Milesische Volksbeschlüsse: Eine Untersuchung zur Verfassungsgeschichte der Stadt Milet in hellenistischer Zeit 9783666251337, 3525251394, 9783525251331


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Milesische Volksbeschlüsse: Eine Untersuchung zur Verfassungsgeschichte der Stadt Milet in hellenistischer Zeit
 9783666251337, 3525251394, 9783525251331

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H Y P O M N E M A T A H E F T 47

HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR ANTIKE U N D ZU I H R E M N A C H L E B E N

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse Christian Habicht / Günther Patzig / Bruno Snell

Heft 47

VANDENHOECK & R U P R E C H T IN

GÖTTINGEN

HELMUT

MÜLLER

Milesische Volksbeschlüsse Eine Untersuchung zur Verfassungsgeschichte der Stadt Milet in hellenistischer Zeit

V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Müller, Helmut Milesische Volksbeschlüsse: e. Unters, zur Verfassungsgeschichte d. Stadt Milet in hellenist. Zeit. (Hypomnemata; H. 47) ISBN 3-525-25139-4

© Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1976 — Printed inGermany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Herstellung: Hubert & Co., Göttingen

VORWORT

Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1972 von der Fakultät für Orientalistik u n d Altertumswissenschaft der Universität Heidelberg als Inauguraldissertation angenommen. Die Überarbeitung für den Druck beschränkte sich im wesentlichen auf Einfügung und Diskussion inzwischen erschienener wissenschaftlicher Literatur. Prof. Dr. Peter Herrmann, Prof. Dr. Louis Robert u n d Chaido Chrysanthaki-Koukouli haben mir freundlicherweise Einsicht in unpublizierte Inschriften gewährt u n d deren Verwendung gestattet. Prof. Dr. Gerhard Kleiner hat mir einen längeren Aufenthalt in Milet ermöglicht. Den Herausgebern der HYPOMNEMATA bin ich für Aufnahme der Arbeit in diese Reihe, der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts und ihrem Vorsitzenden, Prof. Dr. Edmund Buchner, für eine namhafte Druckkostenbeihilfe verpflichtet. Prof. Dr. Fritz Gschnitzer verdanke ich mannigfaltige Ratschläge. Mein Dank gilt jedoch in besonderem Maße meinem Lehrer, Prof. Dr. Christian Habicht, der mich von Studienbeginn an in jeglicher Hinsicht unterstützt und die vorliegende Untersuchung stets kritisch gefördert hat. Auf J e a n n e u n d Louis R o b e r t geht Anregung u n d Ermutigung zu einer neuerlichen Beschäftigung mit den milesischen Inschriften der hellenistischen Zeit zurück. Wieviel ich ihrer Unterweisung u n d nie erlahmenden Hilfsbereitschaft verdanke, vermag wohl nichts besser zu zeigen als die hieraus erwachsene Arbeit. Sie möge darum als ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit gelten. Heidelberg, Dezember 1974

5

INHALTSÜBERSICHT

Vorwort

5

Abkürzungsverzeichnis

8

I. Einleitung

11

II. Synhedroi

20

III. Prytanen und Sicherheitsbeauftragte a) Prytanen b) Sicherheitsbeauftragte c) Prytanen und Sicherheitsbeauftragte d) Prytanen und Sicherheitsbeauftragte als Antragsteller .

29 29 39 43 49

IV. Rat und Volk

58

V. Epistatai

59

VI. Zusammenfassung und Ausblick

84

Synoptische Zusammenstellung der milesischen Dekretpräskripte hellenistischer Zeit

93

Register der behandelten Stellen

94

7

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

a) Zitierweise

der

Inschriften

Milesische Inschriften werden grundsätzlich an erster Stelle nach der laufenden Nummer der Milet- bzw. Didyma-Publikation zitiert. Zur besseren Orientierung des Lesers werden bei den Inschriften, die nicht im Delphinion-Bande enthalten sind, die Titel der entsprechenden Bände in Kurzform angegeben: (Delphinion) = Milet, Ergebnisse der Ausgrabungen u n d Untersuchungen seit dem J a h r e 1899, herausgegeben von Th. Wiegand, Band I, H e f t 3: Das Delphinion in Milet, von Georg Kawerau und Albert Rehm (1914). Didyma = Theodor Wiegand, Didyma, zweiter Teil: Die Inschriften, von Albert Rehm, herausgegeben von R. Härder (1958). Rathaus = Milet, Ergebnisse . . . Band I, H e f t 2: Das Rathaus von Milet, von H. K n a c k f u ß , m i t Beiträgen von C. Fredrich. Th. Wiegand, H. Winnefeld (1909). Südmarkt = Milet, Ergebnisse . . . Band I, H e f t 7: Der Südmarkt u n d die benachbarten Bauanlagen, von H. Knackfuß, mit einem epigraphischen Beitrag von A. Rehm (1924). Thermen und Palaestren = Milet, Ergebnisse . . . Band I, Heft 9: Thermen und Palaestren, von A. v. Gerkan und F. Krischen, mit Beiträgen von F. Drexel, K. A. Neugebauer, A. Rehm und Th. Wiegand (1928). Andere, auch zeitlich vorhergehende Editionen sind jeweils dahinter angegeben: OGI = W. Dittenberger, Orientis Graeci Inscriptiones Selectae (1902—1905). Staatsverträge III = H a t t o Hans S c h m i t t , Die Staatsverträge des A l t e r t u m s , dritter Band (1969). Syll. = W. Dittenberger, Sylloge Inscriptionum Graecarum, dritte Auflage, herausgegeben von Fr. Hiller von Gaertringen, J . Kirchner, J . Pomtow und E. Ziebarth ( 1 9 1 5 - 1 9 2 1 ) .

b) Wissenschaftliche

Literatur

G. Busolt, Staatskunde I = Georg Busolt, Griechische Staatskunde 3 , 1. Hälfte (Handbuch der Altertumswissenschaft IV.1.1.1. [1920]). G. Busolt — H. Swoboda, Staatskunde II = Georg Busolt, Griechische Staatskunde 2. Hälfte, bearbeitet von Heinrich Swoboda (Handbuch der Altertumswissenschaft IV.1.1.2. [1926]).

8

Ph. Gauthier, Symbola = Philippe Gauthier, Symbola, Les étrangers et la justice dans les cités grecques (1972). F. G Schnitzer, RE Prytanis = Fritz Gschnitzer, RE Suppl. XIII (1973), Sp. 7 3 0 816 s.v. Prytanis. W. Günther, Didyma = Wolfgang Günther, Das Orakel von Didyma in hellenistischer Zeit. Eine Interpretation von Stein-Urkunden. = Istanbuler Mitteilungen, Beiheft 4 (1971). B. Haussoullier, Milet = Bernard Haussoullier, Études sur l'histoire de Milet et du Didymeion (1902). D. Magie, Roman Rule = David Magie, Roman Rule in Asia Minor to the End of the Third Century after Christ (1950). A. Rehm, Delphinion = siehe unter a) Delphinion. A. Rehm, Didyma = siehe unter a) Didyma. P. J . Rhodes, Boule = P. J . Rhodes, The Athenian Boule (1972). L. Robert, Laodicée du Lycos = Laodicée du Lycos, Le nymphée, par J . des Gagniers u n d anderen, 5 è m e partie, Les inscriptions, par Louis Robert, S. 2 4 7 - 3 8 9 (1969). L. Robert, Opera Minora = Louis Robert, Opera Minora Selecta I — III (1969). H. H. Schmitt, Staatsverträge III = siehe unter a) Staatsverträge III H. Swoboda, Volksbeschlüsse = Heinrich Swoboda, Die griechischen Volksbeschlüsse (1890). Ad. Wilhelm, Neue Beiträge VI = Adolph Wilhelm, Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde, Sechster Teil = Sb. Ak. Wien 183, phil.-hist. Klasse (1921). E. Ziebarth, Schulwesen 2 = Erich Ziebarth, Aus dem griechischen Schulwesen, Eudemos von Milet und Verwandtes, zweite Auflage (1914).

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I EINLEITUNG

Für den Verfassungszustand eines Staates ist charakteristisch die Art und Weise, in der sich die Gemeinschaft selbst Normen setzt und konkrete Fragen des innerstaatlichen und internationalen Zusammenlebens zu regeln sucht. Heinrich Swoboda hatte es in seinem bahnbrechenden Werk „Die griechischen Volksbeschlüsse" (1890) unternommen, den Vorgang des legislativen Verfahrens in den griechischen Städten aufzuhellen u n d umfassend darzustellen. Dieser brillante Beitrag zur Erkenntnis des Wesens der griechischen Stadt ist auch heute nicht ersetzt, als Standardwerk gilt er weithin als kanonisch. Dies hat zur Folge, daß zwar die inhaltlichen ßestimmungen griechischer Volksbeschlüsse meist eindringlich untersucht werden, der Art ihres Entstehens aber gemeinhin nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet oder diese durch einen Verweis auf Swoboda abgegolten wird. Seit der Zeit Swobodas hat sich jedoch das inschriftlich überlieferte Urkundenmaterial dank Streufunden und einer regen Ausgrabungstätigkeit um ein Vielfaches vermehrt. Swoboda war für die meisten griechischen Städte eine eingehende Spezialuntersuchung verwehrt geblieben, da ihm nur eine verschwindend geringe Anzahl von Volksbeschlüssen zur Verfügung stand. Im Falle einiger weniger Städte hat sich jedoch die Quellenlage von Grund auf gewandelt, da nun eine verhältnismäßig große Zahl von Dekreten bekannt ist. Zu diesen Städten zählt Milet. Besonders die Ausgrabung des Heiligtums des Apollon Delphinios hat zahlreiche Beschlüsse der hellenistischen Zeit zu Tage gebracht, vorzüglich zwischenstaatliche Abmachungen und anderweitige Regelungen von allgemeinem Staatsinteresse. Da eine Untersuchung der Verfahrensweise beim Zustandekommen der Volksbeschlüsse einer Stadt einer ausreichenden Zahl von Dokumenten bedarf, ist die Beschränkung der vorliegenden Arbeit auf die hellenistische Zeit vornehmlich durch die Quellenlage bestimmt. 11

Es soll im folgenden anhand der Volksbeschlüsse untersucht werden, welche Möglichkeiten in Milet in der hellenistischen Zeit zu politischer Initiative gegeben waren, von wem diese ausgehen konnte und welche von der Verfassung vorgesehenen Mechanismen den Gang des Verfahrens bestimmten. Dies bedeutet im Konkreten, daß die Aufgabe und Rolle der an Antragstellung und Beschlußfassung beteiligten Individuen und Gremien zu bestimmen sein wird. Hierbei wird gleichzeitig zu fragen sein, ob die verfassungsmäßigen Vorschriften während des zu behandelnden Zeitraumes konstant blieben oder ob und wie weit sie Eingriffen ausgesetzt und allgemeinen, nicht auf Milet beschränkten Entwicklungstendenzen unterworfen waren. Das Ziel der Untersuchung ist mithin, Kenntnisse über die in der Stadt Milet gültigen Verfahrensweisen zu gewinnen. Es wird sich erweisen, daß diese sich in gewichtigen Fragen nicht mit den von Swoboda vertretenen Ergebnissen in Einklang bringen lassen. Darum ist mit der Vorlage dieser Arbeit die Hoffnung verbunden, daß die aus den milesischen Volksbeschlüssen gewonnenen Einsichten als Anregung dienen möchten, dem hier behandelten Fragenkreis im größerem Maße die ihm zukommende Beachtung zuteil werden zu lassen und den Anstoß zu Einzeluntersuchungen vergleichbarer Zielsetzung zu geben. Nur auf einer solchen Grundlage wird eine umgreifende Neubetrachtung möglich sein. Die Dekrete selbst sind in ihrer Entstehungsweise und in ihrem Inhalt unslöslich mit der historischen Situation verknüpft, aus der sie entstanden sind. Andererseits sind viele Begebenheiten auch der allgemeinen Geschichte allein aus ihnen bekannt. Dies gilt in besonderem Maße für das hellenistische Milet. Aus diesen Gründen, sowie zur leichteren Orientierung des Lesers, sei der U n t e r s u c h u n g ein skizzenhafter Abriß der hellenistischen Geschichte Milet vorangestellt1. 1

Der Aufgabe dieser Zusammenfassung entsprechend wurde darauf verzichtet, Tatsachen, die allgemein bekannt sind und die zu den gesicherten Ergebnissen der Wissenschaft zählen können, im Einzelnen zu belegen. Dementsprechend erübrigt sich auch ein Hinweis auf die einschlägigen Handbücher und Gesamtdarstellungen. Nur bei einzelnen kontroversen Fragen ist klärende und weiterführende neuere Literatur angegeben oder auf entsprechende Abschnitte dieser Untersuchung verwiesen worden. Hingewiesen sei jedoch auf folgende Darstellungen der Geschichte Milets in hellenistischer Zeit: B. Haussoullier, Stüdes sur l'histoire de Milet et du Didymeion (1902), ein seinerzeit grundlegendes Buch zu mannigfachen Problemen der hellenistischen Geschichte, das

12

Diese Geschichte beginnt mit der E r o b e r u n g der Stadt d u r c h Alexander im Jahre 334 und der darauf folgenden Erklärung ihrer Freiheit durch den makedonischen König. Während der Wirren der zehn J a h r e , die auf Alexanders T o d folgen, gerät Milet u n t e r die direkte Herrschaft des Satrapen von Karien Asandros. Als dessen Gegner Antigonos Monophthalmos im Jahre 314 die Stadt erobert, bedeutet ihr das die Rückgewinnung von Freiheit, Autonomie und Demokratie; ein Ereignis, das der Stadt als Epochendatum gilt. Die Oberhoheit des Antigonos und seines Sohnes Demetrios überdauert sogar den Tod des Antigonos in der Schlacht von Ipsos (301) und den daraus resultierenden Zerfall seines Reiches. Demetrios gelingt es nämlich, seine Herrschaft über Milet u n d andere kleinasiatische Küstenstädte bis weit in das erste Jahrzehnt des dritten J h . aufrechtzuerhalten. Bemerkenswert ist, daß schon zu dieser Zeit die seleukidische Königsfamilie enge Beziehungen zu Milet knüpft. Im J a h r e 300/299 geht von Seleukos I. und seinem Sohn Antiochos der Anstoß zum Wiederaufbau des Heiligtums und des Tempels des Apollon von Didyma in großem Stil aus. Reiche Spenden u n d Stiftungen sorgen für die finanzielle Deckung des Unternehmens. Wann genau die Oberhoheit des Demetrios Poliorketes endet und die Herrschaft des Lysimachos an ihre Stelle tritt, ist u n b e k a n n t . Es ist immerhin wahrscheinlich, daß Ptolemaios I. im Jahre 294 die Stadt in seine Gewalt gebracht und sie darauf dem Lysimachos abgetreten h a t 2 . Auf jeden Fall ist Milet 289/88 im Besitz des Lysimachos, da die Stadt in diesem Jahre durch den Ionischen Bund zur Ausführung von Ehrenbeschlüssen für Hippostratos verpflichtet wird, den Gouverneur des Lysimachos für die ionischen Städte. Im Jahre 287 aber nimmt Demetrios Milet zur Ausgangsbasis seines letzten Zuges ins Innere Kleinasiens, der ihn in die Gefangenschaft von Seaber durch die Funde der deutschen Grabungen in Milet und Didyma in vielen Fragen überholt ist. Knapp zusammengefaßt und vorzüglich sind die Erläuterungen A. Rehms zu den Stephanephorenlisten, Delphinion S. 260—275 und seine Kommentare zu den einzelnen Inschriften. Nur mit großer Vorsicht ist der RE-Artikel Miletos (Geschichte) [1932] Sp. 1 6 0 2 - 1 6 1 5 von Fr. Hiller von Gaertringen zu benutzen, denn dieser gibt zwar die großen Linien korrekt wieder, ist jedoch in vielen Einzelheiten voll eklatanter Fehler und Widersprüche. In großer Ausführlichkeit hat jüngst W. Günther, Das Orakel von Didyma in hellenistischer Zeit (1971) besonders die Geschichte der Stadt im dritten Jh. dargestellt (vgl. die Bemerkungen von J. u. L. Robert, Bull, epigr. 1972, 403). 2 Vgl. unten S. 74f., Anm. 48.

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leukos I. führen sollte. Für Milet bedeutet sein Scheitern die Rückkehr unter die Herrschaft des Lysimachos; zur Strafe für den Abfall muß die Stadt dem König eine Kontribution von solcher Höhe entrichten, daß sie ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigt und sie sich an die Bewohner des befreundeten Knidos um Hilfe wenden muß (282)3. Der wenig später (281) erfolgte Sieg Seleukos' I. über Lysimachos bei Kurupedion bringt einen erneuten Wechsel des Oberherrn mit sich, und so bekleidet nach der Ermordung des Seleukos sein Sohn und Nachfolger Antiochos I. im Jahre 280/79 das Amt des Stephanephoren. Dieselbe Liste, der dieser Tatbestand zu entnehmen ist, berichtet jedoch schon im folgenden Jahr von einer Landschenkung des ägyptischen Königs Ptolemaios II. an die Stadt. Diese muß also ein weiteres Mal den Herrn vertauscht haben, „die Herrschaft der Seleukiden ist gar nicht effektiv geworden" 4 . Gegen Ende der 60er Jahre ist das ptolemäische Milet — wahrscheinlich makedonischen — Angriffen zu Lande und zu Wasser ausgesetzt, die j e d o c h abgewehrt werden können. Es ist bekannt, daß zur Zeit dieser Ereignisse der rätselhafte Thronfolger Ptolemaios ö uiös sein Hauptquartier in Milet hatte. Wohl in Zusammenhang mit dessen Tod in Ephesos kann ein gewisser Timarchos in Milet eine Tyrannis errichten 5 . Dieses Regiment stürzt Antiochos II. im Jahre 259/8, wofür er von den Milesiern als Antiochos $eöc geehrt wird. Auch diese Befreiung wird in Milet als der Beginn einer neuen Epoche gewertet. Unter der Hoheit der syrischen Könige steht die Stadt noch bei Regierungsantritt Seleukos' II. (246). Milet nämlich gratuliert dem neuen Herrscher zu diesem Ereignis und erfährt dafür als Gegenleistung weitere Vergünstigungen. — Das außenpolitische Schicksal Milets in der Folgezeit ist dunkel. Die Inschrift von Adulis verkündet zwar, Ptolemaios III. habe auch Ionien erobert 6 , woraus oft eine erneute ptolemäische Herrschaft über Milet erschlossen wurde. Dem steht jedoch entgegen, daß die erhaltenen internationalen Abmachungen Milets aus dem Vgl. unten S. 64f. und S. 73ff. U. v. Wilamowitz, GGA 1914 S. 85 = Kleine Schriften V I S . 439. 5 Vgl. neuerdings J . Crampa, Labraunda, The Greek Inscriptions I (1969) S. 97—120, dessen Rekonstruktion der Karrieren des Timarchos und des Ptolemaios allerdings nicht zufriedenstellen kann, vgl. Chr. Habicht, Gnomon 1972 S. 168ff. « OGI 54 Z. 14. 3

4

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letzten Drittel des dritten J h . — vorzüglich Isopolitieverträge, durch die Milet sich mit Städten der näheren und weiteren Umgebung verband — keine Spur einer fremden Oberherrschaft erkennen lassen, sondern ganz im Gegenteil von einer unbeschränkten außenpolitischen Bewegungsfreiheit der Stadt zeugen. Zu alledem kann noch als sicher gelten, daß Milet zur Zeit des kleinasiatischen Feldzuges Philipps V. (dazu siehe unten) nicht mehr ptolemäisch war 7 . Seit einem unbekannten Zeitpunkt in der zweiten Hälfte des dritten J h . verbindet Milet auch ein Asylievertrag mit dem Aitolischen Bund. Ob Milet in irgendeiner Weise von den Auswirkungen der kleinasiatischen Expedition des Antigonos Doson nach Karien ( 2 2 8 ) 8 betroffen wurde, ist nicht zu erweisen, ebenso nicht, ob die zweimalige Massenaufnahme kretischer Söldner in die milesische Bürgerschaft (228/7 und 223/2) durch dieses Ereignis bedingt ist 9 . Die kretischen Neubürger werden auf dem Gebiet des von Milet aufgesogenen Myus 1 0 angesiedelt; auf dieses Territorium erhebt jedoch auch die Nachbarstadt Magnesia am Mäander Ansprüche. Obwohl nach der Seeschlacht bei Lade ( 2 0 1 ) in Milet freundlich empfangen, spricht Philipp V. das strittige Gebiet den Magneten zu. Nach dem fluchtartigen Abzug des Königs aus Kleinasien zieht diese seine Entscheidung einen Krieg zwischen Milet und Magnesia nach sich, an dem sich auf Seiten Milets Herakleia am Latmos, auf Seiten Magnesias Priene als Verbündete beteiligen. Letztere Stadt liegt schon seit längerem mit Milet wegen der Ausfahrt aus der Mäandermündung im Streit. Im Jahre 196 kann Rhodos einen Friedenskongreß herbeiführen, als dessen Ergebnis das umkämpfte Gebiet von Myus geteilt wird. Die Neuordnung Kleinasiens nach dem Antiochoskrieg durch Manlius Vulso im Jahre 188 bringt Milet in diesem Raum — offenbar auf Kosten der Magneten — weiteren Gebietszuwachs. 7 Vgl. zu dieser Auffassung jetzt Ph. Gauthier, Symbola S. 2 6 6 Anm. 1 6 0 : „ L a cité semble dégagée de toute sujétion lagide dès la 3 e guerre de Syrie . . .; aucun document ne permet de songer à une domination lagide jusqu' à la fin du III e siècle." 8 Dazu vgl. Crampa a. O. S. 123—126. Im Anschluß an Crampa hat H. Bengtson, Die Inschriften von Labraunda und die Politik des Antigonos Doson, SB München ( 1 9 7 1 ) III, den Versuch unternommen, die karische Expedition des Makedonenkönigs im Rahmen der politischen Situation der Zeit zu erklären. 9 Vgl. hierzu M. Launey, Recherches sur les armées hellénistiques II ( 1 9 5 0 ) S. 6 6 0 - 6 6 4 . 10

Zum Folgenden vgl. P. Herrmann, Ist. Mitt. 15 ( 1 9 6 5 ) S. 9 3 - 9 6 .

15

Bedeutsamer ist, daß der Stadt in der Friedensregelung von Apameia auf Grund ihres rechtzeitigen Übertritts auf die römische Seite Freiheit und Autonomie gewährt wird. Diesen bevorzugten Status kann die Stadt bis zum Ende des 1. mithridatischen Krieges bewahren. Sein Territorium kann Milet durch die Inkorporation des Städtchens Pidasa auch bis in die Region jenseits des Griongebirges ausdehnen. Grenzstreitigkeiten, sowie wahrscheinlich diese neue Entwicklung lösen eine kriegerische Auseinandersetzung mit Herakleia am Latmos aus, die um 180 durch einen Kompromiss beigelegt wird. Die Aussöhnung der früheren Verbündeten wird durch die wechselseitige Verleihung des Bürgerrechtes bekräftigt. Im Verlauf der ersten Hälfte des zweiten J h . tritt das mit Rhodos, der Vormacht des südlichen Kleinasiens, verbündete Milet in enge freundschaftliche Beziehungen zum Königshaus der Attaliden, der Beherrscher des nördlichen Teiles von Westkleinasien. Besonders Eumenes II. erwirbt sich durch Stiftungen hohe Verdienste um die Stadt 1 1 . Auch die Verbindungen zum seleukidischen Hof werden durch den milesischen Staatsmann Eirenias 12 und die aus Milet stammenden Granden Antiochos' IV., Timarchos und Herakleides, neu aktiviert. Wahrscheinlich um 130 beschließt die Stadt einen Kult des Römischen Volkes u n d der G ö t t i n R o m a , von welchem die Bestimmungen der Kultsatzung weitgehend erhalten sind. Der konkrete Anlaß dieser h o h e n Ehrung Roms, d. h. die zugrundeliegenden Verdienste der Römer um die Stadt zu diesem Zeitpunkt, bleibt jedoch ungewiß. Man wird etwa an die ausdrückliche Bestätigung der Freiheit der Stadt nach der Einrichtung der Provinz Asia zu denken haben, vielleicht sogar in Form eines foedus 1 3 .

11

Vgl. P. Herrmann a.O. S. 1 0 3 - 1 1 7 . Vgl. P. Herrmann a.O. S. 7 6 - 9 0 , bes. S. 76f. 13 Es hat den Anschein, als seien vorzüglich in jenen Fällen dem Römischen Volk als politischer Abstraktion und der Roma von griechischen Gemeinden kultische Ehren erwiesen worden, in denen sich nicht ein Feldherr oder Statthalter, sondern der Senat und das römische Volk in seiner Gesamtheit in hervorragender Weise um die jeweilige Gemeinde verdient gemacht hatten. Diese Voraussetzung ist immer dann ganz besonders gegeben, wenn der betreffenden Stadt ein foedus zuteil wurde. 12

16

Im 1. mithridatischen Krieg schließt sich jedoch auch Milet dem pontischen König an, der im Jahre 86/5 das Amt des Stephanephoren bekleidet. Darüber geht Milet nach dem Rückzug des Mithridates durch den Spruch Sullas seiner Freiheit verlustig. Erst 39/38 kann diese durch Vermittlung des Antonius wiedergewonnen werden 1 4 . Mit dessen Niederlage bei Aktium und der daraus folgenden Alleinherrschaft Octavians über das römische Reich endet die Geschichte Milets als hellenistischer Stadt. Wenn nun das legislative Verfahren in der Stadt Milet während dieses Zeitraumes betrachtet werden soll, so ist auszugehen von den Präskripten der Volksbeschlüsse, denn das Präskript „bezeugt das legale Z u s t a n d e k o m m e n eines Volksbeschlusses u n d unterrichtet uns, wenigstens in seiner ausgebildeten Gestalt, über die Factoren, welche an diesem Zustandekommen m i t w i r k t e n " 1 5 . Freilich darf man sich den Angaben der Präskripte nicht blindlings anvertrauen. Zu beachten ist hier vorzüglich das von den heutigen Gewohnheiten völlig verschiedene Verhältnis der Griechen zu aktenmäßiger Aufzeichnung. Vorstellungen, die aus der vertrauten Arbeitsweise bürokratisch geordneter neuzeitlicher Kanzleien geläufig sind, dürfen nicht als selbstverständlich angenommen und ohne weitere Prüfung auf antike griechische Verhältnisse übertragen werden. Die Ausformung der Präskripte griechischer Volksbeschlüsse ist redaktionellen Zufällen wie auch Moden ausgesetzt. Um diese erkennen und beurteilen zu können, muß der Versuch unternommen werden, die dem Aufzeichnungsvorgang zugrundeliegenden Kategorien herauszuarbeiten. Soll dies erreicht werden, darf sich die Untersuchung nicht auf eine Aufschlüsselung der einzelnen Präskripte in ihre Bestandteile beschränken, sie muß vielmehr versuchen, darüberhinaus aus dem Inhalt der Beschlüsse Hinweise auf ihr Zustandekommen zu gewinnen. Es wird darum bei den folgenden Interpretationen vorausgesetzt, daß eine Übereinstimmung der Redaktion der Präskripte mit dem Verfahren beim Zustandekommen der Dekrete immer dann allgemein angenommen werden kann, wenn sich diese Übereinstimmung aus dem Inhalt eines oder mehrerer Beschlüsse nachweisen läßt und das übrige inschriftliche Material sich dem so gewonnenen Bild des Vorganges i" Siehe unten S. 82 mit Anm. 72. 15

H. Swoboda, Volksbeschlüsse S. 24.

2 Müller, Volksbeschlüsse

17

widerspruchslos einordnet. Auf dieser Grundlage werden sich dann gewisse Regeln ausmachen lassen, die der Aufzeichnung von Dekretpräskripten in Milet zugrundelagen und ihr Wandel im Ablauf der zu untersuchenden Epoche, — daneben aber eben auch Wandel und Verschiedenheit der Verfahrensmodi. Fehler in der Abfassung der Präskripte werden zuweilen gewiß auch festzustellen sein; manches Präskript wird immer unverständlich bleiben müssen 16 . Folgende Charakteristika der milesischen Dekrete sind vorab festzuhalten: Die meisten Beschlüsse sind in der Form reiner Volksdekrete auf Stein aufgezeichnet worden, d. h. ohne daß in ihrem Präskripten ein Mitwirken des Rates vermerkt wäre 1 7 . Dies lehrt die Sanktionsformel e'8o£e robi drißcoi, der im Sanktionierungsantrag e\jjr]iodai MTXRJATOK, 8e8öx&ai MIX^CTIOI? oder 5E5ÖX#AI RCÖI 5iißu>i gegenübersteht. Vergleichsweise wenige Beschlüsse sind in der uns erhaltenen Ausfertigung als Beschlüsse von Rat und Volk gekennzeichnet durch die übliche Formel eöo£e rrji ßovXr)L Kai rcöt 8rißcoi18Allein in Didyma 4 8 0 (Ehrung der Apame) respondiert im Antrag 8e8öx&ai T7}i ßov\f]i Kai tüi 8rjßcot, sonst stehen auch hier die oben genannten allgemeinen Formeln 8e8öx&üi oder ei//Tj0(.'a#at MiX^atoi?19Als Ratsbeschluß aufgezeichnet (e'5o£e rrji ßovXfji) wurde der Beschluß über die Ehren des Hippostratos 20 und der Beschluß über die Feierlichkeiten aus Anlaß des Geburtstages von Eumenes II. 2 1 , auch wenn in diesem Fall der Sanktionierungsvermerk nicht erhalten ist. 1 6 Als hervorragendes Beispiel einer auf vergleichbaren methodischen Voraussetzungen fußenden Arbeitsweise kann jetzt die Untersuchung der athenischen Volksbeschlüsse genannt werden, die P. J . Rhodes, The Athenian Boule ( 1 9 7 2 ) S. 52—87 vorgelegt hat. Besonders hervorzuheben sind seine Bemerkungen zur Abgrenzung zwischen probuleumatischen und „reinen" Volksdekreten a.O. S. 68 und 78. Enttäuschend und ohne Gewinn in Vorgehen und Ergebnis ist das Werk von R. A. de Laix, Probouleusis at Athens. A Study of Political Decision-Making ( 1 9 7 3 ) . Vgl. zu den Büchern von Rhodes und de Laix die zusammenfassende Betrachtung von Ph. Gauthier, R E G 8 6 ( 1 9 7 3 ) S. 4 5 6 - 4 6 1 . 1 7 Vgl. für das Folgende die unten S. 9 3 beigegebene chronologische Liste der milesischen Dekretpräskripte. 1 8 3 2 ; Didyma 4 8 0 ; 1 4 2 ; 1 3 9 B; 1 4 6 ; Syll. 5 9 0 . 1 9 Aus diesem Grunde können diese Formeln allein keinen Aufschluß über den Gang des Verfahrens vermitteln. 2 0 Rathaus 10 Z. 32 (Syll. 3 6 8 ) . 2 1 Didyma 4 8 8 Z 3f. So M. Holleaux, Etudes d'epigraphie et d'histoire grecques II 1 7 2 .

18

F e s t z u h a l t e n ist v o r allem die h e r v o r r a g e n d e R o l l e v o n Kollegien oder Kommissionen, die in den meisten Fällen bei der Antragstellung mitwirken. Ihre Beteiligung wird durch die F o r m e l yucbßrj

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hinzu. Es

wird vordringlich die Aufgabe zu untersuchen sein, die diesen Körperschaften im legislativen Verfahren zukam und ihre Stellung in Bezug a u f die b e r a t e n d e n u n d b e s c h l i e ß e n d e n V e r s a m m l u n g e n v o n R a t und V o l k 2 2 . Das heißt, es ist der Frage nachzugehen, welche Kompetenz sich jeweils hinter der yvojfir)-Formel verbirgt. D a an den m e i s t e n Beschlüssen, seien sie n u n der inschriftlichen R e d a k t i o n zufolge v o n Bule und D e m o s o d e r vom Volk allein sankt i o n i e r t , eines dieser K o l l e g i e n m a ß g e b l i c h m i t w i r k t u n d das Verfahren sich o f f e n k u n d i g in d i e s e m P u n k t e u n t e r s c h e i d e t , wird die U n t e r s u c h u n g v o n diesen Beschlüssen ausgehen. 2 2 Insoweit ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung identisch mit dem Francis W. Schehls, „Probouleutic Commissioners in Miletus during the Hellenistic Period" in TAPA 82 (1951) S. 1 1 1 - 1 2 6 . Der Verfasser sagt einleitend, daß in seiner Studie „an attempt is made to define more clearly than has been done the spheres of authority of the synhedroi and epistatai, who frequently appear in Milesian inscriptions" (111). Schehl referiert die vor ihm geäußerten Forschungsmeinungen (worauf hier hingewiesen sei) und geht dann zu einer systematischen Behandlung der Präskripte der Dekrete hellenistischer Zeit über. Diese gruppiert er nach Dekreten 1) von Bule und Demos, 2) des Demos allein, und 3) der Bule allein. Eine Anordnung des Quellenmaterials nach diesen Prinzipien ist zwar gewiß vertretbar und kann auch fallweise nützlich sein, doch ist sie hier weder die naheliegende noch die angebrachte, wo es gilt, das Wesen der Synhedroi und Epistatai zu ermitteln, denn sie geht nicht von diesen aus, sondern von den beschlußfassenden Versammlungen. Da Schehl nur innerhalb seiner Gruppen 1), 2) und 3) chronologisch ordnet, mußten ihm Entwicklungen und Veränderungen der Verfassung weitgehend verborgen bleiben. Hinzu kommt, daß Schehl dazu neigt, die von ihm untersuchten Präskripte isoliert und gleichsam abstrakt zu betrachten und darum Hinweise auf den Verfahrensgang, die aus dem Inhalt der Beschlüsse zu entnehmen sind, zu übersehen. Da Schehl aus demselben Grund das wichtigste Zeugnis über die Synhedroi entgangen ist, vermag er deren Rolle nicht klar zu erkennen. Es wird sich erweisen lassen, daß bei diesen gar nicht von einer „sphere of authority" gesprochen werden kann, woraus folgt, daß es müßig ist, den Aufgabenbereich der Synhedroi und der Epistatai scheiden zu wollen.

19

II

SYNHEDROI

In der chronologischen Reihe der erhaltenen Dekrete hellenistischer Zeit stehen am Anfang Beschlüsse des Typs 'Eöo£e Tibi Srißcoi1 yvcbpri ovvebpiov ö 8ea>a eiirev1, oder ö Setw TOV 8eivo Kai npvTcweojv KCU TÜV R\ißri}pevcüv eiri rfjt [TeAe](x#Tji TO 8e8ojßevo[V, 2eXeii/c[ou] rov ßaoikecos

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E]irLypaETA>oav [ 'AV]TLOXOV TOP [TTß]eaßvraT0v

d[mre#ei]Kora.

Der

Bau d e r H a l l e w i r d v o n d e n B e a u f t r a g t e n des A n t i o c h o s d u r c h g e f ü h r t 4 . N a c h deren Fertigstellung sollen die j e w e i l i g amtierenden Prytanen im V e r e i n mit den T a m i a i die Einkünfte, d i e die Halle a b w i r f t , einnehmen, auf ein S o n d e r k o n t o überweisen 5 und die S u m m e n einem ¡XLodoJTiis übergeben 6 , der seinerseits die Verpachtung der Bauarbeiten in D i d y m a 7 z u übernehmen hat. W e n n „ d a s Beschlossene" ( r ö 5e5o-yßevov)

vollendet sein wird, sollen dieselben Kollegien es mit einer Weih-

inschrift versehen, die A n t i o c h o s , den ältesten Sohn des K ö n i g s Seleukos, als d e n W e i h e n d e n vorstellt. M i t d e m „ b e s c h l o s s e n e n " B a u w e r k muß die Halle in der Stadt angesprochen g e w e s e n sein, da über einen Beschluß b e t r e f f e n d die Bauarbeiten in D i d y m a im v o r l i e g e n d e n Psephisma nicht gehandelt w i r d . Dieses zeigt im G e g e n t e i l , daß noch n i c h t e n t s c h i e d e n ist, für w e l c h e B a u a r b e i t e n i m H e i l i g t u m d i e anf a l l e n d e n G e l d b e t r ä g e v e r w e n d e t w e r d e n s o l l e n 8 , der z i t i e r t e Passus

Das zeigt Z. 17f., wo bestimmt wird, daß diese den Ort für die Errichtung der Stoa benennen sollten, gemeinsam mit dem städtischen Architekten (nicht mit einem speziell zu diesem Zweck bestimmten, wie B. Haussoullier, Milet S. 45 und Günther, Didyma S. 31 glauben, sondern mit dem amtierenden Stadtarchitekten, richtig R. Martin, l'urbanisme dans la Grèce antique [1956] S. 55): ôeôôo&ai 8è awtoi [elç TT)V oroàv] TOV TOTTOV, ÔV ca> à àpxiTénTCJv [ô fjtpr?]juéi^oç] liera TCJV àvhpûv, oiç -npooTé[Taxep] 'AVTÎOXOÇ, àiro8eé%vi. Zu der Tätigkeit königlicher Bauhütten, insbesondere solcher der Attaliden, vgl. L. Robert, Études Anatoliennes (1937) S. 84ff. 5 Zu naTardooeiV vgl. J. u. L. Robert, Hellenica IX (1950) S. 16. « Dazu vgl. Ad. Wilhelm, Neue Beiträge V I (1921), S. 56. Wilhelm meint a.O., die Vergabe durch einen (UOÛcjTriÇ erfolge „wie jede andere von Staats wegen vorgenommene /niaiîcj(71Ç", und scheint so Z. 23 [Kat?]on OP TCOl 8f)ßOJL §OKÎj[l] verstehen zu wollen. Besagt die Formel das wirklich? — Das Volk behält sich nähere Ausführungsbestimmungen der ßioßtOOK bis zu dem Augenblick vor, in dem beschlossen wird, welche Bauarbeiten mit den Erträgen der Halle finanziert werden sollen, vgl. Günther a.O. S. 32. 7 Zum Terminus KOOßeiv und êniKOOpeil' siehe W. Günther, Didyma S. 32; zu KOOßeiv ëpyoïç — K.aTaoKevaiv npeaßevrd? KaXktxpdrrj7 Kai $i'X«nr vnep 777? TtpoeyyvT)aeu)^ Kai TOV npoöaveioßov TCÖV xßVßdTcuv, wf öe£ änodowaifinäq ßaaCkei Auaqudxcoi ek rrp Sewepay KaTaßokqv, \pfi iepg. Kai

(piXooeßaoTCfj,

[ . . . MiA^jaicoi" ßovXfi Kai reo

6 7 7 ^ - yucüßr)

emoTarüv.

Zum

Text des Beschlusses vgl. die Verbesserungen L. Roberts, Hellenica XI/XII (1960) S. 463f. 75 Vgl. H. Swoboda, Volksbeschlüsse S. 179ff. und bes. S. 218f.

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VI Z U S A M M E N F A S S U N G U N D AUSBLICK Die voranstehende Betrachtung 1 hat gelehrt, daß in Milet nachweisbar seit der Zeit Alexanders und bis in den Anfang des zweiten J h . v. Chr. hinein die Tendenz bestand, die Ausarbeitung und Einbringung von Anträgen Kommissionen von Synhedroi zuzuweisen. Die Volksversammlung bestimmte die Kommissionsmitglieder durch Wahl aus der gesamten Bürgerschaft; die Größe der Kommissionen konnte je nach der zu erledigenden Aufgabe stark variieren. Die vom Volke gewählten Synhedroi berichteten direkt an das Volk, die von ihnen beantragten Dekrete sind reine Volksbeschlüsse. So betrachtet scheint das System der Benennung von Synhedroi der milesischen Volksversammlung einen weitreichenden Spielraum an Initiative und Entscheidungsfreiheit zu gewähren. Doch trügt dieses Bild. Denn seit dem letzten Drittel des dritten Jh. treten den Synhedroi die leitenden Beamtenkollegien der Prytanen und Sicherheitsbeauftragten bei der Antragstellung zur Seite. Hierdurch ging die Volksversammlung der Möglichkeit verlustig, die personelle Zusammensetzung der zu instituierenden Kommission jeweils im Gänzen nach ihrem Willen zu bestimmen. Mehr noch: die Assoziierung der übermächtigen vereinigten Behörde hat vielleicht sogar zur Folge gehabt, daß die Übung, Synhedroi zu ernennen, zum Erliegen kam. In der Folgezeit nämlich brachten Prytanen und Sicherheitsbeauftragte Anträge aus eigener Initiative und ohne zuvor eigens beauftragt zu sein vor die Volksversammlung. Durch diese Entwicklung aber m u ß t e selbst das Initiativrecht des Rates — wenn auch wohl nicht rechtlich, so doch in weitem Umfang faktisch — Einbußen erleiden. 1

Beiseitegelassen wurde das Dekret Didyma 4 8 3 aus der ersten Hälfte des dritten Jh. (datiert nach der Schrift): ["ESo£e] TÖ)[t] ÖTftiGJr yvobß[r)] TÜV e[ip]TJßevojv ¿tri T T } [ I ] OL[KO]8OIIÜU roü vao[ö] - M[ei>]ecn?ei)? 'tyiKparoiK [elitev]. Der Volksbeschluß ehrt einen Bürger von Iasos, der sich um den Bau des Tempels von Didyma verdient gemacht hatte. Die gewählten Vorsteher der Tempelbauarbeiten haben den Antrag — wahrscheinlich auf Geheiß — als Gutachten auf Grund ihrer einschlägigen fachlichen Kompetenz ausgearbeitet, Iphikrates ihn als Vorsteher des Kollegiums eingebracht. Für die Verfassungsentwicklung Milets kann das Dekret somit keinen weiteren Aufschluß gewähren.

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Wendet man sich dem Vorgang der Bestellung der Synhedroi zu, so ist festzustellen, daß der Beschluß, einen Antrag durch eine Kommission von Synhedroi erstellen zu lassen, immerhin fallweise aus den Reihen der Volksversammlung kommen konnte. Aber auch dieses Bild trügt. Seit den Jahren 287—283 nämlich war die Möglichkeit, in der Volksversammlung eigene politische Stellungnahmen selbst zu schon auf der Tagesordnung befindlichen Punkten in Form von Anträgen vorzubringen insoweit eingeschränkt, daß Antragsvorschläge die Billigung des präsidierenden Kollegiums der Epistatai erfahren haben mußten, bevor sie in der Versammlung zu Verhandlung und Abstimmung zugelassen wurden. Diese Kompetenz war den Epistatai auf Betreiben und zum Nutzen des Lysimachos übertragen worden. Sie beschränkte sich nicht auf die Volksversammlung; in gleicher Weise beschnitt sie die Rechte u n d mithin die politischen Handlungsmöglichkeiten der Ratsmitglieder. Waren diese zuvor befugt gewesen, im Rat ohne weiteres Anträge zu stellen, so mußten auch sie künftig den zustimmenden Bescheid der Epistatai einholen: kein Volksbeschluß, kein Ratsbeschluß, der auf das Betreiben eines Privatmannes zurückging, konnte gegen den Willen der Epistatai Zustandekommen. Mit der Einrichtung der Behörde der Epistatai war eine Kontrollinstanz geschaffen worden, die die Möglichkeit hatte, in umfassender Weise die milesische Politik zu lenken, und der die Aufgabe zukam, zu wachen, daß keine politische Initiative in Gang gebracht werden konnte, die nicht ihr Einverständnis fand. So unterliegt spätestens nach 282 auch diejenige Entscheidung ihrer Kontrolle, ob es ratsam sei, zur Lösung einer Frage eine Kommission von Synhedroi zu bilden. Der von den Synhedroi ausgearbeitete Antrag freilich entzog sich der Aufsicht der Epistatai u n d allein die Anträge der führenden vereinigten Behörde der Prytanen und Sicherheitsbeauftragten aus dem zweiten J h . unterlagen in keiner Weise ihrer Kontrolle, — von diesen wurden nur der augenblicklich vorherrschenden politischen Ausrichtung konforme Anträge erwartet. Zudem führen diese Beschlüsse in eine Zeit, in der die milesischen Epistatai keine Kontrollfunktion im Auftrage eines Souzeräns mehr ausüben konnten und ihre Aufgabe nur darin zu sehen war, die Herrschaft jener Kräfte innerhalb der Stadt, die sie berufen hatten, für die Zukunft zu sichern.

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Die Synhedroi u n d die Epistatai Milets sind keine auf gleicher Ebene stehenden Beamtenkollegien, denen je ein bestimmter Aufgabenbereich zur Bearbeitung überlassen wäre. Nicht der Aufgabenbereich differiert, der Unterschied liegt vielmehr in dem verschiedenen Verfahrensgang der Beschlüsse, die sich im Präskript durch yvconrj ovvedpcov und ypcjßTj eTnorarcbv unterscheiden. Welches aber ist die dennoch vorauszusetzende gemeinsame und übergreifende Bedeutung der yvcoßr] in den milesischen Volksbeschlüssen? Die Formel bringt einerseits zum Ausdruck, daß ein Antrag auf die Meinungsäußerung eines hierfür kompetenten Gremiums zurückgeht und zwar derart, daß die Volksversammlung ad hoc eine Kommission bestimmte mit der Aufgabe, zu einer genau beschriebenen Frage einen Antrag auszuarbeiten und ihn sei es durch den Sprecher der Kommission, sei es später durch die Kommission in solidarischer Verantwortlichkeit der Volksversammlung vorzulegen. Oder die yvcbur) ist die einem von der Verfassung für zuständig und kompetent erklärten Kollegium zugewiesene pflichtgemäße Meinungsäußerung zu einem Antragsvorschlag, die befürwortend ausfallen muß, soll der betreffende Antrag zu Beratung und Beschlußfassung zugelassen werden. yvdonf] beruht mithin auf Übertragung sachlicher Kompetenz vorberatenden Inhalts durch einmaligen Beschluß oder allgemeine Vorschrift; die Erstellung einer yvcbßTj ist die auftragsgemäße Erstellung eines Gutachtens. Diese Definition ist aus den milesischen Dekreten der hellenistischen Zeit gewonnen; sie kann daher vorderhand nur beanspruchen, für diese Stadt und die genannte Epoche zu gelten. Diese Einschränkung verpflichtet jedoch gleichzeitig dazu, sich die Frage vorzulegen, wie sich die vorgetragene Erklärung zu dem verhält, was bislang über dieselbe Erscheinung in anderen Teilen der griechischen Welt ausgesagt wurde. Meist wird yviopr) irpuravecov, yvcbßr] orparrffibv o. ä. als „Antrag" verstanden und entsprechend übersetzt 2 . Die Frage muß also so gefaßt werden, ob denn in jenen Fällen zu Recht von yviOfiri als einem Antrag gesprochen werden darf, wenn das Präskript allein (etwa) yvibpr\ irpvrdueiov neben den beschließenden Gremien nennt, oder ob nicht auch dann das positive 2

So s.B. O. Schultheß, RE yvobßri (1912) Sp. 1485: „In den außerattischen Psephismen erscheinen nun die Behörden in der Regel direkt als Antragsteller, nicht bloß als das mit der Begutachtung der Anträge betraute Organ."

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Gutachten des betreffenden Beamtenkollegiums über einen von einer (ungenannten) Privatperson initiierten Antrag vorliegt. Allgemeiner gesprochen, ob sich hinter yvcbßrj irpvTävecov nur eine jeweils näher zu bestimmende, jedenfalls aber auf vorgelegte Antragsvorschläge beschränkte vorberatende Kompetenz verbirgt, oder eine selbständige Antragstellung durch die genannte Behörde. Es wird sich herausstellen, daß mit der Beantwortung dieser Frage diejenige nach der Genauigkeit der Redaktion der Präskripte bezüglich des Verfahrensganges auf's Engste verknüpft ist. Die vorliegende Untersuchung war davon ausgegangen, daß die Formulierung der Sanktionsformel der Präskripte solange als zutreffend zu gelten habe, als daß sie sich nicht manifest als fehlerhaft erweist. Dagegen hatte H. Swoboda die Meinung vertreten, daß außerhalb Athens eine solche Genauigkeit nicht gegeben sei und darum die Sanktionsvermerke der Präskripte nicht zur R e k o n s t r u k t i o n des Verfahrens zu verwenden wären 3 . Daß dem so sei, gewinnt Swoboda aus einer paradigmatisch g e f ü h r t e n U n t e r s u c h u n g der Volksbeschlüsse von K a l y m n a 4 . V o r allem aber f u ß t S w o b o d a s A u f f a s s u n g von B e d e u t u n g u n d I n h a l t der 7^co/ii7-Formel auf eben dieser Interpretation. Da sie allgemeine Anerkennung gefunden h a t 5 u n d auch ihrer übergreifenden Bedeutung wegen sei sie hier kurz referiert. Sie geht aus von zwei unterschiedlichen Präskripttypen der Bürgerrechtsdekrete aus Kalymna 6 : a) " E 5 o £ e räi ßov\äi Kai r c ö t öäßGJi — 7 v t o p a TTpooTaräv eiteibri ö beiva TOV 8eivos eireXüdjv eiri rav ßov\äi> Kai TOP bä\iov (oder Kai RÄv eKK\r\aixLv) epcpavßei TOV 5 e i v a ( A u s l ä n d e r ) evvovv fjpev rcöt 8äpI

oder nur 5e8öx&AI TÜH Sdjucoi1.

3

Volksbeschlüsse S. 58 und 68. A. O. S. 6 3 - 6 9 . 5 Vgl. O. Schultheß, RE yvcópr), bes. Sp. 1486 und 1488; vgl. jetzt aber die von der vorliegenden Untersuchung unabhängigen Ergebnisse F. Gschnitzers, RE Prytanis Sp. 769, 785f. 6 A.O. S. 6 5 f f . 7 In dem nach Mario Segres Ermordung in Auschwitz posthum erschienenen Corpus der „Tituli Calymnii" (1952) = Annuario Atene 2 7 - 2 8 sind dies die nr. 8, 21, 25, 28, 29, 32, 33, 35, 54, 55, 56, 57, 61. 4

87

b) "E5o|e rät ßovXäi Kai rein bapcoi (oder Kai räi eKKXrjoiai) 6 delua Tavbelvo m C/3

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« S u .b W

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3

Register der behandelten Stellen a) Publikationen der Ausgrabungen in Milet und Didyma Delphinion 32 33 36 36aa 37 37b 37d 38 38a 39 123 134 135

136 137

138

139

94

18 58 24 42 47 65-67 51f. 55 52 66f. 47 34 52 51 59 72 75f. 82 20 23 27 35 39f. 34 20 23 27 21-23 36 59 64f. 71 73 79 18 39 43

140 141

142

143

144 145

146

147

148 149 150

59 60-63 66 69 74 79 31 38 25 32 42 45 18 32 58 33 35f. 42 44 48 44 23f. 29 42 18 33 35 44 48 59 25 42 52 50 49f. 25 33 46

48-51 55

Orientis

81 18 41 72-78

L. Robert,

41 81

Thermen

und

Staatsverträge

407

Palaestren

307

53

Didyma

53 81 83

142 199 312 479

408 409

20-22

29-31 37 18

480

453

20-22

482

40 58 40 48 84 18 53 56 80

481 483 488

537

538 539

Mitteilungen

S. 73f. S. 96f. Lois

49

sacrées

15

53 53 de l'Asie

41 81

(1965) Supplementum

Mineure

Opera

Minora

Selecta

59 37 54 III

20 23 27 35 39f. 34 20 23 27 18 32 58 31 38 33 35f. 42 44 48 44 18

33 35 44 48 59

b) Sonstige Editionen Instanbuler

Selectae

14 20-22 29-31 37

I 126 II 1355

Südmarkt

203

Inscriptiones

54 213

Rathaus

7a 10

Graeci

IV 442

Epigraphicum

Graecum

18 20-22

40 58

95

Sylloge Inscriptionum 660 Sylloge Inscriptionum 273

286 368

548-549 577

588 590

633

96

Graecarum

46 48-51 55 46f.

23 Graecarum 20 23 27 35 39f. 34 18 41 72-78 28 23f. 29 42 50 18 59 67 25 33

683 Tituli

Calymnii

3, 8, 17, 18, 21, 25, 28, 29, 32, 33, 34, 35, 42, 43, 44, 47, 50, 54, 55, 56, 57, 58, 61 87-91 c) Unpublizierte Inschriften Izmir Inv. 552

36

Mil et Inv. 311

40

Thasos Inv. unbekannt

53