die Einheiten 1 Sievert = 100 rem und 1 Becquerel = 2,7 • 10-11 Curie. In dem Entwurf zum Strafgesetzbuch 1962 (E StGB 1962) wird zu §324 des Entwurfs ( = 311a StGB) zum Begriff des Mißbrauchs ionisierender Strahlen ausgeführt (S. 502): Die Vorschrift richtet sich gegen die verbrecherische Gefährdung durch die Strahlung, die von natürlichen oder von künstlichen radioaktiven Stoffen ausgeht. Sie ist auch auf Gefährdung durch Neutronenstrahlung anwendbar, die bei der Spaltung von Kernbrennstoffen entsteht, sowie auf künstlich erzeugte ionisierende Strahlen, vor allem Röntgenstrahlen; die Strahlenschutzgesetzgebung faßt den Begriff „ionisierende Strahlen" in einem weiteren, die radioaktiven Strahlen mitumfassenden Sinne auf (Art. 74 Nr. 11 a GG, §§ 1, 11, 12, 41, 45 Abs. 3 AtomG). (53/5)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

ablaufenden physikalischen Prozesse verstanden (Lackner 15 Anm. 3 b). Die Regelung knüpft an das naturwissenschaftliche Phänomen der Atomkernspaltung an (näher Fischerhof Einführung vor § 1 Rdn. 1 mit Hinweisen auf naturwissenschaftliches Schrifttum). Gegenstand sind radioaktive Stoffe (Oberbegriff) in Form von „besonderen spaltbaren Stoffen (Kernbrennstoffen)", wie sie in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AtomG aufgeführt sind. Diese Substanzen verfügen über die Eigenschaft, bei besonderen Bedingungen Kernenergie durch Kernspaltung in Kettenreaktionen freizusetzen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 e AtomG). Die dabei frei werdende Energie besteht aus der Bewegungsenergie (Wärme) der bei der Spaltung der Atomkerne entstehenden Teilchen und aus Energie in Form von Beta- und Gammastrahlen. Die Tatmodalität des Bewirkens von Kernspaltungsvorgängen ist eingefügt worden, um sicherzustellen, daß auch Gefahren, die nicht auf dem Freisetzen ionisierender Strahlen beruhen, erfaßt werden können (BTDrucks. 8/3633 S. 24). Das Gesetz folgt damit einer Differenzierung, die bereits dem bisherigen Recht zugrunde lag (§ 47 AtomG). Bewirken von derartigen Vorgängen bedeutet das verantwortliche Ingangsetzen und erfaßt alle Handlungsweisen, die Kernspaltungsvorgänge herbeiführen. III. Einschränkungen der Tatbestandsmäßigkeit 6

1. Nicht jede dieser in Abs. 1 Nr. 1 und 2 umschriebenen gefährlichen Tathandlungen erfüllt bereits den Tatbestand. Erforderlich ist vielmehr, daß dies „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" geschieht (§ 325 Rdn. 26 ff)- Hierbei handelt es sich um ein unrechtsbegründendes Tatbestandsmerkmal ( T r i f f t e r e r S. 94 ff, der sich im übrigen für eine Abschaffung dieses einschränkenden Merkmals einsetzt). Diese neuartige Formulierung mußte gewählt werden, nachdem der unechte Mischtatbestand des § 47 AtomG, der Vorläufer der jetzigen Regelung, nach seiner Herauslösung aus dem Atomgesetz in der neuen Form als Bestimmung des Strafgesetzbuchs nicht mehr in der bisherigen Weise auf eine Bestimmung in demselben Gesetz (§ 46 AtomG) aufbauen konnte. Um diese Frage zu lösen, hat der Gesetzgeber die „Zauberformel" „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" erfunden, zu der er in Abs. 4 eine Begriffsbestimmung gibt. Ursprünglich war eine derartige Regelung nur in Abs. 4 des § 325 vorgesehen (BTDrucks. 8/2382 S. 16). Die in die vorliegende Bestimmung (Abs. 4) mit Abweichungen übernommene Definition dient der Einschränkung des Tatbestandes auf strafwürdige Fälle (BTDrucks. 8/2382 S. 16). Sie stellt klar, daß die Strafbarkeit — außer bei Verstoß gegen Rechtsvorschriften — nur eintritt, wenn eine vollziehbare verwaltungsrechtliche Einzelmaßnahme, ein Verwaltungsakt in Form einer Auflage, Anordnung oder Untersagung, vorausgegangen ist, in der die verwaltungsrechtlichen Pflichten konkretisiert und dem Adressaten eindeutig eröffnet worden sind. Die Entwurfsbegründung spricht von einer „Vorwarnung" (BTDrucks. 8/2382 S. 16). Pönalisiert wird demnach insoweit der Ungehorsam gegenüber Verwaltungsakten 6.

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Die wichtigste Einschränkung des Tatbestandes liegt darin, daß nach der Definition in Abs. 4 verwaltungsrechtliche Pflichten i. S. d. Abs. 1 nur verletzt, wer grob pflichtwidrig handelt. Normen und Verwaltungsakte können sowohl sehr wichtige

6 Die Frage ist auch in anderem Zusammenhang (behördliches Hausverbot und Hausfriedensbruch) von Bedeutung und dort Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen (§ 325 Rdn. 35). (53/6)

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als auch weniger bedeutsame Regelungsinhalte aufweisen. Bei einem Verstoß gegen „Befehle" der letztgenannten Gruppe (beispielsweise rein formale, das Mitführen vorhandener Urkunden betreffende) wird das Verwaltungswidrige des Verhaltens als so gering bewertet, daß die Schwelle zum kriminellen Handeln selbst dann nicht als überschritten anzusehen ist, wenn an sich die Eignung zur Schädigung der in Abs. 1 genannten Rechtsgüter bejaht werden müßte. Um diese Fälle geringerer Bedeutung auszuscheiden, hat der Gesetzgeber das Erfordernis eingeführt, daß der Verstoß „grob pflichtwidrig" erfolgt sein muß. Absatz 4 ist indessen so zu lesen, daß verwaltungsrechtliche Pflichten im Sinne des Abs. 1 nur verletzt, wer einen groben Verstoß der genannten Art begangen hat. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung ist nicht als geglückt zu bezeichnen. Es wäre sinnvoller gewesen, diese Einschränkung bereits in den einleitenden Satz des Abs. 1 aufzunehmen, in dem jetzt zunächst alle Verstöße gegen verwaltungsrechtliche Pflichten erfaßt zu sein scheinen. Die Begriffsbestimmung in Abs. 4 bringt das vom Gesetzgeber Gewollte nicht deutlich genug zum Ausdruck. Nach dem jetzigen Wortlaut liegt die Einschränkung allein darin, daß die subjektive Komponente des Verstoßes (die aus der Art und Weise des Verstoßes hergeleitet wird) zur Eingrenzung führt in dem Sinne, daß nicht als grob pflichtwidrig begangen einzuordnende Verstöße ausscheiden, diese Verstöße aber im übrigen gegen alle vorhandenen Schutzvorschriften (Rechtsnormen, Verwaltungsakte), unabhängig von ihrer Bedeutung, gerichtet sein können. Die Entwurfsbegründung (BTDrucks. 8/2382 S. 16) führt dazu indessen aus: „Das Merkmal ,grob pflichtwidrig' ist § 315a StGB entnommen; es kennzeichnet die besonders schwere Verletzung einer Pflicht, aber auch die Verletzung einer besonders gewichtigen Pflicht." Die Schwere der Pflichtverletzung kann also in gleichem Maße subjektiv aus der Art und Weise des Verstoßes („grob") gegen eine nicht besonders gravierende Pflicht als auch objektiv aus dem — nicht notwendigerweise „groben" — Verstoß gegen eine gravierende Pflicht hergeleitet werden. Absatz 4 ist danach so zu lesen: Verwaltungsrechtliche Pflichten im Sinne des Abs. 1 verletzt, wer gegen sie in besonders schwerem Maße verstößt (BGH GA 1971 246 zu § 315 a Abs. 1 Nr. 2 StGB; OLG Hamm VRS 6 152, 153 für das Merkmal „grob verkehrswidrig" in § 315 a Abs. 1 Nr. 4 StGB a. F.)7. Aus der verlautbarten Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand einzuschränken, läßt sich ableiten, daß Verstöße von geringerem Gewicht strafrechtlich nicht geahndet werden sollen (Sch.-Schröder-Cramer2\

zu § 3 1 5 a R d n . 12).

Die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten besteht nach Abs. 4 darin, daß 8 — grob pflichtwidrig — gegen Rechtsvorschriften oder vollziehbare Verwaltungsakte verstoßen wird, die dem Schutz vor Gefahren dienen, die entweder von ionisierenden Strahlen oder von einem Kernspaltungsvorgang ausgehen, also die Herbeiführung einer typisch „atomaren" Gefahr betreffen (Fischerhof § 45 Rdn. 3). Diese vage Umschreibung, die Zweifel an der Rechtsgültigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit aufkommen lassen könnte, bezieht zunächst einmal die Rechtsvorschriften ein, die durch die Vorläuferbestimmung (§ 47 AtomG) erfaßt waren: Die Verstöße gegen § 46 Abs. 1 Nr. 1—3 AtomG. Durch die Neuregelung wird aber § 46

1 Hier taucht auch die Formulierung auf: wobei es sich um die besonders schwere Verletzung einer Pflicht, aber auch um Verletzung einer besonders ernst zu nehmenden Pflicht handeln kann; dieser Rechtsprechung folgen Rüth LK § 315a Rdn. 7 c ; aus neuerer Zeit: LG Mainz MDR 1982 597. (53/7)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Abs. 1 Nr. 1 AtomG nicht mehr als einbezogen anzusehen sein, geht es in ihm doch ausschließlich um die Durchsetzung der Bestimmungen über die zivilrechtliche Deckungsvorsorge bei einem Transportvorgang (§ 4 b AtomG). Der Strahlenschutz ist hier nicht unmittelbar betroffen. Gleiches gilt für § 46 Abs. 1 Nr. 3 n. F. (Nr. 2 a. F.), soweit eine Verletzung des § 13 Abs. 1 AtomG in Betracht kommt. Dagegen kann die ebenfalls in dieser Bestimmung genannte Erteilung einer Auflage (§ 324 Rdn. 80; § 325 Rdn. 33) sehr wohl der Abwendung einer typisch atomaren Gefahr gelten. Das trifft vor allem zu für die vollziehbare Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 2 oder 3 AtomG und die vollziehbare Anordnung nach § 19 Abs. 3 AtomG; hier wird der Strahlenschutz ausdrücklich angesprochen (ausführlich Sack Rdn. 19). Dies ist weiter eindeutig der Fall bei den Rechtsverordnungen, die in § 46 Abs. 1 Nr. 4 AtomG (Nr. 3 a. F.) ihrer Ermächtigungsgrundlage nach genannt sind, sowie den aufgrund einer Verordnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 AtomG ergangenen vollziehbaren Verwaltungsakten. Bei den zuerst genannten Rechtsverordnungen handelt es sich um die beiden folgenden: a) Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung - StrlSchV) vom 13. 10. 1976 (BGBl. I S. 2905, 1977 I S. 184, 269), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. 5. 1981 (BGBl. I S. 445) und b) Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung — RöV) vom 1. 3. 1973 (BGBl. I S. 173), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. 10. 1976 (BGBl. I S. 2905). Zur Darstellung der Vielfalt der in den Verordnungen enthaltenen Regelungen wird auf Haedrich Das deutsche Bundesrecht III E 50 S. 102 ff verwiesen. Die Vorschrift hat damit einen eigenartig vagen Charakter. Um eine Parallele zu ziehen: der Tatbestand ist so gestaltet, als ob hinsichtlich des Straßenverkehrs eine allgemeine Strafvorschrift erlassen würde des Inhalts, daß, wer grob verkehrswidrig bestimmte Verkehrsvorgänge bewirkt, die geeignet sind, eine typische Verkehrsgefahr herbeizuführen, mit Strafe belegt wird. Dennoch ist der Grundsatz der Bestimmtheit hier nicht verletzt, da die Verweisungsregelung zwar kompliziert, aber nicht unbestimmt ist. 9

Es wird als ausreichend anzusehen sein, wenn die Vorschrift oder Verfügung auch dem Strahlenschutz bzw. dem Schutz vor sonstigen typischen atomaren Gefahren dient, dieser Schutz also nicht den Hauptinhalt der Regelung darstellt. Nur mit einer solchen Auslegung kann man dem Schutzgedanken des Gesetzes gerecht werden. Diese Auffassung entspricht auch der zu § 315 a Abs. 1 Nr. 2 StGB vertretenen (BGHSt. 32 351; BGH GA 1971 246; Rüth LK § 315a Rdn. 12; Dreher-Tröndle42 § 315 a Rdn. 7).

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2. Das Erfordernis der „Vollziehbarkeit". Der Gesetzeswortlaut spricht davon, daß gegen eine Rechtsvorschrift, im übrigen gegen vollziehbare Untersagung, Anordnung oder Auflage verstoßen sein muß. Obwohl das Attribut „vollziehbar" nur vor dem Verwaltungsakt „Untersagung" steht, trifft es in gleicher Weise für die weiteren Verwaltungsakte „Anordnung" und „Auflage" zu. Auch die Einführung dieses Merkmals hat in der Gesetzgebungsgeschichte zu Kontroversen geführt. In der dem Rechtsausschuß zunächst vorliegenden Fassung der Vorschrift fehlte es zunächst. Bei den Beratungen im Innenausschuß (83/20) vom 7. November 1979 wurde seitens der Bundesregierung ausgeführt, daß der Begriff der „vollziehbaren Anordnung" im Strafrecht nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (53/8)

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(BGHSt. 23 86 ff) im Sinne von „unanfechtbar vollziehbar" auszulegen sei, d. h., die Anordnung strafrechtlich erst dann beachtet werden müsse, wenn der Betroffene mit verwaltungsrechtlichen Mitteln nicht mehr dagegen vorgehen könne. Hiergegen wurde eingewendet, das vom Gesetzgeber Gewollte könne nicht durch Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgedrückt werden; im Sinne der Klarheit der Vorschrift müsse für den Bürger bereits aus dem Gesetzestext selbst das Gewollte erkennbar werden. Demgegenüber wurde schließlich ausgeführt, daß die Problematik der vollziehbaren Anordnung durch die Rechtsprechung klar und eindeutig gelöst sei (näher § 325 Rdn. 35). Das Erfordernis, daß der Verwaltungsakt nur „vollziehbar" sein muß, bedeutet, d a ß es nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ankommt (Rogall J Z - G D 1980 101, 115; Gerhards NJW 1978, 86, 88)8. Mit Recht weist Rogall (aaO) darauf hin, d a ß dies sich vor allem aus dem Gedanken der abstrakten Gefährdung rechtfertige: Ein effektiver Schutz sei nur möglich, wenn sich der einzelne unbedingt an die sofort vollziehbare Anordnung der fachkompetenten Behörde halte. Im Anschluß an die straßenverkehrsrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt. 23 86, 91 f) hat sich zu Recht als überwiegende Meinung herausgebildet, daß es in Fällen der hier angesprochenen Art für die Strafbarkeit nur auf die Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes, nicht auf dessen materielle Rechtmäßigkeit ankommt; die spätere Aufhebung ändert nichts an der Strafbarkeit (Möhrenschlager Natur und Recht 1983 209, 216; a. A. Sch.Schröder-Cramer2\ § 325 Rdn. 19 u. 21). Der Strafrichter hat demnach nur zu prüfen, ob gegen einen wirksamen und vollziehbaren Verwaltungsakt verstoßen worden ist. Vollziehbar ist ein Verwaltungsakt, wenn gegen ihn kein Rechtsmittel eingelegt worden ist, das aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 1 VwGO) oder wenn die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Hinzu kommen die Fälle, in denen schon mit Erlaß des Verwaltungsaktes dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist. Demgegenüber liegt Vollziehbarkeit noch nicht vor (sofern die sofortige Vollziehbarkeit nicht auf dem Gesetz oder auf behördlicher Anordnung beruht) in dem Zeitraum vom Erlaß des Verwaltungsaktes ab, solange die Widerspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist (Rogall aaO). 3. Weitere Einschränkungen des Tatbestandes durch das Merkmal der „Geeignet- 11 heit". Sowohl die freigesetzten ionisierenden Strahlen als auch die Kernspaltungsvorgänge (nicht die „Tathandlung", so aber Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 6) müssen in gleicher Weise geeignet sein, Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen (was mehr erfordert als die ursprünglich vorgesehene Formulierung „gefährden"; so auch Sch.-Schröder-Cramer2\ aaO; Dreher-Tröndle*! Rdn. 5; Rogall J Z - G D 1980 101, 107; Sack Rdn. 10). Aus dem typisierten Unrechtstatbestand fallen also Strahlungen und Kernspaltungsvorgänge heraus, denen eine solche Eignung im Einzelfall festgestelltermaßen nicht zu-

8 Es entspricht der herrschenden Meinung, daß die Rechtmäßigkeit des strafbewehrten Verwaltungsakts keine Voraussetzung der Strafbarkeit ist (BGHSt. 31 315; 23 86 ff; OLG Karlsruhe N J W 1978 116; Hans. O L G Hamburg JZ 1980 HO; O L G Schleswig SchlHA 1981 52; abweichend die Monographie von Arnhold Die Strafbewehrung rechtswidriger Verwaltungsakte (1978); Langemann Der Ungehorsam gegenüber sanktionsbewehrten Verwaltungsakten, Diss. Münster 1977 S. 131 ff). (53/9)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

kommt. Hier zeigt sich, daß es sich nicht um ein rein abstraktes Gefährdungsdelikt (so aber Sch.-Schröder-Cramer21 Rdn. 1; SK-Horn Rdn. 2) handelt; ein solches würde das Freisetzen der Strahlen und Bewirken des Spaltungsvorganges als an sich schon höchst gefährdend ausreichen lassen. Auf der anderen Seite wollte der Gesetzgeber erklärtermaßen die Beweisschwierigkeiten vermeiden, die in derartigen Fällen, wie beispielsweise bei dem Vorläufer, § 47 AtomG, dem Nachweis der Verursachung einer konkreten Gefahr gerade durch diese Handlungsweise des Täters entgegenstehen. Um den Unbilligkeiten, die bei abstrakten Gefährdungsdelikten deshalb entstehen können, weil der Gegenbeweis der individuellen Ungefährlichkeit des Verhaltens nicht eröffnet ist ( W o l f f LK § 306 Rdn. 3; zu beachten ist allerdings die Sonderregelung in § 326 Abs. 5), hat man sich zu einem Kompromiß entschlossen und ein sog. abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt geschaffen. Ob diesem Typus mit der unschönen, widersprüchlichen Bezeichnung (besser: „potentielles" Gefährdungsdelikt nach Dreh er- Tröndle 42 Rdn. 5 und Lackner 15 Anm. 3) überhaupt eine Eigenständigkeit zukommen kann, ist bestritten. Obwohl sie sich von den reinen abstrakten Gefährdungsdelikten unterscheiden (so auch Sch.-SchröderCramer2\ vor § 306 ff Rdn. 3 und 3 a), neigen diese Delikte sich ihrem Wesen nach doch stark den abstrakten Gefahrdungsdelikten zu. Sie gehören jedenfalls in keiner Weise zu den konkreten Gefährdungsdelikten. Auch der Hinweis darauf, daß sie „potentiell" gefährlich sind, deutet auf die weitgehend abstrakte Gefährlichkeit hin. Letztlich ist die systematische Einordnung indessen nicht von praktischer Bedeutung, da mit der klaren Ausscheidung eines konkreten Gefährdungsdelikts beispielsweise feststeht, daß das Unrecht der Tat nicht zur Disposition eines der individuell gefährdeten Opfer steht. 12

Die möglichen Gefahren, die es zu vermeiden gilt, sind in Abs. 1 in herkömmlicher Weise umschrieben: Schädigungen von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert. Es kann hier auf Rüth LK § 315 b Rdn. 6—11 und § 315 Rdn. 34—40 verwiesen werden. Eine Schädigung kann auch darin liegen, daß die Sache selbst radioaktiv wird (Dreher-Tröndle42 §311a Rdn. 4). Dem Sinn der Regelung entsprechend werden selbstverständlich auch genetische Schädigungen erfaßt (Dreher-Tröndle^ § 311 a Rdn. 4; Sack Rdn. 12; a. A. Mattern-Raisch § 41 Rdn. 8).

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Die Frage, wann ionisierende Strahlen oder Kernspaltungsvorgänge geeignet sind, Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen, wird ohne Sachverständigenhilfe kaum zu entscheiden sein. Auszugehen ist hierbei von der den genannten Umständen innewohnenden abstrakten Gefährlichkeit, die Anlaß zu der gesetzlichen Regelung gegeben hat und von der eine gewisse Vermutung für die Eignung zur Schädigung ausgeht. Die Tatsache, daß es sich nicht um ein rein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, sondern um ein abstrakt-konkretes (siehe Entstehungsgeschichte), hat zur Folge, daß auch spezielle Tatumstände, wenn auch nur generalisierend, berücksichtigt werden müssen (BTDrucks. 8/2382 S. 16). Dieses Erfordernis des Eingehens auf die konkreten Umstände kann im Einzelfall dazu führen, daß die allgemein an sich vorliegende abstrakte Gefährlichkeit im Einzelfall nicht bejaht werden kann, die genannte Vermutung somit aufgrund konkret festgestellter Einzelumstände widerlegt erscheint. Dabei ist aber stets sorgfältig zu prüfen, ob nicht über die unmittelbar betroffenen Opfer der Strahlen wegen der diffusen Verbreitung, die ihnen eigentümlich ist, auch weitere mögliche Opfer berücksichtigt werden müssen. Zum Merkmal der Geeignetheit wird im übrigen auf § 325 Rdn. 4 ff verwiesen. (53/10)

Freisetzen ionisierender Strahlen (Steindorf)

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IV. Täterschaft Die Handlung kann durch positives Tun oder Unterlassen im Sinne von § 13 14 Abs. 1 begangen werden. Gerade bei dem Umgang mit ionisierenden Strahlen und mit Kernspaltungen wird es sich in aller Regel um Personen handeln, denen eine Garantenstellung aufgrund ihres Umgehens mit den gefährlichen Materien zukommt. Auch bei der Auslegung dieses Tatbestandes ist allerdings zunächst immer zu prüfen, ob nicht, wie meist, ein Verwirklichen des Tatbestandes durch positives Handeln vorliegt. Falls tatsächlich eine Tatbegehung durch Unterlassen vorliegt, wird eine Milderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2 grundsätzlich auszuscheiden haben. Abgesehen von Ausnahmefällen ist nichts dafür ersichtlich, daß eine Bewertung des durch den Garanten verwirklichten Unrechts zu einem geminderten Vorwurf führen könnte (im Ergebnis ähnlich SK-Horn § 315 a Rdn. 10). Verwantwortlicher Täter kann an sich jedermann sein. Wird der Tatbestand im 15 Bereich eines Unternehmens begangen, ist § 14 zu berücksichtigen. Hierbei wird jeweils derjenige zu ermitteln sein, den die Verantwortung im Einzelfall trifft. Täter können insbesondere der „Strahlenschutzverantwortliche" (§ 29 Abs. 1 Strahlenschutzverordnung — StrlSchV —) und der von ihm beauftragte „Strahlenschutzbeauftragte" (§ 29 Abs. 2—6, § 30 u. 31 StrlSchV) sein. Deren jeweiliger Pflichtenkreis ist in § 31 StrlSchV im einzelnen klar umrissen. Aus welchen Gründen diesen Personen eine Garantenpflicht nicht zukommen sollte (so Laufliütte-Möhrenschlager ZStW 92 [1980] 912, 965, Fußnote 239), ist nicht ersichtlich (wie hier SchmatzNöthlichs Strahlenschutzrecht 2. Aufl. 1977 Ziffer 8064 S. 2; Sack Rdn. 52). Als Täter k o m m t in diesem Zusammenhang auch ein Arbeitnehmer in Betracht, der unter Verletzung von Strahlenschutzvorschriften die im Tatbestand umschriebenen Folgen verursacht (a. A. auch insoweit Laufliütte-Möhrenschlager aaO). V. Rechtswidrigkeit Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des im Tatbestand im einzelnen um- 16 schriebenen Verhaltens gelten die allgemeinen Grundsätze. Das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" ist Tatbestandsmerkmal (Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 7; Sack Rdn. 37; Dreher-Tröndle42 §325 Rdn. 3). Ein Verhalten, das den verwaltungsrechtlichen Anforderungen genügt, ist demnach schon nicht tatbestandsmäßig, nicht etwa wird dadurch nur die Rechtswidrigkeit ausgeräumt. Die Erfüllung des objektiven Tatbestands indiziert auch hier die Rechtswidrigkeit, die bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen im Einzelfall ausgeschlossen sein kann. Die Einwilligung eines Gefährdeten beseitigt die Rechtswidrigkeit regelmäßig nicht (a. A. Sch.-Schröder-CramerlA Rdn. 7 für einen von ihm konstruierten Sonderfall, daß sich die tatsächliche Gefährdung auf einen fest umrissenen Personenkreis beschränkt). In diesem Beispiel des Forschungsteams wird aber im Regelfall schon die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten und das unkontrollierte Freisetzen von Strahlen zweifelhaft sein (wie hier Sack Rdn. 38). Das Freisetzen von ionisierenden Strahlen und das Bewirken von Kernspaltungsvorgängen führt regelmäßig zu unbeherrschbar werdenden Auswirkungen, so d a ß der Personenkreis, dem Schäden drohen, der Natur der Sache nach grundsätzlich nicht einzugrenzen ist.

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VI. Innere Tatseite Die Tathandlung des Abs. 1 erfordert Vorsatz, wobei, da aus der Tatbestandskonstruktion nichts Abweichendes herzuleiten ist, auch bedingter Vorsatz ausreicht (Dreher- Tröndle42 Rdn. 7). Der Täter muß danach wissen, daß er ionisierende Strahlen freisetzt oder einen Kernspaltungsvorgang bewirkt, und diesen Erfolg mindestens bedingt wollen, mit dessen Eintritt einverstanden sein. Ihm muß weiter bekannt sein, daß seinem Verhalten die Eignung zur Schädigung der im Tatbestand umschriebenen Rechtsgüter zukommt ( W o l f f LK § 311 a Rdn. 10; Dreher-Tröndle aaO). Vom Vorsatz mitumfaßt muß auch das Merkmal „unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" sein. Hierbei handelt es sich um ein ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal ausgestaltetes Erfordernis (Tiedemann S. 25; Rogall JZ-GD 1980 101, 107). Der Täter muß die ihn verwaltungsrechtlich treffenden Pflichten kennen und wissen, daß er gegen sie verstößt (Dreher-Tröndle aaO). Der Täter muß auch die Umstände kennen, die sein Verhalten zu einem grob pflichtwidrigen Handeln machen; ob er selbst sein Tun als grob pflichtwidrig einordnet, ist dagegen ohne Bedeutung. Es reicht, wie auch sonst, aus, daß der Täter über alle Tatumstände vollständig informiert ist. Dazu gehört beispielsweise das Wissen um Verwaltungsakte, die an ihn auf dem Gebiet der Vermeidung atomarer Gefahren ergangen sind. Daß er sein Tun irrig als nicht verwaltungsrechtswidrig oder etwa nur leicht pflichtwidrig einordnet, räumt seinen Vorsatz nicht aus; insoweit liegt ein Subsumtionsirrtum vor, der den Regeln des § 17 folgt (ähnlich SK-Horn §315a Rdn. 13; Lackner 15 § 325 Anm. 5; hierzu § 325 Rdn. 64 f). Ein Verbotsirrtum nach § 17 wird fast immer als vermeidbar einzustufen sein, da Informationspflichten und hinreichende Möglichkeiten hierzu bei den zuständigen Fachbehörden bereitstehen. Zur fahrlässigen Begehungsweise unten VIII.

VII. Versuch 18 Der Versuch ist für strafbar erklärt worden. Auch dadurch unterscheidet sich die Neuregelung vom früheren Recht (§§ 46,47 AtomG). Kriterium ist — wie allgemein - das „Ansetzen" zur Tathandlung ( Vogler LK § 22 Rdn. 29 ff).

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VIII. Strafe Die Strafdrohung für das vorsätzliche Delikt ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem des § 40 festgelegt. Damit entspricht die vorgesehene Strafe den vergleichbaren Regelungen des Umweltschutzstrafrechts (§§ 324, 325). Eine Änderung gegenüber dem durch die vorstehende Regelung abgelösten § 47 AtomG ist damit nicht eingetreten, wobei allerdings zu beachten ist, daß jene Bestimmung den Eintritt einer konkreten Gefahr vorausgesetzt hat. Eine dem Satz 2 von § 47 AtomG entsprechende Vorschrift, wonach eine erhöhte Mindeststrafdrohung den traf, der die Gefahr „wissentlich" herbeigeführt hat, kennt die neue Bestimmung nicht. Nach Abs. 3 ist, insoweit über das bisherige Recht in § 47 AtomG hinausgehend, auch die fahrlässige Begehung unter — erheblich geringere — Strafe gestellt. Sie kommt insbesondere in Betracht, wenn nicht nachweisbar ist, daß das objektive Geschehen in allen Varianten vom Vorsatz des Täters getragen war oder der Täter seine verwaltungsrechtlichen Pflichten in einer den Tatbestandsvorsatz ausschlie(53/12)

Freisetzen ionisierender Strahlen (Steindorf)

§ 311 d

ßenden Weise (§ 16 Abs. 1) verkennt (Dreher-Tröndle42 Rdn. 7). In diesen Fällen unvorsätzlichen Handelns bedarf allerdings die Fahrlässigkeit jeweils einer eigenständigen Begründung. Der weitverbreiteten Praxis, bei Vorliegen eines Irrtums über Tatumstände (Schroeder LK § 16 Rdn. 113 ff) quasi automatisch nach § 16 Abs. 1 Satz 2 fahrlässige Begehungsweise anzunehmen, kann nicht entschieden genug entgegengetreten werden. Zur Erläuterung der Fahrlässigkeitsmerkmale wird auf Schroeder LK § 16 Rdn. 116 ff verwiesen. Die Rechtsprechung hat bisher — soweit ersichtlich — nur einen Fall dieser Art entschieden (LG München NStZ 1982 470): Ein als Durchstrahlungsprüfer ausgebildeter Spezialist sicherte sein Arbeitsgerät, ein Isotopengerät Gammamat TE-F beim Transport mit einem Kraftfahrzeug in mehrfacher Weise unvorschriftsmäßig, so daß es aus dem Fahrzeug auf die Straße fiel und dort von Kindern aufgelesen wurde, die an dem Gerät manipulierten, so daß Gammastrahlung in nicht mehr genau feststellbarer Menge austreten konnte. Dieser Fall zeigt gleichzeitig die Schwierigkeiten, die in derartigen Fällen der Feststellung des Sachverhalts entgegenstehen. Es mußten allein in diesem Fall drei Sachverständige hinzugezogen werden. Der Angeklagte wurde schließlich wegen fahrlässigen Freisetzens ionisierender Strahlen in Tateinheit mit fahrlässiger schwerer Umweltgefährdung nach § 330 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6 zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50,— DM verurteilt. Vorsätzliche Verstöße sind für die letzten Jahre nicht registriert worden.

IX. Verjährung Die Verjährung der Strafverfolgung tritt mit Ablauf von fünf Jahren ein (§ 78 20 Abs. 3 Nr. 4).

X. Einziehung Die Einziehung ist in § 322 n. F. geregelt. Auf die Erläuterungen zu dieser Be- 21 Stimmung wird verwiesen. Zu beachten ist, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (MDR 1983 767; NStZ 1985 362) bei der Bemessung der Strafe gegebenenfalls ausdrücklich darauf einzugehen ist, daß die Tatsache der Einziehung und das damit für den Täter verbundene Übel mitberücksichtigt worden ist. Es ist dann unzureichend, wenn in Urteilsbegründungen lediglich erwähnt wird, daß ein bestimmter Gegenstand „nach § 322" eingezogen worden ist (einschränkend für den Fall, daß die Einziehung kein bestimmender Zumessungsfaktor gewesen ist BGH MDR 1984 241).

XI. Zusammentreffen mit anderen Gesetzesverletzungen Kommt es zur Verletzung der in Abs. 1 umschriebenen Rechtsgüter, so verdrängt 22 das Verletzungsdelikt (§§211 ff, 223, 303 bei jeweils im Tatbestand vorgesehener vorsätzlicher Begehungsweise) insoweit das Gefährdungsdelikt. Soweit Gefährdung und Verletzung sich nicht decken, wird das Unrecht der Tat nur durch die Annahme von Tateinheit voll erfaßt. Mit den Fahrlässigkeitstatbeständen §§ 222, 230 besteht Tateinheit, da in diesen Vorschriften die abstrakte Gefährdung der vorliegenden Bestimmung nicht ausgeschöpft wird (Sch.-Schröder-Cramer21 Rdn. 11). (53/13)

§ 311 e

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Tateinheit mit § 330 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 und 6 liegt vor, wenn das Freisetzen ionisierender Strahlen oder das Bewirken eines Kernspaltungsvorgangs „beim Betrieb einer Anlage" stattfindet und eine konkrete Gefahr tatsächlich herbeigeführt worden ist, desgleichen nach § 330 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 und 6, wenn ein solcher Erfolg von einem Verantwortlichen bei einem Transportvorgang verursacht worden ist (LG München NStZ 1982 470; Sch.-Schröder-Cramer aaO). Im übrigen wird Tateinheit anzunehmen sein mit §311 (Cramer a a O ; Dreher-Tröndle42 Rdn. 8), § 311 e (Sack R d n . 62), § 327 Abs. 1, §328 (Cramer a a O ; LacknerU Anm. 6). Hinter den §§ 310 b, 311 a tritt die vorliegende Vorschrift zurück, da insoweit Subsidiarität gegeben ist (Cramer Rdn. 11; Sack Rdn. 48; Dreher-Tröndle42 Rdn. 8; Lackner a a O ; a. A. SK-Horn Rdn. 7).

§ 311 e Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage (1) Wer wissentlich eine kerntechnische Anlage (§ 330 d Nr. 2) oder Gegenstände, die zur Errichtung oder zum Betrieb einer solchen Anlage bestimmt sind, fehlerhaft herstellt oder liefert und dadurch wissentlich eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert herbeiführt, die mit der Wirkung eines Kernspaltungsvorgangs oder der Strahlung eines radioaktiven Stoffes zusammenhängt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter durch die Tat leichtfertig den Tod eines Menschen verursacht. (4) Wer die Gefahr in den Fällen des Absatzes 1 nicht wissentlich, aber vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Schrifttum Es wird auf die Angaben zu § 311 d und § 327 verwiesen. Entstehungsgeschichte Die Bestimmung geht in ihrem Ursprung auf einen Beschluß des Bundestagsausschusses f ü r Atomfragen zurück (Nr. 24 des Schriftlichen Berichts zu BTDrucks. I I / 3502). Sie war als § 49 Bestandteil des RegE zum A t o m G (BTDrucks. III/759). Ihr erklärtes Vorbild ist § 109 e Abs. 2 StGB. Gesetz wurde die Regelung als § 4 8 A t o m G , später geändert durch Artikel 192 Nr. 4 EGStGB sowie durch Artikel 18 des 4. Ä n d G zum A t o m G vom 30. 8. 1976 (BGBl. I S. 2573). In das StGB übernommen wurde sie — im wesentlichen unverändert — durch Artikel 1 Nr. 8 des 18. S t R Ä n d G vom 28. 3.1980 (BGBl. I S. 373), in Kraft ab 1. 7.1980. Lediglich in Abs. 3 Satz 2 wurde ein Regelbeispiel für den besonders schweren Fall eingefügt. Die Übernahme auch dieser Bestimmung in das StGB war im RegE noch nicht vor(53/14)

Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen A n l a g e (Steindorf)

§ 311

e

gesehen gewesen; sie geschah auf Bestreben des BTRAussch. § 48 AtomG ist durch Artikel 14 des genannten StRÄndG aufgehoben worden. Übersicht

I. Allgemeines II. Tatobjekte 1. kerntechnische Anlage 2. Anlagenteile III. Tathandlungen 1. Herstellen 2. Liefern 3. Verhältnis zwischen beiden Modalitäten

Rdn. 1 2 3 7 8

4. Die konkrete Gefahr IV. Täterschaft und Teilnahme V. Rechtswidrigkeit VI. Innere Tatseite VII. Versuch VIII. Rechtsfolgen IX. Zusammentreffen mit anderen Verstößen

Rdn. 12 14 15 16 17 18 20

11

I. Allgemeines Nach der Begründung zum AtomG (BTDrucks. III/759 S. 45 zu § 49) besteht 1 wegen der besonderen Gefährlichkeit von Atomanlagen (§ 7 AtomG, jetzt auch § 330 d Nr. 2 StGB) ein Bedürfnis für eine Strafdrohung gegen denjenigen, der eine solche Anlage oder Teile hiervon fehlerhaft herstellt und dadurch eine „Gemeingefahr" herbeiführt. Der Begriff der „Gemeingefahr" wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens „aufgelöst" (zu BTDrucks. III/1412 S. 6), um klarzustellen, daß die Gefährdung eines bestimmten Menschen den Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Gefährdete „nicht Repräsentant der Allgemeinheit" ist. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt; geschützt werden die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sowie das Eigentum an Sachen von bedeutendem Wert. II. Tatobjekte 1. Der Begriff der „kerntechnischen Anlage" ist nunmehr seit dem 18. StRÄndG 2 im StGB selbst umschrieben (§330d Nr. 2). Es wurde die Formulierung aus §7 Abs. 1 AtomG mit der Änderung übernommen, daß nicht nur ortsfeste, sondern auch ortsveränderliche Anlagen erfaßt sind (§ 327 Rdn. 2 ff). 2. Außer einer Gesamtanlage können Objekt des Tatbestandes auch einzelne Ge- 3 genstände sein, falls sie a) zur Errichtung einer solchen Anlage oder b) zu deren Betrieb bestimmt sind. Errichten bedeutet, die Anlage an dem Ort, an dem der nachfolgende Betrieb stattfinden soll, in einer Weise erstmals {Lackner 15 Anm. 2) bereitzustellen, daß mit dem Betrieb begonnen werden kann (Fischerhof § 7 Rdn. 7). Die Unterscheidung zwischen Errichtung und Betrieb findet sich auch in § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Nach den Materialien zu diesem Gesetz ist der Begriff des Errichtens in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Errichtung ist nicht allein das Stadium des Aufbaus, sondern auch die Einrichtung der Anlage ihrer gesamten technisch-konstruktiven Beschaffenheit nach, einschließlich ihrer Funktionsweise. Errichtung ist damit als Vorstufe zum „Betrieb" (besser: Betreiben) der Anlage aufzufassen und umfaßt sämtliche hierfür im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen bis zur Erreichung der konkret beabsichtigten Funktionsbereitschaft. Etwa erforderlich werdende Probeläufe der Anlage sind bereits dem „Betrieb" zuzurechnen. Die Errichtung liegt nicht erst dann vor, wenn die Herrichtungsarbeiten zur Aufnahme des Betriebes zum Abschluß gelangt sind, wie man aus dem — einen solchen Abschluß (53/15)

§ 311 e

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

an sich enthaltenden — Wort „Errichtung" in seiner Kennzeichnung für ein abgeschlossenes Faktum entnehmen könnte, sondern bereits dann, wenn tatsächlich „errichtet" wird, d. h., wenn Ausschachtungs-, Bau- oder Montagearbeiten für das Vorhaben ausgeführt werden. Rein büromäßige Vorbereitungshandlungen gehören hierzu noch nicht (Kutscheidt in Landmann-Rohmer Band III § 4 BImSchG Rdn. 37). Maschinen und Rohre sind hiernach nicht erst zum Betrieb, sondern bereits zur Errichtung einer Anlage bestimmt (abweichend SK-Horn Rdn. 3). 4

Auch der Begriff „Betrieb" ist „in einem umfassenden Sinne" zu verstehen (BTDrucks. 7/179 S. 31), so daß hierunter nicht allein die Produktion im engeren Sinne, sondern die gesamte Betriebsweise, einschließlich ihrer Wartung und Unterhaltung, zu fassen ist. Auch spricht man besser vom „Betreiben" der Anlage. Schwierigkeiten der Auslegung werden hier seltener auftreten. Erforderlich ist, daß die errichtete Anlage in Funktion gesetzt wird, was schon bei Probeläufen der Fall ist. Die Abgrenzung ist in Zweifelsfällen nicht entscheidungserheblich, da in beiden Fällen Strafbarkeit eintritt. Auszuscheiden sind vielmehr die Fälle, in denen weder Errichten noch Betreiben vorliegt.

5

Die Frage, ob die Gegenstände zur Errichtung oder zum Betrieb einer solchen Anlage bestimmt sind, entscheidet sich nach objektiven Maßstäben 1. Maßgebend ist, ob die Gegenstände den Bestimmungszweck in sich tragen, ob es ihr Schicksal ist, ob sie hierfür vorgesehen sind. Vorbild ist, wie in der Entstehungsgeschichte dargelegt, § 109e Abs. 2, wo die Formulierung gebraucht wird: „den dafür bestimmten W e r k s t o f f . Abzustellen ist darauf, ob die Gegenstände Bestandteil der kerntechnischen Anlage werden sollen; „Teile hiervon" (Rdn. 3) erfaßt somit alles, was zur Einrichtung der Anlage verwendet werden soll. Arbeitsmittel werden dagegen nicht Bestandteil der Anlage. Sie scheiden folglich aus (a. A.: Sch.-SchröderCramer2\ Rdn. 23). Derartige Arbeitsmittel können so fehlerhaft sein, wie sie wollen, wenn nur das durch sie geschaffene Produkt, das der Anlage eingefügt werden soll, fehlerfrei ist. Über den Verwendungszweck bestimmt nicht einseitig der Hersteller oder Lieferant oder gar derjenige, der für die Errichtung oder den Betrieb der Anlage verantwortlich ist (so allerdings Horn aaO und ihm folgend Cramer aaO und Sack Rdn. 10). Das bedeutet einmal, daß ein über den Verwendungszweck nicht informierter Hersteller oder Lieferant an sich objektiv tatbestandsmäßig handelt und zum anderen, daß die bloße subjektive Widmung eines zu diesem Zweck — objektiv — völlig ungeeigneten Gegenstandes nicht ausreicht, eine „Bestimmung" anzunehmen. Allein diese Auslegung wird dem geforderten Gefährdungscharakter der Tathandlung gerecht. Bei den Gegenständen muß es sich um Material für „ungewöhnlich große Gefahrenquellen" ( T r i f f t e r e r S. 354) handeln. Gegenstände, die aufgrund ihrer Beschaffenheit (entgegen der Annahme des Herstellers oder Lieferanten) zum Zweck der Komplettierung einer Atomanlage nicht verwendbar sind, scheiden damit als Objekte des Tatbestandes aus.

6

III. Tathandlungen Anlagen oder Gegenstände mit der (Rdn. 5) geschilderten Zweckbestimmung müssen entweder fehlerhaft hergestellt oder fehlerhaft geliefert worden sein. Zu1 Darauf, ob der betreffende Gegenstand zwischen Ingangsetzen und endgültiger Stillegung in der Anlage — tatsächlich — benutzt wird (Sch.-Schröder-Cramer^ Rdn. 3), kommt es nicht an; entscheidend ist die Zweckbestimmung ex ante. (53/16)

Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage (Steindorf)

§ 311

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nächst ist klarzustellen, daß es hierbei nicht auf Fehler in dem Herstellungs- oder Lieferungsvorgang selbst ankommen kann. Dementsprechend müßte die Überschrift auch lauten: Herstellung einer fehlerhaften kerntechnischen Anlage und nicht: Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage. Entscheidend ist allein die mangelnde Qualität des hergestellten oder gelieferten Produkts (so auch SK-Horn Rdn. 4). Fehlerbehaftet ist ein solches, wenn seine Beschaffenheit die Verwendbarkeit zum bestimmungsgemäßen Gebrauch entweder völlig ausschließt oder in einem derart erheblichen Maße herabmindert, d a ß die Zweckerreichung gefährdet ist, der angestrebte Zweck nicht vollständig verwirklicht werden kann. Entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Bestimmung ist die Frage der Verwendbarkeit (Tauglichkeit) im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Ausschaltung atomarer Gefahren zu entscheiden. Es geht nicht um die Garantie bloßer technischer Wertarbeit. Maßstäbe f ü r die Fehlerhaftigkeit sind einerseits Sicherheitsanforderungen, die durch Rechtsvorschriften (z. B. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG) festgelegt sind, andererseits auch solche, die der technische Erfahrungsstand gebietet, ohne daß diese rechtlich reglementiert sein müßten (Lackner\5 Anm. 3, ähnlich Schroeder LK § 109e Rdn. 7). Nicht fehlerhaft ist (entgegen Dreher-Tröndle42 Rdn. 4) eine mengenmäßige Minderlieferung fehlerfreier Gegenstände. Die Lieferung eines „aliud" ist es d a n n nicht, wenn diesem die erforderliche Zweckbestimmung erkennbar fehlt und es deshalb kerntechnisch gesehen irrelevant ist. Die zivilrechtliche Betrachtungsweise ist in keinem dieser Fälle f ü r die A n n a h m e der Fehlerhaftigkeit ausschlaggebend (so auch SK-Horn Rdn. 4). Nicht fehlerhaft handelt beispielsweise auch derjenige, der — vertragswidrig — überhaupt nicht oder zwar verspätet, aber fehlerfrei herstellt oder liefert {Horn aaO)2. In all diesen Fällen kann die Gefahr einer sicherheitstechnischen Panne infolge eines Mangels an der Anlage mit ihren schwerwiegenden Folgen nicht akut werden. Wohl aber kann die Gefahr eintreten, wenn der Besteller eines nach seinen Plänen herzustellenden sicherheitsrelevanten Bestandteils der Anlage ihre Mangelhaftigkeit nicht erkennt, der Hersteller oder Lieferant aber den erforderlichen „Durchblick" hat. Falls einer von diesen wissentlich in bezug auf den Fehler des Gegenstandes handelt und ihm auch die Gefahr in einer der Formen des Tatbestandes zuzurechnen ist, ist er Täter (a. A. Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 5, der bei vertragsgemäßer, aber erkannt vorschriftswidriger Herstellung oder Lieferung nur den — nichtsahnenden — Besteller zur Rechenschaft ziehen möchte; wie hier insoweit SK-Horn Rdn. 4). 1. Als gleichwertige Tathandlungen stehen nebeneinander das Herstellen und 7 das Liefern. Herstellen bezieht sich in erster Linie auf die Erstellung der ortsfesten Gesamtanlage in der Sphäre des Bestellers, da nur durch ein solches Herstellen die konkrete Gefahr verursacht werden kann. Der Hersteller der nicht gelieferten fehlerhaften Einzelteile, die er noch in seinem Besitz hat, wird zur Verursachung einer solchen Gefahr regelmäßig nicht in der Lage sein. Unter Herstellen versteht man die Anfertigung eines Gegenstandes bis zu seiner bezweckten Fertigstellung als Vorstufe der Ingebrauchnahme. Es entsteht ein „Werk", zu dessen Gestaltung das Bearbeiten oder Verarbeiten von Werkstoffen vorgenommen wird {Lackner 15 Anm. 3). Für das Bundes-Immissionsschutzgesetz stellt dessen § 3 Abs. 7 das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln dem Herstellen gleich. Begriffe aus diesem Bereich des sog. technischen Rechts sind als Parallelen besser geeignet als etwa solche

2 Schroeder (53/17)

LK § 109e Rdn. 7 sieht darin zu Unrecht einen Wertungswiderspruch.

§ 311 e

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

aus dem Urkundenrecht, in dem ebenfalls das „Herstellen" zum Tatbestand gehört. Ob bereits die Auswahl des Rohstoffes oder Halbfertigfabrikats unter den Begriff des Herstellens zu fassen ist (so Dreher-Tröndle42 Rdn. 3; Sack Rdn. 11) erscheint zweifelhaft; insoweit wird nur eine das Herstellen vorbereitende Tätigkeit anzunehmen sein mit der Folge, daß derjenige, dessen Tathandlung sich auf das Auswählen beschränkt hat, noch nicht „hergestellt" hat. 8

2. Liefern betrifft ortsveränderliche Anlagen oder Gegenstände, die im Anschluß an ihre Herstellung in der Sphäre des Produzenten dazu bestimmt und geeignet sind, in den Besitz des Bestellers und späteren Benutzers überzugehen, und bedeutet diesen Besitzwechsel, das Überlassen zum bestimmungsgemäßen Gebrauch. Dieser Besitzübergang wird häufig auf rechtsgeschäftlicher Basis vonstatten gehen. Notwendig ist dies indes nicht (so allerdings Schroeder LK § 109e Rdn. 7; DreherTröndle42 Rdn. 3; wie hier SK-Horn Rdn. 4; Sack Rdn. 12; Lackner 15 Anm. 4).

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Die Verantwortlichkeit für Herstellen oder Liefern richtet sich nach den allgemeinen Regelungen. Nach diesen ist der jeweils innerbetrieblich Verantwortliche (Betriebsleiter, Spediteur) heranzuziehen, darüber hinaus aber auch bei entsprechendem Kenntnisstand der herstellende Arbeiter oder ausliefernde Kraftfahrer. 10 Einen Sonderfall behandelt SK-Horn (Rdn. 4; ihm folgen Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 4): Danach verhält sich nicht tatbestandsmäßig der — außenstehende — Saboteur, der mit dem Erfolg der Fehlerhaftigkeit des Gegenstandes in den Herstellungsprozeß eingreift oder in dieser Weise auf den Gegenstand bei der Lieferung einwirkt. Dem kann nicht gefolgt werden. Vorbild für die vorliegende Regelung ist § 109e, der die Überschrift trägt: Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln. Schon daraus erhellt, daß die Herstellung oder Lieferung einer fehlerhaften kerntechnischen Anlage oder von Bestandteilen hierfür durch einen Saboteur, der sich in den Herstellungs- oder Lieferungsvorgang eingeschlichen hat, sehr wohl erfaßt ist. Man denke an den Fall, daß ein Fahrzeug mit vorschriftsmäßiger Ware auf dem Transportweg abgefangen und diese Ware von Saboteuren gegen gefahrbringende Teile ausgetauscht wird. Daß in einem solchen Falle fehlerhafte Gegenstände geliefert werden und dadurch wissentlich die vom Tatbestand geforderte Gefahr verursacht wird, kann nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. Es kann nicht genug betont werden, daß jede Art von zivilrechtlicher Betrachtungsweise (vertraglicher Hersteller oder Lieferant) fehl am Platze ist (unscharf insoweit — Lieferung „durch Rechtsgeschäft" — auch Schroeder § 109e Rdn. 7). 11

3. Das Verhältnis zwischen den beiden Tatmodalitäten Herstellen und Liefern ist hier — teilweise abweichend von rechtsähnlichen Konstruktionen (Herstellen und Gebrauchmachen bei § 267) — in eigenständiger Weise zu lösen, da an beide Alternativen die Verursachung der konkreten Gefahr anknüpfen kann. Solange ein fehlerhafter Gegenstand oder die Gesamtanlage lediglich hergestellt worden, in der Folgezeit aber beim Hersteller verblieben ist, wird eine solche Herstellung nicht die Entstehung einer konkreten Gefahr im Sinne des Abs. 1 2. Halbsatz verursachen können. Anders kann es bei der Herstellung einer ortsfesten Anlage sein, die für den Besteller auf dessen Grund und Boden fertiggestellt wird, obwohl auch hier konkrete Gefährdungen erst durch die Inbetriebnahme seitens des Bestellers entstehen werden, die wiederum eine Besitzüberlassung an ihn zur Voraussetzung haben wird. Wird sowohl durch eigenes Herstellen als auch durch anschließendes Liefern die Gefahr verursacht, so können beide Alternativen verwirklicht sein. Ihr Verhält(53/18)

Fehlerhafte Herstellung einer kerntechnischen Anlage (Steindorf)

§ 311

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nis bestimmt sich dann entsprechend dem zwischen Fälschen und Gebrauchmachen bei § 267, so daß bei entsprechendem Vorsatz nach der Rechtsprechung des BGH eine einheitliche Tat anzunehmen sein wird. Keineswegs verdrängt der Tatbestand des Lieferns stets den des Herstellens, da auch denkbar ist, daß die Person des Lieferanten nicht mit der des Herstellers identisch ist (Schroeder LK § 109 e Rdn. 7). Ebenso gewinnt das Liefern selbständige Bedeutung, wenn der Hersteller den Mangel beim Herstellungsvorgang nicht entdeckt, wohl aber noch vor Ablieferung (Schroeder aaO). 4. Die konkrete Gefahr, die durch Herstellen oder Liefern verursacht werden 12 muß, entspricht in ihrer gesetzestechnischen Ausgestaltung derjenigen, die beispielsweise in § 315 c Abs. 1 enthalten ist. Insoweit kann auf die Erläuterungen von Rüth LK § 315c Rdn. 12 ff verwiesen werden. Den Begriff der „Gemeingefahr", der ursprünglich vorgesehen war (Rdn. 1), hat der Gesetzgeber zu Recht vermieden. Die Besonderheit der vorliegenden Regelung liegt darin, daß die geforderte konkrete Gefahr wiederum eine typisch „atomare" Gefahr sein muß (Fischerhof § 48 Rdn. 2, § 45 Rdn. 3). Das bedeutet, daß alle Gefahren ausscheiden, die nicht mit der Wirkung eines Kernspaltungsvorgangs oder der Strahlung eines — natürlich oder künstlich (BTDrucks. III/759 S. 43) — radioaktiven Stoffes (§ 2 Abs. 1 AtomG) in Zusammenhang zu bringen sind, beispielsweise eine „isolierte" Feuergefahr (Fischerhof § 48 Rdn. 3). Nicht erfaßt sind auch Gefahren, die von anderen Strahlenquellen als den genannten ausgehen, beispielsweise künstlich erzeugte ionisierende Strahlen, wie Röntgenstrahlen, so daß die Herstellung und Lieferung eines fehlerhaften Röntgengerätes nicht unter die Bestimmung fällt (Fischerhof % 48 Rdn. 2). Für die ursächliche Verknüpfung von Herstellen oder Liefern eines fehlerbehafteten Gegenstandes oder der Gesamtanlage mit der Gefahr kommt es lediglich auf die Feststellung dieses Ursachenbandes selbst an; ein besonderes „Ausmaß an Fehlerhaftigkeit" (Dreher-Tröndle^Z Rdn. 5) fordert die gesetzliche Regelung nicht. Vollendet ist die Tat, wenn die konkrete Gefahr eingetreten ist (Sch.-Schröder- 13 Cramer1\ Rdn. 11 m. w. N.; a. A. Dreher- Tröndle42 Rdn. 7: Abschluß der Tathandlung des Herstellens oder Lieferns; zu diesen Fragen wird auf Rdn. 7 und 8 verwiesen). IV. Täterschaft und Teilnahme sind nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. 14 Jeder, der den Tatbestand in seinen Merkmalen erfüllt, kann ohne Rücksicht auf seine Stellung im Herstellungs- oder Lieferungsprozeß Täter sein (SK-Horn Rdn. 4; Sack Rdn. 28). Zur Frage, ob auch ein außenstehender „Saboteur" als Täter in Betracht kommt, wird auf Rdn. 10 verwiesen. Wissentlichkeit ist als tatbezogenes Merkmal einzuordnen (Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 12; a. A. SK-Horn Rdn. 9). Für den Teilnehmer reicht daher die Kenntnis, daß der Haupttäter wissentlich handelt, aus. Entsprechendes gilt für die Vorsatztat (§ 11 Abs. 2) des Abs. 4 (teilweise abweichend Cramer aaO; SK-Horn Rdn. 9; Sack Rdn. 29). V. Auch die Frage des Unrechtsausschlusses durch Rechtfertigungsgründe beur- 15 teilt sich nach allgemeinen Regeln. Umstritten ist, ob die Einwilligung des allein Gefährdeten die Rechtswidrigkeit ausschließt. Dies ist zu verneinen, da trotz der Gestaltung des Tatbestandes als konkretes Gefährdungsdelikt auch eine abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit bekämpft werden soll (Sack Rdn. 22; a. A. Sch.-Schröder-Cramerl\ Rdn. 7; SK-Horn Rdn. 8). Die Rechtsfrage ist auch bei anderen Bestimmungen streitig (Rüth LK § 3 1 5 c Rdn. 61; Wolff LK § 310b Rdn. 8; DreherTröndleW. § 310 b Rdn. 8). (53/19)

§ 311 e

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

VI. Innere Tatseite 16

Abs. 1, der eigentliche „Sabotage-Tatbestand", erfordert sowohl hinsichtlich der Tathandlung als auch bezüglich der verursachten konkreten Gefahr die Vorsatzform der „Wissentlichkeit" (Schroeder LK § 16 Rdn. 81 ff). Der Täter muß sicher davon überzeugt sein, daß der Gegenstand fehlerhaft ist und daß dadurch die tatbestandsmäßige Gefahr herbeigeführt werden wird (Lackner!5 Anm. 5). Bedingter Vorsatz (hierzu Schroeder aaO Rdn. 85 ff) reicht zur Erfüllung des inneren Tatbestandes der Tathandlung selbst nicht aus. Hinsichtlich der Gefahr (Rdn. 12) gilt Abs. 4. Wie das Vorbild dieser Regelung — § 109 e Abs. 2 — dient diese Bestimmung dem Schutz der Unternehmer (Schroeder LK § 109e Rdn. 13 m. w. N.). Fahrlässiges Herstellen oder Liefern eines fehlerhaften Gegenstandes unterfällt in keinem Falle der Strafvorschrift (kritisch hierzu Triffterer S. 255). Selbst derjenige wird nicht erfaßt, der mit bedingtem Vorsatz schlecht gearbeitet hat (Kohlhaas GA 1962 43, 55).

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VII. Abs. 2 erklärt den Versuch in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht (§ 48 Abs. 2 AtomG) für strafbar (§ 23 Abs. 1). Die Tat ist bereits vollendet, wenn die nahe Wahrscheinlichkeit der Schädigung eines Menschen an Leib oder Leben oder einer fremden Sache eintritt. Die entfernte Möglichkeit der Gefährdung genügt nicht (Mattern-Raisch AtomG § 48 Rdn. 2 unter Hinweis auf Schqfheutle, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission Band VIII S. 431, wonach die erstmalige Benutzung des mit dem fehlerhaften Gegenstand hergestellten Geräts die nahe Wahrscheinlichkeit der Schädigung mit sich bringt). Vollendung liegt noch nicht allein deswegen vor, weil der Herstellungsvorgang abgeschlossen, die Anlage abgenommen oder der Gegenstand abgeliefert worden ist, solange die Gefährdung noch nicht eingetreten ist (Sch.-Schröder-Cramer2l Rdn. 11; SK-Horn Rdn. 6; Dreher-Tröndle42 Rdn. 7; Sack Rdn. 30). Die Erstellung von Plänen für eine fehlerhafte Anlage ist noch Vorbereitungshandlung (Cramer aaO). Wann ein Ansetzen zur Tat vorliegt, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles. Bei entsprechendem Tatplan kann ein Versuch bereits dann vorliegen, wenn mit der Herstellung, wenn auch zunächst fehlerlos, begonnen worden ist (SK-Horn Rdn. 10; Sack Rdn. 31).

VII. Rechtsfolgen 18

Der Strafrahmen des Vergehens nach Abs. 1 reicht — wie bei seinem Vorläufer § 48 Abs. 1 AtomG — von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (kritisch zu dieser Begrenzung Triffterer S. 254 f). Das Gesetz sieht darüber hinaus für besonders schwere Fälle in Abs. 3 Satz 1 wie bisher Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor; das 18. StRÄndG (siehe Entstehungsgeschichte) hat in Abs. 3 Satz 2 als Regelbeispiel neu eingefügt, daß die leichtfertige (Schroeder LK § 16 Rdn. 208 ff; kritisch auch insoweit Triffterer S. 255) Verursachung des Todes eines Menschen ein solch besonders schwerer Fall sein soll. Die Gefährdung einer großen Anzahl von Menschen kann Indiz für die Annahme eines besonders schweren Falles sein (§ 330 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1). Als allzu schematisierend ist die Auffassung abzulehnen, daß „bei vorsätzlicher Verursachung" in der Regel ein unbenannter besonders schwerer Fall vorliege (so Lackner 15 Anm. 6). Falls hierbei auf die Gefahr abgestellt wäre, könnte dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden; falls die (53/20)

Herbeiführen einer lebensgefährdenden Überschwemmung (Wolff)

§ 312

vorsätzliche Verursachung des Todes gemeint sein sollte, erscheint dies selbstverständlich. Einer milderen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) unterfällt nach Abs. 4, wer die Gefahr zwar nicht wissentlich, aber (bedingt) vorsätzlich oder fahrlässig (Schroeder LK § 16 Rdn. 116 ff) herbeiführt. Die Tathandlung selbst muß auch bei dieser Fallgestaltung wissentlich verwirklicht werden, so daß es auch in allen Fällen bei der Einstufung als Vorsatztat bleibt (§ 11 Abs. 2; Lackner 15 Anm. 5). Eine Regelung über tätige Reue hat der Gesetzgeber des 18. StRÄndG nicht vor- 19 gesehen. Dies ist als ausdrückliche Ablehnung aufzufassen (so auch Sack Rdn. 38). D i e von Cramer (Sch.-Schröder2\

R d n . 13) u n d SK-Horn

( R d n . 14) angeregte ana-

loge Anwendung von § 311 c Abs. 2 Nr. 2 ist aus diesem Grunde abzulehnen. Zusammentreffen mit anderen Gesetzesverletzungen. Wird über die konkrete Ge- 2 0 fährdung hinaus eine Verletzung der in Abs. 1 genannten Schutzgüter bewirkt, so kommt — ähnlich wie bei § 315 c (Rüth LK § 315 c Rdn. 78) — Tateinheit in Betracht, soweit der Umfang der gefährdeten Rechtsgüter größer war als der der verletzten (Fischerhof § 48 AtomG Rdn. 9). Im übrigen tritt § 311 e hinter den Verletzungsdelikten (§§ 211, 212, 222, 223, 230) zurück. Aus Gründen der Subsidiarität ist § 311 e neben den §§ 310 b, 311a nicht anwendbar. Tateinheit kann über die geschilderten Fälle hinaus vorliegen beim Zusammentreffen mit §§311d, 326, 327, 328, 330, desgl. mit §§ 109 e, 263 (Sch.-Schröder-Cramer2\ Rdn. 14; Dreher-Tröndle42 Rdn. 9; Lackner 15 Anm. 7).

§312 Herbeiführen einer lebensgefährdenden Überschwemmung Wer mit gemeiner Gefahr für Menschenleben eine Überschwemmung herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren und, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. Die geltende Fassung geht auf Art. 19 Nr. 173, 207 EGStGB 1974 zurück; eine sachliche Änderung gegenüber der früheren Fassung ist damit nicht verbunden. Literatur: v. Ende Zur gemeingefährlichen Überschwemmung (1913); Kirchner Die Herbeiführung einer Überschwemmung (1901); Wanjeck Ein Beitrag zur Lehre von der Brandstiftung und Überschwemmung nach heutigem Deutschen Strafrecht GS 31 1.

1.1. Eine Überschwemmung liegt vor, wenn Wasser in solcher Menge und Stärke 1 über seine natürlichen oder künstlichen Grenzen hinaustritt, daß es zu einer Gefahr f ü r die im überfluteten Gebiet befindlichen Personen oder Sachen wird (RG Rspr. 7 577). Es genügt also nicht jedes Überlaufen von Wasser auf einen sonst wasserfreien Teil der Erdoberfläche. Von dem Begriff wird auch erfaßt, wenn ein größerer umschlossener Raum, z. B. ein Bergwerksschacht, unter Wasser gesetzt wird (Ophausen Anm. 2; Dreher Rdn. 1); die Überflutung eines Kellers oder einer Stube reicht jedoch nicht aus. (53/21)

§312

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

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2. Der Ausdruck herbeiführen hat dieselbe Bedeutung wie verursachen. Darunter fällt die Vergrößerung einer aufgrund anderweitiger Ursachen eingetretenen Überschwemmung (RGSt. 5 309, 310; RG Recht 1910 Nr. 2327; RG JW 1933 700). Wie überhaupt das Herbeiführen regelmäßig Mitverursachen sein wird, da eine Mitwirkung der elementaren Kräfte des Wassers wohl immer vorhanden ist. Eine Verursachung durch Unterlassen ist möglich (vgl. RG JW 1928 409).

3

3. Folge der so herbeigeführten Überschwemmung muß eine gemeine Gefahr für Menschenleben sein. Hier ist die Gefahr nicht gesetzgeberisches Motiv geblieben, sondern Tatbestandsmerkmal geworden. Sie muß deshalb ausdrücklich festgestellt werden. Eine gemeine Gefahr in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Vielzahl von Menschen gefährdet ist {Frank Vorbem. II z. 27. Abschn.). Daß diese Vielzahl unbestimmt ist (so RG Rspr. 5 557, 558; Olshausen Anm. 4; Sch.-Schröder (Cramer) Rdn. 4; Dreher Rdn. 2), ist keine notwendige Voraussetzung; zum Begriff der Allgemeinheit gehört die Vielheit (vgl. RGSt. 75 68, 70). Wird z. B. ein Bergwerk überflutet, so wird sich eine Gemeingefahr kaum verneinen lassen, obwohl die Zahl der gefährdeten Bergleute bestimmt ist. Es genügt nicht — und insoweit besteht heute wohl Einigkeit —, daß eine einzelne oder wenige bestimmte Person oder Personen gefährdet ist bzw. sind (RG Rspr. 5 557, 558; RG JW 1933 700) oder aber eine einzelne Person, die ihrer Individualität nach unbestimmt ist (vgl. Frank Vorbem. II z. 27. Abschn.; Olshausen Anm. 4). — Das Reichsgericht hat das Wesen der gemeinen Gefahr darin gesehen, „daß der Thäter die Ausdehnung der Gefährdung nicht in seiner Gewalt hat", wobei es daraufhingewiesen hat, daß eine örtliche Umgrenzung der Überschwemmung die gemeine Gefahr nicht ausschließt, da irgendeine örtliche Grenze jeder noch so allgemeinen Gefahr anhaften muß (RGSt. 5 309; vgl. auch RG JW 1927 2517). — Besteht das Herbeiführen einer Überschwemmung in der Ausdehnung einer bereits vorhandenen, so muß sich auch die Gemeingefahr vergrößert haben, damit der Tatbestand erfüllt ist (RG Recht 19l0 Nr. 2327; RG JW 1933 700). — Bei § 312 handelt es sich danach um ein konkretes Gefährdungsdelikt.

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II. Der innere Tatbestand verlangt Vorsatz. Dieser muß sich auf die gemeine Gefahr für Menschenleben erstrecken (RG JW 1928 409; RG DRiZ 1928 Nr. 70; Frank Anm. IV; Sch.-Schröder (Cramer) Rdn. 5; Dreher Rdn. 3; a. A. Olshausen Anm. 5 a). Das heißt allerdings nicht, daß sich der Vorsatz auf die Verwirklichung einer derartigen Gefahr erstrecken muß; vielmehr genügt das Bewußtsein, daß eine Gefahr dieser Art herbeigeführt wird (vgl. RGSt. 71 42, 43). Bedingter Vorsatz genügt (RG JW 1928 409; RG DRiZ 1928 Nr. 70). — Für die Irrtumsfragen gelten die allgemeinen Grundsätze.

5

III. Rechtswidrigkeit. An Rechtfertigungsgründen kommen insbesondere Notstand (vgl. RG JW 1933 700) und Handeln auf Befehl in Betracht (soweit nicht lediglich Schuldausschließungsgründe). Dagegen vermögen bestehende Staurechte die Rechtswidrigkeit nicht auszuschließen (vgl. RG RSpr. 3 471; RG JW 1911 246).

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IV. Eine Qualifizierung bedeutet es, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist. Bezüglich der schweren Folge ist mindestens Fahrlässigkeit erforderlich (§ 18). Der Straferhöhungsgrund ist auch dann gegeben, wenn bereits durch den Versuch der Tod eines Menschen verursacht wird (Olshausen Anm. 7; Sch.-Schröder (Cramer) Rdn. 7; Dreher Rdn. 4; vgl. näher bei § 18).

7

V. Konkurrenzen. Tateinheit zwischen dem qualifizierten Fall des §312 und Mord oder Totschlag ist möglich; der Vorsatz, das Leben einer Vielzahl von Men(54)

Herbeiführen einer sachgefährdenden Überschwemmung (Wolff)

§ 313

sehen zu gefährden, ist verschieden von dem Vorsatz, das Leben eines oder mehrerer bestimmter Menschen zu vernichten. Im Verhältnis zu § 222 besteht Gesetzeseinheit; § 222 tritt zurück.

§313 Herbeiführen einer sachengefährdenden Überschwemmung (1) Wer mit gemeiner Gefahr für das Eigentum eine Überschwemmung herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. (2) Ist jedoch die Absicht des Täters nur auf Schutz seines Eigentums gerichtet gewesen, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Die derzeitige Gesetzesfassung folgt aus Art. 19 Nr. 174, 207 EGStGB 1974. Sachlich ist die Vorschrift unverändert geblieben. I. D i e Merkmale vorsätzliches Herbeiführen einer Überschwemmung haben die- 1 selbe Bedeutung wie in §312. Auf die Erläuterungen zu dieser Vorschrift wird daher Bezug genommen. II. Was mit gemeiner Gefahr für das Eigentum gemeint ist, ist umstritten; denn 2 es läßt sich für die Abgrenzung dieses Begriffs an die Vielzahl und Unbestimmtheit der Eigentümer gefährdeter Sachen, ebensogut aber an die Vielzahl und Unbestimmtheit der Sachen selbst, schließlich aber auch an Größe und Wert der Sachen anknüpfen. Meist werden mehrere dieser Gesichtspunkte zusammen zur Begriffsbestimmung verwendet (vgl. z. B. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 2; Dreher Rdn. 1). Das Reichsgericht hat gemeine Gefahr für das Eigentum als gegeben angesehen: „sobald die Gefährdung nicht sowohl das Eigenthum nur einer oder einzelner bestimmten Personen betrifft, sondern in unbestimmter Ausdehnung auftritt, sobald sie also eine solche ist, deren Ausdehnung bei ihrem Ursprung nicht ermessen werden kann. Zur Erfüllung dieses Merkmals genügt schon die Gefährdung des Eigenthums mehrerer Personen, sofern der Wille des Thäters nicht gerade auf sie gerichtet war" (RG Rspr.7 577, 578; ähnlich RG Recht 1910 Nr. 2327; RG JW 1933 700; dagegen ist in RG Rspr. 5 557, 558 auf eine unbestimmte Vielzahl von Gegenständen abgestellt). — Wie in § 312 (vgl. dort Rdn. 3) kommt es darauf an, ob eine Vielzahl von Sachen gefährdet ist (Frank Anm. I). Nach dieser Auffassung ist es bedeutungslos, nach der Zahl der Eigentümer der gefährdeten Sachen zu fragen ; auch wenn die Gegenständen einem Eigentümer gehörten, wäre Gemeingefahr im Sinne dieser Bestimmung möglich (so Frank Anm. I; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 2). Doch ist hier von der Entstehungsgeschichte der Vorschrift her eine Einschränkung zu machen: Für den dem § 313 entsprechenden § 291 pr. StGB hat der Gesetzgeber nur Fälle im Auge gehabt, bei denen das Eigentum mehrerer Personen gefährdet ist (Goltd. Mat. z. pr. StGB 2 651). Anhaltspunkte, daß die spätere Gesetzgebung einen anderen Standpunkt einnehmen wollte, liegen nicht vor. Danach muß es sich um das Eigentum mehrerer Personen handeln (RG JW 1928 409; Olshausen Anm. 1; Dreher Rdn. 1). III. Absatz 2 enthält für Fälle, in denen der Täter zwar nicht in rechtfertigen- 3 dem oder entschuldigendem Notstand aber mit der Absicht, sein Eigentum zu schüt(55)

§314

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

zen, — also in einem vergleichbaren Interessenkonflikt — handelt, einen gemilderten Strafrahmen. Die Tat wird damit Vergehen, so daß der Versuch nicht strafbar ist. Bei der auf den Schutz des Eigentums gerichteten Absicht, dem vom Täter verfolgten Endzweck, handelt es sich um ein subjektives Merkmal, das zu den besonderen persönlichen Merkmalen im Sinne des § 28 Abs. 2 gehört. Daß der Täter in der Absicht handelt, das Eigentum eines Angehörigen oder einer ihm nahestehenden Person zu schützen, erlaubt angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung die Anwendung des Absatzes 2 nicht (a. A. Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 4). 4

IV. Konkurrenzen. Tateinheit ist hauptsächlich möglich mit Sachbeschädigung nach §§ 303 ff (RG JW 1927 2517); mit § 312 (Frank Anm. II; Olshausen Anm. 4b; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 5; Dreher Rdn. 3; a. A. z. Teil die ältere Literatur, vgl. Nachweise bei Olshausen aaO.); aber auch mit § 88.

§314 Fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung Wer eine Überschwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben oder Eigentum durch Fahrlässigkeit herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Vorschrift ist durch Art. 10, 12, 19 Nr. 207 EGStGB 1974 hinsichtlich der Strafdrohung geändert worden.

1

I. Die Bestimmung erfaßt das Herbeiführen einer Überschwemmung mit gemeiner Gefahr für Leben oder Eigentum, wenn dem Täter nicht wie bei § 312 und § 313 Vorsatz, sondern lediglich Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Bezüglich des objektiven Tatbestandes kann deshalb auf die Erläuterungen zu §§ 312, 313 verwiesen werden.

2

II. Die Fahrlässigkeit des Täters kann sich sowohl auf die Vornahme der Handlung als auch auf ihre Folgen beziehen. Wird also die Überschwemmung vorsätzlich bewirkt, beruht aber das Hervorrufen einer gemeinen Gefahr nur auf Fahrlässigkeit, so ist § 314 anwendbar (Frank Anm.; Sch.-Schröder [Cramer] Rdn. 2; Dreher Rdn. 1).

3

III. Der Strafrahmen ist heraufgesetzt, wenn durch die Überschwemmung der Tod eines Menschen verursacht worden ist. Diese Folge muß wegen § 18 von der dem Täter vorzuwerfenden Fahrlässigkeit umfaßt sein.

4

IV. Konkurrenzen. § 314 geht als speziellere Vorschrift dem § 222 vor — Gesetzeskonkurrenz — (a. A. Frank Anm. — Idealkonkurrenz). Mit § 230 besteht Tateinheit; führt der Täter vorsätzlich eine sachgefährdende Überschwemmung herbei und verursacht dadurch zugleich fahrlässig eine Gemeingefahr für Menschenleben, so treten § 314 und § 313 in Idealkonkurrenz. (56)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§315

§315 Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet, 3. falsche Zeichen oder Signale gibt oder 4. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter in der Absicht, 1. einen Unglücksfall herbeizuführen oder 2. eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minderschweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1 bis 4 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter freiwillig die Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Unter derselben Voraussetzung wird der Täter nicht nach Absatz 5 bestraft. Wird ohne Zutun des Täters die Gefahr abgewendet, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen. Entstehungsgeschichte §315 beruht im wesentlichen auf Art. 1 Nr. 6 des 2. StraßenverkehrssichG v. 21. 11. 1964 (BGBl. I, 921) und gilt i. d. F. des 1. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I, 645), sowie des Art 19 Nr. 175 EGStGB v. 2. 3. 1974 (BGBl. I 469), der in Abs. 6 die Verweisung auf § 15 durch die Verweisung auf § 49 Abs. 2 ersetzte. Schrifttum Geerds Konkurrenzprobleme der neuen Strafvorschriften unter bes. Berücksichtigung der Trunkenheit am Steuer, Blutalkohol 3 124; Härtung Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs NJW 1965 86; Jaeckel Schiffe als Schutzobjekte des § 315 StGB, NJW 1964 285; Meyer-Gerhards Verkehrsgefährdung und tätige Reue, JuS 1972 506; H. W. Schmidt „Die Schiffahrtsgefährdung gemäß §315 StGB", MDR 1960 90; „Schiffe als Schutzobjekte des §315 StGB", NJW 1963 1861. Übersicht Rdn. 1. Schutzobjekt des § 315 II. Die einzelnen Verkehrsarten 1. S c h i e n e n b a h n 2. S c h w e b e b a h n 3. S c h i f f a h r t 4. L u f t f a h r t III. Beeinträchtigung der Sicherheit (57)

4 8 9 11 des

Rdn. Bahn-, Schiffs- oder L u f t v e r k e h r s . 13 1. Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Beförderungsmitteln 14 a) Anlagen 15 b) Beförderungsmittel 16 c) Zerstören, Beschädigen 17

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Rdn. . 22 d) Beseitigen . 23 2. Bereiten von H i n d e r n i s s e n 3. Falsche Zeichen oder Signale geben . 25 4. Ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe . . . . 26 31 5. Unterlassen IV. H e r b e i f ü h r u n g eine k o n k r e t e n G e f a h r . . 33 1. f ü r Leib oder Leben 34 2. f ü r eine f r e m d e Sache von bedeutendem W e r t 36 a) f r e m d e Sache . . . 37 b) b e d e u t e n d e r Wert 39

Rdn. V. Subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz nach Abs. 1 41 2. Absicht nach Abs. 3 42 3. Vorsätzliches H a n d e l n u n d fahrlässige G e f a h r e n h e r b e i f ü h r u n g (Abs. 4) 45 4. Fahrlässigkeit (Abs. 5) 47 VI. Versuch und Vollendung 49 VII. Rücktritt vom vollendeten Delikt (Abs. 6) 51 VIII. Täterschaft u n d T e i l n a h m e 53 IX. K o n k u r r e n z 54

1

I. Schutzobjekt. Die Vorschrift dient dem Schutz des Schienenbahn-, Schwebebahn*, Schiffahrts- und Luftfahrtverkehrs gegen gefährliche Beeinträchtigungen. Sie ersetzt im wesentlichen den § 315 a. F. Die Parallelbestimmungen für den Straßenverkehr enthält § 315 b, der anstelle des § 315 dann anzuwenden ist, wenn eine Schienenbahn am Straßenverkehr teilnimmt (§315 d).

2

Geschützt ist die Sicherheit der in §315 genannten Verkehrsarten in ihrer Gesamtheit, nicht nur das einzelne Fahrzeug, Flugzeug, sondern auch alle der Beförderung der Menschen oder von Gütern dienenden Teile, einschließlich der beförderten Fahrgäste und des Betriebspersonals (vgl. dazu auch Rdn. 33—40 unten). Unerheblich ist, ob die Bahn, das Schiff oder das Flugzeug im öffentlichen oder privaten Eigentum stehen. Es werden somit auch Schienen- und Schwebebahnen auf im Privateigentum stehenden Grundstücken und Schiffe auf Privatgewässern, auch wenn die Fahrzeuge nur von einem bestimmten Personenkreis benutzt werden, also nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, durch § 315 geschützt. Voraussetzung ist, daß mit den Fahrzeugen ein Bahn-, Schiffs- oder Luft-„verkehr", d. h. Beförderung von Menschen oder Gütern von einem Ort zum andern stattfindet, wobei es allerdings unerheblich ist, ob die beförderten Personen wieder zum Ausgangspunkt der Fahrt zurückbefördert werden, wie dies z. B. bei sog. Schiffsrundfahrten und sog. Rundflügen geschieht. Bei den Fahrgeschäften der Schausteller, wie z. B. bei Achterbahnen oder Karussells jeder Art, kann kein Schienenbahn„ verkehr" i. S. des § 315 angenommen werden, weil hierbei Personen schon begrifflich nicht „befördert" werden, sondern den begrenzten Bereich des Vergnügungsunternehmens nicht verlassen. Eine Bahn innerhalb eines Ausstellungsgeländes, die Besucher durch das ausgedehnte Ausstellungsgelände zu den einzelnen Ausstellungshallen befördert, untersteht jedoch dem erhöhten Strafschutz des § 3-15; nicht jedoch ein auf Gleisen stehendes oder an Seilen hängendes Ausstellungsfahrzeug.

3

Auszunehmen von dem durch §315 geschützten Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr sind auch alle Spielzeugfahrzeuge oder Spielzeugflugzeuge, einschließlich der nicht dem „Verkehr" dienenden ferngelenkten Wasser- und Luftfahrzeuge.

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II. Die einzelnen Verkehrsarten 1. Eine Schienenbahn ist ein an Gleise gebundenes Fahrzeug, das der Beförderung von Menschen oder Sachgütern dient (vgl. OLG Köln VRS 15 50). Nach § 315 a. F. war nur die Schienenbahn auf besonderem Bahnkörper geschützt; darunter war ein räumlich vom übrigen Verkehrsraum abgetrennter Gleisbereich zu verstehen, der nur ausschließlich von einer Schienenbahn benutzt werden konnte (vgl. OLG Hamm VRS 12 137; OLG Köln VRS 15 50; BGH VRS 19 200). Dies führte zu wenig befriedigenden Ergebnissen und zu Auslegungsschwierigkeiten, insbesondere (58)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§

315

an schienengleichen Wegübergängen und dort, wo die Gleisanlagen vom übrigen Straßenverkehr nur durch Zäune und Hecken abgetrennt waren (vgl. BGH VRS 8 272; 19 200, 442; DAR 1953 118; BayObLGSt. 1951 530; 1959 277; BayObLG VRS 14 217; 17 125; VerkMitt. 1959 50; OLG Bremen DAR 1959 191; OLG Hamburg VerkMitt. 1961 35). Seit der Neufassung des §315 durch das 2. StrVerkSichG umfaßt der Begriff Schienenbahn i. S. des § 315 jedes an Gleise gebundene Fahrzeug, das durch Motorkraft oder mechanisch auf Schienen bewegt wird. Zu den Schienenbahnen zählen u. a. Eisenbahnen, Straßenbahnen, Klein- und 5 Werksbahnen, auch innerhalb eines Werkgeländes oder in einem Bergwerk, Hochund Untergrundbahnen, Schienenbusse, Zahnradbahnen. Als Schienenbahnen anzusehen sind auch die schienengebundenen Drahtseilbahnen sowie die Allwegbahnen {Dreher Rdn. 4). Keine Schienenbahn ist ein auf einem Gleisstück zu bewegender Kran, wie er vielfach bei Bauten, auf Laderampen oder in Hafengebieten verwendet wird; denn Zweck eines solchen Kranes ist die Durchführung von Ladevorgängen; er dient nicht dem Güterverkehr". Ein auf Gleisen laufender, in Gebirgsgegenden vielfach verwendeter, sog. Schräglift, der an Seilen mittels Motor hochgezogen wird, ist eine schienengebundene Drahtseilbahn. Der Lift in einem Haus kann nicht als Schienenbahn angesprochen werden, weil dessen Schienen nur Pendelbewegungen ausschließen sollen, er nicht „ a u f ihnen sich bewegt, nicht „ a u f Gleisen läuft. Der Begriff der Schienenbahn erfordert motorische oder mechanische Kräfte. 6 Die Art der motorischen Antriebskraft ist nicht entscheidend (Vergaser- oder Dieselmotor, Dampfmaschine, Elektromotor). Durch mechanische Kräfte wird z. B. eine aus zwei Waggons bestehende Bergbahn dadurch bewegt, daß die Wassertanks des an der Bergstation befindlichen Wagens mit Wasser gefüllt werden, so daß dieses Fahrzeug schwerer wircji als das im Tal stehende und durch die Seilverbindung beider Wagen der oben befindliche, nunmehr schwerere Wagen, den im Tal stehenden nach oben zieht. Nicht durch motorische oder mechanische Kraft bewegte Beförderungsmittel 7 (z. B. Pferdebahnen) scheiden als Schienenbahnen aus (RGSt. 12 209; 16 431). Deshalb kann auch ein von Menschen geschobener Eisenbahnwaggon ebensowenig wie eine geschobene Lore als Schienen„bahn" angesprochen werden. 2. Schwebebahnen sind Beförderungseinrichtungen, bei denen die Beförderungs- 8 mittel während der Fahrt die Erde nicht berühren, an Drahtseilen oder ähnlichen Vorrichtungen hängen. Dazu gehören insbesondere alle Kabinen-(Gondel)bahnen sowie die Sessellifte (die auch keine Eisenbahn i. S. des RHG sind, OLG Zweibrükken VersR 1975 1013). Gleichgültig ist, ob Menschen oder Güter befördert werden. Nicht als Schwebebahnen wird man solche Beförderungseinrichtungen ansehen müssen, bei denen zwar das Beförderungsmittel, nicht aber die beförderten Menschen oder Güter über den Boden schwebend befördert werden. Aus diesem Grund sind Skischlepplifte keine Schwebebahnen. Sie müssen deshalb aus dem Strafschutz des § 315 überhaupt ausscheiden; denn als Schienenbahn kann ein Skischlepplift sicher nicht angesehen werden (so auch BGH VRS 19 12 für das RHG). Kräne, an denen Güter hochgezogen werden, oder Lifte (Aufzüge) in Häusern oder Türmen sind schon begrifflich keine Schwebebahnen. Geschützt wird der gesamte Betrieb der Schwebebahn mit allen seinen Teilen. (59)

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

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3. Schiffahrt umfaßt die Seeschiffahrt ebenso wie die Binnensee- u n d Flußschifffahrt. Schiff i. S. von §315 ist jedes Wasserfahrzeug ohne Rücksicht auf seine G r ö ß e , sofern es in Beziehung zu einem bestimmten Beförderungsvorgang steht ( O L G Schleswig SchlHA 1962 275), so daß der Strafschutz des § 315 auch Boote, K ä h n e und Flöße sowie den gesamten Sportbootverkehr u m f a ß t (so auch Schleswig a a O ; Jaeckel N J W 1964 285; vgl. auch dazu z. T. abw. H. W. Schmidt N J W 1963 1861). Wasserfahrzeug ist auch ein Schlauchboot, nicht jedoch eine Luft- oder Schwimmatratze oder ein als Kinderspielzeug anzusehendes aufblasbares Schwimmfloß. Zur Begriffsbestimmung des Wasserfahrzeugs k ö n n e n weder die SeeSchStrO vom 3.5. 1971 (BGBl. I 641), noch das BinnenschiffahrtG vom 15. 2. 1956 (BGBl. II 317), noch das WaStrG vom 2. 4.1968 (BGBl. II 173), jeweils i. d. F. des EGStGB mit spät. Änderungen herangezogen werden, da sie keine allgemeinen Begriffsabgrenzungen enthalten.

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Schiffahrtsverkehr setzt Beförderung von Menschen oder Gütern voraus; auf den Zweck der Beförderung k o m m t es nicht an. Der Schiffahrtsverkehr wird in allen seinen Teilen geschützt, also nicht nur das einzelne Fahrzeug (OLG Oldenburg M D R 1951 630; O L G Schleswig SchlHA 1959 23; 1962 275; H. W. Schmidt N J W 1963 1861 ; vgl. Rdn. 2 o b e n ; Anlagen: Rdn. 15). Kein Schiffahrtsverkehr erfolgt mit ferngelenkten Spielzeugbooten, auch wenn es sich um größere Modelle handelt oder um ferngelenkte oder gezogene Schiffe, die der Bundesmarine als Zielscheiben dienen, da mit diesen Booten kein Beförderungsvorgang vorgenommen wird.

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4. Zur Luftfahrt gehören die in § 1 Abs. 2 LuftVG aufgezählten Luftfahrzeuge: Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Drachen, Fallschirme, Flugmodelle u n d sonstige f ü r die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, insbesondere Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper. Diese Begriffsbestimmung gilt grundsätzlich auch für § 315, jedoch mit der Einschränkung, daß im Sinne dieser Bestimmung alle Fluggeräte und Flugkörper auszuscheiden haben, die nicht dem Luftverkehr dienen. Dieser erfolgt nur mit den Luftfahrzeugen, die zur Beförderung von Personen oder Gütern bestimmt u n d geeignet sind. Nicht notwendig ist, daß das Luftfahrzeug durch einen a n Bord befindlichen Piloten gesteuert wird ; Luftverkehr, insbesondere solcher mit Gütern, ist auch mit ferngelenkten Flugkörpern möglich. Raketen, die der Beförderung von Menschen dienen, müssen dem Luftfahrtverkehr zugerechnet werden, auch wenn diese Art der Beförderung nur einem beschränkten Personenkreis vorbehalten ist. Aber auch die Raketen, mit denen Forschungsmittel oder der Funkübertragung dienende Mittel in die Atmosphäre geschossen werden, sind dem Luftfahrtverkehr ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung wegen zuzuzählen. Raketenbasen mit allen ihren Anlagen unterstehen somit dem Schutz des §315 (vgl. dazu Rudolf Zeitschrift f. Luftrecht und Weltraumfragen 1965 118). Ob sog. Postraketen nach dem heutigen Stand der Technik zum Luftverkehr gerechnet werden können, ist zweifelhaft, d a mit diesen zur Zeit üblicherweise noch keine Beförderung von Postsendungen erfolgt.

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Kein Luftfahrtverkehr wird durchgeführt mit ferngelenkten, n u r der Spielerei dienenden Flugzeugmodellen ( O L G Düsseldorf VersR 1973 826) oder Drachen; gleiches gilt für mit dem Boden festverankerten Ballons zur Verhinderung des Einfliegens feindlicher Flugzeuge oder zur Erforschung oder Messung eines Geländes, (60)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§

315

jedoch können durch diese sicherheitsbeeinträchtigende konkrete Gefährdungen herbeigeführt werden. Auch Fallschirmspringer zählen zum Luftverkehr, gleichgültig ob sie freiwillig oder wegen bevorstehenden Absturzes des Luftfahrzeugs ausgestiegen sind, weil ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Beförderung durch ein Luftfahrzeug noch gegeben ist. Gleiches gilt für die an Fallschirmen zur Erde zurückkehrende Astronautenkapsel. III. Die durch § 315 herbeigeführte Handlung m u ß zu einer Beeinträchtigung der 13 Sicherheit des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs führen. Dies ist ein selbständiges Tatbestandsmerkmal und gesondert vom Richter festzustellen. Die Beeinträchtigung der Sicherheit ist nach § 315 nur von Bedeutung, wenn sie durch die in Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten Handlungen verursacht wird und zu einer Erhöhung der normalen abstrakten Gefahr („Betriebsgefahr") geführt hat, so daß eine konkrete Gefahr (Rdn. 33 ff) deutlich wahrscheinlicher geworden ist (BGHSt. 11 164; 13 69; vgl. dazu auch Schröder JZ 1967 522); §315 erfordert demnach einen gröblichen Verstoß, dessen Gefährlichkeit offensichtlich ist (OLG Schleswig SchlHA 1962 275). Die Sicherheitsbeeinträchtigung muß sich auf die Verkehrsvorgänge beziehen (BGHSt. 6 1). Es reicht z. B. nicht aus, wenn nur Schäden an den Betriebseinrichtungen verursacht werden (wie z. B. Aufschlitzen der Sitze in einem Eisenbahnwaggon, einem Schiff oder Flugzeug), die den Verkehrsablauf nicht beeinträchtigen, oder wenn nur außenstehende, die mit dem Betriebsvorgang nichts zu tun haben, gefährdet werden, wie z. B. Gefährdung von Streckenarbeitern durch einen Tiefflieger (OLG Braunschweig NdsRpfl. 1952 157). Der Tatbestand des § 315 ist somit dreistufig: a) Feststellung von Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr, b) Beeinträchtigung der Sicherheit des genannten Verkehrs durch Eingriffe auf Einrichtungen dieses Verkehrs durch die in Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten Handlungen und c) dadurch herbeigeführte Gefahr für einen oder mehrere Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, die nicht zu den Einrichtungen des genannten Verkehrs gehören müssen. 1. Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Beförderungsmitteln. 14 Bei sämtlichen Verkehrsmitteln erstreckt sich der Strafschutz auf alle dem Verkehrszweck dienenden Anlagen und Beförderungsmittel. a) Anlagen sind alle festen und unbeweglichen Bestandteile, also die den unge- 15 störten Ablauf des Verkehrsbetriebes dienenden Einrichtungen. Im Eisenbahnverkehr sind als Anlagen insbes. anzusehen: Schienen, Schwellen, Signale, elektrische Leitungen samt den Leitungsmasten, Bahnschranken, Signallichter, die vor unbeschrankten Bahnübergängen stehenden Warnkreuze, Weichenstellanlagen, Überund Unterführungen, Stationsuhren; bei Schwebebahnen insbesondere: Zug- und Laufseil, Stützpfeiler, Motor samt seinen Anlagen; im Schiffsverkehr insbesondere: alle Schiffahrtsanlagen, die unmittelbar oder auch nur mittelbar dem Schiffsverkehr dienen, wie z. B. Trocken- und Wasserdocks, Hafenanlagen (Kai, Poller u. ä.), Leuchttürme, Leuchtfeuer, Bojen; auf Wasserstraßen die Schleusen, Wehre, Talsperren, wenn sie für die Durchführung oder für die Sicherheit des Schiffsverkehrs (Regulierung des Wasserstandes) erforderlich sind; im Luftverkehr insbesondere: Flugplätze, vor allem die Landebahnen, sämtliche Signaleinrichtungen (Leuchtfeuer, Radaranlagen) und sonstigen Einrichtungen für die Sicherheit des Flugver(61)

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

kehrs. Auch das den Zwecken des Betriebes dienende Zubehör ist zu den Anlagen zu rechnen, soweit es von der Verkehrsanschauung als Teil der Betriebsanlagen betrachtet wird (Schröder-Cramer Rdn. 12 unter Hinweis auf Schäfer-Dohnanyi Nachtrag zu Frank S. 204 und Olshausen Nachtrag zur 12. Aufl. S. 297). 16

b) Beförderungsmittel sind die der Beförderung von Menschen oder Gütern unmittelbar dienenden beweglichen Einrichtungen. Dazu gehören vor allem die Fahrzeuge samt ihrem Zubehör, im Bahnbetrieb also nicht nur die Personen- oder Güterwaggons, sondern auch die Lokomotiven. Welchen Zwecken die Beförderung dient, ist ohne Bedeutung; geschützt sind die Beförderungsmittel des allgemeinen Verkehrs, aber auch die, die besonderen Aufgaben, z. B. militärischen Zwecken dienen. Vgl. auch § 316 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; zur Anwendung des § 315 bei Flugzeugentführungen: JA 1969 725; NJW 1970 399.

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c) Die Begriffe Beschädigen und Zerstören des § 315 decken sich im wesentlichen mit denen der §§ 303, 304 StGB. Anders als in den letztgenannten Vorschriften sind sie nach § 315 jedoch nur rechtserheblich, wenn sie zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit der dort aufgezählten Verkehrsarten sowie ursächlich für den Eintritt einer konkreten Gefahr (vgl. Rdn. 33 ff.) sind.

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In der Rechtsprechung werden die Begriffe Zerstören und Beschädigen nicht immer scharf von einander getrennt; das liegt wohl darin, daß beide gleichwertige Tatbestandsmerkmale sind. Eine teilweise Zerstörung wird meist wohl eine Beschädigung der Sache sein (Dreher § 303 Rdn. 10). Andererseits kann aber auch eine teilweise Zerstörung der Sache (hier Anlage, Beförderungsmittel) eine Zerstörung der Sache in ihrer Substanz sein (Sch.-Schröder-Stree § 303 Rdn. 11). Die Wiederherstellungsmöglichkeit zur Unterscheidung, ob Zerstörung oder Beschädigung vorliegt, heranzuziehen, erweist sich als ungeeignet, weil dies die Gleichstellung des Begriffs Zerstören mit Vernichten bedeuten würde, eine vernichtete Sache zwar auch zerstört ist (Dreher aaO), aber eine zerstörte Sache noch nicht vernichtet zu sein braucht; außerdem konkurriert der Begriff Vernichtung in gewissen Fällen seinerseits wieder mit dem der Beseitigung in § 315. Auch auf die Funktionsfähigkeit die Unterscheidung allein zu stützen, wäre verfehlt, weil diese sowohl bei der Beschädigung, wie bei der Zerstörung aufgehoben oder beeinträchtigt sein kann. Aus diesem Grund wird vielfach auf den Umfang der Beschädigung der Sache abgestellt und Zerstörung nur angenommen, wenn die Gebrauchsfähigkeit der Sache zumindest für einige Dauer völlig aufgehoben ist (z. B. Verbrennen eines Leitungsmastes, Ausbrennen eines Waggons, einer Kabine, Sprengung eines Flugzeugs, eines Ballons). Wird durch Magnetisierung eine automatische Steuerungsanlage unbrauchbar, ist sie zerstört (a. A. Voraufl. Rdn. 21, dort wurde dieser Vorgang als „ähnlicher Eingriff gewertet. — Vgl. dazu § 303 Rdn. 7, 8. — Kurzschluß s. Rdn. 21 unten.

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Bei richtiger Auslegung wird man von einem Beschädigen einer Anlage oder eines Beförderungsmittels in Verbindung mit einer Sicherheitsbeeinträchtigung der in § 315 genannten Verkehrsarten dann sprechen müssen, wenn auf die Anlage oder das Beförderungsmittel so eingewirkt worden ist, daß ihre Brauchbarkeit erheblich vermindert ist und die Sache nach der Tat einen Fehler aufweist, der sie als mangelhaft kennzeichnet. Es kommt nicht auf die äußere Wahnehmbarkeit des eingetretenen Schadens an; auch ist es gleichgültig, auf welche Art die Einwirkung erfolgt. Schrifttum und Rechtsprechung haben zunächst nur die stoffliche Veränderung einer Sache als Beschädigung angesehen (vgl. RGSt. 32 198; 33 178; 39 329; Frank (62)

G e f ä h r l i c h e Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- u n d Luftverkehr (Rüth)

§

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§ 303 Anm. II 1). Schließlich hat das RG auch eine Verminderung der Gebrauchsfähigkeit genügen lassen (vgl. RGSt. 55 169; 64 251). Im Anschluß an RGSt. 43 205 entschied dann das RG (RGSt. 74 14), daß als Beschädigung „jede nicht ganz unerhebliche körperliche Einwirkung auf die Sache" anzusehen ist, „durch die die stoffliche Zusammensetzung der Sache verändert oder sonst ihre Unversehrtheit derart aufgehoben wird, so daß die Brauchbarkeit der Sache für ihre Zwecke vermindert wird". Dies ist jedoch zu eng, da eine nicht nur ganz geringfügige stoffliche Veränderung zur Annahme einer Sachbeschädigung ebenfalls genügen muß (vgl. dazu auch BGHSt. 13 207), nach § 315 jedoch nur dann, wenn dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden kann (§ 303 Rdn. 4 bis 6). Eine zusammengesetzte Sache kann durch die Veränderung des technischen 2 0 Zusammenhangs beschädigt werden. So ist das Zerlegen einer Sache Beschädigung, weil sie durch die Substanzveränderung zugleich deren bestimmungsgemäße Gebrauchsfähigkeit herabsetzt. Zu eng ist deshalb die Ansicht von Sch.-Schröder-Stree § 303 Rdn. 8, der Zerlegung nur dann als Beschädigung wertet, sofern die Wiederherstellung größere Mühe macht. Die Entscheidung des OLG Hamm (VRS 28 437), auf die er sich beruft, betrifft einen Fall, in dem die Sache in ihrer Gebrauchsfähigkeit überhaupt nicht beeinflußt wurde (dort war zu entscheiden, ob es als Sachbeschädigung anzusehen ist, wenn die Radkappen von einem Kraftfahrzeug abmontiert und neben das Fahrzeug gelegt wurden; das OLG Hamm hat diese Frage zu Recht verneint). Als Beschädigung von Anlagen und Beförderungsmitteln im Sinne von § 315 ist 21 jede Beeinträchtigung zu verstehen, die diesen Einrichtungen den ihnen zugedachten Zweck nimmt, ohne daß sie zerstört werden. Beschädigen einer Eisenbahnanlage ist z. B. auch die Wegnahme einer Bohle unter einer Eisenbahnbrücke, Wegnahme einer Eisenbahnschwelle, weil hierdurch der Betrieb der Schienenbahn abstrakt gefährdet wird, Verbiegen oder Verdrehen eines Signals, so daß es seinen ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen kann, Durchschneiden von Leitungen, die der Betätigung von Bahnschranken dienen, Einklemmen eines Gegenstandes in Weichen oder Stellwerkshebel, so daß diese außer Betrieb gesetzt sind (vgl. RGSt. 20 182). Verschmutzung eines Signals ist dann Beschädigung einer Anlage, wenn dadurch die Signalgebung nicht mehr erkannt werden kann; gleiches gilt für die unberechtigte Färbung oder Umfärbung von Signalleuchten. Beschädigung ist auch anzunehmen beim Entfernen einzelner Teile einer zusammengesetzten Sache, so daß die Anlage oder das Beförderungsmittel nicht mehr seinem Zweck entsprechend verwendet werden kann. Die Herbeiführung eines Kurzschlusses, durch den für die Verkehrssicherheit wesentliche Teile ausfallen (Signale, Blinkfeuer, Radaranlage), ist als Beschädigung einzuordnen. Wird durch die Beschädigung einer Anlage oder eines Beförderungsmittels die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt, geschweige denn eine konkrete Gefahr herbeigeführt (z. B. Aufschlitzen der Sitze eines Eisenbahnwaggons), so ist der Tatbestand des §315 nicht erfüllt. In Frage kommt dann ein Vergehen nach §304 StGB. d) Beseitigen ist die räumliche Entfernung und dadurch bedingte Verhinderung 22 des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Anlagen (Rdn. 15) oder Beförderungsmitteln (Rdn. 16). Eine Beeinträchtigung der stofflichen Substanz ist nicht notwendig. Oft wird das Beseitigen mit Diebstahl oder Raub konkurrieren, wenn der Täter die Sache an sich nimmt. Beseitigen erfordert aber nicht Zueignung, vielmehr genügt die örtliche Veränderung der Anlage oder des Beförderungsmittels. Wird (63)

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

z. B. eine Lokomotive von einem Zug abgekuppelt und auf ein Abstellgleis gefahren und dort stehen gelassen, wird i. d. R. ein Beförderungsmittel beseitigt das den Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 dann erfüllt, wenn die stehengelassenen Waggons oder die abgestellte Lokomotive eine Sicherheitsbeeinträchtigung des Schienenverkehrs bedingen und Ursache einer konkreten Gefährdung geworden sind. Zugleich kann diese Handlung aber auch ein Hindernis bereiten i. S. des Abs 1 Nr. 2 sein. Die Wegnahme von Signalen, Bojen wird zunächst stets ein Beseitigen dieser Anlagen sein; werden sie aber an anderer Stelle zur Irreführung der Fahrzeugführer aufgestellt (ausgelegt), ist dieses Verhalten als ein Geben falscher Zeichen oder Signale i. S. der Nr. 3 anzusehen. Konkurrenz zwischen Absatz 1 Nr. 1 einerseits und den Nrn. 2 u. 3 andererseits s. Rdn. 53. 23

2. Bereiten von Hindernissen. Ein Hindernis schafft jeder Vorgang, der geeignet ist, den ordnungsgemäßen Betrieb zu hemmen oder zu verzögern (RGSt. 31 198; BGHSt. 6 224; 13 69; VRS 8 274). Der Begriff des Hindernisbereitens in § 315 ist nicht völlig identisch mit dem des § 315 b (BayObLGSt. 61 243 = M D R 1961 1034). Dies hat seinen Grund in den Besonderheiten der in § 315 genannten Verkehrsbetriebe (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 13), so daß auch Verkehrsvorgänge selbst, nicht nur wie nach § 315 b in Ausnahmefällen, sondern grundsätzlich ein Hindernisbereiten sein können (BGHSt. 11 152; 21 173; BGH DAR 1954 211; VRS 32 211; BayObLG aaO). So bereitet z. B. auch ein Kraftwagenführer, der mit seinem Fahrzeug die geschlossene Schranke eines Bahnübergangs durchbricht und dann auf den Schienen stehen bleibt, ein Hindernis (BayObLG 5. 12. 1962, 1 St. 682/61); auch das Fahren auf den Gleisen kann wie auch das Überqueren der Gleise Hindernisbereiten sein (BGHSt. 6 224; BGH VRS 8 272; OLG Stuttgart VRS 44 34); ebenso wer das Öffnen einer Anrufschranke durch falsche Auskunft erreicht und sodann mit einem Zug zusammenstößt (OLG Hamm VkBl. 1965 16), desgleichen ein sehr nahes Heranfahren eines Lastzuges mit unverminderter Geschwindigkeit an einen unbeschrankten Bahnübergang, wenn die herannahende Bahn dadurch zu einer Notbremsung veranlaßt wird (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 13; OLG Hamm VRS 15 357; OLG Düsseldorf N J W 1 9 7 1 1850). Nach BGH (BGHSt. 13 69 = NJW 1959 1187 = VRS 16 446) soll dies ein dem Hindernisbereiten ähnlicher Eingriff sein. Befindet sich an einem mit Vorrecht ausgestattetem Bahnübergang (hier Kreuzung mit einer auf besonderem Bahnkörper verlaufenden Straßenbahn) eine auf die Farbfolge Gelb-Rot beschränkte Lichtsignalanlage und leuchtet diese nicht auf, so darf bei fehlender Einsicht auf den Bahnkörper ein Kraftfahrer darauf vertrauen, daß sich kein Schienenfahrzeug nähert (BayObLG VRS 48 270).

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Weitere Beispiele für Hindernisbereiten: Auflegen von Steinen oder anderen Gegenständen auf Gleise; das Lockern oder Herausnehmen von Schienen oder Schwellen (Entfernen einer Schwelle ist jedoch dann als Beschädigung anzusehen, wenn ein Befahren des Schienenstranges, wenn auch unter Gefahren, noch möglich ist); Ablenken von Beförderungsmitteln auf ein falsches Geleise, wenn dadurch der Verkehr auf diesem behindert und gefährdet wird. Das Hindernisbereiten braucht nicht auf der Fahrbahn (auf dem Fahrweg) zu geschehen; es reicht aus, daß es sich auf den Vorgang auf der Fahrbahn (dem Fahrweg) auswirkt (BGHSt. 13 68). So kann auch das regelwidrige Anhalten durch Herauslassen der Druckluft aus der Bremsleitung Hindernisbereiten sein (OGH BrZ 1 391) ebenso wie unberechtigtes und durch nichts veranlaßtes Ziehen der Notbremse durch einen Fahrgast. (64)

G e f ä h r l i c h e E i n g r i f f e in d e n B a h n - , S c h i f f s - u n d L u f t v e r k e h r ( R ü t h )

§

315

Ein Hindernis bereitet auch, wer auf einem Kanal einen Schlepper in die Fahrb a h n eines entgegenkommenden Schiffes fährt (OLG Oldenburg M D R 1951 630; O L G Schleswig SchlHA 1959 23; vgl. auch B G H N J W 1955 1329), oder wer ein Drahtseil zwischen Boje u n d Anker im Z u s a m m e n h a n g mit einem Stapellauf legt u n d es unterläßt, das Seil rechtzeitig wieder zu entfernen ( O L G Oldenburg VRS 30 110). 3. Geben falscher Zeichen oder Signale. Die Ausdrücke Zeichen u n d Signale sind 2 5 gleichbedeutend. Falsch ist ein Zeichen oder Signal, das der gegebenen Sachlage nicht entspricht. Falsch ist somit auch ein richtiges Zeichen oder Signal, wenn es vorzeitig oder verspätet gegeben wird. Auch die Unterlassung, das richtige Zeichen oder Signal zu geben, wird von Absatz 1 Nr. 3 erfaßt, z. B. wenn der Täter es unterläßt, d a s Freizeichen auf das Haltesignal umzustellen. Auch wer das Freizeichen verdeckt u n d d a d u r c h z. B. eine Schienenbahn zum Anhalten veranlaßt, gibt ein falsches Signal. Durch die Nr. 3 werden alle Zeichen u n d Signale erfaßt, die f ü r den jeweiligen Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr Verwendung finden. Sie gehören zu den Anlagen oder zum Zubehör dieser Verkehrsarten. Unerheblich ist es, ob die Zeichen innerhalb o d e r außerhalb geschlossener R ä u m e Verwendung finden u n d ob sie optisch oder akustisch w a h r n e h m b a r sind. Im Bahnbetrieb zählen zu den Zeichen und Signalen u. a. alle auf der Bahnstrecke befindlichen Signale oder Warneinrichtungen, einschließlich der den Stellwerken übermittelten Signale; gleiches gilt auch f ü r das Läutewerk, durch das ein H e r a n n a h e n eines Zuges angekündigt wird. Im Schiffsverkehr z. B. gibt falsche, i r r e f ü h r e n d e Lichtzeichen, wenn hierdurch Schiffe in gefährliche Gewässer geraten; ein Schiffsführer, der ein an sich mögliches Zeichen oder Signal (Flagge) setzt und d a d u r c h bei anderen den Irrtum erweckt, er werde ein bestimmtes Fahrmanöver d u r c h f ü h r e n , tatsächlich aber mit seinem Schiff anders navigiert, gibt ein falsches Zeichen. Mündliche, fernmündliche oder schriftliche Auskünfte k ö n n e n naturgemäß kein Zeichen oder Signal sein, auch wenn sie ursächlich für das G e b e n falscher Zeichen sind. U n t e r bestimmten Voraussetzungen können sie jedoch ebenso „gefährliche Eingriffe" sein (s. R d n . 26 ff.) 4. Ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe. § 315 a. F. n a n n t e als Tatbestandsmerk- 2 6 male „ähnliche Eingriffe" u n d die „an Gefährlichkeit einem solchen Eingriff gleichkommende pflichtwidrige Unterlassung". Die Neufassung konkretisiert die mit Strafe bedrohte H a n d l u n g durch das Merkmal der Gefährlichkeit des Eingriffs. Der Tatbestand wurde hierdurch aber nicht geändert, weil die von der Rechtsprechung entwickelten G r u n d s ä t z e der Strafbarkeit des unechten Unterlassungsdelikts (§ 13) a u f alle Tatbestandsmerkmale des § 3 1 5 n. F. A n w e n d u n g finden (so auch amtl. Begründung zu § 315, Bundestagsdrucksache IV/216), so d a ß eine pflichtwidrige Unterlassung einem durch positives T u n v o r g e n o m m e n e n Eingriff gleichstehen k a n n , w e n n die Unterlassung ebenso gefährlich ist, wie die in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 g e n a n n t e n H a n d l u n g e n (BGHSt. 8 11; Nüse J R 1965 42). Vgl. dazu Rdn. 31. Die v o n Isenbeck erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Tatbe- 2 7 standsmerkmal „ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe" ( N J W 1969 174) sind nicht begründet, weil es die verbotene u n d unter Strafe gestellte H a n d l u n g hinreichend konkretisiert (BGHSt. 22 366; so schon zur früheren Fassung: O L G H a m m N J W (65)

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

1955 114). Außerdem ermöglicht erst diese Generalklausel einen ausreichenden Schutz, da nicht alle strafwürdigen, die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigenden Störungsfälle von vornherein zu übersehen und deshalb im Gesetz aufführbar sind. Die großen Gefahren, die eine Störung des Eisenbahnverkehrs und der anderen geschützten Betriebe für die Allgemeinheit mit sich bringt, verlangen jedoch die strafgerichtliche Verfolgung den Betrieb gefährdender Handlungen. Einer zu extensiven Auslegung des Begriffs ist dadurch vorgebeugt, daß der Eingriff „ähnlich" und „ebenso gefährlich" sein, zu einer nicht völlig unerheblichen Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und einer konkreten Gefahr führen muß. 28

Gegenüber der früheren Fassung des § 315 ist seit der durch das 2. VerkSichG erfolgten Neufassung der Begriff „ähnlicher Eingriff enger auszulegen, da grob pflichtwidriges Verhalten gegen Rechtsvorschriften des Fahrzeugführers oder des sonst für die Sicherheit Verantwortlichen, das zu einer konkreten Gefahr führt, nunmehr in § 315 a Abs. 1 Nr. 2 StGB unter Strafe gestellt ist. Der Begriff „Eingriff" könnte darauf hindeuten, daß es sich um eine verkehrsfremde Maßnahme handeln muß. Dies wäre jedoch verfehlt, weil von einem Eingriff auch gesprochen werden kann, wenn der am Verkehrsvorgang Beteiligte oder mit ihm Befaßte in einer erheblich gefährdenden Weise die Sicherheit des Verkehrsbetriebes erheblich beeinflussen kann (vgl. BGH bei Martin DAR 1959 65; OLG Bremen MDR 1962 840).

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Als ähnlicher ebenso gefährlicher Eingriff nach §315 Abs. 1 Nr. 4 ist die Behinderung des Personals bei der Führung von Fahrzeugen (vgl. auch amtliche Begründung) anzusehen. Dies kann durch tätlichen Angriff, durch Bedrohung erfolgen (z. B. Flugzeugführer wird verletzt, so daß er zur sicheren Führung des Flugzeugs nicht mehr fähig ist, oder er wird zu einer gefährlichen Kursänderung oder gefahrdrohenden Notlandung gezwungen). Auch Steinwürfe gegen den Zugführer sind als ähnliche Eingriffe anzusehen (vgl. RGSt. 51 78; 61 362, die insoweit ein Hindernisbereiten annahmen), ebenso wie die Gefährdung des Flugverkehrs durch (ferngelenkte) Modellflugzeuge, des Schiffsverkehrs durch (ferngelenkte) Modellschiffe, soweit der Vorgang nicht als Hindernisbereiten zu werten ist. Behinderung des Fahrzeugpersonals bei der Bedienung von Sicherheitsanlagen, Störung des Flug- oder Wasserwege sichernden Funkverkehrs (Dreher Rdn. 11), Störung des Radarempfangs. Soweit allerdings die Störung durch unmittelbare Einwirkung am Gerät selbst verursacht wird, kommt nicht Nr. 4, sondern Nr. 1 in Frage. Das Verdecken von Signalen ist i. d. R. ein ähnlicher Eingriff; die Unterbrechung der Stromversorgung für Anlagen oder Beförderungsmittel wird meist eine Beschädigung nach Nr. 1 sein, ein ähnlicher Eingriff nur dann, wenn eine Einrichtung, die nicht zu den Anlagen der Nr. 1 gehört, beschädigt, zerstört oder beseitigt wird. Das Durchfahren einer Langsamfahrstrecke mit überhöhter Geschwindigkeit, Überfahren eines Halte-Signals, die nach früherer Rechtsprechung als „ähnlicher Eingriff' angesehen wurden (vgl. BGH GA 1958 240; BGHSt. 8 8) sind nunmehr, soweit die Handlung des Fahrzeugführers oder des sonst Verantwortlichen zu würdigen ist, zunächst nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zu überprüfen (vgl aber Rdn. 54). Ein Weichensteller hat nicht nur die Pflicht, die Stellung der Weiche zu überwachen, sondern muß auch den Flankenschutz sicherstellen. Unterläßt er dies, kann dies ein ähnlicher Eingriff nach Nr. 4 sein (BGH VRS 21 426). Wer Gleisarbeiten vorschriftswidrig so ausführen läßt, daß die Gefahr einer zur Zugentgleisung führenden Gleisverwerfung besteht, ist wegen eines „ähnlichen, ebenso gefährlichen (66)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§ 3 1 5

Eingriffs" in den Schienenbahnverkehr nach § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar, auch wenn er zu dem in § 315 a Abs. 1 Nr. 2 StGB bezeichneten Personenkreis gehört (BGHSt. 24 231 = VRS 42 204). Ob das vorzeitige „Auflösen" einer Fahrstraße im Eisenbahnbetrieb noch als 30 ähnlicher Eingriff anzusehen ist (so OLG Neustadt VRS 14 56), ist im einzelnen Tatfrage (zweifelhaft nach Dreher Rdn. 11); wird hierbei Rechtsvorschriften zuwidergehandelt, unterliegt die Tat der Vorschrift des § 315 a Abs. 1 Nr. 2, wurde nicht gegen Rechtsvorschriften, sondern einer Anweisung zuwidergehandelt, wird sie als ähnlicher Eingriff einzustufen sein. Überhaupt können mündliche, fernmündliche, telegraphische Anweisungen ein „ähnlicher, gefährlicher Eingriff sein, wenn durch sie eine die Sicherheit des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs beeinträchtigende Maßnahme veranlaßt wird. 5. Eine Unterlassung steht dem aktiven Tun der in Nr. 1 bis 4 verbotenen Hand- 31 lungen gleich, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestand (§ 13). Es gelten die allgemeinen Grundsätze des unechten Unterlassungsdelikts (BGHSt. 8 11). Das Unterlassen muß aber den vom Gesetz verbotenen Handlungen ähnlich und ebenso gefährlich sein (Dreher Rdn. 12; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 15). Ist ein Schaden an einer Anlage oder einem Beförderungsmittel schon entstanden, oder ein Hindernis bereitet worden, so ist die pflichtwidrige Nichtbeseitigung als Unterlassung, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen, nach §315 strafbar (vgl. RGSt. 74 274; BGHSt. 7 311), entweder unmittelbar nach Nr. 1 (Zerstören, Beschädigen einer Anlage oder eines Beförderungsmittels) bzw. nach Nr. 2 (Bereiten eines Hindernisses durch pflichtwidrige Unterlassung; OLG Oldenburg VRS 30 110), oder in gewissen Fällen auch nach Nr. 4 als „ähnlicher, gefährlicher Eingriff dann, wenn der für den Betrieb Verantwortliche von dem durch einen Dritten verursachten Schaden oder Hindernis Kenntnis erhalten hat und nicht dafür sorgt, daß unverzüglich die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden; in letzterem Fall käme auch Vergehen nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2 in Frage. Wird der Eisenbahnbetrieb auf einer eingleisigen Strecke ohne Signale mit 32 Funksprechverkehr geleitet, so ist auch der Triebwagenführer verpflichtet, darauf zu achten, ob die planmäßige vorgesehene Kreuzung mit einem Gegenzug stattgefunden hat, bevor er einem Abfahrtsauftrag des Zugführers nachkommt; die Unterlassung dieser Beobachtung ist grundsätzlich als ähnlicher Eingriff einzustufen, ist Bereiten eines Hindernisses dann, wenn durch die pflichtwidrige Unterlassung der Gegenzug gefährdet wird (OLG Hamburg VRS 21 433). Ein Schrankenwärter, der es unterläßt, an einem höhengleichen Bahnübergang die Schranken rechtzeitig zu schließen, nimmt einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vor (OLG Frankfurt VRS 49 35). Eine Schiffahrtsgefährdung durch ähnlichen gefährlichen Eingriff kann durch grobe pflichtwidrige Unterlassung der Bestellung eines erfahrenen Rudergängers in gefährlichen Gewässern herbeigeführt werden (OLG Schleswig SchlHA 1959 23); wird hierbei gegen Rechtsvorschriften verstoßen, greift auch § 315 a Abs. 1 Nr. 2 ein (Konkurrenz: Rdn. 54). Das Unterlassen, die richtigen Zeichen und Signale zu geben, ist Verstoß gegen Nr. 3 (BGHSt. 11 163). Die Unterlassung einer Betriebsüberprüfung durch die Aufsichtsbehörde und deshalb Unterlassung der Feststellung vorhandener Mängel, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, ist zwar eine pflichtwidrige Unterlassung, aber keine unmittelbare Einwirkung auf den Betrieb und wird deshalb von §315 nicht erfaßt (BGHSt. 10 404; Vergehen nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2!). (67)

§315

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

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IV. Durch die in Abs. 1 genannten Handlungen (Eingriffe) muß eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sache von bedeutendem Wert herbeigeführt worden sein (OLG Celle VRS 40 28). § 315 ist also ein konkretes Gefährdungsdelikt. Die Gefahr muß im Einzelfall nachgewiesen werden (OLG Düsseldorf DAR 1957 160). Die Entstehung einer Gemeingefahr, wie dies § 315 a. F. vorsah, ist nicht mehr erforderlich. Die theoretische Möglichkeit einer Gefährdung genügt nicht (so schon früher: BGH St. 8 28). Eine konkrete Gefährdung liegt erst vor, wenn tatsächliche Verkehrsvorgänge in ihrem reibungslosen Ablauf mit der Wirkung in Frage gestellt worden sind, daß ein schädlicher Erfolg nur durch besondere Umstände vermieden worden ist (OLG Hamm VRS 11 57), der Eintritt eines Schadens wahrscheinlicher ist als dessen Ausbleiben (BGHSt. 8 31; 13 70; 18 271; BGH VRS 11 63; 16 131, 452). Hierbei genügt die Anlegung eines allgemeinen Erfahrungsmaßstabes nicht, vielmehr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob der Eintritt eines schädlichen Erfolgs nahelag. Die bloße Feststellung, eine Eisenbahn, eine Straßenbahn habe „abgefangen" werden müssen, reicht nicht aus, um eine Gefährdung zu begründen; denn aus dieser Formulierung ist lediglich mit Sicherheit eine Behinderung zu entnehmen (OLG Bremen VkBl. 1955 283). Eine Gefährdung genügt; ein Schaden braucht tatsächlich nicht eingetreten zu sein (BGH VRS 8 456). Das Wesen der Gefahr besteht gerade in der Ungewißheit eines schädlichen Erfolges (BGH VRS 13 204). Gleichgültig ist es auch, ob die einmal eingetretene Gefahr durch spätere Maßnahmen abgewendet werden kann, z. B. der gefährdete Verkehrsteilnehmer bringt sich rechtzeitig in Sicherheit (OLG Celle VRS 7 459).

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1. Es genügt die Gefährdung eines beliebigen Menschen an Leib oder Leben, der weder Täter noch Tatbeteiligter ist. Der Gefährdete braucht nicht, wie nach § 315 a. F. unter dem Tatbestandsmerkmal der Gemeingefahr, Repräsentant der Allgemeinheit (Gemeingefahr nach a. F. vgl.: BGH VRS 11 51; 19 443; BGHSt. 6 100, 232; 11 199; 14 295; BayObLG VRS 16 368 u. a. m.) und nicht selbst am Verkehrsvorgang beteiligt zu sein (BGH VRS 38 344); so ist § 315 auch anwendbar, wenn der Insasse des Fahrzeugs (BGH aaO) oder eine am Verkehrsbetrieb nicht teilnehmende Person auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsbereichs gefährdet wird, z. B. wenn Streckenarbeiter oder andere Personen durch eine entgleiste Lokomotive außerhalb des Schienenbereichs oder durch einen beschädigten, umfallenden Leitungsmast in Gefahr geraten (OLG Braunschweig NdsRPfl. .1952 157). Wer den Führer eines Schienenfahrzeugs zu einer Schnellbremsung veranlaßt, die dieser als erforderlich ansehen durfte, gefährdet dadurch Leib oder Leben der Insassen des Schienenfahrzeugs (OLG Celle DAR 1961 313; OLG Schleswig VerkMitt 1965 87). Eine Person kann auch dann gefährdet sein, wenn sie durch eigene schnelle Reaktion sich der Gefahr gerade noch entziehen kann (vgl. OLG Stuttgart VerkMitt. 1958 11). Die Feststellung, daß die Fahrgäste durch die Notbremsung einer Schienenbahn „heftig durcheinander gerüttelt" wurden, reicht jedoch für die Annahme einer Gefährdung der Insassen der Schienenbahn nicht aus (OLG Zweibrücken VRS 32 376). Auch die absichtliche Gefährdung einer einzelnen Person reicht aus, wenn die die Gefährdung auslösende Tat abstrakt geeignet ist, die Sicherheit der in §315 genannten Verkehrsarten zu beeinträchtigen (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 7 vor § 306 in Anlehnung an Lackner JZ 1965 125 und Nüse JR 1965 41; vgl. auch v. Hippel ZStrW 80 (1968) 378). Anders die Rechtsprechung zum früheren Begriff der Gemeingefahr (vgl. BGH DAR 1960 296; OLG Celle NdsRpfl. 1962 68). (68)

G e f ä h r l i c h e E i n g r i f f e in den B a h n - , S c h i f f s - u n d L u f t v e r k e h r ( R ü t h )

§

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Es kommt nicht darauf an, ob die Insassen des Beförderungsmittels der Unter- 35 nehmer oder Fahrzeugführer nach persönlichen Gesichtspunkten ausgewählt hat; es genügt deshalb auch eine Gefährdung mitgenommener Verwandter oder Freunde (ebenso KG VRS 36 107; OLG Düsseldorf VRS 36 109; Lackner JZ 1965 124; Warda MDR 1965 5). Unbedeutend ist es auch, ob der Gefährdete sich der ihm drohenden Gefahr bewußt war, sie also erkannt und in Kauf genommen hat (so schon BGHSt. 6 232). Eine Einwilligung des Gefährdeten in die Gefahr ist rechtlich ohne Bedeutung, da geschütztes Rechtsgut nach §315 die Verkehrssicherheit ist (vgl. Rüth LK § 315 c Rdn. 61; eb. Dreher §315 Rdn. 15, zweifelnd bei § 315 c Rdn. 17; BGHSt. 23 261; a. A. Sch.-Schröder-Cramer § 315 c Rdn. 33; Cramer § 315 c Rdn. 86). 2. Die Sachgefahr erfordert die Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem 36 Wert. Geschützt sind nicht nur Sachen des Verkehrsbetriebes, wie Betriebs- und Beförderungsgegenstände oder Beförderungsmittel, sondern jede für den Täter „fremde" Sache von „bedeutendem" Wert. a) Fremd ist eine Sache für den Täter, die nicht in seinem Alleineigentum steht. 37 Dies ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 15 vor § 306). Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff kann jedoch bei der Beurteilung, ob eine Sache für den Täter im Sinne der §§ 315 bis 315 c StGB fremd ist, nicht das alleinige Kriterium sein. Vielmehr entscheidet das wirtschafliche Eigentum. So ist für einen Täter eine Sache nicht fremd, die im Eigentum einer GmbH steht, dessen Anteile ihm allein gehören (KG VRS 13 43). Auch eine vom Täter unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache oder zur Sicherung einem Dritten übereignete Sache, ist nicht aus dem wirtschaftlichen Eigentumsbereich des Täters ausgeschieden und für ihn deshalb nicht fremd (Rüth LK § 315 b Rdn. 8; Rüth JR 1977 433 in Anm. zu BGH JR 1977 431). In Rechtsprechung und Schrifttum wird insbesondere bei der Auslegung der 38 §§ 315 b und 315 c StGB die Ansicht vertreten, daß die alleinige Gefährdung des vom Täter geführten, aber nicht in seinem Eigentum stehenden Fahrzeugs keine Sachgefährdung im Sinne dieser Bestimmungen ist (vgl. dazu Rüth LK § 315 b Rdn. 8). Gefährdet der Täter jedoch die nicht in seinem Eigentum stehende Ladung des Fahrzeugs (insbesondere bei Lkw), reicht dies zur Annahme der Gefährdung einer fremden Sache aus (vgl. BGHSt. 11 148; OLG Schleswig NJW 1965 1727; OLG Stuttgart NJW 1966 2280 m. Anm. Möhl in JR 1967 107; OLG Celle NJW 1967 1767; OLG Hamm NJW 1967 943; OLG Braunschweig VRS 32 443; vgl. auch Cramer NJW 1964 1836; Härtung NJW 1966 15; 1967 909; Lackner JZ 1965 124; Nüse JR 1965 41 ; Sch.-Schröder-Cramer vor § 306 Rdn. 9; Cramer § 315 c Rdn. 58; Warda MDR 1965 5). Rechtsprechung und Schrifttum haben aber nicht dem Begriff „fremde Sache" eine vom Zivilrecht abweichende eigenwillige Deutung gegeben, eine Sachgefährdung des vom Täter geführten Fahrzeugs vielmehr deshalb verneint, weil es i. S. der §§ 315 b und 315 c als notwendiges Tatwerkzeug zur Tatbestandsverwirklichung verwendet wird (BGH VRS 42 97; JR 1977 431). Diese zu §315 c gefundenen Unterscheidungs-Kriterien lassen sich aber nicht auf § 315 übertragen. Vielmehr ist eine differenzierende Betrachtungsweise geboten, deren Notwendigkeit sich aus den Besonderheiten des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs mit seinen außergewöhnlichen hohen Sachwerten und entsprechend großen Gefahren ergibt (BGH JR 1977 431; BGHSt. 11 151; OLG Celle VRS 33 202, 204) und §315 auch das einzelne (69)

§315

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Beförderungsmittel schützt, unabhängig davon, ob ein Dritter oder der Fahrzeugführer den schädigenden Erfolg verursacht (Dreher Rdn. 16; Krause Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1976 337). Man muß deshalb davon ausgehen, daß im Rahmen des § 315 für den Fahrzeugführer auch das von ihm selbst geführte Beförderungsmittel fremd ist, soweit er nicht zivilrechtlich dessen Alleineigentümer ist. Da jedoch die in §315 Abs. 1 beschriebenen Handlungen nur dann von Bedeutung sind, wenn sie eine Sicherheitsbeeinträchtigung der dort aufgeführten Verkehrsarten zur Folge haben, ist nur unter dieser Voraussetzung eine konkrete Gefährdung des vom Täter geführten Beförderungsmittel beachtlich. Die zu den §§ 315 b und 315 c getroffene Unterscheidung zwischen Tatwerkzeug und Schutzgegenstand kann deshalb in § 315 nicht gleichermaßen gehalten werden. Theoretisch sind zwar Fälle denkbar, in denen das Beförderungsmittel als Tatwerkzeug benutzt und nur selbst gefährdet wird; sie sind jedoch praktisch ohne Bedeutung, weil es hierbei i. d. R. an der Sicherheitsbeeinträchtigung des Verkehrsbetriebes fehlen wird und § 315 schon aus diesem Grunde ausscheidet. 39

b) Ob eine fremde Sache „von bedeutendem Wert" ist, bestimmt deren Verkehrswert. Unbedeutend ist ihr evtl. Liebhaberwert, ihr Zweck oder Nutzen, den sie für die Allgemeinheit hat (OLG Celle VRS 17 350; KG VRS 13 43; 14 123; JR 1956 71; OLG Bremen DAR 1959 191; NJW 1962 1409; OLG Hamm VRS 18 438; 27 26; OLG Saarbrücken VRS 24 282; BayObLG NJW 1969 2026). Es kommt auch nicht auf den funktionellen Wert einer Sache an (OLG Celle VRS 15 358; 19 45; OLG Hamburg VerkMitt. 1960 81 Nr. 123). Nach ersichtlich übereinstimmender Meinung kann eine Sache von weniger als 500,— DM nicht als bedeutsamer Wert angesehen werden (OLG Hamm VRS 32 427; 34 445; DAR 1964 25; NJW 1967 1332; OLG Schleswig VerkMitt. 1963 86; OLG Karlsruhe NJW 1961 33; OLG Hamburg VerkMitt. 1960 81 Nr. 123; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1962 88; BayObLG NJW 1969 2026 u. BayObLG bei Rüth in DAR 1968 226). Auch ein Sachschaden von 550,— DM ist nach Ansicht von OLG Hamm (VRS 36 421) nicht bedeutend. Ein uralter, jedoch fahrbereiter Kraftwagen stellt in der Regel keinen bedeutenden Sachwert dar (OLG Hamm NJW 1960 880; a. A. KG VRS 12 359), jedenfalls dann, wenn der Verkehrswert erheblich unter 1000,— DM liegt. Sog. Oldtimers, die zwar nur von wenigen, aber mit festen und meist hohen Preisen gehandelt werden, stellen jedoch grundsätzlich eine Sache von bedeutendem Wert dar, wenn sie nicht schrottreif sind. Entscheidend sind nicht die aufzuwendenden Reparaturkosten, sondern lediglich der Verkehrswert der Sache (KG VRS 14 123). Wird eine Sache von unbedeutendem Wert beschädigt, so ist insoweit der Tatbestand des § 315 nicht erfüllt; war sie aber vor der Beschädigung noch funktionsfähig, kann sie aber danach ihren Zweck nicht mehr erfüllen (z. B. ein völlig verrostetes Signal wird durch Beschädigung funktionsunfähig) und wird hierdurch für den Bahn-, Schiffsoder Luftverkehr eine anderweitige Gefährdung herbeigeführt, so ist nur dieser Erfolgseintritt dahin zu prüfen, ob einer anderen Sache von bedeutendem Wert eine Gefahr droht.

Werden mehrere Sachen beschädigt, so kommt es darauf an, ob deren Gesamtheit einen bedeutenden Wert darstellt (OLG Karluruhe NJW 1961 133; Schroeder GA 1964 230). Ein Leichnam ist kein bedeutender Sachwert (OLG Celle NJW 1960 2017). 40 Droht einer Sache von bedeutendem Wert nur geringe Gefahr, reicht diese nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht aus, da die Gefahr eines bedeutenden Sachschadens erforderlich ist, die Sache in ihrem gesamten wirtschaftlichen Wert (70)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§

315

gefährdet sein muß (OLG Celle M D R 1955 363; DAR 1959 191; KG VRS 13 44; OLG Schleswig VRS 29 266; OLG Köln VRS 13 288; OLG Zweibrücken VRS 32 277; Sch.-Schröder Rdn. 13 vor §306; Dreher §315 Rdn. 16). Hierbei kann aber nicht von dem tatsächlich eingetretenen Schaden allein ausgegangen werden. Dieser kann nicht alleiniger Maßstab für den Umfang der Gefahr sein. Vielmehr kann die Gefahr erheblich größer gewesen sein (vgl. BayObLG bei Rüth in DAR 1968 226; OLG Saarbrücken DAR 1960 53; OLG Karlsruhe DAR 1962 301). Nur wenn im konkreten Fall feststeht, daß von vornherein nur der tatsächlich eingetretene geringe unbedeutende Sachschaden denkbar war, kann die Gefahr eines bedeutenden Sachschadens und somit eine Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert ausgeschlossen werden. V. Der innere Tatbestand erfordert Vorsatz oder Fahrlässigkeit. 41 1. Nach Abs. 1 ist Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale erforderlich: a) Vorsätzliche Beeinträchtigung der Sicherheit des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs, b) vorsätzlich vorgenommener gefährlicher Eingriff (Abs. 1 Nr. 1—4), c) vorsätzliche Herbeiführung einer konkreten Gefahr für andere Personen oder Sachen von bedeutendem Wert (BGHSt. 22 67). Bedingter Vorsatz reicht aus (RGSt. 71 43; vgl. auch OLG Hamm NJW 1955 114; OLG Oldenburg DAR 1955 165; OLG Frankfurt RdK 1955 144 für den früheren Begriff der Gemeingefahr). Der Umstand, daß der Täter durch den gefährlichen Eingriff sich selbst gefährdet, schließt die Annahme eines Vorsatzes oder eines bedingten Vorsatzes denkgesetzlich nicht aus (vgl. für den Bereich des Straßenverkehrs: BGH DAR 1955 282; BayObLG NJW 1955 1448 m. Anm. v. Dahs; OLG Karlsruhe VRS 12 352); denn der Vorsatz braucht nur die Kenntnis und Billigung der konkreten Gefahr zu umfassen, sich nicht aber auch auf den Eintritt eines tatsächlichen Schadens erstrecken (BGHSt. 22 67; KG VerkMitt. 1956 28 Nr. 45). 2. Tritt zu dem Vorsatz die Absicht, einen Unglücksfall herbeizuführen oder 42 durch die Tat eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, ist die Tat nach Absatz 3 qualifiziert. Der Begriff des Unglücksfalls in §315 ist im wesentlichen der gleiche wie in § 330 c StGB. Während jedoch nach letzter Vorschrift ein Unglücksfall ein plötzlich eintretendes Ereignis ist, das eine erhebliche Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt (BGHSt. 6 152; 11 136), reicht nach § 315 die drohende erhebliche Gefahr allein nicht aus (Dreher Rdn. 20); eine nur darauf gerichtete vorsätzliche Handlung wäre durch Absatz 1 erfaßt. Vielmehr muß auch der plötzliche Eintritt eines durch die Gefahr verursachten Schadens drohen (z. B. Schienen werden beseitigt, um eine Schienenbahn entgleisen zu lassen: ein Flugzeug wird absichtlich durch Funk fehlgeleitet, um es zum Absturz zu bringen: die Bojen oder andere Signaleinstellungen für Schiffe werden absichtlich versetzt oder verstellt, um Schiffe stranden zu lassen). Welche Ziele der Täter mit dem Unglücksfall verfolgt, sind gleichgültig (Diebstahl, Sabotage). Der tatsächliche Eintritt des Unglücksfalls ist nicht erforderlich. Die nach Absatz 3 erhöhte Strafdrohung trifft den Täter auch dann, wenn er 4 3 einen nach Absatz 1 gefährlichen Eingriff mit Herbeiführung einer konkreten Gefahr in der Absicht begangen hat, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken; zur Auslegung dieses Begriffs s. § 211 Rdn. 13. Eine Ordnungswidrigkeit ist keine Straftat i. S. des § 315 (BGH VRS 47 268 und Urt. v. 3. 8.1978, 4 StR 397/78). Der Strafrahmen nach Absatz 3 beträgt 1 Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe (§ 38 44 StGB). In minderschweren Fällen kann eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis (71)

§315

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

5 Jahren verhängt werden. Die amtliche Begründung führt dazu aus, d a ß auf den ermäßigten S t r a f r a h m e n f ü r m i n d e r schwere Fälle nicht verzichtet werden könne. Es wird d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß namentlich bei Taten nach Nr. 1, die von unreifen oder geistig unterentwickelten Tätern aus bloßer Neugierde begangen werden können, sowie bei Taten nach Nr. 2, bei denen notstandsähnliche Konfliktslagen vorliegen k ö n n e n , die Möglichkeit des Ausweichens auf eine geringere Strafe unerläßlich ist. Auch in einem minder schweren Fall bleibt die Tat nach Absatz 3 ein Verbrechen n a c h § 1 StGB. 45

Der Absatz 4 enthält eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination dergestalt, d a ß der Täter den in Absatz 1 verbotenen Eingriff vorsätzlich vornimmt, sowie die Sicherheit des Betriebs des Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs vorsätzlich beeinträchtigt, die konkrete Gefahr aber nur fahrlässig verursacht. Die Tat bleibt Vorsatztat (§ 11 Abs. 2). Eine Teilnahme an der Tat ist somit strafbar, auch soweit der Teilnehmer hinsichtlich des Gefahreneintritts nur fahrlässig handelt (Dreher Rdn. 23; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 23 a).

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Hat der Täter zwar den verbotenen Eingriff vorsätzlich vorgenommen, die Beeinträchtigung der Sicherheit der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ebenso wie die konkrete Gefahrenlage fahrlässig verursacht, so m u ß dieser Fall dem Absatz 4 gleichgestellt werden (Dreher aaO). Schlecht d e n k b a r ist, d a ß ein Täter den verbotenen gefährlichen Eingriff vorsätzlich vornimmt u n d die G e f a h r vorsätzlich verursacht, nur in bezug auf die Sicherheitsbeeinträchtigung fahrlässig handelt, weil die vorsätzliche Herbeiführung der G e f a h r in der Regel ein Indiz d a f ü r ist, d a ß die Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrsbetriebes bewußt gewollt war. Eine vorsätzliche H a n d l u n g nach Absatz 1 u n d eine fahrlässige Verursachung der konkreten G e f a h r kann z. B. gegeben sein, wenn ein Zugführer eine gewisse Zeit blind fährt ( B G H VRS 16 432), oder die F ü h r u n g einer Lokomotive einem als Heizer eingeteilten Triebwagenführer überlassen wird (vgl. B G H VRS 17 40).

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4. Hat der Täter hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale fahrlässig gehandelt, ist die S t r a f d r o h u n g nach Absatz 5 geringer (Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe). W u r d e der gefährliche Eingriff in die Sicherheit des in Absatz 1 genannten Verkehrsbetriebes fahrlässig verursacht und erkennt der Täter später die G e f a h r e n lage, bevor eine konkrete G e f a h r eingetreten war, hat er die Pflicht, die Sicherheitsbeeinträchtigung zu beseitigen. Unterläßt er dies, hat er vorsätzlich durch Unterlassung g e h a n d e l t ; Absatz 4 ist nicht anwendbar.

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Beispiele f ü r fahrlässiges H a n d e l n : ein Schrankenwärter darf, um seiner Pflicht zum rechtzeitigen Schließen der Schranken genügen zu können, die Bestimmung des Zeitpunkts des Schrankenschließens nicht seinem bloßen Zeitgefühl überlassen ( B G H V R S 20 58); bei der Anfahrt an einem unbeschrankten Bahnübergang darf der L o k o m o t i v f ü h r e r des mit erlaubter Geschwindigkeit fahrenden Zuges grundsätzlich d a r a u f vertrauen, d a ß der Führer eines Straßenfahrzeugs den Vorrang des Zuges nicht gefährden werde; nur wenn er bei sorgfältiger Beobachtung der Strecke erkennen m u ß , d a ß der Führer des anderen Fahrzeugs nicht vor dem Bahnübergang halten werde, ist er zu den ihm möglichen G e g e n m a ß n a h m e n verpflichtet ( B G H N J W 1962 408; vgl. auch B G H VRS 21 14); bei Unübersichtlichkeit der zu einem unbeschrankten Bahnübergang f ü h r e n d e n Bahnstrecke m u ß sich der Kraftfahrer so langsam, nötigenfalls mit Schrittgeschwindigkeit an den Übergang herantasten, d a ß er beim plötzlichen Auftauchen eines schienengebundenen Fahrzeugs rechtzeitig vor dem Gleis anhalten k a n n ; er darf sich nicht darauf verlassen, d a ß (72)

Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (Rüth)

§ 3 1 5

die Bahnbediensteten die in den Fahrdienstvorschriften angeordneten Warnsignale und sonstigen Sicherheitsmaßnahmen anwenden werden (BGH VRS 21 356); werden Bahnschranken während des Schließvorganges in einer Stellung angehalten, die es dem Führer eines Straßenfahrzeuges ermöglicht, ohne Berührungsgefahr und ohne Gefährdung des etwaigen Gegenverkehrs unter ihnen hindurchzufahren, so darf er die Gleise noch überqueren; die Strafbarkeit des Führers des Straßenfahrzeugs entfällt aber nur dann, wenn die Schranken erkennbar freiwillig angehalten werden, — auch wenn der Schrankenwärter den Übergang nicht hätte freigeben dürfen, — nicht aber, wenn der Schrankenwärter das Schließen der Schranken unter Umständen unterbricht, die es deutlich machen, daß er dies nicht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens tut (BGH VRS 20 58; OLG Hamm VRS 21 368). Bei durch Schranken oder Lichtzeichen gesicherten Bahnübergängen darf sich der dem Übergang mit zulässiger Geschwindigkeit nähernde Kraftfahrer darauf verlassen, daß er bei nicht gesperrtem Übergang die Schienen überqueren kann. Eine Fahrlässigkeit ist in diesem Fall nur dann anzunehmen, wenn er die Annäherung eines Schienenfahrzeugs bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können (BayObLG VRS 48 270; OLG Köln VRS 15 49, 54; OLG Oldenburg VRS 23 150; OLG Schleswig VerkMitt. 1965 16; BGH VRS 4 131, 133; Cramer § 19 StVO Rdn. 19; Full-Möhl-Rüth § 19 StVO Rdn. 6 ff). VI. Vollendet ist die Tat mit dem Eintritt der Gefahr. Dies gilt auch in den Fällen 4 9 der Absätze 3 bis 5. Ein Schaden braucht nicht eingetreten zu sein. Wird deshalb nach entstandener konkreter Gefahrenlage entweder durch eigenes Tätigwerden des Täters (vgl. Rdn. 51 unten) oder durch das Tun oder Unterlassen eines Dritten nur der durch die Schaffung der Gefahrenlage bevorstehende Schadenseintritt verhindert, kann nicht nur Versuch angenommen werden (Dreher Rdn. 17; Bedeutung für die Straffrage: Absatz 6). Beispiel: Die Hindernisse werden vor dem sich nähernden Zug rechtzeitig weggeräumt (RG HRR 39 270); die gefährdete Person bringt sich gerade noch in Sicherheit (OLG Celle VRS 7 459). Wird aber z. B. ein Hindernis von einem Dritten beseitigt, ohne daß eine konkrete Gefahrenlage entstanden war, liegt nur Versuch vor (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 24; OLG Celle VRS 40 28). Versuch (§ 22) ist strafbar bei einem Vergehen nach Absatz 1 (Absatz 2) und 5 0 einem Verbrechen nach Absatz 3 (§ 23 StGB). Das versuchte vorsätzliche Vergehen nach Absatz 4 bleibt straflos. Ein Versuch ist anzunehmen, wenn der Täter die Ausführungshandlung willentlich begonnen hat, z. B. ein Signal zu beschädigen oder außer Funktion zu setzen sich bemüht, was ihm aber nicht gelingt, Befestigungsschrauben von Schienen vergeblich lockern will. Die Bereitlegung von Werkzeugen für einen sicherheitsgefährdenden Eingriff ist grundsätzlich straflose Vorbereitungshandlung. Strafbar ist auch der untaugliche Versuch, nicht jedoch das sog. Wahnverbrechen. VII. Der Absatz 6 sieht für den Fall der tätigen Reue zugunsten des Täters die 51 Möglichkeit der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe und bei Fahrlässigkeitstaten (Absatz 5) Straffreiheit vor. Er ermöglicht über den §24 (Rücktritt vom Versuch) hinaus einen Rücktritt vom vollendeten Delikt. Die Anwendung des § 24 wird jedoch für die Fälle des Versuchs nicht ausgeschlossen, wenn auch §315 Abs. 6 Satz 1 beginnt: „Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1 bis 4 die Strafe . . . mildern oder von einer Bestrafung . . . absehen". Dies soll aber wie auch der amtl. Begründung zum 2. StraßenVerkSichG 1964 zu entnehmen ist, nicht auch (73)

§315

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

die Beurteilung des Rücktritts vom Versuch der alleinigen .Würdigung des §315 Abs. 6 unterstellen. Vielmehr wurde Abs. 6 angefügt, weil die allgemeine Vorschrift des § 24 StGB oft nicht ausreicht, um den kriminalpolitischen Bedürfnissen gerecht zu werden. Bleibt die Tat demnach im Versuchsstadium stecken, ist die vom Täter geübte tätige Reue allein nach § 24 StGB zu beurteilen. Sind die Voraussetzungen des § 2 4 StGB erfüllt, bleibt der Täter straflos; die Vorschrift des §315 Abs. 6 Satz 1, wonach die Wahlmöglichkeit besteht, von Strafe abzusehen, die Strafe nur zu mildern oder eine Vergünstigung überhaupt zu versagen, greift nicht ein. Die Vorschrift des §315 Abs. 6 unterscheidet zwei Gruppen von Straftaten: Bei den Taten nach Abs. 1, 3 und 4, die entweder reine Vorsatztaten oder Taten sind, bei denen der Täter jedenfalls die eigentliche Tathandlung vorsätzlich begeht, soll es dem Gericht überlassen bleiben, ob es von Strafe absehen, die Strafe mildern oder eine Vergünstigung versagen will. Bei den Fahrlässigkeitstaten des Absatz 5 führt tätige Reue stets zur Straffreiheit. 52

Als tätige Reue genügt, daß der Täter die zum Tatbestand gehörende Gefahr abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Abwenden der Gefahr umfaßt sowohl die Verhinderung der Gefahrenentstehung als auch Beseitigung der bereits eingetretenen Gefahr (so auch amtl. Begründung). Die Vergünstigung der tätigen Reue des Absatz 6 kommt dem Täter auch dann noch zugute, wenn zwar schon ein geringer (nicht erheblicher) Schaden entstanden ist, der Eintritt eines erheblichen (größeren) Schadens verhindert wird. Wann ein Schaden erheblich ist, läßt sich allgemeinverbindlich nicht festlegen. Der Begriff des „bedeutenden Wertes" des § 315 Abs. 1 kann zur Abgrenzung der Erheblichkeit ebensowenig herangezogen werden (a. A. Sch.-Schröder-Cramer § 311 c Rdn. 9), wie die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die völlige Belanglosigkeit eines Schadens i. S. des § 142 StGB. Die Grenze schematisch bei etwa 500,— DM zu ziehen (so Dreher § 311 c Rdn. 3) erscheint nicht nur wenig zweckmäßig, sondern auch dem Sinn des § 315 Abs. 6 kaum zu entsprechen. Eine dem Gesetz eher gerecht werdende Wertbemessung für die Erheblichkeit eines Schadens sollte sich an dem Verhältnis zwischen Wert der gefährdeten Sache und der Höhe des Sachschadens orientieren. Die tätige Reue des Täters ist aber nach Absatz 6 nur dann beachtlich: a) wenn der Täter freiwillig die Gefahr oder den erheblichen Schaden abwendet, oder b) sich freiwillig und ernsthaft um die Gefahrabwendung bemüht, diese aber durch einen Dritten ohne Zutun des Täters vorgenommen wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Tat schon entdeckt ist. Hinsichtlich der Freiwilligkeit wird auf die Ausführungen zu § 24 und § 311 c verwiesen. Wird von Strafe abgesehen, erfolgt trotzdem Schuldspruch mit voller Kostentragungspflicht (§ 465 Abs. 1 S. 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft kann jedoch mit Zustimmung des Gerichts in diesen Fällen schon von der Erhebung der Klage absehen; nach erhobener Klage kann das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft vom Gericht eingestellt werden (§ 153 b StPO). Rücktritt bei Fahrlässigkeitstaten führt zur Straflosigkeit mit der Folge der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 170 StPO. Wird freiwilliger Rücktritt erst auf Grund durchgeführter Hauptverhandlung erwiesen oder zumindest nicht widerlegbar, hat Freispruch zu erfolgen.

53

VIII. Täter kann jeder sein, nicht nur ein Bediensteter oder Beförderter des Verkehrsbetriebes. Für die Teilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze. Anstiftung, (74)

G e f ä h r d u n g des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs (Rüth)

§ 315 a

Beihilfe oder Mittäterschaft sind auch möglich bei einem Vergehen nach Absatz 4 (vorsätzlichem Handeln mit fahrlässiger Herbeiführung der Gefahr), wenn der Teilnehmer in Bezug auf die Tatausführung vorsätzlich handelt aber fahrlässig nicht bedenkt, daß sein Tatbeitrag zu einer konkreten Gefahr führen kann. IX. Gesetzeskonkurrenz besteht zwischen §315 Abs. 1 Nr. 1 und §§ 303, 304, 54 soweit Bauwerke beschädigt oder zerstört werden auch mit § 305; ist durch die Handlung nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2 zugleich der Tatbestand des § 315 erfüllt, so tritt § 315 a hinter § 315 zurück (BGHSt. 21 173; 24 231; GA 1971 246; a. A. Krause Zeitschr. f. Binnenschiffahrt 1975 337). § 59 LufAVG und § 65 SeeSchStrO stehen xu § 315 im Verhältnis der Subridiarität. Tateinheit ist möglich mit § 315 a Abs. 1 Nr. 1, auch mit § 315 b (ebenso auch Dreher Rdn. 26), mit Tötungs- und Körperverletzungsdelikten, desgleichen auch mit Sachbeschädigungsdelikten, wenn die Sachbeschädigung nicht in der Zerstörung oder Beschädigung einer Anlage oder eines Beförderungsmittels i. S. des Absatz 1 Nr. 1 liegt (dann Gesetzeskonkurrenz); Tateinheit unter den gleichen Voraussetzungen auch möglich mit Brandstiftungsdelikten nach § 306 ff.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Schienenbahn- oder Schwebebahnfahrzeug, ein Schiff oder ein Luftfahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder 2. als Führer eines solchen Fahrzeuges oder als sonst für die Sicherheit Verantwortlicher durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs verstößt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 1. die Gefahr fahrlässig verursacht, oder 2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Entstehungsgeschichte § 315 a beruht auf Art. 1 Nr. 6 des 2. StraßenverkSichG vom 21.11.1964 (BGBl. I 921) und gilt jetzt i. d. F. der Bekanntmachung des StGB v. 2. 1.1975 (BGBl. I 1). Schrifttum S i e h e b e i §§ 3 1 5 , 3 1 5 c, 3 1 6 S t G B Übersicht Rdn. 1. 1. Geschütztes Rechtsgut 2. Blankettvorschrift. Subsidiarität, kon(75)

Rdn. . 2 kretes G e f ä h r d u n g s d e l i k t II. O b j e k t i v e r Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 . . 4

§ 315 a

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

Rdn. Fahrzeugführer 5 F ü h r u n g eines Fahrzeugs 66 Unfähigkeit zur sicheren F ü h r u n g . . 7 a) alkoholische G e t r ä n k e oder andere berauschende Mittel . . . 8 b) geistige oder körperliche Mängel 9 III. Objektiver Tatbestand des Abs. 1 Nr. 2 . . 10 1. Fahrzeugführer oder sonst Verantwortlicher 11 2. Verstoß gegen Rechtsvorschriften . . 12 a) Eisenbahnverkehr 13 1. 2. 3.

IV. V. VI.

VII. VIII.

Rdn. b) Schiffahrt . 14 c) Luftfahrt . 15 3. G r o b pflichtwidriges Verhalten . . . . 16 Konkrete G e f a h r . 17 Versuch (Abs. 2 ) . . 18 Innerer Tatbestand 19 Vorsatz (Abs. 1) 20 Fahrlässigkeit (Abs. 3) 21 Tätige Reue 22 Konkurrenz 23

1

I. Geschütztes Rechtsgut ist die Verkehrssicherheit des Bahn-, Schiffs- und Luftfahrtsverkehrs. Hinsichtlich der Begriffsbestimmungen der genannten Verkehrsarten wird auf die Rdn. 4 bis 12 zu § 315 verwiesen. 2 Die Bestimmung des Absatz 1 Nr. 1 wurde durch das 2. StraßenverkSichG in das StGB eingefügt. Sie ist dem Tatbestand der Straßenverkehrsgefährdung ( § 3 1 5 c Abs. 1 Nr. 1) angepaßt. Absatz 1 Nr. 2 ist Blankettvorschrift; nach der amtl. Begründung soll sie die durch die Einschränkung des §315 Abs. 1 entstandenen Lücken schließen und hat nur subsidäre Bedeutung. Es ist zwar kein Grund einzusehen, warum die Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften nicht auch als „ähnliche Eingriffe" i. S. des § 315 Abs. 1 Nr. 4 angesehen werden sollen (so auch Sch.-Schröder-Cramer% 315 a Rdn. 2 a); da der Gesetzgeber jedoch einen grob pflichtwidrigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften in § 315 a Abs. 1 Nr. 2 besonders erwähnt, bleibt auch unter Berücksichtigung der amtl. Begründung nur der Schluß übrig, daß Verstöße gegen Rechtsvorschriften nicht als „ähnliche Eingriffe" i. S. des § 315 einzustufen sind. Wird aber durch das grob pflichtwidrige Verhalten gegen eine Rechtsvorschrift zugleich eine der in § 315 Abs. 1 verbotenen Handlung vorgenommen, so geht §315 vor (vgl. Rd. 23). 3

§ 315 a spricht im Gegensatz zu § 315 nicht davon, daß die Handlung eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs herbeiführen muß. Dies hat jedoch keine praktische Bedeutung, weil der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen ist, jede der in § 315 a mit Strafe bedrohte Handlung habe stets auch eine abstrakte Gefährdung der Verkehrssicherheit zur Folge. § 315 a ist ein konkretes Gefährdungsdelikt, dessen Tatbestand zweistufig aufgebaut ist: a) Tathandlung, die b) kausal für die Herbeiführung einer konkreten Gefahr ist. § 315 a ist eigenhändiges Delikt. Nimmt eine Schienenbahn am öffentlichen Straßenverkehr teil, kommt nicht § 315 a, sondern § 315 c zur Anwendung (§315 d).

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II. Der objektive Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 erfordert, daß der Täter Führer eines Schienenbahn-, Schwebebahnfahrzeugs, eines Schiffes oder eines Luftfahrzeugs ist.

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1. Fahrzeugführer ist, wer das Fahrzeug unter Verwendung von Antriebskräften unter eigener Verantwortlichkeit in Bewegung setzt und lenkt (BGHSt. 14 187; 18 8). Wer also die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug ausübt (vgl. Rüth LK § 315 c Rdn. 7; § 316 Rdn. 2 ff). Unter Antriebskraft ist nicht allein Motorkraft zu verstehen, sondern jede mechanische Kraft, aber auch z. B. die Luftströmungen bei Segelflugzeugen oder die Gasfüllung eines Ballons. Ein Fahrzeug kann auch mehrere Führer gleichzeitig haben (BGHSt. 13 227; KG VRS 12 10; OLG Schleswig DAR 1956 132; bestr.); dies setzt aber voraus, daß die mehreren Personen zur gleichen Zeit durch gleichwertige Handlungen das Fahrzeug in Bewegung setzen oder (76)

G e f ä h r d u n g d e s Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs (Rüth)

§ 315

a

in Bewegung halten oder es steuern oder lenken (vgl. dazu für den Bereich des Straßenverkehrsrechts Füll-Möhl-Rüth § 2 StVG Rdn. 2 ff, 7). Es ist nicht notwendig, daß der Fahrzeugführer sich im Fahrzeug befindet. Führer einer Schwebebahn ist z. B. derjenige, dem die Einsatzleitung obliegt. Der Führer eines Schiffes kann sich seiner Verantwortung nicht dadurch entziehen, daß er die Ruderführung einem Rudergänger überläßt (vgl. Oldenburg OLGSt. Bd. 1 § 315 a S. 7). Führer einer Rakete ist meist der Leiter der Bodeneinsatzleitstelle, nur in Ausnahmefällen (u. U. auch) der an Bord der Rakete befindliche Kommandant. Wer nicht Führer des Fahrzeugs ist, kann auch nicht Mittäter oder Nebentäter, sondern nur Anstifter oder Gehilfe sein (vgl. BGHSt. 18 6). Führer eines Fahrzeugs ist nicht, wer lediglich Hilfsdienste leistet, z. B. auf Weisung des verantwortlichen Fahrzeugführers einen Anhänger ankuppelt, ohne das Fahrzeug selbst zu steuern, einen Gang einlegt (vgl. KG VRS 12 110 für den straßenverkehrsrechtlichen Bereich), Handbremse, Hupe, Scheibenwischer oder ähnliches auftragsgemäß in Gang setzt. 2. Die Führung eines Fahrzeugs beginnt bereits mit der Inbetriebnahme des Fahr- 6 zeugs; hierbei genügt die Lösung der Bremse, das Anlassen des Motors (BGHSt. 7 315; OLG Hamm NJW 1954 1780; OLG Oldenburg DAR 1955 165), wie überhaupt jeder Beginn des für das Fahrzeug charakteristischen Bewegungsvorganges, den § 315 a ebenso wie die §§ 315 b bis 316 voraussetzt. Ein Motorfahrzeug wird auch dann geführt, wenn die Antriebskraft (Motor) nicht zur Fortbewegung benutzt wird, das Fahrzeug z. B. auf einer Gefällstrecke abrollt oder bei einem Motorflugzeug der Motor abgeschaltet und das Flugzeug im Gleitflug weiterbewegt wird (BayObLG NJW 1959 111; BGHSt. 14 185; BGH GA 1961 326). Die Fahrzeugführung umfaßt auch das Abstellen des Fahrzeugs (BGHSt. 19 371). Keine Fahrzeugführung ist die Bedienung eines Fahrzeugteils, ohne daß hierdurch auf die Fortbewegung des Fahrzeugs eingewirkt wird, wie z. B. das Schwenken eines auf einem Fahrzeug montierten Baggers (BayObLG VRS 32 127 für den Bereich des Straßenverkehrsrechts; vgl. auch Rüth LK § 315 Rdn. 5 und § 316 Rdn. 3 - 7 ) . 3. Unter Strafe gestellt ist die Führung eines der in Nr. 1 genannten Fahrzeuge, 7 obwohl der Täter infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder wegen geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu fiihren. Unfähigkeit zur sicheren Führung eines Fahrzeugs liegt vor, wenn der körperliche oder geistige Zustand des Täters so beeinträchtigt ist, daß entweder die sichere Bedienung der technischen Einrichtungen des Fahrzeugs oder die sichere Lenkung des Fahrzeugs nicht gewährleistet ist (z. B. verlängerte Reaktionszeit, Herabsetzung des optischen oder akustischen Wahrnehmungsvermögens). a) Hinsichtlich der auf dem Genuß alkoholischer Getränke oder anderer berau- 8 sehender Mittel beruhenden Unfähigkeit zur sicheren Fahrzeugführung wird auf die Rdn. 9—36 zu Rüth LK §316 verwiesen. Es muß aber bemerkt werden, daß die Rechtsprechung eine absolute Grenze, von der ab die Führer von Schienen-, Schwebebahnen, Schiffen oder Luftfahrzeugen nach dem Genuß von Alkohol in jedem Fall fahruntüchtig sind, bisher nicht gezogen hat. Sie muß in jedem Einzelfall nach dem äußeren Erscheinungsbild des Täters und seines Verhaltens festgestellt werden. Bei einer BÄK von 2,4 %> allerdings dürfte der Führer eines Binnenschiffes nicht mehr fahrtüchtig sein (OLG Oldenburg OLGSt. Bd. 1 § 315 a S. 7). Der BGH (VersR 1967 449) hat einen Schiffsführer mit einer BÄK von 1,35 bis 1,7 %>, der im (77)

§ 315 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Zickzackkurs gefahren war und mehrere Kollisionen verursacht hatte, für fahruntüchtig betrachtet. Medikamente sind i. d. R. weder alkoholische Getränke noch berauschende Mittel, es sei denn, daß sie erhebliche Mengen Alkohol oder andere Rausch erzeugende Substanzen enthalten. Berauschende Mittel: § 16 Rdn. 47 ff. Zusammenwirken von Medikamenten und Alkohol: Rdn. 38 ff zu § 316. 9 b) Unfähigkeit zur sicheren Fahrzeugführung wegen geistiger oder körperlicher Mängel s. Rüth LK § 315 c Rdn. 19. Es muß aber betont werden, daß jede Fahrzeugart andere Anforderungen an den Fahrzeugführer stellt, so daß körperliche Gebrechen nicht bei jeder Verkehrsart eine Verkehrsuntüchtigkeit gleichermaßen bedingen. Man wird also nicht uneingeschränkt die zu § 315 c ergangene Rechtsprechung auch auf § 315 a übertragen dürfen. 10

III. Nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2 ist strafbar, wer durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen Rechtsvorschriften verstößt, die der Sicherheit der in Abs. 1 Nr. 1 genannten Verkehrsart dienen. Es handelt sich um eine Blankettvorschrift (vgl. Rdn. 2).

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1. Täter kann sein a) der Fahrzeugführer vgl. dazu Rdn. 5, 6 oben) oder b) der sonst für die Sicherheit des Verkehrsbetriebes Verantwortliche. Letzterer kann allein oder auch neben dem Fahrzeugführer als Täter in Frage kommen, beide können deshalb Nebentäter oder Mittäter sein; Eingriffe Dritter werden durch § 315 a Abs. 1 Nr. 2 nicht erfaßt und können somit nur nach §315 strafbar sein. Dritte kommen jedoch als Anstifter oder Gehilfen in Frage. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Abs. 1 Nr. 1 auf Fahrzeugführer und auf die für die Sicherheit Verantwortlichen erklärt sich nach der amtl. Begründung daraus, daß die Sicherheit der Fahrgäste und Beförderungsgüter des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs weitgehend diesen Personen, die durch ständig wiederholte Belehrung eingehend über ihre Pflichten unterrichtet werden, anvertraut werden muß. Verantwortlich für die Sicherheit ist nicht nur der, dem die Sicherheit eines einzelnen Fahrzeugs anvertraut ist, sondern jeder, der nach seiner Stellung und der ihm übertragenen Rechte und Pflichten für den reibungslosen Ablauf der Verkehrsvorgänge zu sorgen hat. Strafbar kann somit auch sein, wer es unterläßt, die regelmäßig notwendige Überprüfung der Verkehrssicherheit vorzunehmen (Sch.-Schröder-Cramer § 315 a Rdn. 13).

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2. Tatbestandsmäßig ist nur ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften zur Verkehrssicherung von Bedeutung. Rechtsvorschriften sind formelle Gesetze oder Rechtsverordnungen; nicht aber bloße Verwaltungsverordnungen, Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften (so auch amtl. Begründung), innerbetriebliche Anweisungen. Es ist nicht erforderlich, daß der Verstoß gegen die Rechtsvorschrift als solcher schon strafbar oder mit Geldbuße belegt werden kann; nur muß die Rechtsvorschrift auch zur Sicherung des Verkehrs erlassen worden sein (BGH GA 1971 246).

Als Rechtsvorschriften kommen in Betracht: 13 a) für den Eisenbahnverkehr: die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. 5. 1967) (BGBl. II 1565) letzte Änd. vom 10.6. 1969 (BGBl. II 1141); für Schmalspurbahnen (EBOS) vom 25. 2.1972 (BGBl. I 269), die vereinfachte Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (vEBO) vom 10. 2. 1943 (BGBl. III 933—4), die vereinfachte EBOS vom 25 6. 1943 (BGBl. III 9 3 3 - 4 ) , sämtl. geändert durch VO (78)

G e f ä h r d u n g des Bahn-, Schiffs- u n d Luftverkehrs (Rüth)

§ 315

a

vom 28.12.1960 (BGBl. II 2421); Eisenbahn-Signalordnung vom 7.10.1959 (BGBl. III 933 — 6); Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab.) vom 31.8. 1965 (BGBl. I 1513), zul. geänd. durch Ges. vom 25.5. 1968 (BGBl. I 503, 543). b) im Bereich der Schiffahrt: für die Seeschiffahrt die SeeschiffahrtstraßenO vom 14 3. 5. 1971 (BGBl. II 641) zul. geänd. durch VO vom 26. 5. 1976 (BGBl. I 1302); VO über Sicherung der Seefahrt vom 15. 12.1956 (BGBl. II 1579 = BGBl. III 9511 - 3 ) ; Seestraßen-Ordnung vom 17. 6. 1960 (BGBl. 65 II 465, 742 = III 9511 - 1); für die Binnenschiffahrt die Binnenschiffahrtstraßen-Ordnung vom 3.3. 1971 (BGBl. I 178), zul. geänd. durch VO vom 26. 11. 1975 (BGBl. I 2921); sowie die für bestimmte Binnengewässer erlassenen Sondervorschriften wie z. B. Donau-, Mosel-, RheinschiffahrtpolizeiVOen, nebst EinfVO; KleinfahrgastschiffsVO (BGBl. 70 I 297; 71 I 833; 70 I 1305; 67 II 2393, Änd. 71 I 2064), sowei die Freibord VO vom 22. 1. 1970 (OLG Hamburg VRS 53 113) und die VO über die Sicherheit der Seeschiffe vom 9. 12. 1972 (BGBl. I 1933); c) Für den Luftverkehr das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) vom 4.11.1968 15 (BGBl. I 1113 = III 9 6 - 1 ) ; die Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) vom 14. 11.1968 (BGBl. I 2118); die Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) vom 28.11.1968 (BGBl. I 1264). 3. Der Verstoß gegen eine der Rechtsvorschriften muß auf einem grob pflichtwid- 16 rigen Verhalten—Tun oder Unterlassen — beruhen, d. h. der Täter muß in besonders schwerem Maße einer ihm durch die Rechtsvorschrift auferlegten Pflicht zuwidergehandelt haben (vgl. OLG Hamm VRS 6 152). Verstöße von geringerem Gewicht können nach § 315 a Abs. 1 Nr. 2 nicht geahndet werden (vgl. BGH GA 1971 246). Ein Verstoß gegen § 8 der FreibordVO kann auf grob pflichtwidrigem Verhalten des Schiffsführers beruhen, wenn dieser zur Ermittlung der Stabilität des Schiffes nicht die von der See-Berufsgenossenschaft geprüften Stabilitätsunterlagen (vgl. § 27 Abs. 11 der VO über die Sicherheit der Seeschiffe heranzieht (OLG Hamburg VRS 53 113). Grob pflichtwidrig handelt auch ein Flugzeugführer, der unter Verstoß gegen die §§ 6 Abs. 1 und 12 Abs. 1 LuftVO im Tiefflug nur wenige Meter über dem Boden ein Fahrzeug oder eine Fußgängergruppe an- und überfliegt (BGH VRS 38 344). IV. § 315 a ist konkretes Gefährdungsdelikt; zur Vollendung der Tat ist die Her- 17 beiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert notwendig; vgl. dazu Rdn. 33 ff zu § 315. Der Gefährdete braucht ebensowenig wie nach §315 selbst am Verkehrsvorgang beteiligt zu sein (BGH VRS 38 344; BGHSt. 6 14 = VRS 6 369). Es genügt, wenn die Gefahr nach dem Führen des Fahrzeugs, erst mit dem Abstellen desselben eintritt (Dreher Rdn. 8 unter Hinweis auf BGHSt. 19 371; a. A. OLG Stuttgart NJW 1960 1484; KG DAR 1961 145). V. Strafbar ist der Versuch nur in den Fällen des Absatz 1 Nr. 1. Hat der Täter 18 aber das Fahrzeug in einem durch alkoholgenuß oder andere berauschende Mittel bedingten fahruntüchtigen Zustand (vgl. Rdn. 8) vorsätzlich geführt, ist die bewußt und gewollt in Kauf genommene konkrete Gefahr jedoch nicht eingetreten, liegt ein vollendetes Vergehen nach §316 StGB vor. Gegenüber diesem tritt die versuchte Tat nach § 315 a Abs. 1 Nr. 1 zurück. Im übrigen gilt das gleiche wie für die versuchte Handlung nach § 315 c Abs. 2 (vgl. Rüth LK Rdn. 69). (79)

§ 315 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

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VI. Der innnere Tatbestand unterscheidet zwischen Vorsatz (Absatz 1) und Fahrlässigkeit (Absatz 3). Die Strafdrohung für Fahrlässigkeitsdelikte ist geringer. Die Schuldform ist im Urteilstenor anzuführen und in den Urteilsgründen zu begründen (BGH VRS 35 106).

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1. Der nach Absatz 1 erforderliche Vorsatz muß sämtliche Tatbestandsmerkmale umfassen; der Täter muß somit nicht nur vorsätzlich handeln, er muß seine Fahruntüchtigkeit kennen (Nr. 1) oder bewußt und gewollt gegen Rechtsvorschriften verstoßen (Nr. 2), also die Vorschriftswidrigkeit seines Verhaltens erkennen und den Eintritt der Gefahr (nicht notwendig auch des Schadens) wollen. Der Täter muß aber auch die Umstände kennen, die sein Verhalten im Falle des Absatz 1 Nr. 2 zu einem grobpflichtwidrigen Handeln machen; ob er selbst sein Tun als grob pflichtwidrig bewertet, ist ohne Bedeutung. Bedingter Vorsatz genügt in Bezug auf sämtliche Tatbestandsmerkmale. Hinsichtlich der inneren Tatseite der Nr. 1 gilt im wesentlichen das gleiche wie bei § 315 c; auf die dortige Rdn. 75 ff wird deshalb verwiesen (vgl. auch Rüth LK § 316 Rdn. 91). Vorsätzliches Handeln z. B. eines Flugzeugführers kann schon bei nur geringem Genuß von alkoholischen Getränken angenommen werden. Meist wird jedoch Absatz 1 deshalb nicht bejaht werden können, weil der Eintritt der Gefahr nicht zumindest billigend in Kauf genommen wurde.

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2. Fahrlässigkeit ist nach Absatz 3 anzunehmen, a) wenn der Täter zwar nach Absatz 1 vorsätzlich handelt, aber die Gefahr fahrlässig verursacht, sie also entweder überhaupt nicht, aber vorwerfbar nicht erkannt hat (unbewußte Fahrlässigkeit) oder den Eintritt der Gefahr zwar für möglich hielt, aber gehofft hat, sie werde nicht eintreten (bewußte Fahrlässigkeit); b) wenn der Täter sowohl fahrlässig handelte als auch die Gefahr fahrlässig verursachte (Nr. 2). Hat der Täter eine Rechtsvorschrift nicht gekannt, ist (meist vermeidbarer) Verbotsirrtum anzunehmen. Die Tat bleibt bei Vermeidbarkeit des Irrtums Vorsatztat nach Absatz 1, wenn der Täter die durch sein Verhalten verursachte Gefahr billigend in Kauf nahm; liegt beim Täter hinsichtlich der Herbeiführung der konkreten Gefahr unbewußte oder bewußte Fahrlässigkeit vor, ist bei Vermeidbarkeit des Irrtums Vorsatztat nach Absatz 3 Nr. 1 anzunehmen (§ 11 Abs. 2; vgl. Rüth LK § 315 Rdn. 45). Tatbestandsirrtum (z. B. Täter hält sich irrig für fahrtüchtig) läßt die Tat grundsätzlich unter Absatz 3 Nr. 2 fallen. Soweit ersichtlich, ist man sich darüber einig, daß die vorsätzliche Tatbegehung mit fahrlässiger Gefahrverursachung strenger zu bestrafen ist, als fahrlässige Tatausführung hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 15; Dreher Rdn. 10).

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VII. Tätige Reue führt im Rahmen des §315 a zur Straffreiheit nur nach den Grundsätzen des § 24 StGB. Tätige Reue nach vollendeter Tat bleibt strafbar. Nach der amtl. Begründung ist dies in der „Natur der Sache" begründet und „ergibt sich daraus, daß die §§ 315 a und 315 c überwiegend nur das Fehl verhalten von Fahrzeugführern oder anderen für die Sicherheit des Verkehrsablaufs verantwortlichen Personen mit Strafe bedroht. Wer sich (so amtl. Begründung) als Verkehrsteilnehmer falsch verhält, kann nicht etwa deshalb von Strafe verschont werden, weil er die verschuldete Gefahr durch geschicktes Fahren gemeistert hat." Schon die amtl. Begründung räumt jedoch ein, daß § 315 a Abs. 1 Nr. 2 auch Sachverhalte trifft, die den Taten nach § 315 Abs. 1 im Einzelfall verwandt sind und bei ihnen ein gewisses (80)

Gefährliche Eingriffe in d e n Straßenverkehr (Rüth)

§ 315 b

Bedürfnis für die Anerkennung der tätigen Reue nicht zu leugnen ist. Die amtl. Begr. meint jedoch zu Recht, daß in besonders gelagerten Härtefällen die Rechtsprechung nicht gehindert sein dürfte, die Rücktrittvorschrift des § 315 Abs. 6 zugunsten des Täters unter der Voraussetzung analog anzuwenden, daß der gesetzgeberische Gund für die Privilegierung der tätigen Reue vorliegt. Dieser Überlegung ist zuzustimmen. Durchgreifende Bedenken gegen eine analoge Anwendung des § 315 Abs. 6 in den Fällen des § 315 a Abs. 1 Nr. 2 bestehen nicht (Sch.-Schröder-Cramer §315 a R d n . 18; Dreher^ 315 a Rdn. 11). VIII. Konkurrenz. Tateinheit ist möglich mit allen Verletzungsdelikten (z. B. 2 3 Körperverletzung, Tötung), sowie zwischen Absatz 1 Nr. 1 und § 315. Infolge Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) treten zurück: §316 gegenüber § 315 a Abs. 1 Nr. 1, die mit Strafe bedrohten Rechtsvorschriften gegenüber § 315 a Abs. 1 Nr. 2, soweit Überschneidung gegeben ist. Ordnungswidrigkeiten werden unter der Voraussetzung des § 21 OWiG bei tateinheitlichen Zusammentreffen mit § 315 a nicht verfolgt. § 315 geht dem § 315 a Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 vor (vgl. Rdn. 2; BGHSt. 21 173; GA 1971 246). Tateinheit ist möglich zwischen § 315 a Abs. 1 Nr. 1 und § 315. Teilnahme einer Schienenbahn am Straßenverkehr: § 315 d.

§ 315 b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt, 2. Hindernisse bereitet oder 3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmund dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (6) § 315 Abs. 6 gilt entsprechend. Entstehungsgeschichte § 315 b wurde durch das 2. StraßenverkehrssichG vom 26.11. 1964 (BGBl. I 921) eingefügt, in Kraft seit 2. 1. 1965. Er gilt jetzt in der Fassung der Bekanntmachung des StGB vom 2. 1. 1975 (BGBl. I 1). § 315 b erfaßt im wesentlichen die Fälle des § 315 a Abs. 1 Nr. la a. F. und entspricht im Tatbestandsaufbau dem § 315 StGB. Die Bestimmung des § 315 b ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BGHSt. 22 365 = NJW 1969 1218; a. A. Isenbeck NJW 1969 174). (81)

§ 315 b

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

Schrifttum Ambrock Straßenverkehrsgefährdung durch Hindernisbereiten und Gemeingefahr, NJW 1961 1853; Härtung Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, NJW 1965 86; Kobel Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, K u. v 1965 6; Isenbeck Der ähnliche Eingriff nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB, NJW 1969 174; Krumme Straßenverkehrsgefährdung durch Hindernisbereiten, KVR von A bis Z, bei „Verkehrsgefährdung, Hindernisbereiten", Erl. 1; Lackner Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, JZ 1965 92, 120; Lienen Das Zusammentreffen von Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Verkehrsdelikten, DAR 1960 223; Lütkes Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, Die Polizei 1965 1; Nüse Zu den neuen Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs JR 1965 41; Solbach, Kugler Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr durch Hindernisbereiten und ähnliche, ebenso gefährliche Eingriffe gemäß § 315 b StGB, JR 1970 121; Warda Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, MDR 1965 5; Weigeh Täterkreis des § 315 a StGB (a. F.), DAR 1961 334. Ubersicht I. II. III.

IV.

Rdn. Geschütztes Rechtsgut — ö f f e n t l i c h e r Straßenverkehr — 1 Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs 4 H e r b e i f ü h r u n g einer k o n k r e t e n G e f a h r . 6 1. G e f a h r f ü r Leib oder Leben eines anderen 7 2. G e f a h r f ü r f r e m d e Sachen von b e d e u t e n d e m Wert a) f r e m d e Sache 8 b) Sache von bedeutendem Wert . . 9 Die tatbestandsmäßigen H a n d l u n g e n 1. Verhältnis des § 315 b zu § 315 c . . . 12 2. Zerstören, Beschädigen, Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen . . . . 14

Rdn. Anlagen, Fahrzeuge 15 Zerstören, Beschädigen, Beseitigen 17 3. Hindernisse bereiten 18 4. Ähnlicher, ebenso g e f ä h r l i c h e r Eingriff 23 Vollendung und Versuch 26 Subjektiver Tatbestand 27 1. Vorsatz 27 2. Absicht 29 3. Fahrlässigkeit und gemischt vorsätzliche — fahrlässige T a t e n 30 Tätige Reue und Rücktritt 32 Konkurrenz 33 a) b)

V. VI.

VII. VIII.

1

I. Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (Fahrzeuge, Fußgänger, Reiter) auf dem jedermann dauernd oder vorübergehend zugänglichen Verkehrsraum. Entscheidend ist die faktische Öffentlichkeit. Als öffentlicher Straßenverkehr i. S. des § 315 b ist auch der Verkehr von Fußgängern auf Gehwegen geschützt, die neben der Fahrbahn (öffentliche Straße) ausschließlich für die Benutzung von Fußgängern angelegt sind (BGHSt. 22 365 = N J W 1969 1218).

2

Auf welche Weise eine Fläche für den öffentlichen Straßenverkehr bestimmt wird, sagt weder die StVO noch StVZO noch das StVG, noch das StGB. Handelt es sich um einen Verkehrsraum, der durch öffentlichrechtliche Widmung nach dem Wegerecht für den Straßenverkehr bestimmt ist (z. B. Bundes-, Land- Gemeinstraßen), ergibt sich keine Schwierigkeit. Hinsichtlich der anderen Flächen ist jeweils festzustellen, ob auf ihnen tatsächlich öffentlicher Straßenverkehr stattfindet, sie also dem öffentlichen Straßenverkehr eröffnet sind. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Der Begriff der Öfffentlichkeit läßt sich verkehrsrechtlich konkret nur negativ abgrenzen. Ist die Benutzung eines Weges, Platzes, einer Straße nur einem bestimmten, von vorneherein schon beschränkten und bekannten Personenkreis vorbehalten, schließt dies die Öffentlichkeit aus. Die Zahlung eines Entgeltes (Gebühr, Maut) nimmt einem Weg, einer Brücke jedoch nicht das Merkmal der Öffentlichkeit (OLG Frankfurt VRS 31 184); dies gilt auch für Parkplätze u n d Parkhäuser, deren Benutzung j e d e r m a n n gegen Zahlung der Parkgebühr freisteht (OLG (82)

Gefährliche Eingriffe in d e n Straßenverkehr (Rüth)

§ 315

b

Bremen, N J W 1967 990; O L G Düsseldorf VRS 39 204; Bullert D A R 1963 325; O L G Stuttgart VRS 30 210; a. A. Müller-Forwerk M D R 1963 721). Öffentlicher Verkehrsraum ist auch der Parkplatz einer Gastwirtschaft, der nur dem von vorneherein nicht bestimmbaren Kreis der Gäste zur Verfügung steht, es sei denn, er ist nur den Übernachtungsgästen vorbehalten (BGHSt. 16 7 = N J W 1961 1124). Auch Tankstellengelände (BayObLGSt. 1962 249 = J R 1963 192 m. Anm. Martin; OLG H a m m VRS 30 452) u n d Bankette öffentlicher Straßen sind ebenso öffentlicher Verkehrsgrund ( B G H VRS 14 58; O L G Oldenburg VRS 13 368; O L G Celle DAR 1958 278), wie die nur Fußgängern vorbehaltenen Wege ( O L G Schleswig VerkMitt. 1971 66 Nr. 80), nicht jedoch der Straßengraben ( O L G H a m m VRS 39 270; VerkMitt. 1971 60). Gestattet ein Geschäftsinhaber (oder Tankstellenbesitzer) für die Dauer der Ö f f n u n g seines Geschäftes die Benutzung einer bestimmten Verkehrsfläche j e d e r m a n n , so ist diese insoweit öffentlicher Verkehrsgrund (für Parkplatz eines Einkaufsmarktes: O L G Stuttgart VRS 47 15; LG Bonn N J W 1975 178. Bekundet er aber eindeutig z. B. durch Absperrung des Geländes mittels Ketten oder in ähnlicher Weise, d a ß er f ü r die Zeit der Betriebsruhe oder der Schließung des Betriebes die Benutzung der Verkehrsfläche nicht dulden will, scheidet sie für diese Zeit als öffentlicher Verkehrsraum aus (OLG H a m b u r g VRS 37 278). Straßen, die f ü r Anliegerverkehr frei sind, sind öffentlicher Verkehrsraum, weil der Kreis der Benützer dieser Straße nicht von vorneherein begrenzt werden k a n n (BGH VerkMitt. 1957 14; O L G H a m m VerkMitt. 1959 24); gleiches gilt f ü r Ladestraßen eines G ü t e r b a h n h o f s (OLG Köln VRS 16 55; O L G H a m m VRS 16 306; O L G Saarbrücken D A R 1962 188; O L G Celle D A R 1965 100), oder eines Flughafens (BGH VerkMitt. 1963 44), sowie f ü r Forstwege. Zufahrtstraßen siehe R d n . 3. Grundsätzlich nicht öffentlich ist das G e l ä n d e einer Kaserne oder eines Flieger- 3 horsts, wenn dessen Betreten nur gegen Aushändigung eines Tagespassierscheines gestattet ist ( B G H VRS 26 255; O L G Celle N J W 1958 1739; BayObLGSt. 1962 266 = VRS 24 304; O L G Karlsruhe N J W 1956 1649); Zufahrtsstraßen zum Übungsgelände der Bundeswehr gehören hingegen grundsätzlich zum öffentlichen Verkehrsraum ( O L G O l d e n b u r g VRS 33 90; O L G Düsseldorf N J W 1956 1651). Ein privater Parkplatz, der nur den Hauseinwohnern, Vereinsmitgliedern, den Angehörigen einer bestimmten Firma, bestimmten Behördenangehörigen zur Verfügung steht, ist kein öffentlicher Verkehrsgrund, ebensowenig der H o f r a u m , den nur die Anwohner oder Angestellten eines benachbarten Geschäfts (Firma) benutzen dürfen (OLG Braunschweig VRS 27 458), oder der H o f r a u m eines Hotels, der nur Übernachtungsgästen vorbehalten ist (BGHSt. 16 11). Die freie Fläche zwischen den Garagen in einem Hof ist kein öffentlicher Verkehrsgrund; ebensowenig der Entladeplatz für Anlieger ( B G H N P o l A § 250 StGB Bl. 10). Gleiches gilt für Fahrzeugabstellplätze für Mieter, wenn sie von anderen Personen nicht benutzt werden dürfen (OLG Braunschweig VRS 27 458). Nicht öffentlich ist der Parkplatz eines Großmarktes, wenn er nur mit besonderem Ausweis benutzt werden darf ( B G H N J W 1963 152). Auch Privatwege sind kein öffentlicher Verkehrsraum, wenn sie nur von Berechtigten befahren werden dürfen (OLG H a m m VRS 37 265; O L G Köln G A 1956 3). Sind private Forstwege für Holzhändler oder zur H o l z a b f u h r ohne Sondererlaubnis frei benutzbar, sind sie öffentliche Wege (Schmidt D A R 1963 347; Sch.-SchröderCramer R d n . 6). II. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs ist gegeben, wenn 4 durch die in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 aufgezählten H a n d l u n g e n f ü r andere Verkehrsteilnehmer eine gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr nicht mehr möglich ist. Die (83)

§ 315 b

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit ist ebenso vollwertiges Tatbestandsmerkmal (Cramer Rdn. 8; a. A. KG DAR 1959 269; OLG Koblenz NJW 1957 232), wie die Beeinträchtigung der Sicherheit der in § 315 genannten Verkehrsbetriebe, weil das 2. StrVerkSichG bei der Neufassung der §§315 bis 316 die Sicherheitsbeeinträchtigung in § 315 und § 315 b ausdrücklich aufgeführt, in den §§ 315 a und 315 c aber gestrichen hat. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Sicherheitsbeeinträchtigung genügt es, daß die Einwirkung generell geeignet ist, den etwa stattfindenden öffentlichen Straßenverkehr zu gefährden. Der Nachweis der tatsächlichen Beeinträchtigung ist insoweit nicht erforderlich (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 4). Verhaltensweisen, die im konkreten Fall so harmlos sind, daß sie zu keiner Beeinträchtigung des Verkehrs führen können, scheiden aus (Cramer Rdn. 8). 5

Man wird bei § 315 b von einem dreistufigen Tatbestandsaufbau (Dreher Rdn. 3) sprechen müssen: 1. Handlung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3, die sich 2. auf den öffentlichen Straßenverkehr bezieht und dessen gefahrlose Abwicklung allgemein beeinträchtigen kann, und 3. eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert herbeiführt. Rechtsprechung und Schrifttum, die zu dem Begriff der „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" nach § 315 a StGB a. F. Stellung genommen haben (KG DAR 1959 269; OLG Koblenz NJW 1957 232; OLG Schleswig SchlHA 1955 204; vgl. auch Blei NJW 1957 620; Schmidt-Leichner NJW 1955 1298), müssen als teilweise überholt angesehen werden (ähnlich auch Lackner § 315 b Anm. 3), weil § 315 b n. F. nur die Tatbestandsmerkmale des § 315 a Abs. 1 Nr. 1 a. F. übernommen hat, die übrigen früher in § 315 a a. F. aufgezählten Begehungsformen nunmehr in dem neugefaßten § 315 c enthalten sind, der die Sicherheitsbeeinträchtigung nicht mehr einleitend aufführt, sondern mit den Worten beginnt: „Wer im Straßenverkehr". Mäße man jedoch dem Begriff „im Straßenverkehr" des § 315 c die gleiche Bedeutung bei wie „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" des § 315 b, so hätte das 2. StrVerkSichG zwar eine sprachliche, nicht jedoch eine sachliche Änderung gebracht, was der Gesetzgeber aber ersichtlich nicht beabsichtigte, sonst hätte er die Worte: „Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit" in allen Bestimmungen gestrichen.

6

III. Gemeinsames Tatbestandsmerkmal ist in § 315 b Abs. 1 wie in § 315 c die Herbeiführung einer konkreten Gefahr entweder für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Der Eintritt einer „Gemeingefahr" ist seit der Neufassung durch das 2. StraßenVerkSichG nicht mehr erforderlich. Gefahr ist ein Zustand, bei dem der Eintritt einer Verletzung oder eines Schadens wahrscheinlicher ist, als deren Ausbleiben (BGHSt. 8 28; 13 70; BGH VRS 11 63; 13 205; 16 131, 452; BGH NJW 1968 1244). Es wäre verfehlt, aus dieser Definition schließen zu wollen, die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts tendiere nach einer prozentualen Abwägung, die nicht durchführbar ist. Vielmehr kann von einer Gefahr nur dann gesprochen werden, wenn die tatsächlich festgestellten Umstände die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses begründen (BGHSt. 18 272). Eine konkrete Gefahr kann nur dann angenommen werden, wenn ein bestimmtes Objekt (Person oder Sache) in einer Weise in den Gefahrenbereich gelangt ist, daß seine Sicherheit unmittelbar beeinträchtigt ist, es nur vom Zufall abhängt, ob es verletzt wird oder nicht (BGH VRS 44 422; vgl. Cramer §315 c Rdn. 48 ff; Demuth VOR 1973 436; Schwander SchwZStr. 1966 450). Die Rechtsprechung orientiert sich zu Recht bei der Auslegung des Begriffs der konkreten Gefahr am Erfolg der gefahrträchtigen Handlung. Der Begriff wird (84)

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (Rüth)

§ 315 b

dadurch zwar dogmatisch und theoretisch nicht voll erfaßt, ist aber wohl das in der Praxis einzig verwertbare Kriterium (krit. Cramer§ 315 c StGB Rdn. 49). Da § 315 b ein konkretes Gefährdungsdelikt ist, muß der Eintritt der Gefahr bewiesen werden (OLG Stuttgart NJW 1952 114; BayObLG NJW 1954 1090, 1258; OLG Hamm NJW 1954 85; OLG Düsseldorf NJW 1956 1044; OLG Köln MDR 1956 693). Die Gefahr muß im Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang und zwar durch die in § 315 b Abs. 1 verbotenen Handlungen herbeigeführt werden (BGHSt. 5 297). Liegt die Gefahr eines Unfalls mit Personenschaden nahe, kommt es auf den tatsächlich eingetretenen Sachschaden und dessen Höhe bei der Prüfung der Schuldfrage nicht an (BGH VRS 45 38; 55 126). 1. Gefahr für Leib und Leben eines anderen muß eingetreten sein. Anderer ist 7 jeder, der nicht Täter oder Tatbeteiligter ist. Der Gefährdete braucht nicht Verkehrsteilnehmer zu sein. Gefährdet werden können auch Mitfahrer, insbesondere auch Verwandte, Bekannte, Freunde des Fahrzeugführers (vgl. BGHSt. 6 232; VRS 7 117; 13 474; NJW 1954 1255; 1957 1888; DAR 1958 19; BayObLG JR 1954 469 mit zust. Anm. Härtung NJW 1954 1258; KG VRS 14 288), ebenso auch der Polizeibeamte, der ein Kraftfahrzeug anhalten will (BGH VRS 34 120; 37 430; NJW 1968 456; vgl. auch Nüse JR 1965 41; Lackner JZ 1965 124). Keine Gefahr für Leib oder Leben wird herbeigeführt, wenn nur ganz unerhebliche Verletzungen oder Schädigungen als wahrscheinlich zu erwarten sind. Es genügt nicht für die Annahme einer konkreten Gefahr, daß durch die Notbremsung einer Straßenbahn die Fahrgäste „heftig durcheinander gerüttelt" wurden (OLG Zweibrücken VRS 32 376); denn die Notbremsung ist grundsätzlich nur eine Behinderung, auch wenn sie erforderlich war, um einen Unfall, also den Eintritt eines Schadens zu verhindern. Sie reicht nur dann für die Annahme einer konkreten Gefahr aus, falls der Eintritt eines Unfalls nahelag, das Fahrzeug z. B. während des Bremsvorganges ins Schleudern oder auf das Bankett geriet oder erst sehr knapp vor dem Hindernis zum Stehen kam. Es kommt nicht darauf an, ob ein besserer Fahrzeugführer die Verkehrslage ohne Gefährdung hätte meistern können. Wird eine Person nur geringfügig verletzt, schließt dies die Annahme des § 315 b nicht von vorneherein aus, es sei denn, es war von Anfang an nur mit dieser zu rechnen, der Eintritt einer größeren Verletzung zumindest unwahrscheinlich. Droht eine Verletzung, die als Körperverletzung i. S. des § 223 StGB anzusehen ist, ist eine Gefährdung i. S. des § 315 b stets zu bejahen. 2. Gefahr für fremde Sache von bedeutendem Wert: Auch hier genügt die Herbei- 8 führung einer Gefahr; der Eintritt eines Schadens ist nicht erforderlich. a) Fremd ist eine Sache für den Täter oder Beteiligten, die nicht in seinem Alleineigentum steht. Maßgeblich sind grundsätzlich die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse (Sch.-Schröder-Cramer Vorb. vor § 306 StGB, Rdn. 15); hierbei darf aber nicht von formaljuristischer Betrachtung ausgegangen werden. Ein Fahrzeug z. B., das einer GmbH gehört, deren alleiniger Gesellschafter der Täter ist, ist für diesen nicht fremd (KG VRS 13 43). Die Gefährdung des vom Täter benutzten, ihm nicht gehörenden Fahrzeugs genügt nach überwiegender Meinung nicht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Sachgefährdung, wenn es Mittel der Gefährdung (Tatwerkzeug) ist (BGHSt. 11 148; VRS 42 97; OLG Schleswig NJW 1965 1727; OLG Stuttgart NJW 1966 2280 Anm. Möhl JR 1967 107; OLG Celle NJW 1967 1767; 1970 1091; OLG Braunschweig VRS 32 443; OLG Hamm NJW 1967 943; DAR 1973 104; Cramer NJW 1964 1836; (85)

§ 315 b

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

§ 315 c Rdn. 58; Sch.-Schröder-Cramer § 306 Rdn. 9; Lackner JZ 1965 124; a. A. Härtung NJW 1966 15; 1967 909; vgl. auch Warda MDR 1965 5; NüseiR 1965 41). Der BGH hat seine frühere Rechtsauffassung in dem Urteil vom 28. 10. 1976 (BGHSt.27 40 = JR 1977 431 m. Anm. Rüth) bestätigt. Auch Krumme (KVR, Verkehrsgefährdung, Konkretgefährdung 1976 S. 4) ist nunmehr dieser Ansicht beigetreten. Zweifelhaft bleibt es aber, ob das selbstgeführte Fahrzeug als Gefährdungsobjekt in jedem Fall deshalb ausscheidet, weil es Tatwerkzeug ist. M. E. wäre mit dem Sinn des Gesetzes eher vereinbar, allein auf den Begriff „fremde Sache" i. S. des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen, wobei zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Besitz zu unterscheiden wäre (Rüth JR 1977 432). Will der Täter das von ihm geführte, ihm aber nicht gehörende Fahrzeug durch eine in § 315 b verbotene Handlung beschädigen oder zerstören, ist sein Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Sachbeschädigung nach § 303 zu werten, eine konkrete Sachgefährdung i. S. des § 315 b ist zusätzlich dann zu bejahen, wenn die Handlung des Täters zugleich auch die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs beeinträchtigt. 9

b) Ob eine Sache von bedeutendem Wert ist, ist nach ihrem wirtschaftlichen, nämlich dem finanziellen Wert zu beurteilen. Unerheblich ist ihre Funktion für den einzelnen oder die Allgemeinheit (so schon KG VRS 13 43; 14 123; OLG Bremen NJW 1962 1408; OLG Celle VRS 17 350; OLG Hamm VRS 18 438; 27 26; OLG Saarbrücken VRS 24 282; nach dem Rechtsstand des 2. StrVerkSichG 1964: BayObLG DAR 1969 216; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1977 25). Grundsätzlich ist somit der Verkehrswert einer Sache entscheidend; ihr evtl. Liebhaberwert ist ohne Bedeutung. Auch die Reparaturkosten müssen außer Betracht bleiben (KG VRS 14 123; OLG Hamm DAR 1964 25). Werden mehrere Sachen gefährdet, so ist ihr Wert zusammenzurechnen (OLG Karlsruhe NJW 61 133; Schröder GA 1964 230).

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Ein bedeutender Wert wurde von der Rechtsprechung in folgenden Einzelfällen verneint: Leuchtsäule, 450 bis 589 DM; Leuchtpoller, 590 D M ; beschädigte Laterne, 450 DM oder 225 DM; beschädigter Lichtmast, 424 D M ; beschädigtes Verkehrszeichen, 60 DM (OLG Hamm VRS 24 26; 32 451; KG VRS 14 123; OLG Celle VRS 15 358; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1962 88; OLG Hamburg VerkMitt. 1960 81; OLG Saarbrücken VRS 24 282; Schaden von insgesamt 595 DM (OLG Hamm VRS 43 179); bzw. von 400 DM (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1977 25). Ein altes, schrottreifes Kraftfahrzeug ist kein bedeutender Sachwert mehr (OLG Hamm VRS 18 437; OLG Karlsruhe DAR 62 302; OLG Bremen VRS 23 97; a. A. KG VRS 12 359). Das OLG Celle (DAR 1975 248) will eine Sache erst von einem Verkehrswert ab 1000 DM als bedeutenden Wert ansehen. Sind Zweifel vorhanden, ob das Fahrzeug einen bedeutenden Wert darstellt, sind Alter, Marke und Beschaffenheit des Fahrzeugs in den Urteilsgründen anzugeben (KG VRS 13 414; OLG Celle VRS 13 139; OLG Hamm VRS 13 142). In den meisten Fällen jedoch, wird sich ein ausführliches Eingehen darauf in den Urteilsgründen erübrigen (a. A. Jagusch § 315 b Rdn. 7/8, der im Hinblick auf die Rechtsprechung meint, Angaben über das Fahrzeug seien in jedem Fall unentbehrlich). Ein Leichnam steht i. d. R. nicht in fremdem Eigentum, ist auch keine Sache von bedeutendem Wert (OLG Celle NJW 1960 2017). Bejaht wurde ein bedeutender Sachwert für Tanksäule mit Lichtmast (OLG Hamm VRS 30 452). 11 Droht objektiv bedeutenden Sachwerten nur unbedeutende (geringe) Gefahr, reicht dies nicht aus (OLG Celle DAR 1955 94; 1959 191; OLG Köln VRS 13 288; KG VRS 13 44; OLG Schleswig DAR 1961 311; VRS 29 266; OLG Zweibrücken (86)

G e f ä h r l i c h e E i n g r i f f e in d e n S t r a ß e n v e r k e h r ( R ü t h )

§ 3 1 5

b

Betrieb 1966 1728). Bei eingetretenem Sachschaden kann die Gefahr für die Sache durchaus größer, jedoch nicht geringer gewesen sein (OLG Saarbrücken DAR 1960 53; OLG Karlsruhe DAR 1962 301). Steht fest, daß im Einzelfall jeder nur denkbare Schaden eingetreten ist, kann er als Maßstab des Gefahrenumfanges angesehen werden (OLG Hamm VRS 34 445; OLG Karlsruhe DAR 1962 301; Cramer § 315 c Rdn. 61). Diese dem Sinn des Gesetzes, nicht jedoch dem Wortlaut zu entnehmende Auslegung ist zu billigen. Sie darf aber nicht zu Fehlschlüssen führen. Abgrenzungsschwierigkeiten werden in Einzelfällen nicht vermieden werden können. Ist die Höhe des eingetretenen Schadens in irgendeiner Weise vom Zufall bedingt, sei es, daß es sich z. B. um ein besonders stabiles Fahrzeug handelt oder weil der Fahrzeugführer das von ihm geführte Fahrzeug in eine Stellung zu bringen vermochte, in der es vor größerem Schaden bewahrt blieb, greift das Kriterium der Schadenshöhe für den Umfang der Gefahr nicht durch. So wird man besonders bei Unfällen im fließenden Verkehr von der Schadenshöhe auf die eingetretene Gefahr nicht schließen können. Anders z. B., wenn ein Fahrzeug aus einer Parklücke herausrangiert wird und der Fahrzeugführer Kratzer an der Stoßstange des hinter ihm geparkten Fahrzeugs hierbei billigend in Kauf nimmt, wobei es allerdings auf die Fahrweise des Täters ankommen wird (OLG Koblenz VRS 52 350). IV. Die tatbestandsmäßigen Handlungen 1. Das Verhältnis des § 315 b zu § 315 c ist im Schrifttum bestritten und bietet in 12 der Rechtsprechung manche Abgrenzungsschwierigkeiten. Der Streit resultiert aus der Rechtsprechung zu § 315 a a. F., der in Absatz 1 Nr. 4 nur einige der besonders gefährlichen Verkehrsverstöße aufgezählt hatte, und deshalb in der Praxis die Neigung aufkommen ließ, den Begriff des „Hindernisbereitens" oder des „ähnlichen Eingriffs" i. S. des § 315 a Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. extensiv auszulegen. Das 2. StrVerkSichG (1964) hat die §§ 315 bis 316 neu gefaßt. Der Katalog der besonders gefährlichen Verkehrsverstöße wurde in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst, a bis g erheblich erweitert. Damit ist abschließend klargestellt, welche Vorgänge des fließenden Verkehrs als Vergehen in Betracht kommen, wenn der Verstoß grob verkehrswidrig ist und der Täter rücksichtslos handelt. Gerade die beiden letztgenannten Tatbestandsmerkmale „grob verkehrswidrig" und „rücksichtslos" verbieten es, vom Gesetzgeber ersichtlich als weniger gefährlich gehaltenes verkehrswidriges Verhalten im fließenden Verkehr über § 315 b, der diese objektive und subjektive Einschränkung nicht kennt, zu erfassen. Nicht in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 aufgezählte Verkehrsverstöße können deshalb grundsätzlich nicht über § 315 b Abs. 1 Nr. 2 oder 3 erfaßt werden, da es nicht gerechtfertigt ist, vom Gesetzgeber als weniger gefährliche und deshalb nicht katalogisierte Verkehrsverstöße unter die hohe Strafdrohung des § 315 b fallen zu lassen. Die Rechtsprechung hat aus diesem Grund die Begriffe „Hindernisbereiten" 13 und „ähnlicher Eingriff grundsätzlich auf verkehrsfremde Vorgänge beschränkt (so aucjh schon nach § 315 a Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. z. B.: BGH JR 1960 425; Stuttgart DAR 1959 77). Bei Teilnahme am fließenden Verkehr wird zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes eine absichtliche Zweckentfremdung des vom Täter verwendeten Fahrzeugs gefordert (BGHSt. 21 301 = VRS 33 334; BayObLG VRS 46 287, Anm. Rüth JR 1975 28; vgl. Rdn. 21, 24). Aus diesem Grund kann eine schwere und gefährliche Behinderung allein noch kein Eingriff im Sinne des § 315 b sein. Die gegen die Rechtsprechung von Solbach/Kugler (JR 1970 121) erhobenen (87)

§ 315 b

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Bedenken, die § 315 b nur angewendet wissen wollen, wenn der Täter nicht Verkehrsteilnehmer ist, können nicht gebilligt werden, weil das Gesetz für eine solche Auslegung keine genügenden Anhaltspunkte bietet. 14

2. Zerstören, Beschädigen oder Beseitigen von Anlagen oder Fahrzeugen. Der Begriff deckt sich im wesentlichen mit dem des § 315 Abs. 1 Nr. 1, ersetzt jedoch den Ausdruck „Beförderungsmittel" durch „Fahrzeuge", weil im Straßenverkehr nur Fahrzeuge als Beförderungsmittel verwendet werden. Die auf die Anlagen oder Fahrzeuge einwirkende schädigende Handlung muß das Mittel der Sicherheitsbeeinträchtigung des öffentlichen Straßenverkehrs sein, muß der Gefährdung also zeitlich und ursächlich vorangehen und darf nicht Unfallfolge sein (so schon BGHSt. 5 292; 8 219; KG VRS 11 208; 12 372 zu § 315 a Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F.). Wer z. B. infolge überhöhter Geschwindigkeit ins Schleudern gerät und dadurch ein anderes Fahrzeug oder eine Verkehrssignalanlage beschädigt, ist nicht nach § 315 b Abs. 1 Nr. 1 zu belangen, weil der Schaden nicht das Mittel der Gefährdung, sondern die Folge des gefahrträchtigen verkehrswidrigen Verhaltens war. Anders jedoch, wenn jemand absichtlich ein Fahrzeug anfährt, um dadurch einen Unfall herbeizuführen (vgl. dazu § 315 b Abs. 3 und Rdn. 13 oben).

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a) Anlagen sind Vorrichtungen, die auf den Verkehr auf öffentlichen Straßen einzuwirken geeignet und bestimmt sind. Dies sind vor allem Verkehrszeichen, Verkehrssignalampeln, Sperrvorrichtungen, Leitplanken, Leitzeichen (§§ 40 bis 43 StVO), aber auch die zum Straßenkörper gehörenden Teile wie Brücken, Unterund Überführungen, Passagen; nicht aber die Straße selbst. Zu den durch § 315 b Abs. 1 Nr. 1 geschützten Anlagen gehören auch die Signaleinrichtungen der Schienenbahnen (so vor allem der Straßenbahn), soweit diese am Straßenverkehr teilnehmen (§315 d).

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Fahrzeuge sind alle am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmenden Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern. Geschützt sind Fahrzeuge aller Art (Kraftfahrzeuge, Fuhrwerke, Fahrräder, am Straßenverkehr teilnehmende Straßenbahnen), ohne Rücksicht auf die Antriebsart (Vergaser- oder Elektromotor, durch Menschenkraft bedient, von Tieren gezogen; Cramer Rdn. 11; Jagusch Rdn. 9; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 7). Es muß sich jedoch um ein Straßenfahrzeug handeln oder diesen nach § 315 d rechtlich zugeordnet sein, so daß diejenigen Fortbewegungsmittel, die nach der StVO als Fahrzeuge ausscheiden (§ 24 StVO) auch nicht zu den durch § 315 b geschützten Fahrzeugen zählen.

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b) Die Begriffe Zerstören, Beschädigen, Beseitigen decken sich mit denen des § 315 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Auf die dortigen Rdn. 17 bis 22 wird verwiesen. Der Eingriff muß, um i. S. des § 315 b relevant zu sein, zu einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen. Dies trifft z. B. dann zu, wenn die Fensterscheibe eines fahrenden Pkw durch einen Steinwurf zerstört wird (Heckscheibe: OLG Schleswig VerkMitt. 1967 21), weil hierdurch der Fahrzeugführer irritiert werden kann.

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3. Hindernisbereiten ist jeder Vorgang, der geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu beeinträchtigen (OLG Hamm VRS 30 356). Der Begriff des Hindernisbereitens, der vor dem 1. StrVerkSichG als Vergehenstatbestandsmerkmal nur bei der Transportgefährdung zu finden war, wurde vor allem im Bereich des Bahnverkehrs entwickelt und hat dort eine berechtigte weite Auslegung erfahren. Diese für den Bereich des Straßenverkehrs in vollem Umfang zu übernehmen, ist nicht (88)

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (Rüth)

§ 315

b

gerechtfertigt, weil im heutigen Straßenverkehr sich Verkehrsteilnehmer ständig gegenseitig irgendwie behindern werden. Die bloße Behinderung durch einen Verkehrsvorgang kann deshalb regelmäßig noch kein Hindernisbereiten oder ein ähnlicher gefährlicher Eingriff sein. Die in § 315 b und §315 übereinstimmenden Begriffe sind aus diesem Grunde unterschiedlich auszulegen (BayObLGSt. 1961 243 = M D R 1961 1034). Vorgänge des fließenden Verkehrs sowie durch Verkehrsvorgänge hervorgerufene Behinderung sind somit grundsätzlich kein Hindernisbereiten i. S. des § 315 b, wenn sie über eine fehlerhafte Verkehrsteilnahme nicht hinausgehen (BGHSt. 6 220; JR 1960 425; OLG Hamm NJW 1965 2167; OLG Frankfurt DAR 1967 222). Vgl. auch Rdn. 13, 21, 24. Einzelfälle: Kein Hindernis wird bereitet: wenn ein Lkw-Anhänger beim rück- 19 wärts Hineinschieben mit Hilfe des Lkw in eine Einfahrt zeitweilig so stehen bleibt, daß die Anhängerachse etwa 2,70 m in die Fahrbahn hineinragt (OLG Hamm VRS 25 119); wenn an einem verkehrsunsicheren Lkw während der Fahrt auf öffentlicher Straße die Räder abspringen und dabei andere gefährden (OLG Stuttgart VRS 29 193 = DAR 1965 276); Liegenlassen der Reifen auf der Fahrbahn: Rdn. 22 unten; wenn Gegenverkehr durch Scheinwerfer geblendet wird (OLG Frankfurt NJW 1956 1012); bei Mitführung unzulässig breiter, schwer erkennbar seitlich herausragender Ladung eines Fahrzeugs auf schmaler Straße (BayObLGSt. 1959 1 = VRS 17 128); bei kurzfristiger Sperrung eines unbeschrankten Bahnübergangs (OLG Celle VRS 22 286); durch von einem Lkw herunterfallende Splittsteine, wodurch die Windschutzscheibe eines nachfolgenden Pkw zertrümmert wird (OLG Karlsruhe VRS 19 291). Wer mit seinem Motorrad stürzt und bewußtlos liegenbleibt, bereitet kein Hindernis (OLG Stuttgart VRS 19 294 = NJW 1960 1484), da dies nur Folge eines Verkehrsvorganges, wenn auch evtl. verkehrswidrigen Verhaltens ist; gleiches gilt bei einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge, wenn dadurch ein Dritter zu einer gefährlichen Notbremsung gezwungen wird (OLG Hamm VRS 25 186). Nach OLG Düsseldorf (JMB1NRW 1955 234) soll Parken auf Straßenbahnschienen kein Hindernisbereiten sein. Hat der Täter jedoch absichtlich das Fahrzeug in den Schienenbereich der Straßenbahn gestellt, ist sein Verhalten als Hindernisbereiten zu werten, i. S. des § 315 b jedoch nur dann erheblich, wenn dadurch zugleich die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt (vgl. § 315 d) und eine konkrete Gefahr herbeigeführt wird (BGHSt. 6 200). Rollt ein wegen Motorschadens abgestellter Lastzug rückwärts, weil ihn der Führer des Lastzuges nicht hinreichend gegen das Zurückrollen abgesichert hatte, und gerät der Lastzug dadurch auf die Autobahn, die er durch Querstellen versperrt, so liegt hierin kein Hindernisbereiten im Sinne von § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (BayObLG VRS 47 27). Hindernisbereiten ist anzunehmen: bei Errichtung von Straßensperren, gleichgül- 20 tig welcher Art, auf öffentlichen Straßen (OLG Frankfurt VRS 28 423); Hinterlassen einer Ölspur, wenn dadurch andere in Gefahr geraten (OLG Stuttgart NJW 59 254; OLG Hamm DAR 1960 76); pflichtwidriges Unterlassen der Sicherung einer Baustelle (BGH VRS 16 28; KG VRS 12 372); Legen einer Telegraphenstange über die Fahrbahn (BGH VRS 13 125); Spannen eines Drahtes über die Straße (OLG Hamm NJW 1965 2167); Beschmutzen der Fahrbahn durch Ackerwagen kann Hindernisbereiten sein (bejaht: OLG Hamm NJW 1955 193 = VRS 8 134); Treiben von Schafen auf die Bundesautobahn (LG Lübeck SchlHA 1962 202); andere gefährdendes Schließen einer Bahnschranke, wenn sich die Verkehrsteilnehmer hierauf nicht einstellen können, so daß z. B. die niedergehende Schranke ein Fahrzeug beschädigt oder das Fahrzeug durch die unzeitgemäß niedergehende Schranke (89)

§ 315 b

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

im Schienenbereich eingeschlossen wird ( B G H VRS 16 29; N J W 1960 2013 = VRS 19 452; O L G H a m m VkBl. 1966 68; KG VRS 12 372). Wird Beweis d a f ü r angeboten, d a ß ein ausgelaufenes Betonreinigungsmittel sich so schnell verflüchtige, d a ß es ü b e r h a u p t keine Öl- u n d Schmierspur hinterlasse, so m u ß hierüber Beweis erhoben werden (OLG Köln VRS 49 183). 21

Vorgänge des fließenden Verkehrs sind d a n n ein Hindernisbereiten, wenn der Täter absichtlich handelt, das von ihm geführte Fahrzeug in verkehrsfremder Art u n d Weise als Mittel benutzt, das Bereiten des Hindernisses also nicht bloß eine Folgeerscheinung, sondern Zweck der verbotenen Fahrweise ist (BGHSt. 9 379; 21 301; 22 7; N J W 1969 1444; vgl. R d n . 13, 24). Hindernis bereitet z. B., wer sein Fahrzeug zu verkehrsfremden Eingriff benutzt, einem a n d e r e n Verkehrsteilnehmer, sei es auch n u r vorübergehend, den Weg verlegt, selbst wenn sich der Täter dabei im fließenden Verkehr bewegt ( B G H N J W 1967 2167 im Anschluß an BGHSt. 7 379; O L G O l d e n b u r g VRS 32 274), oder das eigene Fahrzeug als Mittel einsetzt, um einen anderen zum Ausweichen oder einer ähnlichen S c h u t z m a ß n a h m e zu nötigen ( B G H N J W 1968 1244). Ein Hindernis bereitet auch, wer absichtlich scharf bremst, um einen A u f f a h r u n f a l l zu verursachen ( B G H VerkMitt. 76 49), oder um einen anderen zum Anhalten zu zwingen (OLG Koblenz VRS 50 90, 203), oder wer ein anderes Fahrzeug absichtlich r a m m t (BGH VRS 50 39). Wer einen anderen auf der F a h r b a h n absichtlich so zu Fall bringt, d a ß ein h e r a n n a h e n d e r Kraftfahrzeugführer zur N o t b r e m s u n g gezwungen wird, bereitet ein Hindernis ( O L G H a m m VRS 25 186). Fahren auf der Überholspur der Autobahn in gegenläufiger Richtung über eine Strecke von 24 km ist nach O L G H a m m (VRS 27 202) Hindernisbereiten (vgl. R d n . 24), ebenso absichtliches Verhindern des Überholtwerdens (BGHSt. 7 379; 21 301; VRS 9 39; 33 434; O L G H a m m VRS 27 202; 46 128; B a y O b L G bei Rüth D A R 1972 202), in letzterem Fall i. d. R. rechtlich z u s a m m e n t r e f f e n d mit Nötigung (§ 240 StGB) u n d Verkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB (BayObLG aaO).

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Hindernisbereiten k a n n auch durch Unterlassen begangen werden. Der K r a f t f a h rer, der Verkehrsbacken u m g e f a h r e n hat und es d a n n pflichtwidrig unterläßt, sie von der F a h r b a h n wegzuräumen, bereitet durch sein Unterlassen Hindernisse (BayObLG VRS 37 439 = N J W 1969 2026). Gleiches gilt f ü r einen Lkw-Fahrer, der einen abgesprungenen Reifen oder verlorene Fahrzeugteile nicht alsbald von der F a h r b a h n entfernt ( O L G Celle NdsRpfl. 1970 46; O L G H a m m VRS 51 103). Auch die Nichtwegschaffung eines liegengebliebenen Fahrzeugs (ohne es ausreichend zu sichern: § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g) kann Hindernisbereiten sein (BGHSt. 6 200). Eb. Liegenlassen eines Unfalltoten (OLG Oldenburg VRS 11 53); a. A. Cramer R d n . 8 u. in Sch.-Schröder R d n . 12 a, der in diesen Fällen nicht Nr. 2, sondern Nr. 3 heranziehen will. Die mangelhafte oder pflichtwidrig unterlassene Reparatur eines Kraftfahrzeugs ist nur d a n n ein Eingriff im Sinne von § 315 b Abs. 1 StGB, wenn das Fahrzeug absichtlich beschädigt oder in s c h a d h a f t e m Zustand belassen wird (BayObLG VRS 46 287, Anm. Rüth in J R 1975 28). So k a n n z. B. d a s versehentlich unterlassene Schließen der Schranke eines schienengleichen Bahnüberganges seitens des Schrankenwärters ein ähnlicher ebenso gefährlicher Eingriff in bezug auf die den Bahnübergang kurz vor Eintreffen des Zuges überquerenden Fahrzeuge u n d deren Insassen sein ( O L G Frankfurt N J W 1975 840), aber auch Hindernisbereiten hinsichtlich der Schienenbahn.

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4. Ein ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff ist eine H a n d l u n g , die an Bedeutung u n d Gefährlichkeit den in den Nrn. 1 u n d 2 genannten Eingriffen Gleichk o m m t ( B G H VRS 43 34). Es m u ß eine gewichtige Einwirkung von außen oder eine (90)

G e f ä h r l i c h e Eingriffe in den Straßenverkehr (Rüth)

§ 315

b

nicht mehr als bloßes fehlerhafter Verkehrsverhalten zu wertende grobe Einwirkung eines Verkehrsteilnehmers vorliegen (BGH VRS 45 185). Die Bestimmung ist hinreichend konkretisiert und damit mit dem Grundgesetz vereinbar (BGHSt. 22 365 = NJW1969 1218; a. A. Isenbeck NJW 1969 174). Als Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 ist nicht nur der Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn, sondern auch der Verkehr von Fußgängern auf Gehwegen geschützt, die neben der Fahrbahn ausschließlich für die Benutzung von Fußgängern angelegt sind (BGHSt. 22 365 = NJW 1969 1218; VRS 43 34). Der Eingriff im Sinne der Nr. 3 muß grundsätzlich durch einen verkehrsfremden Vorgang vorgenommen worden sein. Der Eingriff muß also i. d. R. der Sicherheitsbeeinträchtigung vorausgehen. Als „ähnlicher ebenso gefährlicher Eingriff" ist z. B. zu werten: Ausstreuen von Nägeln auf der Fahrbahn, absichtliches Blenden eines Kraftfahrers mittels Sonnenspiegels; Abgabe eines Schusses, auch wenn das Fahrzeug nicht getroffen wird (BGH VRS 47 185). Das Geben falscher Zeichen und Signale ist in § 315 b nicht mehr aufgeführt. Dies wurde vom Gesetzgeber bewußt unterlassen, weil z. B. die falsche Richtungsanzeige des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs für sich allein nicht ausreichen kann, den Tatbestand zu erfüllen. Nach der amtlichen Begründung muß es genügen, daß schwerwiegende Fälle falscher Zeichen- und Signalgebung, namentlich solche mittels fester Anlagen, unter dem Gesichtspunkt des ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriffs erfaßt werden können. Auch Verkehrsvorgänge des fließenden Verkehrs können ein ähnlicher, ebenso 24 gefährlicher Eingriff sein, jedoch nur dann, wenn das Verhalten des Fahrers eines im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs als eine bewußte Zweckentfremdung des Fahrzeugs auch äußerlich in Erscheinung tritt»(BGH NJW 1969 1444); vgl. Rdn. 13,21. Dies ist z. B. anzunehmen: wenn der Fahrzeugführer mit seinem Fahrzeug gezielt auf einen Fußgänger oder einen Polizeibeamten schnell zufährt, ihn auf die Seite zu springen zwingt, um freie Fahrt zu erhalten oder einer Festnahme zu entgehen (BGHSt. 22 6 = NJW 1968 456; BGH VRS 36 267; 37 430; 43 34; 44 437; 46 106; 50 43, 424; DAR 1976 22 BGHSt. 26 176 Anm. Meyer-Gerhards JuS 1976 228; OLG Koblenz DAR 1973 219; 1974 164); wenn er den Fußgänger nur möglicherweise anfahren, auf jeden Fall aber erschrecken will (BGH VRS 48 28), aber auch, wenn er dem Bedrohten im letzten Augenblick noch ausweichen will (BGH VRS 49 424; 51 209); wenn der Fahrzeugführer bewußt ein anderes Fahrzeug abdrängt, um ein Überholen zu verhindern (BGHSt. 21 301 = VRS 33 434; BGH JZ 1969 568; BayObLG bei Rüth DAR 1972 202). Einen „ähnlichen Eingriff nimmt vor: Wer sich bei hoher Geschwindigkeit vom Rücksitz eines Pkw plötzlich nach vorn wirft, mit beiden Händen unter Anwendung von Gewalt in das Steuer greift und versucht, den Wagen von der Fahrbahn auf die 2 bis 3 m tiefe Straßenböschung zu steuern (BGH VRS 36 267; OLG Karlsruhe NJW 1978 1391); oder wer, um zu fliehen, mit Vollgas über den Gehweg fährt in dem Bewußtsein, dort Fußgänger zu gefährden (BGH NJW 1969 1218); desgleichen, wer einen anderen auf der Kühlerhaube des Fahrzeugs bei hoher Geschwindigkeit mitnimmt (BGH VRS 40 104, 352; OLG Köln VRS 53 184), oder wer absichtlich auf den Vorausfahrenden auffährt (BayObLG bei Rüth DAR 1978 209). Das Fahren auf der linken Fahrbahn einer Autobahn in entgegengesetzter Fahrtrichtung ist zwar nicht als „Rückwärtsfahren", wohl aber u. U. als „Wenden" i. S. von § 18 Abs. 7 StVO und § 315 c Abs. 1 Nr. 2 f StGB erfaßbar. Geschieht das Fahren in entgegengesetzter Richtung absichtlich, etwa um nach einer „günstigen Wen(91)

§ 315 b

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

demöglichkeit" zu suchen, so kann ein dem Hindernisbereiten „ähnlicher, ebenso gefährlicher E i n g r i f f i. S. von § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht kommen (OLG Stuttgart VRS 52 33 = JR 1977 253 m. Anm. Rüth; OLG Hamm VRS 27 202). 25

Kein ebenso gefährlicher Eingriff ist anzunehmen, wenn der Täter mit geringer Geschwindigkeit auf Fußgänger zufährt, die sich, um ihn aufzuhalten, mitten in den Weg stellen (BGH VRS 40 104); gleiches gilt, wenn Beifahrer, weil er verhindern will, daß in eine bestimmte Richtung gefahren wird, dem Fahrzeugführer in das Steuer greift (OLG Hamm NJW 1969 1976 = DAR 1970 49), oder dies in trunkenheitsbedingter Verkennung der Verkehrslage tut (OLG Köln Blutalkohol 1971 461). Ebenfalls nicht als Eingriff im Sinne der Nr. 3 kann angesehen werden, wenn ein Fahrzeugführer durch seine Scheinwerfer einen Entgegenkommenden, ohne ihn zu gefährden zu wollen, blendet (OLG Frankfurt NJW 1956 1210); oder wenn der Täter ohne Fahrerlaubnis und ausreichende Übung ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt (OLG Hamm NJW 1955 114); oder versehentlich ein falsches Richtungsänderungszeichen gegeben hat. Beabsichtigt der Kraftfahrer von vorneherein an einem Halt gebietenden Polizeibeamten vorbeizufahren und hält er dies ohne Gefährdung für möglich, liegt ein gefährlicher Eingriff nicht vor (BGHSt. 23 4; BGH VRS 53 31). Auch ist nicht jede Flucht mit einem Pkw während einer Polizeikontrolle als bewußt zweckfremder Einsatz des Fahrzeugs i. S. der Nr. 3 zu werten (BGH 3. 8.1978, 4 StR 229/78). Desgleichen nicht, wenn das Fahrzeug zweckentsprechend eingesetzt und hierbei Verkehrsvorschriften verletzt und der Verfolgte gefährdet werden (BGH VRS 55 126).

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V. Vollendet ist das Delikt nach § 315 b mit der Herbeiführung der konkreten Gefahr, ohne daß ein Schaden eingetreten zu sein braucht (vgl. dazu: tätige Reue, Rdn. 32 unten). Der Versuch ist strafbar bei einem vorsätzlichen Vergehen nach Absatz 1 (§ 315 b Abs. 2) und bei einem Verbrechen nach Absatz 3, wenn die Absicht des Täters auf die Herbeiführung eines Unglücksfalls gerichtet war (§315 Abs. 3, § 23 StGB).

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VI. Der subjektive Tatbestand fordert in den Absätzen 1 bis 3 Vorsatz; der Absatz 4 verlangt eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, in Absatz 5 genügt sowohl in bezug auf die Tatausführung wie auch hinsichtlich der Herbeiführung der Gefahr Fahrlässigkeit. 1. Der Vorsatz der Absätze 1 bis 3 muß alle Tatbestandsmerkmale umfassen, somit auch die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit und die Herbeiführung der Gefahr. Bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muß also mit Wissen und Wollen eine der in Absatz 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Handlungen vornehmen und Kenntnis davon haben, daß hierdurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt und eine Gefahr für einen anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert herbeigeführt wird oder zumindest die Sicherheitsbeeinträchtigung und die Gefahrherbeiführung billigend in Kauf nehmen (BGHSt. 22 67 = NJW 1968 1444); so z. B. wenn der Täter die von ihm verursachte, einen anderen bedrohende Gefahr bewußt als Mittel einsetzt, um den anderen zum Ausweichen oder einer ähnlichen Schutzmaßnahme zu nötigen (BGH aaO). Bedingter Vorsatz hinsichtlich der Eingriffshandlungen ist praktisch nicht denkbar. Will der Täter vom Unfallort fliehen, so ist es für das verkehrsfeindliche Verhalten, das Voraussetzung der Anwendung des § 315 b auf im fließenden Verkehr begangene Handlungen ist, gleichgültig, ob der Täter den seinen Fluchtweg sperrenden Polizeibeamten erkannt hat oder aber sein Vorhanden(92)

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (Rüth)

§ 315

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sein nur billigend in Kauf nimmt (BGH VRS 39 187; VRS 40 14). Hat der Täter jedoch nicht bemerkt und auch nicht damit gerechnet, daß ein Polizeibeamter neben dem Polizeifahrzeug stand und gefährdet er diesen bei Beginn seiner Fluchtfahrt, so kann darin allein kein vorsätzliches oder fahrlässiges verkehrsfeindliches Verhalten i. S. des § 315 b erblickt werden (BGH VRS 39 187), weil die Benutzung des Fahrzeugs als bloßes Fluchtmittel ohne bewußte Zweckentfremdung den inneren Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 nicht erfüllt (BGH VRS 53 31; 3. 8.1978, 4 StR 229/78). Der Gefährdungsvorsatz braucht sich nicht auf den Eintritt eines Schadens zu 28 erstrecken. Er ist streng von dem Verletzungsvorsatz, der sich auf einen anderen gesetzlichen Tatbestand (z. B. Widerstand nach § 113) beziehen kann, zu unterscheiden und einer gesonderten Prüfung zu unterziehen (BGH VRS 46 106). Der Täter muß aber, um wegen vorsätzlicher Verwirklichung des Tatbestands des § 315 b Abs. 1 bestraft werden zu können, die Vorstellung gehabt haben, die gegebenen Umstände ließen nach der Lebenserfahrung ohne den Eintritt einer plötzlichen Wendung, etwa durch eine Schutzmaßnahme des Bedrohten (Gefährdeten), dessen Verletzung oder Tötung als naheliegende Möglichkeit erscheinen. Eine solche Vorstellung fehlt, wenn der Täter an diese Möglichkeit mit keinem Gedanken gedacht hat (BGH VRS 37 365). Meint der Täter, daß nur eine unbedeutende Gefahr drohe oder nur eine Sache von nicht bedeutendem Wert in Gefahr gerate, liegt ein Tatsachenirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt. In Betracht kommt ein Vergehen nach Absatz 4. 2. Handelt der Täter vorsätzlich und hat er die Absicht, einen Unglücksfall her- 29 beizuführen oder eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, ist die Tat Verbrechen i. S. des § 1 Abs. 1 StGB. Auf die Ausführungen in Rdn. 42 bis 44 zu §315 wird verwiesen. Die nach Absatz 3 erforderliche Absicht deckt sich nicht mit der nach der Rechtsprechung erforderlichen Absicht bei Herbeiführung eines sicherheitsgefährdenden verkehrsfremden Eingriffs einer im fließenden Verkehr begangenen Tat (vgl. Rdn. 12, 13 oben). Während sich die Absicht des verkehrsfeindlichen Verhaltens im fließenden Verkehr nur auf den verkehrswidrigen Eingriff und die Herbeiführung der die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Gefahr gerichtet zu sein braucht, muß die nach Abs. 3 erforderliche Absicht darüber hinaus sich auf den Eintritt eines Schadens (Unglücksfalls) oder sich auf eine andere Straftat (sie zu ermöglichen oder zu verdecken) erstrecken. 3. Der Absatz 4 erfaßt eine gemischte vorsätzlich-fahrlässige Tat (Vorsatz-Fahr- 30 lässigkeits-Kombination: Cramer Rdn. 26). Die sicherheitsgefährdende Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung muß vom Täter vorsätzlich verwirklicht werden, während hinsichtlich der Herbeiführung der Gefahr bewußte oder unbewußte Fahrlässigkeit genügt. Die Tat ist eine Vorsatztat,, bei der nur die Folge nicht gewollt, sondern fahrlässig verursacht ist (§ 11 Abs. 2; früher a. A. BGH VRS 30 340; 31 267 m. abl. Anm. Janiszewski, M D R 1967 229; zur früheren Auffassung vgl. auch Rdn. 30 Vorauf!.) Teilnahme ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich. Für Täter und Teilnehmer gilt § 28 StGB. Der Führer eines im fließenden Verkehrs befindlichen Fahrzeugs wird die Ausführungshandlung kaum jemals fahrlässig begehen können, weil sein Verhalten eine bewußte Zweckentfremdung des Fahrzeugs, die ein verkehrsfeindliches Verhalten bedeutet, zum Inhalt haben muß, Fahrlässigkeit wird sich i. d. R. nur auf die (93)

§ 315 b

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

Gefährdung beziehen (BGHSt. 23 4 = VRS 37 116). Ein Kranführer, der auf öffentlicher Straße Baustahl abladen muß, aber von seinem Führerhaus aus keine Sicht auf herankommende Fahrzeuge hat, darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß die zur Sicherung des Straßenverkehrs eingesetzten Hilfskräfte ihm das Zeichen zum Hochziehen der Last nur dann geben, wenn sie sich vergewissert haben, daß sich kein Fahrzeug nähert; er ist in der Regel auch nicht verpflichtet, Überlegungen darüber anzustellen, ob die Hilfskräfte an der Stelle, von der aus sie ihm das Zeichen zum Hochziehen geben, ausreichenden Überblick über die Fahrbahn haben (BayObLG bei Rüth DAR 1975 197, 204). Zieht der Mitfahrer während der Fahrt den Zündschlüssel ab und bewirkt dadurch eine Lenkradsperre, erfüllt er den Tatbestand des Abs. 4 (OLG Karlsruhe NJW 1978 1391). 31

Absatz 4 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Täter zwar vorsätzlich gehandelt hat, aber nicht nur die Gefährdung, sondern auch die Verkehrssicherheit fahrlässig (bewußt oder unbewußt) beeinträchtigt hat, da beide Tatbestandsmerkmale i. d. R. so eng miteinander verbunden sind, daß sie praktisch nur einheitlich betrachtet und gewertet werden können (Dreher §315 Rdn. 23; Mühlhaus § 315 b Anm. 6 c). Eine nur fahrlässige Handlung liegt vor, wenn nicht nur die Verkehrssicherheitsbeeinträchtigung und die Gefährdung fahrlässig verursacht wurden, sondern auch die Ausführungshandlung nicht vorsätzlich begangen, sondern nur unbewußt oder bewußt fahrlässig verwirklicht wurde (Abs. 5).

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VII. Rücktritt und tätige Reue: Der Rücktritt und die tätige Reue bei der nur versuchten Handlung (z. B. vor Eintritt der Gefährdung) sind nach § 24 StGB zu beurteilen. Darüber hinaus sieht Absatz 6 die Möglichkeit einer Strafmilderung oder Straflosigkeit vor, wenn der Täter freiwillig die Gefahr abwendet bevor ein erheblicher Schaden entsteht, oder, soweit ein Dritter dies unternimmt, wenn er freiwillig und ernsthaft sich bemühte, dieses Ziel zu erreichen. Auf die Ausführungen in Rdn. 51, 52 zu § 315 wird verwiesen.

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VIII. Zusammentreffen mit anderen Delikten: 1. Idealkonkurrenz ist möglich zwischen § 315 b und allen fahrlässigen und vorsätzlichen Verletzungsdelikten, insbes. Tötung oder Körperverletzung (§§211 ff, 223 ff), Sachbeschädigung (§§ 303 ff), sowie mit Störung der öffentlichen Dienste (§316 b), Gefährdung des Telegraphenbetriebes (§317), Beschädigung von Wasserbauten usw. (§321); auch mit dem Vergehen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113) kann Tateinheit vorliegen (BGH VRS 38 104). Hat der Täter durch verkehrswidrige Fahrweise andere absichtlich in sicherheitsbeeinträchtigender Weise gefährdet und in Gefahr gebracht, kann § 315 b mit § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a sowie Nr. 2 b, e und g tateinheitlich zusammentreffen (BGHSt. 22 77; so auch Jagusch § 315 b Rdn. 22; a. A. Sch.-Schröder-Cramer § 315 b Rdn. 23; Cramer § 315 b Rdn. 29, die Gesetzeskonkurrenz mit Vorrang des § 315 b annehmen; vgl. BGHSt. 21 301; 23 4; VRS 38 344). Wird das Hindernis durch Liegenlassen eines vom Täter verletzten Menschen bereitet, ist Tateinheit zwischen § 315 b und unterlassener Hilfeleistung nach § 330 c anzunehmen (Oldenburg VRS 11 53). Auch mit der Dauerstraftat nach § 316 StGB kann § 315 b tateinheitlich zusammentreffen (BGH VRS 49 177). Beweiswürdigung bei tateinheitlich begangenen gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte: BGH VRS 53 109. Will sich ein Täter mit seinem Pkw der Verfolgung durch einen anderen dadurch entziehen, daß er mehrmals die Überholung durch Schlangenlinien-Fahren verhin(94)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

dert und die Verfolger dadurch in Gefahr bringt, also in verkehrsfremder Weise sein Fahrzeug als Mittel zur Tatbegehung des § 315 b benutzt, ist eine fortgesetzte Handlung anzunehmen (BayObLG 15. 11. 1961, 1 St. 588/11). Auch die Tat nach Absatz 4, da Vorsatztat, kann in Fortsetzungszusammenhang begangen werden (Mühlhaus § 315 b Anm. 6 c). Verstößt der Täter gegen mehrere Begehungsformen des § 315 b (z. B. Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 3), liegt nur eine Tat vor. 2. Realkonkurrenz ist anzunehmen zwischen § 315 b und unerlaubter Entfernung 34 nach § 142 StGB; dies gilt nach BGH (zu Recht) selbst dann, wenn der Täter von vorneherein den Entschluß gefaßt hatte, nach Herbeiführung der Gefahr mit evtl. eintretenden Schaden sich vom Unfallort zu entfernen, da dieser Entschluß sich nicht auf ein gleichartiges Betätigen, sondern auf ein ganz verschiedenes Tun richtete, nämlich einmal auf die Herbeiführung der Gefahr und zum anderen auf das Fortfahren nach gelungener Tat (BGH VRS 36 354). 3. Gesetzeskonkurrenz liegt vor zwischen § 315 b Abs. 1 und Sachbeschädigung 35 (§§ 303 bis 305) soweit die beschädigte oder zerstörte Sache eine Anlage oder ein Fahrzeug i. S. dieser Bestimmung ist (OLG Braunschweig VRS 32 371). Gegenüber § 315 b Abs. 1 Nr. 1 treten dann die §§ 303 bis 305 zurück. Gesetzeskonkurrenz ist weiter anzunehmen mit § 3 1 6 a (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer), wenn der Raub oder die räuberische Erpressung durch Hindernisbereiten oder einen ähnlichen ebenso gefährlichen Eingriff vorgenommen wird; in diesen Fällen geht § 316 a vor, wenn das Hindernisbereiten bzw. der Eingriff nur als Mittel zur Tatausführung des Straßenraubes benutzt wird.

§ 315 c Gefährdung des Straßenverkehrs (1) Wer im Straßenverkehr 1. ein Fahrzeug führt, obwohl er a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder 2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos a) die Vorfahrt nicht beachtet, b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt, d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt, e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält, f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts fährt oder dies versucht oder g) haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar. (3) Wer in den Fällen des Absatzes 1 1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder (95)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Entstehungsgeschichte Das 2. StraßenVerkSichG vom 26.11. 1964 (BGBl. I 921) hat die Vorschriften der §§ 315 bis 316 neu gestaltet. Die bis dort in § 315 a zusammengefaßten straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen sind nunmehr in § 315 b u n d § 315 c enthalten, wobei § 315 c nur Vorgänge des fließenden Verkehrs erfaßt. § 315 c übernimmt mit einer Anzahl von Änderungen und Ergänzungen, die überwiegend aus den Erfordernissen der Verkehrssicherheit sich ergaben (so amtl. Begründung, Drucks. IV/2161), den Inhalt des § 315 a Abs. 1 Nr. 2 bis 4 StGB a. F. Hervorzuheben ist insbesondere, d a ß gegenüber der früheren Fassung die Herbeif ü h r u n g einer Gemeingefahr nicht mehr erforderlich (es genügt die Gefährdung eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert) und der in Absatz 1 Nr. 2 aufgeführte Katalog für die besonders gefährlichen verkehrswidrigen Handlungen gegenüber dem § 315 a Abs. 1 Nr. 4 a. F. wesentlich erweitert ist. Absatz 1 Nr. 2 f wurde durch Art. 19 Nr. 176 E G S t G B (BGBl. I 74, 469, 495) auf Kraftfahrstraßen ausgedehnt und durch das Verbot des Rückwärtsfahrens ergänzt. § 315 c gilt i. d. F. der Bek. v. 2. 1. 1975 (BGBl. I 1). Schrifttum Bödecker Strafrechtliche Verantwortlichkeit Dritter bei Verkehrsdelikten betrunkener K r a f t f a h r e r , D A R 1969 281; 1970 309; Demuth Der Einfluß der neuen StVO auf § 315 c StGB, J A 1971 383; Baumann Probleme der Fahrlässigkeit bei Straßenverkehrsunfällen; Kriminalbiologische Gutachten 1960 Heft 4 100; Baumann Die angemessene strafrechtliche A h n d u n g von Verkehrsdelikten nach geltendem u n d künftigem Recht, K + v 1968 H e f t 1 , 2 ; Bender Die Unterscheidung zwischen G e m e i n g e f a h r und Sonder- oder Individualgefahr u n d ihre Folgen, N J W 1959 326; Bender G e m e i n g e f a h r oder Sondergefahr, D A R 1960 70; Bickelhaupt Einwilligung in die Trunkenheitsfahrt, N J W 1967 713; Blei Die Beeinträchtigung der Straßenverkehrssicherheit als Tatbestandsmerkmal des § 315 a (a. F.), N J W 1957 620; Demuth Z u r Bedeutung der „Konkreten G e f a h r " im R a h m e n der Straßenverkehrsdelikte, VOR 1973 436; Ehmke Z u r Feststellung der Ursächlichkeit des Alkoholgenusses in der gesetzlichen Unfallversicherung, Blutalkohol 1965/1966 170; Granicky K o n k u r r e n z f r a g e n bei fahrlässiger Verkehrsg e f ä h r d u n g , SchlHA 1966 60; Härtung Fremde Sachen von b e d e u t e n d e m Wert in den §§ 315 a, 315 c, 315 d StGB n. F., N J W 1967 909; Koch Das Tatbestandsmerkmal „rücksichtslos" des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Praxis, D A R 1970 322; Krey/Schneider Die eigentliche Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination nach geltendem u n d künftigem Recht, N J W 1970 640; Langrock Zur Einwilligung in die Verkehrsgefährdung, M D R 1970 982; Lienen Das Z u s a m m e n t r e f f e n von Vorsatz u n d Fahrlässigkeit bei Verkehrsdelikten, D A R 1960 223; Mallach/Stein Über die Häufigkeit alkoholbedingter Kurvenunfälle, Blutalkohol 1965/1966 189; Middendorf Die Strafzumessung bei Verkehrsdelikten, Blutalkohol 1963/1964 75; Middendorf Die Diskussion über die Strafzumessung, Blutalkohol 1965/1966 333; Rüth K o n k u r r e n z p r o b l e m e im Verkehrsrecht, D A R 1963 262; Schuhknecht Einwilligung u n d Rechtswidrigkeit bei Verkehrsdelikten, D A R 1966 17; Stollenwerk Z u r Problematik des § 315 a StGB, insbesondere A b s a t z ! Nr. 4 ( = § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a, b, d StGB n. F.), D A R 1961 297; Tröndle Straßenverk e h r s g e f ä h r d u n g auf Transitstraßen nach Berlin (West) straflos? JR 1977 1; Wimmer Kriminelle fahrlässige Verletzung u n d G e f ä h r d u n g im Straßenverkehr, D A R 1958 145. Zum 1. und 2.

Straßenverkehrssicherungsgesetz

Booß Das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, D A R 1959 5; Booß Die neuen Änderungen des Straßenverkehrsrechts, D A R 1953 161; Gudde D a s Straßenverkehrssicherungsgesetz, Betr. 1953 37; Gudde Rechtsprobleme des Straßenverkehrssicherungsgesetzes, R d K 1953 2; Härtung Zum inneren Tatbestand der neuen Vergehen gegen die Sicherung des Straßenverkehrs, D A R 1953 141; Härtung Zweifelsfragen aus den Strafbestimmungen des Verkehrssicherungsgesetzes N J W 1953 884; Härtung D a s Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (96)

Gefährdung des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

NJW 1965 86; Kleffei Gedanken und Betrachtungen zum Straßenverkehrssicherungsgesetz, RdK 1953 73; Kobel Zweites Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, K + v 1956 6; Lackner Der Strafrechtsteil des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs MDR 1953 73; Lackner Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, JZ 1965 92, 120; Lütkes Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, Die Polizei 1965 1; Maassen Die strafrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs, NJW 1953 201; Nüse Zu den neuen Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs, JR 1965 41; Warda Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs, MDR 1965 5. Schrill lim} zur Alkoholbeeinflussung

und Verkehrsunlüchtigkeit

siehe bei § 316.

Übersicht Rdn. 1 2

I. Schutzobjekt II. Ö f f e n t l i c h e Straßen III. F ü h r u n g eines Fahrzeugs 1. Fahrzeug 2. Fahrzeuge m i t f ü h r e n d e Fußgänger als F a h r z e u g f ü h r e r 3. F ü h r e r von Fahrzeugen IV. K o n k r e t e G e f ä h r d u n g V. F a h r e n trotz F a h r u n t a u g l i c h k e i t (Absatz 1 Nr. 1) 1. G e n u ß von Alkohol oder a n d e r e n berauschenden Mitteln 2. Körperliche oder geistige Mängel . . a) Alter b) körperliche Mängel c) geistige Mängel 3. actio libera in causa VI. Besonders grobe Verkehrsverstöße (Absatz 1 Nr. 2) 1. grob verkehrswidrig und rücksichtslos (allgemein) a) grob verkehrswidrig b) rücksichtslos 2. Die einzelnen Verkehrsverstöße . . . a) Vorfahrtsverletzung b) falsch überholen oder Fehlverhalten bei Überholvorgängen . . c) Falschfahren an Fußgängerüberwegen d) zu schnelles F a h r e n aa) an unübersichtlichen Stellen

3 4 5 12 15 15 16 17 18 20 28

VII.

VIII.

IX.

29 30 31 33 37 37 40 45 47 48

X. XI. XII.

Rdn. bb) an S t r a ß e n k r e u z u n g e n , Straßeneinmündungen 49 cc) an Bahnübergängen 50 e) N i c h t e i n h a l t u n g der rechten Fahrbahnseite 51 f) W e n d e n auf A u t o b a h n e n 52 g) unterlassene Kenntlichmachung haltender oder liegengebliebener Fahrzeuge 53 Ursächlichkeit zwischen Verkehrsverstoß und G e f a h r 55 1. bei T r u n k e n h e i t s f a h r t 56 2. bei a n d e r e n Verkehrsverstößen . . . . 59 Rechtswidrigkeit 60 1. Rechtfertigungsgrund 60 2. Die Einwilligung insbesondere . . . . 61 Subjektive Tatbestände 62 1. hinsichtlich T r u n k e n h e i t 63 2. hinsichtlich der a n d e r e n Verkehrsverstöße 67 3. Fahrlässigkeit des Absatz 3 68 Versuch 69 Täterschaft und T e i l n a h m e 70 Konkurrenz 72 1. Verhältnis zu Ordnungswidrigkeiten . 72 2. Verhältnis zu Begehungsformen des § 315 c u n t e r e i n a n d e r 73 a) Absatz 1 Nr. 1 a und 1 b 74 b) Absatz I Nr. 2 75 3. K o n k u r r e n z mit a n d e r e n Delikten . . 78 4. Tatidentität 81

I. § 315 c ist konkretes Gefährdungsde'likt. Schutzobjekt ist die Sicherheit des 1 Straßenverkehrs (Cramer Rdn. 2; Lackner Anm. 1; Demuth VOR 1973 436) und darüber hinaus auch die Sicherheit der Individualgüter. Nach Dreher (Rdn. 2) soll es zweifelhaft sein, ob als Rechtsgut noch die Sicherheit des Straßenverkehrs angesehen werden kann, oder ob es nicht allein die konkret gefährdeten Rechtsgüter sind, da in der Neufassung auf das Merkmal der Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs bewußt verzichtet wurde, während es in § 315 b verblieb. Die Weglassung des Tatbestandsmerkmals der Sicherheitsbeeinträchtigung des Straßenverkehrs kann entgegen Dreher nicht zu dem Schluß führen, daß nunmehr geschütztes Rechtsgut des § 315 c nur noch der Individualrechtsgüterschutz sein soll. Vielmehr hat die Neufassung nach der amtl. Begründung (Drucks. Nr. IV/2161) auf dieses Merkmal verzichtet, um die Streitfrage, ob nur die am Verkehr teilnehmenden oder auch die neben der Straße befindlichen Personen und Sachen geschützt sind, zu beseitigen. Nach wie vor ist deshalb neben dem Individualgut auch die (97)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Sicherheit des Straßenverkehrs Schutzobjekt des § 315 c (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 2). Auch Mitfahrer und Beifahrer werden von dem mit § 315 c bezweckten Schutz der allgemeinen Verkehrssicherheit umfaßt (OLG Stuttgart VRS 50 265). 2

II. Der Geltungsbereich des § 315 c ist auf den öffentlichen Straßenverkehr (Begriff: Rüth LK § 315 b Rdn. 2—4) beschränkt. Eine außerhalb der Grenzen der BRD oder West-Berlin begangene, den Tatbestand des § 315 c erfüllende Handlung eines deutschen Staatsangehörigen kann im Inland grundsätzlich nicht verfolgt werden (§ 3 StGB), es sei denn, die Verfolgung ist durch zwischenstaatliche Abkommen zugelassen (§ 6 Nr. 9 StGB; anders nach früherem, vor dem 1.1.1975 geltenden Recht. Verfolgung der auf den Transitstraßen durch die D D R begangenen Verkehrsstraftaten: Tröndle J R 1977 1. III. Führung eines Fahrzeugs

3

1. Fahrzeug im Sinne des § 315 c sind nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern Fahrzeuge jeder Art, die am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, somit auch z. B. Fahrräder, Fuhrwerke, Krankenfahrstühle. Als Fahrzeuge sind auch grundsätzlich Handwagen und ähnliche Beförderungsmittel anzusehen. § 24 StVO klammert jedoch besondere Fortbewegungsmittel (Oberbegriff, unter den alle Gegenstände fallen, die zum ortsverändernden Fahren benutzt werden: amtl. Begründung zur StVO Seite 812; Cramer § 24 StVO Rdn. 7) aus dem Fahrzeugbegriff aus. Keine Fahrzeuge im Sinne der StVO sind somit Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller (jeder Art, soweit ohne Motor) und ähnliche Fortbewegungsmittel. Diese in der StVO enthaltene Fiktion gilt für den gesamten Bereich des Straßenverkehrsrechts; somit müssen die in §24 StVO aufgeführten besonderen Fortbewegungsmittel als Fahrzeuge im Sinne des §315 c ausscheiden; dies bedeutet zugleich, daß Personen, die Fahrzeuge im Sinne des § 24 StVO führen, keine Fahrzeugführer im Sinne des § 315 c sind. Umstritten ist, was unter „ähnlichen Fortbewegungsmitteln" i. S. des § 24 StVO erfaßt wird. Ein Teil des Schrifttums will darunter auch die von Fußgängern mitgeführten Handwagen, Schiebekarren sowie die von Fußgängern berechtigt auf Gehwegen geschobenen Krankenfahrstühle fallen lassen (Cramer § 24 StVO Rdn. 8); Möhl-Rüth (§ 24 StVO Rdn. 3) will die Grenze dort ziehen, wo die Ausmaße eines Kinderwagens überschritten werden, Krankenfahrstühle aber in jedem Fall zu den Fahrzeugen i. S. des Verkehrsrechts zählen (Rdn. 4 aaO). Diese Ansicht ist nicht ganz unbedenklich, weil auch Krankenfahrstühle wie Kinderwagen geschoben werden können, sie sind aber Fahrzeuge, wenn sie selbständig fortbewegt werden können (§ 24 Abs. 2 StVO). Ob von Fußgängern mitgeführte Handfahrzeuge Fahrzeuge im Sinne des Verkehrsrechts sind, kann grundsätzlich nur unter Abwägung aller Bestimmungen der StVO beurteilt werden. Daß die StVO hierbei schon von „Fahrzeugen" spricht, wäre allein noch kein schlüssiger Beweis, weil kein anderer verständlicher deutscher Begriff hierfür zur Verfügung steht. In der StVZO wird der Ausdruck Handfahrzeuge und Handwagen abwechselnd gebraucht (vgl. § 66 a Abs. 1, § 65 Abs. 1 StVZO), ohne daß jeweils ein anderes Fortbewegungsmittel gemeint ist. Der Fahrzeugbegriff der StVO umfaßt jedoch ersichtlich auch die von Fußgängern mitgeführten Fahrzeuge; denn würden sie ausscheiden, stünde § 25 Abs. 2 StVO, wonach Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, unter gewissen Voraussetzungen die Fahrbahn benutzen und am rechten Fahrbahnrand gehen müssen, im Gegensatz zu § 25 Abs. 1 StVO, der die Fußgänger außerhalb geschlossener Ortschaften an den linken Fahrbahnrand verweist. (98)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

2. Entscheidend für die Anwendung des § 315 c StGB ist jedoch die Frage, ob 4 die Fahrzeuge mitführenden Fußgänger als Fahrzeugführer anzusehen sind. Selbstverständlich scheidet als Fahrzeugführer schon derjenige aus, der ein Fortbewegungsmittel mit sich führt, das nach der StVO im Sinne des Verkehrsrechts nicht als Fahrzeug anzusehen ist. Aber auch Fußgänger, die Fahrzeuge mit sich führen, sind bei Gesamtwürdigung der StVO-Bestimmungen dem Fußgängerverkehr zugeordnet. So findet sich die Bestimmung, wann ein Fußgänger, der ein Fahrzeug mitführt, die Straße benutzen muß, innerhalb des für Fußgänger geltenden § 25 (Abs. 2) StVO. Die Vorfahrtsvorschriften (§ 8 StVO) finden auf Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, keine Anwendung. Auch das Einordnen vor dem Abbiegen gilt für Fußgänger nicht (§ 25 Abs. 2 StVO). Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß an von Fußgängern mitgeführten Handfahrzeugen nach § 17 Abs. 5 StVO bei Nacht eine Leuchte anzubringen ist, oder daß die StVO allgemein bei diesen Fortbewegungsmitteln von „Fahrzeugen" spricht. Vielmehr ist daraus nur zu schließen, daß von Fußgängern mitgeführte Handfahrzeuge als Fahrzeuge zu betrachten sind, sie also nicht zu den „ähnlichen Fortbewegungsmitteln" des § 24 StVO gehören, andererseits aber insoweit die Vorschriften für Fußgänger und nicht für Fahrzeugführer anzuwenden sind. In diesem Sinne ist auch die Vwv. zu § 23 StVO zu verstehen, die ausdrücklich besagt: „Fußgänger, die Handfahrzeuge mitführen, sind keine Fahrzeugführer". Die Vwv kann zwar eine Bestimmung der StVO nicht auch für die Gerichte verbindlich auslegen, sie kann aber über den gesetzgeberischen Willen Aufschluß geben. Hieraus ist zu schließen, daß Fußgänger, die Fahrzeuge mitführen, schon nach der StVO grundsätzlich als Fahrzeugführer ausscheiden. Um so weniger kommen sie als Fahrzeugführer i. S. des § 315 c in Betracht; schließlich sei auch noch bemerkt, daß die in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 aufgeführten Tatbestände auf Fußgänger mit Handwagen mit Ausnahme von Nr. 2 g nicht zutreffen. 3. Fahrzeugführer (vgl. dazu auch Full-Möhl-Rüth § 2 StVG Rdn. 2 bis 7) kann 5 grundsätzlich nur sein, wer zumindest einen Teil der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind (BGHSt. 18 6 = VRS 23 286 = NJ W 1962 2069). Der Begriff der Fahrzeugführung erfaßt deshalb auch i. d. R. nur Bewegungsvorgänge im Verkehr (Sch.-SchröderCramer Rdn. 11; Cramer § 316 Rdn. 32), ist also enger als der Begriff der Teilnahme am Verkehr i. S. des § 2 StVZO. Die bei Cramer und Sch.-Schröder-Cramer (aaO) zitierten, dieser Ansicht angeblich entgegenstehenden Entscheidungen (BGHSt. 7 316; OLG Hamburg DAR 1955 115; BayObLG VRS 27 220; OLG Hamm NJW 1954 1780) sind sämtlich vor Inkrafttreten des 2. StraßenVerkSichG ergangen und werden deshalb zu Unrecht als Gegenmeinung angeführt. Beide Begriffe sind streng voneinander zu unterscheiden (BGH aaO); denn Verkehrsteilnehmer ist jeder, der befugt oder unbefugt an einem Verkehrsvorgang gleich welcher Art beteiligt ist (Füll/Möhl/Rüth § 2 StVZO Rdn. 3); Verkehrsteilnehmer ist demnach auch, wer auf einer öffentlichen Straße das Trieb- oder Fahrwerk des Kraftfahrzeugs bedient, etwa durch Lösen der Handbremse, durch Gangschaltung oder auch durch Einführen des Zündschlüssels (BGHSt. 7 316; OLG Hamm NJW 1954 1780); zur Fahrzeugführung reicht dies aber ebensowenig aus, wie der vergebliche Versuch eines Betrunkenen, den Zündschlüssel ins Schloß zu führen (OLG Hamm VRS 22 384). So nimmt z. B. auch „am Verkehr teil" (§ 2 StVZO), wer das Trieb- oder Schwenkwerk eines auf öffentlicher Straße abgestellten Baggers in Betrieb setzt, um den Ausleger zu drehen, führt aber noch kein Fahrzeug (BayObLG VRS 32 127). Glei(99)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

ches gilt, wenn der Täter sich nur auf den Fahrersitz eines fahrbereiten Kraftfahrzeugs setzt, gleichgültig ob der Motor läuft oder nicht (BayObLG VRS 27 220; OLG Köln VRS 27 235 = NJW 1964 2026; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1971 16 Nr. 24). Während jedoch das BayObLG eine Teilnahme am Verkehr bei einem Täter bejaht, der einen Kraftwagen zum Stillstand bringt, das Abblendlicht einschaltet, den Motor laufen läßt und im Wagen schläft, will Köln eine Teilnahme am Verkehr dann ausschließen, wenn sich der Täter in seinem von einem anderen Fahrer in fahrbereitem Zustand (laufender Motor, eingeschaltetes Abblendlicht) verlassenen Fahrzeug lediglich auf den Steuersitz setzt, auch wenn er die Absicht der Weiterfahrt gehabt haben mag. Keine der beiden Entscheidungen enthält aber Ausführungen darüber, ob der Täter als Fahrzeugführer anzusehen ist, obwohl zur Zeit der ergangenen Entscheidungen § 315 a Abs. 1 Nr. 2, 3 i. d. F. von 1952 ( = § 315 c Abs. 1 Nr. 1 n. F.) und § 316 StGB galten. Da sich beide Obergerichte nur mit der Anwendungsmöglichkeit des § 2 StVZO befaßt haben, muß daraus geschlossen werden, daß beide übereinstimmend in den geschilderten Fällen dem Täter die Eigenschaft eines Fahrzeugführers absprachen. Kein Fahrzeugführer ist auch, wer nach Beendigung der Fahrt den Pkw abstellt, aber die Handbremse nicht anzieht oder das Fahrzeug abzuschließen unterläßt (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 11). A. A. ist der BGH (St. 19 371), der den Tatbestand des § 315 a Abs. 1 Nr. 2 (a. F.) als erfüllt ansieht, wenn ein infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig gewordener Lkw-Fahrer sein Fahrzeug auf einer Bergkuppe anhält, im Wagen einschläft und der Lkw infolge unterlassener Absicherung etwa 25 Min. später selbständig sich in Bewegung setzt und hierbei einen Unfall verursacht. Der BGH stellt es in dieser Entscheidung aber ausdrücklich darauf ab, daß die Gefahrenlage schon beim Abstellen geschaffen wurde, als der Täter nach übereinstimmender Ansicht noch als Fahrzeugführer anzusprechen war, lediglich die Auswirkung der Gefahr zu späterer Zeit eintrat. Wer in trunkenheitsbedingt fahrlässiger Verkennung der Verkehrssituation und in einem derart zustandekommenden Putativnotstand als Beifahrer dem Kraftfahrzeugführer gegen dessen Willen ins Steuer greift, führt kein Fahrzeug im Sinne des §316 (macht sich auch nicht schuldig eines Vergehens nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 oder nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 StGB), ist aber Verkehrsteilnehmer im Sinne von § 2 StVZO (OLG Hamm NJW 1969 1975; OLG Köln NJW 1971 670). Führung eines Fahrzeugs oder Kraftfahrzeugs kann ebenfalls nicht angenommen werden, wenn der infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig gewordene Kraftfahrer sich in das von ihm bereits vor Eintritt der Fahruntüchtigkeit auf einer abschüssigen Stelle abgestellte Fahrzeug setzt, ohne dieses zunächst in Betrieb nehmen zu wollen, und das Fahrzeug dann infolge ungenügender Sicherung, möglicherweise in Verbindung mit einer unbeabsichtigten Lösung von Arretierung ins Rollen kommt (BayObLG VRS 39 206). 6

Führer eines Kraftfahrzeugs ist aber, wer es auf abschüssiger Fahrbahn ohne Benutzung des Motors abrollen läßt und hierbei Lenkung und Bremse bedient, weil dieser Vorgang nicht anders beurteilt werden kann, als fahre der Fahrzeugführer zwar mit laufendem Motor oder mit ausgekuppeltem Getriebe (BGHSt. 14 185 = VRS 18 452; OLG Hamburg VRS 32 452; BayObLG VRS 16 57; OLG Köln VRS 15 334; a. A. OLG Hamm VRS 15 134). Wird das Kraftfahrzeug angeschoben oder angeschleppt, um den Motor in Gang zu setzen, bleibt das Fahrzeug ein Kraftfahrzeug auch, solange der Motor noch nicht läuft (OLG Bremen VRS 33 205; OLG Celle NJW 1965 63). Gleiches gilt für (100)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

das Antreten eines Motorrollers oder eines Kraftrades mit Pedalen in der Absicht, dadurch den Motor anzulassen. Zum Beginn der Führung eines Kraftfahrzeuges vgl. Rüth LK § 316 Rdn. 4. Ein abgeschlepptes oder geschlepptes Kraftfahrzeug hat nach § 18 Abs. 1 und § 33 7 StVZO seine Eigenschaft als Kraftfahrzeug verloren. Wer ein abgeschlepptes oder geschlepptes Kraftfahrzeug lenkt, ist demnach zwar Führer eines Fahrzeugs, nicht aber Führer eines Kraftfahrzeugs (OLG Bremen VRS 33 205; ebenso Full/Möhl/ Rüth § 2 StVG Rdn. 2); für ihn gilt also die 1,3 %o-Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit nicht. Daß die Führer geschleppter Kraftfahrzeuge nach § 33 Abs. 2 StVZO einer Fahrerlaubnis bedürfen, steht dieser Ansicht nicht entgegen, weil es sich insoweit um eine Ausnahmebestimmung handelt und dieses Erfordernis die generelle Bestimmung des § 33 Abs. 1 StVZO, daß geschleppte Kraftfahrzeuge als Anhänger gelten, nicht beseitigt Full/Möhl/Rüth § 33 StVZO Rdn. 5). Wird ein Kraftfahrzeug geschoben, ohne daß damit eine In-Gang-Setzung des 8 Motors beabsichtigt ist oder erreicht werden kann, ist derjenige, der Lenkung und Bremse bedient, Führer eines Fahrzeugs, nicht eines Kraftfahrzeugs (OLG Koblenz VRS 49 366), derjenige, der ohne Steuer und Bremse beeinflussen zu können schiebt, nur Verkehrsteilnehmer, untersteht also nicht der Strafbestimmung der §§ 315 c, 316 (KG VRS 12 110; OLG Köln VRS 27 233; Sch -Sclimdcr-Cramer Rdn. 11, I I a ; Mühlhaus §316 A n m . 2 a ; OLG Celle DAR 1977 219; vgl. auch OLG Hamburg VRS 32 452). Wer beim Schieben eines vorübergehend nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeugs nach den Anweisungen des verantwortlichen Fahrers nur Hilfsdienste leistet (z. B. Einschlagen des Lenkrades), ist jedenfalls nicht Führer des Kraftfahrzeugs (BGH VRS 52 408). Der von OLG Oldenburg (VRS 48 356) vertretenen Ansicht, daß derjenige, der seinen Kraftwagen lediglich mit eigener Körperkraft schiebt, ohne dabei den Motor zum Anspringen bringen zu wollen, kein Fahrzeug i. S. von § 316 StGB führt, wobei es gleichgültig ist, ob Bremse und Lenkung bedient werden, kann nicht beigetreten werden. Erhält der geschobene Pkw durch den Schiebevorgang einen erheblichen Schwung und rollt selbständig weiter, wird hierdurch der am Steuer sitzende Fahrer Führer eines Kraftfahrzeugs (Koblenz VRS 49 366). Führer eines Fahrzeugs ist auch, wer ein Kraftrad, Moped, Mofa, Fahrrad schiebt, soweit er die Fortbewegungsrichtung durch Bedienung von Lenkung und Bremsen bestimmen kann (OLG Köln VRS 27 233). Ein Fahrzeug und kein Kraftfahrzeug führt auch, wer von Anfang an nur die Absicht hat, ein Kleinkraftrad (Moped, Mofa) nur mit Pedalkraft fortzubewegen (OLG Oldenburg DAR 1962 130; Celle NJW 1965 63; Cramer% 316 Rdn. 33). Kein Fahrzeug i. S. der §§ 315 c, 316 führt nach OLG Düsseldorf (VRS 50 426), wer ein Mofa ohne Gangschaltung mit laufendem Motor schiebt. Bei Übungs- und Priifungsfahrten gilt im Sinne des StVG der Fahrlehrer als Füh- 9 rer des Kraftfahrzeugs (§ 3 Abs. 2 StVG). Er ist auch für die Führung des Fahrzeugs verantwortlich (§ 3 Abs. 1 StVZO). Da es ihm auch obliegt, den Fahrschüler zu beaufsichtigen und dessen evtl. fehlerhaftes Fahrverhalten zu unterbinden oder zu verbessern, er somit die Pflicht hat, auf verkehrsgerechte Fahrzeugführung zu achten, ist er auch Fahrzeugführer i. S. des § 316. Daneben aber ist auch der Fahrschüler im Sinne dieser Bestimmung Fahrzeugführer, weil er die wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient (OLG Hamm VRS 23 153). Grundsätzlich können nicht mehrere Personen gleichzeitig Fahrzeugführer sein, 10 da § 315 c eigenhändiges Delikt ist (OLG Celle DAR 1965 277). Der in seinem Fahrzeug mitfahrende Halter, der einem wegen Alkoholgenusses erkennbar Fahr(101)

§ 315 c

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

untüchtigem die Führung des Fahrzeugs überläßt, ist nicht Fahrzeugführer und kommt auch nicht als Nebentäter in Frage; er kann jedoch Anstifter oder Gehilfe zu einer vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung sein (BGHSt. 18 6 = VRS 23 286 = NJW 1962 2069). Die Grundsätze des § 28 StGB sind zu beachten. Jedenfalls verstößt der Halter, der die Führung eines Fahrzeugs einem Fahruntüchtigen überläßt oder überträgt gegen § 31 Abs. 2, § 69 a Abs. 5 Nr. 3 StVZO. 11

Ein arbeitsteiliges Führen mehrerer Personen ist aber denkbar {Füll-Möhl-Rüth § 2 StVG Rdn. 7). Dieses setzt ein Einverständnis aller Beteiligten dergestalt voraus, daß jede der Personen bestimmte wesentliche Verrichtungen vorzunehmen hat (OLG Hamm VRS 19 367; NJW 1969 1975). Nur unter diesen Umständen kann auch der im Fahrzeug mitfahrende Halter gleichfalls als Führer des Fahrzeugs (als Mittäter) angesehen werden (OLG Hamm VRS 37 281). Führer eines Pferdefuhrwerks ist, wem die Führung der Zügel, der Peitsche, die Betätigung der Bremse und die typischen Zurufe, mit denen Pferde angetrieben oder zum Halten gebracht werden, obliegen (OLG Hamm VRS 19 367). Führer eines Fahrradtandems ist regelmäßig nicht nur derjenige, der die Lenkstange führt, sondern auch der tretende Mitfahrer, weil er sich an der Fortbewegung des Fahrzeugs wesentlich beteiligt, es sei denn, er hat auch die Führung des Fahrrads keinen oder nur unwesentlichen Einfluß.

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IV. Konkrete Gefährdung. Die Erfüllung des Tatbestands des § 315 c setzt die Herbeiführung einer konkreten Gefährdung für Leib oder Leben eines anderen oder für eine fremde Sache von bedeutendem Wert voraus. Der Begriff deckt sich im wesentlichen mit dem des § 315 b (vgl. Rüth LK § 315 b Rdn. 6 ff), wobei aber nach § 315 b die gefährdende Handlung der tatsächlichen Verkehrsbeeinträchtigung vorauszugehen hat, die Handlung also grundsätzlich außerhalb des fließenden Verkehrs vorgenommen sein muß (ausgenommen die absichtliche zweckfremde Verwendung des Fahrzeugs), § 315 c hingegen ausschließlich Vorgänge des fließenden Verkehrs erfaßt und die Gefahr gerade durch den ein Tatbestandsmerkmal des § 315 c Abs. 1 erfüllenden Verkehrsverstoß herbeigeführt sein muß. Der Eintritt eines nicht bedeutenden Schadens schließt eine Gefährdung nicht aus (OLG Hamm VRS 39, 201). Droht jedoch nur unbedeutende Gefahr, reicht dies nicht aus (vgl. dazu Rüth LK § 315 b Rdn. 8 bis 11).

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Der Gefährdungstatbestand des § 315 c ist u . a . erfüllt, wenn ein Kraftfahrer beim Vorbeifahren an einem Fußgänger sich diesem so weit genähert hat, daß dieser seinen Oberkörper nach rechts drehen muß, um nicht angefahren zu werden (BGH VRS 36 36); verliert ein alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer die Herrschaft über sein Fahrzeug und gerät mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn, so tritt für den Fahrer eines nachfolgenden Wagens eine konkrete Gefährdung ein, wenn er zu unfallverhinderndem gefährlichem plötzlichem Ausweichen oder schnellem Bremsen gezwungen ist (OLG Koblenz VRS 47 349); wer auf stark frequentierter Straße eine dicht aufgeschlossene Kolonne überholt und sich bei Gegenverkehr in eine Lücke von nur 10 m hineindrängt, gefährdet Leib und Leben anderer und bedeutenden Sachwert (OLG Stuttgart VRS 46 36). Fährt ein betrunkener Mofa-Fahrer während des Überholtwerdens durch einen Pkw soweit nach links, daß der Wagen auf den unbefestigten Randstreifen ausweichen muß, liegt i. d. R. eine konkrete Gefährdung des Pkw und seiner Insassen vor (OLG Koblenz VRS 51 105). Bei nur leichtem Sachschaden muß die konkrete Gefährdung aus der Fahrweise hergeleitet werden (OLG Koblenz VRS 51 284). (102)

Gefährdung des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

Eine dem Fahren zeitlich nachfolgende Gefahr wird vom Tatbestand des § 315 c 14 grundsätzlich nur erfaßt, wenn sie unmittelbare Folge der Verkehrswidrigkeit ist (OLG Celle VRS 37 118). Dies muß z. B. verneint werden, wenn ein alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer von der Straße abkommt, dadurch ein Leitpfosten auf die Straße geschleudert wird, ein nachfolgender Kraftfahrer etwa 15 Min. später den Pfosten überfährt und dabei Schaden erleidet (OLG Stuttgart DAR 1974 106). Bleibt ein Fahrzeug infolge eines auf Grund alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit verursachten Unfalls auf der Fahrbahn liegen, so liegt die sich hieraus ergebende Gefahr für andere grundsätzlich außerhalb des Tatbestandes des § 315 c (OLG Hamm DAR 1973 247), es sei denn, daß die hierdurch entstandene Gefahr für einen nachfolgenden oder entgegenkommenden Fahrzeugführer noch in einem zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit dem alkoholbedingten Fehlverhalten des Täters steht (OLG Celle VRS 39 256); dies ist z. B. dann anzunehmen, wenn der Unfall des Alkoholtäters und Gefährdung des anderen Verkehrsteilnehmers bzw. der Auffahrunfall eines anderen Fahrzeugführers als einheitlicher Geschehensvorgang anzusehen ist. Ist dies nicht der Fall, ist § 315 b Abs. 1 Nr. 2 oder 3 bzw. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g StGB zu prüfen. V. Fahruntüchtigkeit. 1. Die Voraussetzungen der alkoholbedingten oder auf 15 anderen berauschenden Mitteln beruhenden Fahruntiichtigkeit sind die gleichen wie in § 316 StGB (dortige Rdn. 9 ff). Zu unterscheiden ist zwischen relativer und absoluter Fahruntüchtigkeit. Der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit liegt bei Führern von Kraftfahrzeugen bei 1,3 %>. Die zum Sturztrunk ergangene Rechtsprechung ist durch die Entscheidung des BGH (NJW 74 246 Anm. Händel) im wesentlichen als überholt anzusehen (Rüth LK §316 Rdn. 16). Bei Führern von Nichtkraftfahrzeugen hat die Rechtsprechung eine Promille-Grenze, deren Überschreiten die Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit rechtfertigt, nicht festgelegt. Mofafahrer hat der BGH den Radfahrern zugeordnet (BGH DAR 1975 49; ebenso Hamburg DAR 1975 247). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu § 316 StGB Bezug genommen. Das Vergehen nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a kann nur durch Handeln, nicht durch Unterlassen begangen werden (KG VRS 10 138). Es ist eigenhändiges Delikt. 2. Körperliche oder geistige Mängel können nur dann bejaht werden, wenn 16 gegenüber dem Regelzustand eine für den öffentlichen Straßenverkehr bedeutsame körperliche oder geistige Fähigkeit gemindert ist oder fehlt. Nur solche Mängel kommen in Betracht, die die sichere Führung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr in einem Umfang beeinträchtigen, daß hierdurch andere gefährdet werden. Die Mängel können dauernd oder auch nur vorübergehend sein. a) Eine unterste Altersgrenze bestimmt § 7 StVZO nur für Fahrer von Kraftfahr- 17 zeugen. Dies besagt jedoch nicht, daß ein 15jähriger allgemein körperlich oder geistig ungeeignet zur Führung von Fahrzeugen wäre und deshalb bei einem Unfall nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB zu belangen ist. Vielmehr ist die körperliche und geistige Eignung i. S. von § 315 c der Wertung des Einzelfalles überlassen. Bei einem 15jährigen wird man z. B. die Eignung als Fuhrwerkslenker im allgemeinen bejahen können. In höherem Alter kann die geistige Spannkraft erheblich nachlassen und Fahruntüchtigkeit begründen. Da jedoch die sichere Führung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht absolut in dem Sinn zu verstehen ist, daß Gefährdungen schlechthin ausgeschlossen sind, vielmehr nur relative Bedeutung hat, kann (103)

§ 315 c

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

unter der Fähigkeit zur sicheren Führung nur ein Verkehrsverhalten verstanden werden, das in Bezug auf das geführte Fahrzeug den Anforderungen des modernen Verkehrs gerecht zu werden vermag. Auf das Alter allein kann deshalb nicht abgestellt werden. 18

b) Körperliche Gebrechen können die Fähigkeit zum Fahrzeugführer beseitigen. Dies gilt aber nicht allgemein. Ein Fahrzeugführer ist dann wegen körperlicher Mängel zur Fahrzeugführung nicht befähigt, wenn er an einer Krankheit leidet, die seine Verkehrstüchtigkeit ständig (oder vorübergehend für die Zeit des Bestehens der Krankheit) unter das erforderliche Maß herabsetzt oder auch nur die erhebliche Gefahr einer plötzlich eintretenden Verkehrsuntüchtigkeit bietet {Full-Möhl-Rüth § 2 StVZO Rdn. 13; OLG Neustadt VkBl. 1956 679). Nachtblindheit hat grundsätzlich zur Folge, daß der daran Leidende ein Fahrzeug vom Anbeginn der Dämmerung wegen dieses körperlichen Mangels nicht mehr sicher führen kann. Auch ein an Blindheit grenzendes Augenleiden bedingt Fahruntauglichkeit. Eine fortgeschrittene zerebrale Arteriosklerose macht i. d. R. fahruntauglich, weil der davon Betroffene sich nicht mehr hinreichend auf die jeweilige Verkehrssituation einstellen kann (VGH Kassel DAR 1964 255). Allerdings wird in diesem Fall die Frage der Fahrtauglichkeit meist erst durch die Begutachtung eines Sachverständigen (medizinisch-psychologische Untersuchung) beantwortet werden können. Tatfrage ist auch, ob ein Radfahrer mit einer verkrüppelten Hand das Fahrzeug sicher führen kann; dies wird jedenfalls dann bejaht werden müssen, wenn er mit dieser Hand während des Richtungszeichengebens mit der anderen Hand die Lenkstange allein bedienen kann (Full-Möhl-Rüth aaO Rdn. 14). Gehörlosigkeit schließt Fahrtauglichkeit nicht immer aus (so auch OVG München VRS 7 235), weil die akustische Einwirkung im Rahmen der normalen verkehrsgerechten Abwicklung der Verkehrsvorgänge keine wesentliche Rolle mehr spielt und andere Verkehrsteilnehmer akustische Zeichen nur im Falle der Gefahr geben dürfen. Eine solche selbstverschuldete Gefahr hat aber jeder Kraftfahrer schon von vorneherein zu vermeiden; außerdem ist ein Verkehrsverstoß grundsätzlich nicht darin zu erblicken, daß das Warnzeichen überhört, sondern weil die Gefahrenlage geschaffen wurde. Farbblinde sind als Fahrzeugführer nicht ausgeschlossen, da sie die unterschiedlichen Farb-(Licht-)zeichen erlernen können (so auch Booß VerkMitt. 1966 58; im Ergebnis ebenso BVerwG VerkMitt. 1966 58 Nr. 109; a. A. wohl Cramer§ 315 c Rdn. 10). Fiebrige Erkrankungen machen für die Dauer der Erkrankung fahruntüchtig. Nach LG Gießen soll ein allergischer Heuschnupfen Fahruntüchtigkeit bedingen (NJW 1954 612 m. Anm. Booß). Dieser Entscheidung kann aber nicht uneingeschränkt zugestimmt werden; es kommt auf die Intensität des Schnupfens an, auf die Art des geführten Fahrzeugs und die Jahreszeit, in der das Fahrzeug geführt wird. Ein Star-Leiden macht grundsätzlich fahruntauglich. Auch nach einer Staroperation hat ein Patient die Pflicht, sich beim behandelnden Arzt über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu unterrichten (OLG Hamm VerkMitt. 1959 24 Nr. 46), wie überhaupt bei bekannten Leiden von jedem Fahrzeugführer vor Antritt der Fahrt eine kritische Selbstüberprüfung zu verlangen ist. Hat eine Erkrankung zu einer Bewußtseinsstörung, zu krisenhaften Sinnesstörungen, zu Augenflimmern, Schwindelanfällen geführt, ist Fahrunfähigkeit anzunehmen, solange mit dem Auftreten dieser Krankheitserscheinungen zu rechnen ist. Durchführung einer Fahrt in Kenntnis der die Fahrfähigkeit beeinträchtigenden Bewußtseins- oder Wahrnehmungstrübung ist nach den Grundsätzen der vorverlegten Schuld (actio libera in causa) zu beurteilen. (104)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

Einzelne körperliche Mängel können durch den Gebrauch technischer Hilfsmit- 19 tel ausgeglichen werden, wodurch die Fahrfähigkeit wieder hergestellt werden kann; dies gilt z. B. bei Kurzsichtigkeit durch den Gebrauch einer Brille. Schwerhörigkeit führt grundsätzlich nicht zur Fahrunfähigkeit, ist insoweit kein körperlicher Mangel im Sinne des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 b; jedoch kann im Einzelfall der Gebrauch eines Hörgerätes nach § 12 StVZO zur Auflage gemacht werden. Bei Bein- oder Armamputationen kann der Mangel durch eine Prothese, vor allem aber durch den Einbau einer Getriebeautomatik, durch andere Anordnung der von Hand zu bedienenden Hebel soweit ausgeglichen werden, daß der Mangel auf die Fahrtüchtigkeit ohne Einfluß ist. Welche technischen Einrichtungen anzubringen sind, ist im Einzelfall Tatfrage. Erforderlich ist, daß die zur sicheren Führung des Fahrzeugs notwendigen technischen Hilfsmittel auch von dem mit einem körperlichen Mangel Behafteten tatsächlich gebraucht werden; läßt er sie ungenutzt, ist er wegen des vorhandenen Mangels i. d. R. zur sicheren Führung des Fahrzeugs nicht in der Lage. Ein Beifahrer kann einen körperlichen Mangel des Fahrzeugführers nicht ausgleichen (ebenso Cramer Rdn. 12). d) Geistige Mängel können ebenso wie körperliche die Fähigkeit, ein Fahrzeug 20 sicher zu führen, ausschließen. Wer schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB ist, muß i. d. R. als fahruntauglich anzusehen sein, sei es, daß die Unfähigkeit im Sinne des § 20 auf intellektuellen Mängeln und Ausfällen oder auf psychischen Ursachen beruht. Dabei kann die geistige Unfähigkeit vorübergehender (z. B. bei toxischen Störungen) oder dauernder Art sein (vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen von Lange in LK 9 zu § 51). Zu bedenken ist aber, daß psychische Störungen sich aber nicht allgemein, sondern in Einzelfällen nur auf Teilbereiche zu erstrecken brauchen, was insbes. bei Monomanien in Erscheinung tritt (partieller Wahnsinn). Wird ein Täter deshalb z. B. wegen eines Sexual- oder Eigentumsdeliktes unter Heranziehung des § 20 StGB freigesprochen, hat dies nicht notwendig auch die Unfähigkeit ein Fahrzeug zu führen zur Folge. Psychopathie ist ebensowenig wie Neurose deshalb allgemein ein zur Fahrunfä- 21 higkeit führender Mangel. Beide können aber einen Fahrzeugführer zur sicheren Führung eines Fahrzeugs außerstande setzen, wenn sich die Erregung auf die Fahrzeugführung auswirkt. In der Praxis wird dies in seltenen Fällen nachträglich (!) beweisbar sein, soweit überhaupt zur Nachprüfung geeignete Tatsachen bekannt werden. Zur Psychopathie und Neurose, der Abgrenzung zwischen beiden und dem bestehenden wissenschaftlichen Streit vgl. Lange LK 9 § 51 Rdn. 38 ff. Verminderte Schuldunfähigkeit (§ 21 StGB) führt nicht zur Straflosigkeit, kann aber zur sicheren Fahrzeugführung unfähig machen. Ob die auf psychischen Ursachen beruhenden geistigen Mängel zur sicheren Fahrzeugführung untauglich machen, wird nur ein Sachverständiger und nicht der Richter beurteilen können. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß gewisse Medikamente die Verkehrstüchtig- 22 keit, insbes. aber die Fähigkeit zur Fahrzeugführung wesentlich beeinträchtigen und auch ausschließen können. Aus diesem Grund hat das Bundesgesundheitsamt im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums seine Liste von Medikamenten zusammengestellt, die mit einer besonderen Warnung für Kraftfahrzeugführer versehen werden sollen. Jeder Kraftfahrer ist verpflichtet, bei Einnahme von Medikamenten deren Gebrauchsanweisung zu beachten (so schon Braunschweig DAR 1964 170), insbes. auch zu überprüfen, ob sie Alkohol enthalten (wie z. B. Klosterfraumelissengeist). Hinsichtlich der Fahrunfähigkeit durch Zusammenwirken von Alkohol und (105)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Medikamenten vgl. Rüth LK § 316 Rdn. 31 ff, durch Einnahme berauschender Mittel (auch Medikamente) vgl. Rüth LK § 316 Rdn. 81. 23

Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die nicht als Rauschmittel anzusehen sind, aber die sichere Führung vor allem eines Kraftfahrzeuges nicht mehr in jedem Fall gewährleisten. Hierzu gehören z. B. starke Schlaf- oder Beruhigungsmittel (Saridon: OLG Oldenburg DAR 1964 304; Librium: OLG Stuttgart NJW 1966 410, Anm. Gaisbauer; Barbiturate: OLG Hamburg DAR 1965 27; Antobus: OLG Frankfurt VRS 29 476), wie auch Psychopharmaka. Es wird aber vor allem auf die Menge der eingenommenen Medikamente ankommen. Eine allgemeine Bewertungsnorm läßt sich nicht aufstellen. Eine abschließende Aufzählung der die Fahrfähigkeit beeinträchtigenden Medikamente kann ihrer Vielzahl wegen hier nicht erfolgen.

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In der Praxis wohl die größte Bedeutung hat die Frage der durch Übermüdung bedingten Fahruntüchtigkeit (vgl. dazu Müller, Kraftfahrer und Übermüdung DAR 1963 235; BGH VRS 7 181; 17 21). Sie dürfte den geistigen Mängeln zuzuordnen sein. Eine bei einem Kraftfahrer bestehende Übermüdung ist besonders gefahrenträchtig, wenn er darüber hinaus unter dem Einfluß von Alkohol, Narkotika oder Medikamenten steht. Schon geringe Mengen Alkohols können nach allgemeiner Erfahrung bei vorhandener Übermüdung zu einer erheblichen Herabsetzung der Gesamtleistung und damit zur Fahruntüchtigkeit führen (BGH DAR 1958 93 bei Martin)', in diesem Fall ist jedoch, weil die Fahruntüchtigkeit auch mitursächlich auf dem Alkoholgenuß beruht, § 316 bei Eintritt konkreter Gefahr § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB anzunehmen.

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Nach dem gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft nimmt ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer seines Fahrzeugs einschläft, stets deutliche Zeichen der Ermüdung wahr oder ist bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit in der Lage, solche Ermüdungserscheinungen wahrzunehmen (BGHSt. 23 156 = VRS 38 144; LAG Berlin MDR 1962 936; BAG VRS 28 77; gegen frühere Entscheidungen: BGH VRS 5 374; 7 181 ; 14 361 ; OLG Hamm VRS 25 214); denn ein gesunder, bislang hellwacher Mensch wird nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen; vielmehr kündigt sich jede Müdigkeit durch besondere Anzeichen an (vgl. Ponsold, Lehrb. d. gerichtl. Med. (1967) Seite 185 bis 187; Effenberger, Hoffmann, Wagner, Handb. d. Verkehrsmed. (1968) Seite 603). Solche Frühsymptome sind z. B. Lidschwere, Sehen von Doppelbildern, Fremdkörperreiz in den Augen u. ä. Ob bei Personen, die an Narkolepsie leiden oder unter dem Einfluß von Alkohol, Narkotika oder Medikamenten stehen, eine Übermüdung zum plötzlichen Einschlafen führen kann, ist noch nicht hinreichend geklärt. Dieser Personenkreis dürfte aber im allgemeinen wegen geistiger Mängel (zumindest vorübergehend) fahruntüchtig sein.

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Jeder Kraftfahrer ist verpflichtet, die ersten Ermüdungsanzeichen bei sich zu beachten. Er hat sofort und unverzüglich eine Fahrtpause einzulegen. Schläft ein gesunder Kraftfahrer während der Fahrt ein, so liegt die Ursache und sein Verschulden allein darin, daß er sich über seine Müdigkeit entweder bewußt hinwegsetzt, oder daß er nicht in der ihm möglichen und von ihm zu verlangenden Weise auf das Nachlassen seiner geistigen Aufnahmefähigkeit und seiner Reaktionsfähigkeit geachtet hat (so BGHSt. 23 156 = VRS 38 144). Fahrlässig ist es deshalb, nach den ersten Anzeichen einer Übermüdung die Fahrt mit einem Kraftfahrzeug anzutreten oder fortzusetzen, insbesondere, wenn der Kraftfahrer seit etwa 20 Stunden (106)

Gefährdung des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

nicht geschlafen hat und Alkohol, sei es auch in nur geringer Menge zu sich genommen hat (vgl. LSG Hamburg, Blutalkohol 1968 285); schläft der Führer des Kraftfahrzeugs auf dieser Fahrt ein, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe mit seinem Einschlafen nicht zu rechnen brauchen (BGH VRS 5 210; DAR 1954 208; VRS 8 406 = DAR 1955 160; DAR 1958 88 bei Martin A II, 4; BGHSt. 23 156 = VRS 38 144; OLG Schleswig VerkMitt. 1955 13; OLG Hamm VRS 17 440). Ist die Übermüdung des Fahrzeugführers auf den Genuß von Alkohol, Narkotika oder Medikamenten zurückzuführen, wird das Verschulden des Täters auch nach den über die vorverlegte Schuld entwickelten Grundsätzen gewürdigt werden müssen (vgl. BGH VRS 14 282, 441 ; 21 54; 31 107). Macht der Kraftfahrer geltend, er sei von einer schweren Müdigkeit plötzlich 27 überfallen worden, ohne daß er sich daraufhätte rechtzeitig einstellen können, wird die Beiziehung eines Sachverständigen zur Überprüfung der Frage, ob Krankheit die Ursache der behaupteten Nicht-Erkennbarkeit der bestehenden Übermüdung war, grundsätzlich erforderlich sein (BGH VRS 14 361; VRS 14 441 = DAR 1958 194; Hamm NJW 1953 1077 = DAR 1953 160; vgl. auch BGHSt. 23 156 = VRS 38 144 = DAR 1970 79). Hat ein Kraftfahrer bei einem Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten und kann er sich an die Zeit vor dem Unfall nicht mehr erinnern, ist dies keine Indiztatsache dafür, daß er vor dem Unfall hochgradig ermüdet war (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1978 15). 3. War der Täter bei Beginn der Fahrzeugführung nicht mehr in der Lage, seine 28 Unfähigkeit zur Fahrzeugführung zu erkennen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln, kommt es darauf an, ob er die entscheidende Ursache seiner Fahrunfähigkeit in Kenntnis des Umstandes der später zu unternehmenden Fahrt in noch zurechnungsfähigem Zustand gesetzt hat. Ist dies der Fall, ist der Täter aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der actio libera in causa unmittelbar aus § 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB zu belangen (vgl. dazu Lange LK 9 § 51 Rdn. 12—1A m. weit. Nachweisen). Hat der Täter erst im Zustand der Volltrunkenheit den Entschluß, ein Fahrzeug zu führen, gefaßt, kommt an Stelle des § 315 c der § 330 a in Betracht (nähere Einzelheiten hierzu bei Rüth LK § 316 Rdn. 70 ff). VI. In Absatz 1 Nr. 2 sind die besonders groben Verkehrsverstöße gegen die Vor- 29 Schriften der StVO aufgezählt, deren Unfallträchtigkeit statistisch nachgewiesen ist. Sie sind unter der Voraussetzung, daß durch die Zuwiderhandlung Leib oder Leben eines anderen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert gefährdet werden, Vergehen. Schon das erste Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. 12. 1952 (BGBl. I 832) hat in § 315 a Abs. 1 Nr. 4 StGB a. F. den Weg der Einzelaufzählung begonnen, dabei aber nur Vorfahrtverletzung, falsches Überholen und zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen oder -einmündungen erfaßt. Es stellte sich alsbald heraus, daß diese Aufzählung nicht genügte, weil nur ein kleiner Teil der besonders gefahrenträchtigen Verkehrsverstöße benannt war. Das 2. StrVerkSichG vom 26.11. 1964 (BGBl. I 921) hat deshalb die Katalogisierung erweitert. Der Katalog des Absatz 1 Nr. 2 ist erschöpfend und kann durch die Rechtsprechung nicht in analoger Anwendung oder durch Erfassung anderer Verkehrsverstöße unter dem Begriff des Hindernisbereitens oder des „ähnlichen Eingriffs" im Sinne des § 315 b ergänzt werden (OLG Hamm NJW 1969 1976). Zur Entstehungsgeschichte: Härtung NJW 1965 86; Lackner JZ 1965 92, 120; Nüse JR 1965 41; Warda MDR 1965 1. (107)

§ 315 c 30

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

1. Für die in Absatz 1 Nr. 2 genannten Verkehrsverstöße genügt nicht nur, daß sie sich als Zuwiderhandlungen gegen die verkehrsrechtlichen Bestimmungen darstellen ; sie werden vielmehr zum Vergehenstatbestand erst dann aufgewertet, wenn sie grob verkehrswidrig und rücksichtslos begangen sind. Der Tatrichter hat die Einzelumstände, aus denen er die grobe Verkehrswidrigkeit und die Rücksichtslosigkeit folgert, in den Urteilsgründen in nachprüfbarer Weise darzulegen. Der Umstand, daß der Täter gegen mehrere Begehungsformen des Absatz 1 Nr. 2 verstoßen hat, reicht allein zur Annahme grober Verkehrswidrigkeit und rücksichtslosen Verhaltens nicht aus (so auch BGH VRS 16 132). Auch genügt bei mehreren Verstößen nicht, daß der Täter in einem Fall grob verkehrswidrig, im anderen rücksichtslos gehandelt hat; vielmehr müssen bei jeder einzelnen Tat beide Merkmale sicher nachgewiesen werden (BGH aaO; OLG Karlsruhe NJW 1957 1567). Die vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals eines grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verkehrsverstoßes setzt nicht das Wissen des Täters voraus, er handle grob verkehrswidrig und rücksichtslos, sondern nur die Kenntnis der Tatsachen, die diese Wertung rechtfertigen (BayObLGSt. 1968 91 = VRS 36 363).

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a) Grob verkehrswidrig ist ein Verhalten, das sich objektiv als ein schwerer Verkehrsverstoß gegen die Verkehrsvorschriften und gegen die Verkehrssicherheit darstellt (OLG Stuttgart NJW 1967 1766; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1965 278; OLG Schleswig Sehl HA 1954 257). Nicht jedes Fehlverhalten im Straßenverkehr ist schon deshalb grob verkehrswidrig, weil es eine nicht unerhebliche Gefahr für andere herbeigeführt hat. So ist z. B. nicht jede Vorfahrtsverletzung schon eine grobe Verkehrswidrigkeit. Ob ein Verhalten grob verkehrswidrig war, kann nur nach der konkreten Verkehrslage und dem konkreten Verhalten des beteiligten Verkehrsteilnehmers beurteilt werden (OLG Braunschweig VRS 32 373). In welchem Maße die Verkehrssicherheit allgemein beeinträchtigt worden war, kann nicht alleiniges Kriterium sein, es kommt vielmehr darauf an, ob in der konkreten Verkehrslage der vom Täter begangene Verkehrsverstoß, allgemein betrachtet, typischer Weise besonders gefährlich war (so auch Sch.-Schröder-Cramer§ 315 c Rdn. 26).

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Als grob verkehrswidrig wird in der Regel z. B. anzusehen sein: sog. Kolonnenspringen unter Gefährdung der überholten oder entgegenkommenden Fahrzeuge (LG Bochum DAR 1957 302), Rechtsüberholen auf dem Gehweg (OLG Hamm VRS 32 449) oder auf der Autobahn (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1970 76 Nr. 93; OLG Frankfurt VRS 46 191); Überholen bei Sichtweite von nur 20 m und Schneiden des Überholten mit folgendem Zusammenstoß (OLG Koblenz VRS 47 31); Schneiden einer scharfen unübersichtlichen Linkskurve mit hoher Geschwindigkeit (OLG Koblenz VRS 46 344); Fortsetzung eines Überholmanövers kurz vor einer unübersichtlichen und abschüssigen Kurve (OLG Koblenz VRS 49 40); private Rennfahrten auf belebten Straßen (BGH bei Martin DAR 1960 68); Nichtbeachten der Vorfahrt an Schnellstraßen (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1966 3). Grob verkehrswidrig handelt auch ein Kraftfahrer, der trotz vereister Scheiben und deshalb ungenügender Sicht mit seinem Pkw einen Omnibus überholt und hierbei mit einer Geschwindigkeit fährt, die ihn außerstande setzt, innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Sichtweite anhalten zu können (BayObLG VRS 35 280). Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um das Doppelte kann grob verkehrswidrig und rücksichtslos sein (OLG Karlsruhe NJW 1960 546; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 26; Dreher Rdn. 13), ist es aber nicht in jedem Fall (vgl. Jagusch § 315 c Rdn. 25; Cra(108)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

mer§ 315 c Rdn. 43), z. B. dann wohl kaum, wenn der Täter ein nicht gerechtfertigtes 10 oder auch 20 km/h-Schild nicht genügend beachtet. b) Rücksichtslos handelt, wer sich im Straßenverkehr aus eigenmächtigen 3 3 Beweggründen über seine Pflichten gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern hinwegsetzt oder aus Gleichgültigkeit von vorneherein Bedenken gegen sein Verhalten nicht aufkommen läßt (BGHSt. 5 392; VRS 14 304; 17 43; OLG Braunschweig VRS 30 286; 32 372; OLG Zweibrücken VRS 33 201; OLG Köln VRS 33 283; OLG Stuttgart NJW 1967 1766; 1968 1792; Justiz 1970 238; so auch schon OLG Celle NJW 1957 1568; OLG Karlsruhe NJW 1960 546; OLG Braunschweig NJW 1954 486; vgl. auch SchwelingZStW 72 (1960) 464; KrummeZ. f. Verkehrsrecht 1965 117; Grohmann DAR 1975 260). Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit setzt eine üble Verkehrsgesinnung voraus; das äußere Tatgeschehen reicht hierfür als Beurteilungsmaßstab ebensowenig aus (BGH VRS 20 21; OLG Braunschweig VRS 30 286), wie der Umstand, daß sich der Täter bewußt über bestehende Verkehrsvorschriften hinwegsetzte (OLG Karlsruhe NJW 1960 546). Ausschlaggebend ist die innere Einstellung des Täters zu anderen Verkehrsteilnehmern, die sich in Leichtsinn, Eigensucht, Gleichgültigkeit, durch gerade unverständliche Nachlässigkeit ihnen gegenüber kennzeichnet (BGH VRS 7 98; 20 51; OLG Braunschweig VRS 30 286; OLG Stuttgart DAR 1976 23). Grobe Nachlässigkeit allein reicht nicht aus (OLG Stuttgart VRS 41 274). Nur äußerst verwerfliche Verfehlungen von allgemein unverständlicher Nachlässigkeit können als rücksichtslos i. S. von § 315 c angesehen werden (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1977 88). Der innerste Beweggrund für das Bestreben, schneller vorwärts zu kommen, braucht nicht aufgeklärt zu werden, denn wer sich über die Pflichten gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern bewußt oder unbewußt hinwegsetzt, handelt jedenfalls dann nicht mehr aus einem Beweggrund, der noch als verständlich, geschweige denn als verständig anerkannt werden könnte, wenn er das Leben und die Gesundheit anderer in Frage stellt (BayObLGSt. 59 263 = JR 1960 70); denn ein rücksichtsloses Verhalten kann regelmäßig nicht schon deshalb verneint werden, weil der Täter den Verkehrsverstoß aus verständlichen Beweggründen begangen hat (KG VRS 40 268). So steht die Tatsache, daß ein Arzt einen Verkehrsverstoß begeht, um rasche Hilfe bringen zu können, der Annahme rücksichtslosen Handelns grundsätzlich nicht entgegen (OLG Stuttgart Justiz 1963 37). Wer bewußt riskant fährt, handelt rücksichtslos (Düsseldorf VM 1974 37 Nr. 50). Rücksichtslos handelt auch, wer auf der Autobahn rechts überholt und sich dann in eine kurze Fahrzeuglücke nach links hineindrängt und ihn in Gefahr bringt, gleichgültig, ob der andere die Überholspur eine gewisse Zeit blockiert hat (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1970 76 Nr. 93; OLG Köln VRS 35 436), oder mit hoher Geschwindigkeit ein Raststättengelände durchfährt und in knappem Abstand vor dem früheren Vordermann wieder auf die Autobahn einbiegt (OLG Frankfurt VRS 46 191), oder neben einem anderen Kraftfahrzeug 500 bis 600 m fährt, ohne es zu überholen und den Überholversuch auch vor einer Bergkuppe nicht abbricht (OLG Koblenz VRS 45 114). Die Rücksichtslosigkeit muß sich auf den konkreten Verkehrsvorgang beziehen; die Feststellung eines Charaktermangels wird nicht vorausgesetzt (BGH VRS 14 304); aus diesem Grund kann sich im Einzelfall rücksichtlos auch ein sonst rücksichtsvoller Fahrzeugführer verhalten (BGH VRS 15 348). Allerdings kann die Frage der Rücksichtslosigkeit je nach der Verkehrslage unterschiedlich beurteilt werden (BGH VRS 50 342). (109)

§ 315 c

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

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Der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit entfällt, wenn der Täter in einem Zustand hochgradiger das Bewußtsein einengender Erregung gehandelt hat und deshalb nicht die bei voller Zurechnungsunfähigkeit gebotene verantwortungsbewußte Verkehrsgesinnung aufbringen und sich demgemäß verhalten konnte (BGH NJW 62 2 1 6 5 ) . Eine nur kurz vorübergehende Unaufmerksamkeit, eine auf menschlichem Versagen beruhende falsche Beurteilung der Verkehrslage (BGHSt. 5 301; VRS 13 28; OLG Köln VRS 6 376), ein Fehlverhalten aus Bestürzung oder Schrecken im Augenblick der Gefahr, verdient nicht den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit (BGH VRS 23 291; OLG Braunschweig VRS 30 286). Auch bloße Gedankenlosigkeit oder sogar grobe Nachlässigkeit reicht nicht aus (OLG Stuttgart NJW 1967 1766; Justiz 71 310); ebensowenig das Übersehen eines Verkehrszeichens (BGH VRS 16 132) oder die Verletzung der Vorfahrt, wenn der Fahrzeugführer einen Vorfahrtberechtigten deshalb nicht rechtzeitig bemerkt hat, weil er auf die schwieriger einzusehende andere Seite an der Einmündung oder Kreuzung geblickt hat (BayObLG DAR 1955 44). Ein Ins-Schleudern-Kommen, weil der Fahrer die Straßenverhältnisse oder die Kurve unrichtig beurteilt hat, braucht nicht auf rücksichtslosem Verhalten beruhen (OLG Hamm VRS 38 50). Der gesteigerte Grad subjektiver Vorwerfbarkeit, der das Merkmal der Rücksichtslosigkeit kennzeichnet, kann ausgeschlossen sein, wenn der Kraftfahrer einem Dritten gegenüber Rücksichtnahme übt, aber dadurch gleichzeitig einen anderen Verkehrsteilnehmer grob verkehrswidrig gefährdet (OLG Stuttgart VRS 45 437).

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Andererseits wurde Rücksichtslosigkeit eines Kraftfahrzeugführers angenommen, der aus Nachlässigkeit drei Verkehrszeichen hintereinander unbeachtet ließ, die auf die Wartepflicht hinwiesen, und der deshalb die Vorfahrt verletzt hat (BGH VRS 7 98 = DAR 1954 207). Rücksichtsloses Verhalten ist in der Regel anzunehmen, wer einen anderen aus Ärger über die blockierte Überholspur rechts überholt und ihn dann gefärdend schneidet (OLG Köln VRS 35 436); desgleichen, wer nur des eigenen schnelleren Vorwärtskommens wegen beim Überholen andere gefährdet (BGHSt. 5 396; VRS 17 46; BayObLG VerkMitt. 1968 33), oder wer den Überholten aus unverständlicher Gedankenlosigkeit so schneidet, daß er ihn streift und gefährdet (OLG Zweibrücken VRS 33 201).

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Ein Täter kann sowohl vorsätzlich wie fahrlässig rücksichtslos handeln (BGHSt. 5 396; VRS 14 304; 17 46; OLG Oldenburg VRS 18 444; OLG Braunschweig VRS 30 286; OLG Stuttgart M D R 1967 852; OLG Köln VRS 33 283; Dreher Rdn. 19; Lackner Anm. 6 b, c; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 27). Die früher vertretene Auffassung von Lackner (MDR 1953 73; OLG Braunschweig NJW 1954 486; vgl. auch Härtung „Zum inneren Tatbestand der Vergehen gegen die Straßenverkehrssicherheit" DAR 1953 141; JR 1954 309), wonach fahrlässig rücksichtsloses Verhalten nicht für denkbar gehalten wurde, dürfte als überholt anzusehen sein. Handelt der Täter hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale vorsätzlich, also auch hinsichtlich der Herbeiführung der Gefahr, wird er grundsätzlich auch rücksichtslos handeln. Trotzdem ist aber der Beweggrund des Handelns besonders zu überprüfen, weil Rücksichtslosigkeit und Vorsatz unterschiedliche Merkmale sind und vorsätzliches Handeln nicht rücksichtslos zu sein braucht (BGH DAR 1955 282). Bewußt fahrlässig rücksichtslos handelt ein Fahrzeugführer, der sich im gegebenen Fall seiner Pflicht bewußt ist, aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Vorwärtskommens wegen, sich über sie hinwegsetzt, mag er auch darauf vertrauen, daß es zu einer Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht kommen werde. Unbewußt fahrlässig rücksichtslos handelt ein Fahrzeugfüh(110)

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§ 315 c

rer, der sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrzeugführer nicht besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich gar nicht aufkommen läßt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens darauf losfährt obwohl sich Bedenken gegen seine Fahrweise geradezu aufdrängen mußten (BGHSt. 5 385; VRS 16 356; 17 43; 23 289; OLG Koblenz VRS 53 186). In den Urteilsgründen muß dargelegt werden, ob der Täter mit bewußter oder unbewußter Fahrlässigkeit rücksichtslos gehandelt hat (OLG Oldenburg VRS 18 444; OLG Celle NJW 1957 1568. OLG Braunschweig VRS 30 286). 2. Die einzelnen Verkehrsverstöße des Absatzes 1 Nr. 2: a) Nichtbeachtung der 37 Vorfahrt. Einigkeit besteht, soweit ersichtlich, darin, daß unter Vorfahrt der Nr. 2 Buchst, a nicht nur die des § 8 StVO, sondern jeder Verkehrsvorgang zu verstehen ist, bei dem ein Fahrzeugführer einem anderen das diesem zustehende Vorrecht in einer vorfahrtähnlichen Verkehrslage einzuräumen hat (BGHSt. 11 219 = NJW 1958 678; BayObLG VRS 16 44; OLG Hamm VRS 13 291 = NJW 1957 1528; OLG Hamburg VerkMitt. 1961 35 Nr. 49; Dreher Rdn. 5; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 16); denn in Übereinstimmung mit dem BGH (aaO) und auch im Hinblick auf die amtliche Begründung zum Gesetz zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (BT Drucks. Nr. 2674 vom 10. 10. 1951) und die geschichtliche Entwicklung (vgl. Müller StVR21 § 315 c Anm. zu Nr. 4, Seite 466), ist ein Vorfahrtfall im Sinne des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a (§ 315 a Abs. 1 Nr. 4 StGB a. F.) immer dann anzunehmen, wenn im öffentlichen Straßenverkehr die Fahrlinien zweier Fahrzeuge (bei unveränderter Fahrweise) zusammentreffen oder sich gefährlich nahekommen und einem von beiden der Vorrang gebührt. Aus diesem Grund umfaßt § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a nicht nur die Vorfahrtfälle im engeren Sinn, sondern auch die den eigentlichen Vorfahrtfällen verwandten Verkehrsvorgänge. Der Begriff der Vorfahrt i. S. des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 a erfaßt demnach auch das Vorrecht des Entgegenkommenden gegenüber dem Linksabbieger, gleichgültig, ob der Entgegenkommende geradeaus weiterfahren (§ 9 Abs. 3 StVO) oder nach rechts abbiegen will (§ 9 Abs. 4 StVO), weil die Formulierung, der nach links Abbiegende habe entgegenkommende Fahrzeuge „durchfahren" zu lassen, die Einräumung eines Vorrechts enthält. Gleiches gilt für das Vorrecht des fließenden Verkehrs gegenüber den in ein Grundstück Einfahrenden oder aus diesen Ausfahrenden (§ 10 StVO; BGH M D R 1971 505), das Vorrecht der Schienenbahnen nach § 19 StVO (vgl. OLG Hamburg VerkMitt. 1961 35 Nr. 49), das Vorrecht der Sonderrechtsfahrzeuge nach § 35 StVO (vgl. BGHSt. 11 219), die Gewährung des Vorrechts an Engstellen durch Zeichen 208 gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 1 c StVO (OLG Oldenburg VRS 42 34), Vorfahrteinräumung auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen nach § 18 Abs. 3 StVO (Cramer Rdn. 18), sowie für die Wartepflicht nach § 6 StVO hinter einem Hindernis, wenn der Gegenverkehr durch die Vorbeifahrt behindert wird (Cramer aaO; Mühlhaus § 315 c StGB Anm. 7 a; KG VRS 46 192). Keine Vorfahrtverletzung begeht der Linksfahrende, der einem entgegenkom- 38 menden Fahrzeug nicht rechtzeitig nach rechts ausweicht, weil es sich hierbei nicht um einen vorfahrtähnlichen Vorgang handelt (BGH VRS 38 100). Keinen Vorfahrtfall regelt auch § 11 StVO; denn dort wird nur vorgeschrieben, daß der an sich Bevorrechtigte in besonderen Verkehrslagen auf sein Vorrecht verzichten muß, ohne aber gleichzeitig einem anderen Verkehrsteilnehmer ein Vorrecht einzuräumen. Auch das Vorrecht der Fußgänger nach § 26 StVO kann nicht als vorfahrtähnliche Verkehrslage angesehen werden (a. A. Dreher Rdn. 5); dies ergibt sich einmal (in)

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27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

zwanglos aus dem Begriff „Vorfahrt", der sich nur auf Fahrzeuge beziehen kann, zum anderen aus dem Umkehrschluß aus § 315 c Abs. 1 Nr. 2 c (Cramer Rdn. 18). 39 Weitere Einzelfälle: Als Vorfahrtverletzungen kommen in Betracht: Überfahren des Rotlichts (BayObLG VerkMitt. 1959 78); verkehrswidriges Einfahren vom Parkplatz in den fließenden Verkehr (BGHSt. 13 129); verkehrswidriges Linksabbiegen (BGHSt. 11 219); Verletzung der Grundregel „Rechts vor links" (§ 8 Abs. 1 StVO). Weicht ein Autobahnbenutzer einem rechts stehenden Kraftfahrzeug in einer den Nachfolgeverkehr gefährdenden Weise aus, so kann darin keine Nichtbeachtung der Vorfahrt gesehen werden (OLG Hamm VRS 28 127). Hat ein Verkehrsteilnehmer das Dreieckszeichen infolge Unaufmerksamkeit übersehen, so hat er zwar fahrlässig, aber nicht unbedingt auch rücksichtslos die Vorfahrt verletzt (BGH VRS 16 132). Abbiegen vom linken Fahrstreifen nach rechts unter Gefährdung des rechts Fahrenden ist keine Vorfahrtverletzung (OLG Stuttgart VRS 43 274). 40

b) Falschüberholen oder Falschfahren bei Überholvorgängen. Nach dem 1. Straßen VerkSichG 1952 war nur das falsche Überholen unter die erhöhte Strafdrohung gestellt (§ 315 a Abs. 1 Nr. 4 StGB a. F.). Das 2. Straßen VerkSichG 1964 hat schließlich den Halbsatz „oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt" in Nr. 2 b eingefügt, um eine empfindliche Lücke zu schließen (so amtl. Begr. 'BT-Drucks. IV/2161 Seite 65), weil die Erfahrung gezeigt hat, daß es durch das Fehlverhalten der Führer von Fahrzeugen, die überholt werden, oft zu folgenschweren Unfällen kommt.

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Falsches Überholen oder falsches Fahren bei Überholvorgängen setzt ein Verkehrsverhalten voraus, das entweder der Vorschrift des § 5 StVO zuwiderläuft (vgl. OLG Hamburg VerkMitt. 1966 68) oder den durch andere verkehrsrechtliche Bestimmungen oder den von der Rechtsprechung an die Durchführung dieses Verkehrsvorganges gestellten Anforderungen nicht entspricht (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1977 88). Abs. 1 Nr. 2 b ist deshalb nicht auf Zuwiderhandlungen gegen § 5 StVO beschränkt, sondern erfaßt alle Verkehrsvorstöße gegen Vorausfahrende, Nachfolgende, Überholende und Überholte (Celle VRS 38 431; Braunschweig NdsRpfl. 1964 184; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1970 36; OLG Karlsruhe NJW 1972 962; OLG Schleswig VerkMitt. 1967 5). Ein Überholen kann aber begrifflich nur erfolgen, wenn Überholer und Überholter dieselbe Fahrbahn benutzen. Fahren beide Fahrzeuge auf von einander getrennten Fahrbahnen, scheidet ein Überholvorgang aus (BGHSt. 22 137; VRS 37 443; BayObLG VRS 25 223; 39 135; OLG Hamm VRS 41 311). Grundsätzlich gehören aber die Seitenstreifen, insbes. auch die Randstreifen auf Autobahnen, die von den Verkehrsteilnehmern nur zum Abstellen nicht mehr betriebsbereiter Kraftfahrzeuge benutzt werden dürfen, zur Fahrbahn i. S. dieser Bestimmung und bilden keinen besonderen Straßenteil, auch wenn sie infolge der ununterbrochenen Linie auf der Fahrbahn vom fließenden Verkehr nicht benutzt werden dürfen. Auch wer eine rechts befindliche Straßenbucht (z. B. Omnibushaltestelle) dazu benutzt, um am Vordermann rechts vorbeizufahren, überholt falsch i. S. des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b. Ob ein Rechtsvorbeifahren am Vorausfahrenden innerhalb einer Autobahnaus- und -einfahrt als (verbotenes) Rechtsüberholen anzusehen ist, ist im einzelnen Tatfrage (bejahend OLG Düsseldorf VerkMitt. 1976, 13; verneinend OLG Frankfurt VOR 1972, 174 u. Booß in VerkMitt. 1976, 13) und hängt davon ab, ob Ausfahrt und Einfahrt voneinander und damit auch von der Autobahn abgesonderte eigene Straßenteile sind.

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Das Überholen ist grundsätzlich ein objektives Tatgeschehen (BayObLG VRS 26 387; OLG Celle VerkMitt. 1963 77) und bedeutet, daß ein Fahrzeugführer an einem (112)

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§ 315 c

sich vor ihm in der gleichen Richtung fortbewegenden langsameren Verkehrsteilnehmer vorbeifährt (BGH VRS 6 155; 11 171; BGHSt. 22 137). Der nach § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b rechtlich erhebliche Überholvorgang beginnt bereits mit dem Ansetzen zum Überholen, z. B. mit dem Ausscheren nach links ohne daß die Überholspur oder die linke Fahrbahnseite schon erreicht oder der zu Überholende schon eingeholt zu sein braucht (BGH VRS 4 370; BayObLGSt. 1967 132 = DAR 1968 22; VRS 34 106; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1964 184; OLG Celle VRS 38 431; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1961 30; 1966 44; OLG Hamburg VerkMitt. 1966 68; OLG Hamm VRS 43 137; OLG Schleswig VerkMitt. 1967 5). Ein Überholvorgang setzt aber nicht voraus, daß der Überholer die Fahrspur wechselt (OLG Stuttgart VRS 41 427; OLG Karlsruhe NJW 1972 962); man wird in einem solchen Fall den Überholvorgang i. S. des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b dann als eingeleitet zu betrachten haben, wenn der Überholer nicht mehr gefahrlos seine Geschwindigkeit der des Vordermannes anpassen kann. Beendet ist der Überholvorgang entweder mit dem vollständigen Einordnen nach rechts, oder wenn der Überholer den Überholten soweit hinter sich gelassen hat, daß die Weiterfahrt beider Fahrzeuge in keinem Zusammenhang mit dem Überhol Vorgang mehr steht (BayObLGSt. 1968 15 = VRS 35 280; VerkMitt. 1972 51; OLG Braunschweig VRS 32 372; OLG Schleswig VerkMitt. 1971 79; OLG Stuttgart VerkMitt. 1958 23). Die Beurteilung, ob der Überholvorgang begonnen hat, kann aber bei Verkehrsvorgängen, die einem Überholvorgang gleichstehen oder ähneln, nicht allein mit objektiven Maßstäben gemessen werden; vielmehr ist in diesen Fällen auf die subjektive Vorstellung zur Abgrenzung zurückzugreifen (Cramer § 5 StVO Rdn. 9; Mühlhaus DAR 1968 169). So kann in einem Linksausscheren zum Zwecke der Orientierung, ob die Gegenfahrbahn frei ist, oder allein im zu dichten Aufschließen auf den Vorausfahrenden (ohne Überholabsicht), noch nicht der Beginn des Überholens erblickt werden (BayObLGSt. 67 132 = DAR 1968 22; Düsseldorf VerkMitt. 1966 4). Erforderlich ist vielmehr neben der objektiven Wertung der Fahrweise als Überholbeginn die Feststellung der Überholabsicht des Täters. Diese wird sich i. d. R. zwanglos aus dem Fahrverhalten des Nachfolgenden ergeben, wenn dieser unter deutlicher Verkürzung des Sicherheitsabstandes (§ 4 StVO) sich dem Vorausfahrenden nähert, gleichgültig, ob er schon auf der Überholspur gefahren ist oder zum Zweck des Überholens nach links ausgeschert ist (Jagusch § 5 StVO Rdn. 22, 23; Cramer § 5 StVO Rdn. 10; OLG Celle VRS 38 431). So muß das Nachfahren mit zu knappem Sicherheitsabstand unter ständiger Abgabe von Licht- oder Schallzeichen, um den Vorausfahrenden zur Freigabe der Überholspur zu bewegen, als Beginn des Überholvorganges gewertet werden (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1970 36; OLG Karlsruhe NJW 1972 962; OLG Köln VRS 44 16). Ein Falschverhalten bei einem Überholvorgang ist z. B. anzunehmen, wenn ein 43 Überholer während des Überholens grundlos bremst, nur um einen zweiten Überholer zu belästigen und zu gefährden (OLG Schleswig VerkMitt. 1967 5); oder ein Autobahnbenutzer einem rechts stehenden Fahrzeug in einer den Nachfolgeverkehr gefährdenden Weise ausweicht (OLG Hamm VRS 28 127); oder der Überholte beschleunigt, um ein Überholtwerden zu verhindern; den Sicherheitsabstand verringert, um einem Überholer das Einscheren nach rechts unmöglich zu machen; während des Überholens nach links steuert und den Überholer auf das Bankett drängt (BGH NJW 1968 1244; OLG Hamm VRS 21 280; 28 127). Kein Überholen liegt vor, wenn bei Grünlicht ein Fahrzeug aus dem Stand schneller anfährt (OLG Düsseldorf DAR 1966 26), oder wenn an abgestellten oder (113)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

liegengebliebenen Fahrzeugen oder auf der Fahrbahn befindlichen Hindernissen vorbeigefahren wird (OLG Hamm NJW 1957 513; VRS 12 392). Ein Kraftfahrer, der an einem vor ihm am rechten Fahrbahnrand sein Fahrrad schiebenden Radfahrer vorbeifährt, der zur Ermöglichung der Vorbeifahrt stehengeblieben und zur Seite getreten war, überholt nicht (BayObLG VerkMitt. 1973 73). Die Vorbeifahrt an verkehrsbedingt vorübergehend haltenden Fahrzeugen ist hingegen Überholen (VwV zu §§ 5 u. 6 StVO). 44 Einzelfälle für Fehlverhalten bei Überholvorgängen: Einhaltung eines zu geringen Seitenabstandes oder zu knappes Einscheren nach rechts nach dem Überholen, sog. „Schneiden" unter Gefährdung des Überholten (BGH VRS 18 36; Neustadt VRS 9 363; OLG Hamm DAR 1956 108; OLG Köln DAR 1958 21; OLG Hamburg VerkMitt. 1961 35; OLG Hamm DAR 1963 277; OLG Zweibrücken VRS 33 201; OLG Koblenz VRS 46 38), gleichgültig ob links oder ausnahmsweise zulässig rechts überholt wird (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1970 76); Benutzung des rechten Bürgersteiges zur Vorbeifahrt an Fahrzeugen, die vor einer Kreuzungsampel warten (OLG Hamm VRS 32 449). Wer aus Verärgerung über die Blockierung der Überholspur durch einen anderen Kraftfahrer rechts an ihm vorbeifährt und ihn beim Wiedereinordnen auf die Überholspur schneidet, um ihn zur Minderung des eigenen Ärgers einen Denkzettel zu erteilen, überholt falsch und handelt rücksichtslos (OLG Köln VRS 35 436). Wer mit einer für seine Sichtweite zu hohen Geschwindigkeit auf der linken Fahrbahnseite fährt und einen am linken Fahrbahnrand in gleicher Richtung gehenden Fußgänger, den er nicht wahrgenommen hat, anfährt, hat diesen auch dann „durch" falsches Überholen gefährdet, wenn er bereits auf die rechte Fahrbahnhälfte hätte zurückkehren können, als der Fußgänger noch nicht gefährdet war (BayObLG VRS 35 280). Als falsches Überholen ist auch die Verletzung von Sorgfaltspflichten anzusehen, die dem Überholenden gegenüber dem nachfolgenden schnelleren Verkehr obliegen (OLG Hamm VRS 21 280). Auch Fahrfehler beim Überholen im mehrspurigen Verkehr (§§ 7, 37 Abs. 4 StVO) können unter § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b fallen (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1975 3; Mühlhaus § 315 c StGB Anm. 7 b). Falsch, grob verkehrswidrig und rücksichtslos überholt auch: wer eine geschlossen fahrende Reihe von Fahrzeugen (Kolonne) überholt und sich wiederholt in die zwischen den Fahrzeugen zum Einscheren nicht ausreichenden Lücken (Sicherheitsabstände) einschiebt; wer mit hoher Geschwindigkeit in die Autobahn unmittelbar hinter einem Langsamfahrer einfährt, sofort kurz vor einem sich nähernden Schnellfahrer auf den Überholstreifen hinüberlenkt und den Schnellfahrer zu einer Notbremsung zwingt (Köln VRS 25 201); wer auf der Autobahn zwischen dem berechtigt links überholenden Vordermann und einer rechts fahrenden Kolonne mit knappem Zwischenraum (etwa 1,5 m) hindurchfährt (OLG Braunschweig VRS 32 372); wer, nur um schneller voranzukommen, mit seinem Kraftfahrzeug auf die Kriechspur der BAB ausschert und auf ihr rechts an den die Normalspur benutzenden Kraftfahrzeugen vorbeifährt (BGH VRS 37 443), wer z. B. vor einer sichtbehindernden Kuppe oder an sonst unübersichtlichen Stellen (z. B. kurz vor einer Kurve) verkehrswidrig überholt (vgl. § 5 Abs. 2 StVO; OLG Oldenburg DAR 1958 232; OLG Koblenz VRS 46 38). Auch wer unter Mißachtung der Überhol Verbotszeichen überholt (Z276, 277), kann § 315 c Abs. 1 Nr. 2 b zuwiderhandeln (vgl. § 5 Abs. 3 StVO). Falsch überholt auch, wer sich links oder rechts neben eine vor einem Hindernis vorübergehend haltende oder zum Überholen ansetzende Kolonne setzt, um sich in eine entstehende Lücke einzuschieben (OLG Hamm DAR 1956 108). Fehlerhaft verhält sich bei einem Überholvorgang auch, wer bei ziehenden dichten Nebelschwaden mit möglicher Sichteinschränkung (114)

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§ 315 c

auf 30 m zum Überholen eines vorausfahrenden Pkw nach links ausschert (OLG Köln VRS 40 194). c) Falschfahren an Fußgängerüberwegen. Grundlage der Vorschrift ist § 26 StVO; 45 Verstöße gegen andere Verkehrsvorschriften werden von Absatz 1 Nr. 2 c nicht erfaßt. Voraussetzung ist, daß es sich um einen nach Z 293 (Zebrastreifen) gekennzeichneten und durch Z 350 beschilderten Fußgängerüberweg handelt (OLG Hamm NJW 69 440). Keine Fußgängerüberwege i. S. des Absatz 1 Nr. 2 c sind die ohne die genannten Verkehrszeichen ampelgesicherten Überwege für Fußgänger an ampelgeregelten Kreuzungen und Einmündungen; den Fußgängern steht in diesem Fall nur ein Vorrecht nach §9 Abs. 3 S. 2 StVO zu (OLG Stuttgart DAR 1969 50 = NJW 1969 889; Cramer VOR 1974 36; Demuth JA 1971 391). Ist ein durch Z293 und Z350 gekennzeichneter Fußgängerüberweg zusätzlich durch eine Lichtsignalampel gesichert, wollen ihn die OLGe. Hamm (JMB1NRW 1969 105) und Stuttgart (NJW 1969 889) nicht mehr in den Schutzbereich des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 c einschließen, weil die Sicherung durch die Verkehrsampel die Anordnung des Fußgängervorrechts durch den Zebrastreifen außer Kraft setzt. Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden, weil ein Fußgängerüberweg diese seine Eigenschaft nicht dadurch verlieren kann, daß er zusätzlich durch eine Lichtsignalampel abgesichert wird (Cramer Rdn. 24; OLG Koblenz VRS 49 315). Allerdings steht dem Fußgänger bei Ampelbetrieb ein Vorrecht nur zu, wenn durch das Lichtsignal der Überweg für ihn freigegeben ist. Ist die Ampel außer Betrieb, hat der am gekennzeichneten Überweg Stehende ein Vorrecht gegenüber dem Fahrverkehr (vgl. dazu auch Mächtel NJW 1966 641). Ein Fahrzeugführer hat das Vorrecht eines Fußgängers an einem gekennzeichne- 46 ten Fußgängerüberweg schon dann zu beachten, wenn aus dem Gesamtverhalten des Fußgängers dessen Absicht, die Straße zu überqueren, erkennbar ist (BGHSt. 20 215 = VRS 28 460; OLG Hamburg NJW 1966 681); eine solche Absicht eines Fußgängers kann schon daraus ersehen werden, daß er sich mit unverminderter Gehgeschwindigkeit auf dem Fußweg dem Straßenrand und dem dort beginnenden Fußgängerüberweg nähert. Ist die Sicht auf den Überweg behindert, darf ein Kraftfahrzeugführer sich diesem nur mit einer Geschwindigkeit nähern, die es ihm gestattet, jederzeit anzuhalten und aus der erkennbar wird, daß er den Vorrang des Fußgängers achten werde (OLG Karlsruhe VRS 45 40). Ein Fahrzeugführer fährt bereits dann falsch, wenn er durch seine Fahrweise den Fußgänger zwingt, zurückzuweichen oder gar auf den Gehweg zurückzutreten, da eine solche Fahrweise dem § 26 StVO zuwiderläuft. Verzichtet der Fußgänger deutlich auf sein Vorrecht, hat der Fahrzeugführer freie Fahrt (BGH aaO). Nicht als Falschfahren an Fußgängerüberwegen kann die Zuwiderhandlung gegen § 12 Abs. 1 Nr. 4 StVO angesehen werden, weil diese Bestimmung nur den ruhenden Verkehr betrifft. d) Als weiterer grober Verkehrsverstoß kommt zu schnelles Fahren in Betracht 47 (Absatz 1 Nr. 2 d). Grundsätzlich ist hierbei von der Grundregel des § 3 Abs. 1 StVO auszugehen, wonach ein Fahrzeugführer jeweils nur so schnell fahren darf, daß er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Jeder Fahrzeugführer muß bei der Wahl seiner Geschwindigkeit nicht nur die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse, sondern auch seine persönlichen Fähigkeiten sowie Eigenschaften seines Fahrzeugs berücksichtigen. Nach übereinstimmender Meinung in Rechtsprechung und Literatur und nunmehr ausdrücklich nach § 3 Abs. 1 S. 3 StVO darf er nur so schnell fahren, daß er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann, notfalls (115)

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27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

muß er sogar auf „Halbe-Sicht" fahren (§ 3 Abs. 1 S. 4 StVO). Absatz 1 Nr. 2 d des § 315 c erfaßt jedoch nicht jedes grob verkehrswidrige und rücksichtslose zu schnelle Fahren, sondern beschränkt den Anwendungsbereich auf unübersichtliche Stellen, Straßenkreuzungen oder -einmündungen, Bahnübergänge. 48

aa) Unübersichtlich ist eine Straßenstelle, wenn der Fahrzeugführer die Fahrbahn infolge der örtlichen Verhältnisse oder durch sonstige Umstände nur ungenügend überblicken kann und deshalb nicht in der Lage ist, Gefahren und Hindernisse rechtzeitig zu bemerken und sich darauf einzustellen (BayObLG DAR 1953 40; OLG Celle VRS 31 34; OLG Hamburg VerkMitt. 1964 21; BGH VRS 17 43). Unübersichtlichkeit ist ein Rechtsbegriff, zu dessen Ausfüllung der Tatrichter ausreichende Feststellungen zu treffen hat (OLG Hamm DAR 1969 275). Die Unübersichtlichkeit kann bedingt sein durch nahe an der Fahrbahn stehende Häuser, Bäume, Büsche, oder auch durch hochgewachsenes Gras oder Unkraut (OLG Celle VRS 31 34). Nebel, starker Niederschlag kann die Fahrbahn unübersichtlich machen. Bei Dunkelheit wird die Fahrbahn durch die abgeblendeten Scheinwerfer nur auf eine bestimmte Strecke ausgeleuchtet; fährt ein Kraftfahrer in dieser Verkehrslage mit einer Geschwindigkeit, die seiner Sichtweite nicht entspricht, fährt er an unübersichtlicher Stelle zu schnell (BayObLG VerkMitt. 1956 10 Nr. 19; OLG Köln VRS 40 194); dies gilt insbes. für Durchfahren von Kurven mit Gegenverkehr (BGH VRS 24 369: 90 k m / h u. Abblendlicht). Auch kann eine sonst übersichtliche kurvenreiche Straße infolge Blendung des Kraftfahrers durch Sonnenstrahlen unübersichtlich werden (OLG Hamm VRS 25 443); gleiches gilt bei Blendung durch entgegenkommendes Kraftfahrzeug (BGH VRS 19 124; OLG Oldenburg VRS 32 270; OLG Stuttgart DAR 1965 103). Eine nur kurzzeitige Sichtbehinderung macht eine Straßenstelle nicht unübersichtlich i. S. des Absatz 1 Nr. 2 d, z. B. nicht vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge (BGHSt. 13 169 = VRS 17 233; VRS 27 119; BayObLG DAR 1962 272); so macht ein Lastkraftwagen, der rechtsfahrend einem anderen Kraftfahrzeugführer entgegenkommt und diesem die ihm zustehende rechte Fahrbahnhälfte vollkommen freiläßt, für diesen die Straßenstelle i. d. R. nicht unübersichtlich (BGH VerkMitt. 1965 19 Nr. 28). Ein parkendes Fahrzeug hingegen kann i. S. des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d Unübersichtlichkeit zur Folge haben. Wer an einem an einer Haltestelle haltenden, öffentlichen Verkehrsmittel mit hoher Geschwindigkeit vorbeifährt und hierbei Fußgänger gefährdet, die bereits auf die Straße getreten sind, um einzusteigen, fährt grundsächlich an einer unübersichtlichen Stelle zu schnell (BGH VRS 17 43). Der Täter muß den verpönten Fahrfehler (zu schnelles Fahren) an der unübersichtlichen Stelle begangen und dadurch eine konkrete Gefahr herbeigeführt haben. Hat die Unübersichtlichkeit zu der konkreten Gefahr nicht beigetragen, kann die Unübersichtlichkeit vielmehr hinweggedacht werden, ohne daß die Gefahr entfällt, scheidet die Anwendung des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d aus (so auch BayObLG bei Rüth in DAR 1969 225). Eine konkrete Gefahr, die sich für den fließenden Verkehr daraus ergibt, daß als Folge eines Unfalls Baken auf der Fahrbahn liegen, fällt auch dann nicht unter den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a oder Nr. 2 d, wenn sich der Unfall deswegen ereignet hat, weil ein Kraftfahrer infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig war bzw. an unübersichtlicher Stelle grob verkehrswidrig und rücksichtlos zu schnell gefahren ist. Der Kraftfahrer, der die Baken umgefahren hat und es dann pflichtwidrig (116)

Gefährdung des Straßenverkehrs (Rüth)

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unterläßt, sie von der Fahrbahn wegzuräumen, bereitet durch sein Untelassen Hindernisse i. S. des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (BayObLG VRS 37 439). bb) Zu schnelles Fahren an Straßenkreuzungen und -einmündungen: Der Begriff 4 9 Kreuzung und Einmündung ist identisch mit dem des § 8 StVO. Das zu schnelle Fahren muß sich noch in der Kreuzung oder Einmündung zumindest auswirken; ein zu schnelles Fahren vor der Kreuzung erfüllt den Tatbestand nicht (vgl. BayObLG DAR 1956 19). Verstoß gegen Nr. 2 d liegt z. B. vor, wenn ein Kraftfahrer sich mit hoher Geschwindigkeit einer Kreuzung nähert, bei Umschaltung der Lichtsignalanlage von Grünlicht auf Grünblinklicht seine Geschwindigkeit erhöht und schließlich beim Überqueren der Kreuzung andere gefährdet (OLG Stuttgart DAR 1970 133). Zu schnelles Fahren auf einer Einbahnstraße in unerlaubter Richtung steht der Anwendung der Nr. 2 d grundsätzlich nicht entgegen (BGH VRS 18 191). Die Vorschrift dient auch dem Schutz der Fußgänger an Kreuzungen und Einmündungen gegenüber den einbiegenden Fahrzeugführern (§9 Abs. 3 S. 2 StVO; KG VRS 37 445), so daß ein Kfz-Führer, der durch zu schnelles Heranfahren an die Kreuzung außerstande ist, bei Aufleuchten des Rotlichtes anhalten zu können und statt dessen unter Mißachtung des Rotlichts die Haltelinie überfährt und hierbei die ihrerseits bei Grünlicht die Straße überquerenden Fußgänger gefährdet, den Tatbestand der Nr. 2 d ebenso wie derjenige erfüllt, der durch sein unvernünftiges schnelles Anfahren die jenseits der Kreuzung auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger in Gefahr bringt (OLG Hamm VRS 11 57). Es genügt jedoch nicht, daß die Gefahr nur gelegentlich des zu schnellen Fahrens an einer Straßeneinmündung entstand; vielmehr muß die durch den Fahrfehler herbeigeführte Gefahr in einem engeren Zusammenhang mit der sich aus dem Vorhandensein einer Straßeneinmündung typischerweise ergebenden besonderen Gefahrenlage stehen. Die Straßeneinmündung, ebenso wie die Straßenkreuzung sind Qualifikationsmerkmale. Straßeneinmündung bzw. Kreuzung sind dann nicht mehr kausal für einen Unfall, wenn das Vorhandensein der Straßeneinmündung (Straßenkreuzung) die mit ihr wesensgemäß verbundene besondere Gefahrenlage zum Eintritt der konkreten Gefahr nicht beigetragen hat, die Einmündung bzw. Kreuzung hinweggedacht werden kann, ohne daß damit die Herbeiführung einer konkreten Gefahr für das zu schnelle Fahren entfällt. In diesem Fall ist deshalb der objektive Tatbestand des Absatz 1 Nr. 2 d nicht erfüllt (BayObLG VRS 50 425). cc) Zu schnelles Fahren an Bahnübergängen wird verhältnismäßig selten als selb- 50 ständige Tat in Erscheinung treten. Führt das verkehrswidrige Verhalten eines Fahrzeugführers zur Behinderung des Schienenverkehrs, so ist die Tat zunächst daraufhin zu überprüfen, ob ein Hindernisbereiten i. S. des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzunehmen ist. Hinter §315 tritt § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d (zu schnelles Fahren an Bahnübergängen) zurück. Absatz 1 Nr. 2 d behält seine selbständige Bedeutung, wenn es zu keinem Hindernisbereiten, sondern nur zu einer gefahren trächtigen Behinderung kam. Die Nr. 2 d schützt aber wohl grundsätzlich den Straßenverkehr in seiner Gesamtheit. Deshalb kann Nr. 2 d auch dann erfüllt sein, wenn durch das zu schnelle Fahren an Bahnübergängen andere Verkehrsteilnehmer (auch Fußgänger) in Gefahr geraten. e) Nichteinhaltung der rechten Fahrbahnseite (Absatz 1 Nr. 2 e) an unübersichtli- 51 chen Stellen heißt mindestens teilweise Mitinanspruchnahme eines Teiles der linken Fahrbahn, so daß der Gegenverkehr gefährdet wird. Begriff der Unübersichtlichkeit ist der gleiche wie in Absatz 1 Nr. 2 d (vgl. Rdn. 48), sie braucht also nicht (117)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

notwendig auf den örtlichen Gegebenheiten beruhen, sondern kann sich auch aus den besonderen Witterungsverhältnissen (z. B. Schneefall, Nebel) ergeben. Nur ganz vorübergehende Sichtbehinderungen, wie z. B. ein vorbeifahrendes Kraftfahrzeug, macht eine Stelle jedoch nicht unübersichtlich. Der Hauptanwendungsfall der Nr. 2 e ist das Kurvenschneiden oder Fahren bei Nebel auf dem Mittelstreifen. Wer gewissermaßen „blind" mit 70 k m / h auf einer 5 m breiten Straße teilweise auf der linken Fahrbahn in eine besonders unübersichtliche Linkskurve einfährt, handelt auch dann, wenn er hofft, es werde nichts passieren, bewußt rücksichtslos (OLG Köln VRS 48 205). Fahren mit einem 2,60 m breiten Kran auf der Mitte einer nur 5,20 m breiten Straße mit 18 bis 20 k m / h in eine unübersichtliche Kurve bei einer Sichtweite von 30 bis 40 m, braucht nicht notwendig rücksichtslos zu sein (OLG Stuttgart DAR 1971 248). Die Einhaltung der rechten Fahrbahnseite ist durch § 2 StVO vorgeschrieben. Nicht jeder Verstoß hiergegen erfüllt aber schon den Tatbestand der Nr. 2 e; denn § 2 StVO fordert ein möglichst weites Rechtsfahren auf der rechten Fahrbahnseite, Nr. 2 e setzt jedoch zumindest teilweises Verlassen der rechten Fahrbahnseite voraus (BGH VRS 44 422). Nicht genügendes ausweichen wird nicht von Nr. 2 e erfaßt. 52

f) Wenden auf Autobahnen oder KraftfahrstraDen (Absatz 1 Nr. 2 f): Die frühere Fassung stellte nur das Wenden auf Autobahnen unter die erhöhte Strafdrohung des § 315 c. Art. 19 Nr. 176 EGStGB erweiterte den Tatbestand auf das Rückwärtsfahren und den Versuch des Wendens und Rückwärtsfahrens und dehnte die Anwendung auch auf die Kraftfahrstraßen aus. Durch die Neufassung ist die Streitfrage, ab wann das Wenden und Rückwärtsfahren als Vergehen zu werten ist (vgl. Möhl-Rüth StVR § 315 c StGB Rdn. 47) beseitigt. Autobahnen und Kraftfahrstraßen sind durch die Zeichen 330 bzw. 331 der StVO gekennzeichnet. Ein Versuch nach § 22 StGB kann noch nicht angenommen werden, wenn der Täter seine Geschwindigkeit zur Vorbereitung des Wendemanövers und zum Zweck des Anhaltens und Rückwärtsfahrens herabsetzt, weil hiermit noch nicht zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt ist (a. A. Cramer Rdn. 36 a). Fahren auf der Autobahn in entgegengesetzter Fahrtrichtung ist weder „Rückwärtsfahren" noch unzulässiges „Wenden" (OLG Stuttgart JR 1977 253 m. Anm. Rüth). Ein unzulässiges Wenden ist auch dann anzunehmen, wenn das Fahrzeug nicht anschließend in der neuen Richtung weitergefahren werden soll (BayObLG VRS 52 146, dem der BGH beitrat (VRS 53 307); a. A. noch OLG Celle DAR 1976 111).

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g) Die Nichtkenntlichmachung haltender oder liegengebliebener Fahrzeuge (Absatz 1 Nr. 2 g) wurde durch das 2. StrVerkSichG eingefügt. Welche Maßnahmen zur Sicherung haltender oder liegengebliebener Fahrzeuge zu ergreifen sind, ist in § 315 c nicht ausgeführt. Zur Erläuterung muß auf die Vorschriften der StVO zurückgegriffen werden (vgl. OLG Koblenz DAR 1972 219). Haltende Fahrzeuge sind nach den Vorschriften des § 17 Abs. 4 StVO zu beleuchten. Hält ein vorschriftsmäßig beleuchtetes Fahrzeug bei Nacht an einer gefährlichen Stelle, z. B. unmittelbar hinter einer nicht einsehbaren scharfen Kruve vorübergehend an, so kann hierin ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO liegen. Ein Verstoß gegen § 15 c Abs. 2 g scheidet aus, da Warn- und Sicherungsmaßnahmen nur bei liegengebliebenen Fahrzeugen zu treffen sind (§ 15 StVO). Wird ein Fahrzeug angehalten, um z. B. ausgelaufenes Kühlwasser, ausgegangenes Benzin nachzufüllen oder eine kleinere Reparatur auszuführen, ist es als liegengebliebenes Fahrzeug anzusehen, so daß vor Durchführung der die Fahrbereitschaft (118)

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wieder herzustellenden Arbeiten die Sicherungsmaßnahmen des § 15 StVO zu ergreifen sind. Hiernach ist nach dem Liegenbleiben sofort Warnblinklicht, das ab 1.1. 1976 bei allen Kraftfahrzeugen eingebaut sein muß (§§ 53 a, 72 Abs. 2 StVZO), einzuschalten und sodann in ausreichender Entfernung, bei schnellem Verkehr in etwa 100 m Entfernung, bei Fahrzeugen bis einschließlich 2,8 t ein Warndreieck aufzustellen, bei Fahrzeugen von mehr als 2,8 t muß ein Warndreieck aufgestellt und darüber hinaus auch noch die vorgeschriebene Warnleuchte in Tätigkeit gesetzt werden (§ 15 StVO, § 53 a Abs. 2 StVZO); statt der Warndreiecke und Warnleuchten können auch die vor dem 1.1. 1969 in amtlich genehmigter Bauart hergestellten Warneinrichtungen verwendet werden: a) bei Pkw, land- oder forstwirtschaftl. Zugoder Arbeitsmaschinen und anderen KfZ von nicht mehr als 2,5 t eine rückstrahlende Warneinrichtung, b) bei anderen Kraftfahrzeugen: zwei von der Lichtanlage des Fahrzeugs unabhängige tragbare Sicherungsleuchten für gelbes oder rotes Dauer- oder gelbes Blinklicht, oder zwei rückstrahlende Warneinrichtungen, oder eine Sicherungsleuchte mit einer rückstrahlenden Warneinrichtung (§ 72 Abs. 2 zu § 53 a Abs. 2 StVZO). Die Verantwortung für die Sicherung liegengebliebener Fahrzeuge trifft in erster 54 Linie den Fahrzeugführer, der das Fahrzeug abgestellt hat, sowie den anwesenden Fahrzeughalter. Daneben kann die Sicherungspflicht auch demjenigen obliegen, der die Erfüllung dieser Pflicht nach dem Anhalten übernommen hat. Dies gilt insbesondere für den im Fahrzeug mitfahrenden Halter des Fahrzeugs. Außerdem ergibt sich die Rechtspflicht zur Sicherung nach den Grundsätzen der unechten Unterlassungsdelikte auch auf Grund vorangegangenen Tuns, also grundsätzlich für jeden, der an dem Unfall beteiligt ist, ohne daß es auf ein Verschulden ankommt (Sch.-Schroder-Stree § 13 Rdn. 32 ff; Cramer Rdn. 39). Sind durch einen Unfall Personen verletzt worden, so kommt es darauf an, ob die Hilfspflicht des § 330c der Sicherungspflicht des § 315 c vorgeht. Bei unmittelbar drohender Lebensgefahr ist zunächst dem Verletzten zu helfen (z. B. bei Schlagaderverletzungen); droht dem Verletzten durch Ergreifen der Warnmaßnahmen in Bezug auf die übrigen Verkehrsteilnehmer kein weiterer Schaden, so ist die Verkehrssicherungspflicht primär zu erfüllen. Ein Irrtum über den Vorrang der Pflichten ist Tatbestandsirrtum, wenn er auf Fehleinschätzung der tatsächlichen Umstände beruht ('Cramer aaO); glaubt der Täter die Hilfspflicht geht stets vor, so läge nach OLG Stuttgart (DAR 1958 222) ein, i. d. R. allerdings vermeidbarer, Verbotsirrtum vor. Der Fahrer eines Langholztransportzugs, der den Zug am hellichten Tage auf einer Kreisstraße in einer unübersichtlichen Kurve zum Aufladen von Holzstämmen in der Weise abstellt, daß er für einen nachfolgenden Lastzug aus 150 m und für einen in der Gegenrichtung herannahenden Lkw aus 60 m Entfernung erkennbar ist, braucht sein haltendes Fahrzeug nicht durch die Aufstellung von Sicherheitslampen oder Warndreiecken kenntlich zu machen, da bei den angegebenen Sichtverhältnissen die Gefahr des Auffahrens oder der Durchführung gefährlicher Brems- oder Ausweichmanöver, um ein Auffahren zu verhindern, nicht gegeben ist. § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g StGB ist deshalb nicht anwendbar. Da aber in einem solchen Fall die Gefahr nahe liegt, daß die an seinem Fahrzeug unter Benutzung der linken Fahrbahnseite vorbeifahrenden Fahrzeuge mit entgegenkommenden Verkehrsteilnehmern zusammentreffen und ihre Fahrgeschwindigkeit nicht so einrichten würden, daß sie noch nötigenfalls vor Erreichen der für sie übersehbaren Strecke anhalten könnten, hat der Fahrer eines die Sicht hindernden, in einer unübersichtlichen Kurve abgestellten Kraftfahrzeugs die Pflicht, einen Warnposten aufzustellen; (119)

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der den aus beiden Richtungen herankommenden Fahrzeugführern Zeichen zum Halten oder Weiterfahren geben kann. Andernfalls ist der Fahrer des abgestellten Fahrzeugs, im Fall einer Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer oder eines Unfalls, der infolge seines sichtbehindernd abgestellten Lkw sich ereignet, für Behinderung und Schädigung nach § 1 StVO verantwortlich (BayObLG bei Rüth DAR 1967 291). 55

VII. Die in Absatz 1 beschriebenen pflichtwidrigen Verhaltensweisen müssen ursächlich für den Eintritt der konkreten Gefahr gewesen sein. Führung eines Fahrzeugs in einem durch Alkoholgenuß oder anderen berauschenden Mitteln herbeigeführten fahruntüchtigen Zustand ohne konkrete Gefährdung ist Vergehen nach § 316 StGB; bei Verstoß gegen andere Bestimmungen des § 315 c (Abs. 1 Nr. 1 b, Nr. 2 a bis g) ohne Gefährdung ist lediglich der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach der StVZO oder StVO erfüllt. Die Pflichtwidrigkeit des Täters muß nachweislich die Gefährdung bedingt haben. Dies bedeutet die Vornahme einer zweiten Ursächlichkeitsprüfung. Dies gilt für die vorsätzliche und die fahrlässige Begehungsform gleichermaßen (BGHSt. 8 32; 13 204; 16 448; BayObLG DAR 1957 361 ; NJW 1954 730; KG DAR 1959 269; OLG Saarbrücken DAR 1960 53; OLG Hamm VersR 1969 224; JMB1NRW 1966 259; OLG Neustadt NJW 1961 2223). Kann nicht mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, daß ein Unfall auch ohne die Fahruntüchtigkeit (Absatz 1 Nr. 1) oder den Verkehrsverstoß (Absatz 1 Nr. 2 a—g) eingetreten wäre, der Unfall vielmehr auch auf anderen Umständen beruhen kann, fehlt es am Nachweis des Kausalzusammenhanges (BGH VRS 19 29; 33 431 ; OLG Neustadt aaO).

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1. Bei einer Trunkenheitsfahrt ist der Nachweis, daß die Alkoholbeeinflussung ursächlich für den Eintritt der Gefahr gewesen ist, oft schwierig. Auch ein Blutalkoholwert von 2,6 bis 2,7 %0 kann bei der individuell verschiedenen Toleranzbreite gegenüber Alkohol niemals alleiniger und ausschlaggebender Maßstab für eine alkoholbedingte Persönlichkeitsbeeinträchtigung sein; vielmehr kommt es entscheidend auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (OLG Koblenz, VRS 37 190). Ist der Täter z. B. auch in nüchternem Zustand nicht in der Lage ein Kraftfahrzeug zu führen (weil er mit ihm technisch nicht vertraut ist), so braucht die alkoholbedingte Fahrunfähigkeit für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich gewesen zu sein (OLG Hamm JMB1NRW 1965 81). War die enthemmende Wirkung des Alkohols jedoch die Ursache, daß der Täter sich überhaupt ans Steuer setzte und das Kraftfahrzeug führte, ist die Alkoholbeeinflussung allerdings auch als Ursache der Gefährdung (des Unfalls) anzusehen, weil in diesem Falle die Wirkung des Alkohols zumindest mitursächlich für den durch die Alkoholfahrt eingetretenen schädigenden Erfog war (Cramer Rdn. 67). Aus einem Fehlverhalten, das auch nüchterne Kraftfahrer häufig an den Tag legen, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, es beruhe ursächlich auf der Alkoholbeeinflussung (BGH VRS 31 36). So sind Fehlentscheidungen in gefährlichen Verkehrslagen, Verletzungen des Vorfahrtrechts, Geschwindigkeitsüberschreitungen auch bei nüchternen Fahrern nicht selten; in diesen Fällen darf sich der Tatrichter nicht mit einer formelhaften Begründung begnügen, sondern muß näher erörtern, warum das andere gefährdende verkehrswidrige Verhalten auf den Alkoholeinfluß zurückzuführen ist (BGH VRS 34 211, 360) und die Gefahr von dem sonst weder besonders leichtsinnig noch rücksichtlos fahrenden Täter in nüchternem Zustand vermieden worden wäre (BGHSt. 13 83 (120)

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= VRS 16 453; OLG Neustadt VRS 16 41). Dies gilt sowohl für die Fälle der absoluten wie auch relativen Fahruntüchtigkeit (vgl. BGH VersR 1960 479; KG DAR 1959 269; OLG Celle Blutalkohol 1970 151; OLG Hamm VersR 1969 224, Anm. Gaisbauer VersR 1969 367). Ein Verschätzen hinsichtlich der Entfernung eines vorfahrtberechtigten Fahrzeugs bei Nacht stellt sich nicht ohne weiteres als ein alkoholtypisches Fahrverhalten dar (BGH DAR 1969 105). So wird i. d. R. die Ursächlichkeit der alkoholbedingten Fahrunfähigkeit für den Unfall auch dann verneint werden müssen, wenn z. B ein Fußgänger auf der Fahrbahn infolge Trunkenheit dahintorkelt oder ein zehnjähriges Kind sich verkehrswidrig verhält und auch einem nüchternen Fahrer ein Ausweichen nicht mehr möglich gewesen wäre (OLG Zweibrücken Blutalkohol 1972 68 mit Anm. Händel). Andererseits aber entfällt Ursächlichkeit alkoholbedingter Fahrunfähigkeit nicht, weil derselbe Fahrzeugführer auch nüchtern riskant oder leichtsinnig zu fahren pflegt (OLG Hamm JMB1NRW 1966 259); denn dies würde auf eine ungerechtfertigte Begünstigung besonders leichtsinniger Fahrzeugführer hinauslaufen. Beruht der Unfall auf überhöhter Geschwindigkeit, hat der Tatrichter außerdem zu prüfen, welche Geschwindigkeit der Fahrer auch unter Berücksichtigung seiner Alkoholbeeinflussung und der Verkehrssituation höchstens hätte einhalten dürfen (OLG Celle VRS 36 276) und ob der Unfall bei dieser Geschwindigkeit noch vermeidbar gewesen wäre (BGH MDR 1971 150; OLG Celle aaO). Nach dem BSG (Blutalkohol 1976 235) ist i. S. der gesetzlichen Unfallversicherung alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit auch dann wesentliche Unfallursache, wenn der Fahrer sich kurz vor einer Kurve mit nachfolgendem Unfall nach heruntergefallenem Bonbon gebückt hatte. Die verschiedentlich vertretene Meinung (vgl. Cramer Rdn. 68), der BGH wollte 57 letztlich den Nachweis, der Fahrzeugführer habe die konkrete Gefahr durch seine trunkenheitsbedingte Fahruntüchtigkeit verursacht, durch eine Vermutung ersetzen, kann nicht geteilt werden. Wäre dies tatsächlich richtig, müßte den Kritikern der Rechtsprechung des BGH (Schmid-Leichner NJW 1955 1297; Mayer NJW 1955 1749; Härtung JR 1958 68) zugestimmt werden, weil sich weder aus dem Gesetz, noch aus der Entstehungsgeschichte des § 315 c (§ 315 a StGB a. F.) die Ansicht rechtfertigen läßt, das Gesetz lasse eine widerlegbare Vermutung dafür genügen, daß der Unfall eines betrunkenen Kraftfahrzeugführers ursächlich auf der Alkoholbeeinflussung beruht. Dies hat der BGH in keiner Entscheidung als ausreichend angesehen, vielmehr in jedem Fall den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen konkreter Gefahr und Trunkenheit verlangt. Allerdings ist bei absoluter Fahruntüchtigkeit an diesen Nachweis keine allzustrenge Anforderung zu stellen. Hat die Trunkenheitsfahrt auf eine Verkehrslage so eingewirkt, daß das reibungslose Ineinandergreifen einzelner Verkehrsvorgänge nicht mehr gewährleistet wurde, ist der Ursachenzusammenhang gegeben (vgl. OLG Hamm VRS 15 359; BayObLG JR 1958 68 mit zust. Anm. Härtung; DAR 1957 161; VRS 12 442). Man wird die Ursächlichkeit in jedem Fall schon dann bejahen, wenn die Gefährdung die Folge der durch die Wirkung des Rausches hervorgerufenen Fahrunsicherheit ist (BGH VRS 22 137; OLG Neustadt VRS 22 354). Es genügt, daß die konkrete Gefahr durch die alkoholbedingte verkehrswidrige Fahrweise mitbedingt war (BayObLG VRS 38 112). Nur theoretische Zweifel an der Ursächlichkeit der Trunkenheit an dem Unfall sind nicht zu berücksichtigen (BGH VRS 49 429). Übermüdung des Fahrzeugführers ist für einen Unfall, der durch einen überraschenden Eingriff des Beifahrers in das Steuer zustandekam, nur dann ursächlich, wenn sie den Fahrer an schneller Reaktion zwecks Vermeidung des Unfalls hinderte (OLG Karlsruhe VRS 50 280). (121)

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Die konkrete Gefahr muß durch die Fahrzeugführung unmittelbar herbeigeführt worden sein. Stürzt ein betrunkener Motorradfahrer infolge seiner Trunkentheit und bleibt er bewußtlos auf der Fahrbahn liegen, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, da die Gefahr durch die Trunkenheitsfahrt nur mittelbar verursacht wurde (BayObLG NJW 1969 2026; OLG Stuttgart NJW 1960 1484 = VRS 19 294; a. A. Cramer Rdn. 70); auch reicht es für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, wenn aus der angefahrenen Straßenlaterne das ausströmende Gas andere gefährdet (KG DAR 1961 145; a. A. Cramer Rdn. 71). Ist das verunglückte Täterfahrzeug zwar bereits soeben zum Stillstand gekommen, die Kollisionskette mit anderen Verkehrsteilnehmern aber noch in Gang, so gefährdet es noch den fließenden Verkehr (OLG Celle NJW 1970 1091), so daß Ursachenzusammenhang zu bejahen ist. Andererseits kann die Trunkenheit nicht Ursache für eine fahrlässige Tötung sein-, wenn der Täter alle sonst im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt beachtet hat (BGH VRS 24 189); ob die Annahme gerechtfertigt ist, der Täter habe einen auf der Fahrbahn gehenden Fußgänger infolge alkoholbedingter Beeinträchtigung nicht rechtzeitig wahrgenommen, ist im Einzelfall Tatfrage (BGH aaO). Die Mitverursachung des Unfalls durch einen Unfallbeteiligten beseitigt die Ursächlichkeit des Täterverhaltens nicht (OLG Karlsruhe NJW 1965 361).

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2. In den Fällen des Absatz 1 Nr. 2 a bis g ist erforderlich, daß die Gefahr durch den im Katalog beschriebenen Verkehrsverstoß herbeigeführt wurde. Ist der Eintritt der Gefahr auf andere Vorkommnisse zurückzuführen, genügt es nicht, daß die übrigen Tatbestandsmerkmale durch das Täterverhalten erfüllt sind (vgl. OLG Hamm NJW 1955 723). Die konkrete Gefahr muß durch einen während des Fahrens verursachten Verkehrsverstoß nach Absatz 1 Nr. 2 bedingt, und in unmittelbarem Zusammenhang durch die Fahrzeugführung verursacht sein (BGHSt. 19 371; a. A. OLG Stuttgart VRS 18 442; KG DAR 1961 145; vgl. auch OLG Celle NJW 1969 1184). Kann ein Tatbestandsmerkmal des Absatz 1 Nr. 2 hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg entfiele, beruht der Gefahreneintritt nicht mehr ursächlich auf dem Verkehrsverstoß. Fährt jemand z. B. zu schnell in eine an sich übersichtliche Kurve, in deren Scheitelpunkt eine Straße einmündet, kommt ins Schleudern und stößt mit einem aus der Einmündung Herausfahrenden zusammen, so liegt Verstoß gegen Nr. 2 d vor; stößt er hingegen wegen des Schleudervorganges mit einem Entgegenkommenden zusammen, hat die Einmündung keine Bedeutung; die Tatbestandsmerkmale des Absatz 1 Nr. 2 d sind nicht erfüllt.

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VIII. Die Rechtswidrigkeit einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c kann ebenso wie bei anderen Straftaten entfallen, wenn dem Täter Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen. 1. Als Rechtfertigungsgründe kommen in Frage: Notwehr, übergesetzlicher Notstand, gewisse Amtsrechte oder Dienstpflichten, die Einwilligung. Sie haben jedoch im Rahmen des § 315 c insofern keine große Bedeutung, weil bei gerechtfertigtem Handeln meist schon Rücksichtslosigkeit verneint werden kann. Wird ein durch Alkoholeinfluß Fahruntüchtiger von anderen Personen bedroht, so kann zwar im Einzelfall die Wegfahrt mit dem Kraftfahrzeug auch insoweit aus Notwehr noch gerechtfertigt sein, als er die ihn bedrohenden Personen gefährdet; nicht aber wenn andere Personen in Gefahr gebracht werden. Als Rechtfertigungsgrund kommen auch die Vorrechte nach § 35 StVO in Betracht, sowie auch amtliche Befugnisse der (122)

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Polizeibeamten, Verkehrsteilnehmer zur Durchführung einer Verkehrskontrolle anzuhalten, bei Verdacht einer strafbaren Handlung einen Kraftfahrzeugführer zum Anhalten zu zwingen. Notwehr gegenüber fahrlässigen Behinderungen im Straßenverkehr ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil es an einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff fehlen wird. Sie kann aber nicht allgemein verneint werden (so jedoch O L G Düsseldorf N J W 1961 1783; BayObLG N J W 1953 1723; Baumann NJW 1961 1745; Cramer Rdn. 88); vielmehr ist im Einzelfall jeweils zu prüfen, ob die gegenwärtige Gefahr, in der sich der Fahrzeugführer befindet, nicht auf andere Weise beseitigt werden kann und ob die den Tatbestand des § 315 c erfüllende Handlung als die erforderliche Verteidigung angesehen werden kann (vgl. BGH N J W 1962 308; GA 1965 147; Himmelreich G A 1966 129; O L G Stuttgart N J W 1966 745 m. Anm. Bokkelmann; JR 1966 228 m. Anm. Möhl). Schwere Verkehrsverstöße eines Arztes während der Fahrt zu einem schwerkranken Patienten sind durch rechtfertigenden Notstand grundsätzlich nicht gedeckt (OLG Stuttgart Justiz 1963 37), insbesondere solche Verstöße nicht, durch die andere Personen gefährdet werden. Die Frage der Rücksichtslosigkeit des Verhaltens bedarf in diesen und ähnlich gelagerten Fällen besonderer Prüfung. 2. Umstritten ist, ob die Rechtswidrigkeit einer Gefährdung nach § 315 c durch 61 Einwilligung ausgeschlossen werden kann. Nach § 315 a StGB a. F., der die Herbeiführung einer Gemeingefahr zur Voraussetzung hatte, spielte die Einwilligung insoweit keine entscheidende Rolle, da eine G e f ä h r d u n g der Insassen des Fahrzeugs grundsätzlich als Gemeingefahr nicht ausreichte und eine Einwilligung Dritter, die in keiner Beziehung zum Fahrzeugführer stehen, wohl i. d. R. auszuschließen ist (BGHSt. 6 232; 11 151, 199). Wie schon in Rdn. 1 oben ausgeführt, ist nach wie vor Schutzobjekt im Sinne des § 315 c sowohl die Sicherheit des Straßenverkehrs, wie auch die Sicherheit der Individualgüter. Die Tatbestände der Straßenverkehrsgefährdung haben Handlungen zum Gegenstand, die ihrem Wesen nach gegen die Allgemeinheit gerichtet sind und die das Funktionieren des Verkehrs und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen (so auch Geerds, Blutalkohol 1965 124; Lackner, Das konkrete Gefährdungsdelikt im Straßenverkehr 1967); der Schutz des Einzelnen ist nur eine Nebenwirkung von untergeordneter Bedeutung, so daß es nicht möglich ist, die gesetzgeberische Entscheidung über die Einbeziehung des Gefährdeten in den Tatbestand durch die Zulassung der Einwilligung zu entschärfen (Lackner aaO). Aus diesem G r u n d e ist die Einwilligung des Gefährdeten rechtlich wirkungslos, weil der Gefährdete nicht über das Rechtsgut der Verkehrssicherheit verfügen kann (BGHSt. 23 261 = VRS 39 35, Anm. Oellers in N J W 1970 2121; K G VRS 36 107; O L G Düsseldorf VRS 36 109; O L G H a m m VRS 36 279; 40 26; D A R 1973 219; O L G Karlsruhe N J W 1967 2321 = VRS 34 123; O L G Stuttgart VRS 50 265). Der Ansicht von O L G H a m b u r g (VRS 35 433 = N J W 1969 336), das eine Einwilligung gemäß § 226 a StGB in eine tatbestandsmäßige Gefährdung i. S. des § 315 c dann als rechtswirksam ansehen will, wenn nur eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit vorliegt, ist schon der BGH (aaO) mit zutreffender Begründung entgegengetreten, weil § 315 c nicht allein Individualinteressen schützt. Aus dem gleichen Grunde kann auch der Ansicht von Cramer (Rdn. 86) nicht zugestimmt werden, der einer Einwilligung in eine G e f ä h r d u n g allgemein eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Wirkung beimessen will, weil der Tatbestand des § 315 c erst erfüllt ist, wenn eine Individualgefahr eingetreten ist, über die der davon Betroffene verfü(123)

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gen kann (im Ergebnis ebenso Langrock M D R 1970 982). Da nach Cramer durch eine rechtswirksame Einwilligung eine rechtswidrige Gefährdung nicht mehr gegeben ist und damit die Anwendung des § 315 c nicht mehr in Frage kommt, der Gefährdete aber über die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht disponieren kann, bleibt nach Cramer z. B. der durch Alkoholeinfluß fahruntüchtige Fahrzeugführer nach § 316 StGB strafbar; bei Verstößen gegen Absatz 1 Nr. 2 stünde nach Wegfall einer rechtswidrigen Gefährdung der Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit (§ 2 StVZO, § 1 StVO) nichts im Wege. Cramer meint auch, daß die Einwilligung nicht deshalb irrelevant sei, weil sie eine Lebensgefahr betreffe und § 216 StGB nur die Einwilligung in eine Tötung ausschließe (ebenso auch Berz GA 1969 145). Er geht damit über die Meinungen von Bickelhaupt (NJW 1967 713), Maurach (AT S. 471) und Roxin (JuS 1964 373) hinaus, die in diesem Zusammenhang eine Einwilligung in eine Leibesgefährdung, nicht aber in eine Lebensgefährdung als wirksam betrachten (ähnl. auch Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 33 und Lenckner Rdn. 103 ff vor § 32), da eine Einwilligung in eine Lebensgefährdung einer Einwilligung in eine mögliche Tötung nähersteht und schon deshalb bei sinnentsprechender Auslegung des § 216 StGB als unwirksam angesehen werden muß. Die Ansicht, daß es sich konstruktiv bei der Einwilligung in eine Lebensgefährdung um ein durch Einwilligung geschaffenes erlaubtes Risiko handelt (so Cramer Rdn. 86 unter Hinweis auf Sch.-Schröder-Cramer § 315 c Rdn. 33 und Lenckner Rdn. 102 vor § 32), ist nicht überzeugend. Der Ansicht des BGH, daß eine Einwilligung in eine Gefährdung nach § 315 c die Rechtswidrigkeit der herbeigeführten Gefahr nicht beseitigen kann, ist deshalb der Vorzug zu geben, weil sie durch die Entstehungsgeschichte gerechtfertigt wird und dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Die vom verletzten Mitfahrer zwar im Hinblick auf § 315 c unwirksame Einwilligung behält hinsichtlich einer Körperverletzung nach §§ 223, 230 StGB ihre Rechtswirksamkeit (§ 226 a StGB), weil diese Bestimmungen lediglich auf das Individualgut abstellen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf § 226 a verwiesen. 62

IX. Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des § 315 c ist unterschiedlich gestaltet: Absatz 1 setzt vorsätzliches Handeln voraus, während nach Absatz 3 Fahrlässigkeit genügt (vgl. Rdn. 68). Bei der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung nach Absatz 1 muß der Vorsatz sowohl die Tatausführung wie auch die Herbeiführung der konkreten Gefahr umfassen. Bedingter Vorsatz genügt.

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1. Vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung nach Absatz 1 Nr. 1 a oder b setzt voraus: a) Führung eines Fahrzeugs als finale Tätigkeit, b) Kenntnis oder billigende Inkaufnahme der eigenen Fahruntüchtigkeit (infolge Alkoholgenusses oder anderer berauschender Mittel oder infolge körperlicher oder geistiger Mängel), c) Wissen und Wollen der Gefährdung oder zumindest deren billigende Inkaufnahme, wobei sich der Vorsatz bei Sachgefährdung auch darauf erstrecken muß, daß die gefährdete Sache von bedeutendem Wert ist (OLG Hamm VRS 44 100; OLG Koblenz VRS 44 199). Die Feststellung, ob der Täter mit natürlichem Vorsatz ein Fahrzeug geführt hat, wird in der Praxis kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Kenntnis des Täters von seiner durch Alkoholgenuß oder andere berauschende Mittel bedingten Fahruntüchtigkeit setzt genaue Erforschung aller Einzelumstände voraus. Hier ist vor allem zwischen absoluter und relativer Fahruntüchtigkeit zu unterscheiden. Es darf als allegemein bekannt unterstellt werden, daß ein Kraftfahrzeugführer ab 1,3 %o BÄK nicht mehr (124)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Weiß der Täter, daß er durch den Alkoholgenuß diese BÄK erreicht oder überschritten hat, wird Vorsatz angenommen werden können. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn die Alkoholbeeinflussung die Grenze von 1,3 %» erheblich übersteigt (BayObLG DAR 1970 20). Dabei bleibt es aber im einzelnen immer noch Tatfrage, ob sich der Täter der Höhe seiner Alkoholbeeinflussung auch tatsächlich bewußt ist; denn von der Höhe der BÄK allein kann grundsätzlich nicht auf eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt geschlossen werden (vgl. dazu Rüth LK §316 Rdn. 95). Weiß der Täter allerdings, daß die genossene Alkoholmenge zu seiner Fahruntüchtigkeit führte, kommt es auf die Kenntnis weiter mitwirkender Ursachen nicht an (BayObLG VRS 38 112 = DAR 1970 20; vgl. dazu auch v. Hippel Vorsatzprobleme der Straßenverkehrsgefährdung, ZStW 1975 443). Die Kenntnis der beeinträchtigenden Wirkung des Restalkohols ist allgemein bekannt. Je länger der Zeitraum zwischen letztem Alkoholgenuß und Antritt der Fahrt ist, um so weniger kann von einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt ausgegangen werden (vgl. dazu Rüth LK § 316 Rdn. 100). Bedingter Vorsatz und bewußte Fahrlässigkeit werden gerade bei Trunkenheits- 64 fahrten oft nahe beieinander liegen (so auch KG VerkMitt. 1956 2). Man kann deshalb auch keine allgemeinen Richtsätze entwickeln, wann ein Täter vorsätzlich, oder bedingt vorsätzlich hinsichtlich seiner rauschbedingten Fahruntauglichkeit ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt. Ist sich der Täter bewußt, unter Alkoholeinwirkung zu stehen und deshalb in seiner Fahrsicherheit beeinträchtigt zu sein, so wird dies i. d. R. Zur Annahme bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Durchführung der Trunkenheitsfahrt ausreichen. Dies genügt allerdings nur hinsichtlich eines Vergehens nach § 316 StGB (vgl. dortige Rdn. 91 ff), nicht aber für vorsätzliches Handeln nach § 315 c (vgl. Rdn. 65 bis 67). Bei der auf anderen geistigen oder körperlichen Mängeln beruhenden Fahruntüchtigkeit muß der Täter in dem Bewußtsein das Fahrzeug führen, daß gerade die bei ihm vorliegenden Mängel die sichere Führung eines Fahrzeugs durch ihn ausschließen. Vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung verlangt aber darüber hinaus, daß der 65 Täter auch die Gefährdung eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert zumindest billigend in Kauf nimmt (Gefährdungsvorsatz). Die Hoffnung oder der Wunsch des Täters, eine Gefährdung werde nicht eintreten, steht der Billigung der Gefahr nicht schon von vorneherein entgegen (BGH VRS 12 185; OLG Köln NJW 1960 1213); auch der Wunsch, selbst nicht verletzt zu werden, steht nicht in denkgesetzlichem Widerspruch zur Billigung der Gefährdung anderer (BGH DAR 1955 282). Der Gefährdungsvorsatz umfaßt nicht zugleich auch die Billigung eines tatsächlich entstandenen Schadens (KG VerkMitt. 1956 28; OLG Köln DAR 1960 118). Hierin ist auch der grundsätzliche Unterschied zwischen Verletzungs- und Gefährdungsvorsatz zu sehen (BGHSt. 22 67). Der für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 315 c allein ausreichende Gefährdungsvorsatz setzt nur voraus, daß der Täter nach seinem Vorstellungsbild die Umstände kennt und billigt, aus denen die konkrete Gefahr entsteht (OLG Köln VRS 45 437; OLG Hamm DAR 1972 334; Cramer Rdn. 76; vgl. auch Dreher Rdn. 18; Sch.-SchröderCramer Rdn. 35; Lackner Anm. 6 a; v. Hippel ZStW 1975 443; Straube NJW 1955 408). Der Gefährdungsvorsatz in Form des dolus eventualis ist oft schwer von der 66 bewußten Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Beiden ist gemeinsam, daß der Täter den Eintritt eines Schadens nicht will. Beim Gefährdungsvorsatz jedoch muß sich der (125)

§ 315 c

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Täter der konkreten gefahrenträchtigen Verkehrslage bewußt geworden sein und die Gefährdung billigend in Kenntnis des Umstandes in Kauf nehmen, daß der Eintritt oder das Ausbleiben des Schadens nur vom Zufall abhängt (BGHSt. 22 67 = NJW 1968 1244; KG VRS 12 352; OLG Celle NJW 1955 1331; OLG Düsseldorf NJW 1956 1043; OLG Hamm NJW 1954 1418; DAR 1972 334; OLG Köln NJW 1960 1213; VRS 45 437). Ist der Täter sich zwar der Gefährlichkeit seiner Fahrweise bewußt, hofft er aber, durch eigene Geschicklichkeit die Gefährdung anderer abzuwenden, billigt er i. d. R. die Gefährdung nicht und handelt insoweit nicht vorsätzlich, sondern nur bewußt fahrlässig (vgl. Dahs NJW 1955 1448). Typische Fälle vorsätzlicher Gefährdung werden meist bei absichtlichem Behindern anderer gegeben sein (BGH VRS 12 185; KG VRS 11 198). Wer mit zu geringem Sicherheitsabstand einen Radfahrer oder andere Fahrzeuge überholt, handelt grundsätzlich vorsätzlich, wenn er weiß, daß hierdurch ein Schaden entstehen kann, oder wenn er einen anderen vorsätzlich am Überholen hindert, ihn auf das Bankett abdrängt (vgl. BGHSt. 22 67), oder wer auf eine Person mit unverminderter Geschwindigkeit zufährt und nicht weiß, ob diese sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen kann, oder wer sein Fahrzeug bewußt als Mittel einsetzt, einen anderen zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen (BGH aaO), und trotzdem von seiner gefahrenträchtigen Fahrweise nicht Abstand nimmt. 67

2. Der Vorsatz bezüglich der Verstöße gegen Absatz 1 Nr. 2 a bis g setzt voraus: a) Führung des Fahrzeugs als finale Tätigkeit, b) Kenntnis oder billigende Inkaufnahme der tatbestandsmäßigen Handlung, ohne daß der Täter selbst die rechtliche Würdigung vorzunehmen braucht, er muß sich nur des Unrechts bewußt sein, c) Wissen und Wollen der Gefährdung eines Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert oder zumindest deren billigende Inkaufnahme, d) Kenntnis der Tatsachen, die eine Wertung der Tat als grob verkehrswidrig und rücksichtslos rechtfertigen, ohne aber daß der Täter selbst seine Handlung als grob verkehrswidrig oder rücksichtslos einzuordnen braucht (BayObLG DAR 1969 51 = NJW 1969 565). Hinsichtlich des grob verkehrswidrigen Verhaltens muß dem Täter bewußt sein, daß er einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß begeht. Beim vorsätzlich rücksichtslosen Handeln muß der Täter die Umstände kennen, aus denen sich die Pflicht zur Rücksichtsnahme anderen gegenüber ergibt. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, vom äußeren Tatgeschehen her auf die subjektive Einstellung des Täters zu schließen, wenn es eine grobe Mißachtung der Rechte oder Vorrechte anderer Verkehrsteilnehmer aufzeigt und der Täter den äußeren Tatablauf bewußt und gewollt herbeigeführt hat. Grundsätzlich bedingt vorsätzlich handelt, wer ein zum Überholen ansetzendes Kraftfahrzeug zum Zwecke der Verkehrserziehung bewußt abdrängt oder schneidet (OLG Köln VRS 45 436).

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3. Absatz 3 regelt zwei von einander scharf zu trennende Fälle. Nr. 1: Täter handelt vorsätzlich, verursacht die Gefahr aber nur fahrlässig; Nr. 2: Täter handelt fahrlässig und verursacht die Gefahr ebenfalls fahrlässig. Die gleiche Unterscheidung treffen: § 315 Abs. 4, 5; § 315 a Abs. 3; § 315 b Abs. 4, 5. Im Gegensatz zu diesen Bestimmungen bedroht §315 c Abs. 3 vorsätzliches und fahrlässiges Handeln mit gleicher Strafe. Absatz 3 Nr. 1 enthält eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination: Täter begeht die Ausführungshandlung vorsätzlich (oder bedingt vorsätzlich), nimmt die Gefährdung aber nicht billigend in Kauf, hofft, eine Gefahr werde nicht eintreten oder bedenkt aus Gleichgültigkeit oder Gedankenlosigkeit den voraussehbaren Eintritt einer naheliegenden Gefährdung nicht. Die Tat ist nach § 11 Abs. 2 StGB Vorsatztat (126)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

mit allen sich hieraus ergebenden rechtlichen Folgen (anders nach früherem Recht, nach dem zwar nach zutreffender Betrachtung ebenfalls schon Vorsatztat anzunehmen war, da jedoch ein Tatbestandsmerkmal nur fahrlässig verwirklicht wurde, der Verstoß im Endergebnis ein Fahrlässigkeitsdelikt war; vgl. dazu die Ausführungen in Rüth LK 9 § 315 c Rdn. 63 mit weiteren Nachweisen). Absatz 3 Nr. 2 ist Fahrlässigkeitstat. Der Tatrichter hat festzustellen, ob der Täter bewußt oder unbewußt fahrlässig gehandelt hat (OLG Oldenburg VRS 18 444). Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Trunkenheitsfahrten s. Rüth LK Rdn. 95 ff. In den meisten Fällen des Absatz 1 Nr. 2 wird vorsätzliches Handeln in Frage kommen, weil der Täter alle äußeren Umstände der Tatverwirklichung i. d. R. kennt. Fehlerhafte Beurteilung der Verkehrslage oder Gedankenlosigkeit läßt die Annahme vorsätzlichen Handelns nicht mehr zu. Dem Fahrer, der unverschuldet durch ein ungewöhnliches Ereignis in Schrecken, Furcht oder Verwirrung versetzt wird, kann nicht vorgeworfen, daß er in einer solchen Situation nicht, falsch oder zu spät reagiert hat (OLG Karlsruhe VRS 50 280). Der Täter kann fahrlässig sowohl grob verkehrswidrig als auch fahrlässig rücksichtslos handeln. Während der Täter bei der groben Verkehrswidrigkeit nur die objektiven Tatumstände, die sein Verkehrsverhalten grob pflichtwidrig machen, bewußt oder unbewußt fahrlässig außer acht gelassen zu haben braucht, erfordert fahrlässige Rücksichtslosigkeit darüber hinaus eine extrem verwerfliche Gesinnung. Bei der Prüfung fahrlässiger Rücksichtslosigkeit muß deshalb das subjektive Täterbewußtsein miteinbezogen werden. Sie ist dann anzunehmen, wenn der Täter aus Gleichgültigkeit sich auf seine Pflichten als Fahrer nicht besinnt (unbewußte Fahrlässigkeit) oder aus eigensüchtigen Beweggründen Hemmungen gegen seine Fahrweise nicht erst aufkommen läßt (bewußte Fahrlässigkeit) und unbekümmert um die Folgen drauflosfährt (BGH VRS 17 43; DAR 1962 340; OLG Stuutgart 1967 852; OLG Köln VRS 33 283). — Fahrlässigkeit in bezug auf rauschbedingt fahruntüchtigen Zustand vgl. § 316 Rdn. 97 ff. X. Versuch ist nur in den Fällen des Absatz 1 Nr. 1 strafbar, also bei vorsätz- 69 licher Straßenverkehrsgefährdung im Zustand der Fahruntüchtigkeit. In der Praxis hat diese Bestimmung keine Bedeutung gewonnen. Mag man auch den Beginn der Ausführungshandlung bereits darin sehen, daß der betrunkene oder sonst wegen geistiger oder körperlicher Mängel fahruntüchtige Fahrzeugführer sich ans Steuer setzt und den Motor anläßt, so reicht dies aber für eine Bestrafung wegen Versuchs nach § 315 c Abs. 2 allein nicht aus; denn hierzu ist die Vorstellung des Täters erforderlich, durch seine Handlung werde eine konkrete Gefahr eintreten, der Täter diese Gefahr zumindest auch billigt, der Beginn der Ausführungshandlung also nicht nur auf die Durchführung der Trunkenheitsfahrt beschränkt bleibt, sondern der Vorsatz des Täters sich darüber hinaus darauf erstreckt, auf der durchzuführenden Fahrt einen anderen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert in Gefahr zu bringen (OLG Düsseldorf NJW 1956 1043; Cramer Rdn. 96). Eine Gefährdung liegt nicht schon dann vor, wenn die allgemeine Möglichkeit besteht, daß Personen oder Sachen in den Gefahrenbereich kommen werden, sondern erst dann, wenn der Täter durch seine Fahrt in fahruntüchtigem Zustand eine Lage schafft, die die Schädigung bestimmter Menschen oder bestimmter bedeutender Sachwerte wahrscheinlich macht. Ein Versuch kann deshalb nur angenommen werden, wenn der Täter auch eine Gefährdung in sein Vorstellungsbild aufgenommen hat und er diese Gefährdung will oder zumindest billigend in Kauf nimmt (OLG Düsseldorf VRS 35 29), Der Versuch nach Absatz 1 Nr. 2 f ist vollendetes Delikt. (127)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

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XI. Täterschaft und Teilnahme 1. § 315 c ist eigenhändiges Delikt (so auch Krumme-Sanders-Mayr § 315 StGB ff. Anm. C I 1); Cramer § 315 c Rdn. 89). Täter nach Absatz 1 und Absatz 2 a bis f kann nur der Fahrzeugführer (Begriff Rdn. 5 oben) sein. Mittäterschaft ist somit nur möglich, wenn mehrere gemeinsam ein Fahrzeug führen (vgl. Rdn. 10, 11 oben). Täter nach Absatz 1 Nr. 2 g ist der für die Kenntlichmachung des Fahrzeugs Verpflichtete, dessen täterschaftsbegründendes Merkmal sich aus der StVO ergibt. Mittäterschaft bei fahrlässigen Delikten (Absatz 3 Nr. 2) ist nicht möglich. Vorsätzliche oder fahrlässige Nebentäterschaft ist in bezug auf § 315 c ebenfalls nicht möglich (Cramer Rdn. 95; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 36 b ; a. A. OLG Braunschweig VRS 12 108, jedoch im Hinblick auf § 2 StVZO, der nicht Führung eines Fahrzeugs, sondern nur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr voraussetzt). Sie kann jedoch angenommen werden hinsichtlich der von dem Fahrzeugführer während der Fahrt begangenen Straftaten (vgl. dazu Rüth LK § 316 Rdn. 125 bis 127).

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2. Teilnahme in Form der Anstiftung und Beihilfe ist nur beim vorsätzlichen Vergehen nach § 315 c Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 11 Abs. 2 möglich. Eine Teilnahme an einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung (fahrlässige Gefährdung, Absatz 3 Nr. 2) gibt es nicht; §§ 26, 27 StGB; BGHSt. 9 370; VRS 11 267 = MDR 1967 229 m. Anm. Janiszewski). Für die Teilnahme gelten die für die erfolgsqualifizierten Delikte entwickelten Grundsätze (Cramer Rdn. 93; Sch. Schröder-Cramer Rdn. 36 b und §18 Rdn. 6). Dies bedeutet, daß die den Tatbestand des § 315 c qualifizierende Gefährdung dem Teilnehmer nur dann zuzurechnen ist, wenn ihm in bezug auf diese zumindest Fahrlässigkeit nachzuweisen ist (§ 18). Handelt der Täter vorsätzlich und ist er nach Absatz 1 strafbar, fällt dem Anstifter, Gehilfen in bezug auf die Gefährdung nur Fahrlässigkeit zur Last, so können Anstifter und Gehilfe nur nach Absatz 3 Nr. 1 i. V. m. § 26 bzw. § 27 StGB belangt werden (§ 29). Hat der Beifahrer (Anstifter) auch die Gefahr nicht voraussehen können, kann er nach § 14 Abs. 4 OWiG nur wegen Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit belangt werden. Handelt der Fahrzeugführer zwar vorsätzlich, fehlt es bei ihm aber an der Erfüllung eines der sonst erforderlichen Tatbestandsmerkmale, kann er u. U. nur wegen einer Ordnungswidrigkeit für schuldig befunden werden, was eine Verurteilung des Anstifters zu einem Vergehen nach § 315 c nicht ausschließt (§ 14 Abs. 4 OWiG, § 29 StGB; eb. Cramer Rdn. 93). Hat der Täter weder die Gefährdungshandlung noch die Gefahr vorsätzlich herbeigeführt, kommen Anstiftung oder Beihilfe nicht in Frage (§§ 26, 27).

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XII. Konkurrenz 1. Eine Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten kommt dann nicht in Betracht, wenn die Handlung gleichzeitig Straftat ist und eine Strafe verhängt wird (§ 17 OWiG) auf die in bezug auf die Ordnungswidrigkeit angedrohten Nebenfolgen kann neben der Strafe erkannt werden. Wird eine Strafe nicht verhängt, kann die Handlung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Eine Strafe wird auch dann nicht verhängt, wenn der Täter nach § 20 StGB freigesprochen oder nach § 60 StGB von Strafe abgesehen wird. Im ersten Fall dürfte eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nach § 12 Abs. 2 OWiG ausscheiden, im letzteren Fall wäre es sinnwidrig, die Tat als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und eine Geldbuße zu verhängen, wenn schon die Verhängung einer Strafe als völlig verfehlt angesehen wird (vgl. Koffka LK? § 16 Rdn. 3, 4).

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2. Mehrere Begehungsformen des §315 c Abs. 1 Nr. 1 und 2 stehen zueinander grundsätzlich im Verhältnis der Tateinheit, auch wenn die verschiedenen Bege(128)

G e f ä h r d u n g des Straßenverkehrs (Rüth)

§ 315 c

hungsformen nur eine konkrete Gefahr verursachten (Dreher Rdn. 22; Jagusch Rdn. 60; BayObLG bei Rüth DAR 1973 205; a. A. Cramer Rdn. 101; Sch.-SchröderCramer Rdn. 40; Geerds Blutalkohol 1965 128, die grundsätzlich Handlungseinheit oder wie Geerds unselbständige Begehungsweise eines einzigen Tatbestandes annehmen), ausgenommen von tateinheitlichem Zusammentreffen sind Begehungsform der Nr. 1 a und b untereinander. Im einzelnen ist zu unterscheiden: a) Die Durchführung der Fahrt in fahruntüchtigem Zustand nach Absatz 1 74 Nr. 1 a oder b ist Dauerdelikt (Cramer Rdn. 102; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 43). Tateinheit zwischen Nr. 1 a und 1 b ist ausgeschlossen, da Nr. 1 a nur ein Unterfall der Nr. 1 b ist (Dreher Rdn. 22; BGH VerkMitt. 1971 81). Führt der Täter deshalb auf einer in fahruntüchtigem Zustand unternommenen Fahrt mehrmals eine Gefahr herbei, so bilden die verschiedentlich auf einer Fahrt verursachten Gefährdungen eine Handlungseinheit, sind also nur eine Tat (BGHSt. 22 67, 71; VRS 47 178; 48 191), da die „Kontinuität des zugrunde liegenden Trunkenheitsdelikts" (Sch.-Schröder-Cramer ZL&O) die verschiedenen Gefahrensituationen zu einer Handlungseinheit verbindet (BGH VRS 9 353; Jagusch Rdn. 60, der die Annahme einer Dauerstraftat deshalb verneint, weil die Erfüllung des Tatbestandes eine konkrete Gefährdung voraussetzt); es sei denn, die spätere Gefährdungstat beruht auf einem neuen selbständigen Willensentschluß (OLG Koblenz VRS 37 190; OLG Karlsruhe VRS 35 267); wobei jedoch eine Änderung des Beweggrundes für die Durchführung der Fahrt die Einheitlichkeit der Tat nicht berührt (BGH VRS 48 354). Eine Tat (Dauerdelikt) ist z. B. anzunehmen, wenn der Täter kurz hintereinander auf einer Trunkenheitsfahrt mehrere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder wenn ein Kraftfahrer in trunkenem Zustand nacheinander mehrere Kraftfahrzeuge angefahren und beschädigt hat, ohne dies jedoch infolge seiner Trunkenheit bemerkt zu haben und deshalb den Entschluß zur unerlaubten Entfernung nach dem ersten oder folgenden Anstoß nicht gefaßt hat (Unfälle im Abstand von etwa 20 m: BayObLG v. 28. 4. 1972, 2 St. 67/72). Auch durch gelegentliche Fahrtunterbrechungen wird die Einheitlichkeit nicht zerstört, wenn von vornherein das Fahrtziel feststeht und nach der Fahrtunterbrechung nicht ein neuer Entschluß zur Fortsetzung der Fahrt gefaßt wird. Hat der Täter in rauschbedingt fahruntüchtigem Zustand die Fahrt angetreten, ist er unterwegs eingekehrt und trinkt weiter und führt er auf der von vorneherein beabsichtigten Weiterfahrt erstmals oder auch neuerdings eine Gefahr herbei, so ist nur eine Tat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, evtl. Abs. 3 anzunehmen (OLG Koblenz VRS 37 190; OLG Köln VRS 37 200; OLG Karlsruhe VRS 35 267). Hat der Täter einen Verkehrsunfall (also nicht nur eine Gefährdung) verursacht, dies bemerkt und seine Fahrt fortgesetzt, so wird durch den eingetretenen Schadensfall die Dauerstraftat unterbrochen, die Weiterfahrt steht auch nicht mehr in rechtlichem Zusammenhang mit der zum Unfall führenden Fahrt, ist vielmehr eine selbständige Tat (BGHSt. 17 333 = VRS 23 212; BGHSt. 21 203), die rechtlich als Vergehen nach § 142 in Tateinheit mit § 316 stehend zu werten ist und ihrerseits wiederum in sachlichem Zusammenhang mit §315c Abs. 1 Nr. 1 a (evtl. Abs. 3) steht. Wird auf der Fluchtfahrt ein weiterer Unfall verursacht, tritt an die Stelle des §316 der § 315 c, so daß § 142 und § 315 c tateinheitlich zusammentreffen, die wiederum sachlich zusammentreffen mit der zum Unfall führenden Trunkenheitsfahrt nach § 315 c. b) Anders liegen die Fälle des Absatz 1 Nr. 2. Sie können grundsätzlich zu Abs. 1 75 Nr. 1 a oder b aber auch untereinander in Tateinheit stehen, soweit die tatbestands(129)

§ 315 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

mäßigen Handlungen und die konkrete Gefahr durch eine Tat im materiellrechtlichen Sinn verwirklicht wurden. Die Herbeiführung einer konkreten Gefahr verbindet das tatbestandsmäßige Handeln der verschiedenen Begehungsformen nicht wie bei Absatz 1 Nr. 1 zu einer Handlungseinheit, (a. A. OLG Hamm VRS 41 40; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 40). 76

Eine fortgesetzte Tat ist anzunehmen, wenn der Täter während der Durchführung einer Fahrt auf Grund eines bei ihm vorliegenden Gesamtvorsatzes mehrere Gefährdungen bewußt und gewollt herbeiführt oder sie billigend in Kauf nimmt (hinsichtlich Gesamtvorsatz: Mösl LK 9 Vorbem. § 73 Rdn. 20 ff), die Gefährdungen also auf demselben Handlungsentschluß beruhen und Gleichartigkeit der Tathergänge gegeben ist. Die Annahme von Fortsetzungszusammenhang scheitert nicht daran, daß der Täter Individualrechtsgüter verletzt, da Schutzobjekt des § 315 c auch die Sicherheit des Straßenverkehrs ist (vgl. Rdn. 1). Der im Schrifttum verschiedentlich als ausreichend angesehene Fortsetzungsvorsatz (Sch.-Schröder-Stree vor § 52 Rdn. 55; Maurach § 54 III B) hat sich in der Praxis der Rechtsprechung zu Recht nicht durchgesetzt (Mösl LK 9 Vorbem. § 73 Rdn. 23). Läßt sich der Umfang der fortgesetzten Tat nicht vollständig klären, so muß der Tatrichter wenigstens die Mindestzahl der Einzelfälle feststellen (BayObLG bei Rüth DAR 1975 204).

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Bei Fehlen eines Gesamtvorsatzes sowie bei fahrlässigen Verstößen wird bei verschiedenen Begehungsformen des Absatz 1 Nr. 2 a bis f i. d. R. Realkonkurrenz (§ 53 StGB) anzunehmen sein; wird nur eine Gefährdung durch verschiedene Begehungsformen der Nr. 2 a bis f herbeigeführt liegt Tateinheit vor Verursacht ein fahruntüchtiger Fahrzeugführer (Absatz 1 Nr. 1 a oder b) auf einer Fahrt mehrere Gefährdungen, kann diese auch fahrlässig zu begehende Dauerstraftat mit den Verstößen nach Absatz 1 Nr. 2 a bis f tateinheitlich zusammentreffen; die Dauerstraftat nach Absatz 1 Nr. 1 kann die mit ihr rechtlich konkurrierenden Verstöße nach Nr. 2 a bis f nicht zu einer Handlungseinheit verbinden (vgl. Mösl L K 9 § 73 Rdn. 12). Absatz 1 Nr. 2 g kann begrifflich nicht in rechtlichem Zusammenhang mit den anderen Begehungsformen stehen. Vielmehr ist hier grundsätzlich von einer Tatmehrheit auszugehen {Dreher Rdn. 22).

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3. Zusammentreffen mit anderen Delikten: Führt die Gefährdung zu einer Verletzung oder Tötung eines Menschen, so ist Idealkonkurrenz mit §§ 230, 222 StGB möglich, soweit der Täter in Bezug auf die Verletzung fahrlässig handelt. Hat der Täter sein Fahrzeug vorsätzlich als Tatwerkzeug zur Begehung einer vorsätzlichen Körperverletzung oder vorsätzlichen Tötung (oder Mord) verwendet, scheidet grundsätzlich die Annahme einer Straßenverkehrsgefährdung aus, wenn die Tatausführung in keinem Zusammenhang mit der aus der Teilnahme am Straßenverkehr resultierenden Gefährlichkeit steht, die Angriffsrichtung des Fahrzeugführers auch nicht in seiner Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer erfolgt und er das Fahrzueg nur als Mittel zur Herbeiführung der Verletzung einsetzt. Außerdem können Verletzungs- und Gefährdungsdelikte hinsichtlich desselben Rechtsgutes grundsätzlich nicht ideell konkurrieren, da erstere die letzteren ausschließen, insbesondere wenn sich die Angriffsrichtung auf eine bestimmte Person konzentriert (vgl. Mösl LK 9 Vorbem. § 73 Rdn. 50; Lange LK 9 § 212 Rdn. 16 jeweils m. weit. Nachweisen.

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Idealkonkurrenz kann vorliegen: Mit § 248 b StGB (unbefugte Fahrzeugbenutzung), mit § 21 StVG (Führung eines fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugs ohne Fahrerlaubnis oder trotz Fahrverbots) (BGH DAR 1955 282; KG VRS 11 203); auch (130)

S c h i e n e n b a h n e n im Straßenverkehr (Rüth)

§ 315 d

§ 315 b kann mit § 315 c Abs. 1 Nr. 2 dann ideell konkurrieren, wenn die Begehungsform der Straßenverkehrsgefährdung zugleich ein vorsätzliches Hindernisbereiten ist (Dreher § 315 c Rdn. 23; BGH VRS 33 434; a. A. Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 40). Auch mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach §113 StGB (BGH VRS 13 135) kann ebenso wie mit Nötigung nach § 240 StGB rechtlicher Zusammenhang gegeben sein (OLG Köln VRS 44 16). Wird durch das nach § 315 c verbotene Fahren oder die nach dieser Bestimmung verbotene Fahrweise ein Mensch durch Fahrlässigkeit verletzt oder getötet, stehen die §§ 222, 230 StGB mit § 315 c in Idealkonkurrenz (BGH VRS 9 353; OLG Frankfurt VRS 38 49). Gesetzeskonkurrenz besteht zwischen § 315 c Abs. 1 a und § 316; § 315 c geht vor. 80 Mit unerlaubter Entfernung (§ 142 StGB) steht § 315 c grundsätzlich in Tatmehrheit, weil mit dem Eintritt der Gefährdung der Tatbestand des § 315 c vollendet ist (BGHSt. 21 203; NJW 1967 942; VRS 13 121; 26 346; 36 354; OLG Celle VRS 33 113; OLG Stuttgart NJW 1964 1913; a. A. ein Teil der früheren Rechtsprechung vor der Entscheidung des BGH in Bd. 21; z.B. OLG Köln DAR 1967 139; Cramer § 315 c Rdn. 104; wohl auch Sch.-Schröder^ Rdn. 47; vgl. Rüth LK 9 § 142 Rdn. 97, 98); hat der Täter Verkehrsflucht im Zustand der Volltrunkenheit ( § 3 3 0 a StGB) begangen, so steht dieses Delikt mit § 315 c in Tateinheit (BGHSt. 17 33 = VRS 23 212; vgl. Füll-Möhl-Rüth § 142 Rdn. 96). Mit § 315 c Abs. 1 Nr. 2 g (Nichtsicherung liegengebliebener Fahrzeuge) kann § 142 StGB in rechtlichem Zusammenhang stehen, wenn das Liegenbleiben durch den die Wartepflicht auslösenden Unfall bedingt war, weil die Entfernung mit Unterlassen der pflichtgemäßen Sicherung bereits der Beginn der Ausführungsverhandlung der Verkehrsflucht ist (Cramer Rdn. 106; OLG Oldenburg VRS 11 54; KG VRS 11 198; OLG Hamm VRS 25 193; a. A. Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 49; Cramer Rdn. 106). Darin, daß ein alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer im Bewußtsein, einen Unfall verursacht zu haben, noch einige hundert Meter weiterfährt, liegt kein gegenüber der vorangegangenen Fahrt selbständiges weiteres Vergehen der Trunkenheit im Verkehr, wenn der Kraftfahrer nicht sich den gebotenen Feststellungen entzieht, sondern lediglich an geeigneter Stelle wenden und sofort zur Unfallstelle zurückfahren will (BayObLGSt. 1973 96 = VRS 45 275). 4. Tatidentität i. S. des § 246 StPO besteht zwischen fahrlässiger Straßenver- 81 kehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 und nachfolgender unerlaubter Entfernung nach § 142. Sie erstreckt sich jedoch nicht auf eine nach Beendigung der unerlaubten Entfernung während der weiteren Trunkenheitsfahrt begangene neue fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung (BGH DAR 1970 74 m. Anm. Grünwald JZ 1970 330).

§ 315 d Schienenbahnen im Straßenverkehr Soweit Schienenbahnen am Straßenverkehr teilnehmen, sind nur die Vorschriften zum Schutz des Straßenverkehrs (§§ 315 b, 315 c) anzuwenden. Fassung Eingefügt durch Ges. vom 26. 11.1964 (BGBl. I 921). (131)

§ 315 d

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

Schrifttum Cramer Zur Abgrenzung der Transport- und Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 d, JZ

1969 412. 1

I. Grundsätzlich sind für Schienenbahnen (Begriff: Rüth LK Rdn. 4—7) die §§315, 315 a anzuwenden. § 315 d bringt f ü r die am Straßenverkehr teilnehmenden Schienenbahnen j e d o c h eine Ausnahme. Sie unterstehen nicht dem erhöhten Schutz der §§315, 315 a ; für sie gelten die Vorschriften zum Schutz des Straßenverkehrs, also die §§ 315 b, 315 c.

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Schienenbahnen, die am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, unterstehen den Vorschriften der StVO mit den sich aus dieser ergebenden Sonderrechten (vgl. § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 7, § 9 Abs. 1 u n d 3, § 19, § 41 Zeichen 201 u n d 205 mit der dazu erlassenen Vwv-StVO). Der Führer einer am Straßenverkehr teilnehmenden Schien e n b a h n ist also Verkehrsteilnehmer; die Schienenbahn steht rechtlich insoweit einem Straßenfahrzeug gleich. Daraus ergibt sich, d a ß bei verkehrsfremden Eingriffen § 315 b u n d bei strafbaren Handlungen des Führers der Schienenbahn § 315 c unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen des Führers eines Straßenfahrzeugs, der eine am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmende Schienenbahn gefährdet, grundsätzlich nur d a r a u f h i n zu ü b e r p r ü f e n , ob u n d welche Verstöße gegen die StVO begangen wurden und ob das Fahrverhalten gegen die §§ 315 b oder 315 c verstieß.

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II. Die E i n f ü g u n g des § 315 d beruht nach der amtl. Begründung (BT Drucksache IV 651, S. 29 ff) auf der zutreffenden Überlegung, d a ß für alle Teilnehmer am Straßenverkehr einheitlich dieselbe Rechtsverordnung gelten muß. Eine dem § 315 d entsprechende Vorschrift schien vor dem 2. StrVerkSichG entbehrlich, weil der erhöhte Strafschutz sich nur auf Schienenbahnen „auf besonderem Bahnkörp e r " erstreckte; § 315 n. F. erfaßt alle Schienenbahnen ohne Unterschied. N a c h Vorstellung der amtlichen Begründung zur Ä n d e r u n g des § 315 u n d zur E i n f ü g u n g des § 315 d sollten auch gewisse Abgrenzungsschwierigkeiten beseitigt werden. Diesen Zweck hat § 315 d jedoch nicht erreicht (vgl. dazu auch Cramer J Z 1969 412; u n d § 315 d R d n . 6, 7; Nüse J Z 65 41). Es herrscht deshalb nach wie vor Uneinigkeit d a r ü b e r , welche Bestimmungen anzuwenden sind, wenn der gefahrenträchtige Eingriff in den Schienenbahnverkehr einer teils außerhalb teils innerhalb des öffentlichen S t r a ß e n r a u m s fahrenden Schienenbahn außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrsraumes v o r g e n o m m e n wird, die konkrete G e f a h r aber erst innerhalb des öffentlichen Straßenverkehrsraum eintritt. Die wohl h. M. stellt auf den G e f a h r e n ort ab, nicht auf den Ort, an dem die g e f ä h r d e n d e H a n d l u n g erfolgte (Dreher R d n . 2; Jagusch R d n . 4; Lackner Anm. 3; O L G Köln VRS 15 49; B a y O b L G VRS 17 125; BGHSt. 11 162; 13 66). Andererseits hat der B G H (St. 15 9) es f ü r § 315 a. F. genügen lassen, wenn die G e f ä h r d u n g der Betriebssicherheit bereits auf dem besonderen B a h n k ö r p e r eintrat, auch wenn sich die G e f a h r erst außerhalb desselben auswirkt.

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Cramer (Rdn. 7; J Z 1969 412), Sch.-Schröder-Cramer (Rdn. 5) betrachten die ortsbezogene Abgrenzung als willkürlich u n d wollen die Abgrenzung nach der ratio legis des Gesetzes funktionell verstanden wissen. N a c h ihnen soll allein d a n a c h zu unterscheiden sein, ob die eingetretene G e f a h r aus den besonderen U m s t ä n d e n des Straßenverkehrs oder aus denen des Bahnverkehrs resultiert. Die §§ 315 b, 315 c sollen nur d a n n zur A n w e n d u n g kommen, soweit auch f ü r Schienenbahnen die (132)

S c h i e n e n b a h n e n im Straßenverkehr ( R ü t h )

§ 315 d

Besonderheiten des Straßenverkehrs maßgeblich sind. Wird sowohl der Schienenbahnverkehr wie auch der Straßenverkehr gefährdet, soll nach dieser Ansicht Idealkonkurrenz zwischen den §§315, 315 b, in Frage kommen. Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigetreten werden, da jede Beeinträchtigung 5 der Sicherheit des innerhalb des öffentlichen Straßenverkehrsraums sich abwickelnden Schienenbahnverkehrs auch stets eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Schienenbahnverkehrs mit sich bringt und es nicht einzusehen ist, warum der Gesetzgeber trotz dieser Erkenntnis alle am Straßenverkher teilnehmenden Schienenbahnen in § 315 d nur den Vorschriften zum Schutz des Straßenverkehrs (§§ 315 b, 315 c) unterstellt hat. Außerdem wollte der Gesetzgeber, daß für alle am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeuge, gleich welcher Art, dieselbe Rechtsordnung gilt. III. Im einzelnen ist folgendes zu unterscheiden: 1. Soweit die Schienenbahn 6 ausschließlich auf eigenem Bahnkörper verkehrt, kommen nur die §§315, 315 a in Betracht, da eine Teilnahme am Straßenverkehr ausscheidet (einhellige Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung). Es ist dabei gleichgültig, ob die Gefahrenlage außerhalb des Schienenbereichs eintritt. Auf eigenem Bahnkörper fährt eine Schienenbahn, wenn die Gleisstrecke durch ihre Bauweise zum Befahren für Straßenfahrzeuge weder bestimmt noch geeignet ist und schon dadurch dem allgemeinen Straßenverkehr entzogen ist. In die Straße verlegte Schienen sind kein eigener Bahnkörper auch für den Fall, daß der Schienenbereich durch besondere Hindernisse, wie Randsteine, Geländer, Hecken gegen das Betreten oder Befahren durch andere Verkehrsteilnehmer gesichert ist. Von einem eigenen Bahnkörper kann somit nur gesprochen werden, wenn der Schienenweg seiner Bauart wegen nur von Schienenfahrzeugen benutzt werden kann. Der Begriff „eigener Bahnkörper" ist nicht identisch mit dem „besonderen Bahnkörper" des §315 StGB a. F., der schon vorliegen kann, wenn nur rechtlich aber nicht technisch andere Fahrzeuge von der Benutzung dieser Verkehrsfläche ausgeschlossen sind. So wurde von der Rechtsprechung das Vorliegen eines besonderen Bahnkörpers auch dann bejaht, wenn die Schienen im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße verlegt waren, dieser Straßenteil aber durch Zäune, Hecken und dgl. abgetrennt war (vgl. BGHSt. 15 9 = VRS 19 200; BayObLG VerkMitt. 1959 50 Nr. 84). 2. Sind die Schienen im Straßenraum verlegt und kann der Schienenbereich, 7 wenn auch erst nach Überwindung von Hindernissen auch von Straßenfahrzeugen befahren werden, so kommen ausschließlich nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 315 d nur die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung. Eine funktionelle Abgrenzung (vgl. dazu Rdn. 5) kann nicht getroffen werden. Wird z. B. eine in der Straße verlegte Schiene gelockert, um eine Straßenbahn zum Entgleisen zu bringen, ist dies ein Hindernisbereiten i. S. des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 (Nr. 3). Der Ansicht von Cramer (§ 315 d Rdn. 7), der bei funktioneller Abgrenzung hier eine Sicherheitsbeeinträchtigung des Bahnverkehrs annehmen will (§ 315), kann aus den in Rdn. 5 dargelegten Gründen nicht zugestimmt werden; denn jede Beeinträchtigung der Sicherheit des innerhalb des öffentlichen Straßenverkehrsraums sich abwickelnden Schienenbahnverkehrs bringt auch stets eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Schienenbahnverkehrs mit sich. Außerdem ist durch § 315 d zum Ausdruck gebracht, daß der Gesetzgeber alle am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeuge, gleich welcher Art, den gleichen verkehrsrechtlichen Bestimmungen (133)

§ 315 d

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

unterstellen wollte. Werden einer im Straßenverkehr fahrenden Straßenbahn falsche Zeichen oder Signale gegeben, kann dies nicht nach § 315 Abs. 1 Nr. 3, sondern nur nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 als ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff geahndet werden (a. A. Sch.-Schröder-Cramer § 315 d Rdn. 5; Cramer StVR § 315 d Rdn. 12). 8

3. Fährt die Schienenbahn nur streckenweise auf eigenem Bahnkörper oder hat sie gleisgleiche Straßenübergänge zu überqueren, ist zu unterscheiden, ob die Gefährdung im Bereich des öffentlichen Straßenverkehrsraumes oder in dem Streckenabschnitt des besonderen Bahnkörpers eintritt (BGHSt. 11 163; 13 68; BayObLG VRS 17 125; OLG Köln VRS 15 53). Der Ort, an dem die gefährdende Handlung vorgenommen wird oder an dem tatsächlich ein Schaden eintritt ist nicht von Bedeutung (a. A. Cramer Rdn. 13, der es darauf abstellt, wo die Gefahrenursache gesetzt wurde). Der BGH meint (BGHSt. 15 9), es käme darauf an, ob die verkehrsgefährdende Handlung im Bereich des eigenen Bahnkörpers oder im Bereich des öffentlichen Straßenverkehrsraums „vollzogen" wurde. Diese Ausdrucksweise stellt m. A. begrifflich auf den Ort des Eintritts der Gefahr ab. Der Beschluß des BGH vom 3. 6. 1960 steht also der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen.

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Gleisgleiche Übergänge (höhengleiche Kreuzung von Schienenweg und Straße) sind grundsätzlich öffentlicher Straßenverkehrsraum, so daß insoweit die §§ 315 b oder 315 c zur Anwendung kommen (OLG Stuttgart VRS 44 33). Ist der Schienenbahn jedoch durch ein Verkehrszeichen Nr. 201 vor dem Übergang (§ 41 StVO) der Vorrang eingeräumt (§ 19 StVO), ist damit zum Ausdruck gebracht, daß auf dem Übergang der Schienenbahn die gleichen Rechte eingeräumt sind, als befände sie sich nach wie vor auf eigenem Bahnkörper. Das Zeichen 201 enthält somit eine rechtliche Fiktion, die den Schienenweg auf einem höhengleichen Überweg zum eigenen Bahnkörper qualifiziert (OLG Stuttgart VRS 44 33). Eingriffe in den Schienenbahnverkehr innerhalb der durch Warnkreuze gekennzeichneten und so abgeschirmten Bahnstrecke sind stets nach §§ 315, 315 a StGB zu beurteilen (BGHSt. 15 9; VRS 19 442; BayObLG VerkMitt. 1959 50; OLG Hamm VRS 12 137; OLG Köln VRS 15 49; Cramer Rdn. 10; Dreher Rdn. 2; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 3; Cramer JZ 69 412).

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4. Auch für Führer einer am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmenden Schienenbahn gelten deshalb die für die Führer von Straßenfahrzeugen von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze, daß für Vorgänge im fließenden Verkehr die Bestimmung des § 315 b nur unter besonderen Voraussetzungen anzuwenden ist (vgl. Rüth LK § 315 b Rdn. 12, 13). Von den in § 315 c Abs. 1 Nr. 2 aufgezählten Verkehrsverstößen scheiden für die Führer von Schienenbahnen naturgemäß die Begehungsformen nach Buchst, e und f aus. Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses oder anderer berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel, die Ursache einer konkreten Gefahr werden, unterliegen der Beurteilung nach § 315 c Abs. 1 bei Teilnahme am Straßenverkehr, nach § 315 a bei Führung einer Schienenbahn auf eigenem Bahnkörper; beide Bestimmungen können untereinander in rechtlichem Zusammenhang stehen, wenn die Schienenbahn nur strekkenweise auf besonderem Bahnkörper fährt. Bei Trunkenheit ohne konkrete Gefährdung kommt § 316 in Betracht. Tateinheit ist auch möglich zwischen § 315 und § 315 c Abs. 1 Nr. 2, wenn die Gefährdung teils im Streckenabschnitt des eigenen Bahnkörpers, teil im öffentlichen Straßenverkehrsraum eintritt (vgl. Dreher Rdn. 2; Cramer Rdn. 12; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 5). (134)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

§316 Trunkenheit im Verkehr (1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315 d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315 a oder § 315 c mit Strafe bedroht ist. (2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht. Fassung: Die Vorschrift wurde durch das Zweite VerkSichG vom 26. 11. 1964 (BGBl. 1921) eingefügt und gilt i. d. F. der Bek. des StGB vom 2. 1. 1975 (BGBl. 11). Schrifttum Gutachten des Bundesgesundheitsamts zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten und ergänzende Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes hierzu, zitiert als „BAG-Gutachten" und „erg. Stellungnahme" in der Bearbeitung von P. V. Lundund E. Jahn. Eine vollständige Angabe des Schrifttums zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten ist an dieser Stelle nicht möglich. Die Schrifttumshinweise beschränken sich im wesentlichen auf die in der jur. Fachliteratur veröffentlichten Aufsätze. Alkoholeinfluß und Rauschmittel (allg.): v. Below Die drei Teilgutachten des Bundesgesundheitsamtes als Grundlage für Rechtsprechung und Gesetzgeber, Blutalkohol 1965/66 558. v. Below Der Gefahrengrenzwert 0,8 Promille als subsidiärer Tatbestand und seine Abgrenzung zu den Alkoholdelikten, Blutalkohol 1969 378. Bender Zur Auslegung des § 2 StVZO, DAR 1960 127. Biechteler Fahrfehler nüchterner und alkoholisierter Pkw-Fahrer, DAR 1966 203. Brettel Ein Sonderfall der Alkoholbegutachtung: der Sturztrunk auf vollen Magen, NJW 1976 353. Bürkle, Ehlers, Geiger und Mallach Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen alkoholbedingter Verkehrsunfälle in Kurven sowie die Häufigkeit ihres Vorkommens, Blutalkohol 1971 149. Dierk, Metter Relative Fahruntüchtigkeit aus medizinischer Sicht, Blutalkohol 1976 241. Doenicker Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch Barbituratmedikation und durch die Kombination Barbiturat-Alkohol, Arzneimittelforschung 12 S. 1050. DoenickerKleiner Arzneimittelverkehrssicherheit und Verkehrstüchtigkeit, Medizinische Klinik 1962 S. 835. Dotzauer/Hirschmann Fehldiagnose Trunkenheit, Stuttgart 1968. Alkohol bei Verkehrsstraftaten, CEMT-Bericht, k + v 1968 171. Geipel/Obeid Alkoholgehalt in Spirituosen, Blutalkohol 1969 35. Gerchow 0,8 %o Gefahrengrenzwert aus gerichtärztlicher Sicht, Blutalkohol 1969 399. Gerchow Über den Einfluß der kleinen Alkoholdosen auf die Verkehrssicherheit, Blutalkohol 1976 341. Grüner, Ludwig, Trabant Alkoholbedingte Leistungsminderung bei Tag und Nacht, Blutalkohol 1970 337. Händel Straßenverkehrsgefährdung, Fahruntüchtigkeit NJW 1967 537. Händel Überlegungen zum „Sturztrunk-Beschluß" des BGH; Blutalkohol 1972 1. Härtung Das ärztliche Gutachten im Verkehrsrecht, Blutalkohol 1975 162. Hein Straßenverkehrsgefahrdung, Fahruntüchtigkeit; Blutalkohol 1965/66 85. Hein Straßenverkehrsgefahrdung, Fahruntüchtigkeit; Blutalkohol 1965/66 85. Honegger, Kampschulte, Klein Störung der Sehschärfe für bewegte Objekte durch Alkohol, Blutalkoholgehalt 1970 31. Hudolin Alkoholismus und Verkehr, Blutalkohol 1969 116. Janiszewski Blutalkohol 1968 112. Jörg Probleme der Alkohol-Verkehrsstraftat, 1965. Kielholz-Pöllinger Pharmaka, Drogenabhängigkeit und Verkehr, in Schweizerische Med. Wochenschrift Bd. 97 S. 49. Koch Straßenverkehrsgefahrdung, Fahruntüchtigkeit, NJW 1966 1154. Krumme Trunkenheit, KVR von A—Z. Lewrenz Psychiatrische Aspekte zur Tunkenheit am Steuer, Blutalkohol 1969 388. Maiwald Zum Maßstab der Fahrlässigkeit bei Trunkenheitsbedingter Fahruntüchtigkeit, Festschrift Dreher 1977 S. 437. Mallach Methodische Untersuchungen zur quantitativen Erfassung d. gemeins. Wirkung v. Alkohol und Arzneimitteln in Blutalkohol 1967 165. Mayer Straßenverkehrsgefährdung, Fahruntüchtigkeit, Blutalkohol 1965/66 277. Müller Das ärztliche Gutachten im Verkehrsrecht, Blutalkohol 1975 153. Messmer, Bergschneider Straßenverkehrsgefahrdung, Fahruntüchtigkeit, DAR 1967 45. Möhl Beweis der relativen Fahruntüchtigkeit, DAR 1971 4. Mühlhaus Fahrgeschwindigkeit nach Alkoholgenuß, DAR 1970 125. Mühlhaus Das Blutalko(135)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

holgutachten des BGA in juristischer Sicht, JZ 1966 41. Osterhaus Untersuchungen über das Verhalten nach E i n n a h m e von Natriumbarbital, nachträglicher Alkoholzufuhr und Ausscheiden der zugeführten Barbitursäure, Die Med. Welt 1964 2363. Osterhaus Forensische Bedeutung von M e d i k a m e n t e n im Straßenverkehr, Blutalkohol 1963/64 395. Osterhaus D i e heutige Situation der Blutalkoholbewertung bei Trunkenheit am Steuer, N J W 1972 2206. Ottis „ U n f a l l c h a n c e u n d Blutalkohol", Blutalkohol 1963/64 24. Parigger „Trunkenheit u n d Teiln a h m e am Verkehr", PersV 1964 116. Ponsold Straßenverkehrsrecht, Herabsetzung des Grenzwertes, J Z 1964 278. Schlichting Der Anscheinsbeweis bei U n f ä l l e n alkoholbeeinflußter Verkehrsteilnehmer, Blutalkohol 1969 463. Schneider Zurechnungsfähigkeit, Blutalkohol 1965/66 165. Schröder T r u n k e n h e i t im Verkehr, Fahruntüchtigkeit/Verschiedene Ursachen, N J W 66 488. Schutt T r u n k e n h e i t im Verkehr, Fahruntüchtigkeit, D R i Z 1965 292. Stumpfe/Eggert Das Verhalten alkoholisierter K r a f t f a h r e r im Straßenverkehr, Blutalkohol 1970 289. Volk, Burmeister, Gostomzyk und Henn Alkoholtoleranz bei H y p o p h y s e n - u n d Nebenniereninsuffizienz, Blutalkohol 1969 265. Wagner Alkoholgenuß u n d Verkehrssicherheit, N J W 1959 1758. Wagner Straßenverkehrsrecht, Alkoholgenuß, N J W 1959 1758. Wagner D a s ärztliche Gutachten in Verkehrsrecht, Blutalkohol 1975 169. Rückwirkende Anwendung der 1,3 %o-Grenze: Arbab-Zadeh Z u r neuen Blutalkoholgrenze, N J W 1967 273. Für A n w e n d u n g der 1,3 % - G r e n z e f ü r die vor dem 9. 12. 1966 liegenden Fälle, kein Rückwirkungsverbot Händel N J W 1967 537; Eckert N J W 1968 1390; Riese N J W 1969 549; Bedenken hiergegen meldeten an: Boers N J W 1967 1310; Messmer-Bergschneider D A R 1967 45; Naucke N J W 1968 2391. Alkohol und Medikamente: Biehl Keine leistungsmindernde W i r k u n g von Psychopharmaka, Med. Welt 6 1954. Bonnichsen u. a. : Barbiturate u n d Fahrtüchtigkeit, Blutalkohol 1969 165. Bonnichsen Arzneimittel und Fahrtüchtigkeit, II. Mitteilung: Zentralstimulierende Amine und aromatische Kohlenwasserstoffe, Blutalkohol 1969 245. Bonnichsen, Maehly, Möller, Aqvist Arzneimittel u n d Fahrtüchtigkeit, III. Mitteilung: Benzodiazepinderivate, Blutalkohol 1970 1. Dotzauer/Wieck Rückschlüsse aus dem Serumbarbituratspiegel auf die Fahrtüchtigkeit, D A R 1966 174. Dotzauer/Wieck Serumbarbituratspiegel u n d Fahrtüchtigkeit, D A R 1966 174. Dotzauer/Lewerenz M e d i k a m e n t e , Alkohol u n d K r a f t f a h r e i g n u n g , D A R 1962 137. Eichholz Pharmakologie u n d Toxikologie der wichtigsten Genußmittel u n d Suchtgifte, in Laubental: Sucht u n d M i ß b r a u c h 1964 S. 86. Gaisbauer Z u m M e d i k a m e n t / A l k o h o l s y n e r g i s m u s , N J W 1967 1504. 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Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

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§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

tung, NJW 1968 1172. Knüpling Schematische und differenzierte Rückrechnurtg von Blutalkoholwerten, Blutalkohol 1969 413. Martin Richter und Rückrechnung, Blutalkohol 1970 89. Mayr Die Rückrechnung in der Rechtsprechung des BGH, DAR 1974 64. Osterhaus Gerechte und gleichmäßige Beurteilung von Trunkenheitsdelikten aus medizinischer Sicht, NJW 1973 550. Ponsold Die Rückrechnung des BAG nach dem jeweiligen Stadium des AlkoholstofTwechsels, JZ 1963 471. Prokop Unmöglichkeit exakter Rückrechnung bei Alkoholaufnahme und Essen, Z. f. Ärztl. Fortb. 1952 407. Rehner Beziehung zwischen Pylorustonus und Resorptionsgeschwindigkeit von getrunkenem Äthylalkohol, Blutalkohol 1970 358. Schleyer, Lechner Ergebnisse statistischer Untersuchungen über den Beginn des linearen Abfalls von Blutalkoholkurven, Blutalkohol 1970 239. Schmutte, Naeve, Brinkmann Vergleichende Untersuchungen von Blutalkohol- und Atemalkohol-Konzentrationen mittels gaschromatographischer Atemtestung, Blutalkohol 1972 392. Schmutte, Stromeyer, Naevi Vergleichende Untersuchungen von Atem- und Blutalkoholkonzentration, Blutalkohol 1973 37. Wille, Steigleder Zur Frage der Rückrechnung von niedrigen Blutalkoholkonzentrationen, Blutalkohol 1965/66 419. Zink, Reinhardt Zur Dauer der Resorptionsphase, Blutalkohol 1975 100. Zink, Reinhardt Über die Ermittlung der Tatzeit-BAK bei noch nicht abgeschlossener Resorption, Blutalkohol 1972 353. Zink, Reinhardt Die Berechnung der Tatzeit-BAK zur Beurteilung der Schuldfähigkeit, Blutalkohol 1976 327. Schlußtrunk. Heifer Sturztrunk und Alkoholanflutungswirkung, Blutalkohol 1970 383. Mangelsdorf, Witschet, Schwerd Schlußtrunk und psychomotorische Leistungsfähigkeit, Blutalkohol 1970 103. Naeve, Brinkmann Blutalkoholspiegel und Trunkenheitssignal nach Sturztrunk, Blutalkohol 1971 42. Naeve, Schmid, Brinkmann, Janssen Zur Alkoholwirkung in der Resorptionsphase, Blutalkohol 1974 145. Beteiligung. Bödecker Strafrechtliche Verantwortlichkeit Dritter bei Verkehrsdelikten betrunkener Kraftfahrer, DAR 1970 309. Geilen Trunkenheit im Verkehr, Gastwirt, JZ 1965 469. RudolphiTrunkenheit im Verkehr, Beteiligung, GA 1970 353. Zum inneren Tatbestand. Bruns JZ 1958 105. Gaisbauer Schuldvorwurf bei Trunkenheitsdelikterr und Restalkohol, NJW 1964 2198. Härtung DAR 1953 141. Koch Nachweis der subjektiven Tatseite bei relativer Fahruntüchtigkeit, DAR 1974 37. Lieber JR 1953 92. Schlichting Resorptionshemmende Mittel, Blutalkohol 1970 354. Schröder GA 1957 297; DRiZ 1958 219. Siegert DAR 1960 277. Strafzumessung. Dede Zur Strafaussetzung bei Trunkenheitsfahrt, M D R 1970 721. Granicky Die Strafzumessung bei alkoholbedingten Verkehrsstraftaten nach dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts, Blutalkohol 1969 449. Händel Das Verhältnis der Geldstrafe zur kurzfristigen Freiheitsstrafe — Eine Erwiderung —, Blutalkohol 1970 204. Jagusch Gegen Strafzumessungskartelle im Straßenverkehrsrecht, NJW 1970 1865. Janiszewski Bietet unser Strafrecht noch ausreichende Möglichkeiten zur wirksamen Bekämpfung der Alkoholdelikte im Straßenverkehr, Blutalkohol 1971 179. Kaiser Praxis der Strafzumessung und der Sanktion im Verkehrsrecht, Blutalkohol 1972 141. Knapp Waren die kurzen Freiheitsstrafen bei „Trunkenheit am Steuer" sozial schädlich?, Blutalkohol 1969 313. Knoche Das Verhältnis der Geldstrafe zur kurzfristigen Freiheitsstrafe, Blutalkohol 1970 198. Koch Strafaussetzung, Verteidigung der Rechtsordnung, DAR 1971 263. Krüger Auswirkungen der Strafrechtsreform auf die Freiheitsstrafe bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr, Blutalkohol 1969 228. Krüger Die Ahndung der Alkoholdelinquenz im Straßenverkehr nach dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts, Blutalkohol 1969 352. Kruse Sind Strafzumessungsempfehlungen zulässig?, Blutalkohol 1971 15. Lackner Möglichkeiten zur Vereinheitlichung der strafrechtlichen Ahndung von Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr auf internationaler Ebene, Blutalkohol 1969 273. Lenckner Die kurze Freiheitsstrafe nach den Strafrechtsreformgesetzen, JA 1971 319. Martin Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bei Trunkenheit am Steuer?, Blutalkohol 1970 13. Martin Gefängnis oder Geldstrafe bei Trunkenheit am Steuer?, Blutalkohol 1969 149. Middendorf Strafzumessung in Vergangenheit und Zukunft, Blutalkohol 1971 26; Die Strafzumessung bei Trunkenheitsdelikten, Z. f. Verk. Sich. 17 11. Schneble Grundlagen und Kasuistik der Strafzumessung bei Alkoholdelikten im Straßenverkehr, Blutalkohol 1969 110. Schultz Strafaussetzung, Trunkenheit im Verkehr, JR 1971 353. Seib Die strafrechtliche Behandlung des Täters (138)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

bei extrem schnellem Rückfall, Blutalkohol 1970 409. Seib Gleichmäßigkeit des Strafens ein Prüfstein der Gerechtigkeit, Blutalkohol 1971 18. Seib Strafzumessung, Absehen von Strafe, DAR 1971 225. Spiegel Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bei Trunkenheit am Steuer?, Blutalkohol 1970 28. Tröndle Das Problem der Strafzumessungsempfehlungen, Blutalkohol 1971 73. Wagner Trunkenheit am Steuer, Strafzumessung, DRiZ 1970 277. Wassermann Trunkenheit im Verkehr, Strafzumessung, JR 1966 175. Zabel Freiheits- oder Geldstrafe bei Alkoholdelikten?, Blutalkohol 1970 132. Übersicht I. II.

III.

IV.

V.

1

Rdn. Vorbemerkung 1 F ü h r u n g eines Fahrzeugs 2 1. Begriff des Fahrzeugs 2 2. F ü h r u n g eines S t r a ß e n f a h r z e u g s . . . 3 3. ö f f e n t l i c h e r V e r k e h r s r a u m 8 Fahruntüchtigkeit 9 1. F a h r u n t ü c h t i g k e i t des K r a f t f a h r z e u g f ü h r e r s durch A l k o h o l e i n f l u ß . . . . 10 a) absolute F a h r u n t ü c h t i g k e i t . . . . 10 Rechtsprechung vor 1967 (1,5 %>) 10 Rechtsprechung nach 1967 (1,3 %>) 11 A n f l u t u n g s p h a s e u. Schlußsturztrunk 16 A l k o h o l m e n g e im K ö r p e r . . . . 19 b) relative F a h r u n t ü c h t i g k e i t . . . . 21 c) Alkohol und M e d i k a m e n t e . . . . 38 2. F ü h r u n g nicht motorisierter Fahrzeuge oder Mofas 44 3. Berauschende Mittel 47 Feststellung d e r Blutalkoholkonzentration 52 1. Alkoteströhrchen 54 2. W i d m a r k - V e r f a h r e n 57 3. A D H - V e r f a h r e n 59 4. G a s c h r o m a t o g r a p h i s c h e M e t h o d e . . 60 5. Kingsley-Current-Verfahren, Alcolizer A u t o m a t i c 62 6. Arithmetisches Mittel 63 7. A n f e c h t u n g der festgestellten B Ä K . 67 8. Tatzeit-BAK 68 R ü c k r e c h n u n g , Resorptionsphase . . 69 Abbau 72 9. E n t n a h m e von Blutproben u n d a n d e r e körperliche Eingriffe 80 Subjektiver Tatbestand 91 1. F ü h r u n g eines Fahrzeugs 92 2. Vorsätzliches H a n d e l n in Bezug auf Fahruntüchtigkeit 95 3. Fahrlässiges H a n d e l n 97

VI. VII.

VIII. IX.

X.

Rdn. Restalkohol 100 Ernüchterungsmittel 101 Ausländer 102 Notstand 103 Medikamente 104 4. Schuldunfähigkeit 106 erheblich v e r m i n d e r t e Schuldfähigkeit 110 5. Vorverlegte Schuld 113 vorsätzliche 113 fahrlässige 114 6. Vollrausch 117 Rechtswidrigkeit 120 Teilnahme 122 1. A n s t i f t u n g 123 2. Beihilfe 124 3. Nebentäter 125 Konkurrenz 128 Strafzumessungsfragen 130 1. S t r a f z u m e s s u n g s e m p f e h l u n g e n . . . . 131 2. allgemeine G r u n d s ä t z e 132 3. v e r m i n d e r t e Schuldfähigkeit 134 4. Straflosigkeit als S t r a f m i n d e r u n g s gründe 135 5. Vorstrafen, anhängiges Strafverfahren 136 6. Auf die Fahrtüchtigkeit o h n e Einfluß gebliebener A l k o h o l g e n u ß 140 7. Soziale Stellung 143 8. Ausländereigenschaft 144 9. Geldstrafe 145 10. Freiheitsstrafe 146 11. Strafaussetzung z u r Bewährung . . . 1 5 2 12. Absehen v o n Strafe 160 13. V e r w a r n u n g mit S t r a f v o r b e h a l t . . . . 162 Verfahrensrechtliche Fragen 163 Sachverständiger 163 A n g a b e n gegenüber Polizeibeamten . . . 164 Rechtsmittel 165 Einziehung 168

I. Vorbemerkung: §316 erfaßt alle Fälle der Führung eines Fahrzeugs (vgl. 1 Rdn. 2 unten) in einem die sichere Führung ausschließenden rauschbedingten fahruntüchtigen Zustand. Beruht die Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers auf anderen Ursachen als auf Alkoholgenuß oder der Einnahme berauschender Mittel, ist sie z. B. durch Übermüdung oder allein durch körperliche Mängel bedingt, ist § 316 nicht einschlägig. Bei konkreter Verletzung oder Gefährdung eines anderen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist die im fahruntüchtigen Zustand (gleichgültig (139)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

wodurch verursacht) durchgeführte Fahrt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst, a oderb einer Transportgefährdung nach § 315 a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu würdigen. II. Führung eines Fahrzeugs: 2 1. Der Begriff des Fahrzeugs i. S. des § 316 umfaßt nicht nur die Straßenfahrzeuge (wie z. B. Pkw., Lkw., Krafträder, Mopeds, Fahrräder), sondern alle Arten von Fahrzeugen, also auch Schienen- und Schwebebahnen, Wasser- und Luftfahrzeuge. Mochte die Vorschrift ursprünglich nur für Teilnehmer am Straßenverkehr gedacht sein (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu Drucksache IV/2161), so weist §316 in der nunmehrigen Fassung durch den Klammervermerk ausdrücklich darauf hin, daß unter dem Begriff „Verkehr" alle in den §§315 bis 315 d StGB genannten Verkehrsarten zu verstehen sind. Begriff der Schienen- und Schwebebahn, des Schiffs- und des Luftfahrzeugs: § 315 Rdn. 4 bis 11; Begriff des Straßenfahrzeugs: Rüth LK § 315 c Rdn. 3,4. 3

2. Führung eines Straßenfahrzeugs: Rüth LK § 315 c Rdn. 4 bis 11; Führung eines Schienen-, Schwebe-, Schiffs- und Luftfahrzeugs: Rüth LK § 315 a Rdn. 5, 6. Ebenso wie §§ 315 a und 315 c erfaßt §316 nur den öffentlichen Verkehr und bezieht sich nur auf Bewegungsvorgänge (vgl. Rüth LK § 315 c Rdn. 5). 4 Während es jedoch in den §§315a, 315 c grundsätzlich nicht entscheidend darauf ankommt, wann die Führung eines Fahrzeugs beginnt, sondern vielmehr ob im Zeitpunkt der Herbeiführung der Gefährdung oder des Versuchs der Gefährdung der Täter ein Fahrzeug geführt hat, ist diese Frage für § 316 von wesentlicher Bedeutung, weil das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung entfällt. Der Bewegungsvorgang beginnt bei nicht motorischen Fahrzeugen grundsätzlich mit der Fortbewegung des Fahrzeugs, ist aber bei Kraftfahrzeugen weit früher anzusetzen, nämlich mit dem Ingangsetzen des Motors, um mit dessen Antriebskraft wegzufahren (BGH MDR 1955 563; OLG Hamm NJW 1954 1954; OLG Oldenburg DAR 1962 130; Koblenz DAR 1972 50). Bei Kraftfahrzeugen kommt es deshalb nicht allein auf die objektive Tatsache des Anlassens des Motors, sondern auch auf den vom Täter damit beabsichtigten Zweck an; zur Klärung der Frage, ob mit der Führung eines Kraftfahrzeugs begonnen wurde, sind aus diesem Grund auch subjektive Merkmale heranzuziehen (OLG Schleswig VerkMitt. 1974 5). Hat der Täter den Motor nur angelassen, um dadurch die Heizung in Betrieb zu setzen, ist er ebensowenig Fahrzeugführer, wie derjenige, der den Motor angelassen hat, um danach einem anderen die Führung des Fahrzeugs zu überlassen (OLG Celle MDR 1973 19; BGHSt. 7 315; 19 371; Cramer Rdn. 32; Sch.-Schröder-Cramer § 315 c Rdn. 11). Hat sich ein Täter in das Fahrzeug gesetzt, in dem schon ein anderer den Motor angelassen hat, hat er überhaupt noch keine Tätigkeit entfaltet, so daß schon aus diesem Grund eine Fahrzeugführung ausscheidet; auch wer vergeblich versucht, den Zündschlüssel einzuführen, ist noch kein Fahrzeugführer, weil, wenn überhaupt, in diesem Verhalten nur ein Versuch gesehen werden kann, der nach § 316 nicht strafbar ist (OLG Hamm VRS 22 384; a. A. Krumme-Sanders-Mayer §§ 315 c, 316 Anm. C I 1). Wer in fahruntüchtigem Zustand lediglich das Zahlenschloß eines Mofas öffnet und vergeblich versucht, sich auf den Sattel zu setzen, führt damit nocht nicht das Fahrzeug im Verkehr (BayObLG VRS 48 207). Ob der im Wagen sitzende und der vergeblich mit dem Zündschlüssel hantierende Verkehrsteilnehmer i. S. des § 2 StVZO sind, ist eine im Einzelfall zu entscheidende Frage (BayObLG VRS 27 220). (140)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

Der Ansicht von OLG Hamm (JMB1NRW 1965 81), daß derjenige als Täter einer Trunkenheitsfahrt ausscheide, der von der Bedienung und Lenkung eines Kraftfahrzeugs nichts verstehe, kann nicht zugestimmt werden, weil es nicht darauf ankommen kann, ob der Täter ausreichende Kenntnisse zur richtigen Fahrzeugführung besitzt. Setzt sich eine Person an das Steuer eines Fahrzeugs, ohne zu wissen wie es in Bewegung gesetzt wird, kann in diesem Verhalten eine Fahrzeugführung noch nicht erblickt werden, soweit keine weitere Tätigkeit entfaltet wurde. Führung geschleppter, abgeschleppter, geschobener Kraftfahrzeuge: Rüth LK 5 § 315 c Rdn. 6 , 7 ; Fahrzeugführer bei Übungs- und Prüfungsfahrten Rüth LK §315 c R d n . 9. Mehrere Personen können ebenso wie nach § 315 c nur in bestimmten Ausnah- 6 mefällen gleichzeitig ein Fahrzeug oder Kraftfahrzeug führen: vgl. Rüth LK § 315 c Rdn. 10, 11. Kann nicht festgestellt werden, ob der Täter das Fahrzeug geführt oder nur am 7 Straßenverkehr teilgenommen hat, so ist eine wahlweise Verurteilung wegen eines Vergehens nach § 316 und einer Ordnungswidrigkeit nach § 2 StVZO nicht zulässig, weil eine gerichtliche Entscheidung, durch die ein Täter entweder wegen einer Straftat zu einer Strafe oder wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße verurteilt wird, ausgeschlossen ist. Anders war die Rechtslage, als Verstöße gegen § 2 StVZO noch Straftaten waren; damals war eine wahlweise Verurteilung möglich (vgl. Celle DAR 1962 277). 3. Die Führung eines Straßenfahrzeugs in fahruntüchtigem Zustand ist nach 8 §316 nur strafbar, wenn sie im öffentlichen Straßenverkehr (Rüth LK § 315 b Rdn. 2, 3; § 315 c Rdn. 2) oder bei Verkehrsarten der §§ 315, 315 a im Rahmen des öffentl. Beförderungsverkehrs erfolgt.

III. Die Fahruntüchtigkeit i. S. des § 316 muß durch alkoholische Getränke oder 9 andere berauschende Mittel verursacht sein. Jedes berauschende Mittel mindert die Selbstkritik, schwächt das Verantwortungsgefühl, verleitet zur Unbekümmertheit, führt zur tatsächlichen Leistungsminderung und zur Unaufmerksamkeit, mindert Wahrnehmungs- und Anpassungsvermögen und verlängert die Reaktionszeit; auch Sinnestäuschungen können auftreten, Sehschärfe und Raumsehen können beeinträchtigt sein (BGA-Gutachten S. 38, 45, 47, Anl. 9, 10 bearbeitet von Elbel und Gerchow; hinsichtlich Arzneimittel vgl. erg. Stellungnahme S. 18). Andererseits aber kann der Genuß von Alkohol die motorischen Antriebskräfte eines Menschen steigern und zu einer Selbstüberschätzung führen. Abgesehen davon kann jedes berauschende Mittel grobe toxische Störungen bis zur Schuldunfähigkeit bewirken. Fahruntüchtigkeit ist bereits dann zu verneinen, wenn die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers, besonders infolge Enthemmung sowie geistig-seelischer und körperlicher (psychophysischer) Leistungsausfälle, soweit herabgesetzt ist, daß er nicht mehr fähig ist, ein Fahrzeug der jeweiligen Verkehrsart (Bahn-, Schiffs-, Luft-, Straßenverkehr) auf einer längeren Strecke und zwar auch bei plötzlichem Auftreten schwieriger Verkehrslagen sicher zu führen.(BGHSt. 13 83; BGHSt. 21 157). Fahruntüchtigkeit ist unabhängig von der Schuldfähigkeit (BGH VersR 1967 125); sie kann schon vorliegen, wenn die Schuldfähigkeit noch nicht wesentlich beeinträchtigt ist. (141)

§316 10

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

1. Fahruntüchtigkeit des Kraftfahrzeugführers durch Alkoholeinfluß a) Der Gesetzgeber hat die Entscheidung darüber, welche Alkoholbeeinflussung zur Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugführers führt, der Rechtsprechung überlassen. Nach anfänglichen Unsicherheiten hat der BGH schließlich unter Berücksichtigung möglicher Fehlerquellen bei der Blutalkoholbestimmung und im Hinblick auf gewisse Rückrechnungsschwierigkeiten die Fahruntüchtigkeitsgrenze für Kraftfahrzeugführer bei einer BÄK von 1,5 %« festgesetzt (BGHSt. 5 168; 10 265; 13 83; 19 243). Die übrige Rechtsprechung schloß sich der Ansicht des BGH an. Kraftradfahrer (auch mit Beiwagen), Roller- und Mopedfahrer, sowie auch die Führer von Fahrrädern mit Hilfsmotor sollten allerdings schon ab 1,3 %o absolut fahruntüchtig sein (BGH VRS 16 448; VkBl. 1959 339; OLG Düsseldorf VerkMitt. 57 37, 60; 1958 52; OLG Frankfurt DAR 1958 280; OLG Hamm DAR 1959 54; 1963 225; VRS 19 159; OLG Stuttgart DAR 1960 150; BSG NJW 1961 701; VRS 20 237).

11

b) Nach Fertigstellung des Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes ( 1 9 6 6 ) hat der BGH nach den gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Grenze, ab der ein Kraftfahrzeugführer absolut fahruntüchtig ist, auf 1,3 %o festgelegt. (BGHSt. 21 157 = VRS 33 118; BSG NJW 1973 670). Hierbei wurde ein Sicherheitzuschlag von 0,2 %o berücksichtigt. Ein höherer Sicherheitszuschlag ist bei keiner Art der Blutalkoholbestimmung erforderlich, auch nicht bei der fotometrischen Meßmethode (OLG Frankfurt VRS 36 284). Der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit wird weder durch Krankheit noch Ermüdung herabgesetzt (OLG Düsseldorf VerMitt. 1976 13).

12

Die absolute Fahruntüchtigkeitsgrenze von 1,3 %o BÄK gilt grundsätzlich für alle Kraftfahrzeugführer ohne Unterschied, also auch für Motorrad- (OLG Hamm VRS 50 91; Blutalkohol 1976 63) und Kraftrollerfahrer (BGH NJW 1969 1578 m. Anm. Händel; OLG Koblenz DAR 1972 50; OLG Köln NJW 1968 209; OLG Hamm VRS 34 367; OLG Düsseldorf VRS 35 126). Kraftradfahrer mit einer BÄK unter 1,3 %o sind nur relativ fahruntüchtig (BGH aaO; a. A. noch OLG Celle NJW 1967 2 3 2 3 ; OLG Köln N J W 1968 2 0 9 und OLG Hamm VRS 36 1 1 0 , die Zweiradkraftfahrzeugführer schon mit einer BÄK ab 1,1 %o für absolut fahruntüchtig hielten). Die untere Grenze der unbedingten Fahruntüchtigkeit von 1,3 %o gilt für alle Verhältnisse. Auch bei ungünstigen äußeren Umständen (Dunkelheit, Nebel) müssen bei geringerem Blutalkoholspiegel Tatsachen nachgewiesen sein, die dem Richter die Uberzeugung verschaffen, daß der Kraftfahrer fahruntüchtig war (relative Fahruntüchtigkeit; BGH VRS 33 118 = DAR 1967 280).

13

Auch die Führer von Fahrrädern mit Hilfsmotor (Mofas 25) sollten ab der 1,3 %o Grenze fahruntüchtig sein (OLG Hamm VRS 34 367; 35 362; NJW 1974 1667; OLG Koblenz DAR 1972 50). Dieser Ansicht konnte sich OLG Oldenburg (VRS 46 346) nicht anschließen, nachdem schon das BSG (Blutalkohol 1973 343) für MofaFührer keinen allgemeinen Grenzwert festlegen wollte. Der BGH (VRS 47 427) schloß sich dem vorlegenden OLG Oldenburg sowie der Rechtsansicht des BSG (Blutalkohol 1973 343) an. Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, daß das Mofa zwar, wenn es mit Motorkraft bewegt wird, begrifflich zu den Krafträdern gehört. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei das Mofa aber mehr dem Fahrrad zugeordnet; außerdem gehe von einem Mofa grundsätzlich keine größere Gefahr aus, wie von einem Fahrrad. Allerdings kann bei einem Führer eines führerscheinfreien Mofas, der dieses Fahrzeug unter der Einwirkung einer BÄK von 2,7 %o führt, ohne medizinischen Sachverständigen nicht schon deshalb Fahruntüchtigkeit verneint werden, weil kein Fahrfehler oder sonstige äußeren Beweisanzeichen für (142)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

eine Fahruntüchtigkeit festzustellen waren (OLG Hamburg DAR 1975 248). Bei einer die Schuldunfähigkeit herbeiführenden BÄK ist der Führer eines Mofa fahruntauglich (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1976 46); sonst kann grundsätzlich nur von sog. relativer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden (OLG Celle VRS 50 286), auch wenn die BÄK 2,7 % beträgt und dem Mofa-Fahrer kein Fahrfehler unterlaufen ist (OLG Hamburg VRS 50 49). Sind mehrere Fahrfehler begangen worden, reicht aber keiner für sich allein zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit aus, so kann doch die Gesamtheit der Fahrfehler zu dieser Feststellung führen (OLG Düsseldorf VerkMitt. 1977 29; OLG Koblenz Blutalkohol 1978 292). Es bestehen rechtlich keine durchgreifenden Bedenken, die 1,3 "/»-Grenze rück- 14 wirkend auf Trunkenheitsfahrten anzuwenden, die vor der Entscheidung des BGH (9. 12. 1966) begangen wurden (BGH VRS 32 229; KG VRS 32 264; OLG Karlsruhe NJW 1967 2167 mit Anm. von Naucke NJW 1968 758, 2321 und Eckert NJW 1968 1390; Frankfurt NJW 1969 1634; Händel NJW 1967 537; Riese NJW 1969 549). Der rückwirkenden Anwendung steht weder Art. 103 G G noch § 2 StGB entgegen, weil gesetzliches Tatbestandsmerkmal die durch den Genuß „alkoholischer Getränke" bedingte Fahruntüchtigkeit ist, eine bestimmte Promille-Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit vom Gesetzgeber im materiellen Recht nicht festgelegt wurde, diese vielmehr im Rahmen der Auslegung von der Rechtsprechung nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen festzusetzen ist (ebenso Cramer Rdn. 8). Der gegenteiligen Ansicht (Messner-Bergschneider DAR 1967 45; Boers NJW 1967 1310; Naucke NJW 1968 758, 2321; Eckert NJW 1968 1390; Sch.-Schröder-Eser §2 Rdn. 9 a), die die Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung sachlich einer Gesetzesänderung gleichstellt, kann nicht gefolgt werden. Jedoch ist die Frage eines Tatbestands- oder Verbotsirrtums zu prüfen (OLG Karlsruhe NJW 1967 2167 = VRS 34 30; OLG Frankfurt NJW 1969 1634; KG VRS 32 264). Die von Jagusch erhobenen Bedenken gegen die vom BGH nunmehr festgesetzte 1 5 1,3 "/»»-Grenze für die Fahrtüchtigkeit der Kraftfahrer sind unbegründet. Die Meinung, der BGH hätte bei der früheren Rechtsprechung verbleiben sollen, beruht insofern auf einem Irrtum, als Jagusch unberücksichtigt läßt, daß der BGH nach der früheren Rechtsprechung davon ausging, ein Kraftfahrer sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits ab 1,0 %> fahruntüchtig (BGHSt. 5 168; 13 83; 19 243), nur sei für den ungünstigsten Fall des Zusammentreffens mehrerer Unsicherheitsfaktoren, insbesondere im Hinblick auf die Streuungsbreite der Blutalkoholbestimmung, auf Ungenauigkeiten bei der Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt (vgl. Rdn. 42 ff), auf die unterschiedliche Alkoholverträglichkeit der Menschen, auf die größere Alkoholwirkung innerhalb der Resorptionszeit ein Sicherheitszuschlag von 0,5 % geboten (BGHSt. 21 157, 162). Das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes geht demgegenüber von einem Gefahrengrenzwert von 0,8 %» aus und stellt fest, daß bei einer BÄK von 1,0 bis 1,1 %> jeder Mensch alkoholbedingte Leistungsminderungen und Persönlichkeitsveränderungen aufweist, die einer Teilnahme am Straßenverkehr entgegenstehen. Dieser Ansicht hat sich der BGH angeschlossen; er geht somit seit der Entscheidung vom 9.12. 1966 davon aus, daß ein Kraftfahrer erst ab 1,1 %o fahruntüchtig sei, hat also die %o-Grenze nicht herab-, sondern um 0,1 %o hinaufgesetzt. Nur der Sicherheitszuschlag wurde von 0,5 auf 0,2 %o ermäßigt. Dies deshalb, weil das Verfahren der Blutalkoholbestimmung zuverlässiger wurde (Abweichungen nur in Höhe bis zu 0,15 %) und Rückrechnungsschwierigkeiten sowie Alkoholverträglichkeit des einzelnen bei dem Sicherheitszuschlag nicht berücksichtigt zu werden brauchen (BGHSt. 21 157, 164, 165). (143)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Da jedoch nach dem Gutachten die Fehlerquellen im Einzelfall geringfügig die 0,15 %o-Grenze übersteigen können, hat der BGH einen Sicherheitszuschlag von 0,2 %o für notwendig erachtet. Eine absolute Gewißheit kann im medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich grundsätzlich nicht erreicht werden. Es müssen vielmehr Ergebnisse genügen, deren Richtigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Wenn, wie das Gutachten darlegt, bei einer BÄK von 1,0 bis 1,1 %o alle Kraftfahrer Funktionsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen aufweisen, die durch Willensanpassung nicht mehr ausgeglichen werden können, muß diese . wissenschaftliche Erkenntnis der Rechtsprechung genügen. Zu betonen dürfte in diesem Zusammenhang sein, daß die Grenze von 1,1 %o schon die Fahrbefähigung im Einzelfall sowie die unterschiedliche Alkoholverträglichkeit der Menschen berücksichtigt (vgl. BGA-Gutachten S. 40, 46, 49; BGH aaO). Unberechtigt sind auch die Zweifel Gunzerts (DAR 1966 334) hinsichtlich der statistischen Grundlagen des Gutachtens. Auf anderen Voraussetzungen als auf statistischen Ergebnissen konnte das Gutachten des BGA nicht aufgebaut werden (a. A. Gerchow Blutalkohol 1969 401, der die gesetzmäßig nachweisbare Parallelität, Leistung und Höhe der BÄK, bezweifelt). 16

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß die Wirkung des Alkohols in der sog. Anflutungsphase (Resorptionszeit) größer ist als bei fallendem Alkoholspiegel. Hierauf hat der BGH in Übereinstimmung mit dem Gutachten des BGA (S. 181 ff; vgl. auch Elbel-Schleyer Blutalkohol 2. Aufl. S. 161) schon in seiner Entscheidung vom 9 . 1 2 . 1 9 6 6 (BGHSt. 21 1 5 7 , 1 6 5 ) hingewiesen, dazu aber ausgeführt, daß keine Notwendigkeit bestehe, für die postresorptive Phase einen weiteren Sicherheitszuschlag festzusetzen. In der Rechtsprechung ist die Frage des sog. Sturztrunks zunächst uneinheitlich beantwortet worden. Ein Teil der Rechtsprechung hat für die Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit in der Anflutungsphase schon eine BÄK unter dem vom BGH festgelegten Grenzwert (früher 1,5 %o, seit 9. 12. 1966 1,3 %o) angenommen (so OLG Hamm VRS 23 152; 36 112; GA 1968 221; Blutalkohol 1965/66 105 m. Anm. Hentrich; OLG Hamburg VerkMitt. 1965 36 Nr. 53; OLG Oldenburg DAR 1965 138; VRS 40 200; OLG Köln Blutalkohol 1970 471 m. Anm. Heifer); andere Entscheidungen wiederum ließen den Grenzwert auch für die Resorptionszeit gelten (so BayObLG VRS 28 31; 40 445; OLG Celle DAR 1965 8 3 ; OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 2 4 2 ; OLG Hamburg NJW 1970 1 9 8 2 ) . Schließlich hat auf Grund eines Vorlegungsbeschlusses des OLG Oldenburg (VRS 40 200 = Blutalkohol 1971 142) der BGH durch Beschluß vom 9. 8. 1971 (NJW 1971 1997 m. Anm. Händel; Blutalkohol 1971 457 m. Anm. Heifer; VRS 41 372) entschieden: nach einem Schluß-Sturztrunk (hastige Einnahme erheblicher Mengen von Alkohol kurz vor Antritt der Fahrt) ist alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit jedenfalls auch dann gegeben, wenn die für die Zeit der Fahrt errechnete BÄK geringfügig unter dem Grenzwert von 1,3 %o liegt, dieser Wert aber danach nicht unerheblich überschritten wird.

17

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung auf die gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft bezogen (vgl. Heifer Blutalkohol 1970 383; SchwerdMangelsdorf-Witschel Blutalkohol 1970 103; BGA-Gutachten S. 182; Ponsold 3. Aufl. S. 211; vgl. auch Naeve-Brinkmann Blutalkohol 1971 42) und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Gegenstimmen gegen die größere Alkoholeinwirkung in der Anflutungsphase nicht ersichtlich sind. Auch sei die Anflutungswirkung eine subjektiv wahrnehmbare und jedem Laien geläufige Erscheinung (ebenso OLG Hamm DAR 1972 164). Bei einer Tatzeit-BAK von 2 % und darüber muß die Frage (144)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden (BayObLGSt. 1974 46), soweit nicht von vorverlegter Schuld auszugehen ist; dies gilt auch für Beifahrer und Mitfahrer (BGH Blutalkohol 1976 358). Die Rechtsprechung hat die in der genannten BGH-Entscheidung entwickelten 18 Grundgedanken weiterentwickelt. Nicht unerheblich i. S. des BGH sollte der Grenzwert von 1,3 %o dann überschritten sein, wenn der überschießende Wert mindestens 10 % des genannten Blutalkoholgehalts beträgt (OLG Hamm VRS 43 350). Im übrigen hatten sich in der Rechtsprechung zwei Grundsätze herauskristallisiert: a) Zur Tatzeit mußte ein Basismittelwert von mindestens 0,8 %> BÄK vorhanden gewesen und durch den Schlußsturztrunk eine BÄK von 1,3 %> oder darüber erreicht worden sein (BayObLG VRS 44 101, 285; OLG Hamm VRS 45 281; NJW 1973 1423; OLG Hamburg VRS 43 360, 362, ließ davon abweichend einen Basismittelwert von 0,5 bis 0,8 %o ausreichen; nach OLG Hamm in NJW 1973 1423 sollte auch eine Tatzeit-BAK unter 0,8 genügen); b) neben dem reinen Blutalkoholwert zur Tatzeit sollte die Anstiegsteilheit der BÄK von Bedeutung sein, die mindestens 0,3 %o betragen mußte (BayObLG VRS 44 285; OLG Hamm VRS 43 352, 357, 429; 44 35; Blutalkohol 1973 132; OLG Hamburg VRS 43 431; OLG Schleswig SchlHA 1973 158). Im übrigen hatte die Rechtsprechung einen Schlußtrunk allein für die Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit nicht genügen lassen, sondern das Vorliegen zusätzlicher Beweisanzeichen für die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit gefordert (vgl. OLG Frankfurt DAR 1973 273; OLG Hamm DAR 1973 106; Blutalkohol 1973 134; OLG Köln VRS 44 104; OLG Celle Blutalkohol 1974 61; OLG Koblenz VRS 46 443; a. A. OLG Schleswig VerkMitt. 1972 85 Nr. 110). Die zum Schlußsturztrunk ergangenen Entscheidungen sind jedoch im wesent- 19 liehen durch den Beschluß des BGH vom 11.12.1973 überholt (BGHSt. 25 246 = VRS 46 131 = NJW 1974 246 mit Anm. Händel), in dem der BGH in Fortbildung von BGHSt. 21 157 und 24 200 entschied, daß fahruntüchtig i. S. der §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 a auch der Kraftfahrer ist, der eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer BÄK von 1,3 %o führt. Seit dieser Entscheidung wurde die Ermittlung der Tatzeit-BAK zur Prüfung der Fahruntüchtigkeit des Täters, aber auch Feststellungen über Trinkende oder andere Einzelheiten des Trinkverlaufs grundsätzlich überflüssig (OLG Hamm Blutalkohol 1975 142; OLG Koblenz VRS 47 270). Eine Rückrechnung ist nur dann erforderlich, wenn hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt die Grundsätze der vorverlegten Schuld nicht zur Anwendung kommen, so vor allem, wenn der Entschluß zum Fahren im fahruntüchtigen Zustand erst unter dem Einfluß des Alkohols gefaßt wurde oder der Täter im Zustand der Trunkenheit eine Straftat begangen hat, die er in nüchternem Zustand nicht in seine Überlegungen miteinbezogen hat oder einbeziehen konnte. Eine Rückrechnung ist auch dann erforderlich, wenn zwischen Blutentnahme und Trunkenheitsfahrt ein längerer Zeitraum liegt, oder Nachtrunk geltend gemacht wird. Zur Rückrechnung vgl. Rdn. 6 9 ff. Die vom BGH in seiner Entscheidung vom 1 1 . 1 2 . 1 9 7 3 (BGHSt. 25 2 4 6 = Vrs 20 46 131) vertretene Ansicht, daß es für die Bejahung der Fahruntüchtigkeit genügt, wenn der Täter eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer BÄK von 1,3 %o und darüber führt, ist auch auf Fälle anwendbar, die vor der Entscheidung des BGH begangen wurden (OLG Köln VRS 49 422; vgl. dazu Rdn. 14). b) Eine relative Fahruntüchtigkeit (vgl. dazu auch Möhl DAR 1971 4) kommt in 21 Betracht, wenn bei Kraftfahrzeugführern der Grenzwert von 1,3 %o nicht erreicht, nicht sicher nachgewiesen ist (vgl. BGH VRS 31 36), oder der Täter mit einem nicht (145)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

motorisierten Fahrzeug oder einem Mofa (Rdn. 13) fuhr. Bei relativer Fahruntüchtigkeit, ausgenommen bei Sturztrunk (vgl. Rdn. 15), ist der Nachweis rauschbedingter Ausfallerscheinungen zu erbringen (BGHSt. 21 157; OLG Karlsruhe VRS 49 107). Da die l,3%o-Grenze auch für Kraftradfahrer, Mopedfahrer, Rollerfahrer gilt, reicht auch bei diesen Fahrzeugführern die Feststellung einer geringeren BAKGrenze für die Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit nicht aus (BGH DAR 1969 218 = NJW 1969 1578 m. Anm. Händel; OLG Düsseldorf VRS 35 126; OLG Hamm VRS 34 367; a. A. OLG Celle NJW 1967 2323; OLG Hamm VRS 36 110); bei diesen Fahrzeugführern müssen jedoch bei der Prüfung der bedingten Fahrtüchtigkeit die Besonderheiten des Kraftradfahrens berücksichtigt werden (BGH NJW 1969 1578 m. Anm. Händel; OLG Köln NJW 1968 209). Die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit setzt eine BÄK von wenigstens 0,3 %> voraus; eine unter dieser Grenze liegende Alkoholbeeinflussung kann nach gegenwärtiger wissenschaftlicher Erkenntnis die Fahrtüchtigkeit und damit die Fahrweise des Täters nicht beeinflussen (BGH VRS 21 54; OLG Schleswig VerkMitt. 1970 23; OLG Koblenz VRS 45 118). Die kritische Grenze beginnt i. d. R. bei 0,5 %> (BGHSt. 5 168; BGH VerkMitt. 1962 31), aber auch schon bei 0,4 %o kann auf Grund von Beweisanzeichen auf eine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden (KG VRS 34 284). 22

Die Annahme relativer alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit erfordert über den unter 1,3 %o liegenden Blutalkohol hinaus die Feststellung zusätzlicher Beweisanzeichen für die mangelnde Fähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen. Dies gilt auch beim Hinzutreten weiterer leistungsmindernder Umstände, wie z. B. Krankheit, Ermüdung (BGH VRS 31 107; BayObLG NJW 1968 1200; OLG Hamm NJW 1967 1332; KG VRS 26 116; OLG Koblenz VRS 51 33, 36). Ein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, daß bei Vorliegen einer Ermüdung die Fahruntüchtigkeit bereits dann mit Sicherheit ausgeschlossen sei, wenn die BÄK einen bestimmten, unter I,3 %> liegenden Grenzwert erreicht oder überschritten hat, läßt sich auf Grund der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht aufstellen (OLG Hamm DAR 1973 77). Andererseits kann aber aus mehreren Beweisanzeichen, wie z. B. 28 Stunden ohne Schlaf und Vorfahrtverletzung bei einer BÄK von 1,1 %o auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen werden (OLG Hamburg Blutalkohol 1970 155).

23

Zusätzliche Beweisanzeichen für die Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses sind Erscheinungsformen, die sich im konkreten Fall als Folge des Alkoholgenusses ausweisen (OLG Saarbrücken VRS 24 31; OLG Köln DAR 1965 54; OLG Hamburg M D R 1968 686; OLG Karlsruhe VRS 49 107; OLG Koblenz VRS 48 29; OLG Köln VRS 47 187). Vor allem kommt hierbei die Fahrweise des Täters in Betracht (vgl. BGH VersR 1967 1142). Nicht jedes fehlerhafte Verhalten im Straßenverkehr aber rechtfertigt bei einer BÄK unter der 1,3 %o-Grenze den Schluß auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit (vgl. KG NJW 1962 1783). Auch daß ein Fahrfehler häufiger von angetrunkenen als von nüchternen Fahrern begangen wird, zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, die Fahrweise sei alkoholbedingt gewesen (BGH DAR 1969 105 = VRS 36 174). An die zusätzlichen Beweisanzeichen für die Fahruntüchtigkeit brauchen dann keine allzu hohen Anforderungn gestellt zu werden, wenn die festgestellte BÄK sich dem Grenzwert der unbedingten Fahruntüchtigkeit nähert (BGH VRS 36 174 = DAR 1969 105; OLG Hamm VRS 40 362; OLG Koblenz VRS 46 349). Die der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom II. 12. 1973 (BGHSt. 25 246) zugrunde liegende Erkenntnis, wonach die Anflutungswirkung des Blutalkohols auf den Grenzwert von 1,3 %> den zur Tatzeit bestehenden Konzentrationsfehlbetrag zumindest ausgleicht, gilt entsprechend auch für (146)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

die Fälle der relativen Fahruntüchtigkeit bei einer BÄK unter 1,3 %o (BayObLG bei Rüth in DAR 1975 204). Im Grenzbereich von 1,25 bis 1,30 %o genügen daher geringere Anzeichen als bei niedrigerem Blutalkoholgehalt, um die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit zu rechtfertigen (OLG Hamm VRS 30 118; 33 22; OLG Koblenz VRS 46 349). Dies heißt aber nicht, daß der Tatrichter unter dieser Voraussetzung immer genötigt ist, bei einem groben Fahrfehler auf eine Fahruntüchtigkeit zu schließen (BGH VRS 36 174), vielmehr hat er auch in diesen Fällen die festgestellten Tatsachen in eigener Verantwortung zu prüfen und darf alkoholbedingte (relative) Fahruntüchtigkeit nur bejahen, wenn er nach eingehender Würdigung von der Ursächlichkeit (Mitursächlichkeit) des Alkoholeinflusses für die Fahrunsicherheit oder den begangenen Fahrfehler überzeugt ist (OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 393; VRS 33 440; OLG Zweibrücken VRS 48 97). Selbst grobe, für alkoholbeeinflußte Kraftfahrer typische Fahrfehler, die als zusätzliche Beweisanzeichen für den Nachweis der relativen Fahruntüchtigkeit in Betracht kommen könnten, begründen ohne die Feststellung einer die Fahrtüchtigkeit beeinflussenden Alkoholwirkung keinen Schuldspruch (OLG Schleswig Blutalkohol 1970 398). Fahrfehler bei Mofa-Fahrern: Rdn. 13. Andererseits sind gerade grobe, für einen langjährigen Kraftfahrer ungewöhn- 24 liehe Fahrfehler oft die kennzeichnende Folge vorausgegangenen Alkoholgenusses und dadurch ursächlich für die Fahruntüchtigkeit (BGH VRS 19 29; 29 185; 32 40; OLG Koblenz VRS 50 355), wobei sich i. d. R. nähere Feststellungen über die Gesamtleistungsfähigkeit des Täters erübrigen (OLG Koblenz Blutalkohol 1977 432, z. B. Fahren in Schlangenlinie (OLG Hamm VRS 11 307), insbes. wenn dies bei einer BÄK von mehr als 1,0 %o absichtlich geschieht, um verfolgende Polizeibeamte am Überholen zu hindern (OLG Hamm VRS 35 360), oder ein besonders törichtes Verhalten an den Tag gelegt wird (OLG Köln Blutalkohol 1974 131), oder bewußt verkehrswidrig gefahren wird (OLG Düsseldorf VRS 49 38). Als Beweisanzeichen für alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit wurden von der Rechtsprechung weiter angesehen: überhöhte Geschwindigkeit (OLG Hamm DAR 1969 188) insbes. i. V. m. verkehrswidrigem Hupen (OLG Hamm VRS 39 37); Mißachtung von Verkehrszeichen (vgl. OLG Hamburg NJW 1954 1 1 7 1 ) ; sorglose und leichtsinnige Fahrweise, insbes. Einhaltung einer besonders hohen Geschwindigkeit bei besonders schlechter Sicht (BGH VRS 33 118 = DAR 1967 280); leichtsinniges Überholen und Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes (OLG Saarbrücken VRS 24 31); schnelles und mit Quietschen der Reifen vorgenommenes Durchfahren von Kurven (OLG Köln VRS 37 200); Fahren ohne Kennzeichenbeleuchtung, mit mangelhaften Scheinwerfern und mit einem profillosen Reifen bei einer BÄK nahe bei 1,3 %o (OLG Köln Blutalkohol 1973 135); Gehverhalten des Fahrers nach dem Verlassen des Fahrzeugs (OLG Köln aaO); Flucht des Täters nach durchgeführtem positiven Alco-Test (OLG Koblenz VRS 45 118); Sturztrunk unmittelbar vor Antritt der Fahrt kann auf Kritiklosigkeit und Enthemmung schließen lassen und damit insbes. im Zusammenhang mit einem weiteren Indiz die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit begründen (OLG Celle Blutalkohol 1974 61; OLG Hamm Blutalkohol 1973 134; DAR 1973 106; VRS 46 134; OLG Koblenz VRS 46 443; OLG Köln VRS 44 104); auch Überholen bei dichtem Nebel mit 50 km/h soll ein typisch alkoholbedingtes Fehlverhalten sein (OLG Hamm VerkMitt. 64 8 Nr. 14), was aber nicht verallgemeinert werden darf, weil es einen allgemein gleichen Erfahrungssatz, daß ein zu schnelles und unachtsames Fahren bei schlechten Witterungsverhältnissen die Folge des genossenen Alkohols ist, nicht gibt (OLG Zweibrücken VRS 48 104). Kommt ein Kraftfahrer mit einer BÄK von 0,64 % nicht auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen, auch wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der im Wenden Begriffene in die Fahrbahn zurückstoßen will (OLG Stuttgart DAR 1968 161). Fährt ein unter Alkoholeinfluß stehender Täter seinen zunächst auf einer belebten Straße abgestellten Pkw. in eine wenig belebte Seitenstraße, um ihn dort zu parken, weil eine der Türen infolge Einfrierens des Schlosses nicht verschließbar ist, so kann dieses Verhalten auch anders als durch Enthemmung infolge Alkoholgenusses erklärlich sein (KG VRS 20 362). Eine Fahrt bei Dunkelheit ohne eingeschaltete Beleuchtung unmittelbar nach dem Genuß eines halben Liters Bier kann ebenfalls noch nicht als zusätzliches Beweisanzeichen für die Feststellung relativer Fahruntüchtigkeit gewertet werden, auch dann nicht, wenn der Täter eine Arbeitszeit von 21 Stunden hinter sich hat (OLG Hamburg, Blutalkohol 1971 228 Anm. Krauland). Beschädigt ein Kraftfahrer mit 0,8 %o beim Herausfahren aus einer Parklücke ein anderes Fahrzeug, kann dessen relative Fahruntüchtigkeit nicht allein mit der äußerst leichten Verkehrslage für einen geübten Fahrer" begründet werden (OLG Koblenz VRS 52 350).

26

Die Beweisanzeichen für Fahruntüchtigkeit können sich auch aus anderen Tatsachen als aus der Fahrweise ergeben, z. B. aus dem Verhalten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber den Polizeibeamten (OLG Hamm VRS 7 393). Unsachliche Kritik gegenüber einem Polizeibeamten ist selbst bei einer BÄK von 1,08 %o kein Indiz für Fahruntüchtigkeit (OLG Hamm GA 1969 186). Hierbei sind auch die einzelnen Angaben eines unter Alkoholeinfluß stehenden Kraftfahrers an der Unfallstelle verwertbar; ihr Beweiswert bedarf jedoch sorgfältiger Prüfung (OLG Celle VRS 41 206). Grob unvernünftiges Verhalten kann bei nahe am Grenzwert liegenden Blutalkoholgehalt — hier 1,24 %o — als zusätzliches Beweisanzeichen für Fahruntüchtigkeit gewertet werden (OLG Köln VRS 42 364). (148)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

Der persönliche Eindruck eines Zeugen über die alkoholbedingte Fahruntüch- 27 tigkeit des Täters genügt nicht (BGH VRS 8 199 = VerkMitt. 1955 9; OLG Hamm Blutalkohol 1963/64 236). Andererseits ist aber auch die Ansicht eines Laien, eine Trunkenheit habe nicht vorgelegen, weil äußere Anzeichen hierfür nicht vorhanden waren, i. d. R. ohne Bedeutung, da mitunter selbst starke Trunkenheit nicht immer für jeden ohne weiteres erkennbar ist (OLG Oldenburg DAR 1957 300; OLG Saarbrücken VerkMitt. 1957 74). Auch wenn ein Kraftfahrer einen durchaus nüchternen Eindruck gemacht hat, 28 kann seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, beeinträchtigt gewesen sein (OLG Koblenz VRS 3 280; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1958 12), da die Alkoholwirkung auf das äußere Verhalten des Menschen unterschiedlich ist, was aber nichts über die Fahrtüchtigkeit aussagt (OLG Frankfurt NJW 1953 597); denn durch Gewöhnung kann zwar am äußeren Erscheinungsbild des Täters die Alkoholbeeinflussung abgeschwächt sein, nicht aber eine alkoholbedingte psychische Leistungsminderung ausgeglichen werden (so auch BGHSt. 21 157; vgl. auch BGH VRS 5 528; 34 356; Gerchow Blutalkohol 1969 409; Honegger Blutalkohol 1970 31; BGA-Gutachten S. 166, 177). Als wesentliche Anhaltspunkte für eine Fahruntüchtigkeit müssen bei einer BÄK 29 unter 1,3 %> stets die Ausfallerscheinungen im Einzelfall angesehen werden (OLG Hamm VRS 33 440; vgl. auch Heifer Blutalkohol 1963/64 244; 1965/66 1; 1965/66 537; 1967 9; Duche Blutalkohol 1967 128). Hierbei sind die Untersuchungsergebnisse des die Blutentnahme durchführenden Arztes nicht bedeutungslos. Dieser hat vor allem auf Gleichgewichtsstörungen (statische und lokomotorische Ataxie) zu achten und im einzelnen zu prüfen: Art des Ganges, Schwanken beim Romberg'schen Versuch, Gang mit geschlossenen Augen auf einer Geraden, Finger-FingerVersuch, Finger-Nasen-Versuch, Aufheben kleiner Gegenstände (Näheres bei Laves, Bitzel, Berger, der Verkehrsunfall 1956 S. 193 ff). Nach Hamburg soll allerdings die Prüfung der Pupillenreaktion für die Feststellung der Verkehrstauglichkeit kaum brauchbar sein (VerkMitt. 1961 54 Nr. 78). auch gibt es keinen Erfahrungssatz, daß bei einem Täter, dessen BÄK noch deutlich unter dem Grenzwert liegt (1 %o), ein Drehnachnystagmus von 10 Sek. Dauer ein sicheres Anzeichen für Fahruntüchtigkeit ist (OLG Köln NJW 1967 310). So kann auch die Feststellung eines grobschlägigen Drehnachnystagmus von 25 Sek. Dauer nur dann als alkoholbedingte Hirnleistungsstörung zum Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit verwertet werden, wenn der Nüchtern-Befund einen solchen Nystagmus nicht erkennen läßt (OLG Hamm VRS 33 442; vgl. dazu auch Klinkhammer-Stürmann DAR 1968 43). Ist das für die Alkoholwirkung Typische eines Fahrfehlers bei einer zur Tatzeit 30 unter 1,3 %> liegenden BÄK zweifelhaft und bekundet der die Blutentnahme durchführende Arzt, der Beschuldigte habe nicht merkbar unter Alkoholeinfluß gestanden, so kann darüber, auch bei einem kräftigen und willensstarken jungen Mann nicht einfach mit der Erwägung hinweggegangen werden, dieser habe durch Anspannung aller psychischen und physischen Kräfte manipuliert, also Ausfallerscheinungen unterdrückt; ein solcher Erfahrungssatz läßt sich zumindest hinsichtlich der Testergebnisse nicht aufstellen (OLG Köln Blutalkohol 1965/66 392; 609). Allerdings sind die allgemeinen Wertungen des Untersuchungsarztes über die Höhe des Alkoholeinflusses „nicht merkbar, leicht oder stark" ohne entscheidende Bedeutung, da sie zu sehr der subjektiven Wertung unterliegen. Es besteht kein Erfahrungssatz, daß bei einer BÄK von 1,22 %o aus träger Pupillenreaktion, mittel(149)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

schlägigem Nystagnismus und Drehnachnystagmus von 19 Sekunden auf Fahruntüchtigkeit geschlossen werden kann (OLG Hamm VRS 53 117). 31 Ein unter der Grenze von 1,3 %o liegender Blutalkoholgehalt kann jedoch auch durch persönliche Indisposition des Täters relative Fahruntüchtigkeit herbeiführen (vgl. OLG Hamm NJW 1963 405). So kann z. B. Alkoholgenuß bei hohem Alter zu vorzeitiger Fahruntüchtigkeit führen (OLG Köln VRS 34 46); auch kann das Zusammenwirken von Alkohol und Medikamenten auch bei nur geringem Alkoholeinfluß Fahruntüchtigkeit bedingen (vgl. Rdn. 38 ff). Ermüdung kann die nachteiligen Wirkungen des Alkoholgenusses verstärken und zur Fahruntüchtigkeit führen (BGH VRS 31 107; BGH bei Martin DAR 1958 93; BayObLG NJW 1968 1200; OLG Neustadt VRS 28 147). Auch bei psychischer Belastung können ebenso wie bei organischen Krankheiten schon geringe Alkoholmengen die Ursache der Fahruntüchtigkeit sein (BGH VRS 17 47 = VerkMitt. 1959 77 Nr. 128; KG VRS 7 62; VerkMitt. 1956 1; OLG Köln VRS 5 156); vor allem bei Kopf- und Hirnverletzten besteht die Gefahr eines pathologischen Rausches (vgl. LG Heilbronn DAR 1954 260). Eine Beinamputation kann erfahrungsgemäß nicht nur eine allgemeine Wirkung auf das vegetative Nervensystem mit der Folge einer Herabsetzung der Selbstbeherrschung herbeiführen, sondern auch einen stärkeren Einfluß des Alkohols auf das Hemmungsvermögen begünstigen, als dies bei unversehrten Personen der Fall ist (BGH VRS 17 187). Hatte der Täter in früheren Jahren einen Schädelbruch erlitten, muß der Tatrichter im Rahmen der Aufklärungspflicht ein Sachverständigengutachten über dessen Folgen einholen, im Fall einer früheren Hirnverletzung auch einen hierfür zuständigen Facharzt zur Beurteilung dieser Verletzungswirkung in bezug auf den Alkoholeinfluß hinzuziehen (BGH VRS 16 186). 32

Der Alkohol benötigt gewisse Zeit, um im menschlichen Körper abgebaut zu werden. Ernüchterungsmittel, die den Alkoholabbau beschleunigen oder die Wirkung des Alkohols abschwächen, gibt es nach dem Stand der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnis nicht (vgl. Rdn. 77 unten). Allerdings soll gleichzeitiges Trinken von Alkohol und Sangrita die objektiven und subjektiven Alkoholwirkungen abschwächen ( L u f f ZVerkSich 1970 53). Die Gründe hierfür sind wissenschaftlich noch nicht geklärt; es wird sich deshalb niemand darauf berufen können, die Alkoholwirkung unterschätzt zu haben, weil er dieses Getränk gleichzeitig mit dem Alkohol zu sich genommen hat (Schlichting Blutalkohol 1970 354).

33

Je größer die genossene Alkoholmenge ist, um so länger dauert auch der Abbau. Die Kenntnis von der Wirkung des Restalkohols darf nunmehr als allgemein bekannt vorausgesetzt werden (OLG Celle VRS 7 463; KG DAR 1955 277 = VerkMitt. 1955 47; O-LG Stuttgart VerkMitt. 1956 39). Jeder Kraftfahrzeugführer muß sich mit den gefährlichen Wirkungen des Restalkohols vertraut machen (OLG Hamm DAR 1970 192). Auf Nichtkenntnis der Restalkoholwirkung kann sich der Täter nicht erfolgreich berufen (KG VRS 33 265), insbesondere wenn die Zeit zwischen Ende des Trinkens und dem Antritt der Fahrt im Verhältnis zur genossenen Alkoholmenge sehr kurz gewesen ist, weil die lange Dauer der Abbauphase allgemein bekannt ist (OLG Bremen DAR 1959 211; OLG Hamburg VerkMitt. 1961 59).

34

Wer erhebliche Mengen Alkohol getrunken hat, darf auch nicht nach vergleichsweise kurzer Ruhepause {l'/i Stunden Schlaf) ein Kraftfahrzeug führen (OLG Hamburg VRS 12 145; DAR 1957 54); auch 14 Stunden Schlaf reichen nach einer BÄK von etwa 3 %o für den restlosen Alkoholabbau nicht aus (OLG Hamburg DAR 1970 192). Erneuter Alkoholgenuß während der Abbauphase kann zu einer erheblichen Verstärkung der Rauschsymptome führen (OLG Braunschweig NdsRPfl. 1953 48); (150)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

aus diesem Grand ist der erneute Genuß von Alkohol vor dem völligen Abbau mit besonderen Gefahren verbunden (OLG Oldenburg VRS 23 47). Die tatrichterliche Überzeugung von der relativen Fahruntüchtigkeit setzt keine 35 mathematische, jede Möglichkeit eines Gegenteils ausschließende Gewißheit voraus (OLG Koblenz VRS 45 118), nur muß sich der Tatrichter bei der Deutung der Beweisanzeichen bewußt sein, daß auch eine andere Wertung möglich sein kann (BayObLG VerkMitt. 1965 43 Nr. 63). Dies muß in den Urteilsgründen zum Ausdruck kommen, da die Eignung eines Indiz für die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (OLG Hamburg VRS 47 318). In den Fällen der relativen Fahruntüchtigkeit wird meist die Zuziehung eines 36 Sachverständigen erforderlich sein; dies gilt vor allem, wenn die BÄK durch eine Blutprobe nicht festgestellt wurde (OLG Koblenz VRS 50 288), oder wenn es sich um Fragen der Rückrechnung oder des Zusammenwirkens von Alkohol mit Medikamenten handelt. In den Urteilgründen müssen die vom Sachverständigen gezogenen Schlußfolgerungen dargelegt werden (OLG Koblenz VRS 46 349). Der Anhörung eines Sachverständigen bedarf es nicht, wenn ein Gericht allge- 37 mein bekannte Tatsachen unter Berücksichtigung der Verkehrsregeln verwertet und im Rahmen des Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung auch verwerten durfte (BSG Blutalkohol 1975 144). c) In einer Reihe von klinischen experimentellen Beobachtungen hat sich 38 gezeigt, daß die Wirkung des Alkohols durch gleichzeitige Einnahme von Medikamenten erheblich verstärkt werden kann (BGA-Gutachten, erg. Stellungnahme S. 18 bis 25), so daß schon geringe Alkoholmengen zur Fahruntüchtigkeit führen können (vgl. OLG Oldenburg DAR 1956 253; OLG Hamm NJW 1958 1199 = DAR 1958 281).

Das die Fahruntüchtigkeit beeinträchtigende Zusammenwirken von Alkohol 39 und Medikamenten kann einmal darauf beruhen, daß die Medikamente selbst Alkohol enthalten (wie z. B. Melissengeist oder Magenbitter) oder unmittelbar einen rauschähnlichen Zustand erzeugen (vgl. dazu: berauschende Mittel, Rdn. 47 ff); oder daß die Arzneimittel dieselben Funktionen im Zentralnervensystem angreifen und beeinträchtigen wie der Alkohol (Linke DDeutschGesW 21 49). Eine Steigerung der Alkoholwirkung ist grundsätzlich zu erwarten bei Einnahme 40 von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, sowie bei Narkosenachwirkungen. Auch bei Anergetika, z. B. Pyramidon, Blutazologin und dgl., bei manchen Wurmmitteln, bei Opiaten, Antidiabetika, Antihypertonika, Tranquillizer (z. B. Librium, Mebrobarmat) sowie bei blutdrucksenkenden Mitteln wird von einer Steigerung der Kombinationseffekte berichtet (vgl. Ärzteblatt 1961 510). Das Merkblatt der Bundesärztekammer (Bundesgesundheitsamt) zählt als Medikamente, deren Wirkung insbes. bei Alkoholgenuß die Fahrtüchtigkeit beseitigen können, u. a. auf: Narkosemittel, Hypnotika, Sedativa, Psychopharmaka, Antiepileptika, Antihistaminika, Stimulanzen, Appetitzügler, spanile Muskelrelaxantien, Hochdruckmittel. Nach Janitzki (Aktuelle Probleme der Verkehrsmedizin 1966 116) sollen zusätzlich noch die Analgetika der Antiperetikareihe berücksichtigt werden. Schon geringe Mengen Alkohol können durch vorherige Gabe von Butarbarbituraten, wie sie z. B. in Schlafmitteln vorkommen, zu schwerer Trunkenheit führen; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn zwischen Barbituratzufuhr und Alkoholgenuß viele Stunden liegen (Doenicke-Kleinert MedKlinik 1962 835). Durch Zusammenwirken von Barbituraten (151)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

und Alkohol in einer Menge, der eine BÄK von 1 %o bis 1,6 %o entspricht, können nach Osterham Blutalkohol 1964 3 9 5 , 4 1 3 ) Wirkungen auftreten, die in erheblichem Umfang über die Folgen hinausgehen, die sonst bei derartigen Alkoholmengen zu beobachten sind; so daß es zu Bewußtseinsstörungen i. S. des § 20 StGB kommt, auch wenn der Blutalkoholwert noch erheblich unter 3 %o liegt (OLG Köln Blutalkohol 1975 2 7 8 ; OLG Hamm NJW 1972 2 2 3 2 ) . Die Folgeerscheinung ist aber ein körperlicher Zusammenbruch, der plötzlich auftritt und bei dem es nicht möglich ist, daß der Betroffene weiter trinkt und dadurch eine höhere BÄK erreicht. Es ist deshalb ausgeschlossen, daß ein Kraftfahrer, der mit einer BÄK von 2,4 %o im Zustand allenfalls verminderter Zurechnungsfähigkeit gefahren ist, einen Teil des Alkohols in einem durch Zusammenwirken von Barbituraten und Alkohol hervorgerufenen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit zu sich genommen hat (OLG Hamburg DAR 1970 1 6 2 ; DAR 1965 2 7 ; Gaisbauer NJW 1967 1 5 0 4 ) . Die von Biehl(s. Schrifttum) vertretene Meinung, daß Psychopharmaka auf die Verkehrstüchtigkeit keinen nachweisbaren negativen Einfluß haben, läßt sich nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen in dieser Allgemeinheit wohl nicht aufrechterhalten (vgl. BGA-Gutachten, erg. Stellungnahme S. 22). 41

Nach Einnahme von Antabus und Irgopyrin können sich bei späterem Alkoholgenuß Vergiftungserscheinungen einstellen, die sich in Kreislaufstörungen, Übelkeit, Brechreiz, Mattigkeit, gelegentlich auch Ohrensausen, Sehen von Doppelbildern äußern (OLG Hamburg NJW 1967 1522 = VRS 32 444; Elbel-Schleyer Blutalkohol 2. Aufl. S. 53). auch Saridon (OLG Oldenburg DAR 1963 304), Librium (OLG Stuttgart DAR 1965 135 = NJW 1966 410 m. Anm. Gaisbauer), Phanodorm (KG VRS 19 111), nicht aber jede schmerzstillende Tablette (BayObLG VRS 15 202) können die Alkoholwirkung wesentlich verstärken. Der Blutalkoholspiegel wird durch die Einnahme von Medikamenten jedoch nicht beeinflußt (KG VRS 27 150). Vgl. auch: Berauschende Mittel, Rdn. 47 ff unten.

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Beruft sich ein Medikaments den erkennen können, 1963 2385 = VRS

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Für die Frage der Auswirkung der Kombination von Alkohol und Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit und die Zurechnungsfähigkeit lassen sich allgemein verbindliche Beurteilungsnormen in bezug auf die eingenommenen Medikamentenmenge und die damit korrespondierende Höhe der BÄK nicht generell aufstellen. Primär entscheidend ist vielmehr stets die präzise Datenerhebung über den Ablauf des Fehlverhaltens im Verkehr und über den Zustand des Täters bei seinem Fehlverhalten, d. h. das Erscheinungsbild von Tat und Täterpersönlichkeit (OLG Frankfurt VRS 29 476 = DAR 1966 106).

44

2. Bei Führern nicht motorisierter Fahrzeuge (vgl. Rdn. 3 ff oben) hat die Rechtsprechung bisher einen absoluten BAK-Grenzwert, von dem ab eine absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen ist, noch nicht als gesichert anerkannt, da es nach dem BAG-Gutachten (S. 51 bis 53) wissenschaftlich gesicherte Unterlagen insoweit nicht (noch nicht) gibt. Dies gilt insbesondere auch für Radfahrer, die den Kraftradfahrern nicht gleichgestellt werden können (BAG-Gutachten S. 53; BSG VRS 34 238 = NJW 1968 75; LSG-Schleswig-Holstein Blutalkohol 1965/66 99 m. Anm. Schütz BGH NJW 1963 2083). Die Fahruntüchtigkeit der Radfahrer hängt vielmehr von allen Umständen des Einzelfalles ab (BGHSt. 19 82 = VRS 25 315; BayObLG VRS 44 202). Mofa-Fahrer: Rdn. 13. Die früher im Schrifttum und in der Rechtspre-

Täter darauf, daß er infolge hinzukommender Wirkung eines Zustand seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit nicht hätte bedarf dies besonders gründlicher Prüfung (OLG Celle NJW 26 10). Zum subjektivem Tatbestand vgl. Rdn. 91 ff.

(152)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

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chung hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit von Radfahrern vertretene gegenteilige Ansicht (vgl. Gaisbauer Blutalkohol 1967 204; Ponsold, Lehrbuch der gerichtlichen Med. 2. Aufl. S. 268; Berg, Gerichtl. Med., 6. Aufl. S. 162; Elbel-Schleyer, Blutalkohol 2. Aufl. S. 196; Händel-Lochner-Rauschke, Handbuch für Verkehrsstrafsachen S. 613; Mueller, Gerichtliche Med. S. 759; Schütt, DRiZ 1965 292; BSG NJW 1956 1579; 1963 607; OLG Hamm (2,2 %„) DAR 1959 54; OLG Stuttgart (1,91 %„) NJW 1956 1044 = VerkMItt. 1956 39; OLG Düsseldorf (1,69%) VerkMitt. 1958 64 Nr. 132; OLG Celle (1,58 %>) VersR 1961 75; OLG Oldenburg (1,71 % ) NJW 1960 1399; OLG Karlsruhe NJW 1965 361) läßt sich nicht aufrechterhalten. Für die Führer von Nicht-Kraftfahrzeugen und Mofas kommt deshalb nur eine 4 5 relative Fahruntüchtigkeit in Frage, die nach den Umständen des Einzelfalls auf Grund der festgestellten Ausfallerscheinungen zu bestimmen ist. Ein Schlangenlinie fahrender Mofa-Fahrer mit einer BÄK von 2,7 %o ist relativ fahruntüchtig (OLG Hamm VRS 49 270). Vgl. dazu Rdn. 13. Ebenso wie bei Kraftfahrzeugführern hat die durch die Blutprobe ermittelte Alkoholbeeinflussung aber nur die Bedeutung, daß die Ausfallserscheinungen alkoholbedingt sein können. Der Kausalzusammenhang ist in jedem Einzelfall nachzuweisen (vgl. dazu Möhl DAR 1971 4). Naheliegenden anderen Ursachen für die Ausfallerscheinungen ist nachzugehen und bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zu erwägen. Nur theoretisch entfernt liegende mögliche Ursachen, für deren Annahme im Einzelfall keine vernünftigen Anzeichen hindeuten, können grundsätzlich unbeachtet bleiben. Bei hoher Blutalkoholkonzentration genügen grundsätzlich schon geringe Anzeichen für die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit. Die in der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätze für die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit bei Kraftfahrern sind auf die Führer von Nicht-Kraftfahrzeugen mit der Maßgabe entsprechend übertragbar, daß es auf die 1,3 %o-Grenze nicht ankommt. Ist alkoholbedingte Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähig- 4 6 keit zu prüfen, werden schon geringfügige Trunkenheitssymptome für die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ausreichen. Allerdings darf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nicht allein zur Begründung der Fahruntüchtigkeit des Führers eines Nichtkraftfahrzeugs herangezogen werden, weil es hierfür keinen wissenschaftlichen Nachweis gibt. 3. Berauschende Mittel sind grundsätzlich nur solche, die in ihren Auswirkungen 4 7 denen des Alkohols vergleichbar sind und zu einer Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens, der intellektuellen und motorischen Fähigkeiten führen. Dazu zählen grundsätzlich die in §§ 1 und 4 BetmG vom 10. 1.1972 (BGBl. I 1 i. d. F. des Art. 48 EGStGB) aufgezählten Stoffe. Den Rauschgiften sind u . a . zuzuordnen: Opium, Rohkokain, Morphin, Heroin, Kokain, Haschisch, Marihuana, LSD, sowie die ihnen gleichgestellten Stoffe (Liste i. d. Bek. v. 6. 1.1976, BGBl. I 35; vgl. dazu auch die Betäubungsmittel-GleichstellungsVOen v. 25. 10. 1961, BGBl. I 1909 vom 24. 4. 1963, BGBl. I 209; v. 21. 2. 1967, BGBl. I 197, ber. 382, v. 6. 4. 1971, BGBl. I 315 und Bek. v. 23. 2. 1967, BGBl. I 228). Auch Medikamente können zu den berauschenden Mitteln zählen, wenn sie zu 4 8 rauschähnlichen Zuständen führen. Dies gilt zunächst einmal für alle alkoholischen Medikamente, wie z. B. Klosterfrau-Melissengeist (OLG Oldenburg DAR 1956 253) oder andere Stärkungs- oder homöopathische Mittel, die häufig Alkohol enthalten, und für die Arzneien, die Rauschgifte im Sinne des BetmG oder der Betäubungsmittel-GleichstellungsVOen enthalten. Es liegt nahe, von den Medikamenten dieje(153)

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27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

nigen zu den berauschenden Mitteln im Sinne des § 316 zu zählen, die nach dem ArzneimittelG auf Anordnung der zuständigen Behörden nur mit bestimmten Warnhinweisen auf Behältnissen, Umhüllungen, Packungsbeilagen in den Verkehr gebracht werden dürfen, weil die Annahme begründet ist, daß auch bei ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch bestimmte Personen gefährdet werden können oder daß sie allein oder im Zusammenwirken mit anderen Arzneimitteln oder bestimmten Lebens- oder Genußmitteln die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigen. 49

Die Rechtsprechung wurde bisher nur selten mit der Frage befaßt, ob ein Medikament zu den berauschenden Mitteln zählt. Das KG (VRS 19 111) hat Phanodorm als berauschendes Mittel gewertet; Phenothiazin wurde vom LG Waldshut (zit. bei Wagner- Wagner-Händel, Handbuch für Verkehrsmedizin S. 84) als Rauschmittel angesehen. Ob Psychopharmaka zu den Rauschmitteln rechnen, ist umstritten. Die Ansicht von Biehl (MedWelt 6 1954), daß sie keine leistungsmindernde Wirkung haben, dürfte nach neueren Forschungen nicht mehr aufrechtzuhalten sein. Cramer Rdn. 6) rechnet sie allgemein zu den berauschenden Mitteln, wie insbes. auch Valium und Librium. Das OLG Stuttgart (DAR 1965 135 = VRS 29 36) hat Librium als berauschendes Mittel nicht grundsätzlich anerkannt.

50

Die Frage, ob ein Medikament ein berauschendes Mittel ist, ist insofern von praktischer Bedeutung, als bejahendenfalls eine Bestrafung nach §316 StGB in Frage kommt, hat es jedoch nur als Medikament die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, kann nur eine Ordnungswidrigkeit nach § 2 StVZO angenommen werden, weil der Gesetzgeber die durch geistige Mängel bedingte Fahruntüchtigkeit nicht als Tatbestandsmerkmal in das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 316 StGB übernommen hat. Es geht deshalb nicht an, jedes die Leistungsfähigkeit mindernde Medikament als berauschendes Mittel einzuordnen, da der Gesetzgeber gerade den Rauschzustand in den §§ 315 a, 315 c und 316 StGB als speziellen Unterfall des geistigen Mangels einer Sonderregelung zugeführt hat. Als berauschende Mittel kommen deshalb nur Medikamente in Betracht, die einen Alkoholrausch ähnlichen Zustand erzeugen. Auszuscheiden haben als berauschende Mittel deshalb von vorneherein solche Arzneien, die die Psyche eines Menschen nicht beeinflussen, auch wenn sie indirekt auf das Verhalten des Einzelnen im Straßenverkehr einwirken können (z. B. Abführmittel, Juckreiz oder Allergien verursachende Mittel). Nicht in den Kreis der berauschenden Mittel einzubeziehen sind auch Medikamente, die u. U. zu Muskelkrämpfen führen können, oder die Ursache für gelegentliche Aufmerksamkeitsausfälle sind, weil diese weder Kennzeichen eines Rauschzustandes sind, noch rauschähnliche Wirkung haben. Grundsätzlich können nur die Medikamente in den Kreis der berauschenden Mittel aufgenommen werden, die das Hemmungs-, Wahrnehmungs-, Reaktionsvermögen herabsetzen, die motorischen Kräfte des Menschen beeinträchtigen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob diese Wirkung nur von einer bestimmten Dosis an eintritt, sondern ob sie diese Wirkung allgemein herbeizuführen geeignet sind. So können z. B. Psychopharmaka in bestimmter Dosierung eingenommen, eine beruhigende ausgleichende Wirkung haben, größere Mengen aber u. U. zu rauschähnlichen Zuständen führen. Nicht ausgeschlossen ist es auch, daß eine Rauschwirkung erst durch eine Kombination von Medikamenten eintritt. Für die Beurteilung, ob das von dem Verdächtigen eingenommene Medikament als Rauschmittel betrachtet werden muß, ist die Zuziehung eines Sachverständigen i. d. R. unentbehrlich.

51

Es gibt keine allgemeinen Erfahrungssätze wie z. B. bei der Alkoholbeeinflussung, von welcher Dosis an berauschende Mittel die Fahrtüchtigkeit beschränken (154)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

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oder beseitigen. Für berauschende Mittel nennt weder Rechtsprechung noch Schrifttum eine allgemein gültige absolute Grenze; sie wird naturwissenschaftlich auch kaum zu finden sein. Die Frage der Fahrtüchtigkeit ist deshalb in jedem Einzelfall, soweit auf dem Einfluß berauschender Mittel oder von Medikamenten beruhend, an Hand der erhobenen Daten zu prüfen. Hierbei wird bei Kraftfahrzeugführern ein strengerer Maßstab anzulegen sein, als bei Führern nichtmotorisierter Fahrzeuge. Soweit es sich bei den berauschenden Mitteln um Medikamente handelt, verdient der subjektive Tatbestand besondere Beachtung. IV. Für die Feststellung der Höhe der Blutalkoholkonzentration wurden verschie- 52 dene Verfahren entwickelt. Die bekanntesten sind das Widmark-Verfahren, die ADH-Methode, sowie seit einigen Jahren auch die gaschromatographische Methode. Sie alle sind für forensische Zwecke ausreichend spezifisch und liefern bei geschultem Personal und ständiger fachlicher Aufsicht ausreichend genaue Werte. Absolute Genauigkeit ( = Übereinstimmung des Untersuchungsergebnisses mit der Wirklichkeit) ist bei physikalischen Messungen und chemischen Bestimmungen prinzipiell unerreichbar. Mit beiden Verfahren können deshalb nur Annäherungswerte gefunden werden. Werden bei der Blutentnahme die Richtlinien und Arbeitsanweisungen des BGA-Gutachtens nicht eingehalten, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der so ermittelte Mittelwert forensisch verwertbar ist (OLG Hamburg DAR 1968 334). Mit der verschiedentlich geäußerten Ansicht, daß zwischen dem Blutalkoholge- 5 3 halt und der Fahrtüchtigkeit eines Kraftfahrers kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe und die BÄK kein geeigneter Maßstab für die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit sei, weil die Auswirkungen des Alkoholgenusses auf die Fahrweise nicht von der Alkoholkonzentration im Blut, sondern in erster Linie von derjenigen im Gehirn abhänge, hat sich schon das BGA-Gutachten (S. 39, 42 ff) auseinandergesetzt und sie als unzutreffend bezeichnet (Blutalkohol 1968 606). Es hat hierzu u. a. ausgeführt, daß diese Ansicht auf die seit langem bekannte Differenz zwischen Blut- und Hirnalkoholspiegel vor Erreichung des „Verteilungsgewichts" abstelle, obwohl die ohnehin äußerst geringen Unterschiede sehr rasch ausgeglichen würden und vor der Erreichung des Verteilungsgewichts eine eindeutige Koppelung zwischen dem Alkoholgehalt des Blutes und dem des Gesamtorganismus bestehe (vgl. auch Elbel Blutalkohol 1968 196). Einem Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens, daß auf Grund des Hirnalkoholspiegels keine unbedingte Fahruntüchtigkeit vorgelegen habe, braucht deshalb nicht nachgegangen zu werden, er kann vielmehr mit der Begründung abgelehnt werden, durch ein früheres Gutachten über die BÄK, die einen Blutalkoholgehalt von 1,49 %> zur Tatzeit ergeben hatte, sei das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen (OLG Hamm VRS 37 57). 1. Vielfach wird von den Polizeibeamten zur vorläufigen Feststellung evtl. vor- 54 handenen Blutalkohols der Verdächtige am Tatort aufgefordert, in ein Alkoteströhrchen zu blasen, in dem sich durch Grünfärbung eine Alkoholbeeinflussung anzeigt. Der Alko-Test ist jedoch nicht erzwingbar (BayObLGSt. 1964 34 = VRS 27 189; OLG Schleswig VRS 30 334), da nach § 81 a StPO der Verdächtige zu einer Mitwirkung bei einer Untersuchung nicht verpflichtet ist. Der Widerstand gegen eine zwangsweise Durchsetzung der Alko-Test-Probe ist, da die Amtshandlung unrechtmäßig ist, nicht strafbar nach §113 StGB (Sch.-Schröder-Eser §113 Rdn. 35). (155)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

55

Die Wirkungsweise des Prüfröhrchens beruht darauf, daß zwischen Blutalkohol und Atemalkohol eine Gleichgewichtseinstellung nach dem Henry-Dalton'schen Gesetz erfolgt. Die Erfahrung hat jedoch gelehrt, daß dies in vielen Fällen auch mit hochempfindlichen komplizierten Apparaturen nicht gelingt. Bei dem mit Chromatschwefelsäure imprägnierten Prüfröhrchen besteht die Indikatorschicht aus Kieselsäure. Gelangt eine reduzierende Substanz, also z. B. Alkohol, durch diese Schicht, wird das positiv-6-wertige Chrom zum positiv-3-wertigen reduziert. Dies wird durch eine Grünfärbung der Reaktionsschicht des Röhrchens angezeigt. Diese chemische Reaktion ist die gleiche wie beim Widmark'schen Verfahren und ist unspezifisch, d. h. außer Alkohol werden auch andere reduzierende Substanzen, z. B. Acetaldehyd, Aceton und ähnliche Stoffe angezeigt. Letztere spielen jedoch in der Praxis kaum eine Rolle.

56

Die Alkotestprüfung ist auch mit erheblichen Fehlermöglichkeiten belastet. Schon die Art des Hineinblasens kann von Bedeutung sein (tiefes Luftholen vor dem Blasen z. B. läßt eine geringere Alkoholkonzentration durch die Indikationsschicht fließen, als wenn die letzte Atemluft aus tieferen Lungenabschnitten ausgeatmet würde. Die Alkotestprüfungen besitzen somit für den Einzelfall höchstens qualitativen Aussagewert. Eine Grünfärbung läßt nur den Schluß zu, der Verdächtige habe Alkohol getrunken, ist aber kein Beweis für den Genuß einer bestimmten Alkoholmenge (BGA-Gutachten, erg. Stellungnahme S. 28 ff).

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2. Die Blutalkoholuntersuchung nach dem Widmark-Verfahren ist, sachgemäß vorgenommen, ein forensisch ausreichendes Prüfungsmittel (BGA-Gutachten S. 32); die Fehlergrenze liegt bei etwa 0,15 %. Die Untersuchung nach dem Widmark-Verfahren ist ein mikrochemisches Verfahren, das auf dem Prinzip beruht, daß der Alkohol aus dem Blut im Widmark-Kolben isotherm abdestilliert und durch eine in diesem Kölbchen befindliche Menge Dichromat-Schwefelsäurelösung oxydiert wird. Das zu dieser Oxydation verbrauchte Dichromat wird jodometrisch ermittelt.

58

Die früher gegen die Zuverlässigkeit des Widmark-Verfahrens erhobenen Zweifel (vgl. noch OLG Hamburg NJW 1954 1171 = VRS 7 229 u. a.) sind nach den zwischenzeitlich vorgenommenen Verbesserungen der Untersuchungsmethoden nicht mehr begründet. Man geht nunmehr allgemein von der Zuverlässigkeit des Widmark-Verfahrens aus (BGA-Gutachten S. 32; BGHSt. 13 278 = VRS 16 448 = NJW 1959 1046). Nach den im BGA-Gutachen festgelegten Richtlinien und Arbeitsanweisungen, die vom BGH gebilligt wurden (BGHSt. 21 157), sind stets 3 Untersuchungen nach dem Widmark- und 2 Untersuchungen nach dem ADHVerfahren vorzunehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß einem nur nach dem Widmark-Verfahren ermittelten BÄK-Wert überhaupt keine entscheidende Bedeutung beikäme. Insbes. nach den nunmehr verbesserten Untersuchungsmethoden sind auch die gefundenen Widmark-Werte, wenn die Richtlinien und die Arbeitsanweisung des BGA befolgt wurden, eine ausreichende Grundlage für die Bestimmung des Alkoholeinflusses (BGA-Gutachten S. 146, 148; so schon OLG Hamburg VRS 28 306; DAR 1965 191). Bei einer am Grenzwert von 1,3 %« liegenden, nach der Widmark-Methode festgestellten BÄK, bestehen aber grundsätzliche Bedenken, allein auf Grund dieser Untersuchung die absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen; im Hinblick auf die zwischen den Untersuchungen nach dem ADH-Verfahren und der Widmark-Methode bestehende Schwankungsbreite ist in diesem Fall i. d. R. von einer nicht wesentlich unter 1,3 %o liegenden BÄK auszugehen (OLG Hamm VRS 41 41). Der früher vom OLG Hamburg (VRS 28 306) vertretenen Ansicht, daß (156)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

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nur in Ausnahmefällen eine Kontrollbestimmung nach dem ADH-Verfahren notwendig sei, kann nach dem BGA-Gutachten nicht zugestimmt werden, weil das Gutachten auf Grund zahlreicher Untersuchungsergebnisse die Meßwerte für am zuverlässigsten hält, wenn Widmark- und ADH-Methode parallel angewendet werden. 3. Eine andere Blutalkoholbestimmungsmethode ist das ADH-Verfahren 59 (Abkürzung f ü r : Alkoholdehydrogenase). Es ist eine biochemisch-fermentative Methode, die darauf beruht, daß die Alkoholdehydrogenase eine wasserstoffübertragende Reaktion katalysiert, durch die Äthanol zu Acetaldehyd dehydriert wird und den alkohol quantitativ erfaßt. Das ADH-Verfahren ist ebenso wie die Widmark-Methode für forensische Zwecke ausreichend spezifisch und, nach den von BGA ausgearbeiteten Richtlinien und Arbeitsanweisungen durchgeführt, ausreichend zuverlässig (BGA-Gutachten S. 146, 152). Die Blutalkoholbestimmung nach dem ADH-Verfahren wird in der Praxis kaum allein ausgeführt, sie dient meist als Kontrollbestimmung des mittels des Widmark-Verfahrens gewonnenen Ergebnisses. Allerdings sind die nach dem ADH-Verfahren ermittelten Werte auch für sich allein geeignet, Rückschlüsse auf die Alkoholbeeinflussung zu ziehen. Da aber auch bei diesem Verfahren eine Streubreite in Frage kommt, wird ebenso wie beim Widmark-Verfahren (vgl. OLG Hamm VRS 41 41) eine an der 1,3 %,-Grenze liegende BÄK nicht als alleinige Grundlage für die Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit herangezogen werden können. 4. Neben dem Widmark-Verfahren und der ADH-Methode gewinnt die Blutal- 60 koholbestimmung nach der gaschromatographischen Methode immer größere Bedeutung. Die Analyse wird bei diesem Verfahren entweder durch direkte Injektion des Untersuchungsmaterials oder nach dem Verfahren der Dampfraumanalyse meistens unter Zusatz eines inneren Standards durchgeführt, (vgl. Jentsch, Zeitschr. anal. Chem. 1968 96; Machata, Blutalkohol 1967 252; 1970 345; Kisser Blutalkohol 1975 204). Die Methode liefert forensisch verwertbare Ergebnisse und ist in ihrer Genauigkeit den anderen Blutalkoholbestimmungsverfahren überlegen (Kisser aaO; Greiner Blutalkohol 1973 263; OLG Hamm Blutalkohol 1975 279). Trotzdem aber rechtfertigt auch dieses Verfahren z. Z. noch nicht, die Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrer unter 1,3 %» anzusetzen (OLG Düsseldorf VRS 45 116; LG Krefeld DAR 1973 102; a. A. Greiner Blutalkohol 1973 236). Die Blutalkoholbestimmung nach dem gaschromatographischen Untersuchungs- 61 verfahren soll in der Neufassung der Verwaltungsvorschriften über die Feststellung von Alkohol im Blut ausdrücklich zugelassen werden, wobei entweder die Untersuchung nach dem Widmark-Verfahren oder einer seiner Modifikationen oder die Untersuchung nach der ADH-Methode durch das gaschromatographische Verfahren ersetzt werden kann, bei dem unter Verwendung automatischer Geräte 2 Untersuchungen genügen (OLG Köln DAR 1976 274; OLG Hamburg Blutalkohol 1976 231; BayObLG VRS 50 351). Die Arbeitsanweisungen des BGA (Anl. 6 b und 6 c des Gutachtens 1966) sind zu beachten. Die Blutalkoholbestimmung nach dem vollautomatisch arbeitenden Gaschromatographen erlaubt es nicht, auf Kontrolluntersuchungen allgemein zu verzichten (OLG Hamburg VRS 51 65). Liegen nur gaschromatisch gewonnene Ergebnisse sind sie verwertbar. 5. Das von der amerikanischen Armee nach Kingsley-Current angewandte Ver- 62 fahren ist als zuverlässig anerkannt (Cramer § 316 StGB Rdn. 19; LG Bamberg VRS (157)

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27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

31 112), in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht gebräuchlich. Die Untersuchungen des Atemalkohols mit dem „Alcolinger Automatic"-Gerät sind wegen der erheblichen Schwankungen forensisch nicht verwertbar (Mebs/GoetzeStelzner/Gerchow, Blutalkohol 1975 315). Auch das Gerät „Breathalyzer" für eine Alkoholbestimmung in der Atemluft hat sich als nicht zuverlässig genug erwiesen (Gutachten des BGA erg. Stellungnahme S. 31). 63

6. Nach dem BGA-Gutachten ist eine dreimalige Untersuchung nach Widmark und eine zweimalige nach ADH forensisch ausreichend (S. 1 4 6 — 1 5 2 ) . Die so gefundenen Werte werden sich i. d. R. unterscheiden (vgl. Rdn. 37 oben). Das BGA-Gutachten (S. 21, 32) führt aus, daß nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei genügend zahlreichen unter gleichen Umständen vorgenommenen Messungen das arithmetische Mittel dem wirklichen Wert am nächsten komme und es mathematisch-logisch unvertretbar sei, statt des Mittelwertes vom niedrigsten Meßwert auszugehen. Diese wissenschaftlich anerkannten Erfahrungssätze sind auch für den Richter verbindlich. Als Blutalkoholgehalt zur Zeit der Blutentnahme ist deshalb der Mittelwert aller 5 Analysen zugrundezulegen (OLG Bremen Blutalkohol 1970 159; OLG Hamburg DAR 1968 334; OLG Hamm NJW 1969 566; BayObLG 1 . 2 . 1 9 7 2 , 2 St. 1 1 / 7 2 ) . Sind nur Untersuchungen nach Widmark vorgenommen worden, so kann auch hier der Mittelwert der 3 Untersuchungen als festgestellte BÄK gelten (vgl. OLG Hamburg VRS 28 3 0 6 ; DAR 1965 1 0 9 6 ) . Der von Cramer (§ 316 Rdn. 21) und Sch.-Schröder-Cramer(§ 315 c Rdn. 9) vertretenen Ansicht, daß nach dem Grundsatz in dubio pro reo vom geringsten Wert auszugehen ist, kann nicht beigetreten werden.

64

Wird die Untersuchung nach Widmark durch die Untersuchung nach dem gaschromatographischen Verfahren ersetzt, liegen nur 2 Werte nach dem ADH-Verfahren und 2 Werte nach dem gaschromatographischen Verfahren, also nur 4 Werte vor. Auch aus diesen 4 Werten kann der Mittelwert zuverlässig ermittelt werden, weil die bei der automatisierten gaschromatographischen Untersuchung gewonnenen beiden Werte einen ebenso hohen Zuverlässigkeitsgrad besitzen wie die 3 Werte nach dem Widmark-Verfahren (BayObLG VRS 50 351).

65

Der Mittelwert des Analysenergebnisses darf aber nur verwendet werden, wenn die Einzelanalysen vom Mittelwert nicht mehr als 10 % abweichen und bei Probemittelwerten unter 1 %o keine Abweichung von mehr als 0,1 %o aufweisen (OLG Bremen VRS 49 105; OLG Hamburg DAR 1975 220; BAG-Gutachten S. 27, 28, 147). Aus diesem Grund sind im tatrichterlichen Urteil die gefundenen Einzelwerte anzugeben (OLG Bremen aaO und Blutalkohol 1975 329 mit krit. Anm. Gerchow). Ein Probemittelwert, bei dem die Streuung 10 % des Mittelwertes bei einer BÄK über 1 %o und eine Streuung von 0,1 %o bei einem niedrigeren Blutalkohol beträgt, darf nicht zur Feststellung der BÄK dienen (OLG Koblenz NJW 1974 1 4 3 3 ) . Nach allgemeiner wissenschaftlicher Erfahrung muß davon ausgegangen werden, daß der außerhalb der allgemein zulässigen Streuungsbreite liegende Wert fehlerhaft ermittelt wurde. Liegen mehr als 5 Untersuchungsergebnisse vor, kann der außerhalb der zulässigen Streuungsbreite liegende Wert unberücksichtigt bleiben, was aber i. d. R. eine Neuberechnung des Mittelwertes erfordert. Bei nur 5 Analysenwerten muß grundsätzlich die gesamte Untersuchung wiederholt werden, es sei denn, auf Grund eines Sachverständigengutachtens kann davon abgesehen werden.

66

Liegt der Mittelwert in der Nähe des Grenzwertes (1,3 bzw. 0,8 %>) müssen alle Einzeluntersuchungen (2 ADH, 3 Widmark bzw. 2 nach gaschromatographischer (158)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

Methode) durchgeführt und im Urteil angeführt sein (OLG Hamburg VRS 36 281; (Variationsbreite); NJW 1976 1161). Beweisanträgen auf Erholung der Einzelwerte ist nachzugehen (OLG Bremen VRS 49 105; OLG Köln Blutalkohol 70 159; 1976 238; OLG Hamm VRS 43 353; OLG Hamburg VRS 28 196; BayObLG DAR 1976 164; OLG Hamburg Blutalkohol 1976 231; OLG Hamm VRS 36 422; NJW 1975 2251; Blutalkohol 1975 279; OLG Koblenz NJW 1974 1433; VRS 47 208). Ein Analysenmittelwert von 1,2975 %> reicht zur Bejahung absoluter Fahruntüchtigkeit nicht aus (OLG Hamm NJW 1975 2251). 7. Die festgestellte BÄK kann nicht damit angefochten werden, sie stehe mit den 67 Einlassungen des Beschuldigten (Angeklagten) in Widerspruch (OLG Saarbrücken VRS 27 395). Einem Beweisantrag, der Angeklagte habe innerhalb eines bestimmten Zeitraumes weniger Alkohol getrunken als dem Ergebnis der Blutprobe entspricht, braucht nicht in jedem Fall stattgegeben zu werden. Er kann jedoch dann nicht abgelehnt werden, wenn z. B. die Möglichkeit eines krankheitsbedingten verzögerten Alkoholabbaues nicht ausgeschlossen werden kann, weil dies für den subjektiven Tatbestand, insbes. das Ausmaß der persönlichen Schuld nicht bedeutungslos ist (BayObLG VRS 32 50 = NJW 1967 312), oder wenn die Möglichkeit besteht, daß die Blutentnahme unsachgemäß (vgl. Gaisbauer NJW 1967 285) durchgeführt wurde (OLG Hamm VRS 25 348). Ein Beweisantrag, die mit der Untersuchung befaßt gewesenen Personen darüber zu vernehmen, daß die Blutprobe verwechselt worden sei, darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, für die Möglichkeit einer solchen Verwechslung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben (BGH VRS 25 426 = DAR 1964 22). Die Höhe der BÄK wird nach allgemeiner Erfahrung durch Benzindämpfe oder Auspuffgase nicht berührt (Gaisbauer NJW 1966 1850 m. weit. Nachweisen). Durch das Öffnen einer Blutprobe zur Feststellung ihres Alkoholgehalts entstehen nur extrem niedrige Abdampfverluste, die den Blutalkoholwert nicht in rechtserheblicher Weise beeinflussen und stets innerhalb der Fehlerbreite der für die Blutalkoholbestimmung gebräuchlichen Methoden bleiben (OLG Hamm Blutalkohol 1972 209). Einem Beweisantrag, das untersuchte Blut sei nicht das des Angeklagten, ist grundsätzlich nachzugehen; er kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, die behauptete Tatsache könne nicht mit einer neuen Blutprobe bewiesen werden (BGH VRS 27 452). Bei behaupteter und nicht schon von vorneherein ausschließbarer Verwechslung der Blutprobe sind die Polizeibeamten, die die Blutprobe beschriftet und versandt haben, sowie Angestellte der Untersuchungsanstalt zu vernehmen (vgl. BGH DAR 1964 22 = VRS 25 426). Wird durch Zeugenaussagen die Behauptung des Angeklagten bestätigt, er habe nur eine bestimmte Menge Alkohol innerhalb eines abgrenzbaren Zeitraums zu sich genommen, kann eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) des Gerichts darin liegen, daß es weitere Nachforschungen zu unternehmen unterläßt, weil durch die Zeugenaussagen allein die Richtigkeit der festgestellten BÄK noch nicht widerlegt ist; so kann durch Krankheit, durch Medikamente, insbes. Barbiturate, der Alkoholabbau verzögert sein. Denkbar ist aber z. B. auch, daß durch eine Wundversorgung mit Alkohol die BÄK beträchtlich angestiegen ist (Gaisbauer NJW 1967 285). 8. Die BÄK zur Tatzeit braucht nicht in allen Fällen errechnet zu werden. Fahr- 68 untüchtig ist nach der Rechtsprechung des BGH (St. 25, 246 = VRS 46 131) auch der Kraftfahrer, der eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer BÄK von 1,3 %o führt. Die dieser Ansicht entgegenstehende frühere Rechtsprechung muß als über(159)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

holt bezeichnet werden. Wird deshalb festgestellt, daß der Kraftfahrer im Zeitpunkt der Blutentnahme eine BÄK von 1,3 %o oder darüber hatte, kann dahingestellt bleiben, wie hoch die Alkoholbeeinflussung zur Zeit der Tat war. 69

Eine RQckrechnung ist jedoch erforderlich: a) Wenn Nachtrunk vorliegt oder geltend gemacht wird, b) wenn der Blutentnahmezeitpunkt mehrere Stunden nach der begangenen Tat liegt, c) wenn die Frage der Schuldfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden muß. Hierbei ist die Resorptionsphase und der Alkoholabbau zu berücksichtigen. Es besteht Einigkeit darüber, daß eine Rückrechnung nur dann sicher durchführbar ist, wenn das Ende der Resorptionsphase feststeht (BGH aaO; BGA-Gutachten S. 5 3 ; Elbel-Knüpling DMedW 1969 2 2 5 9 ; OLG Hamburg VRS 40 358; 41 191).

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Die Resorptionsphase ist keine feste Größe, sondern von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Bei leerem Magen wird der Alkohol dem Blut grundsätzlich schneller zugeführt als bei vollem Magen. Nach dem BGA-Gutachten (S. 60) wird der Gipfel der Alkoholkurve bei längerer Trinkzeit und gleichbleibender Trinkgeschwindigkeit i. d. R. mit dem Trinkende erreicht, kann aber bei kurzer Trinkzeit 45 bis 60 Min., bei erheblichem Bier- oder Weingenuß in besonderen Ausnahmefällen erst 2'A Stunden nach Trinkende erreicht werden. Bei „normalem" Trinkverlauf, von dem solange ausgegangen werden kann, als eine Alkoholbelastung von 0,5 bis höchstens 0,8 g Alkohol pro Kg Körpergewicht innerhalb einer Stunde nicht überschritten wird, kann nach BGH (aaO), der sich auf die Ausführungen der Sachverständigen berief, unter Hinzurechnung eines gewissen Sicherheitszuschlags davon ausgegangen werden, daß maximal 120 Minuten nach Trinkende die Resorptionsphase abgeschlossen ist (ebenso auch Zink-Reinhardt Blutalkohol 1975 100; a. A. noch OLG Hamburg VRS 40 358, das unter Berufung auf ein Gutachten von Spann eine Resorptionsphase von 90 Min. in dem von ihm zu entscheidenden Fall annahm). Der BGH ist deshalb der Ansicht, daß die ersten beiden Stunden nach Trinkende grundsätzlich bei der Rückrechnung (Hochrechnung) nicht berücksichtigt werden dürfen.

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Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Schon der BGH (aaO) wies darauf hin, daß im Einzelfall die Resorptionsphase früher oder später abgeschlossen sein kann. Dies gilt vor allem beim „forcierten" Trinken, das sich durch ein auffalliges Mißverhältnis zwischen Alkoholmenge und Trinkzeit kennzeichnet. Hierzu bedarf es aber grundsätzlich der Beiziehung eines Sachverständigen, dem die erforderlichen Beurteilungsunterlagen (Trinkzeit, Trinkgeschwindigkeit, Art des Getränks, Einnahme von Mahlzeiten, von Medikamenten) zu verschaffen sind (OLG Koblenz VRS 39 202; OLG Karlsruhe GA 1971 215; OLG Hamm VRS 43 110).

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Der mittlere Abbauwert beträgt nach BGH (Rdn. 68) 0,1 %o pro Stunde; er kann im Einzelfall aber nicht unerheblich überschritten werden; so wurde z. B., allerdings bisher nur einmal, ein Alkoholabbau von 0,28 bis 0,29 %> festgestellt (BGH VRS 23 209). Dieser Abbau darf aber nicht verallgemeinert werden, weil in dem damaligen Verfahren die Frage ungeklärt blieb, worauf dieser außergewöhnlich hohe Wert zurückzuführen ist. In einigen wenigen Fällen haben die Untersuchungen von Schleyer-Wichmann (Blutalkohol 1962 238) ergeben, daß eine stündliche Abbauquote von 0,27 %o erreicht werden kann. Diese blieben aber Ausnahmefälle, die nicht dazu zwingen, in jedem Fall von einer so hohen Abbaugeschwindigkeit auszugehen, wenn zu Gunsten des Täters zurückgerechnet werden muß. Der höchstmögliche Abbauwert ist regelmäßig mit 0,22 %o pro Stunde anzunehmen (BayObLG VRS 47 769). Da er aber in Einzelfällen bis zu 0,29 %» betragen kann, (160)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

muß von diesem Satz ausgegangen werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür sprechen, daß bei dem Angeklagten ein so hoher Abbauwert mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht in Frage kommt und diese Berechnung zu einem für den Angeklagten günstigen Ergebnis führt (BayObLG aaO; OLG Hamm MDR 1975 339; OLG Koblenz Blutalkohol 1975 335). Muß zu Gunsten des Angeklagten zurückgerechnet werden, z. B. zur Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, dürfen die beiden ersten Stunden nach Trinkende grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden (BayObLG VRS 47 260), wenn die Resorptionszeit nicht sicher feststeht. Bei der Prüfung der Fahrtüchtigkeit ist in der Regel der niedrigste Abbauwert (0,1 %o) anzusetzen (KG VRS 30 279). Die von der Rechtsprechung verwendeten Mindest- und Höchstabbauwerte schließen i. d. R. eine Benachteiligung des Täters aus (BGH VRS 50 47). Restalkohol jedoch bedarf besonderer Prüfung (BGH aaO). Falls der Tatrichter von den Richtwerten abweichen will, die nach der BGH- 7 3 Entscheidung vom 11. 12. 1973 (BGHSt. 25 246 = VRS 46 131) bei Rückrechnung zugrunde zu legen sind, so muß er sich eines Sachverständigen bedienen (BGH aaO) und im Urteil die maßgeblichen Gesichtspunkte darlegen, um dem Revisionsgericht eine exakte Nachprüfung in rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen (OLG Hamm VRS 47 269). Legt der Tatrichter die Richtwerte des BGH seiner Entscheidung zugrunde, ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn er die Berechnung zumindest in einfach gelagerten Fällen selbst vornimmt (OLG Koblenz Blutalkohol 1973 279). Muß z. B. zur Frage der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) die BÄK für einen in der Resorptionszeit liegenden Zeitpunkt zurückgerechnet werden, ist die Mitwirkung eines Sachverständigen grundsätzlich unerläßlich (BayObLG VRS 47 260; OLG Koblenz Blutalkohol 1975 355; OLG Hamm M D R 1975 339; auch OLG Hamburg VRS 45 43). Hierbei ist bei Rückrechnung nicht nur von dem höchstdenkbaren Abbauwert, sondern auch davon auszugehen, daß die Resorptionsphase zur Tatzeit bereits beendet war (OLG Köln Blutalkohol 1976 239). Im Urteil sind außerdem die Anknüpfungstatsachen anzugeben und darzulegen, ob der Blutalkoholwert für die Zeit der Blutentnahme oder der Trunkenheitsfahrt gilt und welche Werte bei der Rückrechnung zugrunde gelegt wurden (BGHSt. 12 311; OLG Koblenz VRS 49 43 u. a.), sowie welche Einzelbefunde die Blutuntersuchung ergeben hat (OLG Bremen Blutalkohol 1975 329 mit krit. Anm. Gerchow; OLG Karlruhe VRS 53 33; OLG Zweibrücken VRS 51 117). Wurden bei einem Täter zwei Blutproben entnommen, so kann der stündliche 7 4 Abbau nicht sicher aus der Differenz der ermittelten Blutalkoholwerte errechnet werden, weil berücksichtigt werden muß, daß beiden Mittelwerten eine Fehlerbreite bis zu 0,15 %o anhaftet; beide Mittelwerte können somit den ermittelten Wert um 0 , 1 5 % o überschreiten oder unterschreiten (BayObLG 1 0 . 9 . 1 9 7 5 , 1 St. 2 5 1 / 7 5 ) . Die Differenz zwischen beiden Werten kann deshalb nur ein Anhaltspunkt sein, aber nur falls bei der ersten Blutprobe die Resorptionsphase mit Sicherheit abgeschlossen war (Möhl/Rüth § 316 StGB Rdn. 49). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es, wenn Krankheiten behauptet 7 5 werden, die die Resorptionsphase verkürzen oder verlängern können (so schon OLG Saarbrücken VRS 15 391). Im BGA-Gutachten sind auf den Seiten 10 bis 16 eine Reihe von Erkrankungen aufgezählt und die bislang gemachten Erfahrungen dargelegt, inwieweit sie die Resorptionsphase beeinflussen. Leberfunktionsstörungen, Blutverluste, traumatische Hirnschäden sind auf die Abbaugeschwindigkeit i. d. R. ebensowenig von Einfluß wie auf die Resorptionszeit (BGA-Gutachten, erg. (161)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Stellungnahme S. 13, 14, 16). Gleiches gilt für eine Gehirnerschütterung (LSG NRW VRS 14 387). Ungeklärt ist die Beeinflussung des Alkoholumsatzes durch Stoffwechselleiden oder Dysfunktionen des endokrinen Systems. Dem Schlaf kommt für die Rückrechnung in der forensischen Praxis keine praktische Bedeutung zu (Gaisbauer NJW 66 387). 76

Alkoholgewöhnung kann den Abbau ebenfalls nicht beschleunigen. Auch Muskelarbeit, Erhöhung der Körpertemperatur (Fieber), Einwirkungen des Höhenklimas können einen schnelleren Alkoholstoffwechsel in forensisch bedeutsamen Umfang nicht bewirken (BGA-Gutachten, erg. Stellungn. S. 16).

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Eine Beschleunigung des Alkoholabbaus läßt sich experimentell erreichen, z. B. durch Schilddrüsenpräparate oder durch intravenöse Zufuhr von Fruchtzucker, insbesondere Traubenzucker in Verbindung mit Aminosäure. Da die Wirkung aber an die intravenöse Zufuhr verhältnismäßig großer Mengen gebunden ist, kommt diesem Verfahren keine praktische Bedeutung zu. Keines der bisher in Anzeigen oder auf anderen Wegen propagierten „Ernüchterungsmittel" hat bisher der experimentellen Nachprüfung standgehalten. Bemühungen, Kombinationspräparate zu entwickeln, die bei Zufuhr durch den Magen einen beschleunigten Alkoholabbau bewirken, sind bislang erfolglos geblieben (BGA-Gutachten erg. Stellungnahmen S. 19, 20 25). Zur Wirkung von Sangrita und subjektiver Tatbestand: Rdn. 101 unten. Verschiedene Arzneimittel können als Nebenwirkung den Alkoholabbau hemmen, wie z. B. dies bei Sulfonylharnstoff-Präparaten beobachtet worden ist (BGA-Gutachten erg. Stellungnahme S. 20). Andere Medikamente können die Alkoholwirkung verstärken (vgl. Rdn. 38 ff oben).

78

Der Abbauwert des einzelnen Menschen läßt sich durch eine 2. Blutprobe feststellen, falls die Sicherheit besteht, daß die Resorption bei der 1. Blutentnahme abgeschlossen war. Die regelmäßige Entnahme einer zweiten Blutprobe im Abstand von 45 Min. nach der ersten hat aber die nach dem ersten Gutachten des BGA vom Jahre 1955 erhofften Vorteile nicht gebracht. Sie ist dennoch angezeigt, wenn bei der Sistierung Nachtrunk angegeben oder bei der ersten Blutentnahme behauptet wird, daß innerhalb der letztvergangenen Stunde, sei es vor oder nach dem zur Sistierung führenden Vorfall, noch Alkohol genossen worden sei (BGA-Gutachten S. 61, 63). Vielfach wird aber die Ansicht vertreten, daß ein Zwischenraum von 45 Min. zu lang sei, um die Behauptung eines Nachtrunks zu bestätigen oder auszuschließen (vgl. KG DAR 1970 213), der auf Grund der Ausführungen im BGA-Gutachten zuzustimmen ist. Ist der Nachtrunk zu dem Zweck erfolgt, die Feststellung des Blutalkoholgehalts zu erschweren oder zu verhindern, ist es dem Tatrichter nicht verwehrt, von einem geringen Nachtrunk auszugehen (OLG Celle VRS 44 32). Ist ein erheblicher Nachtrunk zwischen Tat und Blutentnahme nicht auszuschließen, sind die anläßlich der Blutentnahme vorgenommenen Teste kein geeignetes Beweismittel (Köln VRS 41 371).

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Für die Rückrechnung ist ein nachträglicher Trinkversuch (sog. Alkotest) ohne Wert (BGH VRS 28 190). Er kann auch nur mit Einwilligung des Angeklagten (Beschuldigten) durchgeführt werden (BGH VRS 29 203). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Antrag auf Durchführung eines Blutalkoholtests stattzugeben (BayVerfGH VersR 1963 935). Die Ergebnisse eines nachträglichen Trinkversuchs können auch zur Feststellung der Alkoholverträglichkeit keine verwertbaren forensischen Ergebnisse bringen, weil die Alkoholtoleranzgrenze des einzelnen erheblichen Schwankungen (162)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

unterliegen kann und deshalb auch für die Feststellung einer relativen Fahruntüchtigkeit zur Tatzeit unbrauchbar sind. Die Resorptionsdauer am Tattag kann auch durch einen Trinkversuch nicht einmal mit einiger Zuverlässigkeit rekonstruiert werden. Eine Alkoholbelastungsprobe durch Trinkversuch ist deshalb auch dafür kein geeignetes Beweismittel, daß der Angeklagte bei einem bestimmten Blutalkohol physisch nicht mehr in der Lage gewesen wäre, ein Kraftfahrzeug zu lenken, und daß die untersuchte Blutprobe, die eine erhebliche BÄK ergeben hat, deshalb nicht von dem Beschuldigten (Angeklagten) stammen könnte, sondern verwechselt worden sein müsse (OLG Oldenburg VRS 46 198). 9. Entnahme einer Blutprobe und andere körperliche Eingriffe, a) Nach §81 a 80 Abs. 1 StPO sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für die Gesundheit des Beschuldigten zu befürchten ist. Eine durch einen Arzt vorgenommene Blutentnahme kann grundsätzlich keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Folge haben. Notwendig ist die Blutentnahme bei begründetem Verdacht, daß der Täter in einem durch Alkoholgenuß bedingten fahruntüchtigen Zustand ein Fahrzeug geführt hat. Grundsätzlich ist für die Anordnung der Blutentnahme der Richter zuständig. Da jedoch die Blutentnahme unverzüglich erfolgen muß, soll der Untersuchungserfolg nicht gefährdet werden, steht die Anordnung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten zu (§ 81 a Abs. 2 StPO). Die Anordnung der Blutentnahme ist gegenüber allen Personen rechtmäßig, 81 gegen die ein begründeter Verdacht besteht, eine Straftat begangen zu haben, also insbesondere ein Fahrzeug in fahruntüchtigem Zustand geführt zu haben. Die Anordnung ist auch im Bußgeldverfahren zulässig (§ 46 Abs. 4 OWiG). Bei Personen, die außerhalb jedes Tatverdachts stehen, wäre die Anordnung und Durchführung ein Willkürakt, unzulässig und unrechtmäßig. Ohne Bedeutung ist allerdings, ob der Verdächtige sich für unschuldig hält oder tatsächlich unschuldig ist (OLG Hamm DAR 1962 131; DAR 1964 221); ausschlaggebend ist, ob die objektiv bekannten Tatsachen die Annahme eines begründeten Tatverdachts rechtfertigen; denn Einzelheiten des Tatgeschehens sind den Ermittlungsbeamten am Tatort oder meist auch noch unmittelbar nach der Tat nicht bekannt. Kann z. B. nicht sofort entschieden werden, wer von beiden Wageninsassen das Fahrzeug geführt hat, macht keiner der beiden hierüber Angaben oder beschuldigt jeder den anderen, so ist die Annahme eines Tatverdachts gegen beide begründet, so daß bei beiden eine Blutentnahme durchgeführt werden kann (vgl. Löwe-Rosenberg-Meyer § 81 a StPO Rdn. 7). Das üblicherweise von der Polizei manchmal vor Entschließung, ob eine Blut- 82 probe durchgeführt werden soll, gestellte Verlangen, der Verdächtige solle in ein Alko-test-Röhrchen blasen, ist nicht erzwingbar (BayObLG VRS 24 283 = DAR 1963 221). Die Nichtverfärbung des Röhrchens ist aber auch kein zwingender Grund, von der Blutprobe abzusehen, da die auf diese Weise gefundenen Ergebnisse nicht zuverlässig sind (BGA-Gutachten, erg. Stellungnahme S. 28; vgl. auch Rdn. 54 bis 56). Die Polizeibeamten (Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft) müssen die Blutent- 8 3 nähme i. d. R. mit ausdrücklichen Worten anordnen, bevor sie Vollziehungsmaßnahmen anordnen. Die wörtliche Ankündigung ist dann entbehrlich, wenn der Wille der Polizeibeamten, eine Blutprobe entnehmen zu lassen, aus den Umständen (163)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

des Einzelfalles ebenso eindeutig zum Ausdruck kam wie eine wörtliche Erklärung. Steht nach dem vorausgegangenen Verhalten des Täters fest, daß er der Aufforderung, zum Zwecke der Blutentnahme zu dem Polizeirevier mitzukommen, freiwillig nicht folgen werde, so brauchen die Polizeibeamten ihm keine weitere Gelegenheit zur freiwilligen Befolgung ihrer Anordnung zu geben; sie dürfen diese vielmehr sofort vollstrecken (OLG Neustadt DAR 1962 243; OLG Oldenburg NJW 1966 1794). 84

Ist jemand eines Trunkenheitsdeliktes gemäß § 316 StGB verdächtig, so sind Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzuge auch berechtigt, die Wohnung des Verdächtigen zu betreten, um sich von seinem Zustand zu überzeugen und ihn gegebenenfalls zwangsweise zu einer Blutentnahme mitzunehmen (OLG Stuttgart Justiz 1971 29; OLG Düsseldorf VRS 41 429). Die zwangsweise Durchführung der Blutentnahme ist schon dann gerechtfertigt, wenn nur ein begründeter Verdacht auf Trunkenheit vorliegt; Art. 13 G G steht dem nicht entgegen (OLG Düsseldorf VRS 41 429; BayObLG NJW 1964 459; OLG Hamm DAR 1964 221; a. A. Franz N J W 1966 1850, der die zwangsweise Verbringung zur Blutentnahme für verfassungswidrig hält). Eine Freiheitsbeschränkung zur Sicherung der Entnahme einer Blutprobe ist als „Festnahme" i. S. des Art. 46 Abs. 2 G G anzusehen (OLG Oldenburg NJW 1966 1794; OLG Bremen NJW 1966 743; vgl. LöweRosenberg-Meyer § 81 a Rdn. 60, 61). Der Verdächtige braucht nicht unmittelbar einem Arzt vorgeführt zu werden; die zwangsweise Verbringung zur Polizeiwache durch Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls auch dann rechtmäßig, wenn sie erfolgt, um die Blutprobe durch einen herbeizurufenden Arzt vornehmen zu lassen (OLG Köln NJW 1966 417). Allerdings sind die Polizeibeamten nicht berechtigt, einen Verdächtigen in eine Zelle zu sperren (OLG Hamburg VRS 28 196), es sei denn, dies ist aus Gründen der Sicherheit erforderlich (z. B. Verdächtiger randaliert, beschädigt Sachen oder greift die Polizeibeamten an).

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Die Festnahme eines Tatverdächtigen und Verbringung zur Polizeiwache oder (und) zum Krankenhaus zwecks Überprüfung des Blutalkoholgehalts ist stets dann zulässig, wenn diese Vorbeugungsmaßnahme zur Beweissicherung notwendig und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angemessen ist (OLG Bremen NJW 1966 743).

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Die Immunität der Abgeordneten steht der Sistierung und der Blutentnahme ohne vorausgegangene Genehmigung des Bundestages bei einem auf frischer Tat (Trunkenheit am Steuer) betroffenen Bundestagsabgeordneten nicht entgegen (Bremen aaO). Wird eine „Festnahme" i. S. des § 81 a StPO schon vor Entnahme der Blutprobe wieder aufgehoben, nachdem sich der Beschuldigte als Abgeordneter ausgewiesen hat, so bleibt die Strafverfolgung trotzdem auch weiterhin ohne Genehmigung des Parlaments zulässig (OLG Oldenburg NJW 1966 1764). Gleiches gilt für Abgeordnete der Länderparlamente (Nau NJW 1958 1670; Reh NJW 1959 87). Bei Exterritorialen ist die Entnahme einer Blutprobe unzulässig.

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b) Zur Durchführung einer Blutentnahme ist nur ein approbierter Arzt berechtigt (OLG Hamm DAR 1964 221). Die frühere Streitfrage, ob die von einem Medizinalassistenten unberechtigt durchgeführte Blutentnahme verwertbar ist, ist zwar insofern gegenstandslos, als es seit dem 1. 10.1972 (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 BÄO) keine Medizinalassistenten mehr gibt. Da aber Blutentnahmen von nicht approbierten Ärzten (z. B. Medizinstudenten, ausgebildeten Krankenschwestern) vorgenommen werden können, sind die zur früheren Streitfrage entwickelten Grundsätze nach wie vor von Bedeutung, die allgemein auf Blutentnahmen durch Nichtärzte übertragen wer(164)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

den können (Händel Blutalkohol 1972 230). Ohne Einwilligung des Verdächtigen ist eine Krankenschwester oder ein Medizinstudent (Praktikant) zur Entnahme einer Blutprobe nur befugt, wenn sie dabei unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung eines hauptamtlich tätigen approbierten Arztes handeln (BayObLG DAR 1965 105 = NJW 1965 1088). Eine ohne Einwilligung des Beschuldigten ohne diese Voraussetzung durch einen Nichtarzt entnommene Blutprobe ist zwar fehlerhaft gewonnen; sie ist aber als Beweismittel jedenfalls dann verwertbar, wenn zum Zwecke ihrer Gewinnung nicht Mittel angewendet wurden, die nach § 136 a StPO bei einer Vernehmung verboten sind (BayObLG DAR 1966 102 = NJW 1966 415; OLG Hamm VerkMitt. 1971 61). Die Ansicht (OLG Hamm DAR 1964 221 = VRS 26 435; NJW 1965 2019; LAG 88 Frankfurt NJW 1965 1024), daß eine von einem Nichtarzt gegen den Willen des Beschuldigten durchgeführte Blutentnahme in jedem Fall dem Verwertungsverbot des § 136 a StPO verfällt (Schellhammer NJW 1972 319), kann nicht geteilt werden, weil § 136 a StPO grundsätzlich nur für Vernehmungen gilt und ihre entsprechende Anwendung auf eine gesetzwidrig erlangte Blutprobe sich verbietet (BGH DAR 1971 161 = NJW 1971 1097, Anm. Wedemeyer NJW 1971 1902; Kleinknecht NJW 1964 2181; a. A. Schellhammer aaO). Da die durch den nichtapprobierten Arzt vorgenommene Blutentnahme auch gesetzmäßig durch einen Arzt hätte durchgeführt werden können, liegt in der Verwertung eines so gewonnenen Blutalkoholwertes weder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, noch gegen ein sonst nach dem Grundgesetz immanentes Rechtsstaatsprinzip, wenn der Beschuldigte a) in die Blutentnahme eingewilligt hat und durch ein Organ der Strafverfolgungsbehörde über die Berechtigung der das Blut entnehmenden Person nicht getäuscht wurde, wobei bloßes Verschweigen der fehlenden Approbation durch die Polizeibeamten für sich allein kein so schwerer Verstoß ist, daß die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes gerechtfertigt wäre (OLG Bremen 36 180; OLG Hamm NJW 1970 528); b) in die Blutentnahme zwar nicht eingewilligt hat, diese von dem Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft gegen den Willen des Beschuldigten durch Anwendung oder Androhung von Gewalt erzwungen wurde, der Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft aber oder alle Beteiligte den Studenten oder die Schwester für einen Arzt bzw. Ärztin gehalten haben (BGH DAR 1971 161 = NJW 1971 1097, Anm. Wedemeyer NJW 1971 1902; OLG Hamm VRS 38 127 = DAR 1969 276; NJW 1965 1089 = DAR 1965 118; OLG Köln NJW 1966 416; Händel Blutalkohol 1972 230; a. A. Schellhammer NJW 1972 319). Die Verwertbarkeit einer durch einen Studenten oder eine Schwester entnomme- 89 nen Blutprobe ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich der Beschuldigte bei der Entnahme in einem durch den Unfall ausgelösten Schockzustand befand, sofern dieser Zustand nicht bewußt dazu ausgenutzt wurde, um die Entnahme durch einen nicht approbierten Arzt durchführen zu können (BayObLG NJW 1966 415 = DAR 1966 102). Daß die Entnahme der Blutprobe durch einen Polizeibeamten angeordnet wurde, der nicht Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ist (oder damals war), führt nicht zur Unverwertbarkeit (BayObLG aaO). Die Blutprobe ist jedoch dann als Beweismittel unverwertbar, wenn sie mit unzulässigen prozessualen Mitteln genommen wurde, z. B. wenn der Polizeibeamte in Kenntnis der Tatsache, daß nicht ein Arzt, sondern ein nicht approbierter Arzt das Blut entnehmen werde, Gewalt anwandte oder den Beschuldigten über die Person des die Blutprobe Entnehmenden getäuscht hat (BayObLG Blutalkohol 1971 67). (165)

§316 90

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Der Arzt, der die Blutprobe entnommen hat, kann auch hinsichtlich der allgemeinen Beobachtungen und Testergebnisse, die er anläßlich der Blutprobenentnahme gemacht hat, als Zeuge vernommen werden (KG VRS 31 273; OLG Hamm NJW 1967 1524), auch wenn der Beschuldigte nicht darüber belehrt worden war, zu einer aktiven Mitwirkung bei den Testuntersuchungen nicht verpflichtet zu sein (Hamm aaO). Soweit die Bekundungen der Untersuchungsperson von ihrem persönlichen Eindruck bestimmt sind, ist ihnen mit gewisser Zurückhaltung zu begegnen. (Sachkunde eines Medizinalassistenten: OLG Hamm Blutalkohol 1970 255). Das Gutachten eines Universitätsinstituts für Gerichtliche Medizin kann in der Hauptverhandlung verlesen werden, nicht jedoch das Gutachten einer nicht öffentlichen Behörde (§ 256 StPO; OLG Köln VRS 27 215; OLG Hamm VRS 27 214).

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V. 1. Der subjektive Tatbestand des Absatz 1 setzt Vorsatz voraus; nach Absatz 2 genügt zur Strafbarkeit jedoch auch fahrlässiges Handeln. Für beide Begehungsformen ist der gesetzliche Strafrahmen gleich. Bei der Strafbemessung wird es jedoch grundsätzlich von erheblicher Bedeutung sein, ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Nicht zuletzt kann von der Prüfung dieser Frage auch die Entscheidung abhängen, ob Geld- oder Freiheitsstrafe auszusprechen ist oder ob Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt werden kann. Hat der Tatrichter nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden, wird i. d. R. ein Rechtsmittel auf die Strafzumessungsfrage nicht wirksam beschränkt werden können (Cramer Rdn. 34), weil das Ausmaß des Verschuldens nicht festgestellt werden kann, es sei denn, das Verschulden kann eindeutig und ohne jeden möglichen Zweifel der Gesamtheit der Urteilsbegründung entnommen werden. Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Täters müssen sich sowohl auf die Führung eines Fahrzeugs wie auch auf die durch den Alkoholgenuß oder durch andere berauschende Mittel bedingte Fahruntüchtigkeit beziehen.

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Hinsichtlich der Führung eines Fahrzeugs ist tatbestandsmäßig fahrlässiges Handeln nicht denkbar, weil Führung eines Fahrzeugs ein bewußtes und gewolltes Einwirken auf den Bewegungsvorgang des Fahrzeugs voraussetzt (Cramer Rdn. 36; BayObLG DAR 1970 331). Wer auf einer Gefällstrecke aus Unachtsamkeit die Handbremse löst oder den Gangschalthebel eines Kfz's in Leerlaufstellung bringt wodurch sich das Fahrzeug ungewollt in Bewegung setzt, führt noch kein Fahrzeug, vielmehr erst dann, wenn er die Fortbewegung des Fahrzeugs durch eigene Tätigkeit beeinflußt. Fahrlässige Fahrzeugführung scheidet also auch in diesem Fall aus.

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Theoretisch nicht auszuschließen ist eine nur fahrlässige Fahrzeugführung jedoch in den Fällen, in denen der Täter sich über das Tatbestandsmerkmal der „Führung eines Fahrzeugs" irrt, er sich also in einem Tatbestandsirrtum befindet, der den Vorsatz ausschließt. Es kommen insofern nur die in der Praxis selteneren Fälle in Betracht in denen der Täter irrtümlich das von ihm geführte oder mitgeführte Fahrgerät nicht in den Begriff der Fahrzeuge einordnet, oder die entfaltete Tätigkeit nicht als Führung eines Fahrzeugs wertet. I. d. R. wird dieser Kenntnismangel (Irrtum) vom Täter fahrlässig selbst verschuldet sein, so daß eine fahrlässige Fahrzeugführung anzunehmen ist, obwohl der Täter den Bewegungsablauf final beherrscht.

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Irrt der Täter sich über den Begriff des Kraftfahrzeugs, meint er, er führe nur ein nichtmotorisches Fahrzeug, so ist dieser Irrtum unbeachtlich, weil § 316 unterschiedslos auf alle Fahrzeugarten anwendbar ist. Für die Strafzumessung kann er jedoch von Einfluß sein. Weiß der Täter, daß er nicht unerhebliche Mengen Alkohol getrunken hat, nimmt er auch an, seine BÄK übersteige die 1,3 %>-Grenze, er (166)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

dürfe aber dieses von ihm als Nichtkraftfahrzeug eingeordnete Fortbewegungsmittel noch führen, weil die absolute Fahrtüchtigkeitsgrenze hierfür nicht gelte, so handelt er nicht in einem Tatbestandsirrtum, wenn das geführte Fahrzeug tatsächlich ein Kraftfahrzeug ist. Er irrt in diesem Fall vielmehr über das Verbotensein seiner Handlung. Ein insoweit vorliegender Verbotsirrtum ist jedoch grundsätzlich vermeidbar. 2. Vorsätzliches Handeln i. S. des § 316 Abs. 1 setzt außerdem voraus, daß der 95 Fahrzeugführer seine durch Alkoholgenuß oder andere berauschende Mittel bedingte Fahruntüchtigkeit kennt, oder sie bei Ausführung der Fahrt billigend in Kauf (bedingter Vorsatz) nimmt (OLG Hamm VRS 37 198; OLG Karlsruhe NJW 1965 361). Weiß der Täter, daß seine BÄK 1,3 %> übersteigt und führt er trotzdem ein Kraftfahrzeug, ist Vorsatz anzunehmen. Nimmt er eine so hohe BÄK bei Ausführung der Fahrt in Kauf, liegt bedingter Vorsatz vor. Jeder Kraftfahrer hat sich vor Antritt der Fahrt und auch noch während der Fahrt auf Grund aller ihm bekannten Umstände gewissenhaft zu prüfen, ob er fahrtüchtig oder wegen seines vorherigen Alkoholgenusses möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen (OLG Hamm VRS 40 447). Kommt er während der Fahrt zu der Erkenntnis, fahruntüchtig zu sein und setzt er trotzdem die Fahrt fort, handelt der Täter, der die Fahrt fahrlässig angetreten hat, bei der Weiterfahrt vorsätzlich (es ist nur eine vorsätzliche Tat anzunehmen). Ein hoher Blutalkoholgehalt allein genügt nicht zur Feststellung des Vorsatzes, weil der Täter zwar eine alkoholbedingte Enthemmung im allgemeinen erfassen kann (vgl. OLG Celle VerkMitt.) 63 87 Nr. 136), anderseits aber der Alkoholeinfluß zu einer gewissen Kritiklosigkeit führt (OLG Hamm JMB1NRW 1970 11; 37 198 = DAR 1969 302; VRS 37 367; VRS 39 345 = DAR 1970 329; VRS 40 360 = DAR 1971 190; OLG Saarbrücken NJW 1971 1904). In vielen Fällen allerdings kann bei einem hohen Blutalkoholwert davon ausgegangen werden, daß die Einwirkungen des Alkohols für den Täter so unübersehbar waren, daß er seine Fahruntüchtigkeit entweder für möglich hält, sie in Kauf nimmt oder sie klar erkennt (OLG Düsseldorf VerkMit. 1974 60). Es kommt aber stets auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf den Grad der Intelligenz und Selbstkritik des Fahrzeugführers an (OLG Hamm VRS 37 367; 39 345; 40 360; 44 440; 48 275; 54 44; NJW 1975 660; Blutalkohol 1976 295). Dies gilt vor allem für den Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit. Einen allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz, daß ein Kraftfahrzeugführer bei einem hohen Blutalkoholgehalt (über 2,25 %o) seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit erkennt und deshalb vorsätzlich handelt, gibt es nicht (OLG Hamm NJW 1969 1587; 40 360 = DAR 1971 190; a. A. noch Hamm JMB1NRW 1964 42, das meinte, ein Kraftfahrer könne bei einer BÄK von 1,9 %> jedenfalls in der Resorptionsphase seine Fahruntüchtigkeit erkennen). Trinkt ein alkoholbeeinflußter Kraftfahrer, nachdem er seine Fahruntüchtigkeit erkannt hat, in erheblichem Maß weiter Alkohol, so kann, wenn er sich sodann mit 2,8 %o an das Steuer setzt, aus der Tatsache, daß er seine Fahruntüchtigkeit geraume Zeit vorher erkannt hatte, nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß er sich bei Antritt der Fahrt seiner Fahruntüchtigkeit noch bewußt gewesen war (OLG Hamm VRS 33 436). Dies gilt auch dann, wenn der Täter nach Erkennen seiner Fahruntüchtigkeit etwa eine Stunde später ein Kraftfahrzeug führt, obwohl sich in der Zwischenzeit der Alkoholkonsum nur noch ganz unbeträchtlich erhöht hat (BGH VRS 37 365). Die Tatsache, daß der Täter mit seinem Wagen mehrere Lokale aufgesucht und dort Alkohol getrunken hat, reicht für sich allein noch nicht zur Annahme vorsätzlichen Handelns aus (OLG Hamm VRS 37 447). (167)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

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Bei Einnahme von berauschenden Mitteln oder gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten und Alkohol hat der Täter die gleichen Überlegungen wie nach Alkoholgenuß anzustellen. Die Tatsache, daß einem Medikament vom Hersteller oder von einem Arzt eine möglicherweise die Fahrtüchtigkeit beeinflussende Wirkung beigemessen ist und der Täter dies weiß, läßt nicht in jedem Fall auf Vorsatz schließen, wenn der Täter meint, bei ihm habe die eingenommene Arznei nicht die befürchtete Wirkung. Kennt der Täter jedoch die berauschende Wirkung, hat er sie vor allem aus eigener Erfahrung bei sich bemerkt, oder ist die Rauschwirkung des berauschenden Mittels bei jedermann gleich und unabhängig von der körperlichen Konstitution, wird grundsätzlich Vorsatz zu bejahen sein. In der Phase der abklingenden Wirkung des Rauschmittels wird es auf alle Einzelumstände ankommen, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln in Frage kommt. 97 3. Den Tatbestand des § 316 erfüllt fahrlässig, wer Alkohol oder andere berauschende Mittel in einer Menge zu sich nimmt, die absolute oder relative Fahruntüchtigkeit zur Folge hat, in diesem Zustand ein Fahrzeug führt und die Möglichkeit außer acht gelassen hat, fahruntüchtig geworden zu sein (OLG Hamburg VerkMitt. 1970 23 Nr. 3). Jeder Kraftfahrer hat nach Alkoholgenuß die Pflicht, sich selbst gewissenhaft zu beobachten und zu prüfen, ob er noch ein Fahrzeug sicher zu führen vermag (BGH DAR 1952 43; OLG Saarbrücken VRS 25 374; OLG Hamm VRS 40 447). Er hat auch zu bedenken, daß schon geringer Alkoholgenuß die Fahrsicherheit beeinträchtigen kann (OLG Hamburg Blutalkohol 1971 71; OLG Hamm DAR 1970 192; OLG Frankfurt NJW 1953 597 = DAR 1953 244), da die Fahruntüchtigkeit nicht generell erst jenseits der 1,3 %o-Grenze beginnt, sondern je nach körperlicher und geistiger Veranlagung schon bei einer wesentlich darunter liegenden BÄK eintreten kann. Wer allerdings Alkoholmengen trinkt, die eine BÄK von etwa 1,3 %o oder darüber herbeiführen, muß im allgemeinen mit Fahruntüchtigkeit rechnen, ohne daß es noch auf die Kenntnis der eventuell die Alkoholwirkung verschlimmernden körperlichen Indisposition ankommt, weil diese nur eine Einzelheit des Kausalverlaufs ist, die von der Schuld nicht mitumfaßt zu werden braucht (BayObLG NJW 1969 1583 = VRS 38 112). Selbst von einem angetrunkenen Kraftfahrer, dessen Schuldfähigkeit erheblich vermindert, aber nicht ausgeschlossen ist, muß trotz seiner Enthemmung erwartet werden, daß er seinen Zustand erkennen kann und vom Fahren Abstand nimmt (OLG Hamm DAR 1959 324; OLG Celle VerkMitt. 1963 87 Nr. 136; OLG Frankfurt VRS 29 476); denn von einem bestimmten Blutalkoholgehalt an ist jeder allein schon auf Grund der von ihm selbst feststellbaren Auswirkungen des genossenen Alkohols in der Lage, bei gewissenhafter Prüfung seine Fahruntüchtigkeit zu erkennen (OLG Hamburg Blutalkohol 1971 71). 98 Der Fahrlässigkeitsvorwurf setzt aber nicht nur voraus, daß der Täter bei pflichtgemäßer Überlegung das Unerlaubte seines Tuns hätte erkennen müssen (können), sondern auch, daß der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten diese Überlegung anstellen und das Unerlaubte seines Tuns erkennen konnte (OLG Oldenburg VRS 29 264; OLG Hamm VRS 37 367; 40 360; 44 440; 48 275; NJW 1975 660). 99 Die Schuld kann bei den auf Trunkenheit beruhenden Verkehrsdelikten i. d. R. nicht darin gesehen werden, daß der Täter nicht aus äußeren Trunkenheitssymptomen auf seine Verkehrsuntauglichkeit (Fahruntauglichkeit) geschlossen hat, sondern allein darin, daß er in Kenntnis des genossenen Alkohols ein Fahrzeug geführt hat (OLG Saarbrücken NJW 1963 1685 = VRS 25 374). Ein Kraftfahrer ist verpflichtet, sich bei dem Genuß ihm unbekannter Getränke zu vergewissern, ob sie (168)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

Alkohol enthalten; es ist schwer vorstellbar, daß ein erwachsener Mann den konzentrierten Alkoholgeschmack von Melissengeist nicht schon beim ersten Schluck verspürt (OLG Hamm Blutalkohol 1970 153). Auch Weinbrandbohnen können zu einer Alkoholbeeinflussung führen (OLG Hamburg VerkMitt. 1965 51 Nr. 78). Hat ein Täter durch vorangegangenen Biergenuß 1 %o BÄK erreicht und trinkt er noch eine halbe Flasche Bier, der andere, vom Täter unbemerkt, 3 bis 4 Glas Schnaps beigemischt haben, so kann das Verschulden des Täters grundsätzlich nicht allein schon darin erblickt werden, daß er sich durch den vorangegangenen Alkoholgenuß schuldhaft seines Geschmacks- und Geruchssinnes beraubt hatte (Hamm VRS 34 128), weil es keinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, daß z. B. jeder Biertrinker, dem unbemerkt größere Mengen Schnaps ins Bier gegossen wurden, die Schnapsbeimengung schon an der Veränderung des Geschmacks erkennt, so daß seine BÄK auf 1,6 bis 1,7 %o steigt und er seine Fahruntüchtigkeit stets an den aufkommenden Trunkenheitssymptomen erkennt (BayObLG 10. 7. 73, 2 St. 66/73; OLG Hamburg VerkMitt. 1973 69). Fallen bei einem alkoholbeeinflußten Kraftfahrer äußerliche Trunkenheitssymptome weg, so ist es grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter Fahrlässigkeit mit der Begründung verneint, die eine absolute Fahruntüchtigkeit herbeiführende Alkoholmenge habe der Kraftfahrer unbewußt getrunken, sich auf Fahrtüchtigkeit geprüft und diese verkannt (OLG Hamm NJW 1965 119). Wer jedoch ein Kraftfahrzeug mit 2,15 %o geführt hat, handelt auch dann schuldhaft, wenn ihm ohne sein Wissen Alkohol im Werte von 0,75 %> zugeführt worden war (OLG Hamm DAR 1960 84); nicht anders ist es zu beurteilen, wenn der Täter Alkohol nur zu einer BÄK von 0,8 %o getrunken hat und schließlich durch von ihm selbst nicht bemerkte Beigaben von Schnaps schließlich eine BÄK von 2 % erreicht (Hamburg VerkMitt. 66 61), weil eine so erhebliche Alkoholbeeinflussung nicht verborgen bleiben kann (OLG Celle VerkMitt. 1963 87 Nr. 136 OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 158). Hat ein Kraftfahrer nur alkoholfreie Getränke zu sich genommen, denen von ihm unbemerkt hochprozentige Alkoholika beigemengt wurden, die schließlich zu einer BÄK von 1,42 führten, hätte er bei sorgfältiger Sachprüfung seine Angetrunkenheit und damit auch seine Fahruntüchtigkeit erkennen können (OLG Hamm VRS 48 100). Nach Koblenz soll ein Kraftfahrer mit einer BÄK von 1,66 %> allein auf Grund der von ihm selbst festgestellten Auswirkungen des genossenen Alkohols in der Lage sein, seine Fahruntüchtigkeit zu erkennen, auch wenn er einen Teil des Alkohols, der eine BÄK von 0,86 %o ausmacht, unbemerkt zu sich genommen hat (DAR 1973 106). Andererseits bedarf die Feststellung, der Täter hätte seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit erkennen können und müssen, dann einer besonderen Fachkenntnis, wenn er während des Trinkens nicht bemerkt hat, daß ihm Schnaps oder ähnliches zugegossen wurde, er schließlich eine BÄK von 2,47 %o erreicht hat, die bei ihm auftretende Übelkeit aber nicht auf den Alkohol, sondern auf Krankheit und Tablettengenuß zurückzuführen ist (OLG Hamm DAR 1973 23; vgl. OLG Hamburg VRS 54 438; OLG Köln Blutalkohol 1978 302. Die Kenntnis der Wirkung des Restalkohols war früher nicht allgemein bekannt. 100 Indessen gehört es zum Allgemeinwissen, daß der Alkohol im menschlichen Körper verhältnismäßig langsam abgebaut wird. Mit den gefährlichen Auswirkungen des Restalkohols muß sich jeder insbesondere jeder Kraftfahrer vertraut machen (OLG Hamm DAR 1970 192; Blutalkohol 1965/66 243). So müssen sich einem Kraftfahrer nach erheblichen Alkoholgenuß Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit aufdrängen, wenn er sich seines nur kurzen Schlafs nach vorangegangenem erheblichem Alkoholgenuß bewußt ist (OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 243; KG VRS 33 265). Ein (169)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Kraftfahrer, dessen BÄK schließlich über 3 %o lag, der sich dann etwa 7 Stunden später nach fünfstündigem Schlaf wieder für fahrtüchtig hält, setzt sich fahrlässig über die Bedenken hinweg, die sich ihm hinsichtlich seiner Fahrtüchtigkeit aufdrängen mußten (OLG Hamm Blutalkohol 1972 79). Aber auch schon bei geringer Alkoholbeeinflussung handelt der Täter fahrlässig, wenn er nach 5stündigem Schlaf und noch vorhandener BÄK von 1,5 %> den noch nicht abgebauten Restalkohol und seine hierauf zurückzuführende Fahruntüchtigkeit nicht bedenkt und ein Kraftfahrzeug führt (KG VRS 33 265). Fahrlässig handelt grundsätzlich auch ein Kraftfahrer, der 10 Vi Stunden oder sogar 14 Stunden nach erheblichem Alkoholgenuß (etwa 3 %> BÄK) ein Kraftfahrzeug führt (OLG Saarbrücken DAR 1963 21; OLG Hamm D A R 1970 192). Es ist nicht ausgeschlossen, daß in Einzelfällen der Restalkohol noch nach 18 Stunden nachwirkt. Abgesehen davon, daß eine solche Möglichkeit die Zuziehung eines Sachverständigen erfordert, bedarf der subjektive Tatbestand in diesem Fall besonders sorgfältiger Prüfung (BGH VRS 34 360). 101

Erniichterungsmittel, die den Alkoholabbau beschleunigen, sind wissenschaftlich nicht bekannt. Keines der bisher in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen und angepriesenen Mittel hat einer wissenschaftlich experimentellen Nachprüfung standgehalten (BGA-Gutachten erg. Stellungnahme S. 19, 25; vgl. Rdn. 77). Gleichzeitiges Einnehmen von Sangrita und Alkohol allerdings setzt die objektiven und subjektiven Wirkungen des Alkohols herab ( L u f f ZVerkSich 1970 53); da die Gründe hierfür aber noch nicht bekannt sind, kann auch bei Wirkungslosigkeit, mit der gerechnet werden muß, sich niemand darauf berufen, er habe sich auf die geringere Alkoholbeeinflussung verlassen (Schlichting Blutalkohol 1970 354), oder er habe auf das Ernüchterungsmittel und den schnellen Alkoholabbau vertraut.

102

Verkennt ein Ausländer, in dessen Heimat die Wirkungen des Alkohols auf die Fahrtüchtigkeit nicht so allgemein bekannt sind wie in der Bundesrepublik Deutschland, seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, so entschuldigt ihn dies nicht, da er sich vor seiner Teilnahme als Kraftfahrer am öffentlichen Straßenverkehr über die Besonderheiten der hierzulande geltenden Verkehrsvorschriften unterrichten muß OLG Hamm DAR 1963 255 = VkBl. 1964 36 = Blutalkohol 1963/64 235).

103

Steuert ein infolge Alkoholgenusses (1,75 %o BÄK) Fahruntüchtiger ein Kraftfahrzeug in der irrigen Annahme eines Notstandes, so kann die Vermeidbarkeit dieses Irrtums (Putativnotstand, vgl. dazu Baldus LK 9 § 54 Rdn. 21) nicht schon daraus hergeleitet werden, daß der Täter durch den Alkoholgenuß seine Fähigkeit zu sachgemäßen Überlegungen selbst herabgesetzt hat (OLG Hamm VRS 14 431 = NJW 1958 271; VRS 20 232; OLG Oldenburg VRS 29 264).

104

Grundsätzlich ist von jedem Fahrzeugführer zu erwarten, daß er vor der Einnahme eines Medikamentes prüft, ob es die Wirkung des Alkohols erheblich verstärken kann, oder ob das Medikament u. U. als berauschendes Mittel zu werten ist. Wer die Wirkung eines Medikamentes nicht kennt, muß die Gebrauchsanweisung lesen oder sich anderweitig Gewißheit über dessen Wirkung verschaffen (Händel NJW 1965 1999; Blutalkohol 1969 201; OLG Frankfurt VerkMitt. 1976 14). Befand sich auf dem der Verpackung beigegebenen Zettel ein Hinweis darauf, daß durch das Medikament die Wirkung des Alkohols verstärkt werde und zur Fahruntüchtigkeit führen könne, kann sich der Täter grundsätzlich nicht wirksam darauf berufen, er habe die durch die Einnahme des Medikaments erfolgte erheblich intensivere Einwirkung des Alkohols nicht gekannt (OLG Hamm VRS 47 257). Besitzt der Täter keine Gebrauchsanweisung und hat er die Wirkung des Medikamentes von (170)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

einem Arzt nicht erläutert erhalten, darf er Alkohol nach Medikamenteneinnahme nicht zu sich nehmen (KG VRS 19 111). Der Ansicht, daß die Vergewisserungspflicht ohne Einschränkung zu bejahen ist (so OLG Braunschweig DAR 1964 170 und Händel in Blutalkohol 1969 201), kann nicht in vollem Umfang zugestimmt werden. Es wird insbesondere auf die Art des Medikaments und auf den Bildungsgrad des Täters ankommen (OLG Hamm Blutalkohol 1974 214). Wer zur Beruhigung ihm unbekannte Tabletten (z. B. Valium) einnimmt, muß damit rechnen, daß diese in Verbindung mit dem Alkoholgenuß schädliche Wirkungen haben können; ein Kraftfahrer muß unter diesen Umständen grundsätzlich den Alkoholgenuß meiden (OLG Hamm VRS 42 281). Wer blindlings eine Menge ihm unbekannter Tabletten (z. B. Distraneurin) einnimmt, kann und muß grundsätzlich damit rechnen, daß sie auch eine berauschende Wirkung haben können (OLG Hamburg Blutalkohol 1975 211). Uneingeschränkte Vergewisserungspflicht wurde bejaht bei einem Arzt (OLG OLdenburg DAR 1963 304), einem Rechtsanwalt (OLG Köln VRS 32 349 = JZ 1967 183) sowie auch bei einem Journalisten (OLG Frankfurt DAR 1970 162). Wer im Krankenhaus in stationärer oder beim Arzt in ambulanter Behandlung ist und von dem behandelnden Arzt ein Medikament verabreicht bekommt, kann im allgemeinen darauf vertrauen, daß er auf die Wirkungsweise der Medikamente aufmerksam gemacht wird (OLG Stuttgart DAR 1965 135 = VRS 29 36 = NJW 1966 410 m. Anm. Gaisbauer). Bei einem Blutalkoholgehalt von 2 %>, der zu einer verminderten Zurechnungsfähigkeit führen kann, kommt es auf die zusätzliche Einwirkung eines Medikaments jedoch nicht an (OLG Frankfurt VRS 29 476). Nach wissenschaftlich begründeter Erfahrung ist es ausgeschlossen, daß der Täter durch Einnahme von Medikamenten und nachfolgendem geringen Alkoholgenuß in einen die Schuldfähigkeit ausschließenden Vergiftungszustand gerät und dann schuldlos weiter Alkohol zu sich nimmt, der eine BÄK von 2 %o und den Eintritt der Fahruntüchtigkeit zur Folge hat (OLG Hamm VRS 32 278; OLG Hamburg DAR 1965 27), weil das Zusammenwirken von Alkohol und Medikamenten i. d. R. „explosionsartig zu einem Zusammenbruch: Bewußtlosigkeit, Taumeln, danach stundenlangem Schlaf führt (Gaisbauer NJW 1967 1504; Osterhaus Blutalkohol 1963/64 395; OLG Hamburg VRS 28 62; OLG Frankfurt VRS 29 476; DAR 1970 162). Wird ein alkoholhaltiges Medikament über Stunden hinweg schluckweise eingenommen, braucht der Täter das Ansteigen der BÄK nicht unbedingt zu bemerken, wenn der starke Alkoholgehalt des Medikaments ihm unbekannt war (OLG Hamm VerkMitt. 1969 18). Ein unter Alkoholeinfluß stehender Kraftfahrer kann möglicherweise schon 105 dadurch gegen seine Verkehrspflichten verstoßen, daß er einen angetrunkenen Fahrgast mitnimmt und neben sich Platz nehmen läßt; denn es ist voraussehbar, daß der Angetrunkene den Fahrer behindert oder stört. Hierbei muß der selbst nicht mehr nüchterne Kraftfahrer in Rechnung stellen, daß seine eigene Reaktionsfähigkeit durch die Alkoholbeeinflussung herabgesetzt ist (OLG Hamm VRS 48 200). Abgesehen davon, daß ein infolge Alkoholgenusses fahruntüchtiger Kraftfahrer am öffentlichen Straßenverkehr nicht teilnehmen darf, handelt er grob fahrlässig insbesondere dann, wenn er eine hohe Geschwindigkeit einhält (OLG Koblenz VRS 46 40). 4. Schuldunfähigkeit und actio libera in causa: a) Durch den Genuß alkoholi- 106 scher Getränke oder anderer berauschender Mittel kann der Täter in einen die Schuldunfähigkeit ausschließenden Rauschzustand geraten (§ 20 StGB). Hat der (171)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Täter sich vorsätzlich oder fahrlässig durch die genannten Mittel in den die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und begeht er in diesem Zustand eine mit Strafe bedrohte Handlung, kann er wegen Volltrunkenheit nach § 330 a StGB verurteilt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in diesem Kommentar zu §§ 20, 21 und § 330 a StGB verwiesen. Die erhebliche Verminderung der Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 21 StGB), berührt nur den Strafausspruch, muß aber nicht zu einer Strafmilderung führen (OLG Saarbrücken VRS 38 111; BGHSt. 5 283; 7 29; OLG Hamm 1972 1149). Insbesondere bietet ein selbstverschuldeter Alkoholrausch im allgemeinen keinen Anlaß zur Herabsetzung der Strafe (BGHSt. 5 283). 107

Einer Auseinandersetzung über Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit bedarf es dann nicht, wenn die Voraussetzungen der Verantwortlichkeit aus vorverlegter Schuld festgestellt sind (OLG Koblenz VRS 46 440; BayObLG bei Rüth DAR 1973 206).

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Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zustand des Täters zur Zeit der Tat. Bei Genuß von Alkohol wird mit Vollrausch und Schuldunfähigkeit grundsätzlich erst mit einer BÄK von 3 % und darüber zu rechnen sein (BGH GA 1977 56; OLG Hamm NJW 1958 271 = VRS 14 431; VRS 39 345). I. d. R. bedarf es bei einer BÄK von 3,39 %o zur Klärung der Frage der Schuldfähigkeit nicht der Hinzuziehung eines Sachverständigen; vielmehr legt dieser Wert schon für sich die Annahme alkoholbedingter Schuldunfähigkeit nahe, ohne daß es hierzu näherer Ausführungen bedarf (OLG Koblenz VRS 45 173). Eine so hohe BÄK schließt jedoch im Einzelfall den Beweis für dennoch vorhandene Schuldfähigkeit nicht aus; jedoch sind an die Beweisführung strenge Anforderungen zu stellen (OLG Koblenz DAR 1974 245). Bei Vorliegen besonderer Umstände (z. B. Besinnungslosigkeit des Täters während der Ausführung der Fahrt, hochgradige Alkoholvergiftung) kann schon bei einer BÄK von etwa 2 %o Schuldunfähigkeit angenommen werden (OLG Düsseldorf NJW 1966 1175, Anm. Gaisbauer NJW 1966 1877; OLG Oldenburg VRS 29 264; BGH VRS 23 209), insbesondere wenn z. B. eine Trunkenheitsfahrt mit einer BÄK von 2,36 %> in starker Übermüdung und in der Anflutungsphase ausgeführt wurde, wobei die Anhörung eines Sachverständigen zur Entscheidung dieser Frage i. d. R. erforderlich ist (BayObLG 24. 6.1974, 5 St. 62/74). Andererseits kann auch eine hohe BÄK (z. B. 2,7 %o) niemals alleiniger und ausschlaggebender Maßstab für eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Persönlichkeit i. S. der §§20, 21 StGB sein (OLG Oldenburg Blutalkohol 1970 402). Es kommt jedoch stets auf die Umstände des Einzelfalles an (BGH VRS 28 190; Koblenz VRS 37 190). Schon bei einer BÄK von 2,5 %> sind Erörterungen über die Schuldfähigkeit notwendig (BGH VerkMitt. 1963 1; Bremen VRS 30 277). Die Beiziehung eines Sachverständigen wird grundsätzlich unerläßlich sein (Weltzien DAR 1953 48), wenn auch der Tatrichter gegenüber dem Sachverständigen seine selbständige Stellung gemäß der vom BGH (BGHSt. 7 238; 8 113) entwickelten Grundsätze zu wahren hat. Stellt der Tatrichter eine Reihe von Umständen fest, die jeder für sich nur einen beschränkten Beweiswert für die volle Schuldfähigkeit des Täters haben, so ist er rechtlich nicht gehindert, aus der Gesamtheit dieser Umstände zu schließen, der Täter habe trotz erheblichen Alkoholgenusses doch nicht so viel zu sich genommen, daß seine Schuldfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich beeinträchtigt gewesen sei (BGH Blutalkohol 1965/66 530). Es ist rechtsfehlerhaft, bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit von mehreren möglichen Abbauwerten den niedrigsten zugrunde zu legen (172)

T r u n k e n h e i t im Verkehr (Rüth)

§316

(KG VRS 30 279), vielmehr ist in diesen Fällen grundsätzlich von dem höchstmöglichen Abbauwert auszugehen (BGH VRS 23 209; OLG Hamm DAR 1970 161; 1972 132; VRS 41 410; 43 347; M D R 1975 339), soweit dies für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Täters für diesen günstiger ist. Die Schuldfähigkeit ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn der Täter außer- 109 stände ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen, vielmehr genügt es, wenn der Täter nicht mehr in der Lage ist, gemäß dieser Einsicht zu handeln, er seinen Willen nicht mehr steuern kann (BGH VRS 23 209; vgl. dazu im einzelnen auch Lange LK § 20 StGB Rdn. 22). Planmäßiges Handeln läßt für sich allein den Schluß auf Schuldunfähigkeit nicht zu (BGH GA 1971 365; OLG Hamm VRS 43 347). Eine durch Trunksucht hervorgerufene Wesensveränderung kann Krankheitswert haben und damit für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen zu einer Beseitigung der Hemmungsfähigkeit i. S. des § 20 führen und zwar auch dann, wenn der Täter bei der Tat in der äußeren Erscheinungsform noch zweck- und zielgerichtet handeln konnte (BGH Blutalkohol 1970 474). Das Erinnerungsvermögen sagt nichts darüber aus, ob der Täter nach seiner Einsicht gemäß hat handeln können; denn alkoholbedingte Schuldunfähigkeit setzt keine sinnlose Trunkenheit voraus (OLG Schleswig DAR 1973 20). Für den Umfang der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit oder des Hemmungsvermögens sind die Umstände des Einzelfalls sowie die allgemeine körperliche und seelische Verfassung des Täters zur Tatzeit bedeutsam (OLG Hamm MDR 1975 339). Ist infolge der Alkoholbeeinflussung das Hemmungsvermögen des Fahrzeugführers ausgeschlossen oder läßt sich insoweit keine eindeutige Entscheidung treffen, so ist §316 unanwendbar; Urteilsgrundlage bildet dann § 330 a StGB (OLG Oldenburg VRS 29 264), soweit der Täter nicht nach den Grundsätzen über die vorverlegte Schuld zu verurteilen ist. Eine BÄK von nicht mehr als 2 %o begründet im allgemeinen keine erhebliche 110 Verminderung und damit keinen Ausschluß der Schuldfähigkeit. Bei einem Blutalkoholgehalt von 2 %o und mehr kann sowohl eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit als auch, insbesondere bei Hinzutreten weiterer Umstände, Schuldunfähigkeit vorliegen. Will der Tatrichter beides verneinen, muß er, falls nicht eine actio libera in causa vorliegt, sich darüber äußern, warum die Voraussetzungen der § § 2 0 , 2 1 StGB mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (BayObLG bei Rüth in DAR 1966 260; OLG Bremen VRS 48 276). Eine nervlich bedingte „Labilität" eines Täters macht allerdings schon bei einer BÄK um 1,5 %o Erörterungen über Schuldfähigkeit notwendig (KG VRS 12 352). Bei einer Blutalkoholkonzentration über 2%» kann eine erheblich verminderte 111 Zurechnungsfähigkeit nicht von vornherein und schlechthin ausgeschlossen werden (BGH VerkMitt. 1963 1; OLG Koblenz VRS 37 22, 32; 46 432, 440; DAR 1974 245; OLG Celle Blutalkohol 1974 62; OLG Hamm NJW 1975 702). Will der Tatrichter sie trotzdem verneinen, bedarf dies einer eingehenden Begründung (OLG Hamm VRS 39 345). Die Schuldfähigkeit eines Täters kann aber schon bei einer nicht unwesentlich unter 2 %o liegenden BÄK erheblich vermindert sein (vgl. BGH VRS 17 187), weil eine alkoholbedingte Bewußtseinsstörung nicht allgemein erst jenseits einer bestimmten BÄK beginnt, sondern individuell verschieden ist (vgl. BayObLG Blutalkohol 1971 132). So kann eine BÄK von 1,7 bis 1,8 %> z. B. bei einem trinkungewohnten magenkranken Menschen zu einer erheblichen Verminderung seiner Schuldfähigkeit führen, nicht aber bei einem gesunden Menschen (BGH VRS 30 277). Dies gilt vor allem bei Kumulation von Medikamenten und Alkohol, eventu(173)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

eil noch hinzukommender Erregung (OLG Frankfurt DAR 1970 162) oder beim Zusammenwirken von Alkohol und niedrigem Blutdruck (BayObLG NJW 1969 1583). Bei 2,43 %o ist i. d. R. jeder vermindert schuldfähig (OLG Koblenz VRS 54 429). 112

b) Hat ein Täter eine Rauschfahrt im Zustand der Schuldunfähigkeit unternommen, ist zu prüfen, ob er die Ingangsetzung des Geschehnisablaufs, also die Ursache für die spätere Verfehlung, in noch verantwortlichem Zustand gesetzt hat. Ist dies erwiesen, muß er unter Anwendung der Grundsätze über die vorverlegte Schuld (actio libera in causa) nach der Vorschrift bestraft werden, gegen die er verstoßen hat; § 330 a StGB tritt zurück (OLG Hamburg VRS 12 40), §20 StGB kommt nicht zum Zug (BGH VRS 21 45; OLG Hamm VRS 12 118). Wer z. B. in Kenntnis des Umstandes, daß er später noch ein Fahrzeug führen werde, bis zur Schuldunfähigkeit alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich nimmt und anschließend tatsächlich noch ein Fahrzeug führt, kann weder nach § 20 StGB freigesprochen, noch wegen Volltrunkenheit nach § 330 a StGB verurteilt werden, ist vielmehr nach § 316 StGB zu bestrafen; gleiches gilt für die §§ 315 a, 315 c StGB (vgl. dazu Lange LK 9 § 51 StGB Rdn. 73, 74 mit weit. Nachweisen von Schrifttum und Rechtsprechung; BGH NJW 1955 1037; BayObLG DAR 1967 278; VRS 38 112 = NJW 1969 1583; K G VRS 19 111; OLG Bremen VRS 20 439; OLG Oldenburg DAR 1963 304). Nicht § 330 a, sondern §§ 315 a, 315 c sind anzuwenden, wenn er schon bei Beginn des Trinkens oder in noch schuldfähigem Zustand vorhat oder es billigend in Kauf nimmt, bei der Durchführung der späteren Trunkenheitsfahrt jemand anderen oder eine Sache von bedeutendem Wert zu gefährden (vorsätzlich actio libera in causa; BayObLG NJW 1968 1897; OLG Celle NJW 1969 1916; OLG Köln VRS 32 216), oder beim Trinken fahrlässigerweise nicht bedacht hat, bei der Fahrt jemand gefährden zu können oder zwar daran gedacht aber gehofft hat, eine Gefährdung vermeiden zu können (fahrlässige actio libera in causa; BGH N J W 1955 1037; BayObLG DAR 1967 278; VRS 38 112; OLG Bremen VRS 20 439; KG VRS 19 111; OLG Oldenburg DAR 1963 304; vgl. auch Lange LK 9 § 51 StGB Rdn. 73, 74).

113

Eine vorsätzliche Tat nach § 316 (vorsätzliche actio libera in causa) setzt voraus, daß der Täter schon bei Einnahme der berauschenden Getränke oder Mittel entweder weiß, er werde in einen fahruntüchtigen Zustand geraten und anschließend noch ein Fahrzeug führen, oder dies zumindest billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz); nicht erforderlich ist, daß sich der Vorsatz des Täters über die Fahruntüchtigkeit hinaus auf die Herbeiführung der Schuldunfähigkeit bezieht (BGHSt. 21 381 = NJW 1968 658 = JZ 1968 273 m. Anm. Cramer; OLG Zweibrücken DAR 1970 105; a. A. BayObLG v. 22. 11.1973, 5 St. 137/73, das den Vorsatz auch auf den Eintritt der Schuldfähigkeit erstrecken will). Die Annahme einer vorsätzlichen actio libera in causa wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Schuldfähigkeit des Täters schon in dem Zeitpunkt erheblich vermindert war, in dem er die entscheidende Ursache bewußt gesetzt hat (BGH VRS 21 263; OLG Hamm VRS 17 61); ob ein Täter allerdings in diesem Zustand auch den Erfolg (Durchführung der Fahrt mit einem Fahrzeug) noch mindestens billigend in Kauf nimmt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden (vgl. OLG Düsseldorf VRS 23 100 = NJW 1962 684).

114

Eine fahrlässige Tat (fahrlässige actio libera in causa) ist anzunehmen, wenn der Täter während des Alkoholgenusses damit hätte rechnen müssen, er werde anschließend noch mit seinem Fahrzeug fahren, wobei er ebensowenig wie bei der Vorsatztat (Rdn. 113) zu bedenken braucht, das Fahrzeug später im Zustand der Zurech(174)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

nungsunfähigkeit zu benutzen (BGHSt. 17 333; VRS 23 209, 435; OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 161; OLG Karlsruhe VRS 53 461). Wenn der Täter in verantwortlichem Zustand fahrlässig die entscheidende Ursache für seine spätere Verfehlung gesetzt hat, die er dann in einer für ihn voraussehbaren Weise begangen hat, während seine Schuldfähigkeit möglicherweise erheblich vermindert war, so findet auch § 21 StGB keine Anwendung (BGH VRS 21 45). Die fahrlässige actio libera in causa setzt aber nicht nur voraus, daß der Erfolg, das Fahren in fahruntüchtigem Zustand, allgemein voraussehbar ist, sondern auch, daß der konkrete Geschehensablauf nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt (OLG Celle VRS 40 16), wobei der Täter aber nur den Erfolg im Endergebnis, nicht aber auch in den Einzelheiten des Geschehensablaufes voraussehen muß (OLG Hamm Blutalkohol 1974 283). Ein Kraftfahrer, der mit seinem Kraftfahrzeug eine Gastwirtschaft aufsucht, um dort Alkohol zu trinken, muß aber grundsätzlich damit rechnen, er werde sein Fahrzeug in fahruntüchtigem Zustand zur Heimfahrt benutzen. Er hat deshalb Vorsorge zu treffen, die eine spätere Fahrzeugbenutzung in fahruntüchtigem Zustand ausschließt. Allein die ursprüngliche Absicht, nach Alkoholgenuß nicht mehr zu fahren, genügt nicht zur Verneinung eines Vergehens nach §316 und zur Annahme eines Vergehens der Volltrunkenheit nach § 330a StGB (BayObLG VRS 33 271 = DAR 1967 278; OLG Oldenburg DAR 1963 304). Hat sich z. B. der Täter nach einem Umtrunk in der Gaststätte zur Übernachtung eingemietet, liefert er aber nicht die Wagenschlüssel ab und fährt er später mit seinem Fahrzeug in einem durch Alkoholgenuß fahruntüchtigen und die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand trotzdem nach Hause, hat er fahrlässig gegen § 316 verstoßen, weil er damit rechnen mußte, im Zustand alkoholbedingter Enthemmung unbedachte Entschlüsse zu fassen (OLG Celle NJW 1968 1938; BayObLG VRS 33 271 = DAR 1967 278; OLG Köln VRS 32 261 = NJW 1967 306). Ebenso ist zu beurteilen, wenn der Täter zwar bei Trinkbeginn die Wagenschlüs- 115 sei einem anderen gibt, aber nicht daran gedacht hat, daß er Ersatzschlüssel bei sich führt und schließlich unter deren Benutzung mit seinem Pkw. in volltrunkenem Zustand nach Hause fährt (OLG Hamm Blutalkohol 1965/66 244). Als unzureichende Vorsorge gegen die spätere Fahrzeugführung ist auch das Abstellen des Fahrzeugs auf einem von der Gastwirtschaft etwas entfernten Platz anzusehen (OLG Köln MDR 1967 514) und rechtfertigt deshalb die Annahme einer fahrlässigen actio libera in causa. Wer Tabletten einnimmt, die im Zusammenwirken mit dem nachfolgenden 116 Alkoholgenuß zu toxischen Erscheinungen führen mit der Folge, daß die strafrechtliche Schuldfähigkeit erheblich vermindert oder ganz aufgehoben wird, kann sich i. d. R. nicht damit entlasten, er habe die Wirkung der Tabletten trotz des auf dem Anwendungszettel befindlichen Hinweise nicht gekannt; seine in diesem Zustand durchgeführte Trunkenheitsfahrt ist unter dem Gesichtspunkt der vorverlegten Schuld zu beurteilen (OLG Hamm VRS 47 257). 6. Vollrausch ( § 3 3 0 a StGB) ist anzunehmen, wenn die Voraussetzungen der 117 vorverlegten Schuld nicht vorliegen, der Täter sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel (vgl. Rdn. 47 ff oben) in einen die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat oder ein solcher Zustand nicht auszuschließen ist und als Schuldunfähiger eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) begangen hat. Vollrausch ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (so auch Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 1; Lay LK 9 Rdn. 5; Dreher Rdn. 1; je zu § 330 a; h. M., aber strittig). (175)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Ein Vollrausch kann i. d. R. nur angenommen werden, wenn die Alkoholbeeinflussung über der 3 %o-Grenze liegt (vgl. Rdn. 85). Aber auch eine BÄK unter diesem Wert kann insbes. bei Hinzutreten persönlicher Indisposition oder im Zusammenwirken mit Medikamenten oder Drogen zur Bejahung der Schuldunfähigkeit führen; es genügt, wenn der Täter vorsätzlich oder fahrlässig Alkohol zu sich genommen hat und dieser Alkoholgenuß mitursächlich für den Rauschzustand war. Wegen Vollrausches kann ein Täter grundsätzlich nur dann verurteilt werden, wenn er erst im Zustand der Schuldunfähigkeit den Tatentschluß (Führen eines Fahrzeugs) faßt. Hatte er schon vor Erreichung dieses Zustandes den Tatentschluß gefaßt, ist sein Verhalten nach den Grundsätzen der vorverlegten Schuld zu beurteilen. 118

Die rechtwidrige Tat (Führung eines Fahrzeugs) ist Bedingung der Strafbarkeit (h. M.; vgl. Dreher Rdn. 9; Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 13; BGHSt. 16 124; 17 333; BayObLG NJW 1974 1520; OLG Zweibrücken VRS 32 455; vgl. auch Lay LK Rdn. 37 ff). Sie muß vom Täter mit einem natürlichen Handlungswillen vorgenommen worden sein; d. h., er muß in der Lage gewesen sein, körperliche Kraft in einer bestimmten Richtung seinem gefaßten Willen entsprechend einzusetzen (vgl. Lay LK9 Rdn. 39 ff; BayObLG VRS 25 346; OLG Hamm JMB1NRW 1964 117). Reflexbewegungen, willenlose Reaktionen scheiden aus.

119

Nach § 330 a kann ein Täter nicht bestraft werden, wenn er durch den Genuß alkoholischer Getränke vor einem von außen hinzukommenden Ereignis nur erheblich vermindert schuldfähig war und erst durch dieses von ihm nicht zu vertretende Ereignis, bevor er dann die rechtswidrige Tat beging, schuldunfähig wurde (BGH VRS 50 45). § 330 a ist nur anwendbar, wenn der sichere Bereich des § 21 überschritten ist, wobei grundsätzlich vom Mindestabbauwert auszugehen ist. Bleibt diese Frage offen, kann also nicht geklärt werden, ob Ausschluß, oder nur erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit oder nicht einmal dieser Zustand erreicht war, hat Freispruch zu erfolgen (OLG Hamm VRS 53 24; OLG Schleswig VRS 53 37; BayObLG VRS 54 198).

120

VI. Die Rechtswidrigkeit der Rauschfahrt nach § 316 StGB kann ebenso wie bei anderen Straftaten bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ausgeschlossen sein. Von den in Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgründen kommen wohl nur Notwehr und übergesetzlicher Notstand in Frage. Eine Rauschfahrt nach § 316 im Rahmen einer Notwehrmaßnahme wird aber kaum in Betracht zu ziehen sein, ist jedoch denkgesetzlich nicht unmöglich. Größere praktische Bedeutung kommt dem übergesetzlichen Notstand der Güterabwägung zu, wonach es gerechtfertigt ist, ein geringerwertiges Rechtsgut zu gefährden, um ein höherwertiges zu retten. Das Indiz dieser Wertung ist im Strafrahmen zu suchen (BGHSt. 13 199). Je geringer die Aussicht auf Rettung eines Rechtsgutes ist, um so weniger ist die Eingehung einer abstrakten Gefahr durch die Trunkenheitsfahrt gerechtfertigt (vgl. dazu Füll-Möhl-Rüth § 24 StVG Rdn. 52). Da jede Rauschfahrt eine abstrakte Gefahr und sogar die Möglichkeit einer Gefährdung oder Verletzung von Menschen in sich birgt, ist eine Rauschfahrt bei Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter nur gerechtfertigt, wenn die Gefahr für das bedrohte Rechtsgut erheblich größer ist als die abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs durch den fahrtüchtigen Fahrzeugführer (Cramer Rdn. 44; OLG Hamm VRS 36 27). So kann z. B. die Fahrt eines betrunkenen Kraftfahrers gerechtfertigt sein, der zu einer Unfallstelle fährt, um ver(176)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

unglückten Personen die erforderliche Hilfe zu leisten (OLG Hamm VRS 20 232) und die Trunkenheitsfahrt das einzige Mittel ist, Rettung zu bringen (OLG Hamm NJW 1958 §271 = VRS 14 431). Allerdings dürfen während der Trunkenheitsfahrt andere Verkehrsteilnehmer nicht in eine erhebliche Gefahr gebracht werden (OLG Hamm VRS 20 232; OLG Stuttgart Justiz 1963 38); auch darf das mit der Fahrt eingegangene Risiko nicht so groß sein, daß dadurch die ganze Rettungshandlung als Hilfsmaßnahme in Frage gestellt wird. Glaubt der Täter irrig, in gerechtfertigter Notmaßnahme zu handeln, kann seine 121 Tat entschuldigt sein, wenn der Irrtum nicht selbst auf Fahrlässgikeit beruht. Der Irrtum des Täters ist aber nicht schon deshalb vorwerfbar, weil er sich infolge des Alkoholgenusses der Fähigkeit beraubt hatte, die gegebene Lage klar abzuwägen und nüchtern zu überlegen (OLG Hamm VRS 14 431 = NJW 1958 271). Die Durchführung einer Trunkenheitsfahrt auf Grund dienstlichen Befehls ist nicht gerechtfertigt, weil jeder Beamte und Soldat die Ausführung eines Befehls verweigern kann, wenn seine Befolgung die Begehung einer Straftat zur Folge hat (vgl. § 22 WStG, § 56 BBG und die entsprechenden Bestimmungen in den Beamtengesetzen der Länder). VII. Teilnahme. Täter eines Vergehens nach § 316 StGB kann nur der Fahrzeug- 122 führer sein (Begriff: Rdn. 3 bis 7 oben), da §316 ein eigenhändiges Delikt ist. Andere Personen kommen nur als Anstifter oder Gehilfen in Betracht. Für die Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln, sie setzt also vorsätzliches Handeln bei Täter und Teilnehmer voraus. Bedingter Vorsatz genügt. Eine fahrlässige Nebentäterschaft ist beim eigenhändigen Delikt ausgeschlossen (BGHSt. 18 6). Im übrigen gelten für die Teilnahme die allgemeinen Grundsätze des Strafrechts (§§ 26, 27 StGB). Die §§ 28, 29 StGB sind zu beachten. 1. Anstiftung (§ 26) setzt vorsätzliche Bestimmung des Täters zu dessen vorsätz- 123 licher Tat voraus. Sie ist z. B. anzunehmen, wenn der Fahrzeugführer seine rauschbedingte Fahruntüchtigkeit erkannt hat, aber erst durch Zureden des die Fahruntüchtigkeit des Fahrers kennenden Dritten (Anstifters) sich zur Durchführung der Fahrt entschließt. Es reicht aus, wenn Fahrzeugführer und Anstifter Zweifel an der Fahrtüchtigkeit haben, die mangelnde Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen, aber billigend in Kauf nehmen. Wer aber die Zweifel des Fahrers an seiner Fahruntüchtigkeit zerstreut und dieser dann in der irrigen Annahme, fahrtüchtig zu sein, ein Fahrzeug führt, kann nicht als Anstifter belangt werden, weil der Täter nur fahrlässig gehandelt hat. Wahlfeststellung zwischen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und Anstiftung dazu ist möglich (OLG Düsseldorf VRS 50 268). 2. Beihilfe (§ 27) erfordert die vorsätzliche Förderung der ebenfalls vorsätzlichen 124 Rauschfahrt des Täters. Hält sich letzterer aus Fahrlässigkeit für fahrtüchtig, ist Beihilfe zu dieser Tat rechtlich ausgeschlossen. Beihilfe zu einer Rauschfahrt nach §316 StGB kann durch Rat oder durch sonst psychisch den Entschluß des Täters fördernde Maßnahmen, aber auch in Form physischer Unterstützung geleistet werden. Wer die Fahruntüchtigkeit eines anderen erkennt oder diese zumindest billigend in Kauf nimmt, ihm aber trotzdem ein Fahrzeug zur Verfügung stellt, leistet Beihilfe zur Trunkenheitsfahrt, wenn der Täter die Trunkenheitsfahrt ebenfalls vorsätzlich oder bedingt vorsätzlich durchführt. Beihilfe zu § 316 kann auch durch Unterlassen geleistet werden, wenn eine Rechtspflicht bestand, die vorsätzliche (177)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Trunkenheitsfahrt des Täters zu verhindern. Sie kann sich auch aus vorangegangenem Tun ergeben (BGHSt. 26 35 = VRS 48 348); hierfür reicht aber eine bloße Zechgemeinschaft allein noch nicht aus (BGH VRS 7 105; BayObLG NJW 1953 556; KG VRS 10 138; OLG Düsseldorf VRS 30 355; MDR 1955 674; OLG Oldenburg VRS 22 444; OLG Schleswig SchlHA 1958 341; Cramer GA 1961 97). Vielmehr ist der, der einem Kraftfahrer Alkohol in größeren Mengen ausschenkt, nur dann verpflichtet, diesen an der anschließenden Fahrt mit seinem Kraftwagen zu hindern, wenn zwischen beiden eine enge Lebensgemeinschaft besteht, die eine besondere Fürsorgepflicht begründet, und wenn bei dem Kraftfahrer ein hoher Trunkenheitsgrad erkennbar ist, der eigenverantwortliches Handeln i. d. R. ausschließt (OLG Düsseldorf NJW 1966 1175). 125

3. In der Praxis spielt die Frage, wann eine Teilnahme an einem Vergehen nach § 316 möglich ist, ersichtlich keine entscheidende Rolle. Die Rechtsprechung mußte sich aber in einer Reihe von Fällen damit befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Teilnahme zu den vom Täter während der Trunkenheitsfahrt begangenen anderen Straftaten (z. B. § 230, § 222 StGB) anzunehmen ist. Da es sich hierbei aber grundsätzlich um fahrlässige Taten handelt, wurde die Frage in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der fahrlässigen Nebentäterschaft geprüft. Wer einen Angetrunkenen überredet, mit seinem Kraftfahrzeug zu fahren, die Fahruntüchtigkeit des Fahrers zwar nicht erkannt, aus den Umständen des Einzelfalles aber hätte erkennen können, ist für einen von dem Fahrzeugführer verursachten Unfall, sowie auch für den Tod eines dabei verunglückten Menschen nach § 222 StGB i. d. R. mitverantwortlich (KG VRS 11 357), weil die Folgen einer Trunkenheitsfahrt grundsätzlich voraussehbar sind (vgl. Härtung JR 1958 390). Mit außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Geschehensabläufen braucht der Dritte nicht zu rechnen. 126 Wer als Gastwirt einem Kraftfahrer Alkohol eingeschenkt hat, ist regelmäßig nur dann verpflichtet, das Weiterfahren des Gastes mit angemessenen und ihm möglichen Mitteln zu verhindern, wenn der Gast offensichtlich so betrunken ist, daß er sich nach verständiger Beurteilung nicht mehr eigenverantwortlich verhalten kann (BGHSt. 19 152 = VRS 26 110). Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine frühere weitergehende Auffassung eingeschränkt (vgl. BGHSt. 4 20 = VRS 5 208) und die Einschreitungspflicht durch die Zumutbarkeit der Tätigkeitsentfaltung und die Art der psychischen Verfassung des unmittelbaren Täters begrenzt. Der BGH leitet die Pflicht des Gastwirtes aus § 16 Abs. 1 Nr. 3 GastG ab, der den Pflichtenkreis des Gastwirtes umschreibt. Aus dieser Entscheidung darf aber nicht geschlossen werden, daß nur die dem Gaststättengesetz unterliegenden Personen eine Rechtspflicht trifft, die Trunkenheitsfahrt unter den gegebenen Voraussetzungen nach Möglichkeit zu unterbinden (so auch Cramer Rdn. 46). Vielmehr obliegt auch dem privaten Gastgeber grundsätzlich die gleiche Handlungspflicht. Für ihn können keine anderen Maßstäbe gelten. Auch er kann als fahrlässiger Nebentäter für die auf der Fahrt begangenen Zuwiderhandlungen in Betracht kommen (so auch Cramer aaO; Sch.Schröder-Lenckner vor § 32 Rdn. 125; vgl. auch Geilen JZ 1965 469). 127

Der Fahrzeughalter oder der an dessen Stelle Verantwortliche (§31 Abs. 2 StVZO, § 9 OWiG, § 14 StGB) darf die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs durch einen fahruntüchtigen Fahrzeugführer weder anordnen noch zulassen (OLG Hamm Blutalkohol 1978 299). Wird dieser Sorgfaltspflicht nicht genügt, wurde insbesondere die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers nicht hinreichend überprüft, obwohl (178)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

sich nach den Umständen des Einzelfalles Zweifel an dessen Fahrtüchtigkeit hätten aufdrängen müssen, können Halter oder dessen Beauftragter (z. B. der eigenverantwortlich handelnde Betriebsleiter) für die von dem Fahrzeugführer begangenen Straftaten (z. B. fahrlässige Tötung) als fahrlässige Nebentäter strafrechtlich mitverantwortlich sein (BGHSt. 18 359 = VRS 25 147; OLG Hamburg VRS 21 305; 25 433; NJW 1964 2027; OLG Hamm VRS 23 107). Bemerkt der im Fahrzeug mitfahrende Kfz-Halter, daß der Fahrzeugführer während der Fahrt Alkohol trinkt und dadurch in einen fahruntüchtigen Zustand gerät, hat er dessen Weiterfahrt sofort zu unterbinden, andernfalls er für die Folgen der Trunkenheitsfahrt selbst einzustehen hat (BGH VRS 4 608). VIII. Konkurrenz. Das Vergehen der Trunkenheit im Verkehr nach §316 ist 128 Dauerstraftat, die mit dem Antritt der Fahrt in fahruntüchtigem Zustand beginnt und erst endet, wenn der Täter mit dem Weiterfahren endgültig aufhört (BGH VRS 48 185). Es tritt gegenüber § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a als subsidär zurück. Mit der Rauschfahrt ideel konkurrierende Ordnungswidrigkeiten werden neben der Straftat nicht verfolgt (§ 21 OWiG). Sie gewinnen erst dann selbständige Bedeutung, wenn der auf alkoholischen Getränken oder anderen berauschenden Mitteln zunächst angenommene Rauschzustand entweder nicht vorliegt oder nicht beweisbar ist. Die Durchführung der Trunkenheitsfahrt ist als ein einheitliches Geschehen, 129 somit als eine Tat im Sinne des § 264 StPO anzusehen. Kurze Fahrtunterbrechungen (z. B. auch solche von l'/zstündiger Dauer) beseitigen nicht die Einheitlichkeit der Tat im verfahrensrechtlichen Sinn (OLG Celle DAR 1966 137 = VRS 30 196); auch materiellrechtlich ist bei kurzen Fahrtunterbrechungen grundsätzlich nur eine Tat anzunehmen, wenn das Fahrtziel von vorneherein feststeht (OLG Karlsruhe VRS 35 267). Die Dauerstraftat wird auch nicht dadurch in zwei rechtlich selbständige Teile aufgespalten, daß der Täter sich unterwegs entschließt, eine polizeiliche Weisung zum Anhalten nicht zu befolgen, sondern weiterzufahren, um der Polizei zu entkommen und für sein bisheriges Verhalten nicht zur Verantwortung gezogen zu werden (BGHSt. 22 67; VRS 48 354; 49 185). Die Annahme einer fortgesetzten Tat scheidet deshalb grundsätzlich aus. Hatte der Täter jedoch, als er die Fahrt unterbrach, nicht die Absicht, mit dem Fahrzeug weiterzufahren, beruht die Weiterfahrt somit auf einem neuen Entschluß, wird man von zwei sachlich zusammentreffenden Vergehen nach §316 auszugehen haben. Wurde vom Täter im Zustand der Trunkenheit ein Verkehrsunfall verursacht, so ist das Vergehen der (fahrlässigen, evtl. vorsätzlichen) Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB mit der Herbeiführung des Unfalls beendet. Die Weiterfahrt beruht auf einem neuen Entschluß (vgl. dazu im einzelnen Rüth LK § 315 c Rdn. 80) und stellt sich deshalb im materiellrechtlichen Sinn als selbständige Tat dar (tateinheitlich zusammentreffende Vergehen nach § 316 und § 142 StGB; Full-Möhl-Rüth § 142 Rdn. 93). Darin, daß eiri alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer im Bewußtsein, einen Unfall verursacht zu haben, noch einige hundert Meter weiterfährt, liegt kein gegenüber der vorangegangenen Fahrt selbtständiges weiteres Vergehen der Trunkenheit im Verkehr, wenn der Kraftfahrer nicht sich den gebotenen Feststellungen entziehen, sondern lediglich an geeigneter Stelle wenden und sofort zur Unfallstelle zurückfahren will (BayObLG VRS 45 275). Wird der alkoholbedingt Fahruntüchtige, der nach einem Verkehrsunfall seine Fahrt nicht unterbricht, nicht wegen unerlaubter Entfernung vom Unfallort verurteilt, so ist die Trunkenheitsfahrt nach dem Unfall nach OLG Hamm (VRS 48 266) keine selbständige Handlung (§ 53 StGB) i. S. des § 316 StGB, sondern geht als subsidiärer Tatbestand in der vorange(179)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

gangenen Verkehrsgefährdung auf. Die einheitliche Dauerstraftat kann mit den Tatbeständen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b) und des Widerstandes (§ 113) in Tateinheit stehen (BGH VRS 49 177). Verfahrensrechtlich ist die zum Unfall führende Trunkenheitsfahrt und die anschließende unerlaubte Entfernung vom Unfallort nur eine Tat i. S. des § 264 StPO (vgl. BGH DAR 1970 74). Die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs im Sinne des § 264 StPO macht jedoch für sich allein eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Verurteilung wegen Verkehrsflucht rechtlich zusammentreffend mit Trunkenheit im Verkehr noch nicht unzulässig (BGHSt. 24 185; OLG Karlsruhe NJW 1971 157). Da jedoch die tatbestandsmäßige Verflechtung zwischen schuldhafter Herbeiführung eines trunkenheitsbedingten Verkehrunfalles und der anschließend begangenen Verkehrsflucht einer beide Ereignisse umfassenden Trunkenheitsfahrt sehr eng ist, kann der Schuldspruch nicht geteilt werden (BayObLGSt. 1971 45; vgl. auch BGHSt. 24 185 jeweils mit weiteren Nachweisen); eine getrennte Anfechtung ist in diesen Fällen nicht möglich. 130

IX. Strafzumessungsfragen. 1. Die frühere Auffassung, daß Trunkenheitsdelikte grundsätzlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe erfordern und die Aussetzung der Strafvollstreckung nur bei leichten und durchschnittlichen Fällen gerechtfertigt ist (vgl. BGHSt. 22 192 = VRS 35 106), ist durch das 1. StrRG vom 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) überholt. Für die Bestrafung der Trunkenheitsdelikte gelten nunmehr die §§ 13, 14, 16, 17, 23 StGB. Nicht anwendbar ist § 15 StGB, da die §§ 315 a, 315 c, 316 StGB auf diese Vorschrift nicht verweisen.

131

Verschiedentlich haben sich Verkehrsstrafrichter in der BRD zusammengefunden und Strafzumessungsfragen erörtert. Entgegen Jagusch (NJW 1970 401, 1865) sind die auf diesen Tagungen letztlich zustande gekommenen sog. „Strafzumessungsempfehlungen weder verfassungswidrig noch sonst unzulässig. Auf die zutreffenden Ausführungen von Middendorf (Blutalkohol 1970 284), Händel (Blutalkohol 1970 204), Seib (k + v 1969 452), Dünnebier (JR 1970 241) und Tröndle (Blutalkohol 1971 73) darf verwiesen werden. Die sog. Strafzumessungsempfehlungen entbehren jeder Verbindlichkeit, sie bezwecken nur, Richtern mit extremen Auffassungen hinsichtlich der Strafbemessung Material an die Hand zu geben, ihre eigene Ansicht zu überprüfen. Darüber hinaus dient es der Rechtssicherheit, ähnlich gelagerte Fälle auch ähnlich zu ahnden und zu bestrafen (Kaiser Blutalkohol 1972 141). Aufgabe der folgenden Ausführungen soll es sein, einige Grundsätze darzulegen, die von der Rechtsprechung in bezug auf die Bestrafung von Trunkenheitstätern entwickelt wurden.

132

2. Bei der Bemessung der Strafe sind die allgemeinen Grundsätze der §§ 46, 47 StGB zu beachten. Bei Vorliegen der Rückfallvoraussetzungen gilt die Mindeststrafe von 6 Monaten (§ 48 Abs. 1 StGB). Delikte, bei denen der Täter vorsätzlich handelt, jedoch den Erfolg nur fahrlässig herbeiführt, sog. Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen wie z. B. § 315 Abs. 4, § 315 a Abs. 3 Nr. 1, § 315 b Abs. 4, § 315 c Abs. 3 Nr. 1 StGB gelten als Vorsatztaten (§ 11 Abs. 2 StGB) auch im Sinne der Rückfallbestimmungen (Sch.-Schröder-Stree §48 Rdn. 4; Cramer JA 70 196). Als straferschwerende Rückfalltaten für Verstöße gegen §§ 315 b bis 316 StGB kommen aber nur Vortaten in Frage, die in gewissem Maße Ähnlichkeiten aufweisen oder symptomatisch für die innere Einstellung des Täters sind, die auch in der neuen Tat in Erscheinung getreten ist (BayObLG NJW 1972 1380; a. A. Maurach AT S. 858). (180)

T r u n k e n h e i t im V e r k e h r ( R ü t h )

§316

Die Ähnlichkeit besteht zwischen den Taten, die unter den Oberbegriff „Verkehrsdelikte" fallen Koffka LK 9 § 17 a. F. Rdn. 19); sie besteht auch zwischen einem Vergehen des Vollrausches, bei dem z. B. eine unerlaubte Entfernung vom Unfallort Rauschtat war, und einer auf Vorsatz beruhenden Tat nach § 315 c oder § 316 (OLG Hamm NJW 1975 548). Auch ein im Zusammenhang mit dem Verkehrsgeschehen begangenes Vergehen des Widerstandes und der Körperverletzung kann symptomatisch für einen vorsätzlichen Verstoß gegen §§ 315 bis 316 StGB sein (Sch.-SchröderStree § 48 StGB Rdn. 10, 16-18). Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes dürfen bei der Strafbemessung nicht 133 berücksichtigt werden (§ 46 Abs. 3 StGB). Kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbewertung liegt aber vor, wenn die Erfüllung mehrerer Alternativen des gleichen Tatbestandes oder das Vorliegen tateinheitlicher Verstöße strafschärfend verwertet werden (OLG Hamm Blutalkohol 1973 271; VRS 45 269). Auch die Bemerkung, die Tat sei „besonders rücksichtslos und gefährlich gewesen, ist ein zulässiger Strafschärfungsgrund und nicht eine verbotene Wertung eines Tatbestandsmerkmals (OLG Hamm VRS 45 269). 3. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit kann Strafmilderung zur Folge haben 134 (§§ 21, 49 Abs. 1 StGB; OLG Hamm VRS 44 268). Der Tatrichter muß sich deshalb schon bei einer BÄK von 2 %0 und darüber mit dieser Frage auseinandersetzen, soweit eine Verantwortlichkeit aus vorverlegter Schuld ausscheidet (BayObLG 16. 12.1974, 2 St. 138/74). Lediglich verminderte Schuldfähigkeit kann nur innerhalb des Regelstrafrahmens mildernd berücksichtigt werden. Allerdings gibt ein selbstverschuldeter Rausch, auch wenn actio libera in causa nicht in Frage kommt, im allgemeinen keinen Anlaß zur Herabsetzung der Strafe (BGHSt. 5 283; 7 29; BGH VRS 21 45), schließt aber nicht in allen Fällen eine Strafmilderung aus (OLG Hamm DAR 1972 133; vgl. dazu auch Sch.-Schröder-Lenckner § 21 StGB Rdn. 23). Dies gilt auch bei Annahme fahrlässiger actio libera in causa (OLG Koblenz VRS 51 201). Strafmilderung ist im Falle selbstverschuldeter Trunkenheit bei Soldaten ausgeschlossen, wenn die Trunkenheitsfahrt in Ausübung des Dienstes begangen wurde oder als militärische Straftat zu werten ist (§§ 2, 7 WStG). 4. Strafmildernd wirkt grundsätzlich bisherige Straflosigkeit oder wenn der Täter 135 sich in seiner Freizeit gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellt, wie z. B. Einsatz in Katastrophenfällen, beim Roten Kreuz oder bei der Bergwacht. Zugunsten des Täters wird grundsätzlich auch langjähriges unfallfreies Fahren berücksichtigt werden können (KG VRS 8 43). Mildernd kann sich auch ein Geständnis auswirken (Sch.-Schröder-Stree § 46 Rdn. 41). Benutzung von Schleichwegen ist kein Strafmilderungsgrund (LG Verden DAR 1976 137). 5. Vorstrafen werden i. d. R. straferschwerende Umstände sein (BGH VRS 41 136 349). Dies gilt allgemein für einschlägige Vorstrafen. Es ist aber nicht unzulässig, auch nicht einschlägige Vorstrafen zu Ungunsten des Angeklagten heranzuziehen (BGHSt. 24 199). Die Grundsätze für die Rückfallverjährung sind nicht entsprechend anwendbar (BayObLG bei Rüth DAR 1966 260). Je weiter eine Vorstrafe zurückliegt, umsoweniger kann sie aber ins Gewicht fallen. Hierbei sind aber die Verwertungsverbote des Bundeszentralregistergesetzes (§§ 49, 60, 61) zu beachten. Getilgte oder tilgungsreife Verurteilungen dürfen nicht straferschwerend verwertet werden (BGHSt. 24 378 = VRS 43 367), auch wenn sie noch im Verkehrszentralre(181)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

gister eingetragen und dort nicht tilgungsreif sind (BayObLG VRS 43 440). Im übrigen aber können auch Verurteilungen wegen Ordnungswidrigkeiten, die im Verkehrszentralregister eingetragen sind, dort nicht getilgt und auch nicht tilgungsreif sind (§ 13 a StVZO) zum Nachteil des Täters herangezogen werden (BayObLG VRS 43 377). Nicht tilgungsreife im Bundeszentralregister vermerkte Vorstrafen dürfen auch dann ohne Einschränkung strafschärfend berücksichtigt werden, wenn Art oder Höhe dieser Vorstrafen durch andere Vorstrafen (z. B. rückfallbegründend) beeinflußt worden sind, die nicht in das Bundeszentralregister zu übernehmen waren und dem Täter nach § 49 Abs. 1 BZRG nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen (OLG Hamm VRS 48 41). 137

Um dem Revisionsgericht die Möglichkeit der Nachprüfung zu geben, sind in dem tatrichterlichen Urteil der Tag des ergangenen Urteils, Verbüßung der Strafe, Tatzeit, sowie eine kurze Beschreibung der dem Angeklagten in dem früheren Verfahren zu Last gelegten Tat darzulegen.

138

Ein nach der letzten tatrichterlichen Entscheidung, aber vor der Verhandlung über die Revision des Angeklagten eingetretenes Verwertungsverbot aufgrund der Tilgungsreife einer Vorstrafe ist vom Revisionsgericht nicht zu berücksichtigen (OLG Hamm Blutalkohol 1975 65).

139

Der Umstand, daß gegen einen Angeklagten weitere Strafverfahren anhängig sind, darf allein nicht straferschwerend berücksichtigt werden, weil die bloße Anhängigkeit nicht beweist, daß der Angeklagte die dort ihm zur Last liegenden Taten auch begangen hat. Will das Gericht die noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Taten verwerten, muß es entsprechende eigene Feststellungen treffen und auch sich selbst ein Urteil über die Schuld des Angeklagten in dem anhängigen Verfahren bilden (BayObLG bei Rüth DAR 1973 206). Zulässig ist die Erwägung, d a ß der Täter sich durch die Einstellung eines früher gegen ihn anhängigen Verfahrens nicht hat warnen lassen. Hat sich der Täter während des Ermittlungsverfahrens erneut gegen gesetzliche Vorschriften vergangen, darf dies grundsätzlich bei der Beurteilung wegen der ersten Tat strafschärfend ins Gewicht fallen; erforderlich ist aber, daß sich das Gericht mit der neuerlichen Tat des Angeklagten ausführlich auseinandersetzt (OLG Karlsruhe NJW 1973 1942). Nach OLG Koblenz (VRS 53 196) soll eine noch nicht abgeurteilte Trunkenheitsfahrt nur berücksichtigt werden dürfen, wenn der Angeklagte sie zugegeben hat.

140

6. Alkoholgenuß, der ohne Einfluß auf die Fahrtüchtigkeit des Täters geblieben ist, darf grundsätzlich nicht strafschärfend gewertet werden (BGH DAR 1963 353). Einer strafschärfenden Berücksichtigung steht jedoch dann nichts im Wege, wenn aus ihm Schlüsse auf die persönliche Unzuverlässigkeit, insbes. auf vorwerfbares, leichtfertiges Verhalten gezogen werden können (BGH VRS 43 419; BayObLGSt. 55 103; BayObLG M D R 1973 153); dies kann z. B. angenommen werden, wenn ein Täter mit geringer Fahrpraxis mit einem ihm nicht vertrauten Kfz auf einer Landstraße mit 120 bis 130 k m / h bei Nacht fährt und seine BÄK 0,73 %> beträgt (BGH aaO).

141

Bei einem Vergehen nach §316 ist die abstrakte Gefährlichkeit Tatbestandsmerkmal und darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Wenn der Täter jedoch in durch Alkoholgenuß bedingten fahruntüchtigen Zustand eine längere Strecke zurückgelegt hat, kann hieraus auf eine erhebliche abstrakte Gefährdung zu Lasten des Angeklagten geschlossen werden, ohne daß konkrete Feststellungen über die Verkehrsdichte getroffen zu werden brauchen (OLG Frankfurt VRS 44 37, (182)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

40). Ein vorsätzliches Handeln ist im Rahmen des §316 Straferschwerungsgrund, weil der Strafrahmen für Vorsatz und Fahrlässigkeit der gleiche ist (Frankfurt aaO). Eine erheblich über der 1,3 %o-Grenze liegende BÄK kann strafschärfend ver- 142 wertet werden. Auch grobe Fahrlässigkeit ist ein Straferschwerungsgrund, wie besonders leichtfertige Fahrweise unter Alkoholeinfluß auf kurvenreicher Strecke, Durchführung einer reinen Vergnügungsfahrt zwecks Besuchs mehrerer Gaststätten (vgl. OLG Koblenz DAR 1973 75; VRS 45 450). Erhebliche Unfallfolgen aber auch der Verstoß gegen mehrere tateinheitlich zusammentreffende Gesetzesbestimmungen fallen zu Ungunsten des Täters ins Gewicht (vgl. Sch.-Schröder-Stree § 46 Rdn. 14; Dreher § 46 Rdn. 21 ff; Kofflca LK9 § 13 a. F. Rdn. 42 m. weit. Nachweisen). 7. Die soziale Stellung eines Täters nach §§ 315 b bis 316 kann i. d. R. eine Straf- 143 schärfung nicht begründen (vgl. BGH VRS 24 47: Bundeswehrangehörige; OLG Köln VRS 33 31: Rechtsanwalt; OLG Hamm DAR 1958 192: Abgeordneter). Sie wirkt sich jedoch dann strafschärfend aus, wenn die berufliche oder amtliche Stellung zugleich die Verpflichtung mit sich bringt, für die Erhaltung der Rechtsgüter besondere Sorge zu treffen (Sch.-Schröder-Stree Rdn. 35). Bei Verkehrsverstößen hat die Rechtsprechung Polizisten, Verkehrsrichter, Fahrlehrer als besonders verpflichtet angesehen (OLG Hamm NJW 1957 1449); desgleichen bei Trunkenheitsfahrten: Ärzte (OLG Frankfurt NJW 1972 1524 m. abl. Anm. Hanack NJW 1972 2228), Kriminalbeamte (OLG Braunschweig NJW 1960 1073), Taxifahrer (OLG Oldenburg NJW 1964 1333), aber auch Angehörige der Wasserschutzpolizei (OLG Hamburg Blutalkohol 1977 428). 8. Kein beachtlicher Strafzumessungsgrund ist das Alter einer getöteten Person 144 (BayObLG NJW 1974 250 m. Anm. Schroeder, OLG Koblenz VRS 48 181; BGH VRS 5 213; OLG Köln DAR 1963 306). Ausländereigenschaft darf weder strafschärfend noch strafmildernd berücksichtigt werden (Art. 3 Abs. 3 G G ; BGH NJW 1972 2191; OLG Karlsruhe NJW 1974 2062). 9. Ob bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr eine Geldstrafe verhängt wer- 145 den kann, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 47 StGB. In jedem Fall ist zu prüfen, ob eine Geldstrafe den Strafzweck erfüllt, falls nur eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten in Frage kommt. Grundsätzlich kann Geld- oder Freiheitsstrafe nicht schlechthin oder überwiegend von den Tatfolgen abhängig gemacht werden (OLG Hamm VRS 39 330). Bei Ersttätern wird bei Vergehen nach §316 wohl primär eine Geldstrafe in Erwägung zu ziehen sein, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls, die im Urteil näher darzulegen sind, die Verhängung einer Freiheitsstrafe gebieten. Auch bei Wiederholungstätern sind Geldstrafen nicht allgemein ausgeschlossen, vielmehr wird es im einzelnen auf die Art der Vorstrafen, die Schuldform der neuen Tat, der Art ihrer Begehung ankommen (vgl. BayObLG Blutalkohol 1970 334; OLG Hamm VRS 40 100; OLG Karlsruhe DAR 1971 188). Der Umstand, daß ein wegen Trunkenheit am Steuer verurteilter Kraftfahrer innerhalb der Bewährungszeit erneut einschlägig straffällig wird, wird i. d. R. die Annahme rechtfertigen, daß zur Einwirkung auf ihn die Verhängung einer Freiheitsstrafe erforderlich ist (OLG Koblenz VRS 45 173). Will das Gericht für einen durch schweren Alkoholmißbrauch verursachten tödlichen Verkehrsunfall (nur) eine Geldstrafe verhängen, so muß es in den Urteilsgründen regelmäßig darlegen, weshalb keine Freiheitsstrafe von 6 Monaten oder mehr in Betracht kommt und (183)

§316

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

weshalb eine kürzere Freiheitsstrafe nicht zur Einwirkung auf die Persönlichkeit des Täters oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich ist (OLG Stuttgart VRS 41 413). Zur Bemessung der Tagessatzhöhe s. Bemerkungen zu § 40. 146

10. Unerläßlich ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter nur, wenn eine Geldstrafe hierzu nicht ausreicht (OLG Stuttgart VRS 39 417). Es kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, daß allein schon eine überdurchschnittlich große Tatschuld eines Ersttäters einer Trunkenheitsfahrt die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerläßlich macht (OLG Stuttgart aaO). Im Einzelfall kann jedoch schwerwiegendes Verschulden oder eine große Gefährlichkeit der Tat ein besonderer Umstand im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB sein (OLG Köln DAR 1971 300). Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe kann ausnahmsweise auch bei einer folgenlosen Trunkenheitsfahrt eines bisher nicht bestraften Kraftfahrers geboten sein; hat der Tatrichter diese Überzeugung rechtsfehlerfrei gewonnen, ist sie revisionsrichterlicher Nachprüfung entzogen (OLG Frankfurt DAR 1972 48), wenn der Tatrichter seine Überzeugung in den schriftlichen Urteilsgründen eingehend dargelegt und abgewogen hat, wie eine auch sehr hohe Geldstrafe auf den Täter wirken wird (OLG Frankfurt NJW 1972 298; OLG Braunschweig Blutalkohol 1970 475; OLG Koblenz MDR 1970 693; OLG Hamburg VerkMitt. 1971 57 Nr. 67; OLG Zweibrücken Blutalkohol 1970 330; VRS 38 40).

147

Vorstrafen können nicht nur straferschwerend berücksichtigt werden (BGH VRS 41 349), sondern auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder die Versagung von Strafaussetzung rechtfertigen. Greifen die Verwertungsverbote der §§ 49, 60, 61 BZRG nicht ein, kann eine einschlägige Vorstrafe bei einer Wiederholungstat als persönlichkeitsbezogener Umstand die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerläßlich machen; jedoch darf auch bei Wiederholungstätern die Unerläßlichkeit einer Freiheitsstrafe nicht schematisch bejaht werden (OLG Hamm VRS 41 410; Blutalkohol 1971 63, 463; 1970 479; OLG Düsseldorf VerkMitt. 1971 58 Nr. 88). Dies gilt auch bei bedingt vorsätzlicher, aber folgenlos gebliebener Trunkenheitsfahrt (OLG Frankfurt DAR 1972 49). Bei einem Wiederholungstäter werden aber die besonderen Voraussetzungen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe meist gegeben sein (OLG Koblenz Blutalkohol 1971 463). Ein Tatrichter läßt die Persönlichkeit des Täters und sein Vorleben außer acht und entscheidet deshalb rechtsfehlerhaft, wenn er dem Umstand nicht das ihm zukommende Gewicht beimißt, daß der Täter innerhalb der Bewährungszeit rückfällig geworden ist (KG Blutalkohol 1972 276). Der bloße Hinweis auf eine Vorstrafe oder die Begehung der neuen Tat innerhalb der Bewährungsfrist genügen zur Begründung einer Freiheitsstrafe jedoch nicht (OLG Schleswig Blutalkohol 1970 396; SchlHA 1971 94s.

148

Nicht rechtsfehlerhaft ist es jedoch, die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen einen mit einem Blutalkoholgehalt von 2,7 %o auf nächtlicher Straße unfallfrei gefahrenen Pkw-Führer als zur Einwirkung auf den Täter unerläßlich anzusehen, wenn die Tat etwa 10 Monate nach einer einschlägigen Vortat (2,14 %), weniger als 4 Monate nach deren Aburteilung, innerhalb der zugebilligten Bewährungsfrist und weniger als einen Monat nach Neuerteilung der entzogen gewesenen Fahrerlaubnis begangen wurde (OLG Köln Blutalkohol 70 250), oder ihm 12 Tage vor der weiteren Tat die Anklageschrift für eine vorher begangene einschlägige Straftat zugestellt worden war und er vor der neuerlichen Trunkenheitsfahrt Alkohol in Fahrbereitschaft getrunken hat (OLG Koblenz VRS 54 31). Bei einem mehrfach rückfälligen (184)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

Trunkenheitstäter ergibt die Würdigung der Person regelmäßig die Unerläßlichkeit auch einer nur kurzfristigen Freiheitsstrafe (OLG Hamm VRS 40 11 = VerkMitt. 1971 4 Nr. 5). Eine Vorstrafe wegen tateinheitlicher Vergehen der fahrlässigen Verkehrsgefährdung und der fahrlässigen Tötung reicht aber für sich allein nicht aus, um die Unerläßlichkeit einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter zu begründen (OLG Hamm Blutalkohol 1971 238). Zur Verteidigung der Rechtsordnung ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe 149 dann unerläßlich, wenn zu besorgen ist, daß die Verhängung einer Geldstrafe die Rechtstreue der Bevölkerung gefährden könnte (OLG Stuttgart VRS 39 417). Es besteht kein Rechtssatz des Inhalts, daß in schwereren Fällen der Führung eines Kraftfahrzeugs die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich sei (BayObLG Blutalkohol 1970 400; OLG Köln Blutalkohol 1971 61 = VerkMitt. 1970 21; VRS 39 27). Jedoch wird bei Trunkenheitsfahrten mit schwerwiegenden, nicht wiedergutzumachenden Folgen die Verteidigung der Rechtsordnung häufiger als bei den meisten sonstigen Rechtsverletzungen den Ausspruch einer, wenn auch nur kurzfristigen Freiheitsstrafe verlangen; dies gilt auch bei unbescholtenen Ersttätern (BayObLG VRS 42 179; 54 431; OLG Koblenz VRR 54 348; vgl. auch BGHSt. 2464). Bedürfnisse der Allgemeinheit nach Recht und Sicherheit im Straßenverkehr 150 und die in überfüllten Straßen einer Großstadt von jedem Kraftfahrer zu verlangende Gesetzestreue begründen noch nicht die Unerläßlichkeit einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung (OLG Köln DAR 1971 300). Auch der allgemeine Hinweis auf die Zunahme von Trunkenheitstaten im Verkehr genügt nicht (OLG Hamm DAR 1970 328). Eine bedrohliche Zunahme der Trunkenheitsdelikte soll nach OLG Koblenz (Blutalkohol 1971 69) eine Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen. Das gilt jedoch nur, wenn der Tatrichter einen solchen Einstellungswandel in erfahrungswissenschaftlich überzeugender Wesise festgestellt und dargelegt hat, daß ihm nur durch die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen entgegengewirkt werden kann (OLG Frankfurt VRS 42 182 = DAR 1972 49). Bei Wiederholungstätern ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidi- 151 gung der Rechtsordnung nicht immer unerläßlich; dies gilt auch bei bedingt vorsätzlicher, aber folgenloser Trunkenheitsfahrt eines verkehrsstrafrechtlich vorbelasteten Kraftfahrers (OLG Frankfurt DAR 1972 49). Eine Freiheitsstrafe kann aber aus Gründen der Einwirkung auf den Täter geboten sein (OLG Zweibrücken Blutalkohol 1970 332 = DAR 1970 164). 11. Strafaussetzung zur Bewährung ist bei Trunkenheitsdelikten nach den glei- 152 chen Grundsätzen zu bewilligen, wie bei anderen Straftaten. Die Entscheidung nach § 56 Abs. 1 StGB ist keine Ermessensentscheidung; die Vollstreckung von Freiheitsstrafen unter 6 Monaten ist, günstige Sozialprognose vorausgesetzt, zur Bewährung auszusetzen, Strafen von 6 Monaten bis zu einem Jahr unter den gleichen Voraussetzungen, jedoch nur dann, wenn nicht die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet (vgl. im einzelnen dazu die Bemerkungen zu §56). Die Strafzumessung und auch die Zubilligung oder Versagung der Strafausset- 153 zung ist grundsätzlich eine dem Tatrichter obliegende Würdigung. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn der Tatrichter von unrichtigen oder unvollständi(185)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

gen Erwägungen ausgegangen ist oder von seinem Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise Gebrauch gemacht hat (OLG Hamm VRS 41 96). 154 Auch wenn eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten zur Einwirkung auf den Täter nach § 47 StGB unerläßlich ist, muß deren Vollstreckung bei günstiger Sozialprognose ausgesetzt werden (BGH VRS 41 181 = NJW 1971 1415), falls nach Überzeugung des Gerichts gerade die Warnfunktion der Vollstreckung den Täter von weiteren Straftaten abzuhalten geeignet ist. 155

Vorstrafen, auch ungleichartige, können gegen eine günstige Prognose i. S. v. § 56 sprechen (OLG Köln Blutalkohol 1973 267). Jedenfalls setzt eine neuerliche Bewährungsfrist das Vorliegen besonderer Umstände voraus (OLG Saarbrücken VRS 49 351) und gibt i. d. R. Anlaß, den Versagungsgrund der Verteidigung der Rechtsordnung zu erörtern (OLG Saarbrücken aaO). Auch Taten, die noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen zugrunde liegen, können bei der Prüfung künftigen Wohlverhaltens unter gewissen Voraussetzungen verwertet werden, z. B. daß der Täter sich durch eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung wegen einer gleichartigen Tat nicht hat warnen lassen; OLG Stuttgart NJW 1961 1491; OLG Hamm NJW 1965 924; OLG Koblenz VRS 51 428). Das Gericht darf jedoch nicht allein von der Tatsache der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung ausgehen, sondern hat in diesem Fall die dieser Entscheidung zugrunde liegende Tat selbständig zu würdigen. Steht diese Würdigung allerdings mit neuen Tatsachen des späteren Verfahrens in Widerspruch, können diese unter bestimmten Voraussetzungen evtl. einen Wiederaufnahmeantrag nach § 358 Nr. 5 StPO begründen. Nach OLG Koblenz (VRS 53 196) soll eine noch nicht abgeurteilte Tat nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie der Täter eingestanden hat.

156

Es ist rechtsfehlerhaft, Strafaussetzung zur Bewährung allein mit der Erwägung zu bewilligen, es genüge, daß der Täter nunmehr die wegen der Vortat verhängte Strafe, deren Vollstreckung ausgesetzt wurde, verbüßen müsse, weil der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer erneuten einschlägigen Straftat in § 56 f StGB nicht zwingend vorgeschrieben ist (OLG Zweibrücken VRS 41 182). Nicht rechtsfehlerhaft ist es jedoch, die Warnungsfunktion des voraussichtlichen Widerrufs der Strafaussetzung für die frühere Strafe im Rahmen der Persönlichkeitsprognose mitzuberücksichtigen, wobei es sich je nach Lage des Falles rechtfertigen läßt, die Bewährungserwartung ohne Vollstreckung der neuen Strafe zu verneinen oder zu bejahen (OLG Köln VRS 42 96; Blutalkohol 1971 299), weil der Umstand, daß die neue Tat innerhalb einer laufenden Bewährungszeit begangen wurde, allein nicht geeignet ist, von vornherein eine schlechte Prognose zu stellen und es einen Rechtssatz, daß Vorstrafen schlechthin eine Strafaussetzung zur Bewährung ausschließen, nicht gibt (OLG Köln VRS 42 94). Vielmehr kommt es auch in diesem Fall stets auf den Einzelfall an (OLG Köln VRS 39 418; OLG Koblenz VRS 53 29). 157 Bei einem rückfälligen Täter kann die Strafvollstreckung aber grundsätzlich nur dann abermals ausgesetzt werden, wenn Umstände vorliegen, aus denen trotz der schlechten Erfahrungen, die mit ihm gemacht worden sind, eine günstige Prognose hergeleitet werden kann ( K G VRS 41 254). Die Annahme einer günstigen Prognose bedarf in diesem Fall besonders eingehender Darlegungen (OLG Hamm DAR 1972 245; OLG Karlsruhe VRS 50 42; OLG Saarbrücken VRS 49 351). Bei einem labilen Alkoholiker, der wenige Monate nach Verbüßung einer einschlägigen Freiheitsstrafe wieder unter Alkohol am Straßenverkehr teilnimmt, kann eine günstige Prognose nur unter ganz besonderen, im einzelnen darzulegenden Umständen in Betracht kommen (OLG Stuttgart DAR 1971 270); ebenso bei einem (186)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

Täter, der zum dritten Male wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt werden muß (OLG Hamm VRS 54 28). Trunkenheitsfahrten können symptomatisch für die mangelnde Reife eines Heranwachsenden sein (OLG Frankfurt NJW 1970 957). Wird durch einen einschlägig vorbestraften Trunkenheitstäter (BÄK: 1,8 bis 2%>) auf einer Zechtour ein sich ordnungsgemäß verhaltender Fußgänger getötet und zwei weitere erheblich gefährdet, entfernt sich alsdann der Täter von der Unfallstelle und kann er später erst nach einer Verfolgungsfahrt durch die Polizei festgenommen werden, so gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung die sofortige Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe (OLG Koblenz VRS 48 182). Die bloße Erwägung, der Angeklagte zeige Reue und Einsicht, und sein Fehlver- 158 halten beruhe nicht auf einer rechtsfeindlichen Gesinnung, sondern auf dem Zusammentreffen ungünstiger äußerer Faktoren, genügt nicht für eine günstige Prognose (OLG Stuttgart VRS 39 420). Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose nicht die Zeit der Tat, sondern die des Urteilserlasses ist, müssen Veränderungen in den Lebensumständen des Täters, die nach der Tat eingetreten sind, bei der Persönlichkeitsprognose mitwiegen (OLG Hamm VRS 38 257; OLG Köln VRS 39 418; OLG Zweibrücken VRS 41 182). Hat der Angeklagte nach der zur Aburteilung anstehenden Tat eine längere Freiheitsstrafe verbüßt und läßt gerade diese Einwirkung eine günstige Zukunftsprognose zu, stehen einer Strafaussetzung zur Bewährung auch erhebliche Vorstrafen nicht entgegen (BayObLG Blutalkohol 1974 349). Eigene schwere Verletzungen mit Dauerfolgen können (wie schon nach früherem Recht: OLG Braunschweig NJW 1964 2263; OLG Köln NJW 1966 895) Strafaussetzung nach § 56 Abs. 1 StGB rechtfertigen. Bei Strafen zwischen 6 Monaten und 1 Jahr darf die Vollstreckung nicht ausge- 159 setzt werden, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet (§ 56 Abs. 3). Eine Freiheitsstrafe über 6 Monate für ein Vergehen nach § 316 kommt praktisch kaum vor. Strafen in dieser Höhe werden meist nur bei Trunkenheitsfahrten nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a (Abs. 3) StGB mit schweren Unfallfolgen (z. B. fahrlässiger Tötung oder (mit) erschwerter Verkehrsflucht) verhängt. Bei Verurteilung wegen Trunkenheitsfahrt mit schweren Unfallfolgen (§ 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 StGB) ist die Aussetzung der zwischen 6 Monaten und einem Jahr betragenden Freiheitsstrafe nicht schon „in aller Regel" ausgeschlossen (OLG Zweibrücken VRS 45 108). In einem solchen Falle gebietet vielmehr die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nur dann, wenn angesichts der besonderen Umstände des Falles zu besorgen ist, daß die Aussetzung der Strafe auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen würde. Eine solche Befürchtung liegt bei gehäuft auftretenden Straftaten mit nicht wiedergutzumachenden Schäden, wie Trunkenheitsfahrten mit schweren Unfallfolgen, näher als bei sonstigen Rechtsverletzungen. Ist diese Befürchtung nach den Umständen des Einzelfalles zu bejahen, dann kann die Aussetzung der Vollstrekkung nicht allein mit dem Hinweis auf ein besonders günstiges Persönlichkeitsbild des nicht vorbestraften Täters begründet werden (BGHSt. 24 64 = VRS 40 253; ebenso OLG Celle Blutalkohol 1971 58; OLG Koblenz DAR 1971 106; OLG Oldenburg Blutalkohol 1970 246; OLG Hamm VRS 45 269). Bei schweren Folgen einer Trunkenheitsfahrt kann die Verteidigung der Rechtsordnung auch gegenüber einem Ersttäter sowohl die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten, als auch ihre Vollstreckung unerläßlich machen (OLG Karlsruhe VRS 49 346); so z. B. bei Tod des Beifahrers und schwerste Verletzungen von vier weiteren Personen (OLG Koblenz VRS 52 21); auch das stetige und deutliche Ansteigen (187)

§316

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

einschlägiger Straftaten kann bedeutsam sein (OLG Hamm VRS 40 342; Blutalkohol 1975 66 m. Anm. Händel). Die statistisch nachgewiesene Zunahme von Trunkenheitsdelikten rechtfertigt aber Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung bei Freiheitsstrafen über 6 Monaten nur bei begründeter Annahme, daß gerade die Vielzahl der Strafaussetzungsbewilligungen die Rechtstreue der Bevölkerung nachteilig beeinflußte. 160

12. Auch bei Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr kann unter den Voraussetzungen des § 60 StGB von Strafe abgesehen werden. Das Absehen von Strafe beschränkt sich aber auf seltene Ausnahmefälle, in denen eine Strafe offensichtlich verfehlt ist (vgl. § 60 Rdn. 4). Zu berücksichtigen und abzuwägen sind nicht nur die objektiven Folgen, die bei dem Täter eingetreten sind, sondern auch verschuldete nachteilige Auswirkungen auf dritte, dem Täter nicht verwandtschaftlich nahestehende Personen (OLG Hamm VRS 41 350). § 60 S. 1 StGB ist aber nicht schon dann unanwendbar, wenn durch den vom Angeklagten verschuldeten Verkehrsunfall nicht nur nahe Angehörige, sondern auch Dritte getötet oder erheblich verletzt worden sind (OLG Düsseldorf VRS 42 273). Ob die schweren Folgen der Tat, die den Angeklagten getroffen haben, eine Strafe offensichtlich verfehlt erscheinen lassen, ist unter Berücksichtigung aller Strafzwecke und unter Beachtung der jeweiligen Umstände des Falles zu entscheiden (OLG Celle VRS 40 251 = DAR 1971 105). Bei einem Verkehrsunfall mit erheblichen Folgen darf aber nicht schon deshalb von Strafe abgesehen werden, weil der Angeklagte selbst einen den Durchschnitt bei vergleichbaren Fällen nicht übersteigenden gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden erlitten hat (OLG Frankfurt NJW 1972 456). Es ist nicht rechtsfehlerhaft, bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem besonders unvernünftigen und hochgefährlichen Verkehrsmanöver den Grad der Gefährdung eines anderen Verkehrsteilnehmers den Ausschlag für das Strafbedürfnis geben zu lassen, auch wenn der Tod der bei diesem Manöver gleichfalls gefährdeten und verunglückten mitfahrenden Ehefrau für den Täter besonders tragische Auswirkungen hat (OLG Köln Blutalkohol 1972 75; NJW 1971 2036 = M D R 1971 941).

161

Daß der Täter bei dem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall über die dabei eingetretene schwere Gefährdung eines nahen Angehörigen heftig erschrocken ist und daß der ihm gehörende Kraftwagen beschädigt wurde, genügt zur Anwendung des § 60 nicht (BayObLGSt. 1971 19 = VRS 40 348). Treffen zwei Gesetzesverletzungen tateinheitlich zusammen (hier: Tötung sowohl eines nahen Angehörigen als auch außenstehenden Dritten bei einem vom Täter verschuldeten Verkehrsunfall), so kann die Frage, ob nach § 60 StGB von Strafe abzusehen ist, nur einheitlich entschieden werden; die Staatsanwaltschaft ist nicht befugt auf Grund des § 153 a Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Gerichts hinsichtlich einer dieser Gesetzesverletzungen von der Erhebung der öffentlichen Klage abzusehen. Wäre nach Feststellungen des Tatrichters wegen der schweren Tatfolgen, die den Täter getroffen haben, die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt, so kann das Revisionsgericht auch ohne einen dahingehenden Antrag der Staatsanwaltschaft selbst aussprechen, daß von Strafe abgesehen wird (BayObLG VRS 42 191 = NJW 1972 696).

162

13. Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) ist seit 1. 1. 1975 möglich. Sie ist nur zulässig bei Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen, i. d. R. aber ausgeschlossen, wenn der Täter innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Tat bereits mit Strafvorbehalt verwarnt oder zu Strafe verurteilt worden ist (§ 59 Abs. 2). Der Richter hat die (188)

Trunkenheit im Verkehr (Rüth)

§316

Anzahl der Tagessätze aber auch die Höhe des einzelnen Tagessatzes und die Dauer der Bewährungszeit zu bestimmen und den Täter zu verwarnen. Es handelt sich um eine Verurteilung zu Geldstrafe mit Bewährung. Bei Trunkenheitsdelikten wird sie eine seltene Ausnahme sein, da diese als Regelmaßnahme die Fahrerlaubnisentziehung vorsehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 StGB) und eine Verwarnung mit Strafvorbehalt neben Maßnahmen der Besserung und Sicherung nicht zulässig ist (§ 59 Abs. 3 S. 2 StGB). Nur wenn diese Regelmaßnahme nicht in Betracht kommt, was in den Urteilsgründen näher dargelegt werden muß, kann einer Verwarnung mit Strafvorbehalt nähergetreten werden. Sie ist, wie sich insbes. aus Absatz 1 Nr. 2 dieser Bestimmung ergibt, auf besondere Ausnahmefälle beschränkt. Die Anordnung eines Fahrverbots ist neben der Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht zulässig (BayObLG DAR 1975 333 = MDR 1976 m. zust. Anm. Berz; Full-Möhl-Rüth § 44 StGB Rdn. 4).

X. Verfahrensrechtliche Fragen. Zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit bedarf es 163 der Zuziehung eines Sachverständigen dann nicht, wenn die Bestimmung der BÄK keine besonderen Probleme aufwirft; auch auf die Mitteilung der Anknüpfungstatsachen und der Darlegung eines evtl. doch vernommenen Sachverständigen, sowie einer Würdigung im Einzelfall bedarf es in den Urteilsgründen in diesen Fällen nicht (OLG Hamburg Blutalkohol 1975 275). In schwieriger gelagerten Fällen jedoch, vor allem, wenn es für die Frage der Fahruntüchtigkeit entscheidend auf die Frage ankommt, wie hoch die BÄK des Angeklagten zur Tatzeit war und dieses Ergebnis durch nicht einfache Rückrechnungsarten gewonnen werden muß, ist die Angabe der Anknüpfungstatsachen unerläßlich (OLG Bremen VRS 48 272; OLG Koblenz DAR 1974 134). Gleiches gilt, wenn Fahruntüchtigkeit des Angeklagten infolge des Zusammenwirkens von Alkohol und Psychopharmaka angenommen wird (OLG Koblenz Blutalkohol 1974 133). Die Vernehmung eines Sachverständigen genügt im allgemeinen, vor allem, wenn es sich um einen Universitätsprofessor mit langjähriger Berufserfahrung handelt (OLG Koblenz Blutalkohol 1975 74). Die Anknüpfungstatsachen sind in den Urteilsgründen anzuführen (OLG Koblenz Blutalkohol 1976 368). Die BAK-Meßwerte können auch durch Vortrag des Vorsitzenden in die Hauptverhandlung eingeführt werden (OLG Köln Blutalkohol 1976 366). Die Angaben eines Angetrunkenen an der Unfallstelle gegenüber den Polizeibe- 164 amten sind verwertbar, auch wenn ihnen eine entsprechende Belehrung hinsichtlich des ihm angelasteten Vorwurfs und sein Schweigerecht nicht vorausgegangen war; die gemachten Angaben bedürfen aber bezüglich ihres Beweiswertes einer sorgfältigen Prüfung (OLG Celle VRS 41 206). Ein Rechtsmittel kann grundsätzlich wirksam auf die Strafzumessung beschränkt 165 werden (vgl. OLG Koblenz VRS 49 379 zur Auslegung einer Rechtsmittelbeschränkungserklärung). Es ergreift auch die Strafaussetzungsfrage. Die Beschränkung auf das Strafmaß ist jedoch unwirksam, wenn die Feststellungen zur Schuldfrage lükkenhaft, unvollständig oder widerspruchsvoll sind, und sie den Schuldumfang nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen (OLG Hamm VRS 42 197; DAR 1972 245; BayObLG MDR 1971 508), oder die Nachprüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht zulassen (Koblenz VRS 49 362). Eine Beschränkung auf den Strafausspruch ist auch dann unwirksam, wenn das angefochtene Urteil keine Angaben über den Zeitpunkt der Blutentnahme und die Höhe der BÄK enthält (OLG Koblenz VRS 51 350). (189)

§ 316 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Im übrigen kann aber auch die Strafaussetzungsfrage allein angefochten werden, wenn die Urteilsgründe eine zur Aussetzungsfrage von den übrigen Strafbemessungsgründen getrennte Würdigung vorgenommen haben (BGHSt. 11 393; 24 165; OLG Hamm VRS 42 355; OLG Köln Blutalkohol 1971 467; OLG Saarbrücken VRS 49 351). 166

Fährt der durch Alkoholgenuß fahruntüchtig gewordene Fahrer nach einem Verkehrsunfall weiter, so ist das Vergehen der Straßenverkehrsgefährdung mit der Herbeiführung des Unfalls beendet, mit der Weiterfahrt wird ein neuer Entschluß betätigt (vgl. Erl. Rdn. 102 oben). Materiellrechtlich liegen somit zwei Taten vor. Verfahrensrechtlich ist der Vorgang jedoch eine Tat i. S. des § 264 StPO (BGH DAR 1970 74). Die Einheitlichkeit des Lebensvorgangs im Sinne des § 264 StPO macht jedoch für sich allein eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Verurteilung wegen Verkehrsflucht rechtlich zusammentreffend mit Trunkenheit im Verkehr noch nicht unzulässig (BGHSt. 24 185; OLG Karlsruhe NJW 1971 157). Da jedoch die tatbestandsmäßige Verflechtung zwischen schuldhafter Herbeiführung eines trunkenheitsbedingten Verkehrsunfalles und der anschließend begangenen Verkehrsflucht einer beide Ereignisse umfassenden Trunkenheitsfahrt sehr eng ist, kann der Schuldspruch nicht geteilt werden (BayObLGSt. 1971 45; vgl. auch BGHSt. 24 185 jeweils mit weiteren Nachweisen); eine getrennte Anfechtung ist in diesen Fällen nicht möglich.

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Will das Gericht den wegen fahrlässiger Trunkenheit Angeklagten wegen vorsätzlicher Begehungsweise verurteilen, hat er ihn vorher gemäß § 265 Abs. 1 StPO zu belehren (BGH VRS 49 184).

168

Das bei vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer (§316 Abs. 1 StGB) benutzte Kraftfahrzeug unterliegt nicht der Einziehung nach §74 StGB (BGHSt. 10 26; OLG Hamm Blutalkohol 1974 282).

§ 316 a Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer. (1) Wer zur Begehung eines Raubes (§§ 249, 250), eines räuberischen Diebstahls (§ 252) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255) einen Angriff auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fUnf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. (2) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter aus freien Stükken seine Tätigkeit aufgibt und den Erfolg abwendet. Unterbleibt der Erfolg ohne Zutun des Täters, so genügt sein ernstliches Bemühen, den Erfolg abzuwenden. Schrifttum Beyer Zur Auslegung des § 316 a StGB, NJW 1971 872; Meurer-Meichsner Untersuchungen zum Gelegenheitsgesetz im Strafrecht. Zugleich ein Beitrag zu § 316 a StGB, 1974; RothStielow Die gesetzwidrige Ausweitung des § 316 a StGB, NJW 1969 303. (190)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316 a

I. Zur Entstehungsgeschichte. §316a dient dazu, bestimmte Formen des „Ver- 1 brecherunwesens und Rowdytums auf den Straßen", das sich gegen die am Kraftfahrverkehr teilnehmenden Personen richtet, besonders nachhaltig zu bekämpfen (BGH NJW 1971 765, 2035). Der Vorgänger des § 316 a, das Gesetz gegen Straßenraub mittels Autofallen v. 22. 6.1938 (RGBl. I 651), bedrohte mit der Todesstrafe als einziger Strafe den, der in räuberischer Absicht eine Autofalle stellte. Dieses Gesetz wurde wegen mangelnder rechtsstaatlicher Ausgestaltung, und weil es als Strafe nur die Todesstrafe vorsah, durch Kontrollratsges. Nr. 55 Art. I I I aufgehoben. Schwere Verbrechen gegen Kraftfahrzeugführer und Mitfahrer, die sich nach 1945 insbesondere auf den Autobahnen ereigneten, zeigten aber, daß ein echtes Bedürfnis für eine strenge einschlägige Strafbestimmung bestand. Bei der Gestaltung des §316a durch das 1. Straßenverkehrssicherungsgesetz v. 19.12.1952 (BGBl. I 832) sah der Gesetzgeber dabei seine Aufgabe darin, den Tatbestand, rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechend, bestimmt und klar herauszuarbeiten und die Strafdrohung, wenn sie auch besonders schwer sein mußte, dem sonst im Strafgesetzbuch bestehenden System der Strafdrohungen anzupassen (Bericht des BT-Ausschusses für Verkehrswesen v. 22. 10. 1952, BT Drucks. I 2674 und 3774). Durch das I. StrRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. I 645) wurden in Absatz 2 die bisherigen Voraussetzungen der Strafmilderung durch die Verweisung auf den damaligen § 15 StGB ersetzt. Durch das ll.StRÄndG v. 16. 12. 1971 (BGBl. I 1977) wurde im Absatz 1 ein neuer Satz 2 zugefügt, der für minder schwere Fälle die bisherige Mindeststrafe von 5 Jahren Freiheitsstrafe auf ein Jahr herabsetzt. Dies entsprach Reformwünschen, die Berücksichtigung mildernder Umstände zu ermöglichen (vgl. dazu die Erörterungen im BT = Sonderausschuß für die Strafrechtsreform in der 34. Sitzung v. 25. 3. 1971, Prot. S. 1227). Zuvor hatte BGHSt. 24 173 = NJW 1971 2034 m. Anm. Beyer ausgesprochen, daß die bisherige Mindeststrafe sowohl mit dem Grundgesetz wie mit Art. 3 MRK vereinbar sei. Durch Art. 19 Nr. 177 EGStGB vom 2. 3. 1974 wurden zur Bereinigung einer Zweifelsfrage des bisherigen Rechts (dazu Rdn. 26 in der Vorauflage) in Absatz 1 S. 1 die Worte „eines räuberischen Diebstahls (§ 252)" eingefügt und in Absatz 2 lediglich Anpassungsänderungen durchgeführt (Ersetzung der Verweisung auf § 15 durch eine solche auf §49 Absatz 2, von „aus freien Stücken" durch „freiwillig" und von „ernstliches" [Bemühen] durch „ernsthaftes"). II. Wesen des Delikts 1. Das Verbrechen nach § 316 a ist dadurch charakterisiert, daß zur Vollendung 2 bereits das Unternehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 6) eines Angriffs auf den geschützten Personenkreis genügt, wenn es unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt und der Täter „zur Begehung" von Raub, räuberischem Diebstahl oder räuberischer Erpressung handelt. Damit hat der räuberische Angriff auf Kraftfahrer in § 316 a gegenüber dem Raub (dem räuberischen Diebstahl, der räuberischen Erpressung), deren Begehung er dient, eine eigene tatbestandliche Ausgestaltung erfahren (BGHSt. 18 170, 172 = NJW 1963 452; BGH NJW 1971 765, 766). 2. Die Richtigkeit der systematischen Einordnung des § 316 a in den 27. Abschnitt 3 „Gemeingefährliche Straftaten" wird im Schrifttum bestritten. Einmal wird darauf hingewiesen, daß die Vorschrift eine Gemeingefahr nicht voraussetzt. Zum anderen wird geltend gemacht, daß auch andere am Verkehr, wenn auch nicht am Kraftfahrzeugverkehr, teilnehmende Personen in eine der des Kraftfahrzeugführers oder (191)

§ 316 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Mitfahrers gleiche Lage k o m m e n k ö n n e n ; so ist § 316 a a n w e n d b a r , wenn der Fahrzeugführer den gutgläubigen Mitfahrer an einsamer Stelle zum Aussteigen veranlaßt u n d überfällt (vgl. unten R d n . 12), dagegen u n a n w e n d b a r , wenn er an einsamer Stelle hält, u m einen Fußgänger zu überfallen (vgl. B G H N J W 1971 765). N a c h Maurach-Schroeder BT 6. Aufl., 325, 337; SK = Horn 2; Sch.-Schröder-Cramer, 19. Auflage, 1 ist § 316 a ein Sonderdelikt des Raubes, des räuberischen Diebstahls u n d der räuberischen Erpressung u n d wäre in diesem Z u s a m m e n h a n g zu regeln; mit der Einreihung des § 316 a in den 27. Abschnitt sei der Gesetzgeber „der (leider häufigen, vgl. § 239 a) Versuchung erlegen, Angriffsrichtung u n d Angriffsmittel zu verwechseln oder mindestens zu verkennen, d a ß im Fall der Rechtsgüterkonkurrenz das d o m i n a n t e Rechtsgut über den Standort der einzelnen Strafdrohung entscheiden m u ß " (Maurach-Schroederaa0335). Demgegenüber hat der StGB-Entw. 1962 den § 3 4 8 („Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer"), der den § 3 1 6 a ersetzen soll (unten R d n . 41), in den Titel „Verkehrsstraftaten" eingereiht; ausschlaggebend f ü r die systematische E i n o r d n u n g dieses Tatbestandes, der „gewissermaßen auf der Nahtstelle zwischen den Vermögens- u n d Verkehrsdelikten liegt", war dabei die Erwägung, „ d a ß sich sowohl die Erweiterung der Strafbarkeit, wie auch die Verschärfung der Strafe gegenüber R a u b und Erpressung nur aus den besonderen Verhältnissen des Kraftverkehrs, der durch solche Taten u n d die von ihnen ausgehende Unsicherheit geradezu lahmgelegt wird, erklären lassen" (Begr. S. 584). In der Tat läßt es sich mit diesen Überlegungen rechtfertigen, d a ß § 316 a räumlich aus dem Z u s a m m e n h a n g mit R a u b , räuberischem Diebstahl u n d Erpressung ausgeschieden wurde u n d als eigenständiges Delikt im Anschluß an die Verkehrsstraftaten der §§ 315 b ff seinen Platz f a n d . 4

III. Die Tathandlung. Die T a t h a n d l u n g besteht in dem U n t e r n e h m e n (§ 11 Abs. 1 Nr. 6) eines Angriffs auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers.

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1. Angriff (vgl. §§32, 113) ist jede in feindseliger Willensrichtung gegen eines der genannten Rechtsgüter gerichtete H a n d l u n g o h n e Rücksicht d a r a u f , ob ein verletzender Erfolg eintritt. 2. Angriffsgegenstand sind a) Leib und Leben (vgl. §§ 34, 35)

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aa) des Führers eines Kraftfahrzeugs. Es wird also vorausgesetzt, d a ß es sich um ein in Betrieb befindliches Kraftfahrzeug handelt, denn nur d a n n k a n n von einem „ F ü h r e r " gesprochen werden (BGH bei Spiegel D A R 1977 141 = bei Holtz M D R 1976 988; Jagusch, 23. Aufl., Rdn. 3). § 316 a ist also z . B . u n a n w e n d b a r , wenn der Täter das eigene Kraftfahrzeug zur Begehung eines Raubes in der Weise einsetzt, d a ß er einen a n d e r e n , vor der verschlossenen Tür seines noch nicht in Betrieb g e n o m m e n e n Fahrzeugs stehenden Kraftfahrzeugführer überfällt, indem er beim Vorbeifahren die W a g e n t ü r aufreißt u n d damit den a n d e r e n zu Boden wirft ( B G H aaO). Dagegen ist nicht notwendig, d a ß sich das Fahrzeug in Bewegung befindet; die Tat kann vielmehr auch in oder bei einem haltenden Kraftfahrzeug begangen werden ( B G H N J W 1969 1679; s. unten Rdn. 12);

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bb) eines Mitfahrers, d. h. jedes, der in das Fahrzeug zur Mitfahrt a u f g e n o m m e n ist (BGHSt. 13 29 = N J W 1959 1140). Ohne Bedeutung ist es, ob der Mitfahrer freiwillig oder unter Zwang mitfährt, ob er die ihm von dem Fahrzeugführer oder einem a n d e r e n Mitfahrer d r o h e n d e Gefahr infolge seiner Gutgläubigkeit nicht (192)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316 a

erkennt (BGH bei Spiegel DAR 1977 141) oder ob er sich der verbrecherischen Absicht des Fahrzeugführers erst im Lauf der Fahrt bewußt wird und deshalb von diesem Zeitpunkt an mit der Fortsetzung der Fahrt nicht mehr einverstanden ist (BGH NJW 1971 765, 766). b) die Entschlußfreiheit des Führers oder eines Mitfahrers. Angriff auf die Ent- 8 Schlußfreiheit sind alle Maßnahmen (außer Angriff auf Leib oder Leben), durch die der Führer (Mitfahrer) gezwungen werden soll, seinen Willen demjenigen des Täters unterzuordnen. In Betracht kommen psychischer Zwang (Drohungen mit Gewalt, Befehl zum Halten unter Vortäuschung einer polizeilichen Kontrolle, Aufstellen falscher Haltschilder) oder List (Vortäuschen eines Unfalls, Gerieren als harmloser Anhalter) oder Maßnahmen gegen das Fahrzeug, die sich mittelbar gegen die Insassen richten (Bereiten von Hindernissen auf der Fahrbahn — Legen von Baustämmen, Spannen eines Drahtseils, Versperren der Fahrbahn durch einen Fußgänger, BGH GA 1965 150), oder körperlicher Zwang wie Ergreifen des Steuerrads das den Fahrzeugführer zwingt, es dem Täter zu überlassen, wenn er e i n e n sonst drohenden Unfall vermeiden will. 3. Täter kann jedermann sein. Täter kann insbesondere der Mitfahrer gegenüber 9 dem Führer oder einem anderen Mitfahrer sein; Anlaß zur Schaffung der Vorschrift waren gerade die Fälle, in denen der Fahrgast (der Mitfahrer) den Taxifahrer vorgefaßter Absicht entsprechend tötete oder verletzte, um ihm sein Geld abzunehmen, oder in denen er ihn unter Drohung mit Gefahr für Leib und Leben zur Herausgabe des Geldes zwang. Täter kann aber auch der Fahrzeugführer sein, der allein einen Angriff gegen den Mitfahrer unternimmt (BGHSt. 15 322 = NJW 1961 788; BGH NJW 1971 765; a. M. Beyer NJW 1971 872 und dazu Blei JA 1971 StR 117 [443]), oder der sich an dem Angriff eines Mitfahrers gegen einen anderen Mitfahrer beteiligt (BGHSt. 13 29 = NJW 1959 1140; 22 114 = NJW 1968 1453). IV. Zur Tathandlung gehört weiter die Ausnutzung der besonderen Verhältnisse 10 des Straßenverkehrs. 1. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Täter sich die für den fließenden Kraftfahrzeugverkehr typischen (eigentümlichen) Möglichkeiten und Gefahren zunutze macht, die den Führer oder Mitfahrer in eine Lage gebracht haben, in der er dem räuberischen oder erpresserischen (§ 255) Zugriff ausgesetzt ist, insbesondere wenn er sich eine Gefahrenlage zunutze macht, die dem fließenden Straßenverkehr eigentümlich ist und gerade deshalb so für den Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr entsteht (BGHSt. 18 170, 171 = NJW 1963 452; BGH NJW 1971 765). Nicht erforderlich ist, daß der Täter diese Gefahrenlage herbeigeführt hat, es genügt, daß er sie ausnutzt (BGHSt. 18 170, 171), d. h. in den Dienst seines Tatplans stellt (Sch.Schröder-Cramer 6). Es ist auch nicht erforderlich, daß die Tat im Kraftfahrzeug erfolgt, oder daß das Opfer (Führer oder Mitfahrer) sich im Wagen befindet; notwendig ist nur, daß die Tat in naher Beziehung zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel steht (BGHSt. 19 191, 192 = NJW 1964 602; BGHSt. 22 114, 116 = NJW 1968 1435 = LM Nr. 12 m. Anm. Hübner; NJW 1969 1679; 1971 765, 766; Sch.-Schröder-Cramer 6). Der Grundgedanke dieser Auslegung des Merkmals der „Ausnutzung" ist, die Anwendbarkeit des § 316 a auf solche Lagen zu beschränken, in denen typisch die Gefahr von Angriffen auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit der Teilnehmer am Straßenverkehr vergrößert oder die Möglichkeit ihrer Abwehr verringert ist (Sch.-Schröder-Cramer aaO). IIV)

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2. Beispiele: Eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs liegt danach vor, wenn der Mitfahrer als Täter sich zunutze macht, daß der Fahrzeugführer, weil er die Fahrstrecke im Auge behalten muß, das Verhalten des Mitfahrers nicht überwachen kann, oder daß das Opfer (Führer oder Mitfahrer) aus dem in Fahrt befindlichen Fahrzeug, wenn es die Gefahr erkennt, nicht fliehen, sich auch nicht zur Wehr setzen und auf einsamer Starße auch nicht fremde Hilfe herbeirufen kann. Beim Bereiten von Hindernissen auf der Fahrbahn liegt die Ausnutzung darin, daß erkannte Hindernisse den Führer zum Halten zwingen, weil das Fahrzeug sonst zu verunglücken droht, und daß unbemerkte Hindernisse wegen der Geschwindigkeit des Fahrzeugs besonders große Gefahren bereiten, deren Verwirklichung die Begehung von Raub oder räuberischer Erpressung erleichtert und die Abwehrmöglichkeiten herabsetzt. Eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs liegt z. B. auch vor, wenn ein Geldtransport-Kraftfahrzeug in einer engen Straße mit Hilfe eines sich davor setzenden anderen Kraftfahrzeugs zum Halten gezwungen werden soll, um es den Tätern zu ermöglichen, durch Bedrohung mit Waffen das Transportfahrzeug in ihre Gewalt zu bringen (vgl. BGHSt. 24 320, 321; BGH bei Spiegel DAR 1977 141), oder auch dann, wenn ein vor verfolgenden Fahrzeugen flüchtender Kraftfahrzeugführer vor einer Ampel zu halten gezwungen ist und, von den umgebenden Verfolgern an jeder Flucht, Gegenwehr oder Hilferuf gehindert, es hinnehmen muß, daß einer der Verfolger ihn unter Mißhandlungen beraubt (BGHSt. 25 315 — unten Rdn. 28 —; a. M. anscheinend SK-Horn 5).

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3. Die „Ausnutzung" setzt nicht voraus, daß der Angriff während des Fahrens oder während des Aufenthalts des Opfers im Fahrzeug unternommen wird, vielmehr kann § 316 a auch Anwendung finden, wenn der Angriff nach dem Plan des Täters während eines vorübergehenden Haltens (BGH bei Martin DAR 1974 114; bei Spiegel DAR 1976 86 und bei Daliinger MDR 1975 725) oder nach Erreichung des Fahrtziels und erst dann ausgeführt werden soll, nachdem das Opfer das Fahrzeug verlassen hat. Ein häufiger Fall der „Ausnutzung" ist z. B. der, daß der Führer das Opfer durch Täuschung zum Mitfahren veranlaßt, an einsamer Stelle anhält, den Mitfahrer zum Aussteigen veranlaßt und ihn nach Verlassen des Wagens in dessen unmittelbarer Nähe überfällt und beraubt. Das ist eine für den Straßenverkehr typische Gefahrenlage, weil der für den Raubüberfall vorgesehene Ort „seiner besonderen Lage nach gerade mit den aus dem Kraftfahrzeugverkehr sich ergebenden Möglichkeiten und Gefahren in Beziehung steht" (BGHSt. 5 282; 22 114), weil der Täter die Möglichkeit wahrnimmt, die die Benutzung eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr bietet und dadurch sein Opfer in eine Lage besonderer Schutzlosigkeit bringt (BGH NJW 1971 765).

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Einwendungen im Schrifttum. Die Erstreckung des § 3 1 6 a auf den in Rdn. 12 bezeichneten Fall, daß der Angriff auf das Opfer erst nach vollständigem Verlassen des Wagens erfolgt, wird im Schrifttum (Roth-Stielow NJW 1969 303; s. auch SK = Horn 5) als „gesetzwidrige Ausweitung" des § 316 a angegriffen; dieser Fall habe zwar „etwas mit der Straße, aber nichts mehr mit dem Autoverkehr zu tun". Aus solchen Erwägungen hatte auch das LG Essen in dem der Entscheidung BGH NJW 1971 765 zugrundeliegenden gleichgelagerten Fall die „Ausnutzung" i. S. des § 316 a u. a. mit der Begründung verneint, daß auch andere nicht am Kraftfahrzeugverkehr beteiligte Personen wie z. B. Fußgänger in eine gleiche schutzlose Lage kommen könnten; für solche Fälle reichten die allgemeinen Strafvorschriften gegen Raub usw. aus. Eine andere Auslegung führe dazu, daß durch Anwendung des (194)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316

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§ 316 a mit seiner hohen Mindeststrafe schon für das Unternehmen des Angriffs das „Übermaßverbot" (soll wohl heißen: der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck) verletzt werde. Diese Angriffe gegen die herrschende Meinung gehen fehl. BGH NJW 1971 765 14 hat demgegenüber mit Recht ausgeführt, daß zur Vollendung des § 316 a schon das Unternehmen, also der Versuch eines Angriffs mit dem Ziel eines Raubes (räuberischen Diebstahls oder Erpressung) genügt, und daß mit dem Angriff schon begonnen ist, wenn der Täter das Opfer in dem in seinen Tatplan einbezogenen Kraftfahrzeug zu der ihm geeignet erscheinenden Stelle führt, um es dort zu überfallen; denn dann ist die Gefahr des Raubüberfalls dem Opfer so nahe gerückt, daß es durch die bevorstehende Herbeiführung des Enderfolgs unmittelbar gefährdet ist. Dem Vorwurf der Verletzung des „Übermaßverbots" (vgl. dazu BGH NJW 1971 2034 m. Anm. Beyer) ist durch den eingefügten S. 2 des Absatzes 1 (oben Rdn. 1) der Boden entzogen. 4. Einzelfälle. Wenn die Rechtsprechung auch im grundsätzlichen seit langem 15 gleichförmig und gefestigt ist, so hat doch die Abgrenzung des Begriffsmerkmals der „Ausnutzung" im einzelnen an Hand von Einzelfällen zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Die neuere Rechtsprechung zeigt insgesamt die Tendenz, eine unangemessene Ausweitung der Anwendung des § 316 a durch das oben (Rdn. 10) genannte Erfordernis einzuschränken, daß die Tat in einer nahen Beziehung zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel stehen müsse. Diese Tendenz läßt einzelne Entscheidungen, „die den Tatbestand auszuweiten scheinen und daher zu rechtlichen Bedenken Anlaß geben" (Hübner in LM Nr. 12 zu § 316 a), als durch die Entwicklung der Rechtsprechung überholt erscheinen (vgl. Rdn. 23). a) Hat der Fahrzeugführer den Mitfahrer an eine einsame Stelle gefahren, ihn 16 dort zum Aussteigen veranlaßt und demnächst überfallen, so kommt es nach BGHSt. 5 282 = NJW 54 521 nicht darauf an, ob der Angriff unmittelbar neben dem Fahrzeug oder erst „in einiger Entfernung" davon stattfindet; auch im letzteren Fall bestehe die durch die Verkehrsverhältnisse geschaffene besondere Lage noch fort. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall betrug die „einige Entfernung" 100 m. Schon das bezeichnet BGHSt. 22 114 = NJW 1968 1435 als „weitgehend" und verneint die Anwendbarkeit des § 3 1 6 a , wenn der Mitfahrer, vorgefaßter Absicht entsprechend, zum Verlassen des Wagens und zum Fußmarsch zu einem angeblichen Ziel veranlaßt und von dem Täter (Führer oder/und Mitfahrer) erst in einer Entfernung von 750 m vom Fahrzeug an einsamer Stelle überfallen wird. Das wird einleuchtend damit begründet, daß die besondere Einsamkeit des vom Abstellplatz des Fahrzeugs weit entfernten Tatorts nicht mehr eine dem fließenden Straßenverkehr eigentümliche Gefahrenlage sei; es fehle an der (räumlich) nahen Beziehung der Tat zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel. Zu der räumlich nahen Beziehung der Tat zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel muß dann aber auch eine entsprechende nahe zeitliche Beziehung hinzutreten. § 316 a wäre z. B. unanwendbar, wenn der Täter zum Angriff erst übergeht, nachdem er sich längere Zeit mit dem Opfer neben dem KfZ gelagert hat, oder nachdem er mit ihm einen längeren Spaziergang unternommen hat und es erst bei der Rückkehr in der Nähe des Fahrzeugs überfällt. Durch den Zeitablauf ist die Beziehung der Tat zum Straßenverkehr und seinen besonderen Verhältnissen hinfällig geworden; die vorangegangene Benutzung des Fahrzeugs ist jetzt nur noch ( IVil

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§ 316 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

ein wertneutraler Faktor (vgl. B G H 1 StR 431/65 v. 4. 1. 1966 bei Schulte S. 919).

Pfeiffer-Maul-

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Bestimmte Höchstgrenzen der räumlichen u n d zeitlichen E n t f e r n u n g lassen sich n a t u r g e m ä ß nicht aufstellen; es ist Sache des Einzelfalles, ob die nahe Beziehung der Tat zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel noch besteht. Im allgemeinen aber wird die A n w e n d u n g des § 316 a voraussetzen, d a ß der Angriff in unmittelbarer N ä h e u n d in engem zeitlichen Z u s a m m e n h a n g mit dem Aussteigen aus dem K f Z erfolgt (vgl. B G H N J W 1971 765, 766).

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b) Benutzung eines Kraftfahrzeugs vor oder nach der Tat nur als Transportmittel. Abgesehen von den in R d n . 16, 17 erörterten Fällen, in denen die nahe Beziehung der Tat zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel durch die räumliche Entf e r n u n g vom Fahrzeug oder die zeitliche Entfernung von seiner Benutzung aufgehoben wird, ist § 316 a u n a n w e n d b a r , wenn das Fahrzeug nur als Beförderungsmittel zum Tatort benutzt wird, dieser selbst aber zu dem Verkehr als solchem keine ihm wesenseigene Beziehung hat (BGHSt. 5 282; 22 114). Folgerichtig ist § 3 1 6 a d a n n aber auch u n a n w e n d b a r , wenn das Kraftfahrzeug nach einem Angriff gegen Fahrer (Mitfahrer) zwecks Begehung von Raub, räuberischem Diebstahl oder räuberischer Erpressung nur zur raschen oder unerkannten Flucht dienen soll. In BGHSt. 18 170 = N J W 1963 452 vertrat der 1. Strafsenat die Auffassung, eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs k ö n n e schon darin liegen, d a ß der Täter, vorbedachtem Plan entsprechend, sich nach geglücktem R a u b oder mißlungenem räuberischen Anschlag gegen den Mitfahrer seiner Feststellung o d e r Ergreifung durch die Flucht mit dem Kraftwagen entzieht. Gegenüber Bedenken anderer Senate (vgl. BGHSt. 19 191 = N J W 1964 602) hielt der 1. Strafsenat seinen früheren S t a n d p u n k t in dieser Allgemeinheit nicht a u f r e c h t ; d a n a c h kann das Vorhaben, nach dem Überfall das Fahrzeug als Fluchtmittel zu benutzen, „allenfalls" als zusätzlicher Gesichtspunkt verwendet werden, z. B. wenn das Fahrzeug in geringer Entfernung vom Tatort abfahrtbereit steht oder gar einer der Tatbeteiligten seinen Wagen am Tatort f ü r die alsbaldige Flucht des Haupttäters bereit hält. Schließlich hat der 1. Strafsenat in B G H N J W 1969 1679 — dort hatte ein K r a f t f a h e r einen zu F u ß flüchtenden Bankräuber verfolgt u n d ihm den Weg abgeschnitten; der Räuber zwang den Kraftfahrer mit vorgehaltener Pistole zum Aussteigen u n d setzte sich selbst ans Steuer — eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint, weil es an der nahen Beziehung der Tat zum Straßenverkehr, zur Benutzung des Fahrzeugs als Verkehrsmittel fehle, u n d schlechthin ausgesprochen: „ D e r Gebrauch des Pkw als Fluchtmittel genügt nicht" (zustimmend Maurach-Schroeder 339). Den Unterschied gegenüber BGHSt. 14 386, 391 (insoweit in B G H N J W 1960 1729 nicht abgedr.) sieht die Entscheidung darin, d a ß dort der Fahrgast, der nach Verlassen des Wagens den darin zurückgebliebenen Führer zum Aussteigen zwang u n d sich selbst ans Steuer setzte, zuvor eine verkehrseigentümliche Gefahrenlage f ü r das Opfer geschaffen hatte, indem er es an eine einsame Stelle zu fahren oder dort zu halten veranlaßte.

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Mit einem besonders gelagerten Fall befaßt sich B G H bei Holtz M D R 1977 638. In dem dort entschiedenen Fall hatte der Täter den Kraftfahrer, der seinen Wagen verlassen hatte, um eine G e l d b o m b e in den Nachttresor einer Bank zu werfen, unter Bedrohung mit vorgehaltener Pistole gezwungen, sein Fahrzeug wieder zu besteigen und mit ihm an eine entfernte Stelle zu fahren, wo er das O p f e r zum Verlassen des Wagens zwang u n d mit der G e l d b o m b e weiterfuhr; zuvor hatte er das Angebot des Kraftfahrers, ihm am Ort des Überfalls die G e l d b o m b e zu überlassen, (196)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316 a

abgelehnt. Die Verurteilung aus § 316 a wird damit begründet, daß, weil der Täter zunächst die Entgegennahme der Geldbombe abgelehnt hatte, nur Versuch der Raubtat vorlag, die erst mit dem Aussteigen des Beraubten aus dem Fahrzeug und dem Davonfahren des Täters (Erlangung des Alleingewahrsams) vollendet wurde. „Ob der Täter sich die dem fließenden Straßenverkehr eigentümliche Gefahrenlage für seinen Angriff erst zunutze macht, nachdem er zu dem noch arglosen Kraftfahrer in das Fahrzeug eingestiegen ist (vgl. BGHSt. 6 82), oder ob er schon seine Mitfahrt durch einen Angriff auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit des Fahrers erzwungen hatte und dessen Bedrohung nach dem Beginn der Fahrt nur fortzusetzen braucht, kann für die Anwendung der Vorschrift keinen Unterschied begründen". Dem ist lediglich zuzustimmen (a. M. SK-Horn 5). c) Unerheblich ist es, an welchem Ort die Ausnutzung der besonderen Verhältnisse 21 des Straßenverkehrs erfolgt; dies kann im dichten Verkehr ebenso gut geschehen wie an verkehrsarmer Stelle (BGHSt. 18 170, 171 = LM Nr. 9 mit Anm. Geier; BGH vom 22. 5. 1973 bei Martin DAR 1974 114 betr. Kraftfahrzeug, das auf einem zur Nachtzeit verkehrsarmen öffentlichen Parkplatz abgestellt ist). § 316 a findet deshalb auch Anwendung, wenn sich Mittäter verabreden, daß der eine einen Dritten zum Einsteigen in seinen auf einem Parkplatz „mitten in der Stadt" vorübergehend abgestellten Wagen lockt, während der andere sich zunächst im Kofferraum verbirgt und für den Dritten unvermutet hinzutritt; der gemeinsame Angriff gegen Mitfahrer ist dann unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt, weil eine Möglichkeit ausgenutzt wird, die sich aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs vermöge seiner Beschaffenheit (Kofferraum) bietet, zumal ohne diese Eigentümlichkeit das Vorhaben der Täter nicht ausführbar wäre (BGH aaO). S. auch BGH 5 StR 90/67 v. 4. 4. 1967 bei Pfeiffer-Maul-Schulte 6: der auf dem Parkplatz haltende Täter entschließt sich, schnell anfahrend davon zu fahren und dadurch den aussteigenden Mitfahrer an der Herausnahme seines Gepäcks zu hindern. d) Parkende Fahrzeuge; Fahrtbeendigung. Unanwendbar ist § 3 1 6 a , weil es an 22 einer Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs fehlt, wenn der Täter den auf belebter öffentlicher Straße parkenden, eine Autopanne reparierenden oder in einer Gaststätte oder Garage befindlichen Kraftfahrzeugführer überfällt (BGHSt. 6 82; Martin DAR 1970 114), wenn der Mitfahrer erst beraubt wird, nachdem der Fahrer den Wagen aus einem anderen Grund als in Verfolgung eines vorgefaßten Raubplans angehalten hatte (BGHSt. 19 191 = NJW 1964 602 = LM Nr. 11 mit Anm. Willms), oder wenn der Fahrgast erst nach Beendigung der Fahrt sich entschließt, das auf der Straße haltende Fahrzeug selbst dem Fahrer zu rauben (BGHSt. 24 320 = NJW 1972 913). S. auch unten Rdn. 28. e) Zweifelsfälle. Wird der Angriff im Wagen oder auf das im Wagen befindliche 23 Opfer unternommen, so gehen in einzelnen Fällen die Auffassungen auseinander, ob dies unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt. So, wenn der Täter in den Dienst seines Tatplans stellt, daß die Enge des Innenraums des haltenden Wagens das Opfer an der Gegenwehr hindert (bejahend BGHSt. 18 170, 173; kritisch BGH v. 13. 1. 1965 - 2 StR 539/64 offen gelassen in BGH NJW 1969 1769), oder daß die Tat im Auto kein Aufsehen errege und schwer zu entdecken sei (verneinend Hübner LM Nr. 12). Der erkennbaren Tendenz zur Einschränkung des Merkmals der Ausnützung (oben Rdn. 15) entspricht es, auch hier eine „Ausnutzung" zu verneinen; es fehlt an der nahen Beziehung der Tat zum Kraftfahrzeug als Verkehrsmittel. Das ist deutlich der Fall, wenn der Täter (197)

§ 316 a

21. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

einen R a u b in der Schlafkoje eines geparkten L K W begeht, wo er mit dem Opfer Geschlechtsverkehr hatte (BGH vom 11. 2. 1970 — 2 StR 600/69). Eine Ausnutzung liegt aber vor, wenn das Opfer vor Antritt der Fahrt durch Betäubungsmittel usw. fahruntüchtig gemacht wird, um es bei dem erwarteten Verkehrsunfall auszurauben (Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 3), oder wenn der Täter heimlich während der Fahrt den Treibstoff auslaufen läßt, um den Wagen zum Halten zu bringen — unmittelb a r e Gewalt gegen Sachen, die mittelbar auf die Person wirkt — (Maurach-Schroeder BT 338). 24

V. Unternehmen. Das Verbrechen nach § 316 a ist vollendet, wenn der Täter in der Absicht, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen (unten Rdn. 26), einen Angriff auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit begangen oder versucht hat (§ 11 Abs. 1 Nr. 6). Der Versuch ist also der Vollendung gleichgestellt; auch ein untauglicher Versuch des Angriffs genügt ( B G H G A 1965 150; h. M.). Einen Versuch des Verbrechens nach § 316 a gibt es nicht. D a ß auch der beabsichtige R a u b (der räuberische Diebstahl, die räuberische Erpressung) ins Versuchsstadium getreten wäre, ist nicht erforderlich. Für das Merkmal der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ist nicht m a ß g e b e n d , wo u n d wann der Täter den R a u b usw. tatsächlich ausführt, sondern welche Vorstellungen der Täter hat, wenn er den Angriff auf Leib, Leben oder Entschlußfreiheit des Opfers unternimmt (BGHSt. 18 170).

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Anwendungsfälle. In der A n n a h m e eines versuchten Angriffs (und damit eines vollendeten Verbrechens nach § 3 1 6 a ) geht die Rechtsprechung weit; jedoch ist nicht a n z u n e h m e n , d a ß die nachstehenden, auf dem Boden des § 43 a. F. StGB entschiedenen Fälle mit der Neufassung des Versuchsbegriffs (§ 22) nicht mehr zu vereinbaren wären (anders wohl Blei StuB II § 92 II 2). Ein vollendetes Verbrechen nach § 316 a liegt d a n a c h bereits vor, wenn der Täter als „harmloser" Fahrgast (Mitfahrer) in einem an der Taxenhaltestelle p a r k e n d e n Mietauto Platz nimmt u n d dem Führer das Fahrziel angibt mit dem Willen, ihn im Verlauf der Fahrt zu überfallen, um ihn zu berauben (BGHSt. 6 82, 84; 18 170, 172; J Z 1957 226; VRS 21 [1961] 206, 208; B G H bei Hollz M D R 1977 638), wenn der Mitfahrer den Wagen bestiegen hat, den der Führer des Wagens und der im K o f f e r r a u m verborgene Mittäter unterwegs an geeigneter Stelle berauben wollen (BGHSt. 18 170, 173), oder wenn der zur Beraubung des Mitfahrers entschlossene Führer das Fahrzeug in Bewegung gesetzt hat (BGH N J W 1971 765, 766). Der Versuch eines Angriffs kann bereits in dem ersten Spatenstich zur Autofallengrube liegen (Dreher 5; a. M. SKHorn 4). J e d o c h eröffnet Absatz 2 die Möglichkeit tätiger Reue, solange der Angriff sich noch im Versuchsstadium befindet (unten Rdn. 32).

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VI. Zur inneren Tatseite gehört neben dem auf die Verwirklichung der übrigen Tatmerkmale gerichteten Vorsatz (einschl. des bedingten Vorsatzes) die Absicht, einen R a u b (§§ 249, 250), einen räuberischen Diebstahl (§ 252) oder eine räuberische Erpressung (§ 255) zu begehen; auf die Verwirklichung dieser Absicht k o m m t es nicht an. Ausreichend ist also z. B. die Absicht des Fahrgastes, nur einen Diebstahl gegen den Fahrzeugführer zu begehen, sich bei Entdeckung aber mit Gewalt im Besitz der Beute zu erhalten.

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1. Es genügt nicht, d a ß eine Straftat anderer Art, z. B. gewaltlose Wegnahme, das Ziel des Täters ist. § 316 a ist also z. B. u n a n w e n d b a r , wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs einen Betrunkenen oder einen aus anderen G r ü n d e n Willenlosen zum (198)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316 a

Mitfahren aufnimmt, um ihm an einsamer Stelle gewaltlos sein Geld zu nehmen, und sich auch darauf beschränkt, oder wenn der Mitfahrer dem Kraftfahrzeugführer eine Sache, die dieser im Kraftfahrzeug mit sich führt, dadurch ablistet, daß er den Führer veranlaßt, an einen einsamen Ort zu fahren, und ihn dort aus dem Fahrzeug lockt, um dann selbst unbemerkt mit dem Wagen samt der erstrebten Sache wegzufahren (BGH vom 22. 5. 1973 bei Martin DAR 1974 114; anders, wenn nachträglich zur List die Raubabsicht tritt, z. B. durch Abwehr des Führers am Widerbesteigen des Wagens). Andererseits genügt es aber zur Anwendung des § 316 a, daß der Täter, der ja regelmäßig den Ablauf der weiteren Ereignisse nicht voraussehen kann, neben einer gewaltlosen Wegnahme auch die Anwendung von Gewalt oder schwerer Drohung, also die Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung einplant (BGH NJW 1970 1381). Doch reicht es in einem Fall dieser Art zur Verurteilung aus § 316 a nicht aus, wenn dem Täter ein „notfalls" gewaltsames Vorgehen nur als eine ganz entfernte Möglichkeit vorgeschwebt hat; die noch immer im Regelfall sehr hohe Mindeststrafe, die schon das „Unternehmen" auslöst, nötigt dazu, das Merkmal des Unternehmens eines Angriffs zur Begehung von Raub einschränkend auszulegen (so mit Recht BGH NJW 1970 1381). 2. Zeitpunkt der Entschließung. Der Entschluß zur Ausnutzung der besonderen 28 Verhältnisse braucht nicht von vornherein bei Fahrtbeginn gefaßt zu sein; es reicht aus, wenn der Täter erst während der Fahrt den Entschluß aus der Eingebung des Augenblicks heraus faßt (BGHSt. 15 322; VRS 29 198; 35 442; NJW 1971 765), und es genügt auch, wenn er den Entschluß erst faßt, nachdem er bereits aus anderen Gründen zu einem Angriff auf Leib und Leben des Opfers übergegangen ist (Beispiel: der Täter verfolgt mit seinem Kraftfahrzeug ein anderes Kraftfahrzeug, um dessen Führer zu verprügeln; während beide Fahrzeuge vor einer Ampel halten müssen und der Verfolgte, von anderen Fahrzeugen eingekeilt, weder fliehen noch sich wehren oder fremde Hilfe anrufen kann, mißhandelt er sein Opfer und faßt zugleich den Entschluß, diesem seine Armbanduhr zu entreißen; BGHSt. 25 315 = JR 1975 mit Anm. Hübner = LM Nr. 6 mit Anm. Pelchen; s. auch Blei JA 1975 StR S. 130 [452]). Nicht genügend ist dagegen der Entschluß, einen Raub, einen räuberischen Diebstahl oder eine räuberische Erpressung zu begehen, der erst nach Ankunft am Ziel oder nach einer aus anderen Gründen veranlaßten einstweiligen oder endgültigen Beendigung der Fahrt gefaßt wird (BGHSt. 19 192; BGH bei Martin DAR 1974 114 und bei Spiegel DAR 1976 86). Dies gilt auch dann, wenn nach Fahrtende der Fahrgast den Tatentschluß faßt, während der Fahrer noch mit Hantierungen befaßt ist, die mit der Fahrt in engem Zusammenhang stehen und besondere Gelegenheit zum Angriff bieten, z. B. mit Öffnen der Wagentür oder Herausnahme des Gepäcks (BGHSt. 24 320 = NJW 1972 913 = LM Nr. 5 mit Anm. Pelchen). 3. Da die Tatbestände des Raubes, des räuberischen Diebstahls und der räuberi- 2 9 sehen Erpressung eng miteinander verwandt sind, ist eine wahlweise Feststellung des Tatziels zulässig (BGHSt. 5 280; VRS 21 206). VII. Tätige Reue (Absatz 2). 1. Ratio legis. Da Absatz 1 schon das Unternehmen des Angriffs, also den Ver- 3 0 such des Angriffs (§ 11 Abs. 1 Nr. 6) als vollendete Tat mit Strafe bedroht, ist ein Rücktritt vom Versuch des Angriffs nach § 24 nicht möglich. Um trotzdem eine strnfhefreiende oder wenigstens strafmindernde Umkehr des Täters nicht auszu( l'Wl

§ 316 a

27. A b s c h n i t t . G e m e i n g e f ä h r l i c h e S t r a f t a t e n

schließen, gibt Absatz 2 dem Richter die Möglichkeit („kann"), bei tätiger Reue des Täters die Strafe nach seinem Ermessen zu mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung abzusehen (vgl. §§ 260 Abs. 4 S. 4,465 Abs. 1 S. 2,153 b StPO). Es handelt sich dabei um einen fakultativen persönlichen Strafmilderungs- oder Strafaufhebungsgrund. 2. Voraussetzung ist 31

a) daß der Täter freiwillig (im Sinn des § 24) seine Tätigkeit aufgibt, und daß er b) den Erfolg abwendet. Der hier gemeinte Erfolg ist nicht etwa der Raub, der räuberische Diebstahl oder die räuberische Erpressung, denn die Tatbestandsbehandlung besteht in dem Unternehmen des Angriffs; die Absicht, einen Raub usw. zu begehen, bezeichnet nur das Ziel des Angriffsunternehmens, und die Erreichung dieses Ziels ist für die Vollendung der Tat des § 3 1 6 a ohne Bedeutung. „Erfolg" i. S. des § 316 a Abs. 2 kann danach nur der vollendete Angriff sein, und Absatz 2 kann nur Anwendung finden, wenn der Täter sein Vorhaben freiwillig aufgibt, bevor der Angriff über das Stadium des Versuchs hinaus gediehen ist (BGHSt. 10 320; VRS 21 [1961] 206; ebenso überwiegend das Schrifttum: vgl. Maurach-Schroeder BT 340; Welzel 11. Aufl., 408; Dreher 37. Aufl., 6; Lackner 11. Aufl., 5; Preisendanz 30. Aufl., 7; Geppert JuS 1975 386; a. M. SK-Horn 12; Sch.-Schröder-Cramer 11; Blei StuB II, 10. Aufl, § 92 IV, wonach „Erfolg" die Durchführung des geplanten Raubes, des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung ist). Absatz 2 ist also z. B. unanwendbar, wenn der Täter begonnen hat, auf den Kfz.Führer einzuschlagen und von der Weiterführung dieses Angriffs auf Leib oder Leben freiwillig Abstand nimmt (BGHSt. 10 320), oder wenn er die Pistole gegen den Kraftfahrer gerichtet hat, um ihn zum Verlassen des Wagens und dessen Überlassung an den Täter zu zwingen, und das Opfer die weitere Einwirkung auf seine Entschlußfreiheit dadurch abwendet, daß er den Täter durch gütliches Zureden dazu bringt, seinen Angriff nicht fortzusetzen (BGH VRS 21 206). In beiden Fällen ist der Angriff vollendet, wenn auch noch nicht beendet und die Abwendung des Erfolgs nicht mehr möglich; die Aufgabe der Fortsetzung des Angriffs kann — von der Bedeutung für die Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens des Absatzes 1 abgesehen — rechtliche Bedeutung nur unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Versuch des Raubes, des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung haben (unten Rdn. 39).

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3. Eine über die Aufgabe des Tatentschlusses vor Vollendung des Angriffs hinausgehende Abwendung des Erfolgs ist erforderlich, wenn der Täter bereits eine Gefahrenlage geschaffen hat, z. B. durch Bereiten von Hindernissen auf der Fahrbahn; dann gehört zur Abwendung des Erfolgs deren Beseitigung (Entfernung des über die Straße gespannten Drahtseils, Wegräumen des auf die Straße gelegten Hindernisses usw.).

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4. Von den Gegnern der in Rdn. 32 dargestellten herrschenden Meinung wird geltend gemacht, daß sie den Anwendungsbereich des Absatzes 2 unangemessen einschränke. Diese Einschränkung ist aber beabsichtigt und entspricht dem Grundgedanken des Absatzes 1, durch Pönalisierung schon des Unternehmens des Angriffs einen besonders wirksamen Schutz für den Kraftverkehr zu schaffen (BGH VRS 21 208). Das 11. StRÄG (oben Rdn. 1) hat in Kenntnis der Auslegung des Absatzes 2 nichts an dieser Vorschrift geändert, sondern sich mit der Herabsetzung der Min(200)

Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (Schäfer)

§ 316 a

deststrafe in minder schweren Fällen begnügt, zu denen gerade auch die Abstandn a h m e von dem beabsichtigten R a u b (dem räuberischen Diebstahl, der räuberischen Erpressung) gehört. Auch Art. 19 Nr. 177 E G S t G B 1974 hat sich mit Anpassungsänderungen begnügt und zu sachlichen Änderungen keine Veranlassung gegeben. Es ist nicht Sache des Richters, im Wege a u s d e h n e n d e r Auslegung des Absatzes 2 gegen die gesetzgeberische Absicht anzugehen; eine etwa erforderliche Abhilfe steht nur dem Gesetzgeber zu. Indessen sah auch § 348 Entw. 1962 (unten Rdn. 41) nach dieser Richtung keine Ä n d e r u n g vor; er will lediglich, indem die Vollendung der Tat erst mit der VerÜbung des Angriffs eintreten soll, die „unter verschiedenen Gesichtspunkten anfechtbare" (Begr. zu § 348 S. 534) Rücktrittsvorschrift des § 316 a Absatz 2 überflüssig machen. 5. Strafmilderung und Absehen von Strafe nach Absatz 2 haben nur die Strafbar- 3 5 keit nach § 316 a zum Gegenstand. Trotz A n w e n d u n g des Absatz 2 bleibt daher die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften, wenn deren Tatbestand verwirklicht ist, bestehen (h. M.). 6. Unterbleibt der Erfolg — der vollendete Angriff — ohne Zutun des Täters, so 3 6 genügt nach Absatz 2 S. 2 sein (freiwillig erfolgendes) ernsthaftes Bemühen um A b w e n d u n g des Erfolgs (vgl. entsprechende Vorschriften z. B. in §§ 31 Abs. 2, 83 a Abs. 3, 84 Abs. 5, 139 Abs. 4, 311 c Abs. 4). Beispiel: A versucht während der Fahrt vergeblich, den B von dem vor Besteigen des Fahrzeugs gemeinsam gefaßten Entschluß abzubringen, den Fahrer C an einer bestimmten einsamen Stelle zu überfallen; der Überfall unterbleibt aber, weil C infolge einer Umleitung nicht an der in Aussicht g e n o m m e n e n Stelle vorbeikommt. 7. Die Revision kann auf die N i c h t a n w e n d u n g des Absatzes 2 beschränkt werden 3 7 (BGH St. 10 320 = N J W 1957 1447). VIII. Strafen. Zu den Begriffen der besonders schweren u n d der minder schwe- 3 8 ren Fälle (Absatz 1 S. 2) vgl. § 12 Rdn. 21, 22. Zur A n n a h m e eines minder schweren Falles reicht nicht schon aus, d a ß die Täter ihren Angriff nicht auf Leib u n d Leben, sondern „nur" auf die Entschlußfreiheit des Kfz-Führers richteten. „In § 316 a ist der Angriff auf die Entschließungsfreiheit demjenigen auf Leib oder Leben rechtlich gleichgesetzt. Erfahrungsgemäß sind auch die Angriffe gerade auf die Entschlußfreiheit u n d nicht auf Leib oder Leben recht häufig. D a d u r c h allein, d a ß der Angriff „ n u r " auf die Entschlußfreiheit des Opfers gerichtet ist, unterscheidet sich also ein [räuberischer Angriff auf Kraftfahrer] nicht von den Normalfällen dieser Straftat" (BGH VRS 45 [1973] 364). Für die Einziehung des Kraftfahrzeugs als Tatwerkzeug gelten die allgemeinen Vorschriften des § 74 (Jagusch 23. Aufl., 9 mit Nachw.). Zur Strafzumessung bei Vorstrafen vgl. BGHSt. 24 198 = N J W 1971 1996 = JR 1972 470 mit Anm. Koffka = J Z 1972 130 mit Anm. Maurach). IX. Täterschaft und Teilnahme. Täter des Verbrechens nach § 316 a k a n n , wie aus 3 9 Wortlaut, Entstehungsgeschichte u n d Sinn der Vorschrift zu folgern ist, nur sein, wer den R a u b als Täter begehen will, sodaß ein Tatbeteiligter, dem die Zueignungsabsicht des § 249 fehlt, auch hinsichtlich des § 316 a n u r Gehilfe sein k a n n ; Gehilfenstrafe aus § 3 1 6 a soll denjenigen treffen, dessen Rolle auch beim R a u b nicht über die des Gehilfen hinausgeht (BGHSt. 24 284 = N J W 1972 694 = LM Nr. 4 mit Anm. Kohlhaas; Blei JA 1972 StR S. 101 [375]; a. M. Preisendanz 6). Das gleiche gilt, wenn die Absichtstat ein räuberischer Diebstahl ist. Anders liegt es, wenn der Angriff zur Begehung einer räuberischen Erpressung begangen wird. Da bei der (201)

§ 316 a

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

Erpressung (§ 253) ein Handeln im Drittinteresse zur Täterschaft genügt, wird davon auszugehen sein, daß Täter aus § 316 a auch sein k a n n , wer einen Angriff zur Begehung einer räuberischen Erpressung begeht, auch wenn es sich nur um die erpresserische Bereicherung des anderen Tatbeteiligten handelt (so auch Blei a a O ; Sch.-Schröder-Cramer 1 a; Dreher 4). 40

X. Zusammentreffen. K o m m t es zur Vollendung des beabsichtigten Raubes (des räuberischen Diebstahls, der räuberischen Erpressung), so liegt Tateinheit — nicht Gesetzeseinheit — zwischen § 316 a und den genannten Delikten vor, da es nach § 316 a weder notwendig ist, noch der regelmäßigen Erscheinungsform dieser Straftat entspricht, d a ß es zu einem vollendeten R a u b usw. kommt (.BGHSt. 14 386, 391; 15 322, 323; 25 224, 229, 373; N J W 1963 1413; 1969 1679; M D R 1972 431; B G H bei Daliinger M D R 1975 725; Maurach-Schroeder BT 341; Sch.-Schröder-Cramer 15; Dreher 7; SK-Horn 9; Blei StuB II § 92 V; a. M. Kohlrausch-Lange, 43. Aufl., VI: Zurücktreten des § 249 hinter § 3 1 6 a ) . Dagegen besteht Gesetzeskonkurrenz zwischen § 316 a u n d Versuch nach §§ 249, 252, 255, da regelmäßig in dem Angriff zur Begehung eines Raubes zugleich der Versuch des Raubes liegt (BGHSt. 25 373 = N J W 1974 2098 = LM Nr. 7 mit Anm. Martin; die Entscheidung ist zwar noch unter der Herrschaft des § 43 a. F. StGB ergangen, hat ihre Bedeutung aber auch gegenüber § 22 n. F. behalten; vgl. Blei JA 1975 41). Tateinheit ist ferner möglich mit §§ 211, 212, 223, 223 a, weiterhin mit §§315, 315 b u n d zwar auch in den Fällen ihres Absatzes 3 {Dreher 7; a. M . Jagusch 10: Gesetzeskonkurrenz von § 316 a u n d § 315 b Abs. 3 bei Bereiten von Hindernissen auf der Fahrbahn). Gesetzeskonkurrenz besteht nach Maurach-Schroeder BT S. 338 mit den Delikten gegen die persönliche Freiheit.

XI. Reformbestrebungen 41

1. § 348 StGB-Entw. 1962 lautet: „Wer zur Begehung eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung einen Angriff auf Leben, Leib oder Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeuges oder eines Mitfahrers unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verübt, wird mit (Zuchthaus = ) Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft". Der Entwurf will sachlich von § 316 a nach drei Richtungen abweichen: a) nicht schon durch das Unternehmen, sondern erst durch die Verübung des Angriffs soll die Tat vollendet werden; b) lebenslange Freiheitsstrafe als Höchststrafe soll beseitigt und durch das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe (15 Jahre nach § 38 Abs. 2) ersetzt w e r d e n ; c) die fakultative Milderung bei tätiger Reue ( § 3 1 6 a Abs. 2) entfällt; es greift die allgemeine Vorschrift über den Rücktritt vom Versuch Platz. Im übrigen hielt der Entw. 1962 an der tatbestandsmäßigen Ausgestaltung des § 316 a fest.

42

2. Im Schrifttum wird die Absicht des Gesetzgebers des Jahres 1953, den Tatbestand des Autostraßenraubs rechtsstaatlichen Anforderungen gemäß genauer zu umschreiben u n d einzuengen, als „nach den bisherigen Erfahrungen nicht ganz gelungen" bezeichnet (Hübner in LM Nr. 12); diese Kritik richtet sich aber vorzugsweise gegen eine Ausweitung des Merkmals der „Ausnutzung" in einzelnen Entscheidungen (oben Rdn. 15, 22). Die früher vielfach erhobenen rechtspolitischen Bedenken gegen die damalige starre Mindeststrafe (vgl. u. a. Seibert N J W 1969 781, auch B G H N J W 1970 1381) haben sich durch die Herabsetzung der Mindesstrafe bei minder schweren Fällen (oben Rdn. 1) erledigt. (202)

Störung öffentlicher Betriebe (Rüth)

§ 316 b

§ 316 b Störung öffentlicher Betriebe (1) Wer den Betrieb 1. einer Eisenbahn, der Post oder dem öffentlichen Verkehr dienender Unternehmen oder Anlagen, 2. einer der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienenden Anlage oder eines für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Unternehmens oder 3. einer der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienenden Einrichtung oder Anlage dadurch verhindert oder stört, daß er eine dem Betrieb dienende Sache zerstört, beschädigt, beseitigt, verändert oder unbrauchbar macht oder die für den Betrieb bestimmte elektische Kraft entzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Entstehungsgschichte; Die Vorschrift wurde durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. 8. 1951 als § 316 a eingefügt und erhielt durch das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. 12. 1952 seine gegenwärtige Bezifferung. Neu gefaßt wurde die Bestimmung durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I 469). Verfassungsfeindliche Sabotage wird durch § 88 und Wehrmittelsabotage durch § 109 e erfaßt. I. Schutzobjekt des § 316 b ist der ordnungsgemäße Ablauf der für die Öffent- 1 lichkeit bestimmten Unternehmen, Einrichtungen und Anlagen. 1. Die einzelnen Angriffsobjekte in Nr. 1: a) Der Begriff der Eisenbahn ist nicht identisch mit dem der Schienenbahn des 2 §315, der umfassender ist. Eine Eisenbahn ist zwar auch eine Schienenbahn (Begriff dazu Rüth § 315 Rdn. 4 ff), erfaßt jedoch nicht die Straßenbahn, die aber zu den dem öffentlichen Verkehr dienenden Unternehmen zu zählen ist. Fraglich ist, ob zu den in § 316 b geschützten Eisenbahnen nur die dem öffentlichen Verkehr dienenden Betriebe gehören (so Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 2), oder ob auch die nur zu privaten Zwecken betriebenen Eisenbahnen dem erhöhten Strafschutz des § 316 b unterliegen (so OLG Celle VRS 28 129; Dreher Rdn. 2; Lackner Anm. 2). Letztere Ansicht wurde in der Vorauflage vertreten (Rdn. 3). Sie kann jedoch nicht aufrechterhalten bleiben. Die nunmehr amtliche Überschrift zu § 316 b spricht ausdrücklich von der Störung öffentlicher Betriebe. Damit ist klargestellt, daß rein privaten Zwecken dienende Betriebe aus dem Strafschutz des § 316 b ausscheiden. Auf die Eigentumsverhältnisse kann es aber nicht ankommen; entscheidend ist vielmehr der mit dem Betrieb verbundene Zweck, so daß auch eine Privatbahn dann eine von § 316 b erfaßte Eisenbahn ist, wenn ihre Benutzung jedermann ohne Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis zusteht. b) Zu den geschützten Verkehrseinrichtungen gehört auch der Betrieb der Bun- 3 despost mit allen seinen Einrichtungen. c) Ein Unternehmen ist ein Betrieb größeren Umfangs (Sch.-Schröder-Cramer 4 Rdn. 2). Öffentlicher Verkehr bedeutet auch hier Benutzungsmöglichkeit durch eine unbeschränkte Vielzahl von Personen. Zahlung eines Entgelts ist ohne Bedeutung. Dem öffentlichen Verkehr dienen z. B. Straßenbahn, Autobuslinien (nicht jedoch (203)

§ 316 b

27. Abschnitt. G e m e i n g e f ä h r l i c h e Straftaten

der Hotelautobus), Flugzeuge der Luftfahrtunternehmen (ausgenommen Privatflugzeuge, die einer bestimmten Person zur Verfügung stehen), aber auch Schiffe, soweit ihre Bentuzung nicht einem bestimmten Personenkreis vorbehalten ist. Öffentlicher Verkehr erfaßt nicht nur den Personen-, sondern auch den Güterverkehr. 5

Geschützt sind aber auch die Anlagen der öffentlichen Verkehrsbetriebe. Anlagen sind Einrichtungen, die dem Betrieb dienen und auf Dauer berechnet sind. Bei den Schiffahrtsunternehmen zählen hierzu u. a. auch die Schleusen (Schaßteutie JZ 1951 618). Ein Fahrstuhl in einem Privathaus wird den Hauseinwohnern sowie deren Besuchern zur Verfügung gestellt, dient also nicht dem öffentlichen Verkehr. Zweifelhaft kann dies sein bei Fahrstühlen in öffentlichen Gebäuden mit unbeschränkbarem Besucherkreis. Man wird davon ausgehen müssen, daß in diesem Fall eine der öffentlichen Benutzung zur Verfügung stehende Anlage eröffnet wurde und diese damit auch dem öffentlichen Verkehr i. S. des § 316 b dient (a. A. Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 3).

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2. a) Die Nr. 2 stellt Anlagen und Unternehmen unter den erhöhten Strafschutz, soweit sie der öffentlichen Versorgung dienen. Unterschieden wird hierbei zwischen den der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme und Kraft dienenden Anlagen und den für die Versorgung der Bevölkerung lebenswichtigen Unternehmen. Anlagen s. Rdn. 5; Unternehmen s. Rdn. 4. Unerheblich ist, ob die Anlagen und Unternehmen der Nr. 2 im Besitz (Eigentum) des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder sonst einer Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eines privaten Unternehmens stehen; entscheidend ist nur, ob der Betrieb (Anlage) der öffentlichen Versorgung dient. Wird bei Ausfall einer Anlage eine Notleitung bis zur Herstellung der beschädigten gelegt oder in Anspruch genommen, nimmt auch diese am erhöhten Strafschutz teil, weil sie lediglich die Stelle der ausgefallenen einnimmt. 7 b) Zur ersten Alternative gehören alle der Versorgung einer Vielzahl von Personen dienenden Anlagen, sei es auch nur der Versorgung eines Dorfes. Zu den Anlagen zählen nicht nur die Leitungen, sondern auch z. B. die Wasserreservoire (Wassertürme), Kläranlagen, die der Versorgung mit Licht, Wärme oder Kraft dienenden Transformatoreneinrichtungen und die Anlagen zur Erzeugung von Strom. Anlagen zur Versorgung mit Wärme sind aber auch die Fernheiz-Kraftwerke samt ihren Versorgungsleitungen, sowie alle Anlagen, die die Versorgung mit Gas (Ferngas) sicherstellen. 8

c) Lebenswichtig i. S. der zweiten Alternative ist ein Unternehmen, wenn sein Ausfall eine Gefährdung für eine unbestimmten Vielzahl von Menschen mit sich bringt. Es braucht sich hierbei nicht um Produktionsbetriebe zu handeln; es genügen auch Unternehmen, die lebenswichtige Güter sammeln und verteilen. Dies können z. B. Schlachthofbetriebe oder Milchhofzentralen einer größeren Stadt sein; auch Getreidespeicher müssen hierzu gezählt werden. Wird nur die Versorgung eines kleinen Kreises von Menschen unterbrochen, die sich die erforderlichen lebenswichtigen Güter ohne erhebliche Beschwerden anderweitig beschaffen können, ist die Versorgung der „Bevölkerung" noch nicht gestört.

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3. Der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen alle Einrichtungen und Anlagen, die in einem Notfall sei es nur von einem einzelnen in Anspruch genommen werden können. Zu den geschützten Anlagen und Einrichtungen zählen z. B. die der Polizei in Bund und Ländern, des Bundesgrenzschutzes, der Feuerwehr, auch (204)

Störung öffentlicher Betriebe (Rüth)

§ 316 b

das einzelne Feuerlöschfahrzeug (OLG Koblenz VRS 46 33), sowie auch die Notruf- und Feuermeldeanlagen. Eine Anlage (s. Rdn. 5) ist grundsätzlich auf längere Zeit angelegt; eine Einrichtung kann auch nur vorübergehend zu einem bestimmten Zweck errichtet werden. II. Die Angriffshandlung besteht in einem Zerstören, Beschädigen, Beseitigen, 10 Verändern oder Unbrauchbarmachung einer dem Betrieb dienenden Sache oder dem Entziehen der für den Betrieb bestimmten elektrischen Kraft, wodurch der Betrieb verhindert oder gestört wird. Eine Sache dient dem geschützten Betrieb, wenn sie in ihm eine bestimmungsgemäße Verwendung findet. Eine Verhinderung des Betriebs ist anzunehmen, wenn er durch den Eingriff seiner Zweckbestimmung nicht mehr dienen kann. Gestört ist ein Betrieb, dessen reibungsloser Funktionsablauf beeinträchtigt ist, was schon in der Lieferung einer schlechten Qualität gesehen werden kann. 1. Die Begriffe Beschädigen und Zerstören decken sich mit denen des § 303. Auf 11 die dortigen Ausführungen (Busch LK 9 § 303 Rdn. 4 ff) darf verwiesen werden. Ein unbefugtes, aber ordnungsgemäßes Betätigen einer Anlage (z. B. Einschlagen der Scheibe eines Feuermelders) erfüllt diese Tatbestandsmerkmale des § 3 l 6 b nicht (RGSt. 65 133; dazu Anm. Drost JW 1932 506). 2. Beseitigen ist jede Entfernung einer Sache aus dem Verfügungs- oder 12 Gebrauchsbereich des Berechtigten (OLG Koblenz VRS 46 35). Veränderung ist die Herbeiführung eines Zustandes, der von dem Beseitigen abweicht, ohne daß eine Beschädigung eingetreten zu sein braucht (RGSt. 37 53; RG JW 1920 1036). Dazu kann z. B. das Verdecken eines Eisenbahnsignals durch einen Hut zählen. Unbrauchbar wird eine Anlage oder Einrichtung, wenn ihre Gebrauchsfähigkeit bereits so stark beeinträchtigt wird, daß sie nicht mehr ordnungsgemäß verwendet werden kann. Eine Beschädigung der Anlage ist auch hier nicht Voraussetzung (OLG Celle VRS 28 129). Eine elektrische Anlage kann durch Abringung eines Magnets ihre Funktionsfähigkeit verlieren und dadurch unbrauchbar werden. 3. Elektrische Kraft wird entzogen, wenn der Täter die elektrische Energie ablei- 13 tet und dadurch die für den Betrieb bestimmte Stromversorgung ganz unterbrochen oder geschwächt wird (Kohlrausch ZStW 20 [1900] 497). Eine Zueignung oder anderweitige Nutzung ist nicht erforderlich. Ableitung anderer Kraftquellen reicht nicht aus, kann aber bei Veränderung oder Unbrauchbarmachung einer Anlage den Tatbestand des Absatz 1 Nr. 2 erfüllen. III. Der innere Tatbestand erfordert vorsätzliches Handeln. Der Vorsatz muß alle 14 objektiven Tatbestandsmerkmale umfassen. Bedingter Vorsatz genügt. Auf eine politische Zielsetzung kommt es nicht an. Meint der Täter irrig, durch die vorsätzliche Beschädigung werde der öffentliche Betrieb nicht verhindert oder gestört und glaubt er aus Unkenntnis, es handle sich nicht um einen in S. 1 genannten öffentlichen Betrieb, so ist Tatsachenirrtum anzunehmen, der eine Bestrafung nach § 316 b ausschließt. IV. Konkurrenz: Gesetzeskonkurrenz besteht mit § 304; § 316 b geht vor. Ideal- 15 konkurrenz ist anzunehmen mit §§88, 315, 315 b, aber auch mit § 3 1 6 c , §317, § 321, § 324 (bei fahrlässigen Handlungen scheidet § 316 b aus, an Stelle der §§ 321, 324 tritt § 326); auch zwischen § 316 b und § 109 e ist rechtlicher Zusammenhang möglich (eb. Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 12; a. A. Dreher, der Gesetzeskonkurrenz mit Vorrang des § 109 e annimmt). (205)

§ 316 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

§ 316 c Angriff auf den Luftverkehr (1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. Gewalt anwendet oder die Entschlußfreiheit einer Person angreift oder sonstige Machenschaften vornimmt, um dadurch die Herrschaft über ein im zivilen Luftverkehr eingesetztes und im Flug befindliches Luftfahrzeug zu erlangen oder auf dessen Führung einzuwirken, oder 2. um ein solches Luftfahrzeug oder seine an Bord befindliche Ladung zu zerstören oder zu beschädigen, Schußwaffen gebraucht oder es unternimmt, eine Explosion oder einen Brand herbeizuführen. Einem im Flug befindlichen Luftfahrzeug steht ein Luftfahrzeug gleich, das von Mitgliedern der Besatzung oder von Fluggästen bereits betreten ist oder dessen Beladung bereits begonnen hat oder das von Mitgliedern der Besatzung oder von Fluggästen noch nicht planmäßig verlassen ist oder dessen planmäßige Entladung noch nicht abgeschlossen ist. (2) Ist durch die Tat leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht worden, so ist auf lebenslange Freiheitsstrafe oder auf Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren zu erkennen. (3) Wer zur Vorbereitung einer Straftat nach Absatz 1 Schußwaffen, Sprengstoffe oder sonst zur Herbeiführung einer Explosion oder eines Brandes bestimmte Stoffe oder Vorrichtungen herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überläßt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (4) Das Gericht kann in den Fällen der Absätze 1 und 3 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2), wenn der Täter freiwillig sein Vorhaben aufgibt und den Erfolg abwendet, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Unterbleibt der Erfolg ohne Zutun des Täters, so genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden. Schrifttum Hailbrunner Aktuelle Rechtsfragen der Luftpiraterie N J W 1973 1636; Kunath Zur E i n f ü h rung eines einheitlichen Straftatbestandes gegen Luftpiraterie J Z 1972 199; Mannheimer Luftpiraterie J R 1971 227; Maurach Probleme des erfolgsqualifizierten Delikts bei Luftpiraterie Heinitz-Festschrift S. 403; Meyer Luftpiraterie 1972; Pätz Die strafrechtliche A h n d u n g von Flugzeugentführungen ZStW 86 489; Schmidt-Räntsch Zur Luftpiraterie J R 1972 146, Wille Die Verfolgung strafbarer H a n d l u n g e n an Bord von Schiffen u n d Luftfahrzeugen, 1974.

Entstehungsgeschichte Die z u n e h m e n d e Zahl der Flugzeugentführungen und der damit verbundenen G e f a h r e n für Fluggäste u n d Flugpersonal führte schon im Jahre 1963 zu dem Tokioter Abkommen (14. 9. 1963), durch das sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben, die Luftpiraterie zu verfolgen. Die Bundesrepublik Deutschland ist diesem A b k o m m e n beigetreten (Ges. vom 4 . 2 . 1969, BGBl. II 121; Bek. über das Inkrafttreten, Ges. vom 4. 5. 1970, BGBl. II 276). Der B e k ä m p f u n g der Luftpiraterie dient auch das Haager Übereinkommen vom 16. 12. 1970, das von der Bundesregierung bereits unterzeichnet w u r d e (BGBl. 1972 II 1505). In Erfüllung dieser hierdurch ü b e r n o m m e n e n Verpflichtung wurde § 3 1 6 c durch das l l . S t r Ä n d G vom (206)

A n g r i f f auf den Luftverkehr ( R ü t h )

§ 316 c

16. 12. 1971 (BGBl. I 1977) in das StGB eingefügt, da die bisherigen Strafbestimmungen insofern nicht ausreichen, als § 315 StGB die Herbeiführung einer konkreten Gefahr voraussetzt, die nicht immer gegeben ist, aber auch die übrigen Bestimmungen des StGB (z. B. §§ 239, 240 sowie die neu eingefügten §§ 239 a, 239 b StGB) keine angemessene Ahndung der Luftpiraterie gewährleisten (vgl. BT-Drucks. VI/2721 sowie BT-Drucks. VI/1478). Absatz 4 wurde durch das EGStGB vom 2. 3. 1974 (BGBl. I 469) neu gefaßt. 1. 1. Das geschützte Rechtsgut des § 316 c läßt sich nicht präzise abgrenzen (so 1 auch Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 1). Die Würdigung der Gesamtheit aller in Absatz 1 aufgezählten Tatbestandsmerkmale läßt den Schluß zu, daß sowohl die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs als auch Leib und Leben der beförderten Passagiere und des Flugpersonals sowie auch die an Bord befindliche Ladung geschützt werden sollen, soweit die Tat in einem im Flug befindlichen Luftfahrzeug des zivilen Luftverkehrs oder einem diesem nach Absatz 1 S. 2 gleichgestellten begangen wird, mit der Tat außerdem der Zweck verfolgt wird, die Herrschaft über das Flugzeug zu erlangen, auf dessen Führung einzuwirken oder das Flugzeug oder dessen Ladung durch die in Absatz 1 S. 2 Nr. 2 beschriebene Art zu beschädigen oder zu zerstören. Gerade hierdurch wird die Abgrenzung des geschützten Rechtsguts kompliziert, weil sie nicht allein nach objektiven Maßstäben abgesteckt werden kann, wie dies z. B. in § 315 StGB geschehen ist, es vielmehr auf die Art des Einsatzes des Luftfahrzeugs und den mit der Tat erstrebten Erfolg ankommt. So reichen z. B. Aktionen gegen Einzelpersonen im Flugzeug nicht aus, wenn diese nicht zu einem in Absatz 1 S. 1 beschriebenen Zweck vorgenommen werden, woraus sich eine weitere Einschränkung des geschützten Rechtsguts ergibt. 2. § 316 c ist abstraktes Gefährdungsdelikt. Die Sicherheit des Flugverkehrs 2 braucht also ebensowenig wie die der Fluggäste, des Flugpersonals oder der Ladung konkret beeinträchtigt worden zu sein. § 316 c Abs. 1 Nr. 2, 2. Alternative ist Unternehmensdelikt im Sinne des § 11 StGB, so daß Versuch und Vollendung gleichgestellt sind (vgl. Tröndle LK § 11 Rdn. 69 ff; vgl. auch Rdn. 23 unten). § 316 c gilt für deutsche Staatsangehörige und Ausländer, gleichgültig ob die Tat im Inland oder im Ausland begangen wurde (§§3, 6 Nr. 3; vgl. Tröndle LK §6 Rdn. 4). Es kommt nicht darauf an, ob die im Ausland begangene Tat nach dem Recht des Tatorts dort mit einer dem § 3 1 6 c ähnlichen Vorschrift mit Strafe bedroht ist. II. Absatz 1 enthält zwei Tatbestände: Entführung eines Luftfahrzeugs (Nr. 1) 3 und Attentat auf ein Luftfahrzeug (Nr. 2). 1. Luftfahrzeug und Luftverkehr: Rüth LK §315 Rdn. 11, 12. Für § 316 c gilt aber die weitere Einschränkung, daß er sich nur auf bemannte Luftfahrzeuge bezieht, was sich aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung ergibt (ebenso Sch.Schröder-Cramer Rdn. 5). § 3 1 6 c schützt außerdem nur Luftfahrzeuge des zivilen Luftverkehrs. Allein entscheidend ist der konkrete Verwendungszweck und nicht, ob das Luftfahrzeug „zivil registriert" ist. Erfaßt wird der gesamte Bereich des zivilen Luftverkehrs, somit nicht nur der Transportverkehr von Menschen und Gütern, sondern auch Überführungs-, Schau, Arbeits-, Werbe- und Werksflüge ebenso wie die Flüge von Privatpersonen mit Sportflugzeugen (ebenso BT-Drucks. VI/2721). Aus dem zivilen Bereich auszuscheiden hat der gesamte Luftverkehr des staatlichen Dienstes; hierzu zählen insbesondere die Luftfahrzeuge des Militär-, Zoll- und Poli(207)

§ 316 c

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

zeidienstes, aber auch alle Luftfahrzeuge, die im hoheitlichen Flugbetrieb eingesetzt sind (so auch Haager Übereinkommen). Ausschlaggebend ist der konkrete Einsatz und nicht die allgemeine Zugehörigkeit des Luftfahrzeugs. So befindet sich ein von der Polizei zur Verkehrsüberwachung eingesetztes Flugzeug nicht im zivilen Luftverkehr, auch wenn es sich um ein privates Sportflugzeug handelt, soweit der Pilot Anweisungen der Polizei zu befolgen hat. Im hoheitlichen Flugbetrieb eingesetzt ist auch ein Flugzeug, das der Beförderung von Ministern zur Durchführung einer Dienstreise dient (so auch Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 6; Blei Strafrecht BT S. 294). 4

2. Der Tatbestand des Absatz 1 setzt voraus, daß sich das Luftfahrzeug entweder im Flug befindet (Satz 1), oder noch oder schon am Boden steht, von Fluggästen oder Flugpersonal aber bereits betreten oder noch nicht planmäßig verlassen ist, oder mit dessen Beladung schon begonnen oder dessen Entladung noch nicht planmäßig abgeschlossen ist (Satz 2).

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a) § 316 c sagt nichts darüber aus, wann sich ein Luftfahrzeug im Flug befindet, insbesondere, wann der Flug beginnt und wann er als beendet anzusehen ist. Dem Gesetzgeber schien dies wohl deshalb entbehrlich zu sein, weil durch Absatz 1 S. 2 auch die noch oder schon auf dem Boden stehenden Luftfahrzeuge unter den dort genannten Voraussetzungen dem erhöhten Strafschutz des § 316 c unterstellt sind. Zur Auslegung des Begriffs „im Flug befindlich" kann auf das Haager Übereinkommen zurückgegriffen werden, weil die Einfügung des § 316 c in das StGB auch auf eine diesem Übereinkommen entsprechende Verpflichtung zurückzuführen ist. Nach Art. 3 dieses Übereinkommens gilt ein Luftfahrzeug als im Flug befindlich von dem Augenblick an, in dem alle Außentüren nach dem Einsteigen geschlossen worden sind, bis zu dem Augenblick, in dem eine dieser Türen zum Aussteigen geöffnet wird.

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Im Gegensatz zum Haager Übereinkommen kann das Schließen oder Öffnen der Außentüren allein jedoch kein ausschlaggebendes Kriterium für den Beginn und das Ende des Fluges sein, weil durch die Erweiterung des Strafschutzes des § 316 c Abs. 1 S. 2 auf schon betretene oder beladene und noch nicht planmäßig verlassene oder entladene Luftfahrzeuge für eine fiktive extensive Auslegung des Begriffs „im Flug befindlich" im Rahmen des § 316 c kein Raum ist. Im Hinblick auf die in § 316 c Abs. 1 S. 1 und S. 2 getroffene Unterscheidung muß aber unter Berücksichtigung des Haager Übereinkommens geschlossen werden, daß im Sinne des § 316 c ein Luftfahrzeug nicht nur dann als im Flug befindlich zu betrachten ist, wenn es keine Bodenberührung hat, vielmehr beim Start schon dann, wenn die Außentüren geschlossen sind und die Starterlaubnis erteilt ist, bei der Landung, sobald diese technisch als beendet anzusehe ist (bei Flugzeugen i. d. R. mit Beendigung des Ausrollens nach dem Aufsetzen) und zum Ausladen oder Aussteigen bereit steht.

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b) Den im Flug befindlichen Luftfahrzeugen sind diejenigen nach S. 2 gleichgestellt, die von Besatzungsmitgliedern oder Fluggästen vor dem Start schon betreten oder mit deren Beladung schon begonnen wurde, oder die nach der Landung noch nicht planmäßig verlassen wurden oder deren Entladung noch nicht planmäßig abgeschlossen ist. 8 aa) Betreten des Luftfahrzeugs setzt voraus, daß mindestens eine Person sich bereits im Innenraum des Luftfahrzeugs befindet. Diese Person muß entweder ein Mitglied der Besatzung oder ein Fluggast sein. Das Betreten des Flugzeugs durch einen Monteur, eine Kontrollperson oder auch das Betreten durch das Flugzeug (208)

Angriff auf den Luftverkehr (Rüth)

§ 316 c

untersuchende Polizei- oder Zollbeamte reicht nicht aus. Ebensowenig kann als Betreten eine Untersuchung des Flugzeugs von außen, oder das Besteigen einer Tragfläche angesehen werden. Nicht Voraussetzung ist, daß das Betreten des Luftfahrzeugs durch die zum Ein- und Aussteigen bestimmten Außentüren erfolgt, vielmehr genügt der Einstieg z. B. durch eine Ladeluke. Fraglich erscheint, ob jedes Betreten des Luftfahrzeugs durch ein Besatzungsmitglied ausreicht oder nur das der Startvorbereitung dienende. Abzustellen ist hier auf die auch für S. 2 geltende Fassung des Absatz 1 S. 1, wonach sich § 316 c nur auf die im zivilen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge bezieht. Ein am Flugplatz stehendes Flugzeug, das zur Überholung in den Hangar gebracht werden soll, befindet sich nicht im „Einsatz". Betritt der Pilot ein solches Flugzeug, um es zur Reparatur oder Überholung in die Werft zu verbringen, unterliegt es nicht dem Strafschutz des § 316 c. bb) Die Beladung des Luftfahrzeugs hat begonnen, wenn das erste Ladestück 9 sich im Laderaum befindet (so auch Sch.-Schröder-Cramer Rdn. 10). Zur Ladung zählen auch Gepäckstücke der Passagiere, nicht jedoch Ausrüstungsgegenstände des Luftfahrzeugs. Treibstoff für das Flugzeug ist keine Fracht, ebensowenig die persönlichen Gegenstände der Besatzung. Ob die für die Passagiere bestimmte Bordverpflegung als Ladung anzusehen ist, erscheint zweifelhaft, wird jedoch zu verneinen sein, weil die Verpflegung wohl begrifflich der Ausrüstung zuzurechnen ist. Der Wert des Ladegutes ist im Rahmen des § 316 c ohne Bedeutung. cc) Für das Verlassen und Entladen des Luftfahrzeugs gilt entsprechendes wie für 10 Betreten und Beladen, jedoch mit der Besonderheit, daß es beim Verlassen und Entladen nach der Landung darauf ankommt, wann dieser Betriebsvorgang planmäßig abgeschlossen ist. Die Planmäßigkeit umfaßt nicht nur Vorgänge, die im Rahmen des „fahrplanmäßigen" Betriebs vorzunehmen sind, also dem „normalen" Ablauf entsprechen, sondern auch außergewöhnliche Vorgänge, die im Zusammenhang mit der Abfertigung des Luftfahrzeugs stehen. So kommt es insbes. beim planmäßigen Verlassen oder Entladen nicht auf die Dauer des Vorganges an. Auch absichtliche Verzögerungen schaden nicht. Kann eine Entladung z. B. wegen eines Streiks nicht durchgeführt werden, ist die Entladung nicht planmäßig abgeschlossen. Gleiches gilt, wenn nur ein Teil der Fracht entladen und die übrige Fracht mit dem Flugzeug weiterbefördert werden soll. Kann ein Fluggast das Luftfahrzeug nicht verlassen, sei es z. B. wegen Krankheit oder weil er den Flugplatz nicht betreten darf, ist das planmäßige Verlassen nicht beendet. Versteckt sich ein Fluggast in einem Flugzeug, ist dies im Rahmen des § 316 c unbeachtlich, wenn im übrigen des planmäßige Verlassen des Flugzeugs durch die Fluggäste sonst abgeschlossen ist. Will ein Mitglied der Besatzung im Flugzeug verbleiben, um dort zu übernachten, ist es grundsätzlich ein unplanmäßiges Verhalten, wenn das Verlassen des Flugzeugs durch die Besatzung vorgesehen ist. Planmäßig ist jedoch das Verweilen der gesamten Besatzung oder eines Teils dann, wenn dies im Flugplan vorgesehen ist, um die Vorbereitungen zum nächsten Start zu treffen. Hinsichtlich einer Notlandung führt Art. 3 des Haager Übereinkommens aus, 11 daß der Flug als fortdauernd gilt, bis die zuständigen Behörden die Verantwortung für das Luftfahrzeug und die Personen und Sachen an Bord übernehmen. Diese Begriffsbestimmung kann für § 316 c Abs. 1 nicht herangezogen werden; vielmehr muß mit Beendigung der Notlandung auch der Flug als beendet angesehen werden. Solange sich allerdings noch Personen oder Sachen an Bord befinden, greift Absatz 1 S. 2 ein. Das notgelandete Luftfahrzeug untersteht also dem erhöhten Strafschutz des § 316 c, solange es nicht planmäßig von Besatzung und Fluggästen C/7icA/ gehöre zum Tatbestand); differenzierend BGHSt. (GrS) 16 155, 158 (nur die „GarantenStellung" gehöre zum Tatbestand, die „Garantenpflicht' zur Rechtswidrigkeit); Sch./Schröder/Stree § 13 Rdn. 2; Jescheck S. 512 (§ 59 VI 1), 517 (§ 60 I 2) mit weit. Nachw. (316)

Vollrausch (Spendel)

§323 a

r e c h t b e i m R a u s c h t ä t e r n i c h t a u f „ s u b j e k t i v e U n r e c h t s e l e m e n t e " a n . 324 W e n n der B e t r u n k e n e a u f d e r S t r a ß e e i n e n P a s s a n t e n , der i h n g e r a d e a u s p l ü n d e r n zu k ö n n e n m e i n t , a n r e m p e l t u n d d i e s e m plötzlich e i n e n K i n n h a k e n gibt, so ist seine R a u s c h tat, die K ö r p e r v e r l e t z u n g , d u r c h N o t w e h r gerechtfertigt, gleichgültig, o b er d e m and e r e n einen H i e b „ v e r p a ß t " , weil er sich „fixiert" f ü h l t u n d ü b e r d e n a n d e r e n ärgert o d e r weil er i h n als A n g r e i f e r e r k a n n t hat u n d a b w e h r e n will. cc) Der subjektive Tatbestand der Rauschtat: Schrifttum Bruns, H.-J. Die Bedeutung des krankhaft oder rauschbedingten Irrtums für die Feststellung „einer mit Strafe bedrohten Handlung" i. S. der §§42b, 330 a StGB, DStR 1939 225; Bruns, H.-J. Zur Problematik rausch-, krankheits- oder jugendbedingter Willensmängel des schuldunfähigen Täters im Straf-, Sicherungs- und Schadensersatzrecht (§§ 330 a, 42 b StGB, 829 BGB), JZ 1964 473; Doliinger/Boldt Zur Handlung des Zurechnungsunfähigen in § 330a StGB, DR 1939 1033; Lang Inwieweit ist bei Anwendung des § 330a StGB die subjektive Seite der Rauschtat nachzuprüfen? DJ 1937 1217; Roeder Das Schuld- und Irrtumsproblem beim Vollrausch, Rittler-Festschr. (1957) S. 211; Sandrock Zum inneren Tatbestand der „Rauschtat" des § 330 a StGB, DR 1940 165; Sartor Die Rauschtat und das Problem des „natürlichen Vorsatzes" in § 330a StGB, Diss. Frankfurt/M 1939; Schlosky Straftaten in Volltrunkenheit, JW 1936 3425; Schmidt-Leichner Zur Problematik des Rauschmittelmißbrauchs nach § 330 a StGB, DStR 1940 109; Schüler-Springorum Der „natürliche" Vorsatz. Zu seiner Beurteilung durch Richter und Sachverständigen, MSchrKrim 1973 363; Stutzer Die „mit Strafe bedrohte Handlung" i. S. d. § 330 a StGB, DStR 1939 250; Traub § 330 a StGB und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verbotsirrtum, JZ 1959 9. Sehr f r a g w ü r d i g u n d u m s t r i t t e n ist, o b u n d wieweit d i e R a u s c h t a t a u c h d e n sub- 1 8 5 jektiven Tatbestand eines Delikts e r f ü l l e n m u ß . D a s P r o b l e m ist „in seiner g a n z e n S c h ä r f e u n d B e d e u t u n g erst bei d e r p r a k t i s c h e n A n w e n d u n g " der V o r s c h r i f t voll erk a n n t w o r d e n ( L a n g D J 1937 1217). S c h o n f ü r die f r ü h e r e n A u t o r e n w a r u n t e r dem G e s e t z in d e r u r s p r ü n g l i c h e n F a s s u n g die S t r e i t f r a g e „ w o h l die schwierigste" u n d ließ „zwei völlig gegensätzliche A u s l e g u n g e n " z u , 325 zwischen d e n e n a u c h die R e c h t s p r e c h u n g g e s c h w a n k t hat. F ü r ihre Verneinung (so d e m W o r t l a u t n a c h , o h n e n ä h e r e B e g r ü n d u n g , f ü r den 1 8 6 Fall eines N o t z u c h t s v e r s u c h s R G S t . 69 187, 188 = J W 1935 2373 mit A n m . Nebel) 326 h a b e n sich f r ü h e r b e z e i c h n e n d e r w e i s e v o r a l l e m P r a k t i k e r des R e c h t s ausg e s p r o c h e n 327 u n d sind f o l g e n d e Ü b e r l e g u n g e n a n z u f ü h r e n : 324 So für das Delikt des Vollrausches ausdrücklich Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 333 und in der Sache alle Autoren, die die Berücksichtigung einer inneren Tatseite bei der Rauschtat ablehnen (s. dazu folgend Fußn. 327). And. die vorherrsch. Meinung, s. z. B. Cramer Vollrauschtatbestand S. 123 Anm. 97; Lay LK9 III (1977) § 330a a. F. Rdn. 41; Sch./Schröder/Cramer2\ Rdn. 14, 15; Horn SK II Rdn. 15. 325 Sandrock DR (Ausg. B) 1940 165, der eine gute Übersicht über die Judikatur des RG gibt; ebenso Gerland ZStrW 55 (1936) 801; Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) 63. 326 Ebenso anfanglich die österreichische und grundsätzlich die tschechoslowakische höchstrichterliche Rechtsprechung, s. Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 63 und 64 Anm. 1; mit Nachw. Hellm. v. Weber GerS 106 (1935) S. 331/332; Roeder Rittler-Festschr. S. 221 ff. 327 Gra/DRiZ 1934 235 (s. aber auch aaO r. Sp. und S. 236); HodesW 1936 514; Schlosky JW 1936 3427 (gegen ihn Schreyer S. 72 ff); Schmidt-Leichner DStR 1940 111 ff, 113; Klee ibid. S. 118; ferner Domning S. 25 ff; Sartor S. 49; Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) 91 ff, 100; Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 307 ff, 329; im Ergebnis weitgehend auch Kusch S. 92 ff, 107, 116, 156. (317)

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Einmal ist der Vollrausch gerade dadurch gekennzeichnet, d a ß der Rauschtäter meist nur wenig klare oder gar keine Vorstellungen hat u n d sich auch später oft k a u m noch oder gar nicht mehr seiner Rauschtat erinnern kann. Die Prüfung subjektiver Tatbestandsmerkmale stellt dann den Richter vor kaum überwindliche Beweisschwierigkeiten. War der Delinquent sogar „sinnlos betrunken" und wußte überhaupt nicht mehr, was er tat, steht das Gericht vor einer unlösbaren Aufgabe. Jede richterliche Feststellung zur inneren Tatseite läuft d a n n auf eine Fiktion hinaus. Schon der Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs von 1927 (S. 190) hat in seiner Begründung zu § 367, dem Vorläufer des heutigen § 323 a, richtig bemerkt: „Eine Unterscheidung nach der Richtung, ob der Täter in dem Rauschzustand ein Verbrechen, Vergehen oder eine Übertretung begeht, sieht der Entwurf nicht vor. Einer solchen Unterscheidung im Gesetze steht entgegen, daß vielfach die Frage, ob eine Tat Verbrechen oder Vergehen ist, von subjektiven Momenten abhängt, die bei dem sinnlos Berauschten ausscheiden". Wenn zwei Burschen in sinnloser Trunkenheit zwei am Straßenrand lagernde, etwa drei Zentner schwere Zementrohre auf die Fahrbahn rollen und ein Autofahrer in der Dunkelheit beinahe gegen dieses Hindernis geprallt und schwer, womöglich tödlich verunglückt wäre (so der Fall des R G J W 1936 456), dann kann diese objektiv eindeutig vorliegende konkrete Leibes- u n d Lebensgefahrdung, je nach der inneren Vorstellung u n d Absicht der Rauschtäter, (nach dem heutigen Recht) einen Tötungsversuch oder eine versuchte gefährliche Körperverletzung, einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB) oder nur einen Verstoß gegen die StVO darstellen oder aber — mangels überhaupt einer Vorstellung — gar keinen Deliktstatbestand in subjektiver Hinsicht erfüllen. Es m u ß ebenso willkürlich wie unbefriedigend erscheinen, hier mit dem R G die Rauschtat als leichte Verkehrsübertretung zu qualifizieren, obwohl die Betrunkenen „eine Autofalle gefährlichster Art hergestellt" hatten (so treffend das LG bei RG JW 1936 456 1. Sp.) u n d obwohl vom R G mit keinem Wort dargelegt wird, inwiefern sie sich denn wenigstens einer Verkehrsübertretung bewußt waren. 328

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Sodann: die Forderung, immer die subjektive Seite der Rauschtat festzustellen, müßte also in nicht wenigen Fällen „wieder zu einem Freibrief f ü r denjenigen Menschen führen, der sich am stärksten betrunken" (Schlosky JW 1936 342 1. Sp.; s. auch RGSt. 73 11, 15) und — ist zu ergänzen — vielleicht am schwersten das Recht objektiv verletzt hat. Denn wenn der Täter infolge seines Vollrausches gar nicht erkannte, was er anrichtete, wäre er nach dieser „subjektivistischen" Auffassung freizusprechen, so etwa in dem (Rdn. 174) schon angeführten Fall des sinnlos berauschten Bauern, der mit über 4 %o BÄK seine Frau im Bett totgeschlagen hat und mit 6,2 %o BÄK (!) aufgefunden worden ist. Es ist aber widersinnig, solche Fälle gesteigerten Vollrausches von der Bestrafung nach § 323 a auszunehmen, wenn und weil hier kein Bewußtsein oder keine Willensrichtung mehr feststellbar sei.

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Endlich scheint f ü r die Nichtberücksichtigung der inneren Seite der Rauschtat der neue Gesetzeswortlaut des § 323 a / zu sprechen, der sie n u n m e h r als (wenngleich tatbestandsmäßig) „rechtswidrige Tat" umschreibt. 329 Für eine solche sind

328 Das RG hat dem Tatrichter aufgegeben zu prüfen, ob auf der Straße Straßenbahnschienen verliefen und dann — nach der damaligen Gesetzesfassung — eine gemeingefährliche Transportstörung nach § 315 a. F. StGB in Betracht käme. Aber ob die sinnlos Berauschten darüber Vorstellungen besaßen, ließ sich doch wohl ebensowenig sicher feststellen! 329 Vgl. auch Hellm. v. Weber in Stock-Festschr. S. 64/65. (318)

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nach einer rein objektivistischen Unrechtsauffassung, die auch keine „subjektiven Unrechtselemente" anerkennt, 330 seelische Merkmale weder erforderlich noch beachtlich. Für die Bejahung der vorstehend (Rdn. 185) aufgeworfenen Frage, d. h. für eine Berücksichtigung des subjektiven Tatbestandes bei der Rauschtat hat sich dagegen die heute vorherrschende Meinung erklärt (RGSt. 69 189, 191; RG DRpfl. 1936 Sp. 584 = HRR 1936 Nr. 1550; BGHSt. 18 235, 236; BGH VRS 41 [1971] 93/94, 95; OLG Hamburg JR 1951 211; OLG Celle GA 1956 360; BayObLG VRS 25 [1963] 346; OLG Hamm NJW 1967 1523, 1524 1. Sp.).331 Folgende Gesichtspunkte werden dafür angeführt 332; Zunächst die mangelnde Bestimmbarkeit des Deliktscharakters mancher Rauschtaten, da diese wie die Verhaltensweisen nüchterner Täter objektiv mehrdeutig sein können (s. z. B. anschaulich den Zementrohr-Fall des RG in Rdn. 187). Ohne die Feststellung dessen, was sich der Berauschte vorgestellt und gewollt hat, läßt sich also nichts Eindeutiges über seine Handlung aussagen. Weiterhin scheint die Nichtbeachtung des subjektiven Tatbestandes bei der Rauschtat die Strafbarkeit des Rauschtäters auszudehnen: Der Berauschte nimmt im Lokal einen fremden Mantel an sich, den er für seinen eigenen hält, oder eine fremde Sache, die er später wieder zurückbringen will oder bei deren Wegnahme er sich überhaupt nichts denkt (Fehlen des Diebstahlsvorsatzes oder der Absicht rechtswidriger Zueignung333); oder: er torkelt in eine Schaufensterscheibe oder zerstört unwillentlich sonst eine Sache (eine objektiv-tatbestandsmäßige rechtswidrige Sachbeschädigung, die noch nicht einmal bei Fahrlässigkeit eines nüchternen Täters strafbar wäre 334). Schließlich und nicht zuletzt läßt sich für die Berücksichtigung auch der subjektiven Deliktsseite die Neufassung des § 323 a II anführen; hiernach darf die für den Vollrausch zu verhängende Strafe nicht schwerer sein als die für die Rauschtat (nach der früheren Fassung des § 330a II: für die vorsätzliche Handlung) angedrohte. Diese Zusatzbestimmung begrenzt also den allgemeinen Strafrahmen des 330 So z. B. dezidiert Rob. v. Hippel Dtsch. StR II (1930) S. 88 f, 184 f, 187 f; Rittler Lehrb. d. österr. Strafr., 2. Aufl., I (1954) S. 116 ff, 119, 121 ff, 133; Hans Schultz Einf. in den Allg. Teil des (Schweiz.) Strafr., I 3. Aufl. (1977) S. 134, 145; SpendelZStrW 65 (1953) 530; ders. in Stock-Festschr. (1966) S. 91 f; ders. DRiZ 1978 328 ff; ders. LK § 32 Rdn. 60 ff, 64 ff, 139 ff. 331 Hellm. v. Weber GerS 106 (1935) 333; Gerland ZStrW 55 (1936) 804; Dohm ZAkDR 1939 268 f, 269 1. Sp. ; Roeder in Rittler-Festschr. S. 234, 241 ; Hardwig in Eb. Schmidt-Festschr. S. 477 f; H.-J. Bruns JZ 1964 476 r. Sp., 480; WelzelS. 475; Lay LK.9 III (1977) § 330a a. F. Rdn. 56 (S. 295 unt.); Schüler-Springorum MschrKrim 1973 368; Sch./Schröder/Cramer Rdn. 18; Dreher/Tröndle Rdn. 13 a. E.; Horn SK II Rdn. 12; Arzt/Ulr. Weber LH 2 S. 142 Rdn. 436; Haft BT S. 269; Otto StrR BT2 S. 397 (§ 81 II 2d); Wessels BT-18 S. 205/206 (§ 23 I 3). 332 Vgl. schon Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 65 ff. 333 Was nach RGSt. 73 11, 16; BGHSt. 18 235, 237; BGH NJW 1967 579 für die Annahme einer Rauschtat i. S. d. § 242 unzureichend wäre. In der letzten Entscheidung wird der Nachweis „dieses besonderen Willensmerkmales" verlangt und geurteilt, daß „sich aus dem äußeren Tatablauf nichts ergibt, was der Feststellung einer .diebischen Absicht — gemeint ist die Zueignungsabsicht — entgegenstehen könnte", womit die subjektive Tatseite aus der objektiven erschlossen wird! 334 Was nach RG JW 1936 1911 Nr. 27 a. E. für die Feststellung einer Rauschtat i. S. d. § 303 ungenügend wäre. (319)

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§ 323 a I für den konkret abzuurteilenden Rauschfall noch einmal durch die Strafdrohung für einen bestimmten Deliktstyp nach oben. Sie scheint damit die eindeutige Feststellung des subjektiven Tatbestandes der Rauschtat zwingend zu fordern. 335 194 Dementsprechend ist in der Rechtsprechung erörtert oder geprüft worden, ob die Volltrunkenen mit dem Rollen der Zementrohre auf die Straße einen Autofahrer töten oder nur den Verkehr stören wollten (RG JW 1936 456); ob der Rauschtäter mit der Aufforderung an ein kleines Mädchen, sich auszuziehen, eine versuchte Verleitung zur Duldung unzüchtiger Handlungen (§ 176 I Nr. 3 a. F.) oder nur eine Beleidigung (§ 185) begangen hat (RG HRR 1936 Nr. 1149); ob er sich bewußt war oder nicht, sich einer militärischen Wache zu widersetzen (RG JW 1936 514 mit ablehn. Anm. Hodes); ob er gezielt oder nur beim wahllosen Um-sich-Knallen oder aus Versehen einen Menschen erschossen hat (RG JW 1936 1911 Nr. 27); ob der sich einem Mädchen gegenüber als Polizeibeamter ausgebende Betrunkene mit seiner gewaltsamen Wegnahme von Fahrrad und Handtasche sich die Sachen anzueignen beabsichtigte (dann schwerer Raub nach §§ 249, 250 I Nr. 3 a. F.) oder nur das Opfer zum Mitkommen zwingen wollte (dann neben § 132 nur § 240) oder das Rad zur Flucht zu benutzen suchte (RG JW 1936 3003/3004 1. Sp.); ob der Berauschte bei der Verleitung von Mädchen zur Verübung unzüchtiger Handlungen i. S. d. ehemaligen § 176 I Nr. 3 das Alter der Kinder kannte oder nicht (RG HRR 1938 Nr. 190 geg. Ende); ob er bei seinem ungenierten Urinieren in der Gegenwart von Kindern sich der Erregung öffentlichen Ärgernisses bewußt war oder nur aus Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit handelte (RG HRR 1939 Nr. 663), wobei er sich nach RGSt. 70 159, 160 nicht der „Öffentlichkeit" seines Tuns hätte bewußt zu sein brauchen; ob er einem anderen mit seinem Taschenmesser vorsätzlich oder fahrlässig in die Hand gestochen hat (BayObLG VRS 25 [1963] 346). 195

Daher ist auch in der Judikatur ausdrücklich festgestellt worden, daß der Volltrunkene die Vergewaltigung bewußt und zielstrebig verübt habe (BGHSt. 1 124, 127); daß er nach einem Verkehrsunfall bewußt weitergefahren sei (OLG Köln NJW 1960 1264); daß er die weggenommene Sache sich zuzueignen beabsichtigt habe (BGH NJW 1967 579); daß er den äußeren Totschlagstatbestand durch Niederstechen seines Zechkumpanen im Anschluß an eine Schlägerei „mit natürlichem Vorsatz" verwirklicht habe (BGH JZ 1979 412= NJW 1979 1370). 196 Aber nicht allein der Tatvorsatz oder eine „natürliche" Fahrlässigkeit ist auf Grund dieser „subjektivistischen" Auffassung bei der Rauschtat festzustellen, sondern selbst das Unrechtsbewußtsein. 336 Wer z. B. im Vollrausch mit seiner Stieftochter geschlechtlich verkehrt hat, müßte sich danach unter dem früheren Recht (§ 173 II 2 a. F.) bewußt gewesen sein oder doch wenigstens haben vorstellen können, daß sein Verhalten dem Mädchen gegenüber „wegen des zu ihr bestehenden persönlichen Bandes der Schwägerschaft nicht nur sittlich, sondern auch rechtlich mißbilligt wird" (so OLG Stuttgart NJW 1964 413, 414). 197 In letzter Konsequenz führt diese Ansicht zu dem Ergebnis, daß jede Fehlvorstellung oder jeder Irrtum des Rauschtäters, selbst der rauschbedingte, beachtlich sei 335 So jetzt kategorisch („Feststellung der subjektiven Tatseite unverzichtbar") Sch./Schröder/ Cramer2\ Rdn. 16. 336 So vor allem TraubiZ 1959 12 ff, 15; and. mit Recht 0 « o G r K StR, D. einz. Del.2S.397 (§ 81 II 2d); zu der Frage s. noch H.-J. Bruns JZ 1964 481; Cramer JuS 1964 363 r. Sp.; Lenckner JR 1975 31; Dencker NJW 1980 2165. (320)

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und die Anwendung des § 323 a mangels Feststellbarkeit einer (auch subjektiv zu bestimmenden) Rauschtat hindere. 337 So urteilte das RG in einem Fall des tätlichen Angriffs gegen einen militärischen Vorgesetzten in Unkenntnis der Vorgesetzteneigenschaft, „der Irrtum über ein wesentliches Tatbestandsmerkmal" müsse dem Rauschtäter „bei vorsätzlichen Handlungen ebenso zugute kommen wie dem strafrechtlich . . . verantwortlichen Täter, und zwar gleichviel, ob der Irrtum die Folge des /tawsc/izustandes gewesen ist oder anderer Umstände" (RG DRpfl. 1936, Sp. 584 Nr. 641 = H R R 1936, Nr. 1550). BGHSt. 18 235, 236 (1963) meinte - im Widerspruch zur jüngeren reichsgerichtlichen und eigenen früheren Rechtsprechung (BGH NJW 1953 1442 = LM § 330a a. F. Nr. 8)338 daß eine „ausschließlich auf seine Trunkenheit" zurückzuführende falsche Vorstellung des Berauschten über seine Zahlungsfähigkeit beachtlich sei und deshalb einen Betrug als Rauschtat mangels Täuschungswillens und Absicht der Vorteilsverschaffung ausschließe. Und OLG Hamm NJW 1967 1523, 15241. Sp. entschied, der Betrunkene habe keine Unfallflucht nach § 142 a. F. begangen, wenn ihm „lediglich infolge seiner Volltrunkenheit" der von ihm verursachte Verkehrsunfall nicht bewußt geworden sei. Gerade diese Konsequenz der Forderung, die subjektive Seite der Rauschtat im- 198 mer zu berücksichtigen, zeigt jedoch, daß der subjektive Ausgangspunkt verfehlt ist. Denn der Vollrausch schließt nicht erst die Schuldfähigkeit aus, d. h. die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht oder zur WillenfoWdung gemäß dieser Einsicht, und damit die Grundlage des „ Unrechtsbewußseins"bei der Rauschtat, sondern oft schon den „Tatvorsatz" (oder ein anderes subjektives Tatbestandselement). Darum ist es nicht nur unnötig, das erstere beim Berauschten feststellen zu sollen, 339 sondern auch z. T. unmöglich, den letzteren (oder ein anderes inneres Tatmerkmal) ermitteln zu wollen. Denn wäre immer der subjektive Tatbestand der Rauschtat zu berücksichtigen, dann müßte § 323 a „in vielen Fällen unanwendbar bleiben" (so mit Recht RGSt. 73 11, 15), in denen der Vollrausch gerade die typische Ursache für eine Fehl- oder Falschvorstellung des Volltrunkenen ist, dessen Nichtbestrafung aber dem Zweck der Vorschrift, den sich schuldhaft schuldunfähig machenden Rauschtäter für seinen gefährlichen Vollrausch nicht von jeder Verantwortung zu entbinden, sondern gerade zur (begrenzten) Verantwortung zu ziehen, direkt zuwiderlaufen würde. Schon das RG sah sich daher genötigt, „zwischen den beiden äußersten Meinun- 199 gen", d. h. zwischen der Berücksichtigung nur der objektiven Tatseite einerseits und der Beachtung auch der subjektiven andererseits, einen „Mittelweg" zu suchen (so RGSt. 73 11, 15 = JW 1939 545 mit Anm. Klee) und den rauschbedingten Irrtum schließlich doch für unbeachtlich zu erklären (so auch BGH NJW 1953 1442 = LM § 330a a. F. Nr. 8; OLG Braunschweig NdsRpfl. 1948 112, 113; OLG Stuttgart NJW 1964 413; OLG Celle NJW 1969 1775; BayObLG NJW 1975 1520, 1522 r. Sp.; ebenso für § 42b a. F. = § 63 n. F. RGSt. 73 314, 315; BGHSt. 3 287; 10

337 in der Rechtslehre s. die in Fußn. 331 angeführten Autoren (z. T. den rauschbedingten Verbotsirrtum ausnehmend). 338 Wieso der BGH noch den Hinklang dieses seines Urteils mit der von ihm selbst als „grundlegend" bezeichneten Entscheidung RGSt. 73 11 behauptet, bleibt unerfindlich. Auch H.-J. Bruns JZ 1964 474 1. Sp., 481 r. Sp. sieht darin einen Bruch mit der Rechtsprechung von der Unbeachtlichkeit rauschbedingter Irrtümer oder Fehlvorstellungen. 339 Wie hier z. B. Otto GrK StR, D. einz. Del. 2 S. 397 (§ 81 II 2d). (321)

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355.340 And. BGHSt. 18 235, 236; OLG Hamm NJW 1967 1523, 1524). Wenn sich z. B. ein Betrunkener in seinem Säuferwahn, in dem er „alles doppelt sieht", einbildet, von einer Menschenmenge angegriffen und auf den Kopf geschlagen zu werden und deshalb auf zwei allein anwesende Personen einsticht und sie tödlich verletzt, so muß diese nur auf dem Rausch beruhende Fehlvorstellung oder „Putativnotwehr" unberücksichtigt bleiben (so grundlegend RGSt. 73 11, 17). Entsprechendes ist aber auch anzunehmen, wenn sich der Täter in einem rauschbedingten TatbestandsÜTTium befindet, infolge seiner Volltrunkenheit z. B. wähnt, auf eine Vogelscheuche und nicht auf einen Schäfer zu schießen. 341 200 Mit dieser angeblich vermittelnden Meinung von der Unbeachtlichkeit rauschbedingter Irrtümer und Fehlvorstellungen gibt man aber im Grunde den subjektiven Ausgangspunkt preis und ist wiederum bei der objektiven Auffassung angelangt, daß für die Strafbarkeit nach § 323 a nicht die Feststellung eines subjektiven Tatbestandes der Rauschtat notwendig ist. Zutreffend ist bemerkt worden, daß die jüngere RG-Rechtsprechung „mit der einen Hand das wieder" genommen habe, „was sie mit der anderen zuvor gegeben" habe. 342 Entscheidend muß allein sein, ob der Vollrausch eine (Mit-)Ursache der Rauschtat war oder nicht. Ist er dies nicht, dann ist § 323 a eben nicht anwendbar (Rdn. 157 ff). Das hat nicht nur für die äußere, sondern auch für die innere Seite des in Volltrunkenheit begangenen Delikts zu gelten. Ebensowenig wie jemand nach § 323 a i. V. m. § 222 (statt § 316) zu bestrafen ist, wenn er im Vollrausch einen Menschen überfährt, der sich plötzlich als Selbstmörder vor sein Auto geworfen hat, ist es der verbummelte und betrunkene Student, der zusammen mit dem nüchternen, aber zerstreuten Professor beim Verlassen des Weinlokals irrig seinen in Fabrikat, Farbe und Größe völlig gleichen Mantel mit dem des Gelehrten vertauscht. In beiden Fällen ist nicht der Vollrausch die Ursache für die Tat in Volltrunkenheit; im Fall des Kraftfahrers ist es vielmehr das Sich-vor-den-Wagen-Werfen des Selbstmörders, dem keiner ausweichen kann, 343 im Fall des Studenten die Beschaffenheit der Mäntel, die selbst der nüchterne Träger nicht gleich zu unterscheiden vermag. Beide Taten sind nur im Rausch, nicht aber infolge des Rausches begangen worden.

340 Dieser Rechtsprechung zustimmend Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 72; Dollinger/Boldt DR 1939 1033, 1035; Stutzer DStR 1939 252; Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 559 f; Werner LK.8II (1958) § 330a a. F. Anm. V3; Dalcke/Fuhrmann/K. Schäfer §330a a. F. Anm. 5a); Cramer Vollrauschtatbestand S. 123/124; Kohlrausch/Lange §330a a. F. Rdn. 18; Schmidhäuser BT2 S. 191 (15/28). Nicht eindeutig oder konsequent Blei BT12 S. 365 (§94 III 2a); Bockelmann BT/3 S. 215/216 (§25 IV 2); Lackner15 Anm.3b)cc); Maurach/Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 305 (§ 94 II 1 c) bb)). 341 Anders für den rauschbedingten Tatbestandsirrtum z. B. H.-J. Bruns JZ 1964 480 r. Sp.; Dreher/Tröndle41 Rdn. 13 a. E., 14; Maurach/Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 305 (§ 94 II 1 c) bb)), die nur die auf einem Rausch beruhende irrige Annahme eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes für unbeachtlich erklären. 342 Schmidt-Leichner DStR 1940 111; s. auch Stutzer DStR 1939 250, 252 („Durchbrechung" des „Grundsatzes, daß auch der innere Tatbestand der Rauschtat zu berücksichtigen" sei); Klee JW 1939 548. 343 Der Autofahrer, ob nüchtern oder betrunken, hat in diesem Augenblick keine Unterlassungsmöglichkeit, d. h. keine Gelegenheit mehr, das Auto zum Stehen zu bringen und den Tod des Selbstmörders zu verhindern. Ursache für das Überfahren ist neben dem Handeln des Passanten das Auto, das seinen „Fahrer" unwiderstehlich mitreißt, nicht aber dieser selbst, s. Rdn. 173! (322)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

Die Frage nach dem subjektiven Tatbestand der Rauschtat ist somit dahin zu be- 201 antworten: Wie es schon de lege ferenda richtig und sinnvoll gewesen wäre, die Gefährlichkeit des Vollrauschs allein durch eine im Rausch begangene äußere Rechtsgutsgefährdung oder -Verletzung zu begründen und zu bestimmen, 344 so ist auch de lege lata aus den in Rdn. 186 ff angeführten Gesichtspunkten nach Möglichkeit vom objektiven Standpunkt auszugehen, da das Kennzeichnende für den Vollrausch als Delikt die Einschränkung oder sogar Ausschließung der normalen Vorstellungsund Willensbildung ist. 345 Bei einer fahrlässigen Rauschtat könnte ohnehin nur das „psychologische Element" der Fahrlässigkeit, die Voraussicht oder Vorhersehbarkeit des Erfolges, in Betracht kommen, weil das die Schuld begründende „normative Element", die Verletzung der Sorgfaltspflicht, die (beim Rauschtäter gerade nicht vorliegende) Schuldfahigkeit voraussetzt und weil man von einem Schuldunfahigen schlecht die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt fordern kann. 346 Für die hier vertretene Ansicht spricht auch § 323 a I, nach dem die auf dem 202 Rausch beruhende Schuldunfähigkeit, d. h. die Unfähigkeit zur Unrechtsems/cAi und zum „ Rechts willen" und damit der rauschbedingte Mangel des Unrechtsbewußtseins bei der Rauschtat, nicht zur Straflosigkeit, sondern gerade zur Straf barkeit führt. Dasselbe muß dann auch für alle anderen subjektiven Tatmerkmale gelten; denn sie bilden sonst als psychische Voraussetzungen ebenso wie das psychische Faktum „Unrechtsbewußtsein" die tatsächliche Grundlage für den Unwert „Schuld" bzw. den tatsächlichen Gegenstand des normativen Schuldurteils. Abs. I des § 323 a betrifft daher allein die Schuldfrage, d. h. die Strafbarkeit des 203 Vollrauschs, für die es auf die nähere subjektive Bestimmung der objektiv-tatbestandsmäßigen „rechtswidrigen (Rausch-)Tat" nicht ankommt;347 Abs. II — eine gesetzgeberisch verfehlte Regelung — bezieht sich dagegen nur auf die Straffrage, d. h. auf die gesetzliche Strafhöhe für den Vollrausch, 348 für welche die Feststellung des subjektiven Tatbestandes der Rauschtat zwar hilfreich ist, seine Nichtfeststell344 Zu dieser Frage näher Uhse S. 75 ff, 84, der allerdings die „mit Strafe bedrohte Handlung" des §330a a. F. durch das Merkmal „Gemeingefahr" zu ersetzen vorschlägt; s. ferner Schmidt-Leichner DStR 1940 117, der als „Strafbarkeitsbedingung" die Begehung eines „strafwürdigen Unrechts" gesetzt sehen möchte. 345 So insbesondere Schmidt-Leichner DStR 1940 109, 112; Klee ibid. S. 118; Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) 91 ff; Sartor S. 40 ff, 43, 46 ff; im Ergebnis auch Kusch S. 156. Für den Fall der durch Alkoholgenuß verschuldeten Unverantwortlichkeit (§ 829 S. 2 BGB) hat dem RG (RGZ 146 213, 215) auch der „äußere Tatbestand" einer unerlaubten Handlung gemäß den §§ 823 ff BGB genügt. 346 Zu den Schwierigkeiten, in die sich hier die „subjektivistische" Auffassung bei der Frage nach einer „natürlichen Fahrlässigkeit" verstrickt, s. z. B. RG HRR 1936 Nr. 854 = DStrR 1936 180, 181 vor Nr. 4; OLG Hamburg MDR 1967 854, 855 1. Sp.; Dahm ZAkDR 1939 209 1. Sp.; Lackner Anm. 3b) ee); Lay LK9 III (1977) Rdn. 49 f; Sch./Schröder/Cramer Rdn. 19, die die Feststellung verlangen, daß der Rauschtäter im nüchternen Zustand die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes hätte voraussehen und die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht hätte vermeiden können, oder z. B. Roeder Rittler-Festschr. S. 229; Dreher/TröndleW Rdn. 15; Maurach/Schroeder BT, 2. TBd. S. 305/306 (§ 94 II ld), nach denen festzustellen ist, ob ein normaler Durchschnittsmensch in gleicher Lage den Erfolg hätte vorhersehen können und vermeiden müssen. Kritisch zu diesem „hypothetischen Fahrlässigkeitsurteil" Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) 90; Kusch S. 100 ff, 107. 347 So dezidiert Schmidt-Leichner DStR 1940 113; Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) 91 ff; s. ferner Schlosky JW 1936 3425, 3427 r. Sp. u. Fußn. 327; Kusch S. 156. 348 Ein Anklang an diesen Gedanken findet sich schon bei Graf DRiZ 1934 235 r. Sp. ob.; ferner bei RGSt. 69 189,190 unt. Nr. 2 (s. dazu Rdn. 204). (323)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

barkeit aber nicht zur Straflosigkeit führen darf. Es ist dann vielmehr von der subjektiv leichtesten Begehungsform der objektiv-tatbestandsmäßig vorliegenden Rauschtat auszugehen. Das bedeutet für praktische Fälle folgendes: 204 (1) Läßt sich nicht klären, ob der Volltrunkene die herabwürdigenden unwahren Tatsachenbehauptungen bezüglich eines anderen wissentlich oder nicht aufgestellt hat, ob also die objektiv vorliegenden beleidigenden Äußerungen als Verleumdung (§ 187) oder als üble Nachrede (§ 186) zu qualifizieren sind, so kann das „für die Schuldfrage", d. h. für die Strafbarkeit wegen Vollrauschs nach § 323 a I „auf sich beruhen bleiben" (!), da eine seine Gefährlichkeit beweisende objektiv-tatbestandsmäßige rechtswidrige (Rausch)Tat hinreichend festgestellt ist; für die S/ra/frage, d. h. „für die Strafzumessunginsbesondere für die Festsetzung der bei der Aburteilung zu beachtenden Höchststrafe ist dagegen die nähere Bestimmung der Rauschtat nach subjektiven Merkmalen „u. U. nicht ohne Bedeutung" (so schon kurz, aber den entscheidenden Gesichtspunkt berührend RGSt. 69 189, 190 unt. Nr. 2). Können in diesem Falle keine näheren Feststellungen zur Vorstellung des Rauschtäters getroffen werden, ist zu seinen Gunsten für die Strafhöhe vom leichteren Delikt (hier: § 186 mit Höchststrafe von 1 Jahr) statt vom schwereren (hier: § 187 mit Strafmaximum von 2 Jahren) auszugehen, also für den Vollrausch keine höhere Freiheitsstrafe als ein Jahr auszuwerfen. 205

(2) Greift der schwer betrunkene Zecher in der Wirtschaft dem Servierfräulein unter den Rock und ist aus subjektiven Gründen nicht mehr aufklärbar, ob ein Vergewaltigungsversuch oder nur eine tätliche Beleidigung vorliegt, „so muß im Zweifel die Beleidigungsstrafe als Maßstab" (sc.: für die auf diesen gefährlichen Vollrausch angedrohte Höchststrafe) „genommen werden" (d. h. hier: 2 Jahre).349 206 (3) Im Zementrohr-Fall von RG JW 1936 456 (s. Rdn. 187) liegt - nach heutigem Recht — objektiv eindeutig eine erhebliche konkrete Straßenverkehrs- und Lebensgefährdung für den (beinahe gegen das Straßenhindernis geprallten) Autofahrer vor und damit objektiv-tatbestandsmäßig und rechtswidrig eine versuchte Tötung 350 — und nicht nur eine versuchte gefährliche Körperverletzung — sowie ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b) — und nicht nur ein leichter Verkehrsverstoß —. Dies genügt für die Feststellung, daß sich die beiden Rauschtäter wegen eines gefährlichen Vollrauschs, bewiesen durch eine (tatbestandsmäßige) „rechtswidrige Tat", strafbar gemacht haben. Für die S/ra/frage, d. h. für den Strafrahmen ist zugunsten der zwei Angeklagten von der leichtesten Deliktsform der Lebensgefährdung — und das ist § 315b V, fahrlässiger gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr — auszugehen und damit der richterlichen Strafzumessung ein gesetzliches Strafmaximum von 2 Jahren zugrunde zu legen, da man wegen der sinnlosen Trunkenheit der zwei Delinquenten keine näheren Feststellungen zur subjektiven Seite der Rauschtat treffen kann (ebenso Cramer Vollrauschtatbestand S. 128). Wäre dies dagegen möglich, ließe sich z. B. ein Tötungswille der beiden Trunkenbolde erweisen, wäre die Lebensgefährdung auch subjek349 So treffend Schmidt-Leichner DStR 1940 109, 113; and. (die höhere Höchststrafe für den Vergewaltigungsversuch!) nicht überzeugend Kusch S. 154 zu Anm. 73. 350 Zur objektiven Seite des Versuchsbegriffs Spende! Zur Neubegründung der objektiven Versuchstheorie, Stock-Festschr. (1966) S. 89, 99 ff, 106. Daß ein absolut untauglicher Versuch für die Annahme einer (objektiv-tatbestandsmäßigen) „rechtswidrigen Tat" i. S. d. § 323 a nicht ausreicht, hat auch Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) S. 103 schon für die alte Fassung der Vorschrift erkannt! Vgl. auch Kusch S. 108 ff. (324)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

tiv ein Totschlagsversuch und eine Strafe bis zu 5 Jahren f ü r diesen so gefährlichen Vollrausch zulässig (§ 323 a II i. V. m. §§ 212, 22, 23). (4) Im Falle des sinnlos betrunkenen Bauern, der im Bett seine Frau totgeschla- 2 0 7 gen hat (s. Rdn. 174), genügte für die Verurteilung wegen eines höchst gefährlichen Vollrauschs i. S. d. § 323 a I die Tatsache, daß der Rauschtäter eine objektiv-tatbestandsmäßige rechtswidrige Tötung begangen hat. Mangels jeder näheren Feststellungen zur inneren Tatseite dürfte dagegen bei der Strafzumessung die Höchststrafe für das leichteste Tötungsdelikt, also 5 Jahre für fahrlässige Tötung (selbst bei Körperverletzung mit tödlichem Ausgang ist das Strafmaximum höher!) nicht überschritten werden, was hier nur von theoretischer Bedeutung ist, da die höchstzulässige Strafe nach § 323 a sowieso nur 5 Jahre ist. K a n n nicht mehr ermittelt werden, ob der Berauschte einen anderen vorsätzlich 2 0 8 oder vorhersehbar („fahrlässig") verletzt oder ob er überhaupt keine Vorstellungen mehr bei dem Geschehen besessen hat, so ist für die Straffrage als Rauschtat eine fahrlässige Körperverletzung (§ 230) mit einem gesetzlichen Strafrahmen nicht über 3 Jahren zugrunde zu legen. Ist dagegen eine vorsätzliche Verletzung mit einem Messer nachweisbar, ist die gesetzliche Strafhöhe für den Vollrausch nach § 323 a II i. V. m. §§ 223, 223 a 5 Jahre. (5) Der sinnlos betrunkene Bauer, der nachts eine fremde Scheune zum Schlafen 2 0 9 aufgesucht hat und, morgens aufgewacht, immer noch volltrunken mit der für seine eigene gehaltenen fremden K u h loszieht, 351 ist nach § 323 a I strafbar, da er rechtswidrig den objektiven Diebstahlstatbestand, die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, erfüllt hat und sein rauschbedingter Irrtum unbeachtlich ist. Er ist ja nicht für einen Gebrauchsdiebstahl zu bestrafen, sondern für seine sich in der rechtswidrigen Eigentums- und Gewahrsamsverletzung offenbarende Gefährlichkeit des Vollrauschs. 352 Die — nur scheinbar weitere oder strengere — Verantwortlichkeit des Rauschtäters gegenüber dem nüchternen Delinquenten ist dadurch gerechtfertigt, „daß er eine typisch rauschmäßige Gefahr bis zur Rechtsgutsverletzung verwirklicht". 353 Im übrigen ist zu beachten, d a ß hier (s. Rdn. 62 ff, 230 ff) strengere Anforderungen an die Bestimmung von Vorsatz u n d Fahrlässigkeit hinsichtlich des Sichberauschens aufgestellt werden. Ein subjektiver Tatbestand der Rauschtat ist somit nur insoweit als beachtlich 2 1 0 anzusehen, als er den Mangel der Ursächlichkeit des Vollrauschs für die Rauschtat ergibt oder die Straffrage durch nähere Bestimmbarkeit dieser Rauschtat gemäß § 323 a II erleichtert. N u r eine solche Auslegung des in seiner Ausgestaltung weitgehend verunglückten Vollrauschtatbestandes dürfte ein kriminalpolitisch sinnvolles und praktisch befriedigendes Ergebnis liefern. dd) Der SchuldausschluD bei der Rauschtat: Das Kennzeichnende der Rauschtat 211 ist, d a ß bei ihr die Schuldfähigkeit u n d damit die Schuld des Berauschten infolge des Vollrausches ausgeschlossen ist (Rdn. 72, 104, 106, 109, 126). Insofern könnte eine nähere Frage nach der Schuld oder der Entschuldigung des Rauschtäters widersinnig erscheinen. Es fragt sich jedoch, wie ein „Schuldausschluß" zu behandeln 351 Praktischer Fall, in dem die österreichische Justiz — entgegen der Ansicht von Roeder in Rittler-Festschr. S. 235 — mit Recht verurteilt hat. 352 Ebenso für entsprechende Fälle Sartor S. 44. 353 Graf DRiZ 1934 235 r. Sp., der als Richter darauf hinweist, daß man bei leichten Rauschtaten das Verfahren nach der StPO wegen Geringfügigkeit einstellen kann; s. ferner Schmidt-Leichner DStR 1940 117. (325)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

ist, der nicht auf dem Vollrausch beruht, sei es, daß er schon vor diesem bestand, sei es, daß er erst nach ihm eingetreten ist. Zur ersten Alternative der Frage ist zu bemerken: Hat sich z. B. ein an schwerem Verfolgungswahn oder Alkoholpsychose Leidender und daher Schuldunfähiger völlig betrunken und infolgedessen eine Rauschtat begangen, so ist seine objektiv-tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat bereits auf Grund dieser Geisteskrankheit („krankhaften seelischen Störung" usw.), erst recht auf Grund des Vollrauschs nicht schuldhaft. 212 Ist dagegen erst nach der Selbstberauschung der Täter in eine schuldausschließende Sachlage, etwa in einen Notstand nach § 35 oder in einen Notwehrexzeß nach § 33, geraten, so verneint die vorherrschende Meinung ebenfalls das Vorliegen einer Rauschtat (BGH NJW 1953 14421. Sp.).354 Das ist aber im Ergebnis ungenau und in der Begründung unrichtig, da ein Schuldunfähiger nicht noch einmal entschuldigt werden kann. 355 Es ist vielmehr zu prüfen und zu unterscheiden, ob der Vollrausch oder die tatsächlichen Voraussetzungen des Entschuldigungsgrundes die Ursache für die (tatbestandsmäßig) rechtswidrige Rauschtat waren. Ist z. B. bei der Kesselexplosion auf einem Schiff außer einem nüchternen Passagier ein völlig betrunkener Matrose ins Wasser geschleudert worden, der nun, in den kalten Wellen halbwegs zur Besinnung gekommen, den anderen von der rettenden, aber nur einen Mann tragenden Planke wegstößt und so dem Ertrinkungstod überantwortet („Brett des Karneades"), so ist § 323 a nicht anwendbar; denn es mangelt hier am notwendigen Ä^jMsafeusammenhang zwischen Vollrausch und „Rauschtat" (besser: Tat im Rausch): Der Matrose hat die Tötung des anderen nicht infolge seiner Volltrunkenheit, sondern seiner Todesangst bzw. der Lebensgefahr begangen. 213 An der ursächlichen Verknüpfung fehlt es ebenfalls, wenn ein schwer betrunkener Täter nur aus „Schrecken" und nicht auf Grund seines Rauschzustandes die Grenzen der Notwehr überschritten und z. B. den ihn überfallenden Straßenräuber getötet hat, obwohl ein Niederschlagen und Verletzen des Angreifers durchaus zur erforderlichen Verteidigung genügt hätte. Für die rechtswidrige Tötung ist der schuldunfähige Volltrunkene dann schon nach § 20 (nicht erst nach § 33) nicht zu bestrafen, für den Vollrausch mangels eines Kausalzusammenhangs zwischen Rauschzustand und Tat während des Rausches nicht strafbar. Entsteht dagegen der Notwehrexzeß des Betrunkenen nicht aus „Furcht" oder „Schrecken",356 sondern aus Volltrunkenheit, die ihn streitsüchtig und gewalttätig gemacht hat, oder beruht seine „ Verwirrung" gerade auf seinem vom Alkohol umnebelten Gehirn, so ist das Ursachenverhältnis zwischen Vollrausch und Rauschtat gegeben. Es besteht dann auch kein Grund, § 323 a nicht anzuwenden 357; denn der rauschbedingte Gemüts354 La„g DJ 1937 1218; Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) 73; Domning S. 60/61; Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) S. 333 zu d); Roeder in Rittler-Festschr. S. 234; Traub JZ 1959 12 r. Sp.; Dalcke/Fuhrmann/K. Schäfer §330a a. F. Anm. 5a); Lay LK.9 III (1977) §330a a. F. Rdn. 42; Dreher/TröndleM Rdn. 14; Arzt/Ulr. Weber StR BT, LH 2, Rdn. 440 (S. 143). 355 Insofern auch treffend Kusch S. 118: „Da die Rauschtat von der Schuld des Rauschtäters unabhängig ist, gibt es bei der Rauschtat nichts zu entschuldigen". And. Roeder in RittlerFestschr. S. 234 (kein Paradoxon). 356 Zu diesen Gemütszuständen näher Spendel LK § 33 Rdn. 58 ff. 357 Ebenso schon Gerland ZStrW 55 (1936) 805; Lang DJ 1937 1218 r. Sp.; Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) 73, obwohl diese Autoren bei den Entschuldigungsgründen z. T. nicht auf die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Vollrausch und Rauschtat abstellen, den entschuldigenden Notstand vielmehr als Grund für den Ausschluß einer „natürlichen Schuld" bei der Rauschtat ansehen. (326)

Vollrausch (Spendei)

§323 a

zustand bzw. Notwehrexzeß darf beim Delikt des Vollrausches nicht etwa entlastend berücksichtigt werden. Des von Kusch neuerdings unternommenen, (wie er S. 125 selbst bemerkt) „si- 214 cherlich mühsam wirkenden" Versuchs, einen „Rauschtatausschluß durch Gefahrüberlagerung" zu begründen, bedarf es nicht, um zu klaren und befriedigenden Ergebnissen zu gelangen. Daß sich in dem Schlag des Betrunkenen gegen den ihn anfallenden bösartigen Hund auch „die Gefahr realisiert, die aus der Berauschung des A herrührt" (?) und die von der Gefahr, die dem Eigentum des Tierhalters in Gestalt der Abwehr des Tierangriffs drohe, „überlagert" werde, ist eine etwas merkwürdige Konstruktion und nicht richtig. Der Hieb mit dem Stock resultiert nicht aus einer Rauschgefahr, sondern aus dem Angriff des Hundes, zu dessen Abwendung er ausgeführt wird. Entscheidend und ursächlich für die Tat in der Trunkenheit ist allein die von dem angreifenden Hund ausgehende Leibes- und Lebensbedrohung des Betrunkenen. Der Schlag ist daher nach den §§ 32 StGB, 227 bzw. 228 BGB gerechtfertigt. 358 Wenn A den volltrunkenen B durch Schläge nötigt, seinerseits C zu verprügeln (Beispiel von Kusch S. 128), so soll hier die „Nötigungsgefahr" (daß der genötigte B dem C Ohrfeigen gibt) stärker als die „Rauschgefahr" (daß B Tätlichkeiten oder andere Rechtsgutsverletzungen begeht) sein und diese daher „überlagern", eine Rauschtat i. S. d. § 323 a deshalb ausschließen. Die einfache Lösung des Falles ist demgegenüber die, daß Ursache für die rechtswidrige Tat des B im Rausch, für seine Mißhandlung des Dritten C, die vis compulsiva des A, dessen Einschlagen auf B, und nicht der Vollrausch des letzteren ist. Denn nach dem Sachverhalt hätte B ohne die von A bezogenen Prügel nicht auf C eingeschlagen. Aus diesem und keinem anderen Grunde ist § 323 a, der richtiger Ansicht nach eine Verursachung der Rauschtat durch den Vollrausch erfordert, unanwendbar. Nimmt dagegen der Volltrunkene infolge seines Rausches irrig eine nicht anders 215 abwendbare Leibes- oder Lebensgefahr an und tötet deshalb zu deren vermeintlicher Abwendung einen Menschen, so ist sein „ fWa/ivnotstand" i. S. d. § 35 II StGB, weil rauschbedingt, unbeachtlich. Es gilt insoweit das schon von RGSt. 73 11, 15 zur „PWa/i'vnotwehr" Ausgeführte (s. vorsteh. Rdn. 199); an der rechtswidrigen Tötung als Rauschtat und an der Anwendung des § 323 a I ändert das nichts. ee) Der Strafausschluß bei der Rauschtat: Wie beim Schuldbegriff fragt es sich, 216 ob auch der auf anderen Gründen als dem Vollrausch beruhende Ausschluß der Strafe für die Rauschtat beachtlich ist. Hierbei kommen „positive" und „negative" Umstände der Bestrafung in Betracht. Zu der ersten Gruppe gehören die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit, die 217 von der Lehre als auf außerstrafrechtlichen, insbesondere rechtspolitischen Gründen beruhende und Unrecht und Schuld nicht berührende außertatbestandliche Voraussetzungen der materiellen Strafbarkeit, z. T. aber auch als verkappte Merkmale des objektiven Straftatbestandes oder als verkleidete Voraussetzungen der prozessualen Strafverfolgung angesehen werden. 359 Sie müssen jedenfalls für eine Strafbarkeit nach § 323 a gegeben sein 360, wie auch der ursprüngliche Ausdruck für 358 Zur Notwehr gegen Tierangriffe Spendet LK § 32 Rdn. 38 ff, 58 f; im Ergebnis auch Kusch S. 120/121 für Rechtfertigung, aber nach § 34 StGB. 359 So insbesondere Bemmann Zur Frage der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit (1957) S. 52, 55. 360 Ebenso ohne nähere Begründung Lang DJ 1937 1217,1218 r. Sp.; Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 74; O. Grasmann S. 92. (327)

§323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

die straftatbestandsmäßige rechtswidrige Rauschtat, die Bezeichnung als „mit Strafe bedrohte Handlung", schon nahelegte. Dafür spricht, daß es objektive Merkmale sind, die nicht von Vorsatz oder Fahrlässigkeit umfaßt zu sein brauchen. Wenn schon trotz rechtswidriger Tatbestandsverwirklichung, aber wegen Fehlens solcher Strafbarkeitsbedingungen beim nüchternen und schuldigen Täter kein Bedürfnis nach einer Bestrafung besteht, dann auch nicht beim berauschten und schuldunfähigen. Wer im Vollrausch die öffentlich gehißte Flagge eines ausländischen Staates herunterreißt und beschmutzt (§ 104 StGB), ist ma/enWfrechtlich nur dann nach § 323 a i. V. m. § 104 s t r a f b a r , 361 wenn zu dem fremden Staat diplomatische Beziehungen bestehen und die Gegenseitigkeit verbürgt ist (§ 104 a). Da beim Mangel dieser objektiven Strafbarkeitsbedingungen 362 kein Grund bestünde, diese Tat als ein besonderes, gegen einen ausländischen Staat gerichtetes Vergehen nach § 104 zu bestrafen, braucht sie auch nicht als Begründung für die Gefährlichkeit des Vollrausches zu dienen und keine Strafe nach § 323a mitzubedingen. Soweit § 104a außerdem noch rein prozessuale Voraussetzungen der Strafverfolgung wie das Strafverlangen der ausländischen Regierung und die Ermächtigung zur Strafverfolgung der Bundesregierung aufstellt, sagt das Gesetz selbst (§ 323 a III) ausdrücklich, daß das Delikt des Vollrausches nur bei ihrem Vorliegen zu verfolgen ist. 218 Was die Frage nach den „negativen" Strafbarkeitsbedingungen anlangt, d.h. nach den persönlichen Strafausschließungs- und den Strafaufhebungsgründen, so hat folgendes zu gelten: Hinsichtlich der ersteren (s. z. B. §§ 36, 173 II, 258 VI) ist die Beachtlichkeit für die Rauschtat ebenso wie im vorhergehenden Falle zu bejahen. 363 Denn läßt die Rechtsordnung trotz tatbestandsmäßig-rechtswidriger und vorsätzlich-schuldhafter Tat eines nüchternen Delinquenten aus bestimmten, an die Person des Täters geknüpften Gründen wie Alter oder Angehörigeneigenschaft (und nicht wegen Schuldunfähigkeit) schon von vornherein gar nicht erst einen staatlichen Strafanspruch entstehen, so darf dieser auch nicht auf dem Umweg über § 323 a begründet werden. Dies gilt um so mehr, als z. B. beim Vergehen des Verwandtenbeischlafs (früher: Blutschande) nach § 173 das Alter des Abkömmlings (soweit über 1 8 Jahre) als objektives T a t b e s t a n d s m e r k m a l , 364 (soweit unter 18 Jahren) als tatbestandsausschließender Umstand angesehen werden kann, zumindest also eine tatbestandsähnliche Voraussetzung der Strafbarkeit ist. Die 17jährige Tochter, die im Alkoholrausch ihrem Vater den Beischlaf gestattet, ist deshalb weder nach § 173 II S. 1 (falls sie trotz Trunkenheit noch schuldfähig war) noch nach § 323 a (falls sie wegen Volltrunkenheit schuldunfähig war) strafbar, und zwar auf Grund des persönlichen Strafausschließungsgrundes nach § 173 III (noch nicht 18 Jahre alt), der für die Rauschtat wie für das Vollrauschdelikt gleichermaßen beachtlich sein muß. 361 Eine Strafbarkeit nach § 323 a kommt nur i. V. m. § 303 (s. aber § 303 III und § 323 a III) in Betracht. 362 So überwieg. Mein.; and. (auch Prozeßvoraussetzungen, d. h. Voraussetzungen der Strafverfolgung) Lackner § 104 a Anm. 1. 363 Ebenso im Ergebnis, aber ohne Begründung Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 74; Roeder in Rittler-Festschr. S. 234 Anm. 97; Lay LK.9III (1977) §330a a. F. Rdn. 43; Dreher/ TröndleM Rdn. 14. 364 So in der Tat RGSt. 19 391, 393 (unter ausdrücklicher Ablehnung der Figur eines persönlichen Strafausschließungsgrundes für das Alter unter 18 Jahren); s. ferner Lackner 15 § 173 Anm. 7: „Der Wortlaut" des § 173 III „könnte auch als Tatbestandsausschluß" verstanden werden. (328)

Vollrausch (Spendei)

§323 a

Schwieriger erscheint die Entscheidung bei den Strafaufhebungsgründen (s. z. B. 219 §§ 24, 31, 310), die trotz tatbestandsmäßig-rechtswidriger und schuldhafter Tat den bereits entstandenen Strafanspruch des Staates erst nachträglich wieder entfallen lassen. Wenn der Volltrunkene, der den Verschlag eines Weinkellers aufbricht, um sich mit weiterem Alkohol zu versorgen, schließlich von seinem Vorhaben absieht, da er plötzlich keine Lust mehr zum Entkorken der Flasche hat, so kann dieser Rücktritt vom Diebstahlsversuch schon deshalb nicht strafaufhebend für das Trunkenheitsdelikt wirken, weil mangels Schuldfähigkeit des Berauschten gar nicht erst eine Strafbarkeit wegen der Rauschtat begründet worden ist. Anders als bei den persönlichen Strafausschließungsgründen ist hier die Nichtentstehung des staatlichen Strafanspruchs nur rauschbedingt. Trotz dieser Eigenart der Sachlage und trotz der Problematik der Freiwilligkeit beim Betrunkenen dürfte das Vorliegen der Voraussetzungen eines Strafaufhebungsgrundes bei der Rauschtat die Anwendung des § 323 a hindern. Die Rechtsprechung hat die Anwendung der Vorschrift in einem solchen Falle 220 ohne nähere Begründung verneint (RG HRR 1936 Nr. 1149 geg. Ende; BGH bei Daliinger MDR 1971 361, 362 r. Sp.). Die Rechtslehre vertritt, z. T. unter „analoger" Anwendung des § 24 StGB, weitgehend den gleichen Standpunkt 365 und sieht teilweise den Grund, warum z. B. der bei der Rauschtat gegebene Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch auch für den Fo/Zrawsc/rtatbestand gelten soll, darin, daß sich die mit dem versuchten Trunkenheitsdelikt gegebene Rechtsgutsgefährdung „nachträglich als wesentlich geringer" und damit zugleich die im Vollrausch liegende Gefährlichkeit als vermindert oder ausgeschlossen erwiesen habe.366 In der Tat wird man für den Ausschluß der Rauschgefahr eine Ex-post-Bturteilung ebenfalls nicht vermeiden können, wenn dies schon nach der nicht glücklichen Gesetzestechnik des § 323 a für die Begründung geschieht (s. vorsteh. Rdn. 60 ff, 227). Die Rauschtat ist also hier als Ganzes, nicht nur als Diebstahlsversuch, sondern auch als „Rücktritt" zu betrachten und zu bewerten. Wenn schon für die Tat des nüchternen Delinquenten die Strafe aufgehoben würde, so ist das Gesamtverhalten des volltrunkenen Täters nicht anders zu behandeln. Ist dieser dagegen erst nach seiner Ernüchterung von der im Rausch begonnenen 221 Handlung zurückgetreten, so kann dieser Rücktritt keine Straflosigkeit mehr begründen, sondern läßt die Strafbarkeit nach § 323 a bestehen. 367 Denn der Vollrausch hat mit der Begehung der objektiv-tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen Versuchs-Rauschtat, also einer Rechtsgutsgefährdung, seine Gefährlichkeit erwiesen und ist damit als eigenes Delikt vollendet. Der nach Beendigung des Rauschzustandes erfolgte Rücktritt kommt „zu spät"; er gehört nicht mehr zur „Rauschtat". Führt der Täter die versuchte Trunkenheitstat nach Abklingen seines Rausches zu Ende, so macht er sich auch wegen dieses Vergehens — in Tateinheit mit § 323 a — straf365 Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 74; H.-J. Bruns DStR 1939 227; Hogräfer StrAbh. H. 418 (1940) S. 103f; Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 331; Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 40; Dreher/TröndleM Rdn. 14; LacknerlS Anm. 3b)dd); Sch./Schröder/Cramer2\ Rdn. 21; Horn SK II Rdn. 19; Maurach/Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 306 (§ 94 II 1); Arzt/Ulr. Weber StR BT, LH 2 Rdn. 442 (S. 143); Otto StR, D. einz. Del.2 S. 397 (§ 81 II 2e); Ranft MDR 1972 742 ff, ders. JA 1983 243. Nicht entschieden Kusch S. 128/129. 366 Ranft MDR 1972 737, 743 r. Sp.; s. ferner schon Hogräfer StrAbh. H.418 (1940) S. 103/104. 367 Ebenso Ranft MDR 1972 743; ders. JA 1983 243 r. Sp.; Blei BT12 S. 366 (§ 94 IV); and. Sch./Schröder/Cramer Rdn. 21; Hom SK II Rdn. 19. (329)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

bar 368 (zum Konkurrenz^erhältnis zwischen der Tat in und nach dem Rausch s. im übrigen Rdn. 344). 222

Ist für die Rauschtat ein Absehen von Strafe vorgesehen (s. z. B. § 311 c II), so ist eine solche Möglichkeit des richterlichen Strafverzichts, in analoger Anwendung des Grundgedankens von § 3 2 3 a l l und III, auch für den Vollrauschtatbestand anzunehmen (OLG Stuttgart NJW1964 413,414 für den ehemaligen § 173 V 1).369

III. Das Unrecht des Vollrausches Die vorstehend entwickelte Deutung des Vollrausches als eines subjektiv-generellen Gefährdungsdelikts, die die Rauschtat als Beweistatsache für seine objektive Gefährlichkeit, diese also als „ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal" auffaßt (Rdn. 61 ff, 71, 157, 161), ermöglicht auch eine befriedigende Entscheidung zum Unrecht der Tatbestandsverwirklichung nach § 323 a. Die Frage, ob und wann das Sichberauschen als rechtswidrig zu gelten hat, ist, obwohl sie manchmal weitgehend übergangen wird, 370 strittig und schwierig. 371 Denn sieht man mit der gängigen Meinung in dem Delikt ein abstraktes Gefährdungsdelikt, für dessen Strafbarkeit die Rauschtat eine (von Vorsatz oder Fahrlässigkeit nicht umfaßte) objektive Bedingung sein soll, so ist die Unrechtsbestimmung ein Problem, das für das herrschende Verbrechenssystem kaum einwandfrei lösbar erscheint. 224 Einerseits spricht vieles dafür, die Selbstberauschung als solche nicht für verboten, d. h. noch nicht für rechtswidrig zu halten, solange der Alkoholgenuß nicht verpönt ist. Zwar ist die Bemerkung, andernfalls könne jeder in Nothilfe „auch dem stillsten Zecher Glas und Flasche fortnehmen", 372 kein ernst zu nehmendes Argument; denn solange der Trinkende „still" ist, also niemandem „zu nahe tritt" und unmittelbar gefährdet, liegt kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vor, gegen den Notwehr geübt werden dürfte. 373 Aber es wäre mehr als sonderbar, wenn z. B. der biedere alte Seebär, der seine schwere Erkältung immer noch am wirksamsten mit heißem Grog bekämpft und sich abends ins Bett legt und trinkt, bis er schließlich schwer berauscht, aber friedlich einschläft, um am nächsten Morgen halb kuriert aufzuwachen, rechtswidrig gehandelt haben sollte (s. schon Rdn. 64). Deshalb wird auch zum großen Teil die Selbstberauschung als solche nicht für rechtswidrig gehalten (BGHSt. [GrS] 9 390, 396; BGH JR 1958 28, 29; OLG Oldenburg JZ 1951 460 r. Sp.; s. auch BGHSt. 19 152, 154). 374 223

368 Ebenso Ranft MDR 1972 743 Anm. 81. 369 Ebenso Dreher/Tröndle41 Rdn. 18 a. E.; Horn SK II Rdn. 24; Sch./Schröder/Cramer2\ Rdn. 29. 370 Vgl. z. B. den Schönkesehen Kommentar von der ersten bis zur letzten Auflage (1. Aufl. 1942, § 330a a. F. Anm. II und III, und 21. Aufl. 1982, § 323a Rdn. 6—10), wo ohne selbständige Erörterung der Rechtswidrigkeitsfrage vom objektiven zum subjektiven Tatbestand des Vollrausches übergegangen und jetzt lediglich bei der Erläuterung der Rauschtat (Rdn. 13) nebenbei behauptet wird, „die Widerrechtlichkeit der Tat" (d. h. des Vollrausches als Vergehen) liege „im Sichberauschen". 371 Zweifelnd und unentschieden z. B. schon Boldt DR 1939 1036 1. Sp. 372 Maurach Schuld und Verantwortung (1948) S. 109. 373 Unbestimmt zu dieser Frage Kusch S. 50. 374 Ebenso im Ergebnis z. B. Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 574, 584; ders. JZ 1951 461; ders. JR 1957 242, 243; Maurach Schuld u. Verantwortung im Strafr. (1948) S. 109/110; ders. JuS 1961 374; Heinitz DZfgerMed. 44 (1955/56) 509, 510 f; Roeder Rittler-Festschr. S. 212; Arth. Kaufmann JZ 1963 425, 428 1. Sp.; Hellm. v. Weber Stock-Festschr. S. 59, 71; Ranft MDR 1972 737, 739 r. Sp.; Brandenberger S. 62. (330)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

Andererseits führt anscheinend schon eine rein formale Betrachtung nach der 225 herkömmlichen Deliktssystematik dazu, daß mit dem objektiven Tatbestand des Sichberauschens bis zur Schuldunfähigkeit zugleich dessen Unrecht indiziert ist. Denn es ist nicht recht ersichtlich, wieso ein nicht rechtswidriges Sichbetrinken erst auf Grund einer objektiven Strafbarkeitsbedingung, der Rauschtat, rechtswidrig werden sollte. Schließlich erscheint eine Berauschung durch Rauschgifte wie Haschisch, Heroin oder andere gefährliche Drogen verurteilenswert. Daher ist insbesondere für die jüngere Rechtsprechung und für einen Teil der Rechtslehre die Selbstberauschung als solche schon „selbständiges, strafrechtlich faßbares Unrecht, da „die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit" den Rausch in unserer hochentwikkelten technisierten Gesellschaft mit einem „sozialen Unwert" behafte, der sich „zu strafwürdigem Unrecht verdichte" (BGHSt. 16 124, 125; ebenso im Ergebnis BGHSt. 1 275, 277; OLG Bremen OLGSt.3 §330a a. F. (1965) S.7; OLG Zweibrücken VRS 32 [1967] 454, 455; OLG Celle NJW 1969 1588, 1589 1. Sp. vor 2b); JZ 1971 789, 790 r. Sp.; BayObLG NJW 1974 1520, 1521 1. Sp.; BayObLG VRS 56 [1979] 449, 453). 375 Aber auch diese Auffassung ist nicht überzeugend. Denn einmal führen viele Räusche nicht zu Rauschtaten, erweisen sich somit als nicht gefährlich. 376 Zum andern würde ein Gesetzgeber, der die von BGHSt. 16 125 unt. als „Zurückhaltung" (!?) bezeichnete Nichtbestrafung des (angeblich schon als solchen rechtswidrigen) Sichbetrinkens aufgeben und dieses für sich allein, ohne eine durch den Vollrausch bewirkte objektive Rechtsgutsgefährdung, für unrecht und sogar strafbar erklären wollte, also z. B. auch den viel beschworenen „Zecher im stillen Kämmerlein" bestrafen würde, bedenklich über die Aufgabe des Rechts hinausund ins Gebiet der Moral hinübergreifen. Der Streit zur Rechtswidrigkeitsfrage erledigt sich weitgehend, wenn man die 226 Rechtsnatur des § 323 a in dem hier dargelegten Sinne erfaßt (s. Rdn. 61 ff, 106). Danach kann allein das gefährliche (nach § 323 a: zu einer straftatbestandsmäßigen Rechtsgutsgefährdung oder -Verletzung führende) Sichberauschen als Unrecht gelten (s. auch BGH JR 1958 28, 29). 377 Wie oder von welchem Standpunkt aus diese Gefährlichkeit zu bestimmen ist, ist an sich eine andere Frage. Der Gesetzgeber hat — kriminalpolitisch und rechtstechnisch verfehlt (s. Rdn. 61 zu Fußn. 134) — nur insofern „Zurückhaltung" (um den Ausdruck des BGH zu gebrauchen) geübt, als er die durch den Vollrausch begründete Gefahr für ein Rechtsgut erst mit der Begehung einer „Rauschtat", in der Regel also mit einer konkreten Rechtsgutsverletzung (bei tatbestandsmäßigen Versuchstaten und Gefährdungsdelikten ausnahmsweise auch mit einer Rechtsgutsgefährdung) als gegeben und bewiesen ansieht. Er ist andererseits insoweit über das Ziel hinausgeschossen, als er schon jede Gefährlichkeit auf Grund einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen Rauschtat, mithin auch auf Grund von Bagatelldelikten, genügen läßt. 375 So auch z. B. Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 283, 301, 303, 323; H. Schröder DRiZ 1959 220 r. Sp., 222 1. Sp.; Hardwigin Eb. Schmidt-Festschr. S. 461; StGB-Entwurf 1962 mit Begründ. S. 537 r. Sp.; Lackner JuS 1968 215, 217; Puppe GA 1974 110; Lay LK.9 III (1977) § 330 a a. F. Rdn. 6 f; Dreher/Tröndle41 Rdn. 9 a. E.; Bockelmann BT/3 S. 208 (§25 1); Krey BT 2. Bd.5 S. 238 (§ 11 III); Dencker NJW 1980 2160; Kusch S. 51. 376 So z. B. OLG Celle NdsRpfl. 1950 128; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1951 131, 132 1. Sp. = JZ 1951 460; Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 584. 377 Ebenso z. B. Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 584; Ranft MDR 1972 740 r. Sp. Vgl. schon im vorhergeh. Rdn. 64 a. E. Auch „der Umfang des Gefährdungsunrec/ifs" wird durch die Schwere der Rauschtat mitbestimmt, OLG Karlsruhe NJW 1975 1936 r. Sp. (331)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

227

Eine Schwierigkeit der Unrechtsbegründung beim Vollrauschtatbestand könnte noch darin gesehen werden, daß die Bestimmung des Gefahibegriffe grundsätzlich eine Ex-aw/e-Betrachtung erfordert, hier aber vom Gesetzgeber durch eine Ex-postBeurteilung ersetzt wird (dazu näher Rdn. 60). Für die Frage z. B. der Verhinderung eines fremden Vollrausches und der Abwendung eines drohenden Schadens, und zwar durch Notwehr oder Nothilfe, ist jedoch der erste Gesichtspunkt nach wie vor maßgebend. 378 Wenn sich der Ehemann wieder einmal betrinkt und sich seine Frau in Befürchtung der üblichen Ausschreitungen des Haustyrannen bereits in ein Zimmer eingeschlossen hat, darf ihr zufällig ins Haus kommender Bruder dem schon Drohungen ausstoßenden Trunkenbold nach § 32 die Flasche wegnehmen und ihn an der Steigerung seines Vollrausches und seiner Wut hindern. Denn es handelt sich hier nicht mehr um einen „stillen Zecher", sondern um einen durch seine Berauschung gefährlich werdenden oder gewordenen Menschen, von dessen Volltrunkenheit — für eine Ex-an/e-Betrachtung — der Ehefrau alsbald Mißhandlungen drohen, von dem also ein gegenwärtiger, weil unmittelbar bevorstehender bzw. gleich beginnender rechtswidriger Angriff ausgeht, gegen den Nothilfe zulässig sein muß. Den vollen Nachweis der tatbestandsmäßigen Gefährlichkeit i. S. d. § 323 a und des Unrechts dieses Vollrausches, um dessen Verurteilung und Bestrafung sicher begründen zu können, sieht der Gesetzgeber dagegen in einer nicht glücklichen Ex-/>osf-Beurteilung erst mit der Begehung einer Rauschtat als erbracht an (s. Rdn. 61 geg. Ende). Eine solche Rauschtat würde in unserem Beispielsfalle noch nicht vorliegen, da die Vorbereitung oder der Versuch einer Körperverletzung (unmittelbar bevorstehende oder sogar schon angekündigte Tätlichkeiten gegen die Frau) noch nicht straftatbestandsmäßig ist (s. § 223).

228

Sieht ein Gast, daß ein anderer Zecher volltrunken ist und Anstalten macht, in seinen Kraftwagen zu steigen und auf einer belebten Straße loszufahren, so darf er diesen Angriff, der nicht allein gegen die allgemeine Verkehrssicherheit, sondern auch gegen die Sicherheit einzelner Autofahrer und Passanten gerichtet ist, 379 abwehren und dem Berauschten z. B. den Zündschlüssel wegnehmen. Denn hier hat, ex ante gesehen, die Selbstberauschung als gefährlich und rechtswidrig zu gelten, obwohl sie noch nicht voll tatbestandsmäßig i. S. d. § 323 a ist, da es mangels einer Rauschtat an der gesetzlich für eine Verurteilung geforderten gesteigerten Gefährlichkeit bzw. an dem vom Gesetz verlangten Gefahrnachweis fehlt. Erst wenn sich der Betrunkene nicht an der Abfahrt hindern ließe und z. B. rechtswidrig den Tatbestand des § 316 oder § 315 c als Rauschtat verwirklichte, wäre auch der objektive Tatbestand des § 323 a voll erfüllt. Umgekehrt erscheinen viele Selbstberauschungen, ex ante gesehen, ungefährlich und nicht widerrechtlich, die schließlich mit der Begehung einer Rauschtat, also für eine Ex-post-Betrachtung, gefährlich und damit auch tatbestandsmäßig-rechtswidrig geworden sind, so im Falle des alten Seemanns, der sich im Bett einen Rausch antrinkt, um seine Erkältung auszukurieren, und der dann, im Schlaf geweckt, aus Verdruß über die Ruhestörung in der Volltrunkenheit einem anderen die Flasche an den Kopf wirft (s. weiter dazu Rdn. 64, 224).

229

Eine Rechtfertigung des (gefährlichen) Vollrausches ist angeblich „schwer vor380 in Wahrheit jedoch zu erwägen. Wenn von einem jungen Matrosen un-

stellbar",

378 Dazu näher Spendet LK § 32 Rdn. 219 ff, 222 f. 379 Zur Frage, wieweit Notwehr bei Angriffen gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit zulässig ist, s. Spendel LK § 32 Rdn. 195 ff, 199. 380 So Bockelmann BT/3 S. 214 (§ 25 III). (332)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

ter D r o h u n g mit gegenwärtiger Leibesgefahr oder sogar unter Mißhandlungen verlangt wird, sich zum G a u d i u m Dritter „nolens volens" zu betrinken, 381 so kann er sich vielleicht seiner Peiniger und Angreifer nicht anders „erwehren", als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und beim Trinkgelage mitzuhalten, auch wenn er sich dabei bewußt ist, als nicht trinkfester Mann im Vollrausch möglicherweise irgend etwas anzurichten. Falls er dann, in der Volltrunkenheit „mutig und stark" geworden, einen seiner ihn bedrängenden Zechgenossen beleidigt, wegstößt oder schlägt, ist seine Selbstberauschung, die den ihn Nötigenden gefährlich wird, nach § 32 oder § 34 nicht rechtswidrig. Denn sein Sichbetrinken u n d die damit begründete Gefährdung der fremden Angreifer sind in der besonderen Situation die einzig mögliche Reaktion, die dem Genötigten angedrohten oder zugefügten Mißhandlungen abzuwenden, und außerdem das kleinere Übel und das einzige Mittel gegenüber den sonst zu befürchtenden weiteren Verletzungen der eigenen Person. Soweit der Sichbetrinkende Dritten gefährlich wird, z. B. im Vollrausch Schiffsinventar demoliert oder gegen hinzukommende Offiziere ausfallend wird, kann sein Verhalten höchstens entschuldigt sein (s. Rdn. 247 und zu dem Problem der Abwehr einer Nötigung Spendel LK § 32 Rdn. 215). IV. Der subjektive Tatbestand des Vollrausches Zum inneren Tatbestand des § 323 a gehört — neben Unrechtsbewußtsein oder 230 Vorhersehbarkeit des Unrechts 382 — Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Diese beiden Formen der inneren Tatseite müssen sich nicht nur, wie ein Teil der Rechtsprechung und der Rechtslehre annimmt, 383 auf das Sichberauschen beziehen, sondern auch auf die durch den Vollrausch begründete Gefahr, in diesem Zustand irgendein Rechtsgut zu verletzen, d. h. auf die Möglichkeit, infolge des Vollrausches irgendeine Rauschtat zu begehen: B G H VRS 7 (1954) 309, 311; BGHSt. 10 249/250; BGH J R 1958 28; B G H VRS 17 (1959) 340; O L G Köln N J W 1966 412; BayObLGSt. 1968 44 = N J W 1968 1897; N J W 1974 1520, 1522 1. Sp.; O L G Celle N J W 1968 759, 760 1. Sp.; 1969 1588, 1589 1. Sp.; 1916, 1917; O L G H a m m N J W 1975 2252, 2253; OLG

381 Vgl. in dem Bericht des Wehrbeauftragten des Bundestages über üble Kommißpraktiken in der Bundeswehr (nach Würzburger Main-Post v. Do., 29. März 1979, Nr. 74 — S. 3) u. a. den Fall, daß ein Angehöriger der Bundesmarine „unter Gewaltanwendung gezwungen wurde, ein aus Whisky und Desinfektionsalkohol gemischtes Getränk ,zum Einstand' zu trinken"! 382 Das Unrechts-bewußtsein ist wie der Tat-vorsatz (d. h. das Tat-bewußtsein und der Tatwitte) als psychische Tatsache ein Bestandteil der inneren Tat-seite; es gehört wie der Vorsatz zum subjektiven Tat-bestand als Gegenstand der Wertung, nicht zur Schuld als Wertung dieses Gegenstandes. Faktische und normative Betrachtung, subjektiver Tatbestand als eine die innere Tatseite beschreibende und Schuld als eine diesen psychischen Sachverhalt bewertende Kategorie sind wie objektiver Tatbestand und Unrecht scharf zu unterscheiden, s. auch Spendel LK § 336 Rdn. 95. 383 So RGSt.69 187, 188; 70 42; 73 11, 13; 177, 180; BGHSt. 1 124; 2 14/15, 18; 6 89; 16 124, 126; 17 333, 334; OLG Braunschweig NJW 1966 679, 680; OLG Zweibrücken VRS 32 (1967) 455; OLG Schleswig SchlHA 1969 165; OLG Frankfurt/M OLGSt. 3 § 330a a. F. (1969) S. 31, 33; OLG Hamburg JR 1982 345, 346 r. Sp. mit Anm. Horn. In der Rechtslehre z.B. Dreher/TröndleM Rdn. 9; Lackner^S Anm. 4b); Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 9; Preisendanz § 330a a. F. Anm. 4a); Blei BT12 S. 366 (§ 94 III 2); Krey BT 1. Bd.5 S. 237 (§ 11 III); Maurach/Schroeder BT, 2. TBd. S. 307 (§ 94 II 4); Schröder DRiZ 1958 219, 220 r. Sp.; PuppeGA 1974 98, 101. (333)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Schleswig SchlHA 1975 189 Nr. 44 u. 45; 1976 169.384 Denn nach der hier entwickelten und vertretenen Auffassung ist der Vollrausch nur objektiv eine Art konkretes, subjektiv hingegen ein generelles (nicht abstraktes!) Gefährdungsdelikt (Rdn. 66 f), zu dessen äußeren Voraussetzungen also mehr gehört als zu den inneren: objektiv die Gefährlichkeit des Vollrausches, bewiesen erst durch die Verletzung oder (konkrete oder abstrakte) G e f ä h r d u n g 385 eines bestimmten Rechtsguts in Gestalt einer tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Rauschtat (Rdn. 67), subjektiv außer dem Vorsatz oder der Fahrlässigkeit hinsichtlich der Selbstberauschung die Kenntnis oder Erkennbarkeit einer durch sie begründeten unbestimmten Gefahr, d. h. der Möglichkeit irgendeiner Rechtsgutsverletzung infolge des Vollrausches. 231

Hinsichtlich der ersten Tatfolge muß sich der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit auf die Selbstberauschung bis zur Schuldunfähigkeit beziehen (RGSt. 70 85, 87; BGH NJW 1967 519; BGH bei Spiegel DAR 1979 180 zu Nr. 5b). Daß sich wegen der Gesetzesänderung (s. dazu Rdn. 105 0 die beiden Formen der inneren Tatseite nicht mehr auf ein die Schuldfähigkeit nach § 20 ausschließenden Ko/frausch, sondern nur noch auf einen den Bereich des § 21 „überschreitenden" (richtig: erreichenden!) schweren Rausch erstrecken müsse (so BGHSt. 16 187, 189 f; BGH VRS 38 [1970] 333386), ist abzulehnen; denn materiell-rechtlich gesehen gehört der schuldausschließende Vollrausch zum objektiven Tatbestand des § 323 a, an dessen Nachweis bzw. Feststellung nur prozeßrechtlich abgeschwächte Anforderungen gestellt werden. BGHSt. 16 190 berücksichtigt nicht diese notwendige Unterscheidung der beiden verschiedenen Blickstellungen, der Tatbestands- und der Beweisfragc (s. dazu Rdn. 107 ff). Der Vorsatz (oder die Fahrlässigkeit) i. S. d. § 323 a ist also nur bezüglich des ersten Taterfolges, der die Schuldfähigkeit ausschließenden Selbstberauschung, die eine Art „Selbstentmündigung" bedeutet, ein bestimmter „ Verletzungsvorsatz" (oder eine „Verletzungsfahrlässigkeit"), hinsichtlich der zweiten Tatfolge, der Gefährlichkeit des Sichberauschens, dagegen ein ««bestimmter Gefährdungsvorsatz (oder eine Gefährdungsfahrlässigkeit).

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Auf Grund mitursächlicher und die Rauschmittelwirkung verstärkender außergewöhnlicher Umstände kann der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit schon bezüglich des bis zur Schuldunfähigkeit gehenden Vollrausches entfallen und ist daher stets sorgfältig zu prüfen (BGHSt. 26 363, 366), so z. B. dann, wenn der Trinkende infolge eines anstrengenden militärischen Marsches und der dadurch bedingten Erschöpfung oder infolge einer Verletzung oder Hirnschädigung (BGH VRS 50 [1976] 358, 360) in einen (womöglich pathologischen) Rausch gerät, wenn der Volltrunkene ein unerfahrener Jugendlicher ist (BGHSt. 10 247/248, 251) oder wenn der Alkoholgenuß erst durch Erregung auf Grund einer Schlägerei zur Volltrunkenheit geführt hat (BGH NJW 1979 1370 mit weit. Nachweisen). War der Täter beim Hinzutreten des Affekts bereits stark angetrunken und dieser eine Folge des Sichberauschens, dann liegt nur „eine unwesentliche Abweichung vom vorgestellten Geschehensablauf' vor (BGH NJW 1979 1370 r. Sp.). Vor allem beim „pathologischen" Rausch (s. Rdn. 120 ff) bedarf „der innere Tatbestand" des § 323 a „einer besonders sorgfältigen Untersuchung" (RGSt. 73 132, 134; BGHSt. 1 196, 199). Zum Vorsatz384 Zur Rechtslehre s. schon Rdn. 68 und Fußn. 144, ferner Kohlrausch/Lange § 3 3 0 a a. F. Anm. V 2 (S. 665); zur Rspr. sehr kritisch Bockelmann BT/3 S. 214 (§ 25 II 2c) bb)). 385 Je nachdem, ob die Rauschtat ein Verletzungs- oder ein konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt darstellt, s. Rdn. 61 und Fußn. 133. 386 Ebenso z. B. Bockelmann BT/3 S. 213 (§ 25 II 2a); Maurach/Schroeder BT, 2. TBd. S. 307 (§ 94 II 4). (334)

Vollrausch (Spendel)

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oder Fahrlässigkeitsausschluß bei Vorkehrungen („Zurüstungen") gegen einen gefährlichen Vollrausch s. nachfolg. Rdn. 240 ff). 1. Der Vorsatz Direkter Vorsatz gemäß § 323 a ist danach gegeben, wenn der Täter weiß und 2 3 3 will, d a ß er sich bis zur Schuldunfähigkeit berauscht, z. B. beschließt, „einen Kleinen über den Durst zu trinken" (s. den Fall in BGHSt. 10 248) oder „sich vollaufen zu lassen" (s. auch den Fall von B G H VRS 17 [1959] 340, 341 ob.), und sich weiter dabei als möglich vor-stellt, im Vollrausch irgendeine Rauschtat zu begehen, und sich trotzdem die Herbeiführung eines solchen gefährlichen Zustandes voT-nimmt oder sie doch hin-nimmt (BGH VRS 7 [1954] 309, 311 a. E.). Es ist etwa die Einstellung: „Wenn ich erst einmal blau bin, kann ich für nichts mehr garantieren". Ob eine solche Sachlage, psychologisch gesehen, seltener vorkommt, ist eine andere Frage; denkbar ist sie jedenfalls Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn es der Täter nur für möglich hält, bei seinem 2 3 4 Trinken in einen Vollrausch zu geraten und dann irgendwelche Rauschtaten zu begehen, und diese Möglichkeit billigend in Kauf nimmt. Ob man hinsichtlich der zweiten Tatfolge, der Gefährlichkeit der Selbstberauschung, von einem bedingten (Gefährdungs-)Vorsatz sprechen darf, kommt auf den Standpunkt a n : stellt man nur auf die intellektuelle Seite ab, die als Möglichkeits- Vorstellung beim Gefährdungsvorsatz dominiert, ist die Frage zu verneinen, da man die Möglichkeit, fremde Rechtsgüter zu verletzen — das ist j a die „Gefahr"! —, schlecht selbst wieder für möglich halten kann. 387 Fordert man dagegen zutreffend auch eine voluntative Seite (so auch RGSt. 43 383, 385; BGHSt. 22 67, 74)388, ist die Frage zu bejahen, da der Handelnde (im Vertrauen auf den Nichteintritt eines Schadens, d. h. bei Nichteinwilligung in die Verwirklichung einer Verletzung) die Herbeiführung der erkannten Gefahr, d. h. der Möglichkeit z. B. einer Lebens- oder Leibesverletzung oder Sachbeschädigung, entweder — mit direktem Gefährdungsvorsatz — sich „vornehmen"(so z. B. der Kunstschütze oder Messerwerfer im Zirkus um des Nervenkitzels willen; der Autofahrer, der auf einen Polizisten zurast, um ihn zum Beiseitespringen zu zwingen, s. BGHSt. 22 67, 74/75; 26 176, 177) oder — mit bedingtem Gefährdungsvorsatz — nur „in Kauf nehmen" kann (so z. B. der Feuerwehrhauptmann, der seine Männer zur Brandbekämpfung einsetzen m u ß ; der flüchtende Autofahrer, der die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hinnimmt). 389 Die feine Grenze zwischen bedingtem Gefährdungs- und bedingtem Verletzungsvorsatz wird durch die Willensbeziehung zur Verletzung bestimmt: im ersten Falle nimmt der Täter nur die Möglichkeit der Verletzung in Kauf, im zweiten Falle dagegen sogar die mögliche Verletzung selbst. 387 Insofern treffend, im Anschluß an Miricka und Sturm, vor allem Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1930, Neudr. 1964) S. 405/406, da es kein „Bewußtsein der Möglichkeit einer Möglichkeit der Verletzung" gäbe; and. Rob. v. Hippel Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum, in VDA III. Bd. (1908) S. 373, 529 Nr. 2 a. E„ 532 Nr. 5; ders. Dtsch. StR II S. 327; Schroeder LK § 16 Rdn. 95. 388 Ebenso z. B. Jescheck Lehrb. S. 236 (§ 29 II 3 a). Daß es auch einen bedingten Gefährdungsvorsatz gibt, betonen ausdrücklich schon Binding Normen IV. Bd. (1919) S. 407 Anm. 18 (das dort angeführte Beispiel des Bergführers ist allerdings ein Fall der Gefährdungsfahrlässigkeit); Rob. v. Hippel II S. 327 und Anm. 3. 389 Würde der Autofahrer auch auf den sich ihm in den Weg stellenden Polizisten zufahren und diesen umfahren wollen, falls dieser nicht zur Seite springt, hätte er einen bedingten Tötungs-, d. h. Verletzungsvots&tz, BGHSt. 26 176,178. (335)

§ 323 a

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Zu beachten ist, daß von einem vorsätzlichen Vollrausch nicht mehr gesprochen werden kann, wenn sich der Vorsatz des Trinkenden lediglich auf das Sichberauschen und nicht auch auf dessen Gefährlichkeit, d. h. die Möglichkeit, daß der Vollrausch zu irgendeiner Rauschtat führe, bezieht (so ausdrücklich BGH VRS 7 [1954] 309, 311390). Ist sich der Rauschtäter nur seiner drohenden Volltrunkenheit, nicht jedoch ihrer Gefährlichkeit bewußt, hätte er sie aber erkennen können, hat er also hinsichtlich seiner Rauschgefährdung nur fahrlässig gehandelt, so liegt kein vorsätzliches (s. auch BGH VRS 17 [1959] 340, 341), 391 sondern nur ein fahrlässiges Vergehen nach § 323 a vor (ebenso BayObLG NJW 1968 1897, 1898 = VerkMitt. 1969 10, 11 1. Sp.; and. BayObLG NJW 1974 1520, 1523 1. Sp.). Das ist die Konsequenz aus der Auffassung, die im Vollrauschdelikt ein subjektiv-generelles Gefährdungsdelikt sieht und eine subjektive Beziehung zur Möglichkeit, in der Schuldunfähigkeit irgendeine Rauschtat zu verüben, verlangt (s. schon Rdn. 63).

236

Ist dagegen der Gefährdungsvorsatz bestimmt, ist sich der Trinkende der Möglichkeit bewußt, im Vollrausch nicht nur irgendein, sondern ein bestimmtes Rechtsgut zu verletzen, und nimmt er diese Möglichkeit, nicht aber eine solche Schädigung in Kauf, weil er auf deren Nichteintritt vertraut, so wird — bei entsprechender objektiver Gestaltung! — der bedingte Gefährdungs-vorsatz zur bewußten Verletzungs-fahrlässigkeit; 392 so betont auch BGHSt. 26 244, 246, daß ein Täter die Gefahr des Todes vorsätzlich, den Tod selbst fahrlässig herbeiführen kann. Es gilt dann folgendes: Soweit die das Rechtsgut angreifende Rauschtat ein konkretes Gefährdungsdelikt darstellt, ist der Täter wegen dieser Rauschtat selbst nach der Rechtsfigur der actio libera in causa als vorsätzlich Handelnder strafbar; soweit die Rauschtat ein Verletzungsdelikt ist, kommt eine Bestrafung wegen dessen fahrlässiger Begehung in Betracht. Beispiel: Der Sichbetrinkende hält es für möglich, daß er sich im Vollrausch ans Steuer setzt und Verkehrsteilnehmer auf der belebten Straße anfährt, und nimmt diese Gefährdung in Kauf, vertraut aber darauf, es werde schon zu keiner Schädigung anderer kommen. Hat er dann im schuldunfähigen Zustand einen Fußgänger beinahe überfahren, so liegt eine vorsätzliche Lebensgefährdung und damit Gefahrdung des Straßenverkehrs in der Form der actio libera in causa gemäß § 315 c I Nr. l a ) vor; hat er den Passanten sogar io/gefahren, ist in Tateinheit hiermit auch eine bewußt-fahrlässige Lebens Verletzung, d. h. Tötung in Gestalt 390 BGH aaO S. 311: „Der Täter kann hiernach wegen eines vorsätzlichen Vergehens nach § 330 a StGB" (a. F.) „nur bestraft werden, wenn sich sein Vorsatz auch darauf erstreckt hat, daß er in dem Rausch . . . möglicherweise strafbare Handlungen irgendwelcher Art begehen werde"; ebenso BayObLG NJW 1968 1897 = VerkMitt. 1969 10, 11 1. Sp.; Lenckner JR 1975 31, 32 r. Sp. unt. 391 So jedoch zu Unrecht OLG Celle NJW 1969 1916 = NdsRpfl. 1970 64, 65 r. Sp. (das nur die nicht eindeutige Entscheidung BGHSt. 10 247/248 heranzieht und unzutreffend auslegt); BayObLG NJW 1974 1520, 1523 1. Sp. = JR 1975 30 mit krit. Anm. Lenckner (das vorsätzlichen Vollrausch annimmt, obwohl nur „voraussehbar" war, daß der Täter irgendeine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung begehen könne). 392 Für eine Gleichsetzung beider Formen insbesondere Engisch Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht (1930, Neudr. 1964) S. 402 ff, 405, 409; s. ferner Arth. Kaufmann Das Schuldprinzip (1961) S. 154; Schaffstein Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum, in: Göttinger-Festschr. f. d. OLG Celle (1961) S. 175, 190; s. auch Jescheck S. 460 Anm. 31; gegen eine Gleichsetzung Rob. v. Hippel II S. 365 Anm. 1, 328 Anm. 2 (aber z. T. widersprüchlich, z.T. unbegründet). Auch Schroeder LK10 § 16 Rdn. 120 ist nur gegen eine Gleichsetzung, wenn man die Gefahr nicht bloß als „Möglichkeit", sondern als „Wahrscheinlichkeit" des Schadenseintritts definiert. (336)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

der alic gemäß § 222 gegeben, da der Täter beim Sichberauschen einen tödlichen Verkehrsunfall infolge seiner Volltrunkenheit und Fahruntüchtigkeit für möglich gehalten, d. h. „vorausgesehen" und nur pflichtwidrig darauf vertraut hat, es werde schon nichts passieren. 2. Die Fahrlässigkeit Bewußt fahrlässig i. S. des § 323 a I handelt der Trinkende oder Drogenkonsu- 237 ment, der die Möglichkeit, daß er in einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Vollrausch gerät und in einem solchen Zustand irgendeine Ausschreitung begeht, erkennt („voraussieht"), aber nicht diese Möglichkeit, geschweige denn irgendeine Rechtsverletzung (Rauschtat) selbst in Kauf nimmt, vielmehr leichtsinnig das Gegenteil, es werde schon nicht so weit kommen, annimmt. Der Fall liegt z. B. vor, wenn der Täter sagt, er und Kumpane „können heute abend ja ordentlich einen trinken", und sich gegen einen möglichen Vollrausch und dessen mögliche rechtsverletzende Auswirkungen unzureichend wappnet (s. den Fall des BGH VRS 17 [1959] 340, 341). Es ist dann eine bewußte unbestimmte Gefährdungsfahrlässigkeit gegeben. Hat dagegen der Trinkende eine bestimmte Rauschtat (etwa eine Trunkenheits- 238 fahrt und einen tödlichen Verkehrsunfall) für möglich gehalten („vorausgesehen"), wenngleich darauf vertraut, „es werde schon gut gehen" (s. BGHSt. 17 333, 335), so ist er, falls die Folge doch eingetreten ist, sogar wegen fahrlässiger Tötung und Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit am Steuer nach den §§ 222, 315 c Nr. 1, III Nr. 1 oder 2 in der Form der actio libera in causa strafbar (ebenso für § 316 in der Form der unbewußt-fahrlässigen alic BayObLG NJW 1968 1897 r. Sp.). Der objektive Ausgang der Selbstberauschung entscheidet darüber, ob hier die bewußte und bestimmte Gefährdungsfahrlässigkeit zur bewußten und bestimmten Verletzungsfahrlässigkeit wird. Unbewußte Fahrlässigkeit gemäß § 323 a I liegt vor, soweit der Sichberauschende 239 mit einem Vollrausch und der Möglichkeit irgendeiner Rauschtat nicht gerechnet hat, damit jedoch hätte rechnen können und müssen, soweit es also für ihn voraussehbar war, möglicherweise volltrunken zu werden und infolgedessen irgendeine tatbestandsmäßige Rechtsverletzung zu begehen (BGHSt. 10 247/248, 250; BGH JR 1958 28; OLG Köln NJW 1966 412; OLG Schleswig SchlHA 1976 169 Nr. 39). Wenn der Rauschtäter als Student und erfahrener Drogenkonsument 48 LSD-Trips, die nur mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit zum Tode, mit eben der gleichen Wahrscheinlichkeit aber auch nur zu einem schweren Vollrausch zu führen vermögen, in Selbstmordabsicht eingenommen hat, war es für ihn vorhersehbar, daß der Tod höchstens „erst nach einem rauschartigen Zwischenstadium eintreten würde" und es in dieser Zeitspanne „zu" irgendwelchem „rechtsbrecherischem Verhalten kommen könnte" (hier: Autofahrt mit schwerem Verkehrsunfall, die der Lebensmüde nach Eintritt seines LSD-Rausches angetreten hatte, um von seiner Freundin Abschied zu nehmen, OLG Hamm NJW 1975 2252,2253 r. Sp.). Wie schon bei der Rauschtat in Gestalt der actio libera in causa (s. vorsteh. 2 4 0 Rdn. 41) kann auch beim fahrlässigen (gefahrlichen) Vollrausch, u. U. auch beim vorsätzlichen, die subjektive Tatseite, die Voraussicht oder Voraussehbarkeit des Erfolges (Gefährlichkeit des Vollrausches) als „psychologisches Element" der Fahrlässigkeit, entfallen, wenn der Sichberauschende Vorkehrungen oder „Zurüstungen" getroffen hat, „die ihn nach menschlicher Voraussicht daran hindern mußten, während des Rausches irgendwelche strafbare Handlungen zu begehen" (BGHSt. 10 (337)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

247/248, 251; BGH VRS 17 [1959] 340, 341). Das ist in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt (s. weiter z. B. BGH VRS 28 [1965] 210; OLG Celle VRS 37 [1969] 347, 349 = NJW 1969 1588, 1589; OLG Schleswig SchlHA 1975 189 Nr.45).393 Wer Vor-sorge gegen eine mögliche Selbstberauschung und deren mögliche rechtsverletzende Auswirkungen trifft, handelt nicht sorg-los und leichtsinnig. Abzulehnen ist daher die Ansicht von OLG Braunschweig NJW 1966 679; OLG Hamburg JR 1982 345, 346 r. Sp., 347 1. Sp. mit Anm. Horn, solche Vorkehrungen hätten nicht für die Schuld- (genauer: Vorsatz- oder Fahrlässigkeits-), sondern nur für die Sira/fzumessungsjfrage Bedeutung, und zwar eine straf mindernde394. Daß die Unterlassung von „Zurüstungen" gegen einen Vollrausch und eine Rauschtat nicht straf erhöhend berücksichtigt werden darf, ist dagegen mit Recht angenommen worden (OLG Stuttgart NJW 1971 1815). 241

Die Abgabe des Autoschlüsseis vor dem Trinken in einer Gaststätte kann höchstens die Fahrlässigkeit hinsichtlich einer Rauschtat im Verkehr mit dem eigenen Wagen ausschließen, nicht aber irgendwelche anderen Rechtsverletzungen im Rausch (BGH VRS 17 [1959] 340, 341). Nicht ausreichend für die Verneinung der Vorhersehbarkeit auch irgendeiner Verkehrsstraftat in der Volltrunkenheit ist es, daß sich der Trinkende mit der Zusicherung eines Dritten begnügt, dieser werde ihn nach Hause fahren oder abholen lassen, aber selbst im Besitz des Wagenschlüssels bleibt (OLG Köln VRS 34 [1968] 127; OLG Schleswig SchlHA 1975 189 Nr. 46).

242

Zu weitgehend ist es dagegen, selbst das Zubettgehen nach Alkoholgenuß oder Tabletteneinnahme in der eigenen Wohnung als unzureichende Vorkehrung anzusehen (so jedoch OLG Celle NJW 1969 1588, 1589 = VRS 37 [1969] 347, 349; OLG Schleswig SchlHA 1975 189 Nr. 44; BayObLG VRS 61 [1981] 339, 340/341; OLG Hamburg JR 1982 345, 346 r. Sp.). Derjenige, der seine schwere Erkältung mit heißem Grog auszukurieren sucht und sich einen Vollrausch antrinkt und zu Bett geht (s. zu dem Beispiel schon Rdn. 64, 224, 228), braucht nicht noch einen „Leibwächter" zu bestellen, der auf ihn aufpaßt. Er hat genug dafür vorgesorgt, seine Selbstberauschung zu keinem gefährlichen Vollrausch werden zu lassen (es sei denn, er würde in einem solchen Zustande zu Rauschtaten neigen und das wissen). Sein Verhalten muß dem Trinkenden von vornherein, d. h. im Augenblick des Alkoholkonsums, «/»gefährlich erscheinen, mag sich auch erst im nachhinein herausstellen, daß die Volltrunkenheit im konkreten Fall infolge unerwarteter Ereignisse (z. B. nächtlicher Störung, als der Täter seinen Rausch ausschlief und dabei seine Erkältung ausschwitzte) eine ärgerliche und rechtsverletzende Reaktion gegen den Störer (Beleidigung oder Körperverletzung als Rauschtat) ausgelöst und sich damit als gefährlich und rechtswidrig erwiesen hat.

243

Die Auffassung, zur Voraussicht oder Voraussehbarkeit eines gefährlichen (d. h. möglicherweise zu irgendeiner Rauschtat führenden) Vollrausches bis zur Schuldunfähigkeit seien „in der Regel" keine besonderen und ausdrücklichen Feststellungen im Urteil zu verlangen (so BGHSt. 10 247/248, 251; BGH VRS 17 [1959] 340, 341; OLG Köln NJW 1966 412; BayObLG NJW 1974 1520, 1522 1. Sp.; OLG

393 Kritisch Gollner MDR 1976 182, 185 ff, 188/189, der eine Rauschtat dort nicht zurechnen will, wo die „Zurüstung" die Realisierung der Rauschgefahr erfahrungsgemäß sicher ausschließt. 394 Für Berücksichtigung grundsätzlich nur bei der StrafFrage auch Horn SK II Rdn. 7, 23; Hentschel/Born Rdn. 304 a. E. (S. 93). (338)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

Schleswig SchlHA 1975 189 Nr. 44), 395 ist abzulehnen (wie hier wenigstens für den vorsätzlichen Vollrausch BayObLG NJW 1968 1897; and. zu Unrecht BayObLG NJW 1974 1520, 1522 1. Sp.). Denn auch sonst ist die Präsumtion einer Gefährdungsfahrlässigkeit (oder eines Gefährdungsvorsatzes) unzulässig. Die meisten Menschen kennen aber die Wirkungen des Alkohols und die Gefahren eines Vollrausches, so daß es meist verhältnismäßig leicht sein wird, die Erkennbarkeit (Vorhersehbarkeit) einer möglichen Begehung irgendwelcher Rauschtaten nachzuprüfen und dem Rauschtäter nachzuweisen. Hierüber sind die entsprechenden Feststellungen im Urteil zu treffen. 3. Das Unrechtsbewußtsein Neben Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich des gefährlichen Selbstberau- 244 schens muß der Täter das Bewußtsein bzw. die Erkenntnis oder die Erkennbarkeit des Unrechts dieses Verhaltens haben. Es ist also festzustellen, daß er wußte oder wissen konnte, daß die Herbeiführung eines Vollrausches bis zur Schuldunfähigkeit, in dem er möglicherweise irgendwelche Rauschtaten begeht, unerlaubt ist. Eine solche Kenntnis oder Erkennbarkeit wird heute meist bei jedem, der sich durch Alkohol oder andere Rauschmittel in einen derartigen Zustand versetzt, nachzuweisen sein. Angesichts der fortlaufenden Warnungen vor Alkoholmißbrauch und Drogenkonsum, der sich wiederholenden Meldungen von Straftaten im Vollrausch, der häufigen Begehung des in der Kriminalstatistik an achter Stelle stehenden Vergehens nach § 323 a usw. wird es wenig glaubhaft sein, daß ein Täter sich nicht des Unrechts eines gefährlichen Vollrausches bewußt gewesen sein sollte oder ihm dies nicht wenigstens erkennbar gewesen wäre. Wer sich z. B. bei einer Weinprobe oder einer Hochzeitsfeier bis zur Schuldunfähigkeit betrinkt und dabei hätte voraussehen können, daß er in der Volltrunkenheit möglicherweise etwas „anrichtet", wird grundsätzlich auch wissen, daß sich ein solches Verhalten „verbietet". Ein „Verbotsirrtum" nach § 17 hinsichtlich der gefährlichen Selbstberauschung wird bei dem Trinkenden, der mit diesem Akt der „Selbstentmündigung" seiner Verantwortung für eine Rauschtat entgeht, sowenig in Betracht kommen wie z. B. bei dem Wehrpflichtigen, der sich durch Selbstverstümmelung seiner Wehrpflicht entzieht oder zu entziehen sucht. Beide Täter werden sich meist nicht allein der Rechtswidrigkeit, sondern sogar der Strafbarkeit ihres Tuns bewußt sein. Wie der objektive Tatbestand des § 323 a teils, und zwar hinsichtlich der Selbst- 245 berauschung, vorsätzlich, teils, und zwar hinsichtlich der Gefahr (der Möglichkeit, irgendeine Rauschtat zu begehen), fahrlässig begangen werden kann (s. den Fall BayObLG NJW 1968 1897, 1898 und vorsteh. Rdn. 235), so ist auch eine Diskrepanz auf der subjektiven Tatseite bezüglich des objektiven Tatbestandes und des Unrechts denkbar 396: Der Täter handelt betreffs der gefährlichen Selbstberauschung mit Vorsatz, betreffs des Unrechts seines Tuns dagegen mit Fahrlässigkeit. Das Problem ist vom Gesetzgeber dahin gelöst, daß dann doch wegen vorsätzlichen Vollrausches zu bestrafen ist; denn wie sich aus § 17 ergibt, macht das Gesetz (nach der „Schuldtheorie") mit dem Erfordernis des Unrechtsbewußtseins nicht ernst und 395 Auch nach BGHSt. 1 124, 126 geht das Gesetz davon aus, „daß sich jeder, der sich vorsätzlich oder fahrlässig der Wirkung alkoholischer Getränke aussetzt, der in ihnen schlummernden Gefahr von Ausschreitungen hätte bewußt werden können".

396 Vgl. dazu unter einem etwas irreführenden Titel die originelle Untersuchung von W. 0. Weyrauch, Das psychologische und das ethische Schuldelement, Diss. Frankfurt a. M. 1950 (Mschr.). (339)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

begnügt sich bei der Begehung von Vorsatzdelikten im Grunde auch mit „Rechtsfahrlässigkeit".

246

V. Die Schuld beim Vollrausch Mit dem Vorliegen des subjektiven Tatbestandes von § 323 a ist in der Regel auch die Schuld des Vollrausch-Täters gegeben. 397 Es fragt sich, wieweit sie entfallen kann. An früherer Stelle ist bereits erläutert worden, daß bei dem eigenartigen Delikt des § 323 a die schon vor der Selbstberauschung fehlende Schuldfähigkeit nicht erst die Schuld für den Vollrausch, sondern schon dessen objektiven Tatbestand ausschließt, da es in diesem Falle an einem tauglichen Täter mangelt, der sich als Schuldfähiger, rechtlich gesehen, durch Rauschmittel nicht (noch) schuldunfähig(er) machen kann (s. vorsteh. Rdn. 73, 76).

247

Wie bei jedem anderen Delikt ist aber auch bei § 323 a trotz (zunächst bestehender) Verantwortlichkeit, Tatvorsatzes und Unrechtsbewußtseins das Verschulden durch einen Entschuldigungsgrund ausschließbar. Man denke etwa an Sachverhalte, in denen der Rauschtäter durch Drohungen mit gegenwärtiger Leibesgefahr oder durch Gewaltanwendung gezwungen worden ist, sich zur Ablegung einer „Bewährungsprobe" zu betrinken, und dann in der Volltrunkenheit einen seiner Peiniger oder einen unbeteiligten Dritten totschlägt. Daß solche Sachlagen durchaus praktisch werden können, beweist der schon bei der Rechtfertigungsfrage (Rdn. 229 und Fußn. 381) angeführte Fall des jungen Matrosen, der gewaltsam genötigt wurde, auf dem Schiff einen „Einstandstrunk" zu geben und zu zeigen, wieviel er verträgt. Hier entfallt wegen Notstandes gemäß § 35 die Schuld des Unglücklichen, auch wenn er sich in Kenntnis und Voraussicht der Folgen seines erzwungenen Trinkens (Vollrausch und mögliche Begehung irgendeiner Rauschtat) berauscht und darauf einen anderen erschlägt. Die Gefährdung und Verletzung des eigenen Leibes rechtfertigt zwar nicht die sich als hochgefährlich erweisende, weil schließlich zu einem Totschlag führende Selbstberauschung, da die Gefährdung und Verletzung fremden Lebens schwerer wiegen; sie entschuldigt den Berauschten aber.

248

Beim fahrlässigen Vollrausch gehört, systematisch gesehen und genau genommen, die subjektive Pflichtwidrigkeit der gefährlichen Selbstberauschung, d. h. die Verletzung der Sorgfaltspflicht als „normatives Element" der Fahrlässigkeit, 398 zur Schuld. Das hier nicht wie bei den Vorsatzdelikten ausnahmsweise (d. h. bei Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes) negativ auszuschließende, sondern grundsätzlich positiv zu begründende Unwerturteil, daß dem Täter die Voraussicht oder Voraussehbarkeit seines Vollrausches und der Möglichkeit irgendeiner Rauschtat zum Vorwurf zu machen ist und er insofern sorgfaltswidrig, d. h. eben: schuldhaft gehandelt hat, als ihm ein anderes Verhalten, und zwar die Unterlassung des gefährlichen Sichbetrinkens zumutbar war, dieses Schuldurteil ist trotz NichtVorliegens eines Entschuldigungsgrundes nicht immer zu fällen. Wird z. B. der junge Matrose „nur" durch die Drohung mit üblen Schikanen (also nicht durch Drohung mit einer 397 Zur Verbrechenssystematik s. Spende! LK § 336 Rdn. 101. 398 Vgl. z. B. Kohlrausch/Lange § 59 a. F. Anm. IV 3 b) (S. 224); Schönke StGB 6 (1952) § 59 a. F. Anm. VIII 3; Schönke/SchröderM (1974) § 59 a. F. Rdn. 145 ff, 156 ff, 169 ff, 172; Spendet Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen, Eb. Schmidt-Festschr. (1961) S. 183, 198; ders. Conditio-sine-qua-non-Gedanke und Fahrlässigkeitsdelikt, JuS 1964 14, 19. Gegen diese von ihm als „klassisch" bezeichnete Auffassung von der fahrlässigen Schuld (s. Rdn. 112 f) jetzt Cramer in Schönke/Schröder2\ § 15 Rdn. 117 ff. (340)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Freiheit!) genötigt, bei einem Trinkgelage mitzumachen, so ist ihm ein Widerstand oft nicht mehr zuzumuten, auch wenn er vorhersehbar in Vollrausch geraten und darin etwas anrichten kann. Das Schuldurteil, er habe hinsichtlich seines gefährlichen Vollrausches die ihm obliegende Sorgfalt außer acht gelassen und eine Pflichtwidrigkeit begangen, wird dann oft nicht begründet erscheinen. Solche Sachlagen kommen z. B. auch bei Gesellschaften und Feiern in Betracht, bei denen dem späteren Rauschtäter fortlaufend zugetrunken wird und denen er sich schlecht entziehen kann, will er nicht als „Spielverderber" oder ungeselliger Gast gelten. Hier hat der also zum Trinken „Genötigte", der volltrunken ein Bagatelldelikt verübt, unter Umständen trotz Vorhersehbarkeit eines Vollrausches und der Möglichkeit irgendeiner Rauschtat subjektiv nicht (sorgia\ts)pflichtwidrig bzw. nicht schuldhaft gehandelt. VI. Vollendung und Begehung des Vollrausches Obwohl der Vollrausch im Versuchsstadium nicht tatbestandsmäßig und strafbar 249 ist (§§ 323 a I, 12 II, 22, 23 I), kann nicht nur das Ende, d. h. die juristische Vollendung, sondern auch der Anfang, d. h. der begriffliche Versuch des Delikts, in verschiedener Hinsicht interessieren. Die Unterscheidung spielt z. B. für die Frage nach Tatort und Tat zeit, d. h. wo und wann das Vergehen des § 323 a „begangen" worden ist, eine Rolle (s. Rdn. 254 ff). Beide Begriffe, Vollendung und Begehung des Delikts, decken sich nicht. 1. Versuch und Vollendung Die gängige Meinung, die die Rauschtat nur als eine objektive Strafbarkeitsbe- 250 dingung ansieht, muß dazu führen, das Vergehen des § 323 a schon mit der (bis zur Schuldunfähigkeit gehenden) Selbstberauschung für vollendet zu halten. 399 Das ist in der Rechtsprechung (so LG bei OLG Dresden DJ 1939 1500 = DStR 1939 327 und wohl auch dieses selbst), obgleich die Beantwortung dieser Frage hier gerade nicht entscheidend und nötig war, in folgendem Amnestie-Fall ausgesprochen worden: Der Täter betrinkt sich in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai und gerät noch vor 24 h, d. h. vor Ablauf des alten Monats, in dem noch Straffreiheit gewährt wird, in Vollrausch, begeht aber erst danach, d. h. in der Morgenfrühe des neuen Monats, die Rauschtat. Das mit der Sache befaßte OLG Dresden (DJ 1939 1500) hat die Tat des § 323 a zwar bis zum Stichtag für vollendet, aber erst nach diesem, folglich mit der Rauschtat für „begangen"erklärt und daher das Straffreiheitsgesetz nicht angewandt. 400 Abgesehen davon, daß in diesem Falle für die Frage, ob das Amnestiegesetz anwendbar und wann das Vollrauschdelikt zeitlich begangen sei, nicht der Eintritt der Vollendung der Tat bzw. deren „Erfolg", sondern nach der zur Tatze// früher in der Rechtsprechung (s. RGSt. 57 193, 195) und Lehre vertrete-

399 So Freiesl./Kirchner/Nieth. Ergänz.-Bd. zum v. Olshausensch. Komm. (1936) §330a a. F. Anm. 11 (S. 311); Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 78; Kohlrausch/Lange Vorb. VI A vor § 1 (S. 25) (wo allerdings die Entsch. des OLG Dresden unzutreffend wiedergegeben wird); StreeObjektive Bedingungen der Strafbarkeit, JuS 1965 465, 474; Lay LK.9 III § 330a a. F. Rdn. 81 ff, 83. 400 Dem ausdrücklich zustimmend Brandstetter Straffreiheitsgesetz 1954 (1954), § 1 Rdn. 45 a. E. und Fußn. 142 (S. 49); anders (mit der Vollendung der Selbstberauschung auch deren Begehung gegeben, so daß das Amnestiegesetz anwendbar) das LG bei OLG Dresden aaO; allgemein auch Stree JuS 1965 473 r. Sp. (341)

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27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

nen,401 heute im Gesetz (§ 8) festgelegten Regelung der Zeitpunkt der „Handlung" des Rauschtäters maßgeblich sein müßte, ist die Bestimmung der Tatvollendung vom üblichen Ausgangspunkt aus keineswegs zwingend. So wird z. B. für den Bankrott die (allerdings nicht unbestrittene) Ansicht verfochten, daß das Konkursdelikt nicht schon vor, sondern erst mit dem Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingungen „Zahlungseinstellung" und „Konkurseröffnung" juristisch vollendet sei (RGSt. 16 188, 190; vor allem RG DStR 1936 431 = [gekürzt] JW1936 3007).402 251

In folgerichtiger Anwendung der hier zu § 323 a entwickelten Auffassung (Rdn. 61 ff, 66 ff), nach der ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaf' tes Sichberauschen erst vorliegt, wenn es sich auf Grund und in Gestalt einer Rauschtat als gefährlich erwiesen hat, ergibt sich für die hier zu entscheidende Frage: Von einer Vollendung des Vollrausches als Delikt ist erst dann zu sprechen, soweit die Rauschtat wenigstens bis zur tatbestandsmäßigen Vorbereitung oder bis zum tatbestandsmäQigtn Versuch gediehen ist. In dem vorstehenden Amnestie-Fall war die gefährliche Selbstberauschung also erst mit der Tat in der Volltrunkenheit vollendet. Ob sie deswegen nicht mehr unter die Amnestie fiel, ist eine andere Frage, die unter dem Gesichtspunkt der Tatze»'/ zu beantworten ist (s. Rdn. 258 ff). 252 Begrifflich versucht ist das Vollrauschdelikt mit dem Beginn der vorsätzlichen Einnahme des Rauschmittels in Kenntnis der Folgen, 403 also vor allem mit dem Beginn des vorsätzlichen Sichbetrinkens im Bewußtsein und mit der Hinnahme der möglichen Begehung irgendeiner Rauschtat. Ein Versuch liegt aber auch noch mit Eintritt nur der schuldbefreienden Selbstberauschung vor, solange sie zu keiner tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Rauschtat geführt hat. Ein Beispiel für einen solchen noch nicht tatbestandsmäßigen und noch nicht strafbaren Vollrausch (nur Versuch) bildet der schon in anderem Zusammenhang gebrachte Fall des volltrunkenen Ehemannes, der seiner Frau Schläge androht (Rdn. 227), da diese Drohung selbst noch keine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Tat darstellt (es liegt weder eine Bedrohung nach § 241 vor, da kein „Verbrechen" in Aussicht gestellt wird, noch eine versuchte Nötigung nach §§ 240, 22, 23, da die Drohung kein Verhalten der Bedrohten erzwingen soll; selbst soweit in dem Verhalten des Ehemannes eine versuchte Körperverletzung gesehen werden könnte, wäre dies nur ein zwar rechtswidriger, notwehrfähiger Angriff, aber noch keine straftatbestandsmäßige rechtswidrige Rauschtat, Rdn. 227 a. E.). 253

Eine erst recht straflose Vorbereitung des Vollrausches läge z. B. vor, wenn sich der zu einem Fußballspiel anreisende Fanatiker in der Absicht, zu „feiern" oder sich zu „stärken" und dann womöglich über die Stränge zu schlagen, mit dem nötigen Alkohol „versorgt" hat, später aber seinen nicht löblichen Vorsatz zum Glück 401 Vgl. z. B. Rob. V. Hippel II S. 68 zu Nr. 7, 173; Frank StGB, 18. Aufl. (1931) ehem. § 3 Anm. IV (S. 29: sogar auch für den Tatort!); Kohlrausch StGB, 37. Aufl. (1941) ehem. § 2a Anm. 3; Schönke StGB, 6. Aufl. (1952) ehem. § 2 a Anm. I 1; Kohlrausch/Lange StGB, 43. Aufl. (1961) ehem. § 2 Anm. VI (S. 41). 402 Ebenso Böhle/Stamschräder Konkursordnung, 12. Aufl. (1976) § 283 StGB Anm. 14; Jaeger/KIug KO, 8. Aufl. II 2 (1973) § 239 KO a. F. Rdn. 10; Mentzel/Kuhn KO, 8. Aufl. (1976) § 239 KO a. F. Rdn. 27; and. allgemein (für Strafbarkeitsbedingungen) Sch./Schröder/Lenckner Rdn. 126 vor § 13; speziell (für das Konkursdelikt: Vollendung schon vor Eintritt der Strafbarkeitsbedingung) Dreher/Tröndle41 § 2 8 3 Rdn. 34; Lackner15 §283 Anm. 8 a ; Sch./Schröder/Stree § 283 Rdn. 63; A. Schaefer LK8 II (1958) § 239 KO a. F. Anm. V. 403 Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 78. (342)

Vollrausch (Spendel)

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nicht wahr machen kann. Die Abgrenzung von der Versuchshandlung spielt z. B. bei der Frage nach Ort und Zeit der Tatbegehung eine Rolle (s. Rdn. 255). 2. Tatort und Tatzeit a) Wo das Vollrauschdelikt begangen worden ist, bestimmt sich nach § 9 I. Da- 2 5 4 nach ist maßgeblich der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (oder im Falle der Unterlassung hätte handeln müssen) oder an dem der tatbestandliche Erfolg eingetreten ist (oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen). Zur „Handlung" i. S. d. § 9 I gehört zweifellos die Selbstberauschung; als deren „Erfolg" i. S. d. § 9 I erscheint für eine zwanglose Betrachtung die Rauschtat. 404 Das ist im wesentlichen auch richtig, wenngleich nicht ganz einwandfrei. Denn genaugenommen besteht der „Erfolg" der Selbstberauschung wie der anderer Gefährdungsdelikte (s. BayObLG N J W 1957 1327/28; O L G Köln N J W 1968 954) im Eintritt der Gefahr, d. h. in der objektiven Gefährlichkeit des Vollrausches, mit der erst der Tatbestand des § 323 a voll verwirklicht und damit vollendet ist und die allerdings nach der eigenartigen Gesetzestechnik erst durch die Rauschtat begründet und bewiesen wird. Diese Gefahr wird nach der Selbstberauschung durch eine weitere Handlung, und zwar durch die Rauschtat-handlung herbeigeführt, in die und deren Rauschtaterfolg sich die Rauschtat, z. B. eine fahrlässige Tötung, selbst wieder begrifflich und oft tatsächlich aufgliedern läßt, wie auch die Selbstberauschung in das Sich berauschen als Tathandlung und in den (bis zur Schuldunfähigkeit gehenden) Vo\\rausch als nächste T a t f o l g e unterteilt werden kann (s. Rdn. 72, 80, 104). Das Mitglied einer zu einer internationalen Sportveranstaltung fahrenden Busgesellschaft betrinkt sich in Dänemark, stößt während der Fahrt oder Rast in Deutschland im Vollrausch wild gestikulierend einen anderen so an den Kopf, daß dieser bei der Weiterfahrt auf holländischem Gebiet an Hirnbluten stirbt. Dann ist die Handlung „Selbstberauschung" auf dänischem Boden vorgenommen worden, der (End-)Erfolg „Tod" auf holländischem eingetreten. Der Stoß oder Schlag des Volltrunkenen als Rauschtat-Handlung, mit der die Gefährlichkeit des Vollrausches endgültig „begonnen", aber noch nicht „beendet", genauer: tatbestandlich vollendet war, kann sowohl noch als „Handlung" (lebensgefährdende Handlung als Ursache für die Wirkung „Tod") wie auch schon als „Erfolg" (KörperVerletzung als Zwischen/o/ge) i. S. d. § 9 I aufgefaßt werden, was vor allem f ü r die Frage der Tatzeit erheblich wird. Das Vollrauschdelikt des § 323 a ist jedenfalls auf Grund dieses Verhaltens im Rausch (Körperverletzung als Handlung und Beginn der rd/wngihandlung) bzw. dieses „Erfolges" vom Sichberauschen (KörperVerletzung als Wirkung) (auch) auf deutschem Boden i. S. d. § 9 I begangen worden. Hat sich die Gefährlichkeit der Selbstberauschung aus einem abstrakten Gefähr- 2 5 5 dungsdelikt als Rauschtat ergeben und dadurch erwiesen, d a n n m u ß als Begehungsort des Vollrausches auch der gelten, an dem dieser Zustand herbeigeführt worden ist. Hier fallen ganz deutlich die eine abstrakte G e f a h r begründende Rauschtathandlung und der in der abstrakten Gefahr bestehende Rauschtat-,,erfolg" (s. dazu kurz O L G Saarbrücken N J W 1975 506, 507 unt. Nr. 1 a) zusammen. Wo aus der ab-

404So im Ergebnis Tröndle LK § 9 Rdn. 6; Sch./Schröder/Eser2\ §9 Rdn. 7; Lackner 15 §9 Anm. 2; Oehler Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (1983) Rdn. 261 (S. 215/216); Jescheck Lehrb. S. 143 (§ 18 IV 2b); and. Stree JuS 1965 474; Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 82. (343)

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strakten eine konkrete Gefahr entsteht, ist diese dagegen nicht mehr als maßgeblich, diese Folge also nicht mehr als „Erfolg" i. S. d. § 9 anzusehen. 405 Unter den Begriff „Handlung" fallen alle einen Teil des Straftatbestandes verwirklichende Tätigkeiten (RGSt. 67 130, 138; 74 55/56, 59; OLG Köln NJW 1968 954), also Handlungen, die wenigstens begrifflich einen Versuch oder (verselbständigte) straftatbestandsmäüige Vorbereitungshandlungen d a r s t e l l e n . 406 Der schon vorsätzlich angetrunkene, zu einem Fußballspiel ausreisende deutsche Schlachtenbummler, der sich im Ausland während eines Spiels völlig betrinkt und dann an Ausschreitungen beteiligt (Fall 1 a), hat mit seiner (in Deutschland zunächst straflosen) teilweisen Verwirklichung des Vollrauschtatbestandes und damit versuchten Selbstberauschung i. S. d. § 9 I gehandelt und im M a n d eine strafbare Tat i. S. d. § 323 a begangen, auch wenn sie erst im Ausland vollendet worden ist. In dem Rdn. 253 angeführten Fall (1 b) des mit Alkohol ausgerüstet ins Ausland fahrenden Sportfanatikers kann dagegen noch nicht von der Begehung eines Vollrauschdeliktes gesprochen werden, weil hier erst eine nicht tatbestandsmäßige Vorbereitungshandlung und damit keine Handlung i. S. d. § 9 I gegeben ist. Umgekehrt hat der schon volltrunken einreisende ausländische „Fußballfan", der hier bei Krawallen mitmacht und eine Rauschtat verübt (Fall 2), das Vollrauschdelikt ebenfalls als /nlandstat begangen. Denn der „Erfolg" i. S. d. § 9 I besteht bei § 323 a in der objektiven Gefährlichkeit der Selbstberauschung, d. h. in der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts in Form einer Rauschtat (z. B. Demolierung von Sachen im S t a d i o n ) . 407 Dieser tatbestandliche Gefährdungserfolg ist auf deutschem Boden eingetreten. b) Wann das Vollrauschdelikt begangen worden ist, regelt § 8. Danach ist — in Abweichung von § 9! — entscheidend, zu welcher Zeit der Täter (oder Teilnehmer) gehandelt hat (oder im Falle der Unterlassung hätte handeln müssen); dagegen ist der Zeitpunkt des Erfolgseintritts nicht maßgebend (§ 8 S. 2). § 8 und § 9 unterscheiden sich damit nur hinsichtlich des Endes, nicht des Anfangs der „Begehung" einer Straftat. Das bedeutet, daß eine nicht tatbestandsmäßige „Vorbereitung" der Selbstberauschung ebensowenig wie nach § 9 (s. Rdn. 256) für den Begriff „Handlung" i. S. des Gesetzes ausreichend ist. Von der Regelung des § 8 bestehen für § 323 a zwei Ausnahmen, einmal eine allgemeine bezüglich der Strafverfolgung (§ 78 a), zum andern ein besondere hinsichtlich der Strafdrohung (§ 323 a II). Im ersten Fall ist der Beginn der Verjährung erst durch die „Beendigung" des Delikts bestimmt, die auch noch nach dessen Vollendung liegen kann (BGHSt. 24 218, 220):408 Der Rauschtäter demoliert z. B. hintereinander mehrere Autos; der gefährliche Vollrausch ist mit der Beschädigung des 405 Vgl. auch Tröndle LK10 § 9 Rdn. 4 (and. noch ders. LK9 I (1974) Rdn. 51 vor § 3 a. F.); Sch./Schröder/Eser2\ § 9 Rdn. 6; Oehler Internation. Strafr., 2. Aufl. (1983) Rdn. 257 (S. 214); dagegen Schönke/SchröderW (1974) § 3 a. F. Rdn. 13; Lüttger JZ 1964 474; Jescheck Lehrb. S. 143 (§ 18 IV 2 a). 406 Vgl. z . B . Sch./Schröder/Eser2\ §9 Rdn. 4; Maurach/Zipf AT l . T B d . 6 S. 137 (§ 11 II A l b ) ; Oehler Internation. Strafr., 2. Aufl. (1983) Rdn. 258 (S. 214). 407 Zum gleichen Ergebnis kommen für diesen Fall ausdrücklich (weil die objektive Strafbarkeitsbedingung dem zum Tatbestand gehörenden Erfolge i. S. d. § 9 I gleichstellend) Sch./ Schröder/Eser§ 9 Rdn. 7; Oehler Internation. Strafr., 2. Aufl. (1983) Rdn. 261 (S. 216). 408 Weiter z.B. Dreher/Tröndle41 § 7 8 a Rdn. 2; Lackner15 § 7 8 a Anm. 2; Sch./Schröder/ Streek § 78a Rdn. 1; zum Verjährungsbeginn beim Vollrausch Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 84; Tröndle LK 10 § 8 Rdn. 1 a. E., ferner nachfolg. Rdn. 352. (344)

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ersten PKWs juristisch vollendet, aber erst mit der des letzten tatsächlich beendet. Im zweiten Fall ist die Obergrenze des Strafrahmens für den Vollrausch durch die gesetzliche Höchststrafe für die Rauschtat und infolgedessen durch deren Begehung bedingt. Schon deshalb muß auch für die Tat zeit beim Vergehen des § 323 a nicht die Handlung des Sichberauschens, sondern letztlich die Handlung der Rauschtat ausschlaggebend sein. 409 Dafür spricht außerdem der Gesichtspunkt, daß erst dieser Akt den Vollrausch zum gefährlichen i. S. d. § 323 a I macht. Auf Grund der eigenartigen Tatbestandsstruktur des (gesetzestechnisch verfehlten) § 323 a besteht die Besonderheit nur darin, daß hier nicht wie bei anderen Gefährdungsdelikten die (die Vollrauschgefahr begründende) Gefährdungshandlung mit dem Gefährdungserfolg zusammenfällt, sondern meist mit einem Verletzungserfolg verbunden ist. § 323 a ist demnach besonders für die Frage der Tatzeit wie ein zweiaktiges De- 260 likt zu behandeln, dessen beide Teilakte in der Selbstberauschung und in der Rauschtat-handlung bestehen. Der Vollrausch als Vergehen ist folglich zeitlich noch in dem Augenblick begangen i. S. d. § 8, in welchem die letzte Handlung der Rauschtat vorgenommen worden ist. Mit dieser Auslegung wird auch der Unterschied zwischen § 8 und § 9, zwischen „Tätigkeits-" und „Einheitstheorie", 410 zwischen „Handlungs-" und „Erfolgs"-begriff abgeschwächt, wie überhaupt nach dem treffenden Urteil Franks411 die Fragen nach Ort und Zeit der Tatbegehung (solange das Gesetz nichts anderes vorschreibt und — ist hinzuzufügen — selbst dann noch nach Möglichkeit) „einheitlich zu beantworten sind". Die hier vertretene Auffassung erleichtert eine klare und konsequente Entschei- 261 dung z. B. bei Straffreiheitsgesetzen, für deren auf einen Stichtag abstellende Anwendung grundsätzlich die Tat zeit, d. h. die Bestimmung, wann ein Delikt als „begangen" anzusehen ist, gelten muß. 412 Für die zeitliche Tatbegehung ist nach der schon früher in Rechtslehre und Rechtsprechung anerkannten und heute vom Gesetz (§ 8) sanktionierten „Tätigkeitstheorie" allein die Handlung (und nicht der Erfolg) maßgebend. 413 Welche Unsicherheiten und Unklarheiten bereits bezüglich des vorstehenden Ausgangspunktes bestanden haben, zeigen vormals zustimmend angeführte, 414 jetzt als überholt anzusehende Entscheidungen wie OLG Dresden DJ 1939 1500 = DStR 1939 327; RG DStR 1936 431 oder BGHSt. 11 119 = JZ 1959 29 mit krit. Anm. H. Schröder, die in Amnestie-Fällen doch nicht nur die Handlung, sondern teilweise auch den Erfolg oder ihm gleichzustellende Tatfolgen, z. B. objektive Strafbarkeitsbedingungen, für die Tatzeit berücksichtigt haben. Sieht man aber die tatbestandliche Handlung i. S. d. §§ 323 a und 8 nur im Sichberauschen, ist es inkonsequent, im obigen Amnestie-Fall (Rdn. 250) das Vollrauschdelikt erst mit der nach dem Stichtag liegenden Rauschtat, also mit der einem Tatbestandserfolg ähnlichen Folge der Selbstberauschung, für „begangen" zu erklären 409 Ebenso kurz Niederreuther GerS 114 (1940) 341 (auch hinsichtlich des Stichtages einer Amnestie). Dagegen ausdrücklich jetzt Tröndle LK § 9 Rdn. 2 (S. 168), da dem § 323 a II lediglich etwas über die Strafhöhe, nicht aber über die Tatzeit zu entnehmen sei; and. noch ders. LK.9 I (1974) § 2 a. F. Rdn. 57. 410 Zu den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten bzw. „Theorien" besonders klar Rob. v. Hippel II S. 175 und Frank § 3 früh. F. Anm. IV (S. 29 0411 StGB, 18. Aufl. (1931) § 3 früh. F. Anm. IV (S. 29). 412 So treffend H. Schröder in Urt.-Anm. JZ 1959 30 1. Sp.; s. auch Tröndle LK § 8 Rdn. 8; Sch ./Sch röder/Es er 21 § 8 Rdn. 1 a. E.; Lay LK.9 III (1977) § 330a a. F. Rdn. 83. 413 Vgl. zur älteren Rechtslehre schon Fußn. 401 zu Rdn. 250. 414 Vgl. z.B. Brandstetter Straffreiheitsgesetz 1954 (1954) §1 Rdn. 45 a. E. (S.49); Kohlrausch/Lange § 330 a a. F. Anm. VI 3 a. E. (S. 668). (345)

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und das Straffreiheitsgesetz nicht anzuwenden. 415 Erblickt man dagegen die Handlung auch in der (die Gefährlichkeit des Vollrausches begründenden und beweisenden) Rauschtat-handlung, die mit dem Rauschtat-erfolg nicht schon zusammenfallen muß, so vermeidet man solche Ungereimtheiten. Dann ist es folgerichtig und statthaft, von einer Begehung des Vollrauschdelikts auch noch nach dem Außerkrafttreten des Amnestiegesetzes zu sprechen. 262 Bei einer Gesetzesänderung hinsichtlich der Rauschtat ergibt sich für die Tatzeit der von dem Gesetzeswandel mittelbar betroffenen Selbstberauschung schon aus § 3 2 3 a l l , daß hier für die Frage der „Begehung" der Zeitpunkt der Rauschtathandlung maßgebend sein muß. Wenn sich der Täter am Silvesterabend betrinkt und im (womöglich durch fortgesetztes Trinken) fortbestehenden Vollrausch erst im neuen Jahr die Rauschtat (Trunkenheitsfahrt im Verkehr, § 316), für die nach dem Jahreswechsel eine Strafverschärfung eingeführt worden ist, begeht, dann ist als Höchststrafe für das Vergehen des § 323 a I das Strafmaximum für die Trunkenheitstat anzunehmen (so auch im Ergebnis OLG Braunschweig NJW 1966 1878416, während das LG als entscheidend ansah, daß der letzte Alkoholgenuß als letzter Berauschungsakt in die Zeit nach der Strafverschärfung des § 316 fiel). Dieses Ergebnis steht zugleich im Einklang mit § 2 II n. F., wenn man die Rauschtathandlung als letzten Teilakt des Tatbestandes von § 323 a I und damit auch als Handlung i. S. d. § 8 auffaßt. Denn die für die Rauschtat und (über § 323 a II) mittelbar für den Vollrausch angedrohte Höchststrafe ist „ während der Begehung der Tat" (des noch nicht als gefährlich erweisbaren Vollrausches), d. h. vor der die Gefährlichkeit der Volltrunkenheit begründenden Trunkenheitsfahrt verschärft worden und „bei Beendigung der Tat" (des mit der Trunkenheitsfahrt nunmehr als gefährlich erwiesenen Vollrausches) in Geltung gewesen, so daß sie nach § 2 II „anzuwenden ist". VII. Täterschaft und Teilnahme Schrifttum Cramer Teilnahmeprobleme im Rahmen des § 330 a StGB, GA 1961 97; Gramsch/Flor Versuch und Teilnahme beim Rauschmittelmißbrauch nach § 330 a StGB, JW 1938 779; Haft Eigenhändige Delikte, Unter besonderer Berücksichtigung des Vollrausches (§ 330 a), JA 1979 651; Redelberger Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Wirte bei Rauschdelikten? NJW 1952 921; Fritz W. Schmidt Nochmals: Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Wirte bei Rauschdelikten, NJW 1952 1122.

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Ein anderer oder mehrere können am Vollrausch des § 323 a beteiligt sein, und zwar entweder an der Selbstberauschung oder an der Rauschtat. Dementsprechend sind zwei große Fallgruppen zu unterscheiden: 1. Die Beteiligung an der Selbstberauschung a) Mittelbare Täterschaft: Schon früh ist behauptet worden, das Vergehen des ehemaligen § 330 a und jetzigen § 323 a sei nicht in mittelbarer Täterschaft begehbar, weil es ein „eigenhändiges" Delikt sei. Diese auf den ersten Blick vielleicht na415 Daher auch ßir Anwendung des Straffreiheitsgesetzes, falls noch die Selbstberauschung in die Zeit der Geltung des Amnestiegesetzes fällt, Stree JuS 1965 473; Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 83. 416 Ebenso Tröndle LK9 I (1974) §2 Rdn. 57 (and. jetzt ders. LK10 §8 Rdn. 2 a. E.); Lay LK9 III (1977) § 330a a. F. Rdn. 83 I. Abs. und 88 a. E.; dagegen Dreher/TröndleW § 8 Rdn. 3 a. E.; Sch./Schröder/Eser2\ § 8 Rdn. 3. (346)

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heliegende Behauptung wird unkritisch von Autor zu Autor übernommen, 417 ist aber nichtsdestoweniger unrichtig. Es wird hierbei — abgesehen von der Fragwürdigkeit des Begriffs „Eigenhändigkeit" — nicht auseinandergehalten, daß der Sichberauschende sowohl als Tat-Subjekt oder Täter (und nur auf diesen und sein Tun ist bei der Frage der mittelbaren oder „eigenhändigen" Tatbegehung abzustellen!) wie auch als Tat-Objekt oder „Opfer" zu sehen ist, daß mithin beide Eigenschaften in seiner Person zusammenfallen. Soweit er als „Berauschter" und. damit als Betroffener seiner „Selbstentmündigung" (s. Rdn. 73) erscheint, also selbst berauscht und „verletzt" sein muß, damit er dem Tatbestand des § 323 a unterfällt, kann natürlich immer nur er als „leidendes" Objekt der Tat in der eigenen Person getroffen werden; das liegt in der Natur der Sache, d. h. im Wesen der Selbstberauschung als einer Art „Se/Zw/verletzung". Soweit er als „Sich-Berauschender" und damit als handelndes Subjekt der Selbst- 265 Schädigung zu betrachten ist, also den Zustand eines Vollrausches bei sich hervorruft, kann er als Täter des Delikts sich zur Ausführung seiner Tat sehr wohl eines anderen Menschen bedienen, d. h. durch eine fremde Person seine Berauschung bewirken oder (falls schon berauscht) seine Rauschtat begehen lassen. Es steht ja nicht im Gesetz, daß der Handelnde (als Tatsubjekt) sich (als Tatobjekt) „selbst" („eigenhändig") in den Rausch versetzt oder die Rauschtat verübt haben müsse. 418 Der Drogensüchtige läßt sich z. B. unter Vorspiegelung starker Schmerzen oder durch Täuschung über die erforderliche Dosis von einem unerfahrenen oder irrenden Helfer eine Morphiumspritze geben oder sonstwie ein Rauschmittel beibringen;419 oder: der Ehemann läßt in Volltrunkenheit durch seine Frau, die noch betrunkener ist als er, eine fremde Sache beschädigen oder für sich wegnehmen. Daß in diesem letzten Falle der Täter seine Rauschtat, auf Grund deren er seinen Vollrausch erst zum gefährlichen macht, nicht „eigenhändig", sondern mittelbar durch einen anderen begeht, ist nicht zu leugnen und gelegentlich auch bemerkt worden. 420 Die hier vertretene Auffassung bedeutet nichts Ungewöhnliches und ist nur fol- 266 gerichtig, wenn man die Parallele zu anderen Formen der „Selbstverletzung" zieht. Selbstverstümmelung zur Wehrpflichtentziehung (§ 109) — der wehrpflichtige A veranlaßt seine Freundin B, ihm mit dem Beil einen Finger abzuhacken — oder Selbst417 So z. B. L. Schäfer/Wagner/Schajheutle Ges. geg. gefährl. Gewohnheitsverbr. usw. (1934) § 330a a. F. Anm. 7 (S. 211); v. Olshausensch. Komm., Erg.-Bd. (1936) § 330a a. F. Anm. 8 (S. 310); Gerland ZStrW 55 (1936) 791; Gramsch JW 1938 780 1. Sp.; ders. StrAbh. H. 395 (1938) 80; Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 334; Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 588; L. Schäferin: Pfundtner/Neubert Das neue Dtsch. Reichsr., Lfg. 105, 1940, IIc 10 §330a a. F. Anm. 9 a. E.; Kohlrausch/Lange § 330 a a. F. Anm. IV 1 (S. 664); Redelberger NJW 1952 921; Cramer GA 1961 102; Welzel S. 476; Lay LK9 III §330a a. F. Rdn. 71; Dreher/ TröndleM Rdn. 16; Horn SK II Rdn. 9; Sch./Schröder/Cramerll Rdn. 24; Maurach/ Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 307 (§ 94 II 5); Arzt/Ulr. Weber BT, LH 2 Rdn. 450 (S. 145); Roxin Täterschaft u. Tatherrschaft, 4. Aufl. (1984) S. 430 ff, 610; Haft JA 1979 6541. Sp.; ders. BT S. 269 (§ 37 II 5). 418 Seltsam die Stellungnahme von Haft JA 1979 651, 654 1. Sp. und 657 r. Sp., nach dem einerseits das Vollrauschdelikt „strukturell in mittelbarer Täterschaft begangen werden kann" (sie!), andererseits „der eigenhändigste der eigenhändigen Tatbestände" sein soll! 419 Zweifelnd Cramer GA 1961 103, ob man in diesem Fall von einer mittelbaren Täterschaft sprechen könne und solle. Schwankend und als „eine Frage der Begriffsbildung" bezeichnend Herzberg Eigenhändige Delikte, ZStrW 82 (1970) 896, 922/923. 420 So schon Gw/DRiZ 1934 235, 237 1. Sp.; Gerland ZStrW 55 (1936) 791 Anm. 24); Gramsch JW 1938 780/781 1. Sp. ob.; ders. StrAbh. H. 395 (1938) S. 82/83, s. Rdn. 285. (347)

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abtreibung (§ 2181, III 1) sind ebenfalls in mittelbarer Täterschaft begehbar (BGHSt. 1 139, 141; and. RGSt. 74 21, 23). 421 267

Die verschiedentlich angeführte Fallkonstellation, d a ß A den ahnungslosen oder leichtsinnigen B absichtlich betrunken macht 422 (vielleicht noch im Bewußtsein der Möglichkeit irgendwelcher Ausschreitungen des Berauschten), hat mit der vorstehend angeschnittenen Frage gar nichts zu tun. 423 Hier veranlaßt A keine Selbst-, sondern eine Fremdberauschung; er ist natürlich nicht mittelbarer Täter des Vollrausches i. S. d. § 323 a, 424 sondern höchstens der (durch B unmittelbar ausgeführten Rausch-)Tat, falls er, der Drahtzieher, sogar mit dieser bestimmten Handlung gerechnet hat. 425 Dagegen kann A in unmittelbarer (nicht, wie die Rechtsprechung z. T. meint, mittelbarer!) Täterschaft eine Fremdverletzung (§ 223) in Gestalt einer Körperverletzung (Gesundheitsbeschädigung), gegebenenfalls mit Todesfolge, gegenüber dem von ihm betrunken gemachten B begangen haben, und zwar insbesondere dann, wenn dieser sich übel fühlt, erbrechen muß, bewußtlos wird (BGH bei Holtz M D R 1981 631 r. Sp.; s. noch BGHSt. 26 35, 36 unt.: schwere Berauschung auch eine Krankheit i. S. d. § 221)426 oder wenn der Berauschte sogar an Alkoholvergiftung stirbt (s. den Fall von B G H bei Daliinger M D R 1972 386 r. Sp.). B selbst, der sich hat zum Trinken verleiten lassen, ist unt. Umst. wegen eines fahrlässigen Vollrausches strafbar ( R G H R R 1938 Nr. 1262). 427 Aus dieser Sachlage ist jedenfalls kein Argument f ü r die These, daß das Vergehen des § 323 a ein „eigenhändiges" Delikt sei, herzuleiten. Die herrschende Meinung ist somit abzulehnen.

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b) Mittäterschaft: Diese Form der Tatbegehung ist ebenfalls bei § 323a möglich. 428 Wenn sich zwei oder mehrere Zechbrüder in der Absicht, sich einmal richtig „vollaufen" zu lassen, und im Bewußtsein, infolgedessen möglicherweise etwas zu „pekzieren", fortlaufend gegenseitig zuprosten und zum Trinken animieren, so d a ß sie schließlich völlig betrunken sind und auf dem Heimweg ein Denkmal beschmieren oder sonstwie beschädigen, dann haben sie das Vergehen des Vollrau421 Für den Fall des § 109 Kohlrausch/Lange § 109 Anm. VI 4 (S. 310); für den Fall des § 218 Lay LK9 II (1974) § 218 a. F. Rdn. 9 und 31; Sch./Schröder/Eser2\ § 218 n. F. Rdn. 15 zu Nr. 2 ß). 422 So z. B. L. Schäfer/Wagner/Schaflieutle Ges. geg. gefährl. Gewohnheitsverbr. usw. (1934) § 330a a. F. Anm. 7 (S. 212); v. Olshausensch. Komm. Erg.-Bd. (1936) § 330a a. F. Anm. 7 (S. 310); Gramsch JW 1938 780 1. Sp. zu Nr.2a; Cramer GA 1961 103; Herzberg ZStrW 82 (1970) 922/923; Sch./Schröder/Cramer20 (1980) § 330a a. F. Rdn. 24 (Fall weggelassen ab 21. Aufl. 1982). 423 Wie jedoch offenbar Haft JA 1979 654 1. Sp. meint, obwohl er selbst für diese Fallgestaltung erkennt, daß die Annahme einer mittelbaren Täterschaft mit dem Wortlaut des § 323 a unvereinbar sei. 424 Wie die in Fußn. 422 angeführten Autoren eigentlich unnötig betonen, da sie damit nicht den Vollrauschtatbestand als „eigenhändiges" Delikt erweisen können. 425 insofern richtig schon L. Schäfer/Wagner/Schaflieutle (Fußn. 422) §330a a. F. Anm. 7 (S. 212); v. Olshausensch. Komm. Erg.-Bd. (1936) § 330a a. F. Anm. 7 (S. 310). 426 Zur Gesundheitsbeschädigung durch Erregung eines Rausches bei einem anderen s. H. J. Hirsch LK § 223 Rdn. 13. 427 Ebenso Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 81 ob. 428 Ebenso Niederreuther ZfWehrR 1936/37 284, 297/298. Einschränkend Cramer GA 1961 103 (nach dem sie „nur in sehr begrenztem Umfang und nur in der Form der Mehrtäterschaft möglich ist"). Ablehnend z. B. Gramsch JW 1938 780 1. Sp.; ders. StrAbh. H. 395 (1938) 79/80; Pfeiffer/Maul/Schulte §330a a. F. Anm. 7; Lay LK9 III §330a a. F. Rdn. 72; Dreher/Tröndle41 Rdn. 16; Horn SK II Rdn. 9. (348)

Vollrausch (Spendel)

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sches „gemeinschaftlich" i. S. des § 25 II, d. h. im objektiven und subjektiven Zusammenwirken begangen. Denn es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob sich der Rauschtäter das Rauschmittel von einem anderen beibringen oder sich durch diesen in einen Vollrausch hineinsteigern läßt. Auch soweit die Berauschten einen Passanten gemeinsam ausrauben und sich dabei ergänzen (der eine hält das Opfer fest, der andere reißt ihm die Tasche weg), sind ihnen ihre Tatbeiträge gegenseitig anzurechnen, so daß die Gefährlichkeit ihrer gemeinschaftlichen Berauschung durch einen vollendeten Raub (auch wenn jeder einzelne Beitrag nur eine Teilverwirklichung des Raubtatbestandes darstellt) begründet und bewiesen ist. c) Anstiftung und Beihilfe: Umstritten ist, ob eine Teilnahme im engeren Sinne 269 an der Selbstberauschung möglich ist. 429 Der Ablehnung dieser Konstruktion durch eine Reihe von Autoren 430 steht mit Recht die Anerkennung durch einen großen Teil der Rechtslehre und wohl auch der Rechtsprechung (BGHSt. 10 247/248, wo eine Verurteilung wegen „Beihilfe zur Volltrunkenheit" nicht beanstandet wird) gegenüber. 431 Die Prostituierte, die, in Kenntnis möglicher, von ihr aber für diesen Fall gebilligter ungünstiger Auswirkungen, den Messebesucher verleitet, sich aus Freude über die guten Geschäftsabschlüsse einmal richtig zu betrinken, so daß der Zecher schließlich in der Volltrunkenheit Hotelinventar zerschlägt, hat den Berauschten wissentlich und willentlich zu einem (auf Grund der Sachbeschädigung als gefährlich erwiesenen) vorsätzlichen Vollrausch bestimmt, also eine Anstiftung zum Vergehen des § 323 a begangen. Wer als Wirt oder Zechkumpan einem anderen Gast, der darauf ausgeht, sich zu betrinken, im Bewußtsein möglicher Rauschtaten des Trinkers immer wieder einschenkt, bis dieser in Volltrunkenheit mit einem fremden Motorrad nach Hause fährt (Fall in BGHSt. 10 247/248), ist der Beihilfe zum Vollrausch schuldig. Die Auffassung, daß eine Teilnahme am Delikt des § 323 a deshalb nicht strafbar 270 sein dürfe, weil nur den Sichberauschenden die Pflicht zur Selbstkontrolle treffe und sonst eine vom Gesetzgeber ungewollte Ausdehnung der Strafbarkeit insbesondere von Gastwirten und Zechgenossen die Folge wäre, 432 ist nicht zutreffend. 429 Welche Unsicherheit auch hier besteht, zeigt, daß zuweilen selbst derselbe Autor bald so (Bejahung der Möglichkeit), bald anders (Verneinung) urteilt, s. Cramer GA 1961 104 einerseits, ders. in Schönke/SchröderN § 323 a Rdn. 25 andererseits. Unentschieden auch Dreh er/ Trön dle^l Rdn. 16; Arzt/Ulr. Weber Rdn. 451 (S. 145); Bockelmann BT/3 S. 216 (§ 25 V). 430 So E. Schäfer/v. Dohnanyi Nachtr.-Bd. zu Franks Komm. (1936) § 330a a. F. Anm. I 4 (S. 122); Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 334; Redelberger NJW 1952 922; Dalcke/Fuhrmann/K. Schäfer § 330a a. F. Anm. 5 a) (S. 398); Welzel S. 476; Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 73; Lackner15 Anm. 6; Sch./Schröder/CrameA 1 Rdn. 24; Haft BT S. 270 (§ 37 II 5); Otto StR, Einz. Del. 2 S. 398 (§8111 4). 431 So L. Schäfer/Wagner/Schafheutle (s. Fußn. 422) § 330a a. F. Anm. 8 (S. 212/213); v. Olshausensch. Komm., Erg.-Bd. (1936) § 330 a a. F. Anm. 8 (S. 310); Gerland ZStrW 55 (1936) 805 ff.; Gramsch (und Flor) JW 1938 780 und 781/782; ders. StrAbh. H. 395 (1938) S. 81 ff.; Rieh. Lange ZStrW 59 (1940) 588 ff; Kohlrausch/Lange § 330a a. F. Anm. IV 2 (S. 664); Niederreuther GerS 114 (1940) 343; H.-J. Bruns JZ 1958 105; Cramer GA 1961 104 f; Horn SK II R d n . 9 ; Preisendanz § 330a a. F. A n m . 7 ; Blei BT12 S. 366 (§94V); Maurach/Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 307 (§ 94 II 5); Roxin (Fußn. 417) S. 431. 432 E. Schäfer/v. Dohnanyi Nachtr.-Bd. zu Franks Komm. (1936) § 3 3 0 a a. F. Anm. 14 (S. 122); Hellm. Mayer ZStrW 59 (1940) 334; Schönke StGB 6. Aufl. (1952) § 330a a. F. Anm. V 2 ; Redelberger NJW 1952 922; Dalcke/Fuhrmann/K. Schäfer § 330a a. F. Anm. 5a) (S. 398); Lay L K 9 III (1977) § 330a a. F. Rdn. 73; Cramer in Schönke/Schröder2\ § 323 a Rdn. 25 (and. noch ders. GA 1961 105!); Haft BT (1982) S. 270 (§ 37 II 5). (349)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

Denn mit dem sich durch eine Rauschtat als gefährlich erweisenden Sichberauschen wird eine für andere Rechtsgüter gefährliche Tat bestraft, die auch von einem Dritten schuldhaft und rechtswidrig mitverursacht werden kann. Die Pflicht, seine Mitmenschen nicht durch einen Vollrausch zu gefährden, trifft jeden, da die Begehbarkeit des Delikts nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt ist, Täter des § 323 a vielmehr jeder nicht schuldunfähige Rechtsgenosse sein kann; nur ist der Tatbestand auf die Identität von Tatsubjekt und Tatobjekt begrenzt. 271 Die immer wieder geäußerte Befürchtung, damit würde die strafrechtliche Haftung Dritter zu weit ausgedehnt, ist vor allem auch deshalb unbegründet, weil nur die vorsätzliche Teilnahme an vorsätzlicher Haupttat strafbar, d. h. für den Teilnehmer hinsichtlich der vorsätzlichen Selbstberauschung des Haupttäters i. S. d. § 323 a und deren Gefährlichkeit zumindest bedingter Vorsatz erforderlich ist. 433 Der Anstifter oder Gehilfe muß also nicht nur erkennen und wollen oder hinnehmen, daß er durch sein Verhalten den vorsätzlichen Vollrausch des anderen mitverursacht, sondern auch, daß es dadurch möglicherweise zu irgendwelchen Rauschtaten kommt. Es besteht dann aber kein Grund, z. B. einen Wirt straflos zu lassen und nicht nach den §§ 323 a, 27 zu bestrafen, der bereitwillig und gewissenlos einem sich aus Liebeskummer absichtlich betrinkenden und später eine Rauschtat begehenden Gast immer wieder einschenkt, 434 obwohl er voraussieht und in Kauf nimmt, daß der Zecher volltrunken wird und infolgedessen irgend etwas anstellen kann. 272

Dagegen begeht der Gastwirt A eine straflose fahrlässige Beihilfe zum (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Vollrausch, wenn er z. B. einem nicht motorisierten Zecher B alkoholische Getränke verabfolgt, obwohl er hätte erkennen können, daß dieser, was auch später geschehen ist, volltrunken wird und dann in diesem Zustand möglicherweise etwas anrichtet. Denn wie es keine fahrlässige Teilnahme an vorsätzlicher oder gar fahrlässiger Haupttat gibt, ebensowenig eine fahrlässige Anstiftung oder Beihilfe zu vorsätzlicher oder fahrlässiger Selbstberauschung. Umgekehrt kann aber unt. Umst. die vorsätzliche Beteiligung am fahrlässigen Vollrausch zu einer vorsätzlichen mittelbaren Täterschaft bezüglich der Rauschtat werden, falls A wissentlich und willentlich nicht nur diesen Vollrausch, sondern auch die Rauschtat mitbewirkt (s. folg. Rdn. 273).

2. Die Beteiligung an der Rauschtat 273 a) Mittelbare Täterschaft: Im Gegensatz zur Beteiligung an der Selbstberauschung ist eine vorsätzliche Mitwirkung an der Rauschtat in Form der mittelbaren Täterschaft allgemein anerkannt. 435 Dies ist auf zwei Wegen möglich, einmal in der Weise, daß A absichtlich B in Vollrausch versetzt und diesen zur Ausführung einer (für den schuldunfähigen „ Vordermann" und Rauschtäter straflosen, für den schuldigen „Hinfermann" und mittelbaren Täter strafbaren) Tat veranlaßt, sodann dergestalt, daß A den schon berauschten B zu einer solchen Tat mißbraucht. Beispiele sind: Der Gast A, der die Neigung des B, in der Volltrunkenheit zu randalieren und 433 Daran haben schon erinnert Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 84/85; ders. und Flor JW 1938 781 1. Sp. und 782; s. ferner z. B. B/e/BTl2 S. 366 (§ 94 V); Horn SK II Rdn. 9. 434 Vgl. auch schon Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 84. 435 Vgl. z. B. L. Schäfer/Wagner/Schaflieutle (s. Fußn. 431) § 330a a. F. Anm. 7 a. E. (S. 212); v. Olshausensch. Komm., Erg.-Bd. (1936) § 330a a. F. Anm. 7 (S. 310); Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 80; Kohlrausch/Lange § 330a a. F. Anm. IV 1 (S. 664); Cramer GA 1961 98; Dreher/Tröndle^ Rdn. 16; Horn SKII Rdn. 21; Sch./Schröder/Cramer2\ Rdn. 26; Maurach/Schroeder BT, 2. TBd.6 S. 307 (§ 94 II 5). (350)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

Sachen zu demolieren, kennt und dem Wirt X schaden möchte, schüttet dem ahnungslosen B hochprozentigen Alkohol in ein harmloses Getränk, so daß dieser schließlich, wie von A geplant, völlig betrunken Mobiliar der Gastwirtschaft zerschlägt — Sachbeschädigung gegenüber X in mittelbarer, unt. Umst. tateinheitlich Körperverletzung (s. Rdn. 267) gegenüber B in unmittelbarer Täterschaft (Ist der von A zum Trinken animierte B im Alkoholgenuß nicht unerfahren, kann er selbst, und zwar wegen fahrlässigen Vollrausches strafbar sein, RG HRR 1938 Nr. 1262 und Rdn. 267). Oder: A wiegelt mit Erfolg den bereits volltrunkenen B zu Tätlichkeiten gegen X auf, um sich an diesem zu rächen — mittelbare Körperverletzung gegen X, unt. Umst. ««mittelbare gegen B. Die in mittelbarer Täterschaft begangene (Rausch-)Tat ist von der Anstiftung zur 274 Selbstberauschung (zum Vollrausch) scharf zu unterscheiden. Dafür zwei Beispiele: (1) Gastwirt A verleitet vorsätzlich den Gast B, sich fahrlässig zu betrinken (s. insoweit den Fall von BGH bei Daliinger MDR 1972 386 r. Sp.), und hält dabei, wie dann auch geschehen, eine bestimmte Rauschtat (z. B. die Verunglimpfung eines anderen durch B) für möglich, was ihm, dem Drahtzieher, durchaus recht ist. Hier ist B wegen fahrlässigen Vollrausches (s. RG HRR 1938 Nr. 1262) in unmittelbarer, A wegen der vorsätzlichen (Rausch-)Tat, d. h. wegen Beleidigung in mittelbarer Täterschaft strafbar. (2) Wirt A verabfolgt vorsätzlich dem Gast B alkoholische Getränke, da er erkennt, aber in Kauf nimmt, daß sich der Zecher vorsätzlich und im Bewußtsein, möglicherweise irgendeine Rauschtat zu begehen, betrinkt. Hier ist B, wenn er z. B. eine Körperverletzung an einem anderen Gast verübt, als Täter, A als Anstifter eines vorsätzlichen Vollrausches zu bestrafen (s. schon Rdn. 269). Handelt A dagegen hinsichtlich einer bestimmten Rauschtat nur fahrlässig, so 275 kommt ebenfalls eine mittelbare Täterschaft in Betracht. Dies macht man sich am besten an einer „Stufenfolge" von Fallgestaltungen klar, wobei mit einem Fall des nicht bis zur Schuldunfähigkeit gehenden Rausches des unmittelbar Handelnden begonnen wird. (1) Gastwirt A verabreicht einem Gast B fahrlässig alkoholische Getränke, ob- 276 wohl er hätte erkennen können, daß dieser, wie dann auch geschehen, in angetrunkenem und absolut fahruntüchtigem, noch nicht aber vo/ftrunkenem Zustand (1,37 %o, 1,8 %o oder 2,14 %o BÄK) mit seinem Kraftwagen einen schweren Verkehrsunfall (An- oder Überfahren eines Passanten oder Verletzung von Beifahrern) herbeiführen wird. Hier ist allein der noch schuldfähige B für seine Trunkenheitsfahrt verantwortlich und wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung strafbar (so auch OLG Karlsruhe JZ 1960 178, 179 mit zustimm. Anm. Welzel; BGHSt. 19 1 5 2 , 1 5 4 ) , nicht etwa auch A (so aber zu Unrecht KG VRS 11 [ 1 9 5 6 ] 3 5 7 / 3 5 8 , 3 5 9 ; JR 1956 150, 151 1. Sp. zu Nr. 1). Denn die fahrlässige Beihilfe des A zur strafbaren fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung des B ist kraft gesetzlicher Regelung selbst straflos. Wenn aber diese aktive Mitverursachung der Angetrunkenheit des B und seiner Trunkenheitsfahrt durch A nicht bestraft wird, darf sie auch nicht, als passive Nichtverhinderung des Rauschzustandes bei B und seiner Auswirkungen, in eine fahrlässige täterschaftliche Körperverletzung des A durch Unterlassen umgedeutet und bestraft werden. Diese Umdeutung wäre, solange noch ein schuldiger und strafbarer Haupttäter (hier B) vorhanden ist, in Wahrheit eine Umgehung des Gesetzes (§ 27). 436 436 Dazu näher Spendel Fahrlässige Teilnahme an Selbst- und Fremdtötung, JuS 1974 749, 750,756. (351)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

277

(2) Wirtin A schenkt bewußt-fahrlässig ihrem Stammkunden B Alkohol ein, obwohl sie erkennt, aber nicht will, 437 d a ß der Gast, wie es dann auch geschehen ist, vo/ftrunken wird und trotz dieses absolut fahruntüchtigen Zustandes (3,06 %o BÄK) mit seinem Kraftwagen fahren u n d womöglich einen tödlichen Verkehrsunfall auslösen wird. Hier ist B nur wegen (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Vollrausches strafbar. D a er infolge seiner Volltrunkenheit f ü r seine (fahrlässige) Tötung im Straßenverkehr nicht mehr verantwortlich ist, geht die Verantwortlichkeit auf die an der Selbstberauschung u n d Rauschtat fahrlässig beteiligte Wirtin A über. Ihre fahrlässige aktive Mitverursachung des Vollrausches und des darauf beruhenden Rauschdelikts von B stellt sich nunmehr als eine fahrlässige Tötung in (mittelbarer) Täterschaft dar 438 (so für den Fall im Ergebnis richtig BGHSt. 4 20, 22). Später hat der B G H in seinem (diese Entscheidung einschränkenden) Beschluß BGHSt. 19 152, 155 mit Recht bemerkt, eine H a f t u n g des Gastwirts sei dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn die Trunkenheit eines Gastes „einen solchen Grad erreicht hat, daß er nicht mehr verantwortlich handeln kann", d. h., „wenn er zurechnungsunfähig geworden ist". Die Bestrafung der A folgt aus dem extensiven Täterbegriff der herrschenden Lehre und dem strafrechtlichen Ursachenbegriff der Bedingungstheorie u n d ist hier nicht durch die gesetzliche Teilnahmeregelung (nur Straflosigkeit der fahrlässigen Teilnahme an einer strafbaren Haupttat!) eingeschränkt.439 Des Rückgriffs auf die Unterlassungskonstruktion des BGH (das aktive Einschenken von Alkohol als vorausgehendes gefahr- u n d eine Erfolgsabwendungspflicht begründendes Tun, das die Nichthinderung der Trunkenheitsfahrt rechtswidrig mache u n d zu einer Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung unter dem Gesichtspunkt des unechten Unterlassungsdelikts führe) bedarf es hier also nicht.

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D a ß die von dem schuldunfähigen Vordermann B unmittelbar und vielleicht vorsätzlich, von dem schuldigen Hintermann A mittelbar und fahrlässig begangene Tat als Fahrlässigkeitsdelikt auch f ü r A strafbar sein muß, 440 ist selbstverständlich u n d braucht eigentlich nicht besonders betont zu werden. Wer als Wirt hätte voraussehen können, daß der Zecher volltrunken wird und andere Gäste beleidigt, ist nicht wegen Beleidigung zu belangen. Dagegen kann A sehr wohl für seine fahrlässige Herbeiführung der Volltrunkenheit des B und dessen Straßenverkehrsgefährd u n g durch Trunkenheit am Steuer strafrechtlich haften, da § 315 c I, III kein „eigenhändiges" Delikt ist, wie behauptet wird (and. zu Unrecht K G J R 1956 150, 151 r. Sp.; BGHSt. 18 6, 8).441

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(3) Hat Wirt A nicht fahrlässig einem noch nicht erkennbar betrunkenen (s. § 20 Nr. 2 GaststG!) Gast B zuviel Alkohol eingeschenkt, so daß dieser vo/ftrunken wird u n d nicht mehr imstande ist, allein nach Hause zu gehen, dann kann A unt. Umst. wegen einer in unmittelbarer Täterschaft begangenen F/wwrfverletzung gegenüber dem Berauschten strafbar werden, falls er den durch sein Ausschenken schuldunfä437 Sie hatte dem Gast schließlich weiteren Alkohol verweigert und zuletzt Glas und Flasche weggenommen, so daß sich dieser selbst Schnäpse eingoß (s. BGHSt. 4 20, 23). 438 Dafür, daß die mittelbare Täterschaft bezüglich der (Rausch-)Tat auch als fahrlässige möglich ist, ausdrücklich v. Olshausensch. Komm., Erg.-Bd. (1936) §330a a. F. Anm. 7 (S. 310); Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 80 Anm. 3; Kohlrausch/Lange §330a a. F. Anm. IV 1 (S. 664); Sch./Schröder/Cramer2\ Rdn. 26; Horn SK II Rdn. 21. 439 Dazu näher Spendel JuS 1974 752 1. Sp., 755 1. Sp. 440 Vgl. z. B. Horn SK II Rdn. 21; Sch./Schröder/Cramer21 Rdn. 26. 441 Wie hier Schönke/Schröder StGB, 17. Aufl. (1974) § 330a a. F. Rdn. 26; and. jetzt Sch./ Schröder/Cramer^ Rdn. 26; ferner z. B. Arzt/Ulr. Weber LH 2 Rdn. 319 (S. 101). (352)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

hig und hilflos gewordenen Zecher im Stich läßt. Führt A z. B. den völlig Betrunkenen aus der Gaststube vor das Haus, wo B, auf sich selbst angewiesen, schließlich auf die Fahrbahn fällt und von einem Auto überfahren wird, so hat sich A als unmittelbarer Täter durch aktives Tun (Hinausföhren des Torkelnden auf die stark befahrene Straße) einer Aussetzung mit Todesfolge schuldig gemacht, § 221 I und II (BGHSt. 26 35, 38/39, wo allerdings primär auf die zweite Tatbestandsalternative, das Verlassen — Stehen/assen des B im gefährlichen Straßenverkehr — abgestellt wird). b) Mittäterschaft: Ob die Rauschtat auch in der Form der Mittäterschaft began- 280 gen werden kann, etwa dergestalt, daß von zwei Zechbrüdern der angetrunkene, aber noch schuldfähige A auf dem Heimweg einen Passanten niederschlägt und dann zusammen mit dem vo//trunkenen und schuld ««fähigen B mit Faustschlägen traktiert (Fall von BGHSt. 23 122), ist umstritten 442 und zu verneinen. Zwar ist hier für A in tatsächlicher Hinsicht eine „gemeinschaftliche" und damit gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223, 223 a gegeben (insofern im Ergebnis zutreffend BGH aaO), aber nicht in rechtlicher Beziehung eine „gemeinschaftliche" Begehung in Form der Mittäterschaft nach § 25 II; denn der Begriff der „Gemeinschaftlichkeit" in § 223 a als Tatbestandsmerkmal ist entgegen einer verbreiteten Meinung nicht mit dem in § 25 II (§ 47 a. F.) als Rechtsfigur (rechtliche Teilnahmeform) gleichzusetzen. 443 Daß der vo/ftrunkene und schuld unfähige B „kein Mittäter im Rechtssinne" sein kann, ist unzweifelhaft (insoweit richtig BGHSt. 23 122). Das muß jedoch auch für den noch scfcwMfähigen Mitwirkenden, den A, gelten (so dezidiert im Falle des aus anderen Gründen schuldunfähigen, z. B. geisteskranken Mitbeteiligten RGSt. 40 21, 26; 63 101, 104; and. BGHSt. 23 123).444 Da der nur angetrunkene A der allein verantwortlich Handelnde ist, ist er auch (mittelbarer, im vorsteh. BGHFall zugleich unmittelbarer) Allein-Täter (RGSt. 63 101, 105 sogar für den Fall, daß A die Verletzungs-, hier: Tötungshandlung von dem schuldunfähigen B vornehmen läßt und selbst dabei nur durch Schmierestehen hilft). Da der nichtberauschte Mitwirkende als Täter zu bestrafen ist, ist die Frage der Mit- oder Allein-Täterschaft mehr von theoretischer als praktischer Bedeutung. c) Anstiftung und Beihilfe: Die Beteiligung an der Rauschtat in der Form der 281 Teilnahme im engeren Sinne ist nach dem Wortlaut der §§ 26, 27 an sich möglich, da das Gesetz mit der von ihm anerkannten „limitierten Akzessorietät" der Teilnahme auf das vierte generelle Deliktsmerkmal nach dem objektiven Tatbestand, 442 Gegen die Möglichkeit von Mittäterschaft: Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 80; Cramer GA 1961 99 (allerdings widersprechend formuliert); Dreher StGB, 33. Aufl. (1972) § 330a a. F. Anm. 2 C a. E. {and. ab der 34. Aufl. 1974). Für diese Möglichkeit: Lay LK.9III §330a a. F. Rdn. 76; Dreher/Tröndle41 Rdn. 16; Horn SK II Rdn. 21; Blei BT 12 S. 366 (§ 94 V). 443 Die gemeinschaftliche (gefährliche) Körperverletzung kann mithin sowohl mit einem ic/iuWfähigen Gehilfen als auch mit einem schuldunfähigen Mitbeteiligten ausgeführt werden, sofern nur beide Handelnde am Tatort zusammenwirken, ebenso in Schönke/Schröder2l Cramer § 25 Rdn. 98 f; Stree § 223 a Rdn. 11. 444 Wie hier allgemein z.B. Frank §47 a. F. Anm. III a. E. (S. 116); v. Liszt/Schmidt AT S. 336; Krumme in Anm. zu BGH LM § 223 a Nr. 2; Schönke StGB, 6. Aufl. (1952) § 47 a. F. Anm. VI; Schönke/Schröder 17. Aufl. (1974) §47 a. F. Rdn. 23 a. E.; Kohlrausch/ Lange§ 47 a. F. Anm. III (S. 174); Maurach AT4 (1971) S. 649; and. z. B. Maurach/Gössel/ Zipf AT, 2. TBd.6 S. 260 (§ 49 III Rdn. 57); Roxin LK § 25 Rdn. 117, § 29 Rdn. 7; Preisendanz §29 Anm. 1; Jescheck Lehrb. S. 556 (§64V); Schmidhäuser Lehrb., AT2 S. 514 (14/30). (353)

§323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

dem Unrecht und dem subjektiven Tatbestand („Vorsatz"), d. h. auf die Schuld, verzichtet. In der Regel wird jedoch derjenige, der z. B. vorsätzlich einen Volltrunkenen bestimmt oder auch nur unterstützt, einen anderen zu mißhandeln oder zu töten, also im Vollrausch eine Körperverletzung oder Tötung zu begehen, als mittelbarer Täter der (von dem Rauschtäter unmittelbar verübten Rausch-) Tat anzusehen sein; denn er hat auf Grund seiner Mitwirkung an der Tat eines Schuldunfähigen die alleinige Verantwortung für den von ihm mitverursachten deliktischen Erfolg übernommen. 445 282

Für die Irrtumsfälle gilt folgendes: (1) Wenn der „Anstifter" oder „Gehilfe" A den Zustand des Rauschtäters nicht durchschaut und irrig B nicht für vo/ftrunken, sondern für schuldfähig hält, also mit (scheinbarem) „ Teilnehmen/oxsatz" handelt, kann man auf Grund der verfehlten Einführung der limitierten Akzessorietät in den §§ 26, 27 an eine Teilnahme im techn. Sinne denken (so AG Nienburg NdsRpfl. 1962 283 446). Diese Konstruktion ist aber aus mehreren Gründen problematisch: Einmal hätte sie die seltsame Konsequenz, daß es in einem solchen Falle an einem strafbaren Haupttäter fehlen würde; sodann ist der Irrtum des Mitwirkenden über die Verantwortlichkeit oder Nichtverantwortlichkeit des Rauschtäters ein Irrtum über einen Rechtsbegriff und als solcher ein unbeachtlicher Subsumtionsirrtum; 447 schließlich wird sich der Vorsatz des Rauschtäters oft gar nicht genau feststellen oder näher bestimmen lassen (s. Rdn. 187 ff, 198, 201). Es ist daher für diese Sachlagen, auch vom Boden der limitierten Akzessorietät aus, eine mittelbare Täterschaft des an der Rauschtat beteiligten schuldfähigen A anzunehmen. 448

283

Nur dort sind Anstiftung und Beihilfe des A zur Rauschtat des B auf Grund des Gesetzeswortlauts der §§ 26, 27, 28 I in Betracht zu ziehen, wo der beteiligte schuldfähige A die Rauschtat, etwa ein echtes Sonderdelikt, nicht selbst als Täter begehen könnte: Die Ehefrau stiftet z. B. ihren volltrunkenen Mann als Amtsträger an, ein Dienstgeheimnis zu offenbaren usw. (§§ 353b, 28 I, 26); oder: Der selbst nicht wartepflichtige und darum nicht als Täter taugliche (BGHSt. 15 1,4) Beifahrer fährt nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden dem volltrunkenen Fahrer auf dessen Wunsch den LKW weg und begeht damit Beihilfe zur Rauschtat, der unerlaubten Entfernung vom Unfallort (so AG Nienburg NdsRpfl. 1962 283, 284 in einer allerdings nicht einwandfreien, die Begriffe Vollrausch und Rauschtat vermengenden Entscheidung). 284 (2) Hält umgekehrt der vorsätzlich mitwirkende A irrtümlich den noch verantwortlichen Vorsatz-Täter B für volltrunken und schuld ««fähig, so haftet er als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) der vermeintlichen „Rauschtat". Denn diese ist in erster Linie von dem unmittelbar handelnden und (noch) schuldfähigen B zu ver-

445 Dazu näher Spendet Fahrlässige Teilnahme an Selbst- und Fremdtötung, JuS 1974 749, 755 1. Sp.; ebenso schon Gramsch JW 1938 780 r. Sp., 781 r. Sp.; allgemein z. B. Mezger Lehrb. S. 449 zu Nr. II vor a). 446 So in der Tat auch Cramer GA 1961 99; Sch./Schröder/Cramer21 Rdn. 27; Arzt/Ulr. Weber LH 2 Rdn. 452 (S. 145/146) und schon vom Boden des früheren Rechts („extreme Akzessorietät") aus z. B. Mezger Lehrb. S. 449 zu Nr. IIb) und Anm. 7. 447 So schon klar und treffend v. Liszt/Schmidt AT S. 327 Anm. 2). 448 v. Liszt/Schmidt AT S. 327 Anm. 2) zu Nr. 2 und 4; and. z. B. Mezger Lehrb. S. 449 zu Nr. IIb). (354)

Vollrausch (Spendel)

§ 323 a

antworten. Der scheinbare „ Tate/vorsatz" des A ist in Wahrheit als ein darin enthaltener „Teilnehmervorsatz" zu q u a l i f i z i e r e n . 449 — Befindet sich der an einer fremden Rauschtat Beteiligte, z. B. der Hintermann A, 285 der den betrunkenen B zu einer Mißhandlung des X bestimmt, selbst im verschuldeten Vollrausch, so kommt für beide Trunkenheitstäter eine Strafbarkeit nach § 323 a in Betracht. Die Rauschtat des unmittelbar handelnden Vordermanns B besteht in seiner Körperverletzung gegenüber X, die des Hintermanns A in seiner Veranlassung dieses Trunkenheitsdelikts durch B, d. h. in der von A mittelbar durch B begangenen Körperverletzung (s. auch schon Rdn. 265 zu Fußn. 420). 450

VIII. Die Rechtsfolgen 1. Die Strafzumessung Schrifttum Haubrich Zur Strafzumessung bei Vollrausch-Verkehrsstraftaten, DAR 1980 359; Sieg Zur Strafzumessung bei Vergehen des Vollrausches, MDR 1979 549.

Als rechtliche Hauptfolge droht das Gesetz (§§ 323 a I, 38 II) dem schuldunfähi- 286 gen Rauschtäter Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe an; der strafbare Vollrausch ist also ein Vergehen (§ 12 II), und zwar selbst dann, wenn die Rauschtat einen Verbrechenstatbestand erfüllt (s. auch RGSt. 70 42). Da die (gefährliche) Selbstberauschung und nicht die Rauschtat zu bestrafen ist, hat der Richter grundsätzlich von dem angegebenen gesetzlichen Strafrahmen auszugehen. Dieser ist allerdings in seinem Höchstmaß, gesetzestechnisch ungewöhnlich, noch einmal durch das Strafmaximum für leichtere Rauschtaten begrenzt, und zwar nach § 323a II; das gilt auch für Ersatzfreiheitsstrafen (OLG Schleswig GA 1957 92). Die Regelung führt zu der merkwürdigen Konsequenz, daß die Strafe für den Vollrausch bei leichteren Rauschdelikten, falls der Strafrahmen von § 323 a I voll ausgeschöpft würde, ebenso hoch wie für die letzteren ausfallen kann, bei schweren Rauschtaten dagegen um vieles unter deren Höchststrafe liegt. Bei einer einfachen Körperverletzung in Volltrunkenheit ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren möglich (§ 323 a II i. V. m. § 223 I), bei einer gefährlichen Körperverletzung bis zu fünf Jahren (§ 323 a I und II i. V. m. §§ 223, 223 a I), bei einem Totschlag aber auch nur bis zu fünf Jahren (§§ 323 a II i. V. m. §§ 212 I, 38 II), obwohl hier das gesetzliche Strafmaximum für die Rauschtat 15 Jahre und damit das Dreifache der Höchststrafe für den Vollrausch beträgt. Diese Regelung erscheint etwas fragwürdig, ist jedoch, da noch im Spielraum gesetzgeberischen Ermessens liegend, „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden" (BVerfG bei Sieg MDR 1979 549 Anm. 1, bei Spiegel DAR 1979 181). Insbesondere wird man aus der geschilderten Unstimmigkeit nicht schließen dürfen, daß die Strafe für die gefährliche Selbstberauschung immer unter der Höhe des Strafmaximums für die Rauschtat liegen müsse;451 denn primär hat der Strafrahmen des § 323 a I maßgeblich zu bleiben. 449 Vgl. schon v. Liszt/Schmidt AT S. 327 Anm. 2) zu Nr. 1 und 3; ebenso hier Mezger Lehrb. S. 449 zu Nr. IIa). 450 Ebenso im wesentlichen bereits Gramsch StrAbh. H. 395 (1938) S. 82/83; s. auch Graf DRiZ 1934 235, 237 1. Sp.; Gerland ZStrW 55 (1936) 791 Anm. 24). 451 In diese Richtung tendiert offenbar Sieg MDR 1979 549; kritisch zum Verhältnis der beiden ersten Absätze des § 323 a auch Horn SK II Rdn. 22. (355)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

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D a ß Abs. I des § 323 a für die fahrlässige Selbstberauschung die gleiche Strafe wie f ü r die vorsätzliche androht, ist ebenfalls vertretbar. Ein fahrlässiger Vollrausch mit schwerwiegenden Rauschtaten im Gefolge k a n n die gleiche Strafe verdienen wie ein vorsätzlicher mit leichten Rauschtaten.

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Aus § 323 a II ergibt sich immerhin so viel, d a ß f ü r die Ahndung der gefährlichen Selbstberauschung neben der Persönlichkeit des Rauschtäters auch die Rauschtat nicht unbeachtlich sein kann. Das folgt schon aus einer allgemeinen Überlegung: ein Vollrausch, der zur Tötung eines Menschen geführt hat, hat sich als gefährlicher u n d schwerwiegender erwiesen, als wenn er nur eine Sachbeschädigung verursacht hätte. 452 Diese Auffassung ist auch in der Rechtsprechung prinzipiell anerkannt. Bereits RGSt. 69 189, 190 hat richtig bemerkt, daß die nähere Bestimmung der Rauschtat (§ 186 oder § 187) „für die Strafzumessung u. U. nicht ohne Bedeutung" sei, nachdem R G JW 1936 189, 190 noch widersprüchlich einerseits erklärt hatte, es sei „regelmäßig unzulässig, Strafzumessungsgründe ohne weiteres . . . aus der Rauschtat selbst herzuleiten", andererseits erkannt hatte, es sei „nicht zu beanstanden gewesen, d a ß die StrK u m . . . schwerer, unmittelbarer Folgen des herbeigeführten Rausches willen" das Vergehen des § 323 a strenger bestraft habe.

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Heute sollte kein Bedenken mehr bestehen, die Rauschtat als Beweis nicht allein für das Bestehen, sondern auch als Anzeichen f ü r den Grad der Rauschgefahr aufzufassen: B G H VRS 34 (1968) 349/350; 41 (1971) 93/94, 96; BGH bei Dallinger M D R 1 9 7 2 198; bei Spiegel D A R 1982 200 zu Nr. 3; O L G Braunschweig N J W 1954 1052; 1957 111, 112 1. Sp.; O L G Stuttgart N J W 1955 1042; 1971 1815; O L G Hamm VRS 32 (1967) 21, 26; 36 (1969) 264; OLG Celle N J W 1969 1588, 1589 1. Sp.; O L G Karlsruhe N J W 1975 1936.453

290

Danach sind „Art, U m f a n g und Gefährlichkeit einer Trunkenheitsfahrt" wie bei einem noch schuldfähigen Täter so auch bei dem Vollberauschten beachtlich, „weil sie ein Indiz f ü r den U m f a n g der vom Täter zu verantwortenden Rauschgefährlichkeit sind" (OLG Stuttgart VRS 37 [1969] 121, 122 unt.; s. ferner O L G H a m m VRS 36 [1969] 264/265; O L G Stuttgart NJW 1971 1815; O L G Karlsruhe N J W 1975 1936; s. allgemein B G H bei Dallinger M D R 1972 198 1. Sp.; bei Spiegel D A R 1982 200 zu Nr. 3). So wird es z. B. auch bei der Strafzumessung ins Gewicht fallen, wie oft der Täter in einem fortgesetzten Vollrausch eine tatbestandsmäßig-rechtswidrige Tat begangen hat (BGHSt. 16 124, 127), wird also die Anzahl der Rauschtaten als realer S t r a f m a ß g n W 4 5 4 zu berücksichtigen sein. Es darf nur nicht „der Verdacht" entstehen, daß der Tatrichter „das dem Angeklagten vorwerfbare Verhalten allein in der Begehung der Rauschtat" (hier: des schweren Raubes) „und nicht in dem Sichberauschen erblickt hat" (BGH VRS 34 [1968] 349, 350).

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Nach BGHSt. 23 375, 376 (s. weiter BGH bei Dallinger M D R 1974 15 r. Sp.; bei Spiegel D A R 1977 142 zu Nr. 9; 1982 200 zu Nr. 3; O L G Karlsruhe N J W 1975 1936; O L G Schleswig SchlHA 1977 180) sind allerdings nur die objektiven „Folgen der Rauschtat" (Frage: warum nicht die Rauschtat als solche?) „zugleich Folgen des an deren Stelle tretenden" (?!) Vergehens nach § 323 a „und für die Strafzumessung 452 Lay LK9 III § 330a a. F. Rdn. 92 a. A.; and. Kusch S. 70 f, 143, weil er der Rauschtat keine Bedeutung für die Bestimmung der Rauschgefahr zugestehen will. 453 Ebenso Sch./Schröder/Cramer21 Rdn. 29; s. schon Gerland ZStrW 55 (1936) 798/799; HeIlm. v. Weberin Stock-Festschr. S. 71, dagegen Dreher/Tröndle41 Rdn. 18. 454 Zu diesem Begriff näher Spendet Zur Lehre vom Strafmaß (1954) S. 192 ff, 200 ff; ders. Die Begründung des richterlichen Strafmaßes, NJW 1964 1758, 1759,1762 ff. (356)

Vollrausch (Spendei)

§323 a

bedeutsam", nicht aber die subjektiven „Motive u n d die Gesinnung des Täters", die hierzu geführt haben. Der BGH hat seine Auffassung später damit begründet, Brutalität z. B. bei einer in Volltrunkenheit begangenen Körperverletzung mit Todesfolge „als Ausdruck roher Gesinnung" setze voraus, „daß der Täter nicht völlig außerstande ist, einsichtsgemäß zu handeln u n d die aus einem Gefühl mitmenschlicher Rücksichtnahme entspringenden Hemmungen wirksam werden zu lassen" (BGH bei Holtz M D R 1982 811/812). Er kommt damit für die Strafzumessung zu einem Ergebnis, das hier schon für die Strafbegründung vertreten wird: daß das Vorliegen einer objektiv-tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Rauschtat f ü r den Nachweis eines gefährlichen Vollrausches ausschlaggebend, aber auch ausreichend ist (Rdn. 198 ff, 201 ff, 210), obwohl bei der Bestimmung des Strafmaßes für die Selbstberauschung die Ansicht naheliegt, eine bestimmte Willensrichtung des Rauschtäters — soweit sie sich überhaupt feststellen läßt! — sei sehr wohl strafschärfend zu berücksichtigen. Denn z. B. die durch den Rausch zu Tage getretene oder verstärkte Brutalität des Delinquenten zeige ja gerade, welch üble Eigenschaften infolge des Rauschmittelmißbrauchs bei dem Handelnden freigemacht würden und wie gefährlich daher seine Selbstberauschung sei. 455 Zweifellos wird „der Umfang des Gefährdungsunrechts" beim Vollrausch „durch Schwere und Auswirkungen der Rauschtat maßgeblich mitbestimmt" (OLG Karlsruhe N J W 1975 1936 r. Sp.), damit aber auch die einen „Beziehungsbegriff" darstellende Schuld456 desjenigen, der sich vorsätzlich oder fahrlässig gemäß § 323 a berauscht hat. Vorkehrungen oder „Zurüstungen" gegen Rauschtaten — soweit sie nicht schon 2 9 2 die Schuld ausschließen, statt nur die Strafe zu mindern (s. dazu Rdn. 240 f)! — müssen (so aber O L G Braunschweig N J W 1966 679, 681 1. Sp. insb. zu Nr. II) nicht „unter allen Umständen" strafmindernd berücksichtigt werden (OLG Celle NJW 1968 759, 760 1. Sp. = NdsRpfl. 1968 92 = D A R 1968 164). Ihr „Wert" richtet sich z. B. bei der Bestrafung eines zu einer Trunkenheitsfahrt führenden Vollrausches nicht danach, ob sich der Täter gegen Rechtsverletzungen im Rausch hinsichtlich der Benutzung von Kraftfahrzeugen gesichert hat, sondern danach, ob er überhaupt M a ß n a h m e n gegen die Begehung irgendwelcher Ausschreitungen getroffen hat (insofern zutreffend O L G Celle N J W 1969 1588 r. Sp.). Die Strafe ist nicht etwa deshalb zu erhöhen, weil der Volltrunkene vor Alkoholgenuß nicht dem späteren Gebrauch seines Kraftfahrzeugs vorgebeugt hat (s. schon Rdn. 240 a. E.). D e n n damit würde dem Täter in Wirklichkeit vorgeworfen, er habe die Straßenverkehrsgefährdung durch (Voll)Trunkenheit am Steuer voraussehen können und müssen, und im Ergebnis nicht der Vollrausch, sondern die Rauschtat in der Form der actio libera in causa bestraft (OLG Stuttgart N J W 1971 1815). Bei einer Bestrafung aus § 323 a i. V. m. § 316 dürfen auch drei Vorstrafen nach 2 9 3 den §§315c, 316 wegen Trunkenheit am Steuer strafschärfend berücksichtigt werden. Denn alle Taten (konkrete oder abstrakte Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheitsfahrten) beruhen „auf demselben charakterlichen Versagen des Angeklagten, nämlich auf fehlender Widerstandskraft gegen Alkoholgenuß" (OLG H a m m VRS 36 [1969] 176; s. ferner OLG Stuttgart N J W 19711815). Es ist nicht ein455 Kritisch zu BGHSt. 23 375 wegen Nichtberücksichtigung der subjektiven Rauschtatseite BleiJK 1971 243, ablehnend Horn SK II Rdn. 23; näher und abwägend zur Rechtsprechung wegen Berücksichtigung der Rauschtat überhaupt H.-J. Bruns Strafzumessungsrecht, 2. Aufl. (1974) S. 409, 426 ff. 456 Dazu Spendet Zur Notwendigkeit des Objektivismus im Strafrecht, ZStrW 65 (1953) 519, 534; ders. Zur Lehre vom Strafmaß (1954) S. 132 f, 154 ff. (357)

§ 323 a

27. Abschnitt. Gemeingefährliche Straftaten

zusehen, warum der Tatrichter bei einer erneuten Verurteilung nach § 323 a mit der Berücksichtigung der Tatsache, daß sich der Täter trotz seiner zehn Vorstrafen wegen Trunkenheit im Straßenverkehr, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Vollrausches wieder volltrunken ans Steuer seines Wagens gesetzt hat, zu Unrecht „das Maß der Schuld wesentlich mit nach dem Verhalten des Angeklagten im Vollrausch und seiner hierin zum Ausdruck gekommenen inneren Einstellung zu Recht und Gesetz beurteilt" haben soll (so aber OLG Schleswig SchlHA 1977 180); denn das Vorleben des Rauschtäters kann auch bei der Strafzumessung nach § 323 a zu Buche schlagen (so das OLG aaO selbst). Die Strafschärfung des Tatrichters war somit richtig begründet. 294

Das Vergehen des Vollrausches und der straferhöhende Umstand (der reale StrafmaßgrwH