Studien zur Geschichte Athens in hellenistischer Zeit 9783666251719, 3525251718, 9783525251713


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Studien zur Geschichte Athens in hellenistischer Zeit
 9783666251719, 3525251718, 9783525251713

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HYPOMNEMATA 73

HYPOMNEMATA

UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/Bruno Snell

HEFT 73

VANDENHOECK &. RUPRECHT IN GÜTTINGEN

CHRISTIAN HABICHT

Studien zur Geschichte Athens in hellenistischer Zeit

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÜTTINGEN

ClP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Habicht, Christian: Studien zur Geschichte Athens in hellenistischer Zeit / Christian Habicht. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1982. (Hypomnemata: H. 73) ISBN 3-525-25171-8 NE: GT

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1982 - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, Lemförde. Druck: Hubert & Co., Göttingen

Hans Rudolph zum Gedächtnis

Vorwort Die hier vorgelegten „Studien" setzen meine 1979 erschienenen „Untersuchungen zur politischen Geschichte Athens im 3. Jahrhundert v. Chr." fort und sind wie diese als Bausteine zu einer neuen allgemeinen Geschichte Athens in der hellenistischen Zeit gedacht. Sie sind weitgehend der Zeit vom Ende des Chremonideischen Krieges bis zum Ausbruch des Krieges gegen König Philipp V., d.h. den Jahren zwischen 261 und 200, gewidmet; nur die Kapitel VI und VII reichen ins 2. Jahrhundert hinein. Die politische Geschichte steht erneut durchaus im Vordergrund, weil auf diesem Felde die Notwendigkeit einer kritischen Prüfung der Quellen am dringendsten zu sein schien. Dankbar verpflichtet bin ich Η. A. Thompson für wesentliche Hinweise und I. L. Merker für hilfreiche Kritik an einem älteren Entwurf von Kapitel I 4 sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung einer Druckbeihilfe. Gewidmet sind diese Studien dem Gedächtnis meines Lehrers Hans Rudolph; ihm verdanke ich weit mehr als nur meine wissenschaftliche Formung. The Institute for Advanced Study, Princeton, Ν. J., im Mai 1981

Ch. Habicht

7

Inhaltsübersicht Abkürzungen

11

I. Athen nach dem Chremonideischen Kriege 1. Die Stadt unter dem Siegerrecht 2. Die politische Aktivität der Ekklesie 3. Die Epidosis im Jahre des Diomedon (244/3) 4. Hat Athen 261 das Recht der Münzprägung verloren? . . .

13 13 20 26 34

II. Probleme der militärischen Organisation Attikas nach dem Chremonideischen Krieges (261-229) 1. Die Teilung der Territorialstrategie 2. Die Beseitigung der Hoplitenstrategie 3. Die Mitwirkung des Königs an der Bestellung der Strategen 4. Die attischen Festungen 5. Der Besuch des Antigonos Gonatas in Attika 6. Zur Liste der athenischen Strategen

43 43 44 47 55 59 62

III. Die Asklepiospriester im 3. Jahrhundert 1. Der Priesterzyklus 2. Die Priester der Jahre 260/59-248/7 3. Die Priester der 60er Jahre 4. Einzelne Priester 5. Ergebnisse

64 64 69 71 73 77

IV. Athen in den zwanziger Jahren des 3. Jahrhunderts 1. Die Befreiung von der makedonischen Herrschaft 2. Die Stadt im politischen Spiel der Kräfte 3. Athen und Ptolemaios III. Euergetes 4. Der Stifter des Gymnasions Ptolemaion

79 79 93 105 112

V. Die Stadt im ausgehenden 3. Jahrhundert 1. Das Ehrendekret für Eurykleides 2. Athen als neutrale Macht inmitten kriegführender Staaten 3. Athen und der Ausbruch des 2. Makedonischen Krieges . .

118 118 127 142 9

VI. Zur Chronologie der Archonten im späten 3. und frühen 2. Jahrhundert 1. Euandros, Archelaos und Euxenos 2. Isokrates 3. Dionysios 4. Philon I. und II 5. - -ppos 6. Nikophon, Ankylos und Timuchos . . 7. Sosias, Aphrodisios und Philon I 8. Der Archon von Agora Inv. I 5722 9. Der Grammateus des Diodotos (192/1) 10. Der Schreiberzyklus 11. Ergebnisse

159 159 163 165 168 170 171 173 174 175 175 176

VII. Führende Familien im ausgehenden 3. und im früheren 2. Jahrhundert 1. Die Familie des Eurykleides und Mikion von Kephisia . . . 2. Die Familie des Dromeas von Erchia 3. Die Familie des Alexion und Speusippos von Azenia . . . . 4. Die Familie des Echedemos von Kydathenaion 5. Die Familie des Leon und Kichesias von Aixone

178 179 183 185 189 194

Appendix: Zu einigen Antragstellern athenischer Volksbeschlüsse . 198 Register Personenregister Stellenregister

10

206 206 212

Abkürzungen Zeitschriften sind nach dem System von ,L'Annee philologique' abgekürzt mit Ausnahme der folgenden: AM: Athenische Mitteilungen HSCP: Harvard Studies in Classical Philology IM: Istanbuler Mitteilungen. Außerdem finden neben den sich von selbst verstehenden Abkürzungen noch die folgenden Anwendung: APF: s. Davies Beloch, GG: K. f. Beloch, Griechische Geschichte2, 1912-1927 Bengtson, Strategie: H. Bengtson, Die Strategie in der hellenistischen Zeit, 3 Bände, 1937-1952 Briscoe, Commentary: J. Briscoe, A Commentary on Livy, books ΧΧΧΙ-ΧΧΧΙΠ, 1973 Busolt-Swoboda: G. Busolt-H. Swoboda, Griechische Staatskunde, 2 Bände, 1920-1926 Dahlheim, Struktur: W. Dahlheim, Struktur und Entwicklung des römischen Völkerrechts im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr., 1968 Daux, Chronologie: G. Daux, Chronologie delphique, 1943 Davies, APF: J. K. Davies, Athenian Propertied Families 600-300 Β. C., 1971 Dinsmoor, Archons: W. B. Dinsmoor, The Archons of Athens in the Hellenistic Age, 1931 Dinsmoor, List: W. B. Dinsmoor, The Athenian Archon List in the Light of Recent Discoveries, 1939 Dow, Prytaneis: St. Dow, Prytaneis, Hesperia-Supplement 1, 1937. Ferguson, Cycles: W. S. Ferguson, Athenian Tribal Cycles in the Hellenistic Age, 1932 Ferguson, HA: W. S. Ferguson, Hellenistic Athens, 1911 Ferguson, Priests: W. S. Ferguson, The Priests of Asklepios, 1906 Ferro, Origini: B. Ferro, Le origini della II guerra Macedonica, 1960 Feyel, Polybe: M. Feyel, Polybe et l'histoire de Beotie au in e siecle avant notre έτε, 1942 Flace^re, Aitoliens: R. Flaceliere, Les Aitoliens έ Delphes, 1937 Habicht, Gottmenschentum: Ch. Habicht, Gottmenschentum und griechische Städte, 1956 (21970 für die Seiten 243-275) Habicht, Untersuchungen: Ch. Habicht, Untersuchungen zur politischen Geschichte Athens im 3. Jahrhundert v. Chr., 1979 Harris, War: W. V. Harris, War and Imperialism in Republican Rome 327-70 Β. C., 1979 Heinen, Untersuchungen: H. Heinen, Untersuchungen zur hellenistischen Geschichte des 3. Jahrhunderts v. Chr., 1972 Heuss, Stadt und Herrscher: A. Heuss, Stadt und Herrscher des Hellenismus in ihren staatsund völkerrechtlichen Beziehungen, 1937 Heuss, Außenpolitik: A. Heuss, Die völkerrechtlichen Grundlagen der römischen Außenpolitik in republikanischer Zeit, 1933 Holleaux, Etudes: Μ. Holleaux, Etudes d'epigraphie et d'histoire grecques, 6 Bände, 1938-1968 Holleaux, Rome: Μ. Holleaux, Rome, la Grtce et les monarchies hellenistiques au IIIe siecle av. J.-C. (273-205), 1921 Launey, Recherches: M. Launey, Recherches sur les armees hellenistiques, 2 Bände, 1949-1950 Maass, Prohedrie: M. Maass, Die Prohedrie des Dionysostheaters in Athen, 1972

11

Maier, Mauerbauinschriften: F. G. Maier, Griechische Mauerbauinschriften, 2 Bände, 1959-1961 Moretti, Iscrizioni: L. Moretti, Iscrizioni storiche ellenistiche, 2 Bände, 1967-1975 Niese, Geschichte: B. Niese, Geschichte der griechischen und makedonischen Staaten seit der Schlacht bei Chaeronea, 3 Bände, 1893-1910 Pelekidis, Ephebie: Ch. Pelekidis, Histoire de l'ephebie attique des origines 4 31 avant JesusChrist, 1962 Pelekidis, Secretaires: Ch. Pelekidis, La non-application du cycle des secretaires et les relations d'Athenes et de Macedoine (de 245 a 229 av. J.-C.], in: Pelekidis, Μελέτες άρχαίας Ιστορίας, 1979, 33-60 Pouilloux, Rhamnonte: J. Pouilloux, La forteresse de Rhamnonte, 1954 Pritchett-Meritt, Chronology: W. K. Pritchett-B. D. Meritt, The Chronology of Hellenistic Athens, 1940 J. und L. Robert, Bull, epigr.: J. und L. Robert, Bulletin epigraphique (In: RfiG) Sarikakis, Generals: Th. Sarikakis, The Athenian Generals of the Hellenistic Age, Άθηνα 57, 1953, 242-304 Schmitt, Rom: Η. Η. Schmitt, Rom und Rhodos, 1957 Schmitt, Staatsverträge: Η. H. Schmitt, Die Staatsverträge des Altertums, III, 1969 Tarn, Antigonos: W. W. Tarn, Antigonos Gonatas, 1913 Thompson, New Style: M. Thompson, The New Style Silver Coinage of Athens, 1961 Urban, Wachstum: R. Urban, Wachstum und Krise des Achäischen Bundes, 1979 Walbank, Commentary: F. W. Walbank, A Historical Commentary on Polybius, 3 Bände, 1957-1979 Walbank, Philip V: F. W. Walbank, Philip V of Macedon, 1940 Welles, RC: C. B. Welles, Royal Correspondence in the Hellenistic Period, 1934 Wilhelm, Akademieschriften: Ad. Wilhelm, Akademieschriften, 3 Bände, 1974 Wilhelm, Beiträge: Ad. Wilhelm, Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde, 1909 Will, Histoire2: Ed. Will, Histoire politique du monde hellenistique, Band 1, 2. Auflage, 1979 Will, Histoire 2: Ed. Will, Histoire politique du monde hellenistique, Band 2, 1967

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I. Athen nach dem Chremonideischen Kriege 1. Die Stadt unter dem Siegenecht

Nach der Kapitulation Athens hat der makedonische König Antigonos als erstes die militärische Kontrolle über die Stadt und das Landgebiet von Attika sichergestellt. In die Stadt rückte eine makedonische Besatzung ein, die, wie schon 294, auf dem beherrschenden Museionhügel Quartier bezog.1 Die Festungen des Landes: Eleusis, Panakton, Phyle, Rhamnus und Sunion wurden gleichfalls von makedonischen Truppen besetzt, und die Ernennung der Festungskommandanten lag beim König.2 Im Piräus blieb die königliche Truppe, die dort seit 294 ohne Unterbrechung stationiert gewesen war.3 Durch diese Maßnahmen war eine wirksame militärische Kontrolle über ganz Attika gewährleistet. Von Anfang an kann es nicht in der Absicht des Königs gelegen haben, die eigene Wehrkraft des Landes ganz zu paralysieren. Sie mußte vielmehr, soweit dies ohne Gefährdung der königlichen Streitkräfte möglich war, in den Dienst der Politik des Königs gestellt werden, d. h. sie mußte wohl geschwächt, durfte aber nicht beseitigt werden. Hinsichtlich des Bürgeraufgebots, das ja immer nur von Fall zu Fall und nur in der jeweils erforderlich scheinenden Stärke bestimmter Jahrgänge zu den Waffen gerufen wurde, war dieser Zweck dadurch leicht zu erreichen, daß der König sich das Recht oder die Kontrolle der Mobilmachung vorbehielt. Der andere, ständig unter Waffen stehende und während des Chremonideischen Krieges gewiß beträchtliche Teil des Militärs war das professionelle Söldnerkorps. Es hatte mit dem Kapitulationsakt den Dienstherrn verloren, d. h. die Söldner waren beschäftigungslos geworden. Es ist sehr wohl denkbar, daß Antigonos ihnen, vielleicht nur einem Teil von ihnen, den Eintritt in seinen Dienst freistellte, um so eher, als durch den Ausgang des Krieges zusätzliche Besatzungsaufgaben in den athenischen Festungen und in der Stadt selbst zu versehen waren. Das an anderer Stelle (unten S. 44) beobachtete Verschwinden des athenischen Hoplitenstrategen, der in den Jahren der makedonischen Herr1 Apollodor, FGrHist 244 F 44 (Text S. 16). Pausanias 3, 6, 6. Für das Datum der Kapitulation Athens, Frühjahr 261, s. Heinen, Untersuchungen 139-140 und R. Etienne - M. Pierart, BCH 99, 1975, 59-62. Zustimmend Pelekidis, Secretaires 36, Anm. 6, J. H. Kroll, Essays in honor of Μ. Thompson (1979) 140 Anm. 3 (mit irriger Jahreszahl) und, wie es scheint, Will, Histoire 2 258. 2 Näheres dazu unten S. 55. 3 Habicht, Untersuchungen 95-112.

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schaft 261-229, nicht bezeugt ist, hängt höchstwahrscheinlich mit diesen Vorgängen unmittelbar zusammen: mit dem Verlust eines stehenden Heeres war auch dessen Befehlshaber entbehrlich geworden.4 Ruhe und Ordnung im Lande, die Sicherheit der Verkehrswege und, wenn erforderlich, der Einbringung der Ernte, konnten von den beiden Regionalstrategen für den Militärbezirk von Eleusis und für den Küstendistrikt mit bescheidenen Kräften wahrgenommen werden, zumal an den Grenzen und an allen strategisch wichtigen Punkten königliche Truppen postiert waren. Bestehen blieb die athenische Reiterei. Dies haben die Funde von mehreren hundert Bleitäfelchen auf dem Kerameikos und auf der Agora gelehrt, die Kunde von der jährlichen Dokimasie der Reiterei in dieser Zeit geben.5 Diese Kavallerie war zahlenmäßig nicht stark, im Jahre 282/1 unter Anstrengungen gerade auf 300 Mann verstärkt worden6, und sie war in dieser Größenordnung oder in einer auf 200 Reiter reduzierten Zahl (Anm. 6) für die königlichen Besatzungstruppen keine Gefahr. Trotz des staatlichen Futtergeldes für die Pferde7 dürfte der Dienst von den einzelnen Reitern erhebliche Aufwendungen verlangt haben. Er scheint daher, wie die zumeist bekannten Familien zugehörigen Namen der Reiter vermuten lassen, weithin ein Privileg der Vermögenden gewesen zu sein. Da seit der Reform der Jahre 294-287 auch die athenische Ephebie diesen exklusiven Charakter hatte, wird man annehmen können, daß das Reiter4

Eine besondere Strategie für die Söldner ist eindeutig belegt für die Zeit um 320 (IG Π2 379, 11-12), für 298 (FGrHist 257 a, F 1) und für die Jahre zwischen 294 und 287, in denen Phaidros Stratege έπΐ τήν χώραν χειροτονηθείς πλεονάκις καί έπΐ τούς ξένους γενόμενος τρίς gewesen ist (IG Π2 682, 24-25). Fergusons These, der Territorialstratege habe zugleich auch den Befehl über die Söldner geführt (Klio 9, 1909, 317; Cycles 69-70), der sich W. Schwahn (RE-Suppl. 6, 1935, 1091) angeschlossen hat, läßt sich mit keinem dieser Zeugnisse vereinbaren, wie Sarikakis, Generals 256 mit Anm. 3, zutreffend ausgeführt hat. Auch Davies, APF S. 526, unterscheidet mit Recht beide Positionen. Nach 287 ist dagegen ein Stratege für das Söldnerkorps nicht mehr bezeugt; der von Livius 31, 24 zum Jahre 200 genannte Dioxippus, „praefectus cohortis mercede militantium auxiliorum", ist nicht Stratege, sondern handelt zusammen mit dem (und offensichtlich auf Weisung des) Strategen: „et praetor et Dioxippus .. .". Es könnte daher scheinen, als sei auch die Strategie für die Söldner am Ende des Chremonideischen Krieges beseitigt worden, und dies ist nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß zu dem Zeitpunkt, als die Territorialstrategie in zwei Regionalstrategien, für Eleusis bzw. für die Paralia, aufgespalten wurde, d. h. um 285 (unten S. 43), der Hoplitenstratege das Kommando über das Söldnerkorps übernahm und daß er 261 mit der Söldnertruppe für mehr als drei Jahrzehnte verschwand. 5

Karin Braun, AM 85, 1970 11972), 129-269. J. H. Kroll, Hesperia 46, 1977, 83-140, zur Chronologie (ca. 260-240) ebenda 100-106. 6 AD 18, 1963, 104 nr. 1 (SEG 21, 525). Kroll a.O. 95-97. Krolls Vermutung, daß ihre Stärke nach der Kapitulation Athens auf 200 Mann reduziert worden sei, kann durchaus richtig sein, da die Kavalleriemarken vom Kerameikos und von der Agora auf etwa 14-15 Reiter für jede der 12 Phylen zu weisen scheinen. 7 Dazu jetzt, zusammenfassend und weiterführend, Kroll a.O. 97-100. 14

korps im wesentlichen aus Männern bestand, die in ihrer Jugend das Ephebenjahr abgeleistet hatten.8 Auch für andere Bereiche des Staatswesens brachte die Kapitulation Athens einschneidende Veränderungen mit sich. An ausdrücklichen Zeugnissen über sie fehlt es beim trümmerhaften Zustand der Überlieferung für diese Zeit mit einer Ausnahme völlig. Diese Veränderungen müssen daher weitgehend aus den Gegebenheiten erschlossen werden, insbesondere aus bestimmten Eigentümlichkeiten der Dekrete dieser Jahre im Vergleich zu solchen der früheren Zeit. So zeigt ζ. B. der Befund deutlich, daß damals das mehrstellige Amt der oi έπι τΓ)ι διοικήσει wieder dem einstelligen Beamten, ό έπΙ τήι διοικήσει gewichen ist. Wo indessen die Zeugnisse spärlicher sind, besteht bei diesem durch die Umstände gebotenen methodischen Vorgehen immer die Gefahr von Trugschlüssen. Ein solcher war ζ. B. die früher herrschende Annahme, daß die Folge von zwei Asklepiospriestern derselben Phyle, die es wahrscheinlich macht, daß beide zusammen ein Kalenderjahr amtierten, mit der Absetzung des einen im Zusammenhang der Kapitulation der Stadt und der Ernennung eines Nachfolgers durch den König zu erklären sei.9 In ähnlicher Weise war von manchen Gelehrten angenommen worden, die unmittelbar aufeinanderfolgenden Archonten Antipatros, in dessen Jahr Athen sich dem König ergab, und Arrheneides hätten innerhalb eines Jahres amtiert, Antipatros als der letzte vom Volk gewählte, dann aus dem Amt entfernte Archon, der sodann durch den vom König für den Rest des Jahres ernannten Arrheneides ersetzt worden sei.10 Diese Hypothesen sind heute allgemein als irrig erkannt worden und bedürfen keiner Widerlegung mehr. Gleichwohl hat es offensichtlich Veränderungen in der athenischen Beamtenschaft nach Athens Niederlage im Kriege gegeben. Dies geht aus dem einzigen ausdrücklichen Zeugnis über derartige Kriegsfolgen hervor, 8 Nichts spricht für die Annahme Fergusons (Cycles 102-103], daß die Institution der Ephebie mit der Kapitulation Athens beseitigt und erst einige Jahre später, nach der Wiederherstellung der Freiheit (s. im Text|, erneut geschaffen worden sei. Sie ist bezeugt im Jahre des Archons Antiphon (IG Π2 700; Hesperia 7, 1938, 110 nr. 20), der jedenfalls vor die Mitte der fünfziger Jahre, d. h. in die Zeit des Besatzungsregimes, gehört. Und der Paidotribes im Jahre des Antiphon ist (noch) derselbe, der schon 267/6, unter Menekles (IG Π2 665), im Amt gewesen war. ' Unten S. 70, Anm. 25. Die beiden Priester gehören tatsächlich ins Jahr 257/6. Todesfall ist die am nächsten liegende Annahme für die Sukzession. Es ist jetzt auch sicher, daß der Zyklus der Asklepiospriester zwischen 268/7 und 244/3 keine Störung erfahren hat (unten S. 78). 10 So W. Kolbe, NAWG 1908, 42. J. Kirchner, BPhW 1909, 847 und zu IG Π2 1282. A. Mayer, Philologus 71, 1912, 216. Dagegen Ferguson, HA 182 Anm. 1. Tarn, Antigonos 306 Anm. 3. Beloch, GG IV 2, 76. Jacoby, FGrHist zu 244, F 44, S. 737-738.

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dem des Chronisten Apollodor11: και Άπολλό[δω]ρος δέ τό κα[θηιρ]ήσθαι [τίθησι τ]ήν πόλιν [έπ' 'Αντιπάτρου τ[ο0] πρό Άρρενείδ[ου], κςιί φρουρά[ν είς] τό Μουσεϊον [τότε] είσηχθ[αι ύπ'] 'Αντιγόνου, [και τάς] άρχάς [άνηιρ·ήσθ]αι και παν $ν[ί] βουλεύ[ειν ? έφ]ε!σθαι. Aus diesen Worten, die unvollständig überliefert sind, scheint hervorzugehen, daß Beamte abgesetzt (bzw. Ämter beseitigt) wurden, und daß, zunächst jedenfalls, die Exekutive einem Einzelnen in alleiniger Verantwortung übertragen wurde. Demgemäß nimmt die Forschung heute gemeinhin an, daß zwar der amtierende eponyme Archon nicht aus dem Amt entfernt wurde12, daß aber die folgenden Archonten nicht gewählt, sondern vom König ernannt wurden, und daß ein königlicher Kommissar, für den man den Titel Epistates annimmt, mit der Exekutivgewalt betraut wurde.13 Weiter ist es eine fast allgemeine Annahme, daß der König an der Bestellung der athenischen Strategen in einer Weise mitwirkte, die das Wahlrecht der Ekklesie erheblich beeinträchtigte.14 Es ist auch die einhellige Meinung der Forschung, daß diese Restriktionen (bzw. die Mehrzahl von ihnen) nur solange bestanden, bis König Antigonos um die Mitte der fünfziger Jahre der Stadt die Freiheit zurückgab. Dieses Faktum bezeugt Eusebios in der Chronik mit folgenden Worten: Άθηναίοις 'Αντίγονος τήν έλευθερίαν έδωκεν. Sie sind in der griechischen Fassung der Chronik zum Jahre 256/5, in der armenischen Version zum Jahre 255/4 gestellt.15 Und mit dieser Notiz verbindet man in der Regel die Nachricht des Pausanias, daß Antigonos nach einiger Zeit die Garnison aus dem Museion zurückgezogen habe16: και τοις μέν άνά χρόνον αύτός έξήγαγεν έκουσίως τήν φρουράν 'Αντίγονος. Die drei Texte (des Apollodor, Eusebios und Pausanias) bieten eine Reihe von Problemen. Der des Apollodor ist in wesentlichen Stücken ergänzt, und die Ergänzungen sind nicht frei von Bedenken. Wie der Text jetzt hergestellt ist, besagt er, daß alle Beamten (bzw. alle Behörden) suspendiert worden seien und daß die Summe ihrer Kompetenzen einem Einzelnen übertragen worden sei. Dies kann im Wortsinne nicht zutref11

Vgl. Anm. 1. Vgl. Anm. 10. 13 Tarn, Antigonos 308, dem u.a. zugestimmt haben Kolbe, GGA 178, 1916, 446 und Bengtson, Strategie 2, 375. 14 Unten S. 47 ff. mit Anm. 30. 15 Eusebios, Chronik US. 120 Schöne. 16 Pausanias 3, 6, 6. Die Nachricht ist mit derjenigen des Eusebios verbunden worden von Ferguson, HA 191. Tarn, Antigonos 327. Beloch, GG IV 1, 598. IV 2, 511-512. Vgl. F. Jacoby, Apollodors Chronik (1902) 376 Anm. 1. Bengtson, Strategie 2, 373. Will, Histoire 2 229-230. 12

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fen, da ein Einzelner die Fülle dieser Aufgaben unmöglich bewältigen konnte. Und in der Tat sind mehrere wichtige Behörden im Dekret für Zenon aus dem 5. Monat im Jahre des Arrheneides, d. h. in dem auf die Kapitulation der Stadt folgenden Jahr, als funktionierend bezeugt.17 Der gesuchte Sinn des unvollständig überlieferten Satzes war daher eher der, daß der königliche Kommissar allen traditionellen Behörden der Stadt in der Weise übergeordnet wurde, daß sie an seine Instruktionen und an sein Veto gebunden waren. Dies ist in sich plausibel genug, aber es fragt sich, ob diese Einschränkung der an sich weiter bestehenden Befugnisse der fortbestehenden Ämter tatsächlich durch [άνηιρ·ησθ]αι ausgedrückt werden konnte. Die angemessene Herstellung dürfte noch nicht gefunden sein. Wenn die soeben vorgeschlagene Auslegung des Satzes richtig ist, so wurden Athen und Attika bei Kriegsende einem königlichen Kommissar unterstellt. Die Rückgabe, nach dem Wortlaut bei Eusebios richtiger: die Gewährung der Freiheit einige Jahre später dürfte dann zunächst in der Abberufung dieses Kommissars bestanden haben und gleichbedeutend gewesen sein mit dem Wiederaufleben der vollen Kompetenzen der athenischen Beamten und Körperschaften, soweit sie durch jenen eingeschränkt gewesen waren.18 Da von Freiheit jedenfalls nicht gesprochen werden konnte, solange in der Stadt selbst eine königliche Garnison stand, ist diese jedenfalls nicht später, sondern vermutlich eben damals, möglicherweise aber auch schon früher, abgezogen worden. Der Titel, den der königliche Kommissar geführt hat, ist nicht bekannt. Wir wissen auch nicht, wer es gewesen ist, und ob der König im Laufe der rund sechs Jahre, in denen dieses Besatzungsstatut in Kraft war, mehr als einen Mann für diese Stellung ernannt hat. Für die in der Forschung oft vertretene und vorherrschende Ansicht, Antigonos habe in diesen Jahren auch die Archonten Athens e r n a n n t g i b t es keinen verläßlichen Anhaltspunkt. Es ist auch nicht einzusehen, warum er sich diese Mühe gemacht haben sollte, da keiner der neun Archonten reale 17 Diog. L. 7, 10-12. Vgl. Jacoby zu Apollodor F 44, S. 731: „262/1 fungieren die ordentlichen beamten wieder, natürlich unter aufsieht des makedonischen kommandanten." Genannt werden der eponyme Archon, der Vorsitzende der Volksversammlung und seine Symprohedroi, der Grammateus des Volkes, der Finanzdirektor, ferner die fünf in eine Kommission zur Ausführung des Beschlusses gewählten Bürger. Die Sitzung war eine έκκλησία κυρία (vgl. Rhodes, Boule 55), das System der Prytanien funktionierte. 18 Vergleichbar ist die Einsetzung, sodann die Abberufung des Hieronymos von Kardia durch Demetrios Poliorketes als Epimelet und Harmost in Böotien im Jahre 292/1 (Plutarch, Demetrios 39), wie Heuss, Stadt und Herrscher 55-56, richtig bemerkt. 19 Ferguson, HA 183. Tarn, Antigonos 308. Kolbe, GGA 178, 1916, 446. Beloch, GG IV 1, 590. Bengtson, Strategie 2, 373. 375. Vgl. Will, Histoire2 228. Pelekidis, Secretaires 36.

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Macht ausübte. Der Text Apollodors spricht vielmehr deutlich gegen diese Ansicht, denn, wie immer man ihn herstellen mag, die Worte παν ένί besagen jedenfalls, daß alles Wesentliche von einem einzigen Manne abhing, daß mithin für die Wahrung der königlichen Belange mit seiner Ernennung und Überordnung über die traditionellen Gewalten ausreichend gesorgt war. Es sind nun allerdings noch zwei Nachrichten in Betracht zu ziehen, nämlich die Aussage des Dekrets für den Strategen Apollodoros von Otryne, daß er vom König ernannt und vom Volk gewählt worden ist20, und die Nachricht des Hegesandros, daß König Antigonos den Athener Demetrios, den Enkel des Demetrios von Phaleron, zum Thesmotheten der Stadt eingesetzt habe.21 Es wird in anderem Zusammenhange dargelegt werden, daß der Stratege Apollodoros höchstwahrscheinlich, wie schon der erste Herausgeber des Dekrets für ihn vermutet hatte, in einem dieser Jahre des makedonischen Besatzungsstatuts amtiert hat.22 Eine Mitwirkung des Königs an der Bestellung athenischer Strategen ist auch wesentlich leichter zu verstehen, als es eine Ernennung der zivilen Archonten wäre, da die Strategen ja immerhin Truppen unter ihrem Befehl hatten. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, wie dabei die Rolle des Königs und wie diejenige der Ekklesie beschaffen war. Darüber sind naturgemäß nur Hypothesen möglich.23 Da aber jedenfalls das Gewicht, das Apollodors Worte dem königlichen Kommissar beilegen, nicht willkürlich in Frage gestellt werden darf, hat vermutlich dieser, im Namen des Königs, die wesentliche Rolle bei der Bestellung der Strategen, in Kommunikation mit den städtischen Instanzen, gespielt und hat der König die von ihm empfohlenen bzw. nicht beanstandeten Kandidaten sodann förmlich ernannt. Das Zeugnis Hegesanders wird gemeinhin so verstanden, als sei der vom König ernannte Phalereer Demetrios einer der konventionellen Thesmotheten, d.h. einer der sechs Archonten ohne speziellen Geschäftskreis, gewesen.24 Dies widerspricht nicht nur der eben ausgesprochenen Vermutung, um die Bestellung der neun Archonten habe der König sich schwerlich gekümmert, sondern es widerspricht, was ungleich schwerer wiegt, deutlich dem Kontext bei Hegesandros. Nach diesem hat 20

BCH 48, 1924, 264 ff., Zeile 6-7 (Moretti, Iscrizioni 22], Unten S. 48. Hegesandros bei Athenaios 4, 167 F. 22 F. Chapouthier, BCH 48, 1924, 269-270. Unten S. 54. 23 Der Annahme Chapouthiers, daß der König die Strategen ernannte, die Ekklesie ihnen sodann die Geschäftskreise zuwies, hat Heuss (Stadt und Herrscher 65 Anm. 2) zugestimmt, während Bengtson (Strategie 2, 374-375] ihr widersprochen und angenommen hat, die Ekklesie habe die vom König Ernannten jeweils für ein bestimmtes Jahr gewählt. 24 So z.B. Ferguson, HA 183. Tarn, Antigonos 307. Kolbe, GGA 178, 1916, 446. 21

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der König, der den Demetrios eben wegen bestimmter, ihm bekannter Qualitäten auswählte, mit seiner Ernennung das gesamte athenische Staatswesen vorsätzlich in der. spürbarsten Weise berührt. Man kann das, was Hegesandros von diesem Demetrios aussagt, nicht wohl auf einen der relativ gleichgültigen sechs Jahresbeamten mit dem Titel Thesmothetes beziehen, sondern wohl nur so verstehen, daß er jener von Apollodor beschriebene Einzelne, d.h. der königliche Kommissar, gewesen ist, nicht mit dem die Untertänigkeit der Stadt krass betonenden Titel eines Epistates2S, sondern mit dem des Thesmotheten, der der attischen Verfassungsordnung, wenn auch in anderem Sinne, vertraut war. Als Mann des Königs war Demetrios derjenige, „der Ordnungen setzt".26 Für die Jahre der strikten makedonischen Herrschaft über Athen in den dem Kriege unmittelbar folgenden Jahren sind mithin die folgenden Veränderungen der Verfassungsordnung bezeugt: 1. die Einsetzung eines königlichen Kommissars, vielleicht mit dem Titel eines Thesmotheten, der allen gewählten Beamten der Stadt übergeordnet war, 2. die Bestellung der athenischen Strategen durch den König und die Ekklesie, die in einem Falle, dem des Apollodoros von Otryne, bezeugt und vermutlich für alle Strategen dieser Jahre anzunehmen ist, 3. die Beseitigung des Hoplitenstrategen, 4. die Ersetzung des Kollegiums der Finanzdirektoren durch den einzelnen Beamten. Beim gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse spricht nichts dafür, daß es weitere wesentliche Änderungen bzw. Einschränkungen der athenischen Verfassung gegeben hätte. Insbesondere gibt es kein Anzeichen dafür, daß der König in die Bestellung der traditionellen Beamten durch die Ekklesie stärker eingegriffen hätte als mit der erwähnten Mitwirkung im Falle der Strategen. Es spricht mithin nichts dafür, daß er etwa die eponymen Archonten oder gar alle Mitglieder des Archontenkollegiums aus eigener Machtvollkommenheit ernannt hätte. Immerhin bedeutete der Octroi eines königlichen Kommissars mit unbeschränkter Weisungs- und Verbotsbefugnis die Aufhebung des Selbstbestimmungsrechts der Stadt und insoweit die Suspendierung der atheni25

Vgl. Anm. 13. Über die Rolle der Epistatai in den makedonischen Städten vgl. A. Giovannini, Untersuchungen über die Natur und die Anfänge der bundesstaatlichen Sympolitie in Griechenland (1971) 79, wo auch weitere Literatur genannt ist. Eben Tarns Annahme, der Kommissar für Athen habe den Titel Epistates geführt, hat Veranlassung gegeben, davon zu sprechen, Athen sei auf das Niveau einer makedonischen Provinzialstadt herabgedrückt worden. u Heuss a. O. 55-56 hat richtig erkannt, daß die Einsetzung des Demetrios zum Thesmotheten der des Hieronymos in Böotien gleichkommt, diese richtige Erkenntnis dann jedoch mit dem auf Ferguson (HA 183) gestützten Satz „Wahrscheinlich wurden deren mehrere eingesetzt" wieder preisgegeben.

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sehen Verfassung überhaupt. Erschwerend traten die Mitwirkung des Königs bei der Bestellung der Strategen, als Eingriff in das Recht der freien Beamtenwahl, und die Anwesenheit königlicher Garnisonen in Stadt, Hafen und Land hinzu. Athen stand in diesen Jahren tatsächlich unter dem Besatzungsrecht des Siegers. Als der König in der Mitte der fünfziger Jahre die Besatzung aus der Stadt zurückzog, den von ihm eingesetzten Kommissar abberief und auf die Mitwirkung bei der Bestellung der städtischen Strategen verzichtete, bedeutete dies in der Tat die Wiederherstellung der athenischen Freiheitsrechte. Es ist nicht gerechtfertigt, diese gewichtigen Konzessionen des Königs nur als formale Korrekturen ohne größere politische Bedeutung anzusehen.27 Mit ihnen wurde Athen de iure wieder ein souveräner Staat, denn es gab nicht länger mehr rechtserhebliche Vorkehrungen, die die Ekklesie daran hindern konnten, Beschlüsse nach ihrem Gutdünken zu fassen, etwa auch solche, die sich gegen das Interesse des Königs richteten. Die Garantie, daß nichts dergleichen geschehen würde, lag in der Fortdauer der militärischen Okkupation Attikas und des Piräus begründet, d. h. Athen war rechtlich wieder qualifiziert, politisch jedoch außerstande, eine gegen den König und gegen Makedonien gerichtete Politik zu treiben. Eine solche war nicht möglich, ehe der Staat nicht die volle Souveränität über sein Territorium zurückgewonnen und sich in die Lage versetzt hatte, es aus eigener Kraft zu verteidigen. Solange diese Voraussetzungen nicht gegeben waren, war die Freiheit Athens zwar nicht länger rechtlich, wohl aber politisch prekär. Die Aktivität der athenischen Ekklesie vor 229 spiegelt diese Verhältnisse, auch die um 255 eingetretenen Veränderungen, recht klar wider.

2. Die politische Aktivität der Ekklesie Ferguson hat gemeint, daß die athenische Ekklesie in den Jahren 261-256 wahrscheinlich keine Dekrete verabschiedet habe, es sei denn auf Verlangen des Königs.28 Diese Ansicht ist zu radikal, wenngleich die Aktivität der Versammlung sehr bescheiden gewesen zu sein scheint. Nachdem sich im vorigen Abschnitt ergeben hat, daß der König Beamte nicht ernannte, ist klar, daß die Völksversammlung als Wahlkörperschaft 27

So jedoch J. Pouilloux, Antigonos Gonatas et Athenes apres la guerre de Chremonides, BCH 70, 1946, 488-496. 28 HA 183: „in fact, it seems likely that the popular assembly ceased for the following five years (261-256 B.C.) to pass decrees except at the request of the Macedonian king or his agent."

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weiterhin tätig gewesen sein muß. Aber sie hat auch, abgesehen vom Dekret zu Ehren Zenons, das unter Arrheneides auf ausdrücklichen Wunsch des Königs zustandekam, Beschlüsse verabschiedet. Thrason von Anakaia, der als von Antigonos zurückkehrender Gesandter diesen Wunsch des Königs übermittelte29, muß durch die Ekklesie zu seiner Mission bestellt worden sein. Und in die Jahre des Besatzungsstatuts gehört die Ehrung der unter Antiphon dienenden Epheben im Jahre seines Nachfolgers Thymochares30 und gehören wahrscheinlich auch die zu Ehren von Prytanen unter Philinos31 und Eubulos32 verabschiedeten Dekrete. Und auch zu Fergusons Zeit war schon das 1905 erstmals veröffentlichte Fragment einer Statuenbasis bekannt, die vom Demos im Jahre des Arrheneides einem athenischen Bürger gesetzt worden ist.33 Der Text macht deutlich, daß ein Volksbeschluß zu Ehren dieses Mannes im gleichen Jahr vorangegangen sein muß, in dem jedenfalls die Errichtung der Statue und Bekränzung verfügt war. Leider ist über den Anlaß der Ehrung nichts bekannt, der politischer Natur gewesen sein könnte, und es läßt sich nur sagen, daß der Geehrte wahrscheinlich der Sohn eines kurz vor 320 bekannten Mannes und der Vater des Asklepiospriesters von 249/8 gewesen ist, mithin Mitglied einer vornehmen Familie.34 Diese Zeugnisse sind ausreichend für den Nachweis, daß die Volksversammlung regelmäßig zusammengetreten ist und daß sie Beschlüsse verabschiedet hat. Sie sind aber auch bezeichnend dafür, daß sie aus eigener Initiative in diesen Jahren schwerlich andere als Routineangelegenheiten behandelt hat: Beamtenwahlen, Ehrungen von Prytanen, Belobigungen der Epheben. Allenfalls der verlorene Beschluß aus dem Jahre des Arrheneides (Anm. 33) könnte eine höhere politische Signifikanz gehabt haben. Aber sicher ist das nicht. Das Bild ändert sich nach der Mitte der fünfziger Jahre, d. h. nach der Aufhebung des Besatzungsstatus, die im vorigen Abschnitt näher gewürdigt worden ist. Der neuen Lage gemäß, in der Athen politisch weiterhin an König Antigonos gebunden war, ändert sich das Bild, das die politische Aktivität der Ekklesie von da ab bietet, nicht in dramatischer, aber doch in bedeutsamer Weise. 19 Diog. L. 7, 15 (Antigonos) διά ©ράσωνος πρεσβευτοΟ παρά τών 'Αθηναίων ήτησεν αύτδ) τήν έν Κεραμεικδ) ταφήν. 30 Oben Anm. 8. 31 Agora XV 89. 32 Agora XV 85, wo nur das Dekret des Rates erhalten, das auf dem Stein ursprünglich weiter oben stehende Dekret des Volkes aber durch Zeile 84-85 bezeugt ist. XV 86. 33 Jetzt IG Π2 3853. 34 Für den Vater s. Hesperia 28, 1959, 223 Β 109 (zur Zeit S. 237), für den Sohn unten S. 70, Anm. 24.

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Die Routineangelegenheiten stehen quantitativ weiterhin voran: die Wahlen der Beamten (sie erscheinen freilich im Befund nicht, da ihre Ergebnisse nicht in dauerhaften Steinaufzeichnungen niedergelegt worden sind), Ehrungen für die jeweils amtierenden Prytanen 35 , für die Epheben der einzelnen Jahrgänge36, für Profanbeamte 37 sowie vor allem für Beamte staatlicher Kulte und Feste. Zu diesen gehören Ehrungen von Agonotheten 38 , Athlotheten 3 9 ; von Beauftragten für die Mysterien 40 , für verschiedene Priester 41 und Priesterinnen.42 Zu den kultischen Angelegenheiten, mit denen die Ekklesie dieser Zeit sich befaßte, gehört auch ein fragmentarischer, das traditionelle Asklepiosopfer der Gemeindeärzte betreffender Beschluß 4 3 ; ferner das Dekret über einen Exetasmos der Weihungen im Heiligtum des Asklepios, der sich auf die fahre 2 6 8 / 7 bis 2 4 5 / 4 erstrecken sollte, aus dem Jahre des Archons Diomedon, 2 4 4 / 3 . 4 4 Ein gleichartiger Volksbeschluß muß vorausgesetzt werden für die im 35 Agora XV 83-117. Nicht in diese Zeit gehören 87, das vielmehr 195/4 zu datieren ist (St. V. Tracy, Hesperia 47, 1978, 257-258], und wohl auch 104, da dort die Erwähnung des makedonischen Königshauses, wo sie stehen müßte, fehlt, stattdessen aber wie im Jahre 2 6 7 / 6 (IG II2 661) die „Freunde" des Demos erscheinen. Der Text dürfte daher vor 261 zu datieren, in Zeile 15 mithin [τούς] statt [τόν] zu ergänzen sein. Auch die von Meritt und Traill zu XV 104 angemerkte Besonderheit weist auf ein höheres Datum, denn sie erscheint auch in XV 71, 10 vom Jahre 283/2. 36 Datierte Dekrete liegen vor für die Epheben im Jahre des Thersilochos, 247/6, Polyeuktos 246/5, Philoneos 2 4 3 / 2 und Kimon 237/6, dazu zwei weitere, von denen eines vor ca. 240 anzusetzen ist (Hesperia 23, 1954, 234 nr. 3, Tracy, GRBS 14, 1973, 192), das andere ca. 2 4 0 / 3 9 datiert wird (Hesperia 30, 1961, 11 nr. 7). 37 Geehrt werden ein Archon im Jahre des Thersilochos, 247/6, vermutlich der Eponymos selbst (IG II2 781), weiter besonders Beamte, die für die Lebensmittelversorgung wichtig waren: die Sitonai von 2 4 4 / 3 (Hesperia 17, 1948, 3 nr. 3) und vom Jahre des Archons - -bios (IG II2 792), die Sitophylakes im Jahre des Athenodoros (Hesperia 6, 1937, 444 nr. 2) und die Agoranomen in dem des Philoneos, 2 4 3 / 2 (Pritchett-Meritt, Chronology 25). 38 Ehrungen für sie aus den Jahren der Archonten Antimachos (IG Π2 798) und Kallimedes 2 4 9 / 8 (IG Π2 780). 39 Für sie IG IP784 aus dem Jahr des Athenodoros. 40 Für sie IG II2 683, verabschiedet unter Hieron für die im Vorjahr unter Polyeuktos tätigen Beauftragten. Vgl. auch IG II2 3460 I aus den fünfziger Jahren. Dagegen ist IG II2 807, von Kirchner in die Mitte des Jahrhunderts datiert, wegen der Zeilen 4 - 5 zweifellos aus etwas früherer Zeit, vor dem Ende des Chremonideischen Krieges. 41 Zwei Beschlüsse für Asklepiospriester, einer davon aus dem Jahre des Lysiades (IG II2 775 mit 803; R. O. Hubbe, Hesperia 28, 1959, 174 nr. 3), ein Dekret für den Priester der (Artemis) Kailiste vom Jahre des Lysanias 2 3 5 / 4 (IG II2 788) sowie ein weiteres für den Priester der gleichen Göttin aus einem unbekannten Jahr dieser Zeit (IG II2 789). 42 IG II2 776 für eine Priesterin der Athena Polias aus dem Jahr des Alkibiades (Zeile 16) oder später, und Hesperia 7, 1938, 123 nr. 25 für eine Priesterin der Basile aus dem Jahr des Lysias 239/8. 43 IG II2 772 aus dem Jahr des Diogeiton. 44 IG Π2 1534 B. Dazu Kapitel ΠΙ.

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Jahre des Alkibiades vorgenommene Inventarisierung der Weihgeschenke auf der Akropolis.45 Als Routinesachen des Staatskultes dürfen gewiß auch die jährlichen und für die Jahre 258/7, 251/0, 250/49, 249/8 und 248/7 bezeugten Weihungen des Demos im Asklepieion gelten.46 Bei der relativ hohen Zahl von den Kult betreffenden Dekreten ist gar nicht zu verkennen, daß diese Zeit Wert auf die pünktliche Pflege der staatlichen Kulte legte und Frömmigkeit zumindest stärker zur Schau stellte als frühere Zeiten. Aber neben diesen Angelegenheiten der administrativen Routine und der religiösen Konvention gibt es, zumindest seit der Mitte der fünfziger Jahre, auch Dekrete der Ekklesie von politischem Gewicht oder wenigstens mit politischen Implikationen. Es ist doch wohl mehr als ein Zufall, daß die frühesten Anzeichen einer freieren Betriebsamkeit der Volksversammlung offensichtlich den Jahren des Philostratos und Antimachos angehören, die um oder bald nach 255 Archonten gewesen sein müssen.47 Aus dem Jahr des Antimachos stammt neben der schon erwähnten Ehrung eines Agonotheten (Anm. 38) der Beschluß, der dem in Athen ansässigen Pergamener Aischias Isotelie verleiht48, sowie ein weiteres Dekret, in dem Rhodier genannt werden.49 In seinem Jahre waren auch Aitoler in irgendeiner Mission in Athen anwesend50 und veranstaltete der Demos eine Geldumlage (Epidosis), deren Ertrag zum Schutze des Landes51 und der Stadt52 verwendet werden sollte. Und aus dem Jahr des Antimachos stammt die Ehreninschrift IG II2 3460 aus Eleusis für den Strategen des dortigen Militärbezirks, der damals von Rat und Volk von Athen, von den in Eleusis stationierten athenischen Bürgern und den Söldnern der Garnison geehrt wurde. Es ist die älteste Urkunde für einen athenischen Strategen nach dem Chremonideischen Kriege53 und das älteste Zeugnis 45

Pollux 10, 126: και σταθμία δέ χαλκά έν if| έπ' 'Αλκιβιάδου άρχοντος άναγραφΤ| τών έν άκροπόλει άναθημάτων άναγέγραπται. Unpubliziert ist ein im Sommer 1980 gefundener Beschluß aus dem Jahre des Polyeuktos, der sich auf ein Heiligtum bezieht. 46 IG Π2 1534, 220. 267. 273. 280. 325. 327. 47 Zur Datierung des Antimachos, der von Meritt jetzt, sicher viel zu spät, ins fahr 233/2 gesetzt wird (Hesperia 38, 1969, 435 ; Historia 26, 1977, I9l), vgl. Habicht, Untersuchungen I28ff., wo auch Genaueres zu den Beschlüssen seines Jahres ausgeführt wird. Philostratos muß einer seiner unmittelbaren Vorgänger gewesen sein. 48 IG II2 768 + 802. 49 IG II2 769. Vgl. die Ergänzung und Interpretation von Ad. Wilhelm, Abh. Ak. Berlin 1939, 24ff. (Akademieschriften 3, 24ff.). 50 IG Π2 798, 13, der Archon in Zeile 10-11. 51 IG II2 798, 20. 52 IG II2 768, 10-12. Wilhelm, SAWW 1916, 11-13 (Akademieschriften 1, 435-437). 53 Der Stein für den Unbekannten erwähnt auch seine Ehrung durch Rat und Volk als Stratege für die Rüstung in einem früheren, wahrscheinlich dem unmittelbar vorausgehenden Jahr.

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dafür, daß in der Festung Eleusis auch athenische Bürger Dienst taten. Gleichzeitig ist die Ehrung des Hipparchen Kallisthenes durch Rat und Volk, etwas früher, unter Philostratos, seine Ehrung als Phylarch, ebenfalls durch Rat und Volk.54 Im übrigen sind Beschlüsse der Ekklesie mit klaren politischen Akzenten in den fünfziger Jahren äußerst selten. Namhaft gemacht werden können wohl nur zwei: das Dekret für Phaidros von Sphettos55 und das Fragment des Beschlusses zu Ehren des Theoi- - -, der im Dienste des Antigonos Gonatas stehend, sich zusammen mit Gesandten Athens um die Erneuerung der Freundschaft zwischen dem König und der Stadt bemüht und dadurch um Athen verdient gemacht hat. 56 Die frühen vierziger Jahre bieten etwas mehr. Sie sahen nach dem Abfall Alexanders von Korinth von Antigonos Gonatas Athen an der Seite des makedonischen Königs und des Tyrannen Aristomachos von Argos im Kriege gegen Alexander. Oberbefehlshaber der königlichen Streitkräfte in Attika war damals der Athener Herakleitos von Athmonon als στρατηγός έπι τοΟ Πειραιέως καί xöv άλλων τόϋν ταττομένων μετά τοϋ Πειραιέως. Er ist damals von den Salaminiern für die Gewährung wirksamen Schutzes geehrt worden57 und hat, wohl in eben diesen Jahren, vom Volk von Athen den Ehrenbeschluß IG II2 677 erhalten, der von seiner Loyalität gegenüber dem König rühmend spricht und damit zugleich der Loyalität der Athener Ausdruck gibt. Auch das im Jahre des Kallimedes, 249/8, von der Ekklesie beschlossene Dekret für einen Funktionär des Königs Antigonos, IG II2 777, kann, da es in die Anfangsphase des Krieges gehört, mit den Kriegsereignissen in ursächlichem Zusammenhang stehen.58 Von erheblich größerer politischer Signifikanz ist IG II2 774 zu Ehren des Aristomachos von Argos, denn dort wird gesagt, daß Athen mit Alexander Frieden schloß, ja diesen Frieden von ihm erkaufte und dafür finanzielle Hilfe von Aristomachos erhielt, der gleichzeitig seinen Frieden mit Alexander machte. Das Faktum ist wichtig, denn es zeigt, daß Athen sich damals von der Sache des Königs, der den Krieg fortführte, getrennt hat. Das ist gewiß nach Konsultationen mit ihm und IG Π2 2854 (Moretti, Iscrizioni 26], IG IP 682. 5 6 IG II2 477. Dazu Habicht, Untersuchungen 102 Anm. 42: 123-124. Nicht genauer datierbar ist der fragmentarische Beschluß Hesperia 30, 1961, 2 1 4 nr. 9, in dem u.a. von König Antigonos, von der Freiheit der Hellenen und von einem Krieg die Rede ist. Meritts Beziehung auf den Krieg gegen Alexander von Korinth, mithin auf die frühen vierziger Jahre, ist am wahrscheinlichsten. 54

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IG II1 1225.

IG II2 777. Dazu vgl. Untersuchungen 142-145. Auch der in Anm. 56 erwähnte Beschluß kann in diese Zeit und in diesen Zusammenhang gehören. 58

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nicht ohne sein Einverständnis geschehen, zeigt aber gleichwohl unmißverständlich an, daß Athen zu dieser Zeit nicht mehr nur ein willenloser Satellit des Königs war. Dem entspricht es, daß um die Mitte der vierziger Jahre auch wieder Zeugnisse für politisch relevante Verbindungen Athens mit anderen Mächten erscheinen, nämlich im Jahre des Polyeuktos, 246/5, mit dem Aitolischen Bund: damals nahm Athen die Einladung zum neuen, penteterischen Fest der Soterien in Delphi an, das der Aitolische Bund dort veranstaltete S9, und eben damals hat die athenische Ekklesie den aitolischen Strategen Charixenos, von dem die Einladung übermittelt worden war, durch ein Dekret und einen goldenen Kranz geehrt.60 Etwa um die gleiche Zeit entsprach sie auch einer Einladung von Smyrna zur Teilnahme am neuen Fest der Göttin Aphrodite Stratonikis.61 Nur wenig früher liegen die durch IG II2 778/9 für das Jahr des Thersilochos, 247/6, bezeugten Kontakte mit der Stadt Lamia in Malis und mit dem Böotischen Bund. Zwar handelt es sich primär um die Erledigung von privaten Rechtssachen, die zwischen athenischen und böotischen Bürgern strittig waren, aber die Angelegenheit hat auch ihre politische Seite. Gemäß einem athenisch-böotischen Vertrag wurden die Streitfälle von Richtern aus Lamia, der έκκλητος πόλις, entschieden, und diese Richter wurden nach Beendigung ihrer Aufgabe von der athenischen Ekklesie durch das Dekret IG II2 779 geehrt.62 In einem anderen Punkt sind die Athener in dieser Zeit, soweit die erhaltenen Beschlüsse ein Urteil erlauben, sehr zurückhaltend, ja in für sie ganz ungewöhnlicher Weise reserviert gewesen: mit der Verleihung ihres Bürgerrechts. Es gibt aus den Jahren 261-229 nur zwei Bürgerrechtsurkunden, die für Bithys, den Strategen König Demetrios' II., aus den dreißiger Jahren63, und das eher vor als nach 240 zu datierende Fragment einer Bürgerrechtsverleihung an einen Unbekannten.64 Und in diesen 32 Jahren ist auch nur ein einziges Proxeniedekret zuverlässig zu identifizieren, für einen Bürger aus Klazomenai in Ionien.65 Endlich gibt es, abge59 IG II2 680. Zu allen mit den aitolischen Soterien zusammenhängenden Fragen s. jetzt G. Nachtergael, Les Galates en Grece et les Söteria de Delphes (1977), 209-390 und die Appendices, besonders 211-241 zum Jahr des Polyeuktos. 60 BCH 51, 1927, 349 nr. 2. Nachtergael a.O. 330ff. 333, Anm. 142. 61 Hesperia 13, 1944, 246 nr. 9. Vgl. Gottmenschentum 99-102. " Vgl. Ph. Gauthier, Symbola (1972] 172. 337-338. 63 IG IP 808. Dazu vor allem M. J. Osborne, AncSoc 5, 1974, 97-104, dem ich in der umstrittenen Frage der Identität des Geehrten (und der Datierung] folge. Anders St. M. Burstein, Calif. Stud, in Class. Antiqu. 12, 1980, 39-50. 44 IG II2 707, von der Hand des „Cutters 4" (St. V. Tracy, GRBS 14, 1973, 190ff.}. Vgl. Habicht, Untersuchungen 115 Anm. 9. 65 IG Π2 801.

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sehen von unbedeutenden Fragmenten und einigen wenigen bereits erwähnten Texten (wie dem zu Ehren der Richter aus Lamia) nur noch ein weiteres Ehrendekret für einen Nichtathener, nämlich den von Adolf Wilhelm aus IG II2 584 und 679 zusammengesetzten und erläuterten Beschluß für den Kaufmann Xenokrates aus Chios vom Jahre des Polyeuktos.66 An öffentlichen Urkunden von größerem Gewicht bleibt nur noch diejenige über die Epidosis im Jahre des Archons Diomedon, 244/3, zu erörtern 67 , neben dem Dekret für Aristomachos von Argos und der gleichfalls aus Diomedons Jahr stammenden Urkunde über den Exetasmos im Heiligtum des Asklepios68 zweifellos das wichtigste erhaltene Dokument dieser Zeit überhaupt.

3. Die Epidosis im Jahre des Diomedon

Die Urkunde über die Epidosis im Jahre des Diomedon 69 ist zunächst dadurch bemerkenswert, daß dem Präskript eine auf zwei Zeilen verteilte und in größeren Buchstaben geschriebene Überschrift vorausgeht: Ταμίας στρατιωτικών] | Εύρυκλείδης Μικίωνος [Κηφισιεύς]. Dem eigentlichen Beschluß, der die Zeilen 3-29 einnimmt, folgt in drei, ebenfalls mit größeren Buchstaben geschriebenen Zeilen die Uberschrift des zweiten Teils der Aufzeichnung: Οϊδε έπέδωκαν εις τήν σω[τ]ηρίαν της π[ό]Ιλεως και τήν φυλακήν της [χ]ώρας κατά τ[ό] I ψήφισμα τοϋ δήμου. Dann folgen, in den Zeilen 33-81, auf drei Kolumnen verteilt, die Namen der Spender mit ihrem, meist abgekürzten, Demotikon bzw., soweit es sich um Nichtbürger handelt, mit dem Ethnikon 70 oder einer anderen Notiz.71 Eines der neuen Fragmente (f), das an ein bekanntes Fragment (d) unten anschließt, hat das untere Ende der Aufzeichnung gebracht. Aber zwischen Zeile 41 (Fragmente c und e) und Zeile 42 (Frag66 Wilhelm, SAWW 1925, 50ff. (Akademieschriften 1, 510ff.|. Der Text Wilhelms auch SEG 3, 92. 67 Anm. 69; zur Datierung des Diomedon s. unten S. 68, 77. 68 IG II2 1534 B; unten S. 69. 69 IG IP791, neu veröffentlicht mit zwei weiteren Fragmenten von B. D. Meritt, Hesperia 11, 1942, 287-292 nr. 56, Abbildungen S. 288-289. Zur Interpretation vgl. Pelekidis, Secretaires 42-56. 70 So I 48 - -6- - ης Μακε (δών), wo Diogenes, der Kommandeur des Piräus, als Stifter gelegentlich angenommen wird (vgl. Pelekidis a.O. 45 Anm. 30), I 59 Ζώπυρος Συρακ(όσιος). I 65 Φιλοκλης Κορίν(θιος). I 73 'Εκαταίος Μεσημβρι(ανός). 71 So I 71 Λύκων φιλόσο(φος), der damalige Vorsteher des Peripatos, gebürtig aus Alexandreia in der Troas. II 52 Σωσίβιος Ισοτέ(λης). Ohne jede nähere Bezeichnung steht I 70 Καλλίμαχος.

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ment d) ist eine Lücke von unbekannter Größe. Solange sie nicht geschlossen werden kann, bleibt die Zahl der Spender fraglich. Der Volksbeschluß wurde am letzten Tage des Elaphebolion verabschiedet. Geschäftsführend war, wie die Tilgung in Zeile 3 erkennen läßt, eine der beiden makedonischen Phylen, und aus der stoichedon-Ordnung ergibt sich sodann, daß sie nicht als neunte, sondern als zehnte Prytanie amtierte.72 Das lange und leidenschaftlich umstrittene Demotikon des Grammateus ist jetzt als das von Alopeke (Phyle XII) bestimmt worden.73 Vorsitzender der Ekklesie an diesem Tage war [Καλλίστρ]ατος Τελεσίνου Έρχιε[ύς],74, Antragsteller [Θε]όφημος Τιμοκλέους Μαραθώνιος. 75 Der Zweck des Beschlusses ist, durch die einkommenden Gelder den Schatzmeister der Kriegskasse instandzusetzen, die notwendigen Zahlungen zu leisten, damit für den Rest des Jahres die Feldfrüchte sicher eingebracht werden können.76 Damit erklärt sich die herausgehobene Stellung dieses Schatzmeisters in der Uberschrift. Mit dem Beschluß werden die Bürger und die übrigen Bewohner Attikas aufgerufen, zum Heil der Stadt und zum Schutz des Landes durch Spenden beizutragen, die nicht geringer als 50 und nicht höher als 200 Drachmen sein dürfen und binnen zwei Monaten in der Volksversammlung oder dem Rat anzumelden oder bei den Strategen zu zeichnen sind. Die zeitliche Terminierung zeigt an, daß die beiden letzten Monate des Jahres, Thargelion und Skirophorion, diejenigen sind, in denen die Erntearbeiten hauptsächlich erwartet werden.77 Der Beschluß legt sich mit den Worten τό δέ ψήφισμα τόδε, έπειδή περί πόρου χρημάτων έστιν στρατιωτικών, άπαν είναι είς φυ]λακήν της χώρας eine besondere Dringlichkeit zu 78 und läßt im ganzen Tenor, 72

Dieses Präskript hat J. D. Mikalson, The Sacred and Civil Calendar of the Athenians |1975) 137, übersehen. 73 J. Η. Kroll, Hesperia 46, 1977, 121-122. 74 Vgl. zu ihm und zu seiner Familie Davies, APF S. 362-363 mit Stammbaum. 75 PA 7098, sonst unbekannt, wenn er nicht der eponyme Archon von 242/1 ist. 76 Zeile 10—12: [ ί ν α . . . ] συνκ[ομισθ