Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand: Eine Untersuchung zur Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Körperschaften in staatlicher (Mit-)Trägerschaft [1 ed.] 9783428507269, 9783428107261

Körperschaften des öffentlichen Rechts gehen seit den siebziger Jahren verstärkt dazu über, hoheitliche Aufgaben auf pri

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German Pages 250 Year 2002

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Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand: Eine Untersuchung zur Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Körperschaften in staatlicher (Mit-)Trägerschaft [1 ed.]
 9783428507269, 9783428107261

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ROMAN M. SEER I CHRISTIAN WOLSZTYNSKI

Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand

Schrifte n zum Steuerre cht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 74

Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand Eine Untersuchung zur Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Körperschaften in staatlicher (Mit-)Trägerschaft

Von Roman M. Seer Christian Wolsztynski

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Seer, Roman M.: Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand : eine Untersuchung zur Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Körperschaften in staatlicher (Mit-)Trägerschaft I Roman M. Seer ; Christian Wolsztynski. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum Steuerrecht ; Bd. 74) ISBN 3-428-10726-8

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübemahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-10726-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Körperschaften des öffentlichen Rechts (insbesondere Kommunen) gründen seit Mitte der siebziger Jahre zunehmend privatrechtliche Organisationen (zumeist in der Rechtsform der GmbH), um durch sie hoheitliche Aufgaben erfüllen zu lassen. Angespannte Haushaltslagen und der laute Ruf nach dem "schlanken Staat" haben die "Flucht in die Privatrechtsform" beschleunigt. Diese Entwicklung betrifft vor allem Gebiete der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dient regelmäßig zugleich der Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet und erfüllt damit den objektiven Tatbestand der Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 AO. Deshalb stellt sich die Grundsatzfrage nach der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand. Die in Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und Schrifttum zu diesem Thema vorzufindenden Stellungnahmen bieten ein buntes Bild und gehen sowohl in ihrer Argumentation als auch in ihren Ergebnissen weit auseinander. Eine geschlossene Darstellung der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand sucht der Rechtsanwender-soweit ersichtlich- vergebens. Deshalb versucht die vorliegende Schrift, die zu diesem Thema auftretenden wesentlichen Problemkreise zunächst zu skizzieren, den bisherigen Meinungsstand nach systematischen Gesichtspunkten zu ordnen, um daraufhin schließlich eigene alternative Lösungsansätze zu entwickeln. Wir hoffen, mit unserem Beitrag die Diskussion zu dem bisher vernachlässigten, aber höchst praxisrelevanten Thema zu befruchten. Den Anlass und zugleich Ausgangspunkt für unsere Untersuchung bildete ein Rechtsgutachten, das wir im Auftrag der Milchwirtschaftlichen Lehr- und Untersuchungsanstalt e. V. Oranienburg erstellt haben. Bochum, im Februar 2002

Roman M. Seer Christian Wolsztynski

Inhaltsverzeichnis Einleitung A. Einführung in die Rechtsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Problemstellung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Inhalt und Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 D. Fortgang der Untersuchung und exemplarische Ausgangsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Erster Teil

Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der§§ 52 bis 54 AO A. Steuerbegünstigte Zweckverfolgung als konstituierendes Merkmal der Gemeinnützigkeit . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . I. Unterscheidung zwischen gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken ............... . ..... . . . . . . ... .. ... ..... .. . . ... . . . . . .............. . . .. . . ... . . II. Gemeinnützige Zweckverfolgung durch geeignete Maßnahmen (§52 Abs. l S. l AO) . . ......... . .. . . . ..... . . . . . ..... . . . . . . . ... . ...... . . . ....... .. . . ........ . ... . . III. Förderung (im Interesse) der Allgemeinheit (§52 Abs. l S. 2 AO) . . . . . . . . . . . . . IV. Negative Abgrenzung durch §52 Abs. I S. 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erster Beispielfall: Abfall- und Abwasserbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung . . ... ... ...... . . . . .. .. . . . ...... . . ... . . ... ... . .. . ... . ... .. . . . .. . . . .... . . . . . . . . l. Anwendbarkeit des Gemeinnützigkeitsrechts (Konkurrenzen) . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftsförderung als steuerbegünstigter Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinwohlbezug einzelner wirtschaftsfördernder Maßnahmen . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaftsförderung und Wettbewerbsneutralität des Gemeinnützigkeitsrechts.......... ..... ... . . . . . . . .... ... . . ......... . . . . . ................ . .. .. . . . . 5. Räumliche Begrenzung der Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Systemwidriger Rekurs auf die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt . . .

23 23 24 27 30 32 33 33 33 34 39 41 43 47 48 49 49

Zweiter Teil

Konstitutionelle Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

8

Inhaltsverzeichnis I. Die Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Konstitutionelle Gemeinnützigkeitsunfähigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Die Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Die Auffassung der FinanzveiWaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

C. Begründung der potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutliche Parallelen zwischen der Besteuerung der öffentlichen Hand und der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Semantische Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Historisch-genetische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematisch-logische Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinnützigkeitsfähigkeit als Folge der Organisationshoheit des Staates . 2. Rechtliche Beurteilung vergleichbarer Sachverhalte (Komparative Auslegung).................................. ................................... . . . .

57 57 60 62 66 66 69

V. Teleologische Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Die drei Legitimationssäulen des Gemeinnützigkeitsrechts im Überblick . . . 73 2. Objektives Element der steuerlichen Gemeinnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Tätigkeitsorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Ergebnisorientierter Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Entlastung des Staates und der Gesellschaft von gemeinwohlwichtigen Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompensatorische Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Negativtest: UneiWünschte Folgewirkungen bei Gemeinnützigkeitsunfähigkeit ........ . .... . .. ... ............... .. .. ... ... ............. ..... ... ... d) Zwischenergebnis . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Gemeinsinn als subjektives Element der steuerlichen Gemeinnützigkeit... . 4. Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität - Grenze und Legitimation zugleich . ......... .... . . . . .. ............ . . . ... . .. . . .. . . ...... ... .... . . .. .. ...... 5. Fazit der teleologischen Auslegung .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. VI. Verfassungsrechtliche Bezüge .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. 1. Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung .. .. ............... ·. ... . . ...

75 78 83 84 84 87 90 91 91

2. Verhältnismäßiger Schutz der Finanzverfassung vor einem Formenmissbrauch ........... .... . . . .. . ..... .. .. . ... ..... . . . .. .. . . . . .... . . ... .... .... .... . 93 VII. Zusammenfassung der eigenen Rechtsansicht Potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Folgerungen für die exemplarischen Ausgangsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Gemeinnützigkeitsfähigkeit trotz staatlicher Beteiligung und Wahrnehmung hoheitlicher (Pflicht-)Aufgaben............. . .. . .................... . ... . ... . . .. 97 II. Gemeinnützigkeitsfähigkeit als zwingende Folge der Besteuerungsgleichheit . 99 III. Gemeinnützigkeitsfähigkeit nur bei Ausschluss eines Gestaltungsmissbrauchs 99 IV. Hilfsweise: Die Gegenansicht einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I 00

Inhaltsverzeichnis

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Dritter Teil

Die Grundsätze der Selbstlosigkeit und der Ausschließlichkeit in ihrer Ausprägung als Verbot einer primären Verfolgung eigenwirtschaftlicher Mitgliederinteressen A. Problemaufriss: Fehlende Selbstlosigkeit bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben? . . 102 B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 104 I. Ausgangspunkt: Die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung ..... . . . ..... 104 11. Die gemischten Reaktionen in der steuerrechtliehen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Die geteilten bzw. unentschiedenen Äußerungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . 107 C. Kritische Würdigung der Auffassung einer fehlenden Selbstlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Vorbemerkung . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . .. II. Dogmatische, systematische und semantische Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlerhafte Prüfungsreihenfolge . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . 2. Mangelnde Konk:retisierung der Verwaltungsmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendige Restriktion auf sog. Gründungs- bzw. Einschaltungsfalle . . . . . . III. Fiskalische Motivation ..... . . ... .................... . . . ................. ... . ... . IV. Auffassung widerspricht dem Willen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Materiell-rechtliche Argumentationsdefizite .... . . . . . . . ................. .. . ..... I. Das einseitige und fehlerbehaftete Bild vom staatlichen Erfüllungsgehilfen 2. Voreingenommene Negierung wirtschaftlicher und rechtlicher Selbständigkeit .... .. ....... .. .... . .. . . . . ...... . ............ . . . . . .......... ... .... . .. . .... 3. Pflichtaufgabencharakter als willkürliches Unterscheidungsmerkmal ....... 4. Pflichtaufgabencharakter als praxisuntaugliches Unterscheidungsmerkmal. 5. Widerspruch zur ratio legis des Gemeinnützigkeitsrechts ......... . .. ... . ... 6. Abwägungsde:fizite ...... .... ......................................... .... ....

109 109 109 110 111 116 120 121 121 122 124 125 127 128

D. Bedeutung und Reichweite des Tatbestandsmerkmals der Selbstlosigkeit ... . . . . . .. . 130 I. Selbstlosigkeit als konstitutives Legitimationselement privater Gemeinwohlförderung ............... .. . . ... . . . ................ . ... . . . ............. ...... . ....... II. Deklaratorische Bedeutung bei Gemeinwohlförderung mit staatlicher Beteiligung ....... . .............. . . . .................... . . . . . ..................... . ..... III. Bestätigung der Thesen durch Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Parallelen zur Rechtsprechung, Literatur und zur älteren Verwaltungsauffassung .. .............. . ...... . ....... . ... . ......... . ................ ... . ... . ...... . V. Abschließender Beispielsfall . . . . . .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung der eigenen Rechtsansicht: Selbstlosigkeit staatlicher Eigengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130 131 134 135 137 138

E. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Erster Beispielsfall: Abwasser- und Abfallbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung . . .. .... . . . ....... . ...... . . . . . .... ..... .. . ... . .............. .... ... . ...... . . . 140 Ill. Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt . . . 142

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Inhaltsverzeichnis Vierter Teil

Der Grundsatz der Ausschließlichkeit (§56 AO) A. Problemaufriss . ..... . ... . .. . ...... . .... . ..... . ............ . ...... . .... ... .... . ..... .. . 146 I. (Scheinbare) Rigorosität des §56 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Auswirkungen für den Bereich der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand . . 146 B. Bedeutung und Reichweite des Tatbestandsmerkmals der Ausschließlichkeit .... .. . I. Das ältere Ausschließlichkeitsverständnis: Unterscheidung zwischen Hauptund Nebenzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das neuere Ausschließlichkeitsverständnis: Finalität der Zweckverwirklichung .. . . . .. . ... .. ... . .... ... .. . ... .. . . . . ... ... .. . ... . . . ... . . . .. . . . .. . . .... .... .. 111. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148 148 149 152

C. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen . . ... . . . .... ... ..... . ..... . ..... .. . 152 Fünfter Teil

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit (§57 AO) A. Problemaufriss: Verständnismöglichkeiten der Unmittelbarkeit ............. . ..... . .. 153 B. Das Unmittelbarkeitsverständnis von Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung . .. . . . .. . . . . .... . .. . .. . . . . ... . ........ .. . . .. . ..... . .. ... . . .. . . . .... . . . .. .. ........ . I. Die Entwicklung in der Rechtsprechung ............................ ............ II. Die Auffassungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Auffassung der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 155 156

C. Bedeutung und Reichweite des Unmittelbarkeitsgrundsatzes ....... . ............. . .. I. §57 AO regelt persönliche Unmittelbarkeit ........ . ...... . .... . ............... II. Kritik am sachlichen Unmittelbarkeitsverständnis de lege lata am Beispiel der Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit von Wirtschaftsförderungsgesellschaften . ... .. . . . .... . . .. . . . . .... . ... . ..... .. . . ....... . .. . . . . .. . . ...... . .... . . . ..... ... 1. Erste Fallgruppe: Zuführung von Mitteln an eine öffentlich-rechtliche Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweite Fallgruppe: Verfolgung öffentlicher Belange der hoheitlichen Mitglieder . .... ... . .. ... . ... .. ... .. ... . . . .. . .. ... .... . .... .. .. . . . . .. .... . .... .. ... 3. Dritte Fallgruppe: Kausalität zwischen Fördermaßnahme und steuerbegünstigtem Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik am (sachlichen) Unmittelbarkeitserfordernis de lege ferenda . . . . .... . .. IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen . .. ... .. . . ... . .. . . . .. . .. . . . .. . . . ... I. Erster Beispielsfall: Abfall- und Abwasserbeseitigung . .... . .... . .... . .... . .. . . II. Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung .. ... . ... .. . . . . .... . .. ... ... .. ... . . .. . . .. ... .... .. ... . ... . .. . . . ... .. ..... . ... III. Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt ...

166

156

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Inhaltsverzeichnis

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Sechster Teil

Gemeinnützigkeitsrechtliche Qualifikation körperschaftlicher Aktivitäten Abgrenzung zwischen steuerpflichtigen und steuerbegünstigten Sphären A. Problemaufriss: Die vier Tatigkeits- und Vermögenssphären des Gemeinnützigkeitsrechts . .. . ............... . . .. . . . . ............... . ...... . ... . . . .......... . ....... .. . . . .. . 168 B. Finanzierung gemeinnütziger Körperschaften durch Zuschüsse der öffentlichen Hand ......................................... .. .......... .... ... .. ........... ... . . . . .. 170 C. Zweckbetriebseigenschaft von Geschäftsbetrieben der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . 173 I. Dualistische Zweckbetriebsdefinition per Generalklausel und Beispielskatalog II. Ausrichtung der Beispielskataloge auf Organisationen/Aktivitäten der öffentlichen Hand ...... . .......... . . . ............................................ .. . .... III. Zweifelsfragen im Kontext mit der Handhabung der Generalklausel ...... . ... . 1. Zusammenhängende Auslegung der Tatbestände des § 65 Nr. 1 u. Nr. 2 AO a) Notwendigkeit einer Einheit von Verbandszweck und Geschäftsbetrieb . b) Übertragung hoheitlicher Pflichtaufgaben zweckbetriebsschädlich? . . . . . c) Irrelevanz der Möglichkeit alternativer Inanspruchnahme nichtbegünstigter Dritter . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wettbewerbsklausel des §65 Nr.3 AO .. .. .............................. a) Bedeutung, Systematik und praktische Anwendung der Wettbewerbsklausel .. .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der Wettbewerbsrelevanz anband der Grundsätze des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . c) Einfluss historischer und gegenwärtiger Marktstrukturen auf die Wettbewerbsrelevanz . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einfluss staatlicher Entscheidungsvorbehalte über die Selbstvomahme oder Fremdvergabe einer hoheitlichen Pflichtaufgaben auf die Wettbewerbsklausel . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . e) Einfluss staatlicher Aufgaben- und Organisationsgewalt auf den Wettbewerb . ....... .... . . . . .. . ... . .. .. .... ... ... .. .... .... . ........... .... . . . . ... D. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfallen . . . . .. . . . .............. .. ..... . . .. . I. Erster Beispie1sfall: Abfall- und Abwasserbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung . ... . ......... . .......... . ......... ... ............ . ..... . ............. . ... . . . III. Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt . . . 1. Lehrtätigkeiten der MLUA . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Forschungstätigkeiten der MLUA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Untersuchungstätigkeiten der MLUA . ........ . . . ........ . .............. . .. . . a) Grundsätzliche Einordnung als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb .. . . .. . b) Zweckbetriebseigenschaft i. S. der Generalklausel des§ 65 AO .... . .... aa) Notwendigkeit einer entgeltlichen Zweckverwirklichung (§ 65 Nm. 1 u. 2 AO) ...... . . . ... . ... .............. . . . ... ... ....... . .. ..... .. . . . ... bb) Gedanken zur Wettbewerbsrelevanz der Untersuchungstätigkeit . . .. (1) Faktische Unmöglichkeit einer Konkurrenzlage . . . . .......... . (2) Rechtliche Unmöglichkeit einer Konkurrenzlage . . ... . . . ... .. .

173 174 175 175 175 177 181 181 181 184 187 190 192 198 198 199 200 200 200 201 201 202 202 204 204 205

12

Inhaltsverzeichnis (3) Wettbewerb nur zwischen steuerbegünstigten Anbietern ist unschädlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (4) Ergebnis ...... . . .. ............ . ........ . ........... . .. . .... . .... 208 Siebter Teil

ZulässigerlU nzulässiger Umfang (eigen-)wirtschaftlicher Betätigung A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand ..... . . .. ............................. I. Ansatz einer quantitativen Grenzziehung (sog. Geprägetheorie) . . . .... . .. . .. . . li. Versuche einer qualitativen Grenzziehung .... .. ..... . . . . .. ... . .. . .. . . . .. . .... .. I. Die Auffassung von Hüttemann und Fischer .. . . . . . ... . . . . . . .. . . .... .... .... 2. Die Auffassung von Tipke . . ......... . ..... . ....................... . ......... 3. Die Auffassung von Lang und Seer .......................................... 4. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ...................................... 5. Gemeinsamkeiten der qualitativen Ansätze .. . .... . .... . .... . .... . .... . ...... C. Funktionale Bestimmung der statuskonformen Reichweite wirtschaftlicher Betätigungen . . ......... . .. ..... .. . .... .. ... . . ...... . .. .... . ...... .... .............. .. .. . ... . I. Formelle Anwendungsschwierigkeiten der Geprägetheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inflation quantitativer Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Analyse potentieller quantitativer Abgrenzungsmaßstäbe .... ..... li. Materielle Argumentations- und Erklärungsdefizite der Geprägetheorie . .... . . I. Negation der Charakteristika des Einzelfalles . . . .... . . . .. . . . .. . . . . .... .. .... 2. Unvereinbarkeit mit der ratio legis des Gemeinnützigkeitsrechts . .. . ....... III. Fazit: Unbrauchbarkeit der Geprägetheorie-Erfordernis einer qualitativen Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Teleologische Begrenzung eigenwirtschaftlicher Betätigungen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsequenzen für die unterschiedlichen Formen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe ... . .... . .... . .... . .... . . . .... . . .. . . . . ... . . . ... . . . . .. ... . ..... . . . . .. .... . ... D. Rechtslage im Ausgangsfall der Milchwirtschaftlichen Lehr- und Untersuchungsanstalt ............... . ........................................ . .................. .. ....... I. Aufgabe der Geprägetheorie zugunsten einer qualitativen Grenzziehung . . . . . . II. Sach-inhaltliche und existenzielle Verbindung der ideellen und wirtschaftlichen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweckbetriebsqualität der Untersuchungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 211 212 212 212 213 214 214 214 214 215 218 218 218 220 220 221 223 223 224 225

Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse in Thesenform ..... 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen . .. .................. . ............ . . . .. . . .... 243 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Einleitung A. Einführung in die Rechtsmaterie Eine Reihe von Einzelsteuergesetzen 1 normieren unterschiedliche Steuervergünstigungen für Körperschaften 2 , die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. 3 Hintergrund dieser Vergünstigungen ist es vornehmlich, die private altruistische Förderung des Gemeinwohls zu stimulieren, zu erhalten und zu prämieren. 4 Der Einsatz von Mitteln für solche Zwecke, für die ansonsten der Staat oder das Gemeinwesen notwendiger- oder zweckmäßigerweise aufkommen müsste bzw. für solche gemeinwohlrelevanten Bedürfnisse, die zu erfüllen sowohl die staatliche als auch die privatautonome und zumeist privatnützige Motivation zu schwach ist, rechtfertigt es, auf die Erhebung von Steuern (teilweise) zu verzichten. Die in den einzelnen Steuergesetzen enthaltenen und an den Status der Gemeinnützigkeit gekoppelten Steuervergünstigungstatbestände legen weder den Inhalt gemeinnütziger Tätigkeiten noch deren Voraussetzungen näher fest. Die Prämissen einer steuergesetzlich determinierten Gemeinnützigkeit behandeln vielmehr einheitlich die§§ 51-68 AO unter dem Abschnitt "Steuerbegünstigte Zwecke". Diese Vorschriften bilden den allgemeinen Teil des Gemeinnützigkeitsrechts und bestim1 Z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 13 Abs. 1 Nm. 16, 17 ErbStG; § 3 Abs. 1 Nm. 3, 4 u. §4 Nr. 6 GrStG; § 3 Nm. 6, 20 b, 20c GewStG; § 4 Nm. 16, 18, 22, 25 u. § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG; § 18 Nr. 2aRennwLottG; § 18 Abs.1 Nr.14 LAG; §3 Abs. 1 Nr.12 VStG in derbis zum 31.12.1996 geltenden Fassung. Ferner machen einzelne Steuergesetze auch Steuervergünstigungen für dritte Personen von einer Verfolgung gemeinnütziger Zwecke i. w. S. abhängig, so z. B. § 3 Nr. 26 EStG (sog. Übungsleiterpauschale) und § 9 Nr. 2 KStG, § lOb EStG, §§ 48 ff. EStDV (Vorschriften über den Spendenabzug). Zur geschichtlichen Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts vgl. Hammer, StuW 2001 , 19ff. 2 Körperschaften i. S. des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), vgl. §51 S. 2 AO. 3 Gemeinnützige Zwecke i. e. S. (§52 AO), mildtätige Zwecke (§53 AO) und kirchliche Zwecke (§54 AO) sind steuerbegünstigte gemeinnützige Zwecke i. w. S.; im weiteren Verlauf wird daher pars pro toto nur noch von gemeinnützigen Zwecken gesprochen. 4 Zur Steuerverschonung als wirksames Mittel indirekter Gemeinwohlförderung und zu den einzelnen Ansätzen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts prononciert Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 81 f., 92ff., 101 ff., 176ff., 344ff.; /sensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S.341 ff.; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 35ff.; Isensee, HdbStRIII, §57 Rz.1 ff., Rz. 28 ff. u. 85; Roth, Die steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 7ff., 88ff., 194ff., 203ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 367 ff.; Tipke in Tipke/Kruse, Vor §51 AO Tz. 4, §52 AO Tz. 9; Lang in Tipke/Lang, § 20 Rz. 70ff., §21 Rz.1 ff.; Lang, WP-Hdb. 2 , Kapitel T Rz. 9ff.; Lang, StuW 1987,231 ff.; Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, Einleitung Rz.41.

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Einleitung

men, unter welchen Voraussetzungen eine Organisation als gemeinnützig anerkannt wird. 5 Konstitutives Erfordernis der Gemeinnützigkeit ist dabei zunächst, dass eine Körperschaft i. S. des §51 AO steuerbegünstigte Zwecke gemäß §§52-54 AO verfolgt. Ist ein sach-inhaltlicher Zweck und damit die Legitimation für eine Steuervergünstigung gegeben, sucht der Gesetzgeber durch ergänzende materielle und formelle Voraussetzungen die subventionswürdige Zweckverfolgung zu sichern. Die §§ 51-58 AO regeln dabei zunächst die materiellen Anforderungen an den Gemeinnützigkeitsstatus 6 , nämlich die Merkmale der selbstlosen, ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung der als steuerbegünstigt definierten Zwecke. Das Merkmal der Selbstlosigkeit(§ 52 Abs. 1 S. 1, §53 S. 1, §54 Abs. 1, §55 AO) versucht materiell eigennützige Betätigungen der Körperschaft und ihrer Mitglieder auszuschließen. Dazu werden u. a. Zuwendungsverbote und Mittelbindungsvoraussetzungen ausgesprochen (§55 Abs. 1 Nm. 1-5 AO). Das Merkmal der Ausschließlichkeit(§ 51 S. 1, §56 AO) verhindert, dass eine Körperschaft neben dem gemeinnützigen Zweck auch andere nicht förderungswürdige Zwecke verfolgt. Das Merkmal der Unmittelbarkeit(§ 51 S. 1, §57 AO) verlangt, dass die Körperschaft die steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklichen muss, und bestimmt in persönlicher Hinsicht, wessen Handeln der Körperschaft wie eigenes Wirken zurechenbar ist. Die §§ 59-63 AO schließlich betreffen die formelle Seite des Gemeinnützigkeitsstatus, nämlich seine programmatische Festlegung in der Satzung (§§59, 60 AO), die satzungsmäßige Vermögensbindung (§§ 61, 62 AO), die Übereinstimmung der tatsächlichen Geschäftsführung mit den in der Satzung festgelegten steuerbegünstigten Zwecken(§ 59 HS. 2, § 63 Abs. 1 AO) sowie die besonderen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gemeinnütziger Körperschaften (§ 63 Abs.3 AO).

B. Problemstellung der Untersuchung In der Bundesrepublik Deutschland ist die Rechtsordnung dualistisch in öffentliches Recht und Privatrecht gegliedert. Typischerweise ist das öffentliche Recht das Recht der Staatssphäre, das Privatrecht dasjenige des Gesellschaftsbereichs. Der Staat und seine Einrichtungen beschränken sich jedoch nicht auf den öffentlichrechtlichen Rechtskreis. Vielmehr nimmt die öffentliche Verwaltung für sich- vorbehaltlich verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Grenzen- die grundsätz5 Sog. Ausklammerungsmethode: Der allgemeine Teil des Gemeinnützigkeitsrechts wird als Gemeinsames mehrerer Regelungen vor die Klammer gezogen. Die §§51 ff. AO regeln als besonderes Steuerrechtsverhältnis Grundlagen, Voraussetzungen sowie Art und Umfang des Gemeinnützigkeitsrechts. Die darauf basierenden steuerlichen Folgen ergeben sich hingegen erst aus den steuerlichen Einzelgesetzen, die auf dem besonderen Steuerrechtsverhältnis aufbauen, vgl. Lang in Tipke/Lang, § 21 Rz. 1; Sauer in Beerrnann, Verfahrensrecht, Vor§§ 51-68 AORz.l5f. 6 Zur Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts vgl. parspro toto: Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T Rz. 2, 47ff.

15

B. Problemstellung der Untersuchung

liehe Wahlfreiheit der Rechtsformen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht in Anspruch. Die Wahlfreiheit richtet sich sowohl auf die Organisations-Rechtsform der mit öffentlichen Aufgaben betreuten Verwaltungsinstitutionen als auch auf die Ausgestaltung der Handlungs-, Leistungs- und Benutzungsrechtsform der ablauforganisatorischen Aufgabenbewältigung (sog. Dogma der doppelten Formenwahlfreiheit). Als Ausfluss dieser doppelten Formenwahlfreiheit7 erfolgt die Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Bundesrepublik Deutschland in Gestalt zahlreicher Rechtsformen in summasummarum vier Rechtsform-Kombinationen. Diese Kombinationen ergeben sich einerseits aus der Zergliederung der öffentlichen Verwaltung in die Sphäre der Aufbauorganisation ("Organisationsformen") und der Ablauforganisation ("Handlungsformen") und basieren andererseits auf der Ausgestaltung der Organisations- und Handlungsformen im dualistischen Rechtssystem durch öffentliches Recht oder Privatrecht. Die Kombination dieser vier Faktoren wird aus folgender Übersicht deutlich: 8

Verwaltung

Öffentliche

Handlungsform öffentlich-rechtlich

Handlungsform privatrechtlich

Organisationsform öffentlichrechtlich

Die öffentlich-rechtlich organisierte öffentliche Verwaltung handelt öffentlich-rechtlich

Organisationsform privatrechtlich

Die privatrechtlich organisierte öffentliche Verwaltung handelt öffentlich-rechtlich (Stichwort: Beleihung)

Die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung handelt privatrechtlich (Stichworte: Verwaltungsprivatrecht, fiskalische Hilfstätigkeiten, erwerbswirtschaftliche Betätigung) Die privatrechtlich organisierte öffentliche Verwaltung handelt privatrechtlich (Stichwort: Privatisierung)

In den letzten Jahrzehnten hat der Staat zunehmend von der ihm zustehenden Organisationshoheit Gebrauch gemacht und sich bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben immer häufiger der Organisationsrechtsform des Privatrechts bedient. 9 So ist es beispielsweise verstärkt zu einer sog. "Ausgliederung" oder "Auslagerung" 7 Zur grundsätzlichen Organisationshoheit der öffentlichen Hand: BVerwGE I3, 47, 54; 84, 236, 240; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rz. I ff., 4ff.; Ronellenfitsch, HdbStR III, § 84 Rz. I9 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § I Rz. 58, § 9 Rz. I2; Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 (etwa Rz.IOff., I8ff.); Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rz.2I ff., 33ff.; Ehlers, JZ I990, 1089, I092; Glauben, DRiZ I999, 488f.; zu den alternativen Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung vgl. Lange, UR 2000, 1, 9f.; Lange, DStZ 2000, 200, 201 f. s Schaubildquelle bei Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 9 Rz. 14 ff. 9 Zu den Privatisierungstendenzen: Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rz. 109ff.; Ehlers, JZ 1990, I089ff.; Seifert/Metschkoll, DB I991, 2449, OB I992, 1691ff.; Schach, DVBl. I994, 962ff.; Gusy, ZRP 1998, 265ff.; Glauben, DRiZ 1999, 438ff.; Himmelmann/Gloria, KStZ 2000, 121 ff.

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Einleitung

hoheitlicher Verwaltungstätigkeiten gekommen, d. h. eine juristische Person des öffentlichen Rechts hat die ihr obliegenden Aufgaben auf eine (z. T. in eigener Trägerschaft gegründete) juristische Person des Privatrechts übertragen. Folgende Gestaltungsformen gilt es dabei zu unterscheiden: 10 Formelle Privatisierung

= Ausgliederung (sog. Organisationsprivatisierung):

Im Rahmen der formellen Privatisierung beteiligt sich der Staat formal-institutionell an einem Privatrechtsträger als Gesellschafter oder Mitglied. Die ausgliedemde öffentlich-rechtliche Körperschaft kann dabei entweder als alleiniger Träger einer sog. Eigengesellschaft (z. B. in der Rechtsform der GmbH oder AG), als Beteiligte einer gemischt-öffentlichen Organisation (die Anteile befinden sich in der Hand mehrerer öffentlich-rechtlicher Körperschaften) oder als Beteiligte einer gesamtwirtschaftlichen Organisation (an der sowohl die öffentliche Hand als auch Private beteiligt sind) fungieren. Materielle Privatisierung= Auslagerung (sog. Aufgabenprivatisierung): Von der formellen Privatisierung zu unterscheiden sind die Konstruktionen, bei der eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen privaten Rechtsträger (sog. Betreiber), an dem sie selbst nicht beteiligt ist, (gegen Entgelt) mit der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beauftragt. In den Fällen der sog. funktionellen Privatisierung nimmt die öffentliche Verwaltung zur Erledigung ihrer Aufgaben von ihr formal-institutionell unabhängige, jedoch über die Schienen der normativen, personellen oder haushaltsmäßigen Einflusssicherung gesteuerte privatrechtliche Gesellschaften oder Vereinigungen quasi als Staats-Verrichtungsgehilfen in ihren Dienst und behält auf diese Weise Aufsicht und Gewährleistung über die ausgelagerte Tatigkeit. Bei der sog. Gesellschaftsprivatisierung kann die Verwaltung keinen oder allenfalls einen beschränkten Einfluss auf die Ausführung der ausgelagerten Aufgaben ausüben. Beleihung: Von der formellen und materiellen Privatisierung zu unterscheiden sind die eine eigene Rechtsform des Verwaltungshandeins darstellenden Fälle der sog. Beleihung. Dabei wird einer Privatperson durch Gesetz oder aufgrundeines Gesetzes (für einen bestimmten Tätigkeitsbereich) die Ausübung hoheitlicher Befugnisse in eigenem Namen eingeräumt und damit eine öffentlich-rechtliche Rechts- und Pflichten10 Zu den Privatisierungsformen: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rz. 18 ff.; Bull, Allg. Verwaltungsrecht, Rz. 37 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 9 Rz. 23 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rz.137ff., 153ff.; Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 71 ff.; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1994), S. 165ff.; Osterloh, VVDStRL 54 (1994), S.204ff.; Bauer, VVDStRL 54 (1994), 243ff.; Glauben, DRiZ 1999, 438ff.; Gusy, ZRP 1998, 265ff.; Schach, DVBI. 1994, 962ff.

C. Inhalt und Aufbau der Untersuchung

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Stellung übertragen. Der Beliehene wird praktisch zu einem Teil öffentlich-rechtlicher Verwaltung; sein Handeln ist öffentlich-rechtlich. 11 Öffentliche Verwaltung in privatrechtlicher Organisationsform kommt vor allem in den prototypischen Bereichen der Daseinsvorsorge zur Anwendung, etwa bei der Versorgung mit Verkehr, Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, bei der Abwasserbzw. Abfallbeseitigung, im Rahmen der Gesundheits-, Wohlfahrts- und Kulturpflege, im Bereich des Bildungs- und Erziehungswesens sowie im Bereich der Sport und Freizeitaktivitäten. 12 Ein weiteres Anwendungsbeispiel formeller wie materieller Privatisierung bilden die Fälle der kommunalen Wirtschaftsförderung und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Meinungsmultiplikation. 13 Die im Rahmen der aktuellen Privatisierungstendenzen zu verzeichnende Übertragung öffentlich-rechtlicher (Pflicht-)Aufgaben auf einen privaten Rechtsträger betrifft in Form der Tätigkeiten aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge in erster Linie jene Felder, die auch zu den Kernbereichen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts gehören. Die einzelnen Tätigkeitsfelder der Daseinsvorsorge zählen zu den konkurrierenden Gemeinwohlaufgaben, bei denen staatliches und privates Handeln grundsätzlich konsumerabel sind. 14 Dementsprechend führt die Verlagerung staatlicher Verwaltungstätigkeiten auf eine Körperschaft des Privatrechts gerade im Bereich der Daseinsvorsorge nicht selten dazu, dass damit hoheitliches Handeln zum sach-inhaltlichen Fördergegenstand des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts gemacht wird. 15 Damit ist die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen staatlich getragene Körperschaften des Privatrechts steuerrechtlich gemeinnützig sind, vor allem wenn sie mit der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke zugleich auch hoheitliche (Pflicht-)Aufgaben der an ihnen beteiligten Verwaltungsträger wahrnehmen. Diese mit dem Schlagwort der "Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand" zu bezeichnende Thematik zählt zu den grundlegenden und zugleich schwierigsten Problemen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts.

C. Inhalt und Aufbau der Untersuchung Der zuvor geleistete kursorische Überblick zu den Voraussetzungen der Steuervergünstigung und den Parallelen zwischen öffentlichen und gemeinnützigen Aufgaben reicht aus, um die im Zusammenhang mit der Thematik der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand auftretenden Probleme aufzuzeigen und die zentralen Fragestellungen der Untersuchung zu erläutern: 11 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rz. 25; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 9 Rz. 37. 12 Vgl. Rüfner, Daseinsvorsorge und soziale Sicherheit, HdbStR III, § 80 Rz. 30 ff., 45 ff. 13 Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 9 Rz. 26. 14 /sensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 35, 47. 15 Zur Verwandtschaft zwischen öffentlichen und gemeinnützigen Aufgaben vgl. Hey, StuW 2000, 467f.

2 Seer/Wolsztynski

Einleitung

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Erster Problemkreis: Steuerbegünstigte Zwecke Konstituierende Voraussetzung steuerlicher Gemeinnützigkeit ist zunächst die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke. Obwohl auch der Staat und seine Einrichtungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben dem gemeinen Nutzen zu dienen bestimmt sind, folgt aus der bloßen Übernahme staatlicher Aufgaben nicht automatisch die steuerliche Gemeinnützigkeit einer Körperschaft des Privatrechts. Denn der Begriff der Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts ist enger als der des gemeinen Nutzens bzw. des öffentlichen Wohls. 16 Von daher ist die materielle Gemeinnützigkeit i. S. des Steuerrechts zunächst einmal grundlegend davon abhängig, ob die Betätigung der öffentlichen Hand in Gestalt privatrechtlicher Organisationsformen mit der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke gemäߧ§ 52-54 AO einher geht. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme werden im Ersten Teil der Untersuchung angesprochen.

Zweiter Problemkreis: Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand Gemeinnützigkeitsabhängige Steuervergünstigung sind naturgemäß in erster Linie auf das altruistische Engagement Privater zugeschnitten. Hingegen sind öffentlich-rechtliche Körperschaften von Staats wegen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und zur Förderung des Gemeinwohls verpflichtet. Die grundsätzliche Steuerfreiheit hoheitlicher Tätigkeiten und die Steuerhoheit an sich eröffnen dem Staat ausreichende Möglichkeiten, um seinen Gemeinwohlverpflichtungen nachzukommen. Einer - dem privaten Gemeinwohlengagement vergleichbaren - Anregung durch entsprechende Steuervergünstigungen bedarf er daher im Regelfall nicht. In Anbetracht dessen wird in der Rechtsliteratur 17 vertreten, der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften könnten Steuervergünstigungen für gemeinnützige Tätigkeiten schon aus der Natur der Sache nicht in Anspruch nehmen. Als staatliche Förderung des privaten Altruismus müsse das Gemeinnützigkeitsrecht der hoheitlichen Verwaltung insgesamt verschlossen bleiben. Diese Frage der Gemeinnützig keitsfähigkeit der öffentlichen Hand ist Gegenstand des Zweiten Teils der Untersuchung.

Dritter Problemkreis: Selbstlosigkeit Körperschaften in staatlicher Trägerschaft, deren Tätigkeiten entweder ausschließlich oder zumindest teilweise in der Durchführung von Aufgaben aus dem Verwaltungsbereich des jeweils beteiligten Hoheitsträgers bestehen, erfüllen zwangsläufig nicht nur ihre eigenen steuerbegünsti gten Zwecke, sondern dienen parallel auch den Interessen ihrer hoheitlichen Mitglieder. Vor diesem Hintergrund erscheint es mit Blick auf die eigenwirtschaftliches Handeln begrenzenden Grundsätze der Selbstlosigkeit (§55 Abs. 1 S. 1 AO) und der Ausschließlichkeit (§56 AO) fraglich, ob die betroffenen Körperschaften die materiellen Voraussetzungen des 16 17

BFH BStBI. II 1972, 911; 1977, 213, 214f.; Koch/Scholtz, §52 AO Rz. 8. Z. B. von /sensee/Knobbe -Keuk, Minderheitsvotum, S. 402 ff.

C. Inhalt und Aufbau der Untersuchung

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Gemeinnützigkeitsrechts erfüllen. Die Finanzverwaltung 18 beispielsweise sieht in den "Gründungs- bzw. Einschaltungsfällen" der Abfall- und Abwasserbeseitigung bei Ausgliederung der hoheitlichen Entsorgungstätigkeiten auf eine Kapitalgesellschaft einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit, da diese Kapitalgesellschaften keine eigenen Zwecke verfolgten, sondern sich lediglich als Erfüllungsgehilfen der öffentlichen Hand betätigen würden. Ob diese Auffassung rechtlich zutreffend und auf welche Sachverhalte sie überhaupt anwendbar ist, wird im Dritten Teil der Untersuchung überprüft.

Vierter Problemkreis: Der Grundsatz der Ausschließlichkeit Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist gemäß §51 S. 1 i. V. mit§ 56 AO vor allem, dass eine Körperschaft ausschließlich (nur) ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt. Nicht zuletzt die strenge Formulierung der Vorschrift gibt zu Irritationen und Missverständnissen Anlass und verleitet den Rechtsanwender häufig zu einer - der ratio legis des Gemeinnützigkeitsrechts widerstreitenden - allzu restriktiven Auslegung und Handhabung des Ausschließlichkeitsmerkmals. Davon- das wird der Vierte Teil der Untersuchung zeigen - sind zuweilen auch diejenigen Fälle betroffen, in denen sich das Problem der Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts auf die öffentliche Hand stellt.

Fünfter Problemkreis: Unmittelbarkeitserfordernis Häufig kommt es vor, dass die Aktivitäten einer Körperschaft erst im Zusammenwirken mit anderen Körperschaften zu einer spürbaren Förderung der Allgemeinheit führen oder sich in solchen Handlungen erschöpfen, die eine Förderung der Allgemeinheit lediglich vorbereiten. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke durch die entsprechenden Körperschaften, wie es das Gesetz in §57 AO (scheinbar) ausdrücklich vorschreibt, unmittelbar erfolgt. 19 Dieses Problem aktualisiert sich etwa bei den Sachverhalten kommunaler Eigengesellschaften, die zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung gegründet werden. Die einzelnen Aktivitäten solcher Gesellschaften führen regelmäßig erst im Zusammenwirken mit der hieraus folgenden Akzeptanz durch Dritte und deren sich daran anschließenden Reaktion zu einer spürbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Region und damit zu einer Gemeinwohlförderung, was die Rechtsprechung in einigen Fällen 20 dazu bewogen hat, die Gemeinnützigkeit wegen fehlender Unmittelbarkeit zu versagen. Die inhaltlichen Aussagen des Unmittelbarkeilsgrundsatzes und seine Bedeutung für die Beantwortung der Frage der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand werden im Fünften Teil der Untersuchung behandelt. Z. B. BMF-Schreiben v. 22.8.1985, BB 1985, 1712 = BStBI. I 1985, 583. Zum Problem vgl. Kirchhartz, DB 1982, 2158; Niebler, KStZ 1982,201 ff. 20 Z. B. FG Nds., EFG 1981, 202; BFH/NV 1997, 904. 18

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2*

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Einleitung

Sechster Problemkreis: Qualifikation der Tätigkeits- und Vermögenssphären Die Felder der Daseinsvorsorge, also gerade die Sektoren, in denen man hauptsächlich auf private Körperschaften in staatlicher Trägerschaft trifft, zählen zu den besonders kostenintensiven Leistungsbereichen gemeinnütziger Aktivitäten. Die überwiegende Zahl der in diesen Bereichen tätigen Körperschaften können ihre satzungsmäßigen Aufgaben oftmals nur finanzieren und verwirklichen, in dem sie für ihre Leistungen ein Entgelt verlangen oder sich mit dem Ziel der Einnahmenbeschaffung anderweitig wirtschaftlich betätigen. Vor diesem Hintergrund tangiert das Thema der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand oftmals auch den das Gemeinnützigkeitsrecht beherrschenden Wertungskonflikt zwischen der Förderung steuerbegünstigter Gemeinwohlzwecke und der Wahrung der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts. Damit sind in erster Linie zwei Folgeprobleme angesprochen: Das erste Folgeproblem, nämlich die Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (§§ 64, 14 AO) und steuerbegünstigten Zweckbetrieben ( §§ 65ff. AO ), stellt sich im Rahmen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Qualifikation und Unterscheidung körperschaftlicher Aktivitäten nach Tätigkeits- und Vermögenssphären. Bezogen auf Körperschaften in staatlicher Trägerschaft treten dabei vor allem im Zusammenhang mit der Anwendung der als Generalklausel konzipierten Zweckbetriebsbestimmung des § 65 AO typische Schwierigkeiten auf, die im Sechsten Teil der Untersuchung diskutiert werden. Siebter Problemkreis: (Un-)Zulässiger Umfang wirtschaftlicher Betätigung Das zweite aus der Forderung nach einer Wettbewerbsneutralität des Gemeinnützigkeitsrechts resultierende Folgeproblem betrifft die grundsätzliche Bestimmung des zulässigen bzw. unzulässigen Umfangs eigenwirtschaftlicher Aktivitäten in Gestalt des Unterhaltens wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe durch gemeinnützige Körperschaften. Die Grenzziehung zwischen einer den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts noch entsprechenden und einer schon statusschädlichen wirtschaftlichen Betätigung ist nicht nur im Ergebnis, sondern auch im Hinblick auf die dabei augewandten Methoden mit Zweifelsfragen behaftet. Letztere werden abschließend im Siebten Teil der Untersuchung angesprochen.

D. Fortgang der Untersuchung und exemplarische Ausgangsfälle Die einzelnen Teile der Untersuchung werden- soweit möglich- nach folgendem einheitlichem Schema aufgebaut: Zunächst wird die jeweils aufgeworfene Rechtsfrage skizziert. Sodann werden die dazu ergangenen Stellungnahmen aus Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung systematisch geordnet und analysiert, um daran anschließend die eigene Rechtsauffassung darzulegen. Zum Ende eines jeden Fragenkomplexes werden die abstrakten Ergebnisse auf für das Thema der "Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand" exemplarische Fallgruppen reflektiert. Dazu

D. Fortgang der Untersuchung und exemplarische Ausgangsfälle

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zählen etwa die Bereiche der "Abfall- und Abwasserbeseitigung", der "Kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung" sowie der "Milchwirtschaftlichen Lehre und Untersuchung". Auf diese Weise und mit Hilfe der nachfolgend dargestellten Beispielsfälle soll die Praxisrelevanz des Themas verdeutlicht werden. Erster Beispielsfall: Abfall- und Abwasserbeseitigungsgesellschaften21 Mehrere Gemeinden gründen, vorrangig aus organisatorischen und wirtschaftlichen Motiven (Kostenersparnis), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Verbandszweck es ist, die Aufgaben der Abfallbeseitigung und der Abfallverwertung im Gebiet der Gemeinden zu übernehmen. Nach ihrer Satzung verfolgt die GmbH ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke durch die Beseitigung und Verwertung von Abfällen im Dienst des öffentlichen Gesundheitswesens und der Förderung des Umweltschutzes. Die kommunalen Gesellschafter sind verpflichtet, der GmbH den in ihrem Gebiet anfallenden Haus- und Gewerbemüll zur Verfügung zu stellen und ihr für die Beseitigung des angelieferten Abfalls einen kostendeckenden Betrag zu leisten. Die GmbH beseitigt und verwertet auch von Dritten angelieferten Abfall und berechnet diesen dafür ein Entgelt. Die beteiligten Gemeinden wiederum erheben für die Beseitigung der Abfälle von den Einwohnern auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Satzung Gebühren.

Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung 22 Die Ruhrgebiets-Städte A, B, C, D und E schließen sich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammen und gründen eine Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Die Tätigkeit des Vereins besteht nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung darin, durch Maßnahmen der Werbung und sonstigen Öffentlichkeitsarbeit das nationale und internationale Ansehen der Region als Handels-, Dienstleistungs-, Industrieund Verkehrsplatz, als Touristikziel und Kulturzentrum sowie als Wohnort zu fördern. Der Verein finanziert sich ausschließlich aus öffentlichen Zuwendungen. Der Eintritt weiterer Vereinsmitglieder wird in der Satzung auf den Gründungsmitgliedern entsprechende kommunale Gebietskörperschaften beschränkt.

Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt Die Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt e.V. (MLUA) ist als Dienstleistungseinrichtung auf dem Gebiet der Milchwirtschaft tätig. Ausweislich ihrer Satzung dient sie 21 Nachgebildet der Entscheidung des BFH BStBI.II 1994, 314, mit Vorinstanz FG München UR 1991, 174. 22 In Anlehnung an eine Entscheidung des FG Hamburg, EFG 1986, 516. Zu weiteren Fällen der kommunalen Wirtschaftsförderung vgl. FG Niedersachsen, EFG 1981, 202, bestätigt durch BFH v. 23.4.1986, IR 234/80 (nicht veröffentlicht); FG Saarland, EFG 1982, 214; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1996, 826, bestätigt durch BFH/NV 1997, 904; FG Schleswig-Holstein, EFG 1998, 520.

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Einleitung

ausschließlich steuerbegünstigten Zwecken i. S. der§§ 51 ff. AO, nämlich der Bildung und Erziehung, der Qualitätsverbesserung von Milch- und Milcherzeugnissen und damit dem Gesundheits- und Verbraucherschutz sowie der Wissenschaft und Forschung. (Gründungs-)Mitglieder der MLUA sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (etwa die Bundesländer Bl, B2 und B3), ferner berufsständische Organisationen der Landwirtschaft in Gestaltjuristischer Personen des Privatrechts sowie natürliche Personen. Die MLUA ist eine von insgesamt acht zumeist in öffentlich-rechtlicher Form unterhaltenen Lehr- und Untersuchungsanstalten. Sie ist regional als zentrale überbetriebliche Ausbildungsstätte in den milchwirtschaftliehen Berufen (Molkereifachleute, milchwirtschaftliche Laboranten) tätig. Für bundesweiten Zugang bietet der Verein ferner umfangreiche Fort- und Weiterbildungslehrgänge gegen Entgelt (Kursgebühren) an. Die Untersuchungstätigkeit des Vereins als dafür akkreditiertes Labor dient allgemein der Erfassung und Bewertung der Qualität von Milch und Milcherzeugnissen durch chemische, physikalische, mikrobiologische und sensorische Prüfung der jeweiligen Produkte. Die MLUA fungiert zum einen als anerkanntes Prüflabor für die Durchführung sog. amtlicher Güteprüfungen. Diese turnusmäßigen Güteprüfungen sind Bestandteil der staatlichen Lebensmittelkontrolle und nach Bundes- oder Landesrecht den zuständigen hoheitlichen Überwachungsstellen zugewiesen, d. h. im Regelfall den Ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der jeweiligen Bundesländer. Zum anderen umfasst das Leistungsangebot der MLUA die Durchführung von Qualitätsuntersuchungen gegen Entgelt, etwa im Auftrag von milchwirtschaftliehen Unternehmen und von zur Vergabe von Gütezeichen berechtigten Verbänden (sog. freiwillige Auftragsuntersuchungen). Die Forschungsarbeiten der MLUA dienen dazu, sowohl die Erzeugnisqualität von Milchprodukten als auch die analytische Qualitätssicherung, etwa durch Entwicklung, Etablierung und Validierung neuer Untersuchungsmethoden, zu verbessern. Die MLUA deckt ihren Finanzbedarf in erster Linie durch jährliche Zuwendungen der beteiligten Bundesländer sowie aus den für die Fort- und Weiterbildungen und die Auftragsuntersuchungen vereinnahmten Entgelten.

Erster Teil

Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i. S. der §§ 52 bis 54 AO A. Steuerbegünstigte Zweckverfolgung als konstituierendes Merkmal der Gemeinnützigkeit I. Unterscheidung zwischen gemeinnützigen, mildtätigen

und kirchlichen Zwecken

Die §§51 ff. AO setzen als konstituierendes Merkmal der nach den Einzelsteuergesetzengewährten Vergünstigungen voraus, dass eine Körperschaft gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche und damit steuerbegünstigte Zwecke verfolgt (§§52-54 AO). Diesach-inhaltlicheQualität des Förderzwecks verkörpert dieLegitimation für die Steuervergünstigung. Der Verbandszweck legt die Richtlinien der Geschäftspolitik für die willensbildenden und -ausführenden Organe der Körperschaft verbindlich fest; er ist konstituierendes Element steuerlicher Gemeinnützigkeit. 23 Der Gesetzgeber differenziert in §§ 52- 54 AO zwischen gemeinnützigen Zwecken im engeren Sinne, mildtätigen und kirchlichen Zwecken. Die Ausgangsfrage der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand stellt sich in erster Linie bei der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke im engeren Sinne. 24 Aus diesem Grund steht die Auslegung und Anwendung des §52 AO im Vordergrund der weiteren Untersuchung. Nach § 52 Abs. 1 S. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Der Beispielskatalog des § 52 Abs. 2 Nr. 1-4 AO zählt zur Konlcretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe und zur Erleichterung der praktischen Handhabung einzelne Zwecke auf, die inhaltlich nach dem Willen des Gesetzgebers prinzipiell gemeinnützig sind. Der Katalog ist dabei weder abschließend noch konstitutiv, d. h. im letzten Fall ist eine Tätigkeit 23 Franz, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 36; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 17 ff.; Uterhark in Schwarz, §52 AO Rz. 1; Koch/Scholtz, §52 AO Rz. 7/1. 24 §52 AO und §53 AO können auch nebeneinander zur Anwendung kommen, vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §53 AO Tz. 1.§ 54 AO bezieht sich nicht auf die Religionsgemeinschaften in Gestalt öffentlich-rechtlicher Körperschaften; er spielt damit für das Thema der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand keine entscheidende Rolle, vgl. Tipke in Tipke/Kruse, § 54 AO Tz. 1.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

nicht allein deshalb steuerbegünstigt, weil sie in den Katalog aufgenommen worden ist. 25 Es gilt vielmehr in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die zu begutachtenden Tätigkeiten in der konkreten Ausgestaltung, die sie durch die Körperschaft gefunden haben oder nach der Satzung finden sollen, die Allgemeinheit zu fördern geeignet sind. 26 II. Gemeinnützige Zweckverfolgung durch geeignete Maßnahmen (§52 Abs. 1 S. 1 AO) Die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke und damit die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus ist grundlegend davon abhängig, dass die tatsächliche Geschäftsführung einer Körperschaft ausschließlich Maßnahmen umfasst, die darauf gerichtet sind, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern(§§ 52 Abs. 1 S. 1 i.V. mit§ 63 Abs. 1 AO). Angesichts der unzähligen, nach Gehalt und Umfang recht unterschiedlichen Förderungsmöglichkeiten ist die Aufgabe, den unbestimmten Tatbestand "Förderung der Allgemeinheit" qualitativ in bezug auf das Gemeinwohl näher zu bestimmen, für den Rechtsanwender nicht immer einfach zu handhaben. 27 Schwierigkeiten bereiten in diesem Zusammenhang u. a. diejenigen Sachverhalte, in denen Maßnahmen ergriffen werden, durch die ein steuerbegünstigter Zweck nicht direkt, mithin in sachlicher Hinsicht nicht unmittelbar verwirklicht wird, sondern die eine Förderung der Allgemeinheit lediglich vorbereiten, d. h. unter sachlichem Aspekt nur mittelbar zur Zweckerreichung beitragen. 28 Damit ist die Problematik eines Kausalzusammenhangs bzw. eines Finalitätserfordernisses im Anwendungsbereich des §52 Abs. 1 S. 1 AO angesprochen, also das Thema einer für die Gewährung der Steuervergünstigung notwendigen sachlichen Wirk-Beziehung zwischen Förderaktivitäten und Förderzweck. Hier geht es indessen weder um das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Zweckverwirklichung im Sinne des §57 AO noch um das Erfordernis einer ausschließlichen ZweckverfolVgl. den Wortlaut des §52 Abs. 2: "Unter den Voraussetzungen des Absatz I ...". Zutreffend Uterharkin Schwarz, §52 AO Rz.17; Arndt/lmmel, BB 1987, 1153; Bauer, FR 1989, 61, 65; Gmach, FR 1992, 313, 316; 1995, 85, 87ff.; 1997, 793, 796; einschränkend Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 28; auf ein anderes Verständnis vom Zusammenhang zwischen §52 Abs. 1 und Abs. 2 AO lassen auch einige Judikate aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs schließen, so etwa BFH BStBI. II 1995, 499; 1998, 9f.; s. a. AEAO v.l4.7.1998, Nr. 4 zu §52 AO, BStBI.I1998, 630ff. 27 Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T, Rz. 52ff., 55. 28 Beispiele: Ein Forschungsinstitut beschränkt sich auf die Entwicklung neuer Medikamente. Ein Verein zur Förderung der Denkmalpflege beschränkt sich auf die Vergabe von Zuschüssen für die Pflege von Objekten. Eine Stiftung zur Förderung von Kunst und Kultur beschränkt sich auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Künstlern sowie auf die Verleihung von Preisen. In allen diesen Fällen werden die steuerbegünstigten Zwecke (Gesundheitswesen, Denkmalschutz, Kunst- und Kultur) nicht sachlich-unmittelbar gefördert, sondern die eigentliche Vollendung der Förderung erfährt lediglich eine Vorbereitung. Ein merklicher Erfolg wird erst mittelbar (durch Hinzutreten weiterer Zwischenursachen) herbeigeführt. 25

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gung im Sinne des §56 AO, sondern um den zulässigen "Abstand zwischen Vereinstätigkeit und Fördererfolg". 29 Anders ausgedrückt: Es geht um die Frage, welchen Gemeinwohlbezug die einzelnen Aktivitäten einer Körperschaft insbesondere in Ansehung der steuerbegünstigten Verbandszwecke haben müssen, um als subventionswürdig im Sinne des §52 Abs. 1 S. 1 AO zu gelten. Diese Frage stellt sich im Hinblick auf sämtliche potentiell gemeinnützige Tätigkeiten; auch der Themenkomplex der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand ist in verstärktem Maße- etwa in Gestalt der kommunalen Wirtschaftsförder ung- davon betroffen. 30 Ihre Beantwortung setzt zunächst eine sorgfältige Definition und Abgrenzung dessen voraus, worin die gemeinnützige Zweckverfolgung und die darauf ausgerichteten Förderaktivitäten überhaupt bestehen. Im Anschluss daran gilt es zu bewerten, ob zwischen den derart definierten körperschaftlichen Förderaktivitäten und dem angestrebten Förderzweck ein entsprechender Kausalitäts- bzw. Finalitätszusammenhang in sachlicher Hinsicht besteht, der eine Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts im konkreten Einzelfall rechtfertigt. Die Beurteilung hat sich grundsätzlich an objektiven Kriterien auszurichten. 31 Der im Rahmen der Entscheidung über die qualitative Wertigkeit einer Tätigkeit in Bezug auf das Gemeinwohl anzulegende Prüfungsmaßstab fällt extensiv aus. Darauf deutet bereits der Wortlaut des §52 Abs. 1 S. 1 AO (" ... wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, ... ") hin: Im Gegensatz zu ihren Vorgängerregelungen 32 setzt die Vorschrift nämlich gerade weder ein apodiktisches Kausalitäts- bzw. Finalitätsverhältnis zwischen Fördermaßnahme und Förderzweck noch das Erreichen eines bestimmten Erfolges, mithin keine Vollendung der Förderung bzw. Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke voraus, sondern verlangt lediglich, dass die Ge29 Treffende Abgrenzung und Problembezeich nung von Fischer in H/H/Sp., §57 AO Rz. 29. Zur Unterscheidung zwischen der Frage nach einer sachlich-unmittelbaren Förderung der Allgemeinheit i. S. des § 52 Abs. I S. I AO und der Frage nach einer persönlich-unmittelbaren Zweckverfolgung i. S. des §57 AO siehe Franz, Grundlagen der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 77 ff. Zur Bedeutung und Reichweite der §§56, 57 AO vgl. Teil Vier und Fünf der Untersuchung. 30 Die eingehende Auseinandersetzung mit dieser- für die Gemeinnützigkeit des gesamten Bereichs der Infrastruktur und des Verkehrswesens entscheidenden - Frage wird vom BFH in seiner Rechtsprechung häufig unter (system- und inhaltswidriger) Berufung auf das Merkmal der "Unmittelbarkeit" i.S. des §57 AO vermieden (etwa BFH BStBI.IIl975, 121; BFH/NV 1997, 904), vgl. die zutreffende Einordnung von Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 27 f. 31 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Rzu. 2ff.; Uterhark in Schwarz,§ 52 AO Rz. 2ff.; Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 25 f.; s. a. BFH BStBI. II 1979, 482: "Ob die Tätigkeit einer Körperschaft die Allgemeinheit fördert ... , beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Bei der Beurteilung ist in der Regel an einzelne oder eine Vielzahl von Faktoren (Werten) anzuknüpfen (z. B. herrschende Staatsverfassung, geistige und kulturelle Ordnung, Wissenschaft und Technik, Wirtschaftsstruktur, Wertvorstellungen der Bevölkerung)." 32 § 17 Abs. I StAnpG etwa verlangte, dass die Allgemeinheit durch die Verbandszwecke "gefördert wird''. § 17 Abs. 2 StAnpG bestimmte, eine Förderung der Allgemeinheit sei dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten ... "nutzt".

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schäftsführungsmaßnahmen wenigstens zur Realisierung der steuerbegünstigten Zwecke beizutragen geeignet sind. 33 Für einen großzügigen Prüfungsmaßstab streitet auch die ratio legis des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts. Strenge Erfordernisse als Prämisse für die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus, wie etwa die Notwendigkeit einer sachlich-unmittelbaren Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke oder die unbedingte Pflicht zur Vollendung des Fördererfolges, wirkten sich auf das private Gemeinwohlengagement eher schädlich, denn stimulierend aus. Dem Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts und dessen Ausgestaltung als ex-post-Subvention 34 wird nur eine solche Auslegung gerecht, die in § 52 Abs. 1 S. 1 AO eine sehr weit gefasste Bedingung sieht, den steuerbegünstigten Verbandszweck durch geeignete Tatigkeiten zu fördern. 35 Schließlich spricht auch die gesetzgebensehe Ausweitung der Förderzwecke durch §52 Abs. 2 Nr. 4 A0 36 auf weite Teile der Sport- und Freizeitaktivitäten dafür, die Anforderungen an die Zweck-Tauglichkeit einer Geschäftsführungsmaßnahme, d. h. an den sachlichen Kausalzusammenhang zwischen Förderaktivität und steuerbegünstigtem Zweck möglichst gering zu halten. 37 Für eine derart großzügige Auslegung der Generalklausel hat sich auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausgesprochen. In seinem Grundsatzurteil vom 13.12.197838 führt der Erste Senat des BFH unter Rekurs auf den Wortlaut des §52 Abs. 1 S. 1 AO aus, 33 A. A. Koch/Scholtz, §52 AO Rz. 9 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 63 Abs. 1 (" ... auf... Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein ..."). Die Ansicht und ihre Begründung überzeugen nicht: Auch eine in sachlicher Hinsichtmittelbare Förderung- Koch/Scholtz nennen als Beispiel das Ansammeln von Geld, welches später für gemeinnützige Zwecke verwendet werden soll- ist letztendlich auf die Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke "gerichtet". Wenn der GesetzgebernurTätigkeiten begünstigen wollte, die sachlich unmittelbar, d.h. ohne Hinzutreten weiterer Zwischenursachen zur Vollendung des Fördererfolges führen, so hätte es einer strengeren Wortwahl (etwa entsprechend der des § 17 Abs. 1, 2 StAnpG) bedurft. 34 Ganz allgemein gilt: Je restriktiver der Gesetzgeber die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts spannt und je strenger der Rechtsanwender die §§51 ff. AO auslegt, desto mehr wird das private altruistische Engagement zu Gunsten des Allgemeinen Wohls abnehmen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Ausgestaltung der gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigungen als ex-post-Subventionen, bei der die betroffenen Körperschaften als Subventionsnehmer mit ihren auf die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke ausgerichteten Aktivitäten in Vorleistung treten. Zur Steuervergünstigung als Teil der gesamten Subventionsrechtsordnung vgl. Rodi, Subventionsrechtsordnung, S. 46f.; Selmer, Steuerinterventionismus, S. 175 f.; Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 25 ff.; Lang in Tipke/ Lang,§ 20 Rz. 5; Hey, StuW 1998, 298, 301; s.a. die Erwähnung in den Subventionsberichten der Bundesregierung, etwa BT-Drucks. 13/8420. 35 Zutreffend Franz, Grundlagen der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 77 f. 36 Eingefügt durch das Vereinsförderungsgesetz v.l8.12.1989, BGBI.I 1989,2212. 37 Erst-Recht-Schluss: Wenn schon die Förderung des Hundesports eine Förderung der Allgemeinheit auf materiellem Gebiet bedeutet, dann muss das umgekehrt für solche Tätigkeiten gelten, die eine Förderung der Allgemeinheit auf den prototypischen Gebieten des Gemeinnützigkeitsrechts (z. B. der Wohlfahrtspflege) "nur" vorbereiten bzw. bezwecken, jedoch letztendlich nicht vollenden. 38 BFH BStBI.II 1979,482.

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die Anerkennung einer Tätigkeit als steuerbegünstigt (dort: gewaltfreie Proteste einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Schnellbahntrasse) setze nicht die Vollendung der Förderung der Allgemeinheit voraus (dort: Umweltschutz), sondern es genügten u. U. schon vorbereitende Handlungen. 39 Als Fazit zur näheren Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Förderung der Allgemeinheit" lässt sich festhalten: Wenn§ 52 Abs. 1 S. 1 AO als konstituierendes Merkmal des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts vorschreibt, dass die Aktivitäten einer Körperschaft darauf gerichtet seien müssen, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern, dann bedeutet das weder, dass diese Förderung letzten Endes auch zur Vollendung (zum Erfolg) führen muss, noch, dass die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft in sachlicher Hinsicht notwendigerweise eine unmittelbare Wirk-Beziehung zwischen Fördertätigkeit und Förderzweck voraussetzt. Vielmehr sind von der Generalklausel auch solche Maßnahmen erfasst, die das eigentliche Ziel der vollendeten Gemeinwohlförderung lediglich voranbringen, mithin Vorbereitungshandlungen. Zwar muss die Körperschaft selbst, d. h. durch ihre Organe oder durch sonstige Hilfspersonen tätig werden und darf nicht bloß die finanzielle, sachliche oder personelle Unterstützung gemeinnütziger Zwecke anderer Steuerpflichtiger verfolgen. 40 Die Förderung eines persönlich angestrebten steuerbegünstigten Verbandszwecks kann jedoch auch durch eine in sachlicher Hinsicht mittelbar wirkende Tätigkeit geschehen. Dass sich ein offenkundiger Fördereffekt zugunsten des Allgemeinen Wohls (i. S. eines konkreten Nutzens) erst im Zusammenwirken mit Aktivitäten Dritter einstellt, ist grundsätzlich gemeinnützigkeitsunschädlich. Ausreichend, aber auch notwendig ist, dass den im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung ergriffenen Maßnahmen in ihrer spezifischen Zielrichtung und ihrer auf das Gemeinwohl bezogenen Funktion eine materielle, geistige oder sittliche Eigenwertigkeit zukommt. 41

III. Förderung (im Interesse) der Allgemeinheit(§ 52 Abs.l S. 2 AO) §52 Abs. 1 S. 2 AO bestimmt, dass eine Förderung der Allgemeinheit nicht gegeben ist, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen 39 So unter Rekurs auf die Rechtsprechung auch die herrschende Literaturansicht, etwa Tipke in Tipke/l(ruse, §52 AO Tz. 7; Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §52 AO Rz. 23; Kießling/Buchna, Gemeinnützigkeit, S. 32; Troii/Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung der Vereine, Kapitel D Rz. 3. 40 Das folgt allerdings nicht allein aus §52 Abs. 1 S. 1 AO, sondern ergibt sich zwingend erst aus dem personellen Unmittelbarkeitserfordemis des §57 AO. 41 In diesem Zusammenhang erlangt eine präzise und schlüssige Formulierung des Satzungsinhaltes (§§59, 60 AO) im Hinblick auf die Fördertätigkeiten und den angestrebten Fördererfolg erhebliche Bedeutung (so in Bezug auf Wirtschaftsförderungsgese llschaften bereits Kirchhartz, DB 1982, 2158).

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l. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann. Die Regelung, die eine Förderung der Allgemeinheit mit dem Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, in Beziehung und häufig gleich setzt, sorgt für erhebliche Verwirrung bei der Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts. Eine auf den bloßen Wortlaut gestützte Anwendung der Vorschrift hätte nämlich zur Folge, dass solche Tätigkeiten, die lediglich dem Wohle einzelner Personen oder Gruppen zugute kommen, schlechthin nicht gemeinnützig sein könnten. Betroffen davon wären etwa Wohlfahrtseinrichtungen, die ihre unmittelbaren Leistungen häufig nur einem kleinen Kreis bedürftiger Personen (z. B. Behinderten, Alten, Kranken, Kindern etc.) gewähren, ferner eine Lehranstalt, von der in erster Linie die dort betreuten Auszubildenden profitieren, oder auch eine kleine KulturStiftung, deren Mittel lediglich zur Restaurierung vereinzelter Baudenkmäler ausreichen. Schon diese Beispielsfälle verdeutlichen, dass der Gemeinwohlgedanke nicht quantitativ in Abhängigkeit von der Zahl der geförderten Destinatäre fixiert werden darf. Ob das Gemeinwohl im Einzelfall gefördert wird, hängt nicht von der Anzahl der eine Leistung empfangenden Personen ab, sondern beurteilt sich ausschließlich anhand verfassungswertorientierter Maßstäbe. 42 Christian Franz 43 hat in diesem Zusammenhang instruktiv herausgestellt, dass der in §52 Abs. l S. I u. 2 AO verwandte Begriff der "Allgemeinheit" zwei strikt voneinander zu trennende Gruppen verkörpert. Zum einen die Gruppe derer, in deren Interesse die steuerbegünstigten Zwecke verfolgt werden, zum anderen die Gruppe derer, der die Förderungstätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft im Einzelfall direkt zugute kommt. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung will §52 Abs. I S. 2 AO nicht einen fest abgeschlossenen Kreis von Geförderten im Sinne der zweiten Gruppe untersagen, sondern den Ausschluss von Partikularinteressen bei der Auslegung des unbestimmten Wertbegriffs "Gemeinnützigkeit" bewirken. 44 Die Regelung stellt klar, dass der Begriff der "Förderung der Allgemeinheit" nichts anderes bedeutet als "Förderung des Gemeinwohls" oder "Förderung im Interesse der Allgemeinheit". 42 Zu Recht weisen Lang, StuW 1989, 221, 233ff., und Tipke, in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. 9 f., darauf hin, dass eine arn Wortlaut des §52 Abs. I S. 2 AO orientierte Personenkreisdefinition keinerlei Wertungsgesichtspunkte vermittelt und damit für die Beantwortung der Frage, welche Art von Interessen Gemeinwohlinteressen sind, keine Hilfe leistet. Denn der Kreis der unmittelbaren Leistungsempfänger einer gemeinnützigen Körperschaft wird in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Allgemeinheit mit den entsprechenden Leistungen bedacht. Bereits das PrOVO (Entsch. 85, 10, 11) hat das so ausgedrückt, dass die Förderung, die unmittelbar einen Teil des Volkes erfasst, dann eine Förderung der Allgemeinheit ist, wenn der Teil als ein Ausschnitt aus der Allgemeinheit aufzufassen ist. Daran hat sich die Rechtsprechung bis heute orientiert (vgl. etwa RFH RStBI. 1933,697, 698; BFH BStBI.II 1979,482, 485; 1979, 488, 489f.; 1988, 890, 891). 43 V gl. Franz, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 74 ff. 44 Der Ausschluss von Partikularinteressen gewinnt besondere Bedeutung im Hinblick auf die immateriellen Verbandszwecke einer Körperschaft; die Ausgrenzung materieller Eigennützigkeit erfolgt hingegen vorrangig durch das Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkeit (§55 AO), vgl. Lang, StuW 1989,221, 233.

A. Konstituierendes Merkmal der Gemeinnützigkeit

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Maßgeblich für die jeweilige Beurteilung eines Förderzwecks ist mithin ausschließlich, welche Art von Interessen (singuläre oder allgemeine) eine Körperschaft verfolgt. 45 Auch im Hinblick auf das Thema "Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand" geben die Formulierungsdefizite des §52 Abs. I S. 2 AO häufig zu Missverständnissen Anlass. Der verunglückte Wortlaut der Vorschrift verleitet zu der Ansicht, dass eine Körperschaft, die in Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke zugleich auch hoheitliche (Ptlicht-)Aufgaben der an ihr beteiligten Verwaltungsträger wahrnimmt, deshalb nicht als gemeinnützig anerkannt werden darf, weil ihre Aktivitäten den auftraggebenden Hoheitsträgem und damit einem eng abgeschlossenen Personenkreis zugute kommen. 46 Ein solches Verständnis vom Regelungsgehalt des §52 Abs. I S. 2 AO ist jedoch nicht haltbar. Sofern die betroffene Körperschaft in objektiver Hinsicht tatsächlich einen der in den§§ 52-54 AO als steuerbegünstigt normierten Zwecke verfolgt und damit eine Tätigkeit ausübt, die Uedenfalls auch) im Interesse der Allgemeinheit liegt, ist das konstituierende Merkmal steuerrechtlicher Förderungswürdigkeit erfüllt. Dass die Körperschaft im Rahmen ihrer Aktivitäten nur für einzelne Destinatäre, etwa ausschließlich im Auftrag der an ihr beteiligten Körperschaften des öffentlichen Rechts tätig wird, ist unter Rekurs auf das soeben dargestellte teleologische Verständnis des §52 Abs. I S. I u. 2 AO unerheblich. Gleichsam unmaßgeblich für die Auslegung und Anwendung der §§52-54 AO ist ferner die Tatsache, dass im Zuge der im allgemeinen Interesse durchgeführten Aktivitäten simultan bzw. zwangsläufig die gesetzlichen Obliegenheiten und damit möglicherweise auch immaterielle Interessen der die Körperschaft (mit-)tragenden staatlichen Einrichtungen erfüllt werden. Zunächst gehen (im Hinblick auf die von § 52 Abs. I S. 2 AO erfassten immateriellen Vorteile) sowohl der Gesetzgeber47 als auch die Rechtsprechung 48 ohnehin davon aus, dass eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit einer Körperschaft in der Regel nicht nur der Allgemeinheit, sondern notwendig (sozusagen als Nebenprodukt) ebenfalls den einzelnen Mitgliedern mehr oder we45 So die ganz herrschende Ansicht, siehe bereits den historischen Ansatz bei Kraft, VJSchStFR, Bd. 6 (1932), S. 316, 339ff.; zur heutigen Rechtslage vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §52 A0Tz.9; Uterharkin Schwarz, §52 AO Rz.2ff., 10; Koch/Scholtz, §52 AO Rz.13; Franz, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 74ff.; Fischer, Steuerliche Sportförderung, S. 597, 609; Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 80f.; Lang, WP-Hdb. 2, Kapitel T Rz.52ff.; Lang, DStZ 1988, 18, 23; Felix, FR 1961, 236ff.; Gmach, FR 1995,85, 86f.; Wagner, FR 1993, 293f.; Gast-de Haan, DStR 1996,405. 46 In der Regel werden die zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingeschalteten privaten Rechtsträger fast ausschließlich im Auftrag der an ihnen beteiligten Verwaltungsträger tätig, so etwa im Bereich der kommunalen Abfall- und Abwasserbeseitigung. 47 Beleg für die gesetzgebensehe Deutung des §52 Abs. I S. 2 AO ist die Ausweitung der steuerbegünstigten Zwecke im Bereich der Sport- und Freizeitaktivitäten durch das Vereinsförderungsgesetz v. 18.12.1989, BGBI.I 1989, 2212, und das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz v. 13.12.1990, BGBI.I 1990, 2775. Damit ist der Anwendungsbereich der Vorschrift weitgehend zur Bedeutungslosigkeit reduziert worden. 4B Grundlegend BFH BStBI. 1979,482,487.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

niger zugute kommt. 49 Ferner ist bei Körperschaften in staatlicher Trägerschaft die mit der Verfolgung steuerbegünstigter Allgemeininteressen unvermeidbar einher gehende Entlastung der hoheitlichen Mitglieder nicht nur naturgemäß vorbestimmt, sondern darüber hinaus als Ausfluss der organisatorischen Formenwahlfreiheit verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich angelegt. Schließlich- und das ist für die Deutung des §51 Abs. 1 S. 2 AO entscheidend - verfolgen Körperschaften in staatlicher Trägerschaft bei genauem Hinsehen nicht etwa singuläre Interessen der an ihnen beteiligten hoheitlichen Mitglieder bzw. Gesellschafter, sondern (über einen Durchgriff) die Interessen der durch diese öffentlich-rechtlichen Träger verkörperten Allgemeinheit.

IV. Negative Abgrenzung durch§ 52 Abs.l S. 3 AO Schon die Unabhängige Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts war sich darüber einig, dass eine Körperschaft jedenfalls dann gemeinnützig handelt, wenn sie gesetzliche Pflichtaufgaben des Staates oder der Kommunen übernimmt. 50 Hintergrund dieser Auffassung war und ist die Tatsache, dass die steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannten Tätigkeiten und die Wahrnehmung öffentlicher Pflichtaufgaben in vielen Fällen miteinander korrespondieren.51 Gerade im Bereich der Daseinsvorsorge sind Gemeinnützigkeit und öffentliche Aufgaben eng miteinander verwoben. 52 Trotz dieser engen Verwandtschaft zwischen öffentlicher Aufgabe und gemeinnützigem Zweck bleibt festzuhalten, dass sich der Begriff des "öffentlichen Interesses" (der "öffentlichen Aufgabe") und der Begriff der "steuerlichen Gemeinnützigkeit" inhaltlich nicht decken. 49 Davon zu differenzieren ist die Problematik, ob die den öffentlichen Trägem aus den körperschaftlichen Tätigkeiten zum Vorteil gereichenden wirtschaftlichen (materiellen) Nebeneffekte einen Verstoß gegen die Grundsätze der Selbstlosigkeit bzw. der Ausschließlichkeit bedeuten. In Anlehnung an den Wortlaut des §55 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §56 AO darf eine Körperschaft "nicht in erster Linie" eigenwirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder verfolgen, dazu später ausführlich im Dritten Teil der Untersuchung. 50 Legitimationsgedanke der Staatsentlastung, vgl. Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 92 ff.; /sensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S. 350ff. 51 Auch heute noch versucht die herrschende Meinung im steuerlichen Schrifttum, den Begriff der Gemeinnützigkeit durch einen Rekurs auf die Staatsaufgabenlehre zu klären und den Gemeinnützigkeitsstatus auf solche Aktivitäten zu fokussieren, die den Staat bei der Erfüllung seiner Pflichtaufgaben zu entlasten geeignet sind, so z. B. Uterhark in Schwarz, §52 AO Rz. 1; Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel C Rz. 12. Der Gleichklang zwischen öffentlichen Aufgaben und gemeinnützigen Zwecken hat K. Tipke zu der These veranlasst, es sei nicht einzusehen, dass die Gemeinnützigkeit verloren geht, wenn der Staat oder eine Kommune eine auferlegte Pflichtaufgabe von einer ausgegründeten Körperschaft erledigen ließe, so in Tipke/Kruse, §55 AO Tz. 5. 52 Erst kürzlich hat J. Hey die Schnittstellen von gemeinnützigen Tätigkeiten und öffentlichen Aufgaben noch einmal instruktiv deutlich gemacht, vgl. StuW 2000, 467ff.

A. Konstituierendes Merkmal der Gemeinnützigkeit

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Der Begriff der Gemeinnützigkeit i. S. des Steuerrechts ist enger.53 Dementsprechend hat bereits der Reichsfinanzhof erklärt, der Umstand, dass ein Betrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts dient oder einer solchen Körperschaft Mittel zuführt oder sonst wirtschaftliche Vorteile gewährt, begründe für sich nicht die Gemeinnützigkeit im Sinne der Steuergesetze. Im Urteil vom 12.12.192954 formuliert der Erste Senat des RFH zutreffend: "An sich hätte der Gesetzgeber die öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit all ihren Bestrebungen ohne Prüfung im einzelnen als gemeinnützig erklären und mit ihren Betrieben und Verwaltungen steuerfrei lassen können. So ist das Körperschaftsteuergesetzes 1925 aber nicht vorgegangen. Ein Betrieb ist nicht etwa um deswillen gemeinnützig, weil er von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft unterhalten wird oder weil er selbst öffentlich rechtlichen Charakter besitzt. Vielmehr muss jeder derartige Betrieb, falls er als gemeinnützig anerkannt werden will, sich wie ein privatrechtliches Gebilde einer Prüfung unterziehen lassen, ob er den besonderen Bestimmungen über die Gemeinnützigkeit entspricht."

Diese Aussagen beanspruchen auch heute- unter Geltung der Abgabenordnung 1977 - noch Gültigkeit: Eine Förderung der Allgemeinheit liegt gemäß § 52 Abs. 1 S. 3 AO noch nicht allein deshalb vor, weil eine Körperschaft ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt. Zwar wird von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vermutet, dass auch sie dem öffentlichen Wohl dient und Nutzen für die Allgemeinheit bringt. Allein die Abführung von finanziellen Mitteln an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (ohne die Bedingung einer konkreten Verwendungsbestimmung) gewährleistet jedoch nicht, dass diese Mittel tatsächlich und ausschließlich zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i. S. der §§52-54 AO eingesetzt werden. Ferner ist nicht jede Erfüllung von Aufgaben für die öffentliche Hand durch eine privatrechtliche Körperschaft zwingend gleichbedeutend mit einer Förderung der Allgemeinheit gemäß §52 Abs. 1 S. 1 AO. Schließlich ist eine Körperschaft auch nicht bereits deshalb gemeinnützig, nur weil an ihr öffentlich-rechtliche Körperschaften beteiligt sind oder weil sie von öffentlich-rechtlichen Körperschaften unterhalten wird.55 Neben diesen unbestrittenen Aussagen sieht sich Sauer 56 im Zusammenhang mit der Kommentierung des §52 Abs. 1 S. 3 AO zu der über den bloßen Wortlaut der Regelung hinausgehenden Schlussfolgerung veranlasst, hoheitliche Aufgaben gehörten prinzipiell nicht in den Kreis gemeinnütziger Zwecke. 57 Einer solchen extensiven Ausdeutung der Vorschrift kann nicht zugestimmt werden. Sie widerspricht einerseits der historischen Entwicklung und den tragenden Legitimationsansätzen des Gemeinnützigkeitsrechts und vermag anderer53 Zum verbleibenden Unterschied zwischen öffentlicher Aufgabe und gemeinnütziger Tätigkeit vgl. BFH BStBI. II 1977, 213; Koch/Scholtz, §52 AO Tz. 8; Sauer in Beermann, Verfahrensrecht, §52 Rz. 31; Kugel, Die Besteuerung öffentlicher Betriebe, S. 65. 54 RFHE 26, 135, 138. 55 So bereits Kraft, VJSchStFR Bd. 6 (1932), 315, 374 ff. 56 Sauer in Beermann, Verfahrensrecht, §52 AO Rz. 31. 57 Ähnlich Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Gemeinnützige Vereine, Kapitel D Rz. 51 ff.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

seits die anerkannte Gemeinnützigkeit von Krankenhäusem 58 , Kindergärten 59, Kurkliniken60, etc. 61 nicht zu erklären. Entscheidend, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die Aktivitäten einer in staatlicher Trägerschaft befindlichen Körperschaft des Privatrechts (entsprechend der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung) darauf gerichtet sind, einen der in §§52-54 AO normierten steuerbegünstigten Zwecke zu fördern. Ein verfolgter Zweck ist dabei immer dann steuerbegünstigt, wenn er auch bei Verfolgung seitens reiner Privatorganisationen (ohne staatliche Beteiligung) als gemeinnützig i. S. des Steuerrechts anerkannt wäre.

V. Zusammenfassendes Fazit Mit Peter Fischer62 kann zusammenfassend festgestellt werden: Eine Organisation ist nicht allein deshalb gemeinnützig, weil sie von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft unterhalten wird, weil ihre Erträge einem öffentlich-rechtlichen Träger zufließen oder weil sie für eine öffentlich-rechtliche Körperschaft tätig wird. Die Fragen der generellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit, der Selbstlosigkeit, der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit privater Körperschaften in staatlicher Trägerschaft stellen sich überhaupt nur, wenn eine solche Körperschaft nach ihrem Verbandszweck steuerbegünstigte ideelle Zwecke i. S. der§§ 52-54 AO verfolgt. Wann das der Fall ist, also die Frage, ob bestimmte Aktivitäten zur Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet beizutragen geeignet sind, beurteilt sich nach den seihen Grundsätzen wie bei Körperschaften in ausschließlich privater Trägerschaft.

58 Die Krankenversorgung sicherzustellen, ist eine hoheitliche Pflichtaufgabe des Landes (vgl. Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG- i. V. mit den Krankenhausgesetzen der Länder, etwa § I Abs. 2 KHG NW). 59 Planung, Errichtung und Trägerschaft von Kindertageseinrichtungen sind hoheitliche Pflichtaufgaben der kommunalen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, vgl. Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK). 60 Die Heilbehandlung von Arbeitnehmern ist grundsätzlich hoheitliche Pflichtaufgabe der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, vgl. §§ 9ff., 32ff. SGB VI; §§ 26ff., 114ff. SGB VII. 61 Zur Rechtfertigung unterschiedlicher steuerbegünstigter Zwecke unter Rekurs auf deren hoheitlichen Pflichtaufgabencharakter, vgl. Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 104 ff. 62 Fischer in H/H/Sp., §55 AO Rz. 58 ff., 60.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen I. Erster Beispielsfall: Abfall- und Abwasserbeseitigung Die auf Abfallbeseitigung und-verwertunggerichteten Tätigkeiten sind Maßnahmen zur Schaffung, Erhaltung und Verbesserung lebensgerechter Umweltbedingungen für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie zur präventiven Gesundheitsvorsorge (Verhinderung von Seuchen etc.). 63 Abfall- und Abwasserbeseitigungsgesellschaften dienen daher der Förderung des Umweltschutzes (§52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO) sowie gleichzeitig der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens (§52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO). Die Abfall- und Abwasserbeseitigung kommt dabei in Ansehung des §52 Abs. 1 S. 2 AO nicht nur dem Wohl Einzelner, etwa dem Wohl der nach den entsprechenden abfallrechtlichen Bestimmungen64 zur Entsorgung verpflichteten und die privaten Abfallentsorgungsgesellschaften einschaltenden65 juristischen Personen des öffentlichen Rechts zugute. Die Gesellschaften leisten in Gestalt der Abfallentsorgung und -verwertung vielmehr einen täglichen Beitrag zum Umweltschutz sowie zur präventiven Gesundheitsvorsorge und damit insgesamt zur Förderung der Allgemeinheit auf materiellem Gebiet. Ihre Tatigkeit liegt im Interesse der Allgemeinheit und nicht nur im Interesse eines fest abgeschlossenen Personenkreises.

II. Zweiter Beispielsfall: Kommunale Öffentlichkeitsarbeit und WirtschaftsfOrderung Die Gemeinnützigkeit von Körperschaften, deren Tätigkeit vorrangig darauf gerichtet ist, durch wirtschaftsfördernde Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Infrastruktur, zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und zur Sanierung von Altlasten beizutragen (sog. Wirtschaftsförderungsgesellschaften), war lange Zeit anerkannt, wird jedoch seit einigen Jahren von der Rechtsprechung, seitens der Finanzverwaltung und auch in der Literatur größtensteils abgelehnt. Die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten sind nicht frei von systematischen und substanziellen Friktionen; sie wirken in vielen Fällen ergebnisorientiert und konterkarieren nicht selten den Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts. Das wesentliche inhaltliche Defizit ist in den meisten Fällen in einer Fehlinterpretation bzw. allzu restriktiven Handhabung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 u. 2 AO zu sehen. Das zentrale Defizit in dogmatischer Hinsicht besteht in einer mangelnden Unterscheidung zwischen dem konstituierenden Merkmal des Gemeinnützigkeitsrechts, mithin der grundsätzlichen Frage nach einer gemeinnüt63 Vgl. Troll/Wallenhorst!Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel D Rz. 69, 112. 64 Z.B. §§ 13 Abs.1 S.1 KrW-/AbfG, §5 Abs. 1 LAbfGNW. 65 Vgl. etwa die ausdrückliche Ermächtigungen in§ 16 Abs.1, 2 KrW-/AbfG.

3 Seer/Wolsztynski

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I. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

zigen Zweckverfolgung durch geeignete Maßnahmen(§§ 52-54 AO), und den zur Zwecksicherung statuierten weiteren formellen sowie materiellen Voraussetzungen (§§55 ff. AO). Der zuerst genannten und vorrangig zu behandelnden Thematik, ob Körperschaften mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit bzw. Wirtschaftsförderung überhaupt (potentiell) steuerbegünstigte Zwecke verfolgen können, wird nachfolgend unter Systematisierung der Problemschwerpunkte nachgegangen. 1. Anwendbarkeit des Gemeinnützigkeitsrechts (Konkurrenzen)

Durch das Standortsicherungsgesetz 1993 66 hat der Gesetzgeber spezifische Steuerbefreiungsregelungen für Wirtschaftsförderungsgesellschaften mit überwiegend gebietskörperschaftlicher Beteiligung geschaffen (z. B. in Gestalt des § 5 Abs. 1 Nr.18 KStG 67 ). Körperschaften mit einem entsprechenden Betätigungsfeld sind bis dato grundsätzlich dem Anwendungsbereich des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG etc.) unterfallen. Mit Einführung der neuen Befreiungstatbestände stellt sich nun die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis. Teile der Rechtsprechung 68 und der Literatur69 nehmen insofern eine sehr restriktive Haltung ein und sehen etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG gegenüber§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG eine Iex specialis mit negativer Ausschlusswirkung (Sonderrecht für Wirtschaftsförderungsgesellschaften). Die für bestimmte Gesellschaften geltende Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG bezwecke, von dem Zeitpunkt ihrer Einführung im Jahre 1993 an eine einheitliche Regelung für alle Steuersubjekte mit wirtschaftsförderndem Tätigkeitsschwerpunkt in der Weise zu treffen, dass unter Abkehr von der bis zu diesem Zeitpunkt vielfach anerkannten Gemeinnützigkeit nur noch die dort genannten Gesellschaften von der Steuer befreit seien sollen. Aus der Einführung der neuen Befreiungsregelung folge im Umkehrschluss, dass die Anwendbarkeit gemeinnützigkeitsabhängiger Steuervergünstigungsnormen auf Organisationen, deren Tätigkeit in erheblichem Umfang auch Wirtschaftsförderung i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG umfasst, prinzipiell ausgeschlossen ist. Die Ausschlusswirkung soll sich zum einen auf solche Körperschaften erstrecken, die den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG verwirklichen. Hier hätte die Geltung beider Befreiungsvorschriften nebeneinander nämlich zur Folge, dass zweierlei Recht zur Anwendung gelänge, wobei überdies unklar bliebe, ob die Anwendung der einen oder der andeGesetz vom 13.9.I993, BGBI. I 1993, I569. Ebenso § 3 Abs. I Nr. 25 GewStG u. § 3 Abs. I Nr. 20 VStG. 68 Vgl. etwa FG Rheinl.-Pfalz, EFG 1996, 826: Die tatbestandsmäßige Anwendung des §5 Abs. 1 Nr. I8 KStG soll die alternative Anwendung des § 5 Abs. I Nr. 9 KStG ausschließen; in FG Schlesw-Holst., EFG 1998, 520f. sowie in BFH/NV 1997, 904 wird die Frage nach dem Verhältnis der beiden Befreiungstatbestände zueinander dagegen ausdrücklich offen gelassen. 69 Z. B. Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, § 5 KStG Rz. 101 y; Troli/Wallenhorst!Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel C Rz. 69 mit FN. 204 unter Hinweis auf Oppermann, DB 1994, 1489ff. 66

67

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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ren Rechtsfolge in das Belieben der jeweiligen Gesellschaft gestellt wäre. Von der Ausschlusswirkung sollen jedoch auch die anderen auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsförderung tätigen Körperschaften, die (z. B. wegen ihrer Rechtsform) die Voraussetzungen der speziellen Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG nicht erfüllen, negativ betroffen sein. Dieser weitreichenden Ansicht zum Konkurrenzverhältnis von § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG zu§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG kann u. E. nicht gefolgt werden: Allein die potentielle Gefahr einer Konkurrenzsituation zwischen den in Rede stehenden Befreiungstatbeständen vermag nicht die generelle Unanwendbarkeit des Gemeinnützigkeitsrechts auf alle Steuersubjekte mit wirtschaftsförderndem Tätigkeitsschwerpunkt zu begründen. Es ist vorrangig Aufgabe des Gesetzgebers, für eine Abstimmung des Befreiungskatalogs zu sorgen. Da eine solche Abstimmung ausdrücklich nicht erfolgt ist, müssen etwaige Konkurrenzprobleme im Wege der systematischen, teleologischen und verfassungskonformen Auslegung sachgerecht gelöst werden. Mit Blick auf die Systematik gilt es zu bedenken, dass beide Befreiungstatbestände sowohl was den Anwendungsbereich und die Voraussetzungen als auch was die Rechtsfolgen anbelangt, inhaltlich nicht übereinstimmen. § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG soll nach herrschender Ansicht nur (oder besser: jedenfalls) auf Kapitalgesellschaften Anwendung finden, an denen zum überwiegenden Teil Gebietskörperschaften beteiligt sind. 70 § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezieht sich dagegen auf alle Körperschaften i. S. des § 1 Abs. 1 KStG, unabhängig von ihrer Rechtsform und ihrer Mitgliederstruktur. Die Anwendungsbereiche beider Befreiungsvorschriften sind also (vorbehaltlicher einer gemeinsamen Schnittmenge) nicht identisch, § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG ist insoweit wesentlich enger. Was die sachlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung betrifft, so unterliegen Wirtschaftsförderungsgesellschaften i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG nicht denselben restriktiven Bindungen wie gemeinnützige Körperschaften i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. 71 In ihren Rechtsfolgen umfasst die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG auch wirtschaftliche Betätigungen. 72 Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG hingegen nimmt den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von der gemeinnützigkeitsabhängigen Steuerfreiheit explizit aus. Im Hinblick auf die sachlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen ist die spezialgesetzliche Befreiungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG also erheblich weiter. Die in Bezug auf den subjektiven Anwendungsbereich, die sachlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen bestehenden inhaltlichen Unterschiede streiten u. E. insgesamt gegen eine abschließende Negativwirkung des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG. 70

BMF-Schreiben v. 4.1.1996, BStBI.I 1996, 54; FG Schlesw.-Holst., EFG 1998, 520; s. a.

Oppermann, DB 1994, 1489f. Zur Begründung wird angeführt, dass nur bei Kapitalgesell-

schaften die Beteiligungsrechte und Kapitalanteile bekannt und damit eine Überprüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. I Nr. 18 KStG möglich wäre. 71 Den Tätigkeiten gemeinnütziger Körperschaften sind eine Vielzahl von Beschränkungen- insbesondere im Bereich der Mittelverwendung und Vermögensbindung- auferlegt, vgl. etwa das Gebot zeitnaher Mittelverwendung (§55 Abs. l Nr. 5 AO, eingeführt durch das StiftungsFördG v.l4.7.2000, BGBI.I 2000, 1034). 72 Kritisch de lege ferenda Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, § 5 KStG Rz.lOlk. 3*

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

Neben den systematischen Bedenken spricht auch der Blick auf den Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber mit der Schaffung dieser Regelung verfolgt hat, gegen das Bestehen eines negativen Aussschlussverhältnisses gegenüber dem Gemeinnützigkeitsrecht Bis zur Einführung des§ 5 Abs. l Nr. 18 KStG waren gerade die gebietskörperschaftlich dominierten Wirtschaftsförderungsgesellschaften als gemeinnützig i. S. des §52 AO anerkannt. 73 Dagegen sind in zunehmendem Maße und aus unterschiedlichen Gründen Bedenken geäußert worden, die den Gesetzgeber zu einer klärenden Stellungnahme genötigt haben. Die Gesetzesbegründung deutet dabei nicht etwa darauf hin, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit von Körperschaften auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung allgemein nicht für gemeinnützig und damit für nicht subventionswürdig i. S. der §§52-54 AO eingestuft hat. Im Gegenteil weist der Gesetzgeber in den Materialien vielmehr ausdrücklich darauf hin, dass er eine Steuerbefreiung jedenfalls der (zuvor als gemeinnützig anerkannten) Wirtschaftsförderungsgesellschaften angesichts ihrer im gesteigerten öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeiten weiterhin, d. h. trotz der Bedenken im Hinblick auf ein selbstloses, ausschließlich und unmittelbar gemeinnütziges Handeln solcher Körperschaften grundsätzlich für gerechtfertigt hält. 74 Was die in § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG angesprochene spezielle Form der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Organisationen der Gebietskörperschaften) anbelangt, so hat sich der Gesetzgeber weder an der strittigen Diskussion um die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 55 ff. AO) beteiligt15 noch das Ergebnis dieser Diskussion in die Hände der Rechtspraxis gelegt. Statt dessen hat er für diese Art der Wirtschaftsförderungsgesellschaft eine einfache und klarstellende Lösung bevorzugt und einen eigenen (in Teilen sogar über das Gemeinnützigkeitsrecht hinausgehenden) Befreiungstatbestand normiert. Die Beantwortung der Frage nach einer Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts auf andere Formen der Wirtschaftsförderung dagegen hat der Gesetzgeber weiterhin dem Rechtsanwender überlassen. 76 73 Etwas anderes galt hingegen für Wirtschaftsförderungsgesellschaften, deren Gesellschafterbestand sich auch aus privaten Rechtsträgem (etwa Unternehmen oder Banken) oder diesen gleichgestellten Organisationen (etwa Kreditanstalten) zusammengesetzt hat. Bei diesen Körperschaften sprach in der Regel eine Vermutung gegen ein selbstloses und für ein eigenwirtschaftliches Tätigkeitsmotiv. Die entsprechenden Gesellschaften waren also bereits vor Einführung des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG nicht gemeinnützig. 74 So ausdrücklich in BT-Drucks. 12/4487, S.61. 75 Dafür gibt es zwei Anhaltspunkte: Zum einen spricht die Gesetzesbegründung von Bedenken gegen die Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts in der Zeitform des Konjunktivs (Möglichkeitsform), zum anderen finden sich keinerlei Aussagen darüber, ob die erhobenen Bedenken von Seiten des Gesetzgebers in irgend einer Art und Weise geteilt werden (BTDrucks. 12/4487, S.61). 76 Insofern kann der abweichenden Ansicht des FG Rheinl.-Pfalz, EFG 1996, 826, 827, einer Einführung des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber der Auffassung gewesen wäre, Wirtschaftsförderungsgesellschaften seien als gemeinnützig anzuerkennen, nicht gefolgt werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetz-

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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Schließlich lässt sich die Ansicht von einer negativen Ausschlusswirkung des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG im Verhältnis zum Gemeinnützigkeitsrecht auch nicht mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vereinbaren. Der in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich und in § 85 AO einfachgesetzlich verankerte Grundsatz verlangt, dass ein Gesetz alle unter einen sachgerechten Besteuerungsmaßstab Fallenden als Steuersubjekt erfassen und gleichmäßig belasten muss. Die Begrenzung des § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG ausschließlich auf Organisationen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaften wirft mit Blick auf das dem Gleichheitssatz immanente Prinzip der Rechtsformneutralität der Besteuerung77 verfassungsrechtliche Bedenken auf. Denn es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, andere Körperschaftsteuersubjekte als die von § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG spezialgesetzlich erfassten Kapitalgesellschaften (etwa Vereine) von einer Steuervergünstigung gänzlichst auszunehmen, obwohl sie doch ein und dieselbe (gemein wohlfördernde und deshalb steuerbegünstigte) Tätigkeit ausüben und damit eigentlich vom Sinn und Zweck der spezielleren (§ 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG) sowie der allgemeineren Befreiungsvorschrift (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) erfasst werden. Der Stimulation bzw. Prämierung einer im verstärkten öffentlichen Interesse liegenden regionalen Wirtschaftsförderung, die mit dem Ziel erfolgt, die wirtschaftliche und soziale Infrastruktur einer Region zu verbessern sowie Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten, sind nämlich nicht nur Kapitalgesellschaften, sonder auch andere Steuersubjekte zugänglich. Dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird vor diesem Hintergrund nur entsprochen, wenn man den von § 5 Abs. I Nr. 18 KStG nicht erfassten Steuersubjekten zumindest die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG potentiell offen hält. Das gilt erst Recht mit Blick auf die bisherige Praxis, Körperschaften bei entsprechender Tätigkeit als gemeinnützig i. S. der §§52 ff. AO anzuerkennen. Aus einer Gesamtschau dieser Argumente folgt für das Konkurrenzverhältnis zwischen den betroffenen Befreiungstatbeständen: • Kapitalgesellschaften mit überwiegend gebietskörperschaftlichem Charakter

Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Anwendung von Rechtsnormen und die Auflösung von Normkonkurrenzen verdrängt§ 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG als speziellere Norm den § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG als allgemeinere Norm (Iex specialis derogat legi generali). 78 § 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG ist hinsichtlich des subjektiven Anwendungsbereichs enger (gilt nur für bestimmte Steuersubjekte mit besonderer Mitgliederstruktur) und im Hinblick auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen weiter (die Steuerbefreiung setzt keine dem Gemeinnützigkeitsrecht entsprechenden formellen geber die im Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen der Selbstlosigkeit, der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit solcher Organisationen auftretenden Zweifelsfragen gar nicht einheitlich für alle Einzelsachverhalte regeln konnte und sich daher für eine Aufnahme des § 5 Abs. I Nr. 18 KStG aus Vereinfachungs- und Klarstellungsgründen entschieden hat. 77 Dazu Lang in Tipke/Lang, § 4 Rz. 84, Pezzer in Tipke/Lang, § 11 Rz. 8. 78 Zum Anwendungsvorrang der spezielleren Norm bei Antinomien vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.465; Schmalz, Methodenlehre, Rz 76ff.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

und materiellen Bindungen voraus und umfasst in den Rechtsfolgen auch wirtschaftliche Aktivitäten), mithin insgesamt spezieller. Darüber hinaus handelt es sich bei § 5 Abs. I Nr. 18 KStG auch um die jüngere Norm, insofern gilt also das Zeitkollisions- bzw. Anciennitätsprinzip (Iex posterior derogat legi priori). 79 Der systematische Vorrang des§ 5 Abs.l Nr.l8 KStG gilt allerdings nur, soweit sein Anwendungsbereich reicht. Es besteht kein Grund für die Annahme, der Gesetzgeber habe der Vorschrift eine abschließende (Ausschluss-)Wirkung gegenüber anderen Vorschriften des Befreiungskataloges zukommen lassen wollen. Sichere Anhaltspunkte dafür lassen sich weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzesmaterialien entnehmen. Statt dessen streitet die Tatsache, dass die Reichweite der gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigung geringer ist und die mit dem Gemeinnützigkeitsstatus verbundenen formellen sowie materiellen Restriktionen schärfer sind, für eine (hilfsweise) Anwendung des§ 5 Abs. I Nr. 9 KStG, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. I Nr. 18 KStG im Einzelfall (aus welchen Gründen auch immer) nicht vorliegen.

• Andere Körperschaften i. S. des§ 1 Abs.l KStG § 5 Abs. I Nr. 18 KStG ist nach herrschender Ansichtaufgrund seines auf Kapitalgesellschaften mit überwiegend gebietskörperschaftlicher Beteiligung beschränkten Anwendungsbereichs für andere Rechtsformen (etwa Vereine) nicht einschlägig. Damit steht einer grundsätzlichen Anwendung des § 5 Abs. I Nr. 9 KStG zunächst einmal nichts im Wege. Es ist auch insofern nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 5 Abs. I Nr. 18 KStG einen (über den Wortlaut hinausgehenden) abschließenden Befreiungstatbestand mit negativer Wirkung für jedwede Form wirtschaftsfördernder Aktivitäten fassen wollte. Dagegen sprechen die genannten teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründe sowie aus systematischer Sicht wiederum, dass die mit einer Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts verbundenen sachlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen wesentlich enger sind. Die im zweiten Ausgangsfall beschriebene Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e.V. wird nach herrschender Ansicht nicht von der auf Wirtschaftsförderungs-Kapitalgesellschaften beschränkten Regelung des § 5 Abs. I Nr. 18 KStG erfasst. 80 Dessen ungeachtet besteht kein Grund dafür, eine Anwendung der gemeinnützigkeitsabhängigen Befreiungsvorschriften (etwa des § 5 Abs. I Nr. 9 KStG) aus Konkurrenzgesichtspunkten abzulehnen.

79 Zum Anwendungsvorrang der jüngeren Norm bei Antinomien, vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rz. 83. 8° FG Schlesw.-Holst., EFG 1998, 520; Oppermann, DB 1994, 1489.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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2. Wirtschaftsförderung als steuerbegünstigter Zweck

Eine Körperschaft verfolgt gemäß §52 Abs. 1 S. 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tatigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Damit ist dem steuerrechtliehen Gemeinnützigkeitsrecht eine Generalklausel vorangestellt, die je nach subjektivem Verständnis des Rechtsanwenders eine Vielzahl möglicher Tätigkeiten als gemeinnützig erklären kann, solange sie nur altruistisch ausgeübt werden. 81 Das Werturteil über die Frage, was dem allgemeinen Besten dient, hängt von einer Vielzahl objektiver Kriterien ab, insbesondere von der jeweiligen Gesellschafts- und Sozialordnung, von der herrschenden staatstheoretischen, staatsphilosophischen und sozialethischen Grundordnung, vom Stand der Wissenschaft und Technik, von der jeweiligen Wirtschaftsstruktur und von den Wertvorstellungen der Bevölkerung, mithin kurz gesagt vom Zeitgeist. 82 Wirtschaftsförderungsgesellschaften widmen sich auf regionalem Raum in erster Linie der Industrieansiedlung, der Verbesserung sozialer und wirtschaftlicher Infrastrukturen, der Erhaltung alter und der Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie der Sanierung von Altlasten. Die Verwirklichung dieser Ziele liegt- vorbehaltlich der Einschränkung, dass die einzelnen wirtschaftsfördernden Maßnahmen zur Zweckverwirklichung geeignet sein müssen - zweifelsohne im objektiven Gemeinwohlinteresse. Beleg dafür sind zum einen die gesetzgebefischen Bemühungen zur Schaffung einer eigenen Befreiungsvorschrift für Wirtschaftsförderungsgesellschaften mit gebietskörperschaftlichem Charakter(§ 5 Abs. 1 Nr. 18 KStG) sowie zum anderen die vor Einführung dieser Vorschrift geltende Praxis, Organisationen mit wirtschaftsförderndem Tatigkeitsschwerpunkt potentiell als gemeinnützige Körperschaft anzuerkennen. Unerheblich ist, dass die Wirtschaftsförderung nicht ausdrücklich als steuerbegünstigter Zweck im gesetzlich bestimmten Katalog des § 52 Abs. 2 AO enthalten ist. Als Beispielskatalog dient die darin enthaltene Aufzählung lediglich als Hilfe für die Auslegung der Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 AO, ohne jedoch abschließend zu sein. 83 Dagegen wird in der steuerrechtliehen Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass die direkte Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region in Deutschland keine gemeinnützige Zweckverwirklichung i. S. des §52 Abs. 1 S. 1 AO darstellt. Die steuerbegünstigte Förderung wirtschaftlicher und materieller Interessen eines Dritten sei - das zeige auch die Ausnahmevorschrift des §58 Nr. 10 AO- in der Regel nicht gemeinnützig. Jedenfalls müsse sie ausschließlich auf Fälle der Bedürftigkeit begrenzt werden und dürfe nur dann ausnahmsweise als steuerbegünstigt anerkannt werden, wenn die wirtschaftliche Not der unterstützten PerZutreffende Feststellung von Schauhojf, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 25. Dazu Grundsatzurteil des BFH BStBI. II 1979, 482ff.; Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz.2. 83 Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. II. 81 82

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

sonen nachgewiesen werden kann oder die Wirtschaftsstruktur in Entwicklungsländern auf- bzw. ausgebaut werden soll. 84 Ein solches Verständnis von einer ausschließlich auf die Unterstützung besonders schutzwürdiger Personenkreise (minderbemittelter Bevölkerungskreise) bzw. einer auf die Förderung wirtschaftlicher Not und Bedürftigkeit begrenzten Gemeinnützigkeit hat historische Wurzeln 85 , muss jedoch heute (spätestens nach Einführung und Weiterentwicklung der AO 1977) de lege lata als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt werden. Dass ganz allgemein die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region in Deutschland und nicht etwa nur die Unterstützung wirtschaftlicher Not bzw. Bedürftigkeit sowie die Förderung der Wirtschaftsstruktur in Entwicklungsländern eine Förderung der Allgemeinheit vorrangig auf materiellem Gebiet bedeuten kann, ergibt sich schon aus der Systematik, mit der das Gesetz die einzelnen in §§52-54 AO als steuerbegünstigt normierten Zwecke unterscheidet. Die Förderung wirtschaftlicher Interessen in Fällen der Not und Bedürftigkeit nämlich ist vornehmlich in § 53 AO geregelt; mithin muss der Anwendungsbereich des § 52 Abs. I S. I AO darüber hinausgehen. In Übereinstimmung mit einer solchen Sichtweise schließt§ 55 Abs. 1 S. 1 AO lediglich die Verfolgung eigenwirtschaftlicher (Mitglieder-)Interessen und nicht etwa die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen überhaupt als gemeinnützigkeitsschädlich aus. Die Vorschrift ist mithin klarer Beleg dafür, dass die Förderung wirtschaftlicher Interessen Unbeteiligter grundsätzlich eine Form der die Allgemeinheit fördernden Betätigungen sein kann. 86 Der Hinweis auf §58 Nr. 10 AO hingegen überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Die Vorschrift statuiert lediglich eine Ausnahme von dem Erfordernis einer persönlichen Unmittelbarkeit (§ 57 AO). 87 Sie sagt dagegen weder etwas darüber aus, ob die Wirtschaftsförderung prinzipiell als förderungswürdig i. S. der§§ 52-54 AO anzusehen ist, noch gibt sie Aufschluss darüber, welche wirtschaftsfördernden Einzelmaßnahmen unter dem Aspekt einer sachlichen Wirkbeziehung zur gemeinnützigen Zweckverfolgung geeignet sind. Gegen eine generelle Ausgrenzung der Wirtschaftsförderung aus dem Kreis gemeinnütziger Aktivitäten sprechen schließlich die in den letzten Jahrzehnten zu ver84 Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 25, 39, 73; § 8 Rz. 10; Troil/Wallenhorst!Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel D Rz. 54 f. 85 Vorläufererscheinungen der ersten in Preußen, Baden-Würrtemberg und Sachsen schon vor der Reichsgründung eingeführten gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigungen betrafen etwa öffentliche Armenanstalten. Zur geschichtlichen Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts vgl. Hammer, StuW 2001, 19ff. 86 V gl. bereits die Ausführungen bei Becker/Riewald/Koch, § 17 StAnpG Anm. 3 c Abs. 3, Anm. 4 b Abs. 3. 87 §57 AO schreibt nicht die sachliche, sondern die persönliche Unmittelbarkeit der gemeinnützigen Tätigkeit vor. Das wird in Literatur und Rechtsprechung häufig verkannt. Zutreffend dagegen Fischer in H/H/Sp., §57 AO Rz. 19 ff.; Franz, Grundlagen der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 77 ff.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 26 ff.; vgl. ausführlich zur Bedeutung und Reichweite des Unmittelbarkeitserfordemisses noch Teil Fünf der Untersuchung.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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zeichnenden Bestrebungen des Gesetzgebers, den Katalog der steuerbegünstigten Zwecke auf eine Vielzahl von Sport- und Freizeitaktivitäten auszudehnen. 88 Wenn nach dem Willen des Gesetzgebers schon die zumeist einzelne Bevölkerungskreise betreffenden Tätigkeiten in den verschiedenen Bereichen des Sports, der Tier- und Pflanzenzucht, der Kleingärtnerei, des Karnevals, des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports i. d. Regel eine Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet bewirken sollen, so muss das erst Recht für die regionale Wirtschaftsförderung gelten, die gemessen an ihrer Wirkung auf das Gemeinwohl die vorgenannten Aktivitäten deutlich überwiegt. Gerade in Zeiten, in denen die Arbeitslosenzahlen in Gesamtdeutschland die Drei-MillionenMarke deutlich überschreiten und die Kommunen über ständig steigende Haushaltsdefizite klagen, vermag die Tätigkeit von regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften, die sich der lnfrastrukturverbesserung, der Beschaffung sowie der Erhaltung neuer bzw. alter Arbeitsplätze und der Sanierung von Altlasten widmen, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht weitaus mehr das Allgemeininteresse wieder zu spiegeln als die Förderung der privaten Lebensgestaltung Einzelner in Form von Sport- und Freizeitbewegungen mit entsprechender politischer Lobby. Nach alledem bestehen keine Bedenken, die von der im Beispielsfall angesprochenen Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e. V. verfolgten Ziele der Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung überhaupt unter den Kreis der steuerbegünstigten Zwecke i. S. des §52 Abs. 1 S. 1 AO zu subsumieren. Die weitere Problematik, inwieweit die einzelnen Handlungen einer Körperschaft, die in Gestalt der Öffentlichkeitsarbeit und der Wirtschaftsförderung potentiell gemeinnützige Verbandsziele verfolgt, jeweils geeignet sind, diese steuerbegünstigten Zwecke auch tatsächlich durchzusetzen, ist eine andere, im folgenden zu behandelnde Frage. 3. Gemeinwohlbezug einzelner wirtschaftsfOrdernder Maßnahmen

Ob die mit dem Ziel der Öffentlichkeitsarbeit und der Wirtschaftsförderung im Rahmen der körperschaftlichen Geschäftsführung vorgenommenen Maßnahmen für sich betrachtet geeignet sind, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern und damit den Tatbestand des§ 52 Abs. 1 S. 1 AO zu erfüllen, muss anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles nach objektiven Kriterien beurteilt werden. 89 Die klassischen Aktivitäten einer Wirtschaftsförderungs88 Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass wir die gesetzgebensehe Ausdehnung des Förderkatalogs keinesfalls begrüßen, vgl. krit. Wolsztynski/Hüsgen, BB 2000, 1809, 1812. 89 Pars pro totozur allgemeinen Anwendung des §52 Abs. 1 S. 1 AO vgl. Troll/Wallenhorst/ Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel D Rz. 3 f.; Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 8 Rz. 8 ff. Speziell zur kommunalen Wirtschaftsförderung als gemeinnützigem Zweck vgl. Kirchhartz, DB 1982, 2158ff.; Seemann, DB 1991, 2359 ff.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

gesellschaftsind darauf ausgerichtet, das Ansehen einer Region durch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu steigern und durch unterstützende Handlungen auf die Ansiedlung von Unternehmen hinzuwirken, um auf diese Weise zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur und zur Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen beizutragen. Typisch für die meisten der im einzelnen ergriffenen Maßnahmen 90 ist ihr vorbereitender Charakter; sie entfalten sach-inhaltlich betrachtet lediglich eine mittelbare Wirkung im Verhältnis zum Fördererfolg. Eine vollendete Förderung der Allgemeinheit, d. h. ein spürbarer wirtschaftlicher bzw. sozialer Aufschwung sowie eine Verbesserung des regionalen Arbeitsmarktes, stellt sich nämlich letztendlich erst im Zusammenwirken mit Dritten (Unternehmen, Industrie- und Handelskammern, öffentlichen Subventionsgebem, Verbänden, den beteiligten Gebietskörperschaften etc.) ein. Die Eigenschaft als bloße Vorbereitungshandlung führt jedoch nicht dazu, dass eine partikuläre wirtschaftsfördernde Maßnahme als zur Förderung der Allgemeinheit ungeeignet einzustufen ist. Vielmehr hat die abstrakte Inhaltsbestimmung der Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 A0 91 gezeigt, dass auch eine bloß mittelbare Unterstützung steuerbegünstigter Zwecke, mithin die eine spürbare Förderung der Allgemeinheit vorbereitenden Aktivitäten, vom Wortlaut der Vorschrift und vom Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts erfasst werden. Wirtschaftsförderungsgesellschaften erfüllen als Dienstleistungseinrichtung in den Bereichen Marketing, Planung, Information, Beratung und Vermittlung eine elementare Funktionen in einem am Ende auf Verbesserung der Wirtschafts- und Sozialstruktur ausgerichteten Tätigkeitskreislauf. Nicht nur die am Ende dieses Kreislaufs stehende Industrieansiedlung und die damit verbundene Einstellung von Arbeitskräften für sich, sondern auch die Schaffung der dazu notwendigen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind unabdingbare Grundlagen für die Erreichung der steuerbegünstigten Ziele der regionalen Infrastruktur- und Arbeitsmarktverbesserung. Dem Gros der in Rede stehenden Tatigkeiten einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft kommt daher (sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit) in ihrer spezifischen Zielrichtung und ihrer auf das Gemeinwohl bezogenen Mittler-Funktion durchaus eine materielle, geistige oder sittliche Eigenwertigkeit zu, die regelmäßig eine Subsumtion unter den Tatbestand des §52 Abs. 1 S. 1 AO rechtfertigt. Die im Ausgangsfall auf Förderung des regionalen Ansehens und der regionalen Attraktivität gerichteten Maßnahmen der Werbung und der sonstigen 90 Zu den auf Wirtschaftsförderung gerichteten Maßnahmen zählen beispielsweise die Erstellung von Analysen über Erwerbs- und Wirtschaftsstrukturen einzelner Regionen und Standorte (Ermittlung des Förderungsbedarfs im Hinblick auf technische, finanzielle und personelle Mittel); die Einrichtung einer Informationsstelle für Wirtschaftsförderung; die Beschaffung, Aufarbeitung und Weitergabe von Informationen über Standortvorteile und Förderungsmaßnahmen der betreffenden Region; die Information über Wirtschaftsförderungsmaßnahmen von Bund, Ländern und Europäischer Union; die Anwerbung und Ansiedlung von Unternehmen; die Beratung und Betreuung von Kommunen und ansiedlungswilligen Unternehmen in Verfahrens-, Förderungs- und Standortfragen; die Technologie- und Innovationsberatung. 91 Zur Subventionswürdigkeit einzelner Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt einer sachlich-kausalen Wirkbeziehung zwischen Tätigkeit und Förderzweck vgl. oben Punkt A. II.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise bewirken (einzeln sowie in ihrer Gesamtheit), dass eine Vielzahl von Personen (gewerbliche Unternehmer, Selbständige, Arbeitnehmer, Besucher von Tagungen und Kongressen, Touristen, Bewohner, Künstler etc.) auf die von der Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e.V. umworbenen Städte und deren Umfeld aufmerksam wird, sich dort nieder lässt, die Region besucht, das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Angebot nutzen bzw. erweitern möchte, usw. Durch die Aktivitäten des Fördervereins und die daran anschließenden Reaktionen erfahren die beteiligten Städte und ihre Bewohner als Wirtschafts-, Handels-, Dienstleistungs-, Industrie und Verkehrsplätze, als Touristikziele sowie als Wohnund Kulturzentren sowohl materiell wie auch geistig eine Stärkung und Bereicherung.92 4. Wirtschaftsförderung und Wettbewerbsneutralität

des Gemeinnützigkeitsrechts

Im Gegensatz dazu verneint sowohl die Finanzverwaltung93 als auch ein Teil des steuerrechtliehen Schrifttums94 die Gemeinnützigkeit von Wirtschaftsförderungsgesellschaften mit der (teilweise unspezifischen) Aussage, die jeweiligen im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung ergriffenen Maßnahmen kämen in erster Linie Einzelnen (etwa den geförderten Wirtschaftsunternehmen oder den von der Wirtschaftsförderung profitierenden Gebietskörperschaften) und allenfalls mittelbar der Allgemeinheit zugute. Im Zusammenhang mit der Anwendung des §52 Abs. 1 AO können damit letztendlich drei Fragenkreise angesprochen sein, nämlich zum ersten die Notwendigkeit und die Reichweite einer sachlichen Wirk-Beziehung zwischen den einzelnen Fördermaßnahmen der tatsächlichen Geschäftsführung und dem gemeinnützigen Förderzweck, zum zweiten die Orientierung der Subventionsfähigkeit an der Zahl der geförderten Personen, mithin die Ausdeutung des Begriffs der .,Allgemeinheit" i. S. des §52 Abs. I S. 2 AO, sowie zum dritten- und das ist u. E. allein entscheidend - die Forderung nach einem wettbewerbsneutralen Gemeinnützigkeitsrecht und die damit verbundene Notwendigkeit einer wettbewerbsschonenden Auslegung der Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 AO. Was die zuerst genannte und vorstehend bereits behandelte Problematik einer sachlichen Wirkbeziehung zwischen Förderaktivitäten und Förderzweck anbelangt, so hat die Ausdeutung der Generalklausel gezeigt, dass eine sachlich-unmittelbare Zweckverwirklichung gerade nicht essentielle Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung ist. Obwohl die für die regionale Wirtschaftsförderung typischen Vorbereitungshandlungen unter dem Aspekt einer sachlichen Kausalität bzw. Finalität nur mittelbar zur 92 Zutreffend FG Hamb., EFG 1986, 516f. mit Verweis aufFG Nds., EFG 1981,202. Zu den die Allgemeinheit fördernden Tätigkeiten eines Fremdenverkehrsvereins vgl. FG Bad-Württ., EFG 1999, 89 m. w. N. 93 Pars pro toto OFD Rostock, Vfg. v. 5.5.1993, StEK AO 1977 §51 Nr. 20. 94 Z. B. Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 73, § 8 Rz. I 0; Oppermann, DB 1994, 1489.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke beizutragen vermögen, kann ihnen (gemessen am weiten Wortlaut des §52 Abs. 1 S. 1 AO und an der ratio legis des Gemeinnützigkeitsrechts) ein die Förderungswürdigkeit rechtfertigender Gemeinwohlbezug nicht abgesprochen werden. Auch was die an zweiter Stelle genannte erforderliche Ausrichtung steuerbegünstigter Tätigkeiten auf das Wohl der Allgemeinheit i. S. eines umfassenden Personenkreises betrifft, ist der Hinweis, wirtschaftsfördernde Aktivitäten dienten primär den Interessen Einzelner, im Ergebnis unerheblich. Der insofern zu Fehlinterpretationen Anlass gebende Begriff der "Allgemeinheit" aus §52 Abs. 1 S. 1 u. 2 AO ist teleologisch anzuwenden. Die Vorschrift statuiert gerade keine Personenkreisdefinition auf eine möglichst große Anzahl von Empfängern körperschaftlicher Leistungen, sondern einen wertungsspezifischen Ausschluss von Einzel- gegenüber Gemeinwohlinteressen. Durch den Bezug auf die Allgemeinheit soll lediglich sicher gestellt werden, dass die Förderung exklusiver Kreise oder die Bestrebungen von Aussenseitern mit ausgesprochen einseitigen oder extremen Sonderinteressen nicht zum Förderzweck des Gemeinnützigkeitsrechts gemacht werden können. 95 Wirtschaftsfördernde Maßnahmen, welche sich zwar vordergründig an individuelle Wirtschaftsunternehmen richten, die jedoch in ihrer spezifischen Zielrichtung dazu dienen, die wirtschaftliche Entwicklung einer Region (und damit eines Ausschnitts der Allgemeinheit) zu verbessern bzw. voranzutreiben, erfolgen nicht im partikularen Interesse einzelner Personen- oder Berufsgruppen, sondern zum Nutzen ganzer, wenn auch räumlich begrenzter Bevölkerungskreise. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Leistungsempfänger der konkreten Einzelmaßnahme in der Regel nur ein begrenzter Personenkreis sein kann. Die Erbringung von Leistungen (z. B. Werbung, Beratung, Kontaktvermittlung etc.) für die einzelnen Destinatäre (Unternehmen, Gebietskörperschaften etc.) erfolgt bei der Wirtschaftsförderung nämlich gerade im "Interesse der Allgemeinheit". Der Vergleich mit einer Vielzahl anderer gemeinnütziger Tatigkeiten, insbesondere aus dem Bereich des Sports sowie der sonstigen in §52 Abs. 2 Nr. 4 AO normierten Aktivitäten, bestätigt die Notwendigkeit einer solchen teleologischen Auslegung des §52 Abs. 1 S. 1 u. 2 AO. Gerade das Tätigkeitsspektrum von Sport-, Kleingärtnerei-, Brauchtums- und ähnlichen Vereinen zeichnet sich zum größten Teil dadurch aus, dass gegenüber den jeweiligen Mitgliedern (also einem abgegrenzten Personenkreis) Leistungen in Form von Sondernutzungsrechten an den Vereinseinrichtungen erbracht werden. Trotz dieser Gruppennützigkeit wird solchen Vereinen der Gemeinnützigkeitsstatus unter Rekurs auf ihre im "Interesse der Allgemeinheit" liegenden Aktivitäten anerkannt. 96 Aus koroperativer Sicht kann im BFH BStBl. II 1979, 482; Tipke in Tipke/K.ruse, §52 AO Tz. 9. Vgl. exemplarisch die Golf- und Segelclub-Urteile des BFH in BStBl. II 1979, 488 u. BStBl. II 1982, 336. Insofern reicht die potentielle Offenheit eines Vereins für jedermann nach der Rechtsprechung aus, um eine "Förderung der Allgemeinheit" anzunehmen. Kritisch dazu Lang, StuW 1987,221, 233. 95

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Ergebnis nichts anderes für die "Allgemeinnützigkeit" von Wirtschaftsförderungsgesellschaften gelten. 97 Allerdings muss der Tatsache, dass beinahe jede Form staatlicher bzw. staatlich begünstigter Wirtschaftsförderung 98 , die mit Leistungen an einzelne Wirtschaftsunternehmen verbunden ist, den einfachgesetzlich verankerten und verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts tangiert, verstärkt auch bei der Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts und bei der Auslegung des §52 Abs. 1 S. 1 AO Rechnung getragen werden. 99 Aufgrund ihrer Typizität als vorbereitende Maßnahmen besitzen wirtschaftsfördernde Aktivitäten regelmäßig eine erhebliche Wettbewerbsrelevanz. Jede gegenüber einem einzelnen Unternehmen erbrachte Leistung birgt in Bezug auf dessen Konkurrenz die Gefahr einer Wettbewerbsbeeinträchtigungen in sich. Betroffen davon sind in erster Linie diejenigen Tätigkeiten, bei denen die Wirtschaftsförderungsgesellschaft als Leistende und bestimmte (z. B. ansiedlungswillige) Unternehmer als Leistungsempfänger auftreten, wie etwa die Beschaffung, Aufarbeitung und Weitergabe von Informationen, die Beratung, die Kontaktvermittlung oder die Grundstücksveräußerung. Hier kann es zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen und damit zu schädlichen Gemeinwohleffekten dadurch kommen, dass einzelne Unternehmen mit ihren exklusiven Investitionsvorhaben durch die Inanspruchnahme der Leistungen 1 einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft eine direkte Unterstützung erfahren, andere konkurrierende Unternehmen hingegen nicht. Im Vergleich dazu führen solche Maßnahmen, die nicht im direkten Leistungsaustausch (nicht exklusiv bezogen auf einzelne lnvestitionsvorhaben) erbracht werden, nicht zu entsprechenden Wettbewerbsbeeinträchtigungen, mithin auch nicht zu negativen Gemeinwohleffekten (das gilt z. B. für die Erstellung von Analysen über Erwerbs- und Wirtschaftsstrukturen einzelner Regionen und Standorte, für die Werbung sowie für die sonstige Öffentlichkeitsarbeit). Neben dem bereits dargestellten positiven materiellen Nutzen zugunsten der Allgemeinheit kann den Aktivitäten einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft daher auch eine negative bzw. schädliche Wirkung für das Gemeinwohl in Gestalt der beschriebenen Wettbewerbsbeeinträchtigungen anhaften. Ist der Nutzen einzelner Aktivitäten für das Gemeinwohl nützlich und zugleich schädlich, gilt es im Anwendungsbereich des §52 Abs. I S. I AO die Frage nach der Förderungswürdigkeit der Gesamttätigkeit im Wege einer Güterahwägung der Gemeinwohlvor- und -nachteile zu entschei97 Im Vergleich mit den angesprochenen Sport- und Freizeitvereinen kommt bei Wirtschaftsförderungsgesellschaften positiv hinzu, dass die Destinatäre der einzelnen wirtschaftsfördernden Leistungen in der Regel noch nicht einmal Mitglieder der Körperschaft, sondern fremde Dritte sind, und ihre Tätigkeit daher dem Gemeinnützigkeitsbegriff immanenten Merkmal der Uneigennützigkeit weitaus eher entspricht. 98 Im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Rechtfertigung und die Anforderungen an den Gleichheitssatz besteht kein Unterschied zwischen einer direkten staatlichen Wirtschaftsförderung (z. B. in Form von Subventionen) und einer indirekten Förderung durch staatlich begünstigte Wirtschaftsförderungsgesellschaften. 99 Pars pro toto Lang, WP-Hdb. J, Kapitel T Rz.l3: "Charakteristisch für ein sachgerechtes Gemeinnützigkeitsrecht ist seine Wettbewerbsneutralität".

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

den. 100 Für die Fallgruppe der Wirtschaftsförderungsgesellschaften käme es demnach auf einen "schonenden" Konfliktausgleich an zwischen den (mittelbar eintretenden) Vorteilen, die durch die entsprechenden Maßnahmen im Hinblick auf die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur einer Region ausgelöst werden, und den Nachteilen, die infolge einer Wettbewerbsbeeinträchtigung für die ungünstig betroffenen Konkurrenzunternehmen entstehen. 101 Einer solchen wertenden Güterahwägung bedarf es jedoch nur, soweit die im Rahmen der körperschaftlichen Geschäftsführung verwirklichten Tätigkeiten der Wirtschaftsförderung im Einzelfall tatsächlich wettbewerbsbeeinträchtigenden Charakter haben, d. h. letztendlich zu einer Verletzung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität führen. Gerade dies trifft jedoch auf ein von theoretischer Offenheit geprägtes Leistungsspektrum einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft nicht zu, d. h. eine eventuelle Wettbewerbsbeeinträchtigung ist von vomherein als unbeachtlich anzusehen, soweit die einzelnen wirtschaftsfördernden Maßnahmen potentiell der Allgemeinheit (etwa allen regional ansiedlungswilligen Unternehmen) zur Verfügung stehen. Ähnlich wie in den Fällen des Zulassungsanspruchs zu öffentlichen Einrichtungen 102 kann es nämlich auch bei der Beurteilung der Wettbewerbsrelevanz staatlicher bzw. staatlich begünstigter Wirtschaftsförderungsmaßnahmen - schon aus Gründen der natürlichen Kapazitätsbeschränkung - nicht darauf ankommen, dass sämtliche potentiell in Frage kommenden Leistungsempfänger (dort alle Zulassungs willigen, hier alle Unternehmen, die beispielsweise das Informations-, Beratungs- oder Vermittlungsangebot einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Anspruch nehmen wollen) in concreto gefördert werden, sondern allein darauf, dass die abstrakt der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Leistungsansprüche im Rahmen des Möglichen nach sachgerechten Zulassungs- bzw. Auswahlkriterien vergeben werden. Der einfachgesetzlich verankerte und in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Gleichheitsgrundsatz verlangt in seiner Ausprägung als Grundsatz der Wettbewerbsneutralität insofern keine faktische Gleichheit im Ergeb100 Die §§52-54 AO bezwecken keinen generellen Ausschluss von Förderaktivitäten, die aus sich heraus für das Gemeinwohl zugleich förderlich als auch schädlich, d. h. auch mit negativen Folgen verbunden sind, vgl. Lang in Tipke/Lang, § 21 Rz. 2; Klein/Gersch §52 AO Anm. 2; Uterhark in Schwarz, §52 AO Rz. 4; Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. 8; Arndt/lmmel, BB 1987, 1153, 1155; Bauer, FR 1989, 61, 70. 101 Aufgrund der verfassungskräftigen Absicherung der Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleicheil sowie in Anbetracht der Bedeutung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität für das Steuerrecht wird man Aktivitäten, die neben ihrer positiven Wirkung für das Allgemeine Beste zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung führen, die steuerrechtliche Förderungswürdigkeit wohl eher absprechen, denn anerkennen müssen. In diesem Zusammenhang weist Klaus Tipke nicht zu Unrecht darauf hin, dass mindestens der Geist des §56 AO verletzt sei, wenn nicht nur ausschließlich gemeinnützige, sondern auch gemeinschädliche Effekte auftreten. 102 Den kommunalen Trägem einer öffentlichen Einrichtung steht mit Blick auf die den Zugang regelnden kommunalen Ermächtigungsgrundlagen (z. B. § 8 Abs. 2 GONW) ein Auswahlermessen zu, welches sie nach sachgerechten Kriterien (etwa Prioritätsprinzip oder "Bekanntheit und Erprobung") auszuüben haben, vgl. BVerwG DÖV 1982, 82; OVG NW NWVBI. 1991, 116f.; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 3 GG Rz. 33.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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nis (Erfolgsgleichheit), sondern lediglich eine Verfahrensgleichheit (System- und Wertungskonsequenz). Vor diesem Hintergrund lässt sich die Gemeinnützigkeit einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft jedenfalls rechtfertigen, wenn sicher gestellt ist, dass die im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung ergriffenen potentiell wettbewerbsrelevanten Maßnahmen - abstrakt betrachtet - grundsätzlich allen potentiellen Leistungsempfängern zur Verfügung stehen und eine Auswahl der konkreten Leistungsempfänger im Einzelfall nach sachgerechten Gesichtspunkten erfolgt. 103 Die vorstehend genannte Problematik negativer Gemeinwohleffekte stellt sich im Beispielsfall der Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e.V. nicht, denn die vom Verein ausgeführten Maßnahmen der Werbung bzw. Öffentlichkeitsarbeit zählen schon dem Grunde nach nicht zu den typischerweise auf unmittelbaren Leistungsaustausch gerichteten Tätigkeiten einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft und entwickeln damit keine gemeinwohlschädliche Wettbewerbsrelevanz. 5. Räumliche Begrenzung der Wirtschaftsförderung

Die Förderung der Allgemeinheit ist in den Fällen der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Kreis der geförderten Personen infolge seiner Abgrenzung nach räumlichen Gesichtspunkten (Gebiet einer Gemeinde, Stadt, Landkreis etc.) dauernd nur klein sein kann. 104 Die Vorschrift des §52 Abs. 1 S. 2 AO ist nicht einschlägig, wenn die gesamte Alt- und Neubevölkerung einer Stadt bzw. einer Region gefördert werden soll. Insofern findet (auch im Ausgangsfall der Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e.V.) der Kreis der Geförderten eine naturgemäße Begrenzung schon aus der Enge der für eine Körperschaft bestehenden räumlichen Wirkungsmöglichkeiten. 105 Die regionale Bevölkerung bildet einen Ausschnitt der Allgemeinheit; sie repräsentiert die Allgemeinheit. 106 Dass sich die positiven Wirkungen der satzungsmäßigen Aktivitäten mit unterschiedlicher Intensität auf die verschiedenen Bevölkerungskreise und -gruppen auswirken, spielt für die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke ebenfalls keine Rolle.

103 Insofern bestehen offenkundige Parallelen zur Rechtsprechung des BFH, der- allerdings im Anwendungsbereich des §52 Abs. 1 S. 2 AO und damit u. E. systematisch verfehlt- als Voraussetzung für die Gemeinnützigkeit von Sport- und Freizeitvereinen die potentielle Offenheit des Vereins für jedermann fordert (BFH BStBl.II 1979, 488; 1982, 336; 1997, 794). 104 So aber Vfg. OFD Rostock v. 5.5.1993, StEK AO 1977 §51 Nr. 20. 105 Zutreffend bereits Becker/Riewa/d{Koch, § 17 StAnpG Anm. 3 b li. 106 FG Hamb., EFG 1986, 516f.; Uterhark in Schwarz,§ 52 AO Rz. l2; Koch/Scholtz, §52 AO Rz.12ff.; Spanner in H/H/Sp., §52 AO Rz.20ff.; Tipke in Tipke{Kruse, §52 AO Tz. 9; Fefix, FR 1961, 236ff.

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke 6. Systemwidriger Rekurs auf die Rechtsprechung

Der Ausschluss der Wirtschaftsförderung aus dem Kreis steuerbegünstigter Aktivitäten wird in der Literatur schließlich in verstärktem Maße unter Hinweis auf die in den letzten Jahren zur Gemeinnützigkeit von Wirtschaftsförderungsgesellschaften zunehmend ablehnende Haltung der Rechtsprechung (insbesondere des Bundesfinanzhofs) begründet. 107 Der Rekurs auf die einschlägigen Judikate ist jedoch systematisch Fehl am Platze, wenn es um die grundsätzliche Frage geht, ob die regionale Wirtschaftsförderung überhaupt dem Kreis der förderungswürdigen Zwecke zuzurechnen ist. Die in Rede stehenden Urteile gehen nämlich bei genauer Analyse zum großen Teil sehr wohl davon aus, dass auch wirtschaftsfördernde Aktivitäten zu einer Förderung der Allgemeinheit beitragen und damit potentiell der Generalklausel des §52 Abs. 1 S. 1 AO unterfallen können. Die Anerkennung kommunaler Wirtschaftsförderungsgesellschaften als steuerbegünstigt ist von der Rechtsprechung vielmehr mit der Begründung versagt worden, die entsprechenden Körperschaften handelten nicht selbstlos 108 bzw. nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig. 109 Mit Hilfe dieses systematisch deplazierten Verweises wird der (inhaltlich falsche) Eindruck vermittelt, dass kommunale Öffentlichkeitsarbeit bzw. Wirtschaftsförderung (auch nach der Rechtsprechung) schon potentiell nicht zum Kreis der gemeinnützigen Zwecke i. S. der§§ 52-54 AO zählen kann. Die Problematik, ob die Betätigung einer zur Öffentlichkeitsarbeit bzw. Wirtschaftsförderung eingeschalteten kommunalen Eigengesellschaft bzw. eines Eigenvereins steuerbegünstigten Zwecken dient, ist aber streng von der Frage zu trennen, ob sie im Einzelfall die weiteren (lediglich zur Zwecksicherung normierten) materiellen und formellen Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts (§§55 ff. AO) erfüllt. 110 Darüber hinaus leiden die in Bezug genommenen Entscheidungen, soweit sie die Gemeinnützigkeit von Wirtschaftsförderungsgesellschaften wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Selbstlosigkeit (§55 AO), wegen fehlender Ausschließlichkeit (§56 AO) bzw. mangelnder Unmittelbarkeit (§57 AO) ablehnen, häufig an einer Fehlinterpretation dieser zur Zwecksicherung statuierten Merkmale des Gemeinnützigkeitsrechts und damit selbst an dogmatischen und inhaltlichen Defiziten. 111 107 Schauhoff, Hdb. Gemeinnützigkeit, § 5 Rz. 73; vgl. ferner die kommentarlosen Verweise bei Koch/Scholtz, §52 AO Rz. 22; Kießling/Buchna, Gemeinnützigkeit S. 73; Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Kapitel D Rz. 52, 55; Boochs, Steuerhandbuch für Vereine, Rz. 81 , 192. 108 FG Saarld., EFG 1982, 214; FG Schlesw.-Holst., EFG 1998,520. 109 Etwa FG Nds., EFG 1981, 202; BFH BFH/NV 1997, 904. 110 Vgl. Becker/Riewald/Koch, § 17 StAnpG Anm. 4 a Abs. 3, 5 a Abs. l , die zu Recht betonen, dass es sich bei den Erfordernissen der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit um eigenständige Tatbestandsmerkmale handelt, die- anders als das Element der subjektiven Gemeinnützigkeit (heute: Selbstlosigkeit)- im Begriff der Gemeinnützigkeit noch nicht enthalten sind. 111 Zur Bedeutung und Reichweite der Grundsätze der Selbstlosigkeit(§ 55 AO), der Ausschließlichkeit (§56 AO) und der Unmittelbarkeit (§57 AO) sowie zur extensiven Fehlinterpretation dieser Merkmale vgl. 3.-5. Teil der Untersuchung.

B. Rechtslage in den exemplarischen Ausgangsfällen

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7. Ergebnis

Die mit dem Ziel der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaftsförderung errichtete Ruhrgebiets-Fördergemeinschaft e.V. verfolgt also steuerbegünstigte Zwecke i. S. des § 52 Abs. 1 AO, denn die im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung ergriffenen Einzelmaßnahmen sind - wie gesehen - dazu geeignet, zum Nutzen des allgemeinen Besten beizutragen. Ob der Verein auch die zur Zwecksicherung statuierten weiteren Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt, ist eine andere (im weiteren Verlauf noch zu klärende) Frage. 111. Dritter Beispielsfall: Milchwirtschaftliche Lehr- und Untersuchungsanstalt Die MLUA verfolgt ausweislich ihrer Satzung und in Ansehung ihrer tatsächlichen Geschäftsführung mehrere steuerbegünstigte Zwecke nebeneinander. 112 Die Aus-, Fort- und Weiterbildung in den milchwirtschaftliehen Berufen dient der Förderung der Bildung und Erziehung i. S. des §52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO, welche nicht nur die Allgemeinbildung, sondern auch die Berufsbildung umfasst. 113 Mit ihrer Untersuchungstätigkeit leistet die MLUA ferner einen Beitrag zur Lebensmittelüberwachung, zur Förderung der Marktfähigkeit von Milch und Milcherzeugnissen und zu deren Imagepflege. Sie bezweckt damit letztlich die Verhinderung von Seuchen und Krankheiten, dient also dem präventiven Gesundheits- und Verbraucherschutz im Lebensmittelbereich. Die Förderung des öffentlichen Gesundheitsschutzes i. S. des§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO umfasst insbesondere auch die Förderung der Gesundheit der Bürger durch die unterschiedlichen Formen der Lebensmittelüberwachung. 114 Schließlich trägt die MLUA mit der Durchführung experimenteller Arbeiten und anwendungsorientierter Forschungsaufgaben zu einer Förderung der Allgemeinheit auf materiellem Gebiet bei. Die theoretische und praktische planmäßige Suche nach neuen Erkenntnissen und deren Anwendbarmachung im Bereich der Natur-, insbesondere der Ernährungswissenschaften dient der Förderung von Wissenschaft und Forschung i. S. des§ 52 Abs.l, Abs. 2 Nr. 1 A0. 115 Sämtliche Aktivitäten der MLUA dienen nicht nur dem Wohl einzelner Personen, etwa dem Wohl der Auszubildenden, dem Wohl der Güte- und Qualitätsprü112 Darin liegt keine Verletzung des Ausschließlichkeitsgrundsatzes (§56 AO), vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §56 AO Tz. 1; Fischer in H/H/Sp., §56 AO Rz. 2; BFH BStBI. 1979, 496, 497. 11 3 Zutreffende Umschreibung des Merkmals "Förderung der Bildung und Erziehung" bei Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. 13; Koch/Scholtz, §52 AO Rz. 22; ferner BFH BStBI. 1988, 890. 114 Zutreffende Beschreibung des Merkmals "Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens" bei Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. 25; Sauer in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, §52 AO Rz. 57. 11 5 Zutreffende Beschreibung des Merkmals ,,Förderung von Wissenschaft und Forschung" bei Tipke in Tipke/Kruse, § 52 AO Tz. 12; Koch/Scholtz §52 AO Rz. 22.

4 Seer/Wolsztynski

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1. Teil: Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke

fungen in Auftrag gebenden staatlichen Überwachungsstellen, privaten Produktionsbetrieben oder Verbänden oder dem Wohl des Auftraggebers eines Forschungsprojekts, sondern erfolgen grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit. Ob das Gemeinwohl gefördert wird, hängt nicht von der Anzahl der im Einzelfall profitierenden Destinatäre ab. In Ansehung des § 52 Abs. 1 S. 2 AO stellt sich vor allem auch die Ausführung der praktischen Untersuchungstätigkeit für die an der MLUA beteiligten staatlichen Überwachungsstellen als Förderung der Allgemeinheit dar. Die zum Zweck der Lebensmittelüberwachung vorgenommenen Qualitätskontrollen erfolgen eben nicht bloß im singulären Interesse der auftraggebenden Bundesländer, die dadurch zugleich ihren gesetzlichen Obliegenheiten im Bereich der staatlichen Lebensmittelkontrolle 116 nachkommen, sondern im Interesse aller potentiellen Verbraucher der überwachten Lebensmittel oder sogar in einem noch größeren Allgemeininteresse. 117

116 Vgl. etwa §§9, lO LMBG; §§3, 7 Milch- und MagarineG; § 10 Milch- und FettG sowie §§ 7, 16 ButterVO v. 3.2.1997, BGBl.I 1997, 144; §§ 11, 27 KäseVO v. 14.4.1986, BGBl.I 1986, 413 sowie entsprechende landesrechtliche Bestimmungen, beispielsweise die Verordnung über die Durchführung von Güteprüfungen für Milch und Milcherzeugnisse im Land Brandenburg v. 28.4.1992 (Bbg. GüPrV), GVBl. li 1992, 334. 117 Erneut gilt es auch hier die Problematik, ob die den öffentlich-rechtlichen und privaten Auftraggebern zum Vorteil gereichende Nebeneffekte aus der Untersuchungstätigkeit einen Verstoß gegen die Grundsätze der Selbstlosigkeit, der Ausschließlichkeit oder der Unmittelbarkeit darstellen, deutlich von der Frage, ob die MLUA mit der Untersuchungstätigkeit überhaupt steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, abzugrenzen. Es verbietet sich insofern die Vorschriften über die sach-inhaltliche Legitimation des Gemeinnützigkeitsrechts (§§52- 54 AO) mit den formellen und materiellen Hilfsnormen der §§55 ff. AO, die lediglich darauf ausgerichtet sind, die subventionswürdige Zweckverfolgung im Einzelfall zu sichern, zu vermischen.

Zweiter Teil

Konstitutionelle Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen A. Problemaufriss Zentrales Anliegen des Gemeinnützigkeitsrechts war und ist es, mit der Gewährung der einschlägigen Steuervergünstigungen einen Anreiz und einen Ausgleich für private Körperschaften zu schaffen, die sich selbstlos und ausschließlich gemeinwohlwichtigen Themen widmen und damit den Staat und das Gemeinwesen bei der Erfüllung finanzwirksamer Aufgaben entlasten und zugleich den Gemeinsilm in der Bevölkerung schärfen. 118 Wesensmerkmal der Steuervergünstigung war und ist also in erster Linie die staatliche Förderung einer im besonderen öffentlichen Interesse liegenden privaten Betätigung. Der Gesetzgeber hat das Gemeinnützigkeitsrecht mithin vorrangig mit Blick auf die private Unterstützung der öffentlichen Hand geschaffen 119 und dabei offensichtlich folgende konventionelle Rollenverteilung vor Augen gehabt: Dem Staat und seinen Einrichtungen obliegt regelmäßig die Rolle der Förderinstanz, den Körperschaften des Privatrechts kommt die Rolle des Geförderten zu; ihre aus privater Motivation heraus geborene Betätigung zum Wohl der Allgemeinheit ist zugleich Objekt und Legitimation der staatlichen Förderung. Wenn nun die öffentliche Hand im Zuge zunehmender Privatisierung immer häufiger dazu übergeht, hoheitliche (Pflicht-)Aufgaben auf einen privaten Rechtsträger auszugliedern bzw. zu übertragen, und die ausgegliederte bzw. aufnehmende Körperschaft mit Ausführung der ihr derart zugeteilten Aktivitäten gleichzeitig einen der in§§ 52-54 AO als steuerbegünstigt normierten Zwecke fördert, so ändert sich die soeben dargestellte Rollenverteilung. Der Staat übernimmt jetzt folgerichtig eine Doppelrolle: Er ist nicht mehr ausschließlich Förderinstanz, die in Form der 118 Zur Grundidee des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts: Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 92 ff.; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 35, 61 ff.; Roth, Die steuerliche Gemeinnützigkeit, S.11 ff.; Lang, WP-Hdb. 2, Kapitel T Rz.l1; Felix, FR 1961, 236; Thiel, DB 1991, 118ff.; Thiel, DB 1998, 842ff.; Lang, StuW 1987, 221 , 222f., 241 ff.; Lang, DStZ 1988, 18, 19, 26ff.; Dißars/Berssenbrügge, BB 1999, 1411 f.; aus der Kommentarliteratur: Tipke in Tipke/Kruse, §51 AO Tz. 4; Koch/Scholtz, Vor§ SI AO Rz. 5; Sauer in Beermann, Verfahrensrecht, Vor §§ 51-68 AO Rz. 4ff., 11.1; aus historischer Sicht: Kraft, VJSchStFR Bd. 6 (1932), 315, 328ff.; Nullmeyer, Der Begriff der Gemeinnützigkeit, S. 10, 21 ff.; Niggli, Gemeinnützigkeit als Steuerbefreiungsgrund, S. 27 ff.; Becker/Riewa/d/Koch, § 17 StAnpG Anm. 1. 119 Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T Rz. 172; Hey, StuW 2000, 467 f.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

Gewährung gemeinnützigkeitsabhängiger Steuervergünstigungen die Aktivitäten der privaten Körperschaft prämiert und subventioniert. Er kommt darüber hinaus in zweifacher Hinsicht auch selbst in den Genuss der Förderung, nämlich direkt als Träger (oder Beteiligter) der begünstigten Körperschaft und mittelbar bedingt durch den Nebeneffekt, dass mit der Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke durch die private Körperschaft zugleich die Erfüllung hoheitlicher Verwaltungstätigkeiten einher geht. Diese von der oben dargestellten konventionellen Rollenverteilung abweichenden Situation entspricht nicht der zentralen Wesensart und Bedeutung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts als Instrument zur Förderung des privaten Altruismus; ihre rechtliche Zulässigkeit wird demzufolge insbesondere in der Literatur angezweifelt. Es geht dabei um die grundlegende Frage, ob die öffentliche Hand bzw. von ihr getragene Körperschaften in privatrechtlicher Organisationsform überhaupt Fördersubjekt des Gemeinnützigkeitsrechts sein können.

B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand I. Die Auffassungen im Schrifttum 1. Konstitutionelle Gemeinnützigkeitsunfähigkeit des Staates

Im Rahmen ihres Sondervotums zum Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts 120 vertraten Josef I sensee und Brigitte Knobbe-Keuk als erste die Auffassung von einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit des Staates. 121 Sie begründen ihre Auffassung dabei wie folgt: Zunächst heben beide Autoren hervor, dass die gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigungen allein für private Körperschaften bestimmt seien, nämlich als Ausgleich dafür, dass sie sich freiwillig, selbstlos und ausschließlich gemeinwohlwichtigen Aufgaben widmen. Für diese nichtstaatlichen Körperschaften, denen die Grundrechte prinzipiell die Freiheit zum Eigennutz eröffneten, sei das selbstlose Engagement für das Gemeinwohl ein freiwilliger Akt. Dagegen sei der Staat in allen seinen organisatorischen Ausprägungen von seiner Wesensbestimmung und von Verfassungs wegen zum selbstlosen, ausschließlichen 120 Isensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, §51 Abs. 3 Alternativentwurf zur AO (S. 402) mit Begründung S. 404 ff.; daran anschließend nochmals /sensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 33, 57 f. 121 Die Frage, ob auch der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften Steuervergünstigungen für gemeinnützige Tätigkeiten in Anspruch nehmen können, ist bereits lange zuvor (zu Zeiten der Reichssteuergesetze) unter dem Aspekt eines ungeschriebenen Erfordernisses subjektiver Gemeinnützigkeit oder im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkeit diskutiert worden, vgl. Becker/Riewald/Koch, § 17 StAnpG Anm. 3 c Abs. 7, Anm. 4b Abs. 9; Kraft, VJSchStFR Bd. 6 (1932), 315, 347ff., 374ff. m. w. N. Unter dem Aspekt der grundsätzlichen Gemeinnützigkeitsfähigkeit/-unfähigkeit staatlicher Aktivitäten hingegen ist die Frage ausführlich zum ersten Mal von lsensee/Knobbe-Keuk problematisiert worden.

B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand

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und unmittelbaren Dienst für das Allgemeine Beste verpflichtet. Das charakteristische Merkmal der Freiwilligkeit des Dienstes für ein öffentliches Interesse und damit den Legitimationsgrund für die Gewährung der Steuervergünstigung für Private könne der Staat demnach potentiell gar nicht erfüllen; daraus folge, dass er konstitutionell gemeinnützigkeitsunfähig sei. Darüber hinaus sei es auch gar nicht notwendig, juristische Personen des öffentlichen Rechts über das Instrument des Steuerrechts zu Tätigkeiten anzuregen, die sie ohnehin erfüllen müssten. Einer besonderen Honorierung bedürfe es schon deshalb nicht, weil der Staat, anders als die Privaten, seinen Finanzbedarf über die Abgabenerhebung hoheitlich-einseitig decken kann und nicht darauf angewiesen ist, sich im Marktwettbewerb zu behaupten. Schließlich weisen /sensee/Knobbe-Keuk darauf hin, dass viele kommunale Gebietskörperschaften privatrechtliche Gesellschaften bei der Ausübung öffentlicher Gewalt, insbesondere bei der Abfall- und Abwasserbeseitigung, nur deswegen einschalten würden, um auf diese Weise das Recht zum Vorsteuerabzug für defizitäre Einrichtungen zu erlangen. 122 Eine solche Praxis, bei der die öffentliche Hand ihre Vergünstigungen für sich selbst reklamiere, werten die beiden Autoren als "Manipulation bzw. Pervertierung der steuerlichen Gemeinnützigkeit" und zugleich als Verstoß gegen die Finanzverfassung. Letztere dulde keine Gestaltungsmöglichkeiten der Steuergläubiger, welche die verfassungsrechtlich vorgegebene Verteilung der Ertragshoheit verschieben könnten. Dem widersprechend praktizierten die (Pflicht-)Aufgaben ausgliedemden kommunalen Gebietskörperschaften auf Kosten der Umsatzsteuergläubiger eine Art Finanzausgleich auf eigene Faust und unterliefen so die staatliche Ordnung der Ertragskompetenzen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften Steuervergünstigungen für gemeinnützige Tätigkeiten schon aus der Natur der Sache nicht in Anspruch nehmen könnten, wollen /sensee/Knobbe-Keuk allerdings für solche Tätigkeiten zulassen, in denen der Staat zu Privaten in den Wettbewerb tritt und um der Wettbewerbsgleichheit willen der Steuerpflicht unterworfen wird. Das sei der Fall bei den Betrieben gewerblicher Art des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG). Hier unterliege die staatliche Einrichtung den gleichen Steuerlasten wie eine private Körperschaft, folgerichtig müsse sie auch von den gleichen Steuervergünstigungen partizipieren dürfen. 122 Vg!.lsensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, 404,406: Mit der Ausgliederung auf eine privatrechtliche Einrichtung würden zwar die organisatorischen Voraussetzungen für eine potentielle Umsatzsteuerpflicht geschaffen. Der kommunalen Gebietskörperschaft gehe es letztlich jedoch nur darum, aktuell einen Vergütungsanspruch in Form einer .,negativen Steuer" zu erlangen, indem sie als gemeinnützig anerkannte Organisation das Recht zum vollen Vorsteuerabzug gemäߧ 15 UStG auf der Grundlage der Umsatzsteuerpflicht zum ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG) in Anspruch nimmt. Damit bilde der Vorsteuerabzug nicht mehr ein integrales Element der Mehrwertsteuer zur Herstellung einer systemgerechten Steuerbelastung, sondern verselbständige sich zu einem eigenständigem FinanzvorteiL Der Private könne diesen Vorteil nur unter der Bedingung der fortbestehenden Steuerpflicht genießen, nach dem Rechtssprichwort von der .,Einheit des guten und des schlechten Tropfens". Der Staat hingegen sei in der Lage, einseitig den guten Tropfen auszukosten, weil er die steuerbegründende Privatisierung jederzeit rückgängig machen kann.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

Dieser strengen Ansicht von einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts hat sich- soweit ersichtlich -lediglich Rainer Hüttemann angeschlossen. In seiner 1991 veröffentlichten Dissertation vertritt er unter Rekurs auf die von Isensee/Knobbe-Keuk benutzten Argumentationsschemata die Auffassung, dass die Steuervergünstigung wegen gemeinnütziger Zweckverfolgung der hoheitlichen Verwaltung insgesamt und grundsätzlich verschlossen bleiben muss. 123

2. Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates

Schon vor der Erstellung des Sondervotums durch Isensee/Knobbe-Keuk ging ein Großteil des steuerlichen Schrifttums dagegen von einer potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand und ihrer Beteiligungsgesellschaften aus. 124 Auch nach der Publikation des Sondervotums hat sich der überwiegende Teil der Literatur der Auffassung von einer generellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit des Staates und der von ihm getragenen juristischen Personen des Privatrechts nicht angeschlossen. Zum Teil wird die Gemeinnützigkeit privatrechtlicher Gesellschaften, die ein Hoheitsträger zur Erfüllung der ihm obliegenden (Pflicht-)Aufgaben eingeschaltet hat, ausdrücklich bejaht. 125 Zum Teil wird sie aus anderen Gründen- jeden123 Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 71 (mit FN201, 202). 124 Die grundsätzliche Anerkennung privater Körperschaften unter staatlicher Beteiligung als steuerlich gemeinnützig bejahen etwa Hauser, Die Wahl der Organisationsform kommunaler Einrichtungen, S.l59; Brandmüller, BB 1977, 388f.; Brengel, KStZ 1982, I ff.; Niebler, KStZ 1982, 201 ff.; Theobald, BB 1985, 1911; Kirchhartz, DB 1982, 2158; Kirchhartz, ZKF 1984, 245f.; Kirchhartz, ZFK 1985, 266; differenziert im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkleit ferner Becker/Riewald/Koch, § 17 StAnpG, Anrn. 3 c Abs. 7, Anrn. 4 b Abs. 9; Kraft, VJSchStR Bd.6 (1932), 315, 347ff., 374ff. 125 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §55 AO Tz. 5: " ... wenn der Staat und die Kommunen selbst eine gemeinnützige Einrichtung sind, ist nicht einzusehen, dass die Gemeinnützigkeit verlorengeht, wenn der Staat oder eine Kommune eine Pflichtaufgabe von einer ausgegründeten GmbH erledigen lässt."; Fischer H/H/Sp., §55 AO Rz. 58 ff., 62 (zu Wirtschaftsförderungsgesellschaften); Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T Rz. 172 ff., 177: "Die Offenheit des Gesellschaftszwecks, die relative Schlichtheit der körperschaftlichen Struktur als ,kleine Kapitalgesellschaft', die Flexibilität und Disponibilität des GmbH-Rechts machen die Rechtsform der GmbH attraktiv für eine gemeinnützige Einrichtung, die eben auch von einem Rechtsträger, einer juristischen Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts (z. B. Universität) errichtet werden kann."; Kugel, Die Besteuerung öffentlicher Betriebe, S. 62ff.: "Die Tatsache, dass sämtliche Anteile des Betriebes von einer (oder mehreren) juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehalten werden, soll dessen steuerliche Erfassung grds. nicht beeinflussen."; Louis, Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 46ff., 130ff. im Hinblick auf die Besteuerung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge; Heidemann, ZKF 1989, 83, 85; Seemann, DB 1991, 2359,2361: "Die Gemeinnützigkeit von Wirtschaftsförderungsgesellschaften kann nicht generell ausgeschlossen werden, sondern hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab."; Seifert/Metschkoll, DB 1992, 1691, 1692 f.: "Hoheitliches Handeln dient der Allgemeinheit, insbesondere verfolgt eine in dieser Weise handelnde Körperschaft keine ei-

B. Überblick über den derzeitigen Meinungsstand

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falls nicht wegen konstitutioneller Gemeinnützigkeitsunfähigkeit - in Frage gestellt. 126 II. Die Auffassung der Rechtsprechung Der Reichsftnanzhofhat die Frage, ob die Betätigungen und Beteiligungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften in der Rechtsform des Privatrechts den Tatbestand der gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigung auslösen können, in einzelnen Fällen positiv 127, in anderen Fällen negativ 128 beschieden. Die Ansicht einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit kann der Rechtsprechung dabei jedenfalls nicht entnommen werden. Der Bundesfinanzhofhat die Frage der grundsätzlichen Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates und der von ihm getragenen Körperschaften in seiner Rechtsprechung bisher entweder ausdrücklich offen gelassen oder konkludent bejaht. Im Urteil vom 15.12.1993 129 hat der Zehnte Senat zur Gemeinnützigkeit eines in der Rechtsform der GmbH von mehreren Landkreisen gegründeten Entsorgungsunternehmens es dahingestellt bleiben lassen, ob der in der Literatur vertretenen Auffassung zu folgen sei, der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften könnten die Steuervergünstigungen grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen. Die Steuerbefreiung war im zu entscheidenden Fall jedenfalls deshalb auszuschließen, weil die Körperschaft einen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. des § 64 AO betrieben hat und die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb gemäߧ 65 AO nicht vorlagen. Im Urteil vom 27.10.1993 130 hat der Erste Senat des BFH den Betrieb eines städtischen Müllheizkraftwerks in der Rechtsform einer GmbH ebenfalls als gemeinnützigkeitsschädlichen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. des § 64 AO eingeordnet. Im Gegensatz zum Urteil des X. Senats ist er dabei jedoch mit keinem Wort auf die Frage der grundsätzlichen Gemeinnützigkeitsfähigkeit der in Rede stehenden Gesellschaft eingegangen. Daraus lässt sich schließen, dass jegenwirtschaftlichen Ziele. Daher handelt eine Körperschaft, die diese hoheitlichen Ziele fördert, gemeinnützig, wenn sie aus dieser Tätigkeit keinen Gewinn erzielen will." 126 So in Einzelfällen unter Rekurs auf das Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkeit Klein/ Gersch, §52 AO Anm. 2; Koch/Scholtz, §55 AO Rz. 4; Kießling!Buchna, Gemeinnützigkeit, S. 90 f.; ferner Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Gemeinnützige Vereine, Kapitel D Rz. 51 ff., die die Ansicht einer generellen konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit ausdrücklich als "zu weitgehend" ablelmen. 127 Vgl. RFHE 6, 240 (städtische Kindermilchanstalt); RFH RStBI. 1921, 370 (gemeindliches Fäkalien-Abfuhruntemehmen); 1930, 140 (Luftverkehrs-GmbH); 1932, 1106 (städtische Messe- u. Ausstellungs-GmbH); StuW 1927, Nr. 87 (Milchversorgungs-GmbH mit hälftiger städtischer Beteiligung); StuW 1928, Nr. 148 (Luftverkehrs-GmbH). 128 Etwa RFH RStBI. 1933, 1055 sowie RFH RStBI. 1937, 1105 wegen fehlender (sachlicher) Unmittelbarkeit; RStBI. 1935,857 und RStBI. 1937, 1105 wegen fehlender Selbstlosigkeit. 129 BFH BStBl.II 1994,313,316. 13o BFH BStBI.II 1994, 573.

2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

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denfalls der Erste Senat des BFH die Möglichkeit der Inanspruchnahme gemeinnützigkeitsabhängiger Steuervergünstigungen für staatliche Trägerkörperschaften im Grundsatz eher bejaht, denn verneint. Dieselbe Schlussfolgerung lässt sich auch für das Urteil vom 30.11.1995 131 ziehen. In dem zu entscheidenden Fall hat der Fünfte Senat des BFH zwar die Zweckbetriebseigenschaft einer Großforschungseinrichtung in staatlicher Beteiligung verneint, nicht aber die generelle Gemeinnützigkeitsfähigkeit der betroffenen Körperschaft. Auch die zur Problematik der Gemeinnützigkeit kommunaler Wirtschaftsförderungsgesellschaften ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen 132 lassen nicht erkennen, dass die Rechtsprechung die potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlich getragener privater Körperschaften, etwa in Form der Eigengesellschaft oder in Gestalt eines gemischt-öffentlichen Unternehmens, ernsthaft in Frage stellt. Schließlich enthält auch die Rechtsprechung der Finanzgerichte keinen Hinweis darauf, dass sie von einer generellen Gemeinnützigkeitsunf:ihigkeit des Staates bzw. der von ihm getragenen Körperschaften ausgeht. Der Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeiten durch private Körperschaften wird vielmehr im Einzelfall die Steuervergünstigung zu- oder abgesprochen, je nach Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Gemeinnützigkeitsrechts. 133 Ablehnende finanzgerichtliche Entscheidungen unter Rekurs auf eine konstitutionelle Gemeinnützigkeitsunfähigkeit hat es bisher- soweit ersichtlich - nicht gegeben.

111. Die Auffassung der Finanzverwaltung Auch die Finanzverwaltung hat zu der Frage der konstitutionellen Gemeinnützigkeitsfahigkeit des Staates und der von ihm in privater Rechtsform betriebenen Körperschaften bisher konkret nicht Stellung bezogen. In den die Gemeinnützigkeit von sog. Eigengesellschaften betreffenden Verwaltungsanweisungen 134 hat sie vielmehr angeordnet, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit jedenfalls am Fehlen des Tatbestandsmerkmals der Selbstlosigkeit scheitern lassen zu wollen. Damit kommt sie zwar zu einem mit der Auffassung von lsensee/Knobbe-Keuk übereinstimmenden Endergebnis. Beide Ansätze unterscheiden sich jedoch insoweit, als die Verwaltung (jedenfalls konkludent) wenigstens die konstitutionellen Gemeinnützigkeitsf:ihigkeit staatlich getragener Körperschaften des Privatrechts anerkennt. 135

13 1 132

133

seits.

BFH BStBI. II 1997, 189. Etwa BFH v. 23.4.1986, IR 234/80 n. v.; BFH/NV 1997, 904. Vgl. z. B. FG Hamb., EFG 1986,516 einerseits u. FG München, UR 1991, 174 anderer-

134 FinMin NRW, BB 1985, 1118; BMF-Schreiben, BB 1985, 1712; BMF-Schreiben, BStBI.I 1991, 81. 135 Das konstatieren auch /sensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S. 404, 405.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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C. Begründung der potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates I. Deutliche Parallelen zwischen der Besteuerung der öffentlichen Hand und der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften Zwischen der Besteuerung von Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften bestehen im Hinblick auf die Struktur der Besteuerungssubjekte, die der Steuerfreistellung zugrunde liegenden Legitimationsansätze und die Grenzen der Steuerfreiheit offenkundige Parallelen. Diese Parallelen hat jüngst Johanna Hey noch einmal deutlich hervorgehoben 136 und dabei zutreffenderweise aufgezeigt, dass es zumindest in Gestalt des Betriebs gewerblicher Art auch eine Schnittmenge zwischen steuerlichem Gemeinnützigkeitsrecht und öffentlich-rechtlicher Betätigung gibt. 137 Die steuerstrukturellen Gemeinsamkeiten zwischen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und einer gemeinnützigen Körperschaft bestehen darin, dass das Gesetz in beiden Fällen eine Kategorisierung in vergleichbare Tätigkeitssphären anordnet: 138 Im steuerfreien Tätigkeitsbereich, bei der öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Hoheitsbetrieb (§ 4 Abs. 5 KStG), bei der gemeinnützigen Körperschaft die Idealsphäre (§§ 52-54 AO), erfüllt die jeweilige Körperschaft auf nichtwirtschaftliche Weise die ihr durch ihre Verfassung (Grundgesetz, einfaches Gesetz, Satzung) vorgegebenen ideellen Verbandszwecke. Dabei korrespondiert die Steuerbefreiung gemeinnütziger Tätigkeiten mit der Steuerbefreiung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch den Staat. Die Erfüllung von den Staat und das Gemeinwesen entlastenden Tätigkeiten durch Private ist ebenso besteuerungsunwürdig wie die Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Legitimation für die Steuerbefreiung folgt unisono aus dem qualifizierten Einsatz für das Gemeinwohl, unabhängig davon, ob er durch Private oder durch den Staat erfolgt. 139 Die historisch belegbare steuerrechtliche Immunität öffentlicher Hände und der Verzicht auf die Besteuerung in Fällen privaten unmittelbaren bürgerschaftliehen Gemeinwohlengagements basieren gemeinsam auf dem Gedanken 136 Zuvor bereits Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T, Rz. 172 ff.; Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art im Umsatz- und Körperschaftsteuerrecht, S. 83; Lang, StuW 1988, 221, 228; Strahl, FR 1998, 761 f.; zu Vereinheitlichungsvorschlägen zwischen der Besteuerung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe und der Besteuerung von Betrieben gewerblicher Art siehe Lang in Brühler Empfehlungen zur Unternehmenssteuerreform, BMF-Schriftenreihe Heft 66 (1999), Anhang Nr.l, S.35. 137 Hey, StuW 2000, 467ff. 138 Zu den Tatigkeits- und Vermögenssphären einer gemeinnützigen Körperschaft vgl. pars pro toto: Fischer in HHSp., §55 AO Rz. 97; Orth, FR 1995, 253, 254 ff.; Thiel, DB 1998, 842, 845ff. 139 Das Gemeinwohl- bzw. Verdienstprinzip ist wesentlicher Rechtfertigungsgrund zur Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips, vgl. Lang in Tipke/Lang, § 4 Rz. 124 ff.; § 20 Rz. 70ff., § 21 Rz. 1 ff.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

eines Gemeinwohlausgleichs und damit auf dem Ursprungsprinzip der Rechtfertigung einer Steuererhebung. 140 Danach kann Gemeinwohlverantwortung entweder durch individuelles oder körperschaftliches gemeinnütziges Handeln oder substitutiv durch Steuerzahlung übernommen werden. Gegen eine Besteuerung sowohl der öffentlichen Hand als auch gemeinnütziger Körperschaften sprechen ferner gleichermaßen in erster Linie Effizienzgesichtspunkte. 141 Die Selbstbesteuerung des Staates verursacht Kosten, ohne zusätzliche Staatseinnahmen zu generieren. 142 Die Besteuerung der Idealtätigkeiten gemeinnütziger Körperschaften würde lediglich dazu führen, dass Mittel von einem Gemeinwohlsektor in den staatlichen oder kommunalen Gemeinwohlsektor umgeleitet würden. Sie bescherte dem Staatshaushalt zunächst zwar zusätzliche Einnahmen, wäre aber zugleich eine Beschneidung privater, den Staat entlastender Gemeinwohltätigkeit, für deren Ausgleich letztlich wiederum der Staat einspringen müsste. 143 Die Grenze findet die Steuerbefreiung sowohl der öffentlichen Hand als auch der gemeinnützigen Körperschaften gleichsam im Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts. 144 Ausgehend von einem Verständnis der Steuer als Kostenfaktor, wird die Steuerfreiheit dort nicht gewährt, wo ein Konkurrenzverhältnis mit steuerpflichtigen Unternehmen besteht. Deshalb sind gemeinnützige Körperschaften mit ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben(§§ 14, 64 AO), öffentlich-rechtliche Körperschaften mit ihren Betrieben gewerblicher Art (§ 4 Abs. l KStG) ertrag-, und umsatzsteuerpflichtig. 145 Ausgenommen von dieser partiellen Steuerpflicht ist in beiden Fällen der Tätigkeitsbereich der Vermögensverwaltung. 146 140 Dazu Kirchhof, in Kirchhof/Söhn, §lOb EStG Rz. A 170ff.; Jachmann, DStZ 2001, 225ff. 141 Vgl. zu den Reichssteuergesetzen bereits Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts, S.l92ff.; prononciert H ensel, Steuerrecht 3 , S. 67 ff.: "Wenn es dem Gesetzgeber auch an sich freisteht, den Kreis der als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmenden Personen weit zu ziehen, so kann es doch u. U. im eigenen Interesse des Besteuerungsberechtigten liegen, bestimmte Personengruppen von der Abgabenpflicht auszunehmen, sei es, dass die Erhebung der Abgaben nur unnütze Verwaltungskosten verursachen würde, weil die Beträge von einer Kasse des Steuergläubigers in eine andere fließen (Anm. d. Verf.: betrifft öffentlich-rechtliche Körperschaften), oder dass es sich um Rechtssubjekte handelt, deren wirtschaftliche Schwächung durch die Abgaben dem Gläubiger einen größerenNachteil bringen würde, als wenn er auf die steuerliche Erfassung dieser Personen verzichtet (Anm. d. Verf.: betrifft gemeinnützige Körperschaften des Privatrechts), ...". 142 Seer, DStR 1992, 1751, 1752. 143 Zur Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts unter dem Gebot austeilender Gerechtigkeit vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §51 AO Tz. 4; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 707; lsensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 33, 61 ff.; Kirchhof, in Kirchhof/Söhn, § 10 b EStG, Rz. A31 ff.; Hammer, StuW 2001, 19, 23. 144 Die gemeinsame Wurzel im Begriff des Gewerbebetriebs des Preußischen OVG und die gemeinsame Funktion (Wahrung der Wettbewerbsneutralität) erlaubt den Schluss auf eine weitgehende Übereinstimmung von wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb i. S. des § 14 AO und Betrieb gewerblicher Art i. S. des § 4 Abs. 1 KStG, vgl. Lang, WP-Hdb, Kapitel T, Rz. 13, 41 ; Seer, DStR 1992, 1751, 1753; s. a. BFH BStBI. 1969,43,45. 145 BFH BStBI. II 1990, 246, 248; Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S.151 ff., 213 ff.; Bader, Hoheitsbetrieb und Betrieb gewerblicher Art im Umsatz- und Körper-

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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Die dargestellten steuerstrukturellen und teleologischen Verbindungslinien, die abschließend das nachfolgende Schaubild nochmals verdeutlichen soll, stehen der von /sensee/Knobbe-Keuk vertretenen Auffassung einer Gemeinnützigkeitsunflihigkeit des Staates entgegen. Der dargestellte Gleichklang zwischen der Besteuerung der öffentlichen Hand einerseits und der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften andererseits spricht vielmehr für das Gegenteil, nämlich dafür, dass auch der Staat, soweit er sich in der Rechtsform des Privatrechts gemeinwohlwirksam betätigt, die gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigungen grundsätzlich in Anspruch nehmen können muss. Indessen kann die Frage nach der Gemeinnützigkeitsflihigkeit des Staates letztlich nicht ohne eine detaillierte Auslegung 147 der Vorschriften des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts beantwortet werden.

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Gemeinnützige Körperschaft

Steuerfreier Hoheitsbetrieb § 4 Abs. 5 KStG

Steuerfreie Idealsphäre Einzelsteuergesetze i.V. m. §§51 ff. AO

Rechtfertigung: Die Erfüllung von Staatsaufgaben zur Gemeinwohlförderung ist nicht steuerwürdig

Rechtfertigung: Die Entlastung von Staatsaufgaben zur Gemeinwohlförderung ist nicht steuerwürdig

Steuerfreie Vermögensverwaltung BFH BStBI. 1974, 391

Steuerfreie Vermögensverwaltung § 14 S. 1, 3 AO

Steuerpflichtiger Betrieb gewerblicher Art § I Abs. I Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG

Steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb §§ 64, 65ff. AO i.V. m. § 14 AO

Besteuerungsmotiv: Wettbewerbsrelevanz

Besteuerungsmotiv: Wettbewerbsrelevanz

schaftsteuerrecht, S. 83; Fischer in HIH/Sp., § 14 AO Rz.49, § 64 AO Rz. 9; Strahl, FR 1998, 761, 771; Hey, StuW 2000,468, 469f. 146 Für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb folgt das unmittelbar aus § 14 S. 1, 3 AO, für den Betrieb gewerblicher Art aus dessen typologischer Ähnlichkeit mit dem Gewerbebetrieb, vgl. RFH RStBI. 1942, 609; BFH BStBI.II 1974,391, 394; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S.l48ff.; Tipke in Tipke/Kruse, § 14 AO Tz. I I; Hey, StuW 2000, 468, 469f. m. w. N. 147 Zu den traditionellen Auslegungsregeln, den sog. "Canones" der Auslegung, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 320ff.; Engish, Juristisches Denken, S. 72ff.; Schmalz, Methodenlehre, Rz. 225ff.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

II. Semantische Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts 148 Die in den einzelnen Steuergesetzen enthaltenen und an den Status der Gemeinnützigkeit gekoppelten Steuerbefreiungs- und -ermäßigungsvorschriften (z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) erklären Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen als potentielle Subjekte der Steuervergünstigung. Gleiches gilt für die den Allgemeinen Teil des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts normierenden §§ 51-68 AO. Der den Abschnitt "Steuerbegünstigte Zwecke" einleitende §51 S. 1 AO spricht zunächst lediglich von Körperschaften, die ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen, ohne also Körperschaften des öffentlichen Rechts dabei grundsätzlich auszuschließen. Im Anschluss daran bestimmt §51 S. 2 AO, dass unter Körperschaften des Gemeinnützigkeitsrechts diejenigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes zu verstehen sind. Zu den unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten zählt § 1 Abs. 1 Nm. 1-5 KStG alle juristischen Personen des Zivilrechts, z. B. Kapitalgesellschaften, Vereine, Anstalten, Stiftungen etc. Ferner bestimmt § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG ausdrücklich die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Damit ist die potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand, soweit sie in Gestalt eines Betriebs gewerblicher Art tätig wird, per Verweis auf das Körperschaftsteuergesetz ausdrücklich positiv beschieden worden. 149 Soweit sie sich als Trägerio an einer Körperschaft des Privatrechts beteiligt, ist ihre Gemeinnützigkeitsfähigkeit jedenfalls nicht negativ beschieden worden 150, denn das Körperschaftsteuergesetz knüpft dem Wortlaut nach ausschließlich an die zivilrechtliche Rechtsform eines Steuersubjekts und nicht etwa an die Rechtsqualität der daran beteiligten bzw. dahinter stehenden Träger an. 151 Dieser erste Befund einer grammatikalischen Auslegung zugunsten der Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand wird durch weitere Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts verstärkt. Einen ersten deutlichen Hinweis auf die potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand als Träger privater Körperschaften enthält§ 52 Abs. 1 S. 3 AO. Im Hinblick auf die Parallelen zwischen privater Gemeinwohlförderung und Ausübung öffentlicher Gewalt regelt die Vorschrift aus148 Die semantische (grammatikalische, philologische) Auslegung (Verbalinterpretation) ist der Versuch, den Sinn des Gesetzes aus dessen Wortlaut zu erschließen, dazu Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 8 Rz. 53 f.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.437 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 307. 149 Noch deutlicher war insofern § 2 Abs. 2 Gern V zur Durchführung der §§ 17-19 StAnpG v. 24.12.1953, BGBI.I 1953, 1592; zur Terminologie der AO 1977 s. BT-Drucks. 7/4292, S. 20. Zu der Streitfrage nach dem Zuordnungssubjekt des Gemeinnützigkeitsstatus beim Betrieb gewerblicher Art, vgl. BFH BStBI.II 1974,391, 393; 1990,242, 243; 1992,432, 433; ferner Pezzer in Tipke/Lang, § 11 Rz. 11 f.; Kießling/Buchna, Gemeinnützigkeit, S. 29ff.; Seer, DStR 1992, 1751 ff.; Hey, StuW 2000, 467, 470ff.; Seer/Wendt, DStR 2001, 825, 834ff. 150 Ähnlich Fichte/mann, DStR 1993, 1514 f. tst Pezzer in Tipke/Lang, § 11 Rz. 8; Brandmüller, BB 1977, 388 f.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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drücklieh lediglich, dass allein die Zuführung von Mitteln an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts noch keine Förderung der Allgemeinheit bedeutet. Sie schließt jedoch nicht die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch eine private Körperschaft und auch nicht die Beteiligung der öffentlichen Hand an einem Subjekt des Gemeinnützigkeits-/Körperschaftsteuerrechts von der Steuervergünstigung aus. Ferner zeigt ein Rückschluss aus §55 Abs. 3 AO, dass sich hoheitliche Tätigkeit (in Form eines Betriebs gewerblicher Art) und Gemeinnützigkeitsstatus eben gerade nicht ausschließen. Gleiches gilt für die Sondervorschrift des § 62 AO. Bei den in dieser Regelung genannten Körperschaften hat der Gesetzgeber deshalb von dem Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§ 61 AO) abgesehen, weil er es auf jeden Fall, zumal aufgrund aufsichtsbehördlicher Kontrollen, für sichergestellt hielt, dass das Restvermögen für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. 152 Die Tatsache, dass gerade Betriebe gewerblicher Art und Stiftungen des öffentlichen Rechts, also Organisationen, die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts getragen oder verwaltet werden, die Hauptanwendungsfälle des § 62 AO bilden, zeigt deutlich, dass die Gemeinnützigkeitsfahigkeit der öffentlichen Hand nicht bloß geduldet wird, sondern dass staatliche Einrichtungen, jedenfalls was die formellen Voraussetzungen anbelangt, gemeinnützigkeitsrechtlich sogar privilegiert behandelt werden. Ferner kann auch § 68 Nr. 9 AO zur Begründung einer potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen herangezogen werden. 153 Die Vorschrift ordnet die Behandlung einzelner Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen als Zweckbetriebe an. Die Zweckbetriebsfiktion wird dabei ausdrücklich auf solche Forschungseinrichtungen beschränkt, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren. Das Gesetz bringt dadurch zum Ausdruck, dass dem Gemeinnützigkeitsrecht eine Beteiligung der öffentlichen Hand als Träger gemeinnütziger Körperschaften keineswegs fremd, sondern vielmehr durchaus erwünscht ist. Schließlich sei noch auf §44c Abs.l S.l Nrn.l-3 EStG als Vorschrift des Gemeinnützigkeitsrechts i. w. S. hingewiesen. Die Regelung fasst privatrechtliehe und öffentlich-rechtliche Körperschaften zum Zwecke der Kapitalertragsteuererstattung insgesamt als steuerbefreite (weil gemeinnützige) Körperschaften zusammen. Damit ist auch sie ein grammatikalischer Hinweis für die potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeitdes Staates. 154

Tipke in Tipke/Kruse, Kommentierung zu § 62 AO. § 68 Nr. 9 AO ist durch Gesetz v. 20.12.1996 (BGBI.I 1996, 2049, 2074f.) eingeführt worden. In seinen Anwendungsbereich fallen vor allem auch die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, vgl. dazu die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. 390/96, 88 f. 154 Hey, StuW 2000, 467, 472 mit FN.54. Zu §44c EStG vgl. Schmidt/Heinicke, EStG 19 , §44c EStG Rz.l5. 152 153

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

III. Historisch-genetische Betrachtung 155 Der Auffassung einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit der öffentlichen Hand kann auch mit Blick auf die Geschichte des Gemeinnützigkeitsrechts nicht zugestimmt werden. Bei der steuerlichen Behandlung von Körperschaften, die gemeinnützige Zwecke verfolgen, ist rechtlich von Anfang an zwischen privaten und öffentlichen (staatlichen) Steuersubjekten unterschieden worden. 156 Während gemeinnützige öffentliche Körperschaften fortdauernd eine Vorzugsstellung genossen haben, weist die Befreiung privater Körperschaften mit gemeinnützigem Yerbaudszweck keine derart klare Entwicklung auf. 157 Der Anwendungsbereich der ersten zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Ländern des Deutschen Reiches eingeführten gemeinnützigkeitsabhängigen Steuervergünstigungen 158 beispielsweise erstreckte sich zunächst ausschließlich auf öffentliche Unternehmen. Private Unternehmungen, die ähnliche Zwecke verfolgten, waren dagegen im allgemeinen zunächst von der Steuervergünstigung ausgenommen. Steuererleichterungen für die gemeinnützige Zweckverfolgung durch Private setzten sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. 159 Mit Blick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind die einzelnen deutschen Nationalstaaten dazu übergegangen, privaten Körperschaften dieselbe Vorzugsstellung einzuräumen wie den steuerbegünstigten öffentlichen Einrichtungen. Der Annahme einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit der öffentlichen Hand zuzustimmen, hieße folgerichtig, die Ursprünge des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts schlichtweg zu missachten. Hingegen lässt sich die grundsätzliche Anerkennung einer potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand auch mit der weiteren historischen Entwicklung belegen: Die Durchführungsbestimmung (DB) zum KStG 1925 160 etwa ging von der potentiellen Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher oder unter staatlicher Beteiligung (in bürgerlich-rechtlicher Rechtsform) betriebener Einrichtungen (§ 1 Abs. 1, 2 DB)- soweit sie denn einen als steuerbegünstigt normierten Zweck 155 Mit Hilfe der historischen Auslegung lassen sich Rechtssätze in und aus ihrer geschichtlichen Entwicklung interpretieren. Sie erforscht die Motive der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe sowie außerparlamentarische Stellungnahmen. Zur historisch-genetischen Interpretation vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rz. 247 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 8 Rz. 56; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S. 449 ff. 156 Zur historischen Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts im 19. Jahrhundert vgl. Nullmeyer, Der Begriff der Gemeinnützigkeit, S. 8 ff. 157 Zur Vorzugsstellung öffentlicher Unternehmen vgl. Nullmeyer, Der Begriff der Gemeinnützigkeit, S. 12. 158 So befreite etwa die Großh. Hessische Allgemeine Vermögenssteuerverordnung v. 8.11 .1806 das Vermögen von Armenhäusern, Waisenhäusern, Spitälern sowie das Vermögen der Landesuniversität Gießen und das Vermögen der Invalidenanstalt von der Steuer. 159 Nachweise bei Nullmeyer, Der Begriff der Gemeinnützigkeit, S. 9, 10: "Durchweg handelte es sich bei den Steuerbefreiungen um öffentlich gemeinnützige Veranstaltungen, die in den einzelnen Staaten regelmäßig sämtlich von der Besteuerung ausgenommen sind." 160 Durchführungsbestimmung v. 17 .5.1926, RGBI. I 1926, 244, zum Körperschaftsteuergesetz v.l0.8.1925.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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verfolgten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 5-13 DB)- aus. 161 Auch § 2 Abs. 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung 1953 162 hat- als Vorgängerregelung zu §51 AO- die Geltung der Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts auf Körperschaften des öffentlichen Rechts, jedenfalls soweit diese in Gestalt eines Betriebs gewerblicher Art auftreten, ausdrücklich angeordnet. Aus den Motiven des Gesetzgebers zur Abgabenordnung 1977 163 schließlich geht deutlich hervor, dass diese Rechtsauffassung unter Geltung der Abgabenordnung weiterhin Bestand haben sollte. Die vonlsensee/Knobbe-Keuk vertretene Ansicht, der Staat könne grundsätzlich überhaupt keine Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen, hält dem Blick auf die historische Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts im Ergebnis also nicht Stand. Während auf die potentielle Gemeinnützigkeitsflihigkeit öffentlicher Unternehmen (heute: Betriebe gewerblicher Art) ausdrücklich sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als auch aus der Historie geschlossen werden kann, so lassen sich im Hinblick auf die Gemeinnützigkeitsflihigkeit/-unflihigkeit von privaten Körperschaften in staatlicher Trägerschaft (mithin von staatlichen Eigengesellschaften, gemischtöffentlichen Unternehmen oder gesamtwirtschaftlichen Unternehmen) weder den Entstehungsmaterialien der Abgabenordnung 1977 noch der Gemeinnützigkeitsverordnung bzw. dem Steueranpassungsgesetz als deren Vorgängerregelungen konkrete gesetzgebensehe Aussagen entnehmen. Allerdings hat eine "Unabhängige Sachverständigenkommission" zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts im Auftrag des Bundesfinanzministers ein Gutachten 164 erstellt, das als Grundlage für die gesetzliche Umgestaltung des Gemeinnützigkeitsrechts durch das Vereinsförderungsgesetz v. 18.12.1989 gedient hat. 165 Den gesetzgebensehen Umgestaltungsüberlegungen lag dabei auch das von /sensee/Knobbe-Keuk entworfene Sondervotum zugrunde. Den Entwurf für eine die Gemeinnützigkeitsunflihigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (mit Ausnahme der Betriebe gewerblicher Art) ausdrücklich und im Rahmen einer apodiktischen Fassung regelnden Vorschrift166 hat der Gesetzgeber durch das Vereinsförderungsgesetz bewusst nicht in 161 Dazu Kraft, VJSchStFR Bd. 6 (1932), 315, 379f.; Kennerknecht, KStG-Kommentar, S. 10ff., 56ff. 162 2. Verordnung zur Durchführung der§§ 17 bis 19 StAnpG v. 24.12.1953, BGBI. I 1953, 1592ff. 163 Vgl. BT-Drucks. 7/4292 v. 7.11.1975, S.20 (zu §51 AO). 164 Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, BMF-Schriftenreihe Heft 40, Bonn 1988. 165 Vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §51 AO Tz. 7; Lang, WP-Hdb. 2, Kapitel T Rz. 8; Mittelsteiner, DStR 1988, 471 ff.; Thiel/Eversberg, DB 1990, 290ff., 344 ff., 395 ff. 166 §51 Abs. 3 Alternativ-Entwurf, Minderheitsvotum, S. 402: "Der Staat und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die seiner Aufsicht unterliegen (Träger mittelbarer Staatsverwaltung), können nicht steuerbegünstigte Körperschaften im Sinne des Absatz 1 sein. Das gleiche gilt für die vom Staat oder Trägem mittelbarer Staatsverwaltung abhängigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, unabhängig von ihrer öffentlichrechtlichen oder privatrechtliehen Organisationsform, wenn sie überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des § 4 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes dienen. Dies gilt

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

die Abgabenordnung aufgenommen. Für die vorliegende Untersuchung folgt daraus jedenfalls, dass die Steuervergünstigung wegen Gemeinnützigkeit nach dem Willen des Gesetzgebers der Abgabenordnung 1977 nicht nur den von der öffentlichen Hand unterhaltenen Betrieben gewerblicher Art, sondern auch den von ihr getragenen Körperschaften des Privatrechts zustehen kann. Isensee/Knobbe-Keuk 167 kann zwar durchaus zugestimmt werden, wenn sie annehmen, der Gesetzgeber der Abgabenordnung habe das heute geltende Gemeinnützigkeitsrecht in erster Linie mit Blick auf eine Förderung und Unterstützung privater Tätigkeit zum Dienste des Allgemeinwohls geschaffen. 168 Er ist von dem Regelfall ausgegangen, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer hoheitlichen Betätigung bereits a priori Steuerfreiheit genießen und es deshalb für sie keines besonderen Anreizes, keiner besonderen Prämie in Gestalt eines steuerlichen Gemeinnützigkeitsstatus mehr bedarf. Daraus jedoch zu folgern, der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften seien heute grundsätzlich gemeinnützigkeitsunfahig, geht zu weit. Nach ganz herrschender Ansicht ist der normative Gesetzessinn im Wege der objektiven Auslegungstheorie zu ermitteln. 169 Das historische Bild des Steuergesetzgebers war von der Vorstellung geprägt, der Staat würde die ihm obliegenden Staatsaufgaben regelmäßig im Wege der (steuerfreien) hoheitlichen Verwaltung und in der Form des öffentlichen Verwaltungsrechts ausführen. 170 Dieses Bild hat jedoch in zweifacher Hinsicht eine deutliche Veränderung erfahren: Zum einen hat sich auch die hoheitliche Verwaltung schon früh und in verstärktem Maße wirtschaftlich betätigt, d. h. sie ist- mit ihren Betrieben gewerblicher Art- zu privaten Anbietern in den Wettbewerb getreten. 171 Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die dem Staat a priori zustehende Steuerfreiheit (mit Aufnahme der wirtschaftlichen nicht für Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 Körperschaftsteuergesetz)." 167 lsensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S. 404ff.; lsensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S.33, 57f. 168 Pars pro toto: Lang, WP-Hdb. 3, Kapitel T, Rz. 172. 169 Das BVerfG (etwa BVerfGE 34, 288; 79, 121) formuliert daher wie folgt: "Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers."; vgl. ferner Schmalz, Methodenlehre, Rz. 247 ff.: "Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber."; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.428 ff., 436; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 8 Rz. 56; zum Streit zwischen subjektiver und objektiver Auslegungstheorie siehe auch Lang in Tipke/Lang, § 5 Rz. 40ff., 50. 170 In der Bundesrepublik ist die Rechtsordnung dualistisch in öffentliches Recht und Privatrecht geteilt. Typischerweise und im Ansatz ist das öffentliche Recht das Recht der Staatssphäre, das Privatrecht dasjenige des Gesellschaftsbereichs, vgl. Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 1 Rz. 58. 171 Zur wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand vgl. Rone/lenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, HdbStR III, § 84; Wolff/Bachof!Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rz. 18 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 1 Rz. 41 ff.; § 9 Rz. 19ff., 35f.; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rz. 109 ff.; Cronauge, Kommunale Unternehmen, Rz. 38 ff.; Pöpe/, JA 1988, 127 ff.; Brohm, NJW 1994, 281 ff.; Lange, DStZ 2000, 200, 202; Lange, UR 2000, 1, 10; Himmelmann/Gloria, KStZ 2000, 121 ff.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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Betätigung im Betrieb gewerblicher Art) verloren geht. Aus Gliinden der Wettbewerbsneutralität wird der Staat in seiner konkreten Ausprägung den anderen privaten Wettbewerbsteilnehmern steuerrechtlich gleichgestellt. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung reagiert und bestimmt, dass das Gemeinnützigkeitsrecht für alle Körperschaften i. S. des Körperschaftsteuergesetzes gilt, folglich auch für die gemeinnützige Betätigung der öffentlichen Hand, soweit diese einen Betrieb gewerblicher Art begrundet Zum anderen ist neben der verstärkten wirtschaftlichen Betätigung des Staates im Laufe der Zeit aus verschiedenen Giiinden- etwa organisatorischer, rechtlicher und vor allem wirtschaftlicher Natur- zunehmend die Privatisierung von bisher hoheitlich ausgeübten Verwaltungsaufgaben betrieben worden. 172 Insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge (Leistungsverwaltung) beschränkt sich der Staat schon längst nicht mehr auf den öffentlich-rechtlichen Rechtskreis, sondern übt die ihm grundsätzlich zustehende Wahlfreiheit der Rechtsform zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht immer häufiger zugunsten privatrechtlicher Gestaltungsformen aus. 173 Durch das Schlüpfen in das private Rechtskleid wird der Staat wie ein Privater zunächst in vollem Umfang als Steuersubjekt behandelt. Bewegt er sich dabei gerade auf den Feldern, die zu den Kernbereichen des Gemeinnützigkeitsrechts gehören (Gesundheits-, Wohlfahrts- und Kulturpflege, Bildungs- und Erziehungswesen sowie im Bereich von Sport und Freizeitaktivitäten), 174 so muss die Steuerfreiheit wieder hergestellt werden, um einen Wertungswiderspruch zur nicht besteuerten Daseinsvorsorge in öffentlich-rechtlicher Form zu vermeiden. Deshalb ist der Gemeinnützigkeitsstatus auch auf privatrechtliche Körperschaften, an denen der Staat sich beteiligt hat, zu erstrecken. Das Gesetz hat dieser Forderung nach einem rechtsform- und rechtsträgerneutralen Gemeinnützigkeitsrecht in Gestalt des § 51 S. 2 AO Rechnung getragen, indem es dort nicht zwischen Körperschaften mit oder ohne staatlicher Beteiligung unterscheidet. Für eine den Wortlaut des Gesetzes einschränkende Auslegung im Sinne von /sensee/Knobbe-Keuk besteht daher kein Raum.

172 Zu den Formen, Motiven und Grenzen staatlicher Privatisierung siehe Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, HdbStR III, § 84; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 9 Rz. 1-37; Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rz. 1 passim, insbes. Rz. 136ff.; Badura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rz. 109ff.; Bull, Allg. Verwaltungsrecht, Rz. 37ff.; 319ff.; Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, §51 Rz.2, §52 Rz. 23 ff.; Gusy, ZRP 1998, 265ff.; Schoch, DVBI. 1994, 962ff.; Seifert/Metschko/1, DB 1991, 2449ff., 1992, 169lff.; Glauben, DRiZ 1999, 488ff. 173 Zur Wahlfreiheit der Rechtsform: Loeser, Verwaltungsrecht I, Rz. 58 sowie oben FN. 7. 174 Zur verstärkten Privatisierung im Bereich der Daseinsvorsorge: Rüfner, HdbStR III, § 80 Rz.48ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rz.l36; Glauben, DRiZ 1999, 488ff.

5 Seer/Wolsztynski

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

IV. Systematisch-logische Argumentation 175 1. Gemeinnützigkeitsfähigkeit als Folge der Organisationshoheit des Staates

Keine Rechtsvorschrift und kein Rechtsbegriff stehen für sich allein; sie sind Teile einer einheitlichen, widerspruchsfreien Rechtsordnung und erhalten ihren Inhalt und Sinn auch aus anderen gesetzlichen Vorschriften und aus Rechtsprinzipien, die der gesamten Rechtsordnung oder Teilen davon zugrunde liegen. Wenn der Gesetzgeber Grundwertungen in einem Teil der Rechtsordnung festgelegt hat, dann müssen diese in anderen Teilen der Rechtsordnung beachtet werden. Diese wertungsmäßige Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Ordnungselement des Rechts wird mit dem Postulat "Einheit der Rechtsordnung" zum Ausdruck gebracht. 176 Insoweit hilft die systematisch-logische Auslegung die widerspruchsfreie Funktion einzelner Rechtssätze im Gesamtrechtsgefüge zu ermitteln und auf diese Weise Regelungsungereimtheiten zu vermeiden. 177 Vor diesem Hintergrund ist die potentielle Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand bereits Ausfluss der Organisationshoheit des Staates. 178 Vorbehaltlich verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Grenzen 179 kann der Staat entweder unmittelbar in Gestalt von Bund, Land oder Kommunen oder mittelbar in Gestalt eines rechtsfahigen Verwaltungsträgers des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts auftreten. 180 Die öffentliche Verwaltung hat dabei grundsätzlich die Wahlfreiheit, welches Rechtskreises sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient. Nach der Lehre von der doppelten Formenwahlfreiheit kann sie sowohl ihre Aufbauorganisation öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisieren als auch ihre Handlungsform öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich (ablauforganisatorisch) wählen. 181 Diese grundsätzliche Organisationshoheit des Staates und 175 Zur systematisch-logischen Interpretation vgl. Bu/1, Allg. Verwaltungsrecht, Rz. 353; Larenz, Methodenlehre, S.165ff., 324ff., 437ff., 469ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.442ff. 176 Zur Einheit der Rechtsordnung als Zielvorgabe des Gesetzgebers bei der Systematisierung des Rechts vgl. Ossenbühl, HdbStRIII, § 61 Rz.62ff.; Lang in Tipke/Lang, § 1 Rz. 29ff. 177 BVerfGE 48, 246, 257; Loeser, System des Verwaltungsrechts I,§ 8 Rz. 57. 178 Die Organisationsgewalt bzw. das Organisationsrecht des Staates und seiner Einrichtungen kommt an mehreren Stellen des Grundgesetzes zum Ausdruck, vgl. z. B. Art. 28, 74, 83 ff. GG. 179 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung gehören in erster Linie staatsorganisationsrechtliche Bindungen, etwa die Grundsätze der Haushaltsvollständigkeit und der Haushaltswahrheit, sowie die Grundrechtsbindung des Staates, dazu Ehlers, JZ 1990, 1089, 1094ff.; Schach, DVBI. 1994, 962ff.; Glauben, DRiZ 1999, 488ff.; Gusy, ZRP 1998, 265ff. 180 Zur Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung s. Erichsen, Allg. Verwaltungsrecht, §52 Rz. 7 ff.; Kirchhof, HdbStR 111, §59 Rz. 92 ff. 181 Zur Organisationshoheit des Staates: Forsthoff, Allg. Verwaltungsrecht, S. 432 ff.: "Die Organisationsgewalt ist eine Befugnis, die mit der Staatsgewalt ipso iure gegeben ist."; Bu/1, Allg. Verwaltungsrecht, Rz.132ff., 154; Loeser, System des Verwaltungsrechts I,§ 1 Rz. 58,§ 3 Rz. 78-80, § 9 Rz. 12ff.; Loeser, System des Verwaltungsrecht II, § 10 Rz. 18ff.; Ehlers, JZ 1990, 1089, 1092ff.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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seiner Einrichtungen ist eine (verfassungs-)gesetzgeberische Grundentscheidung, die die gesamte Rechtsordnung weitgehend zu respektieren hat. Knüpfen einzelne Teilrechtsgebiete mit ihren Regelungen an das bloße Auftreten einer Person bzw. Organisation in einer bestimmten (öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen) Rechtsform, mithin an die Ausübung der Organisationshoheit konkrete Rechtsfolgen, so müssen diese Rechtsfolgen dementsprechend auch für den Fall gelten, dass sich der Staat aufgrund der ihm zustehenden Organisationsgewalt dieser jeweiligen Rechtsform bedient. Alles andere würde letztlich die grundsätzliche Formenwahlfreiheit des Staates unterlaufen und führte damit zu evidenten Widersprüchen innerhalb der Gesamtrechtsordnung. Ausnahmen davon, dass die Rechtsanwendung- insbesondere die Anwendung zivilrechtlicher Normen- auf öffentliche Unternehmen in gleicher Art und Weise zu erfolgen hat, wie das bei "echten" Privaten der Fall ist, ergeben sich allenfalls aus der Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand, die auf die Gesetzesauslegung und -anwendung nicht ohne Einfluss bleiben darf. 182 Diese Grundsätze führen, übertragen auf das Steuerrecht, zu folgenden Konsequenzen: Das Körperschaftsteuerrecht knüpft in puncto Steuersubjekteigenschaft ausschließlich an die zivilrechtliche Rechtsform einer Organisation an. Es bestimmt in§ 1 KStG, dass alle juristischen Personen des Privatrechts stets der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen, und zwar unabhängig davon, ob sie in staatlicher oder privater Trägerschaft auftreten. 183 Eine entsprechende Differenzierung darf dann jedoch ebensowenig im Anwendungsbereich des § 5 KStG erfolgen, der für die in § 1 KStG als steuerpflichtig normierten Körperschaften unter bestimmten Voraussetzungen persönliche und sachliche Befreiungen von der allgemeinen Steuerpflicht vorsieht. 184 Gleiches gilt für den Allgemeinen Teil des steuerlichen 182 Es gilt insofern das bekannte Wort: "Keine Flucht ins Privatrecht", dazu Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I,§ 23 Rz. 2, 18ff.; Schach, DVBI. 1994, 962ff.; zu den zivilrechtliehen Folgen der Grundrechtsbindung privatisierter öffentlicher Unternehmen vgl. Spannowsky, DVBI. 1992, 1072ff.; Glauben, DRiZ 1999, 488, 493ff.; v. Danwitz, AöR 120 (1995), 595 ff.: Der Staat kann sich in privatisierter Organisationsform nicht in gleichem Umfang wie ein Privater auf den Grundsatz der Privatautonomie stützen; aus der Grundrechtsbindung ergeben sich vielmehr möglicherweise Kontrahierungszwänge. Um die aus der Grundrechtsbindung folgende Verantwortung der öffentlichen Hand für das Handeln des privatisierten Unternehmens zu gewährleisten, sind bestimmte Informations-, Prüfungs-, Aufsichts-, Entsendungs-, Weisungs- und Zustimmungsrechte des öffentlich-rechtlichen Trägers notwendig. Diese verfassungsrechtlich gebotenen Einwirkungsrechte und -pfiichten des Staates kollidierende lege lata mit gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen; sie müssen im Wege der Auslegung in Einklang gebracht werden. 183 Pezzer in Tipke/Lang, § 11 Rz. 8; Wilke in Mössner/Seeger, § 1 KStG Rz. 6 ff., 9 ff.; Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, § 1 KStG Rz. 18; zur Bedeutung der zivilrechtliehen Rechtsform für die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft s. a. BFH BStBI.lll 1977, 96; li 1978, 15; 1984, 751; 1997, 361. ts• Auch Friedrich/Kupsch, Die Besteuerung öffentlicher Unternehmen, S.13, 15ff., gehen davon aus, dass die sachlichen Steuerbefreiungen potentiell auf alle Steuersubjekte, mithin auch auf öffentliche Unternehmen anwendbar sind. S. a. Wilke in Mössner/Seeger, § 1 KStG Rz. 7: "§ 1 KStG definiert die unbeschränkte Steuerpflicht, der Umfang der Steuerpflicht erschließt sich sodann im Zusammenhang mit weiteren Vorschriften."

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfahigkeit staatlicher Einrichtungen

Gemeinnützigkeitsrecht, welcher- wie bereits oben gesehen- in §51 S. 2 AO die rechtsformspezifische Qualifikation der Steuersubjekte aus dem Körperschaftsteuerrecht übernommen hat. In Übereinstimmung mit diesem Auslegungsergebnis stellt auch die Finanzverwaltung in Abschn. 28 zu § 4 KStG der Körperschaftsteuerrichtlinien mit Blick auf die Besteuerung der öffentlichen Hand lapidar fest: "Betriebe, die in eine privatrechtliche Form gekleidet sind, werden nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften besteuert." Um der anerkannten Organisationshoheit des Staates zu effektiver Geltung zu verhelfen und Widersprüche innerhalb der Gesamtrechtsordnung zu vermeiden, muss daher systematisch-logisch von der potentiellen Gemeinnützigkeitsfahigkeit auch staatlich getragener Körperschaften des Zivilrechts ausgegangen werden. 185 Die Gefahr einer "Flucht in das Privatrecht" besteht insofern nicht, da der Staat mit der Ausgliederung hoheitlicher Tatigkeiten auf eine potentiell steuerbegünstigte Körperschaft des Privatrechts unter dem Strich aus steuerrechtlicher Perspektive die gleiche rechtliche Behandlung erfahrt, die ihm in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit zuteil würde (der Staat und seine Einrichtungen genießen a priori Steuerfreiheit im Hoheitsbereich). 186 Die vorstehend im Zusammenhang mit der Organisationshoheit der öffentlichen Hand dargestellten systematischen Überlegungen lassen sich noch um ein zusätzliches Argument erweitern: Mitunter halten Bestimmungen der Gemeindeordnungen einzelner Bundesländer den kommunalen Verwaltungsträger aus haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten dazu an, die Privatisierung seiner Aufgaben als wirtschaftliche Alternative zu den öffentlich-rechtlichen Organisations- und Handlungsformen zwingend zu untersuchen. 187 Die Schlussfolgerung einer potentiellen Gemeinnützigkeitsfahigkeit staatlich getragener Körperschaften des Privatrechts folgt damit nicht nur aus der grundsätzlichen Organisationshoheit der öffentlichen Verwaltung, sondern ergibt sich im Einzelfall erst Recht aus der Begrenzung des verwaltungsrechtlichen Entscheidungsvorbehaltes durch haushaltsrechtliche Erwägungen, d. h. aus dem haushaltsrechtlichen Zwang zur Privatisierung. Es führte zu einem die Einheit der Rechtsordnung verletzenden Widerspruch, wenn man einer privaten Körperschaft, die von einem Verwaltungsträger unter Einhaltung der kommunalgesetzlich normierten Verpflichtung zur alternativen Inanspruchnahme privater Organisations- und/oder Handlungsformen zur Wahrnehmung seiner Aufgaben gegründet oder eingeschaltet worden ist, die von der Steuerrechtsordnung für entsprechende Privatrechtssubjekte bereitgestellten Steuervergünstigungen, mithin auch die potentielle Gemeinnützigkeitsfahigkeit absprechen wollte. 188 185 Zur Gemeinnützigkeitsfahigkeit einer staatlich getragenen GmbH s. a. Lang, Wp-Hdb. 3, Kapitel T Rz. 177. 186 Zur Missbrauchsgefahr im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Vorsteuerüberhängen, insbesondere durch kommunale Eigenunternehmen vgl. unten Punkt C. li. 5. b ). 187 Vgl. etwa Art. 6 I Abs. 2 S. 2 GO Bayern; § l 00 Abs. 3 S. I GO Brandenburg. 188 Es kann nicht sein, dass ein Verwaltungsträger, der sich den kommunal- und haushaltsrechtlich bestehenden Privatisierungszwängen unterwirft und damit notgedrungen die a priori

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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2. Rechtliche Beurteilung vergleichbarer Sachverhalte (Komparative Auslegung)

Eine besondere Form der systematischen Auslegung ist die sog. komparative Methode. Dabei werden rechtsvergleichend Vorschriften gleicher sowie anderer Rechtsgebiete und allgemeine Rechtsgrundsätze zur Auslegung herangezogen. 189 Soweit eine konkrete Rechtsfrage nicht eindeutig und allein unter Rekurs auf den Wortlaut des Gesetzes, sondern erst im Wege der Auslegung beantwortet werden kann, stellt die komparative Methode ein geeignetes Hilfsmittel dar, um unter Rückgriff auf komparable Sachverhalte, deren rechtliche Beurteilung weitestgehend geklärt ist, rechtsvergleichende Schlüsse zur Lösung der in Rede stehenden Problematik zu ziehen. Einem solchen systematischen Vergleich dient der folgende Beispielsfall, bei dem identische Tätigkeiten verschiedener Steuersubjekte auf ihre gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung hin verglichen werden: Beispiel: Ein (fiktives) Landesgesetz zur Förderung der Kultur- und Heimatpflege verpflichtet Gemeinden ab einer bestimmten Größe zur Einrichtung und Unterhaltung (wenigstens) eines Kultur- und Heimatkundemuseums im Gemeindegebiet Zur Errichtung der Museen erhalten die jeweiligen Trägergemeinden entsprechende Zuschüsse aus Haushaltsmitteln des Landes. Die laufende Unterhaltung obliegt sowohl organisatorisch als auch wirtschaftlich der jeweiligen Trägergemeinde in eigener Verantwortung. Dabei wird den Gemeinden jedoch ausdrücklich die Befugnis eingeräumt, die laufende Unterhaltung der Museumseinrichtung auch auf einen privaten Träger zu übertragen, soweit der ordnungsgemäße Betrieb dessen ungeachtet weiterhin gesichert erscheint. Alternative (A): Die Gemeinde X entschließt sich, das Museum in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts nichtkommerziell zu betreiben und die Anstalt jährlich selbst mit entsprechenden Sach- und Personalmitteln auszustatten. Der Betrieb des Museums im Rahmen schlichter Hoheitsverwaltung ist steuerfrei. Alternative (B): Die Gemeinde X entschließt sich, das Museum in Gestalt eines Eigenbetriebes wirtschaftlich zu führen. Das Museum wird gegen Entgelt der Allgemeinheit zugänglich gemacht, die Unterhaltungskosten aus den Einnahmen getragen. Der Eigenbetrieb ist ein Betrieb gewerblicher Art gemäß § 4 Abs. 1 KStG und als solcher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG grds. steuerpflichtig. Er kann jedoch die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Anspruch nehmen. Die Unterhaltung des Museums ist ein gemeinnütziger Zweck i. S. des §52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. I, 4 AO. Sie erfolgt in Form eines zur Erfüllung gemeinnütziger Zwecke notwendigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, mithin als steuerbegünstigter Zweckbetrieb i. S. des § 68 Nr. 7 AO. Alternative (C): Die Gemeinde X überlässt die laufende Unterhaltung einem privaten Betreiber in der Rechtsform einer GmbH. Gesellschafter der Betreiber-GmbHsind mehrere im Gemeindegebiet ansässige Unternehmer. Die GmbH ist Körperschaftsteuersubjekt gemäß § I Abs. 1 Nr. 1 KStG. Sie kann jedoch die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Anspruch nehmen. Die Unterhaltung des Musebestehende Steuerfreiheit der öffentlichen Hand aufgibt, mit der Versagung der Gemeinnützigkeitsfähigkeit "belohnt wird". 189 Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 8 Rz. 58.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

ums ist ein gemeinnütziger Zweck i. S. des §52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 4 AO. Sie erfolgt in Form eines zur Erfüllung gemeinnütziger Zwecke notwendigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, mithin als steuerbegünstigter Zweckbetrieb i. S. des § 68 Nr. 7 AO.

Alternative (D ): Die Gemeinde X entschließt sich, das Museum privatwirtschaftlich zu führen. Zu diesem Zweck gründet sie eine Museums-GmbH (Eigengesellschaft), an der sie zu 100% beteiligt ist. Das Museum wird von der GmbH gegen Entgelt der Allgemeinheit zugänglich gemacht, die Unterhaltungskosten aus den Einnahmen getragen. Die steuerrechtliche Behandlung dieser Alternative ist abhängig von der Frage, ob der staatlich getragenen GmbH die Gemeinnützigkeitsfähigkeit zu- oder aberkannt wird.

Die Alternativen (A)-(C) bilden die komparablen Sachverhalte, deren rechtliche Beurteilung im Beispielsfall feststeht. Mit ihrer Hilfe soll auf die Lösung der Alternative (D) geschlossen und damit die Frage nach der Gemeinnützigkeitsfähigkeit der staatlichen Eigengesellschaft unter systematisch-logischen Gesichtspunkten beantwortet werden. Im Rahmen einer solchen komparablen Analyse kommen vorliegend drei Anknüpfungskriterien als Vergleichsmaßstab in Betracht, nämlich zum ersten der Steuergegenstand (Objekt der Besteuerung), zum zweiten die Steuersubjekteigenschaft und zum dritten eine Art Durchgriffsbetrachtung auf die Eigenschaft der hinter den Steuersubjekten stehenden Rechtsträger. 190

___.

(A) Hoheitsbetrieb nichtkonunerziell (§ 4 Abs. 5 KStG)

(B) BgA kommerziell (§ 4 Abs. I KStG)

(C) Private GmbH Zusammenschluss Privater

(D) Eigengesellschaft GmbH mit I 00% staatlicher Beteiligung

Förderung der Allgemeinheit

Museumsbetrieb dient der Kultur- und Brauchtumspflege (gemeinnützige Zwecke i.S. des §52I!Nr.l , 4AO)

f--+

V 1 f--+

Keine Steuerpflicht Hoheitliche Tätigkeit ist a priori gemeinnützig und deshalb steuerfrei Steuervergünstigung § 5 Abs. I Nr. 9 KStG u.a. Gemeinnützige Tätigkeit Zweckbetrieb (§ 68 AO) Steuervergiinstigung § 5 Abs. I Nr. 9 KStG u.a. Gemeinnützige Tätigkeit Zweckbetrieb (§ 68 AO)

?.

I I

I

;

190 Anknüpfungspunkte des Entstehungstatbestandes des Steueranspruchs (Steuertatbestand) sind regelmäßig allerdings nur das Steuersubjekt und/oder das Steuerobjekt, vgl. Lang in Tipke/Lang, § 7 Rz. 17 ff.

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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Gemeinsamer, weil inhaltlich kongruenter Anknüpfungspunkt aller Alternativen ist der einkommenswirksame 191 Betrieb des Heimatkunde- und Kulturmuseums als Steuergegenstand. 192 In den die Vergleichsobjekte bildenden Alternativen (A}-(C) kommt es unisono nicht zu einer Besteuerung, und zwar in Alternative (A) schon aus Gründen mangelnder Steuersubjekteigenschaft des Hoheitsträgers sowie in den Alternativen (B) und (C), weil dort jeweils die gesetzgebensehe Entscheidung zur sachlichen Steuerbefreiung gemeinnütziger, insbesondere kultureller Tätigkeiten eingreift. 193 Mit Blick auf die Vergleichbarkeit des Steuergegenstandes ist es also systematisch-logisch, die für die Alternativen (A}-(C) getroffene gesetzgebensehe Entscheidung einer Nichtbesteuerung auch auf die Alternative (D) zu übertragen. Die in der Alternative (D) ausgeübte Tätigkeit ist mit den in den Alternativen (A)-(C) ausgeübten Tätigkeiten identisch. Soweit daher die Alternativen (B) und (C) den sachlichen Steuerbefreiungstatbestand der Gemeinnützigkeit erfüllen (Betrieb des Museums dient in allen Fällen der Förderung der Kultur- und Heimatpflege und stellt sich damit gleichermaßen als gemeinwohlwirksame Tätigkeit dar), bietet sich eine rechtlich einheitliche Beurteilung auch für die Alternative (D) an. Dafür spricht nicht zuletzt der das Steuerrecht beherrschende Gedanke der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise dient der gleichmäßigen Erfassung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und damit dem Gleichheitssatz 194 und fordert u. a. wirtschaftlich komparable Sachverhalte grundsätzlich gleich zu besteuern. Vor seinem Hintergrund erscheint es unlogisch, dieselbe wirtschaftliche Tätigkeit (hier Museumsbetrieb) in den Alternativen (B) und (C) wegen ihrer Bedeutung für das "bonum commune" steuerfrei, in der Alternative (D) jedoch steuerpflichtig zu stellen. Eine andere Lösung könnte lediglich deshalb geboten sein, weil die der Besteuerung zugrunde liegende wirtschaftliche Tätigkeit "Museumsbetrieb" im Beispielsfall von unterschiedlichen Steuersubjekten ausgeübt wird. 195 In den Alternativen (A) und (B) ist jeweils eine juristische Person des öffentlichen Rechts Steuersubjekt, wobei die Anstalt des öffentlichen Rechts der subjektiven Steuerpflicht als Hoheitsbetriebapriori nicht unterworfen ist(§ 4 Abs. 5 KStG), der Betrieb gewerblicher Art 191 Den jeweiligen Betreibern fließen in allen Alternativen Einnahmen zu (entweder in Form von Zuschüssen in Alternative (A) oder in Gestalt von Entgelten in den Alternativen (B)--(D)). Diesen Einnahmen stehen die Betriebskosten gegenüber. Aus diesen Variablen ermittelt sich das Einkommen als Steuergegenstand. 192 Das Steuerobjekt (= Steuergegenstand) umfasst das Steuergut (oder Besteuerungsgut), das der Gesetzgeber als besteuerungswürdig erkannt und rechtlich normiert hat. Zum Steuerobjekt stellt sich die Frage: "Was ist steuerbar?", und zwar vor der Frage: "Was ist steuerpflichtig?". Steuerpflichtig ist das Steuerobjekt, soweit eine sachliche Steuerbefreiung nicht Platz greift, vgl. dazu Lang in Tipke/Lang, § 7 Rz. 23 ff. 193 § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 4 Nr. 20 a S. 1-3 UStG. 194 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Methode der Gesetzesanwendung und -auslegung vgl. Lang in Tipke/Lang, § 5 Rz. 65ff., 83 ff.; Herzog, StbJb 1985/86, 27, 44f. 195 Zur Steuersubjekteigenschaft als Teil des gesetzlichen Steuertatbestandes vgl. Lang in Tipke/Lang, § 7 Rz. 22 ff.

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

hingegen aus Gründen der Wettbewerbsneutralität als Steuersubjekt des Körperschaftsteuerrechts erfasst wird(§ I Abs. 1 Nr. 6 KStG). Als Vergleichsgruppe für die in Rede stehende Alternative (D), in der Handlungs- und Steuerrechtssubjekt eine GmbH als juristische Person des Zivilrechts ist, kommen diese beiden Alternativen also nicht in Betracht. In der Alternative (C) hingegen ist ebenfalls eine GmbH als juristische Person des Privatrechts Handlungs- und zugleich Körperschaftsteuersubjekt i. S. des § I Abs. 1 Nr. 1 KStG. Diese Alternative kann daher als Vergleichsgruppe für eine komparable rechtliche Qualifikation der Alternative (D) herangezogen werden, denn Steuersubjekteigenschaft (GmbH) und Steuergegenstand (Museumsbetrieb) stimmen in beiden Fallgruppen überein. Vor dem Hintergrund dieser Übereinstimmung ist allein eine der Alternative (C) entsprechende Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts die richtige systematisch-logische Lösung bei der rechtlichen Beurteilung der Alternative (D). Als letztes Kriterium, das eine abweichende rechtliche Beurteilung der Alternative (D) zu den Vergleichsgruppen (A)-(C) aus systematisch-logischen Gesichtspunkten rechtfertigen könnte, kommt der Durchgriff auf die hinter den Steuersubjekten stehenden Rechtsträger in Frage. Eine solche durchgreifende Zurechnung ist dem Steuerrecht nicht gänzlich fremd. 196 Sie findet etwa im Umsatzsteuerrecht statt, wo der BFH das Prinzip der unternehmensübergreifenden wirtschaftlichen Zuordnung entwickelt hat, um die Leistungsbezüge der von Hoheitsträgem eingeschalteten privatrechtliehen Gesellschaften aus der Sicht des Vorsteuerabzugs insoweit unmittelbar dem jeweiligen Hoheitsträger zuzurechnen. 197 Ein Durchgriff auf die hinter den Steuersubjekten stehenden natürlichen oder juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts ergibt folgendes Bild: In den Alternativen (A) und (B) steht hinter der handelnden Struktureinheit (Anstalt des öffentlichen Rechts bzw. Betrieb gewerblicher Art) jeweils der Staat mit seinen Einrichtungen. In der Alternative (C) hingegen sind Gesellschafter der GmbH natürliche Personen des Privatrechts. An der gleichmäßigen Behandlung der von den Steuersubjekten ausgeübten identischen Tätigkeit (Museumsbetrieb) vermag der unterschiedliche Charakter der jeweiligen Zuordnungssubjekte der Alternativen (A)-(C) jedoch nichts zu ändern. In allen drei Fällen nämlich hat der Gesetzgeber eine der Förderung des Allgemeinen Wohls dienende Aktivität als nicht steuerwürdig erachtet, und zwar unabhängig davon, ob die Förderung auf ein staatliches oder auf ein privates Zuordnungssubjekt zurückzuführen ist. 198 Dementsprechend darf es auch in der zur Dis196 Grundsätzlich wird das Steuerobjekt (im vorliegenden Fall das zu versteuernde Einkommen aus dem Museumsbetrieb) dem Steuersubjekt als Steuerschuldner (d.h. dem Hoheitsbetrieb, dem Betrieb gewerblicher Art, der GmbH) zugerechnet, vgl. Lang in Tipke/Lang, § 7 Rz.29. 197 Siehe BFH BStBI. II 1984, 388. 198 Im Bereich der durch öffentlich-rechtliche Struktureinheiten vollzogenen (a priori gemeinwohlwirksamen) Hoheitsverwaltung genießt der Staat der Natur der Sache nach persönliche Steuerfreiheit (Alternative (A)). Dem Betrieb gewerblicher Art wird die Möglichkeit zuerkannt, den sachlichen Steuerbefreiungsgrund der gemeinnützigen Tätigkeit i. S. des § 5 Abs. 1

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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kussionstehenden Alternative (D) letztendlich nicht darauf ankommen, ob sich hinter dem Steuersubjekt GmbH ein privater oder ein hoheitlicher Rechtsträger als Zuordnungssubjekt verbirgt. Als Ergebnis der komparativen Auslegung bleibt festzuhalten, dass die Ansicht einer konstitutionellen Gemeinnützigkeitsunfähigkeit der öffentlichen Hand einem Vergleich mit solchen Sachverhaltslagen, deren rechtliche Beurteilung gesichert ist, letztlich nicht standhält. V. Teleologische Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts 199 1. Die drei Legitimationssäulen des Gemeinnützigkeitsrechts im Überblick

Das Wesen der steuerlichen Gemeinnützigkeit wird seit jeher von drei fundamentalen Wertungsprinzipien beeinflusst, nämlich von einem objektiven und einem subjektiven Element sowie von dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität, die allesamt dogmatisch als tragende Legitimationssäulen des Gemeinnützigkeitsrechts bezeichnet werden können. In objektiver Hinsicht verbirgt sich hinter dem Begriff der Gemeinnützigkeit zunächst die Vorstellung des Gemeinwohls im Sinne einer (staatsentlastenden) Förderung der Allgemeinheit als bezwecktes Produkt der steuerbegünstigten Tätigkeit. In subjektiver Hinsicht verbirgt sich hinter dem Begriff der Gemeinnützigkeit die Vorstellung des Gemeinsinns als besonderer Beweggrund, der durch die Steuervergünstigung prämiert werden soll. 200 Schließlich ist der Gedanke der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts eine weitere tragende ratio legis des Gemeinnützigkeitsrechts, und zwar sowohl was die Einschränkung, aber auch was die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus anbelangt. 201 Vorrangiges Ziel einer Nr. 9 KStG erfüllen zu können (Alternative (B)). Gleiches gilt für die privatrechtliehen Körperschaftsteuersubjekte (Alternative (C)). 199 Dazu allg. Loeser, System des Verwaltungsrechts, § 8 Rz. 59 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff. , 333 ff.; Schmalz, Methodenlehre, Rz. 251 ff.; Bydlinski, Juristische Methodenlehre, S.453 ff. 200 Zu den objektiven und subjektiven Elementen des Gemeinnützigkeitsbegriffs aus historischer Sicht: Kraft, VJSchStFR Bd. 6 (1932), 315ff., 328 ff., 335 ff., 362ff.; Jacoby, Die Gemeinnützigkeit, S. 34 ff.; 63 ff.; Niggli, Gemeinnützigkeit als Steuerbefreiungsgrund, S. 76 ff., 92ff.; aus heutiger Sicht: lsensee, Gemeinwohl und Bürgersinn, S. 33 ff., 57; Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 92 ff.; lsensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S. 344 ff.; Lang, StbJb 1988/89, 251, 257 ff.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 59 f.; in der Kommentarliteratur wird das subjektive Element des Gemeinnützigkeitsbegriffs weitestgehend dem Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkeit zugeordnet, vgl. Fischer in H/H/Sp., §55 AO Rz. 1, 25; Tipke in Tipke/Kruse, §55 AO Tz. 1; Koch/ Scholtz, §52 AO Rz. 2ff.; zur Konkretisierung des Gemeinnützigkeitsbegriffs s. a. Roth, Die steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 45 ff. m. w. N. 201 Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 151 ff.; lsensee/KnobbeKeuk, Minderheitsvotum, S. 405, 441 ff.; Tipke in Tipke/Kruse, § 64 AO Tz. 2; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung gemeinnütziger Körperschaften, S. 116 ff.; Lang, WP-Hdb. 2, Kapitel T Rz. 13; Franz, Grundlagen der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, S. 54; Roth, Die steuerliche Gemeinnützigkeit, S. 133ff.; Kießling/Buchna, Gemeinnützigkeit im Steuer-

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2. Teil: Gemeinnützigkeitsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

teleologischen Interpretation muss es sein, diese leitenden Zwecke und Wertgedanken des Gemeinnützigkeitsrechts daraufbin zu untersuchen, wie sie das Thema der Gemeinnützigkeitsfähigkeit der öffentlichen Hand positiv oder negativ beeinflussen, d. h. danach zu fragen, ob sie die Tatbestandsverwirklichung der Steuervergünstigung durch eine vom Staat und seinen Einrichtungen getragene Körperschaft (zwingend) ausschließen. Grundlage einer solchen Auslegung ist die Erkenntnis der Interessen- und Wertungsjurisprudenz, dass jede Rechtsnorm bzw. jeder Normenkomplex (mindestens) einen Zweck verfolgt, der sich aus der zugrunde liegenden Interessenlage und der Bewertung durch den Gesetzgeber ergibt. 2. Objektives Element der steuerlichen Gemeinnützigkeit

a) Tätigkeitsorientierter Ansatz In objektiver Hinsicht bedarf es zur Rechtfertigung der Steuervergünstigung wegen Gemeinnützigkeit einer bestimmten Verhaltensweise, die als Beitrag zum Gemeinwohl anreiz- und prämienwürdig ist. Der Wortlaut des § 52 Abs. 1 S. I AO drückt diese Forderung nach einer objektiven, im öffentlichen (Gemeinwohl-)Interesse liegenden Betätigung so aus: Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet zu fördern. Der Gesetzgeber hat sich bei der Festlegung dessen, was er als im steuerrechtliehen Sinne objektiv gemeinnützig ansieht, allerdings nicht nur dieser Generalklausel bedient. Er hat darüber hinaus bestimmte Tätigkeiten, die er im dargestellten Sinne als förderungswürdig erachtet, in einem nicht abschließenden Beispielskatalog aufgezählt (vgl. §52 Abs. 2 AO). 202 Dieser Beispielskatalog ist durch das Vereinsförderungsgesetz v. 18.12.1989- entgegen den anders lautenden Vorschlägen der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Überprüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, die eine restriktive, wertorientierte Handhabung des Gemeinnützigkeitsrechts befürwortet hatte 203 - um einzelne "mit dem Sport vergleichbare sinnvolle Aktivitäten" 204 ergänzt und in den Freizeitbereich ausgedehnt worden (§52 Abs. 2 Nr. 4 AO). Eine solche enumerative und zugleich deskriptive gesetzgebensehe Vorgehensweise deutet auf ein objektivtätigkeitsorientiertes Legitimationsverständnis hin. 205 Unter Zugrundelegung eines recht, S.13, 224ff.; Hey, StuW 2000,467, 468ff.; Lang, StuW 1987,221, 240ff.; Lang, DStZ 1988, 18, 24 ff.; zur Bedeutung des Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität aus der Rechtsprechung s.a. BFH BStBI.II 1986, 88f.; 1994,313, 316f.; 573,575. 202 Zur gesetzgebensehen Technik vgl. Tipke in Tipke/Kruse, §52 AO Tz. 6, 11; Koch/ Scholtz, §52 AO Rz. 18; Uterhark in Schwarz,§ 52 AO Tz. 17; Lang, StuW 1987, 221, 231 ff. 203 Unabhängige Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 91 ff., 126ff.; lsensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, S. 365ff.; Zusammenfassung beider Gutachten-Ergebnisse, S. 504. 204 Vgl. Regierungsentwurf zum Vereinsförderungsgesetz BT-Drucks. 11/4176, 4, 8, 9 f. 205 Inwiefern nämlich in der Verfolgung der dort genannten Zwecke (etwa Förderung der Tier- und Pflanzenzucht, des Karnevals, der Kleingärtnerei oder des Modellflugs und des Hun-

C. Begründung der Gemeinnützigkeit des Staates

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solchen tätigkeitsorientierten Legitimationsansatzes darf im Hinblick auf die Gewährung der Steuervergünstigung nicht zwischen "gemeinnützigkeitsfahigen", weil ausschließlich privat getragenen Körperschaften einerseits und "gemeinnützigkeitsunfahigen", weil (ganz oder teilweise) in staatlicher Trägerschaft organisierten Körperschaften andererseits unterschieden werden. Vielmehr gilt es bei der Beantwortung der Frage nach den objektiven Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen allein und entscheidend darauf abzustellen, ob eine Körperschaft i. S. des Körperschaftsteuerrechts (§51 S. 2 AO) mit den von ihr ausgeübten Aktivitäten einen als steuerbegünstigt festgeschriebenen gemeinnützigen Zweck tatsächlich verfolgt. Mit Blick auf einen solchen am Wortlaut des Gesetzes (§§52-54 A0) 206 und am Willen des Gesetzgebers ausgerichteten rein tätigkeitsbezogenen Legitimationsansatz sind also auch staatlich getragene Körperschaften jedenfalls insoweit gemeinnützigkeitsf