Steuerrecht international tätiger Unternehmen: Handbuch der Besteuerung von Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen und von Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen. [5 ed.] 9783504385217

Der Mössner ist das etablierte Werk des ersten Zugriffs. Er leitet Personen- und Kapitalgesellschaften sicher durch das

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Steuerrecht international tätiger Unternehmen: Handbuch der Besteuerung von Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen und von Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen. [5 ed.]
 9783504385217

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Mössner u.a.

Steuerrecht international tätiger Unternehmen

Steuerrecht international tätiger Unternehmen Handbuch der Besteuerung von Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen und von Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen von

Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner u.a. em. Universitätsprofessor, Steuerberater, Wallenhorst

5. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage

2018

Bearbeiter Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner

em. Universitätsprofessor, Steuerberater, Wallenhorst

Prof. Dr. Hubertus Baumhoff

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Dipl.-Kfm., Bonn Honorarprofessor an der Universität Siegen

Dr. Jan Dyckmans

Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt a. M.

Dr. Benjamin Engel

Steuerberater, New York/Frankfurt a. M.

Dr. Lars H. Haverkamp, LL.M. (Christchurch)

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Düsseldorf

Dr. Udo Henkel

Rechtsanwalt und Steuerberater, München

Prof. Dr. David Hummel

Professor an der Universität Leipzig, Referent am EuGH, Luxemburg

Sonja Klein, TEP (Trust and Estate Practitioner)

Jürgen Kuhn

Steuerberater, Dipl.-Kfm., Langgöns

Prof. Dr. Steffen Lampert

Professor am Institut für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Osnabrück, Osnabrück

Dr. Daniel Liebchen

Steuerberater, Dipl.-Kfm., Hamburg

Dr. Marcus Mick, LL.M.

Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt a.M.

Dr. Reimar Pinkernell, LL.M.

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Bonn

Prof. Dr. Carsten Pohl, LL.M.

Professor an der Fachhochschule für Finanzen Nordrhein-Westfalen, Nordkirchen, Haltern

Dr. Christian Port

Rechtsanwalt, Steuerberater, Frankfurt a.M.

Rechtsanwältin, Steuerberaterin, Dipl.-Kffr., Frankfurt a. M.

Dr. Thomas Schänzle

Jan Christoph Kubicki, Mag. jur.

Sabine Sydow

Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.

Steuerberater, Dipl.-Kfm., Frankfurt a.M. Regierungsdirektorin, Berlin/New York

Zitierempfehlung: Bearbeiter in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 5. Aufl., Rz. 1.1 ff.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-26040-8 © 2018 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort zur 5. Auflage „Wir leben in stürmischen Zeiten“. Diese oft zu hörende Aussage trifft auch auf das Internationale Steuerrecht zu. Ausgelöst von immer neuen Berichten über „Steuerskandale“ von Amazon über Irland und Luxemburg bis Panama und Starbucks in den vergangenen Jahren haben die Finanzverwaltungen im Rahmen der OECD ihre Maßnahmen gegen internationale Steuervermeidung gebündelt und das Projekt von BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) in Gang gesetzt, das noch nicht zu einem endgültigen Abschluss gekommen ist. Auch die Europäische Union sieht sich veranlasst, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Die Staaten haben bereits zum Teil mit nationalen Gesetzesänderungen reagiert und werden noch weitere Gesetze zur Umsetzung im Rahmen dieses Prozesses erlassen. Worin dies alles münden wird, ist noch durchaus unsicher. Eines steht allerdings schon jetzt fest: Für international tätige Unternehmen bedeutet dies alles eine massive Vermehrung der zu beachtenden Vorschriften und somit zusätzlicher Aufwand. Die Auswirkungen der BEPS-Aktionen der G20/OECD und dieser folgend der Europäischen Union sind jedoch noch nicht umfassend in allen Einzelheiten absehbar. Die Neuauflage erfasst die vielfältigen Änderungen der Rechtslage, die seit der Vorauflage durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungserlassen erfolgt sind, und kommentiert diese kritisch. Die im Augenblick rasante Entwicklung betrifft nahezu alle Bereiche der Neuauflage: Einfluss der digitalen Entwicklung, Änderungen im Außensteuerrecht, Differenzierung bei den Verrechnungspreisen sowie neue Entwicklungen bei Betriebstätten usw. haben zu erheblichen Veränderungen geführt. Vor allem aber die Bekämpfung internationaler Steuergestaltungen steht im Fokus der Maßnahmen auf Staatenebene. Ob dies letztlich zu mehr Steuergerechtigkeit führt, ist noch nicht abzusehen. Dies wird die Zukunft erst erweisen. In jedem Fall wird es zu erheblichen Änderungen in vielen Gebieten des Internationalen Steuerrechts für international tätige Unternehmen kommen und – wie gesagt – zur weiteren Komplizierung des Rechts. Um diese Entwicklung aufzuarbeiten, war die Gewinnung neuer Autoren notwendig. Ich freue mich, dass Dr. Lars H. Haverkamp, Sonja Klein, Prof. Dr. Steffen Lampert, Dr. Raimar Pinkernell, Prof. Dr. Carsten Pohl, Dr. Christian Port und Sabine Sydow erhebliche Teile des Werkes einzeln oder in Zusammenarbeit mit den früheren Autoren übernommen haben. Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit und heiße sie im Kreise der Autoren willkommen. Wie bisher repräsentieren die Autoren die unterschiedlichen Aspekte durch ihre Herkunft aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis. Dies garantiert einen guten Mix der Ansichten, die auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Zugleich ist diese Neuauflage auch ein Abschied von einem Autor der ersten Stunde – Thomas Menck –, der durch seine Beiträge dem Werk mit sein Profil gegeben hat. Ich bin ihm dankbar, dass er bis ins hohe Alter seine Abschnitte im Buch aktualisiert hatte. Mit seinem von der Erfahrung getragenen Wissen – vor allem aus seiner Tätigkeit im Bundesfinanzministerium – war er eine große und beständige Bereicherung für das Werk, auch mit seinen Ratschlägen. Ich bin ihm zu tiefem Dank verpflichtet. Ebenso danke ich dem scheidenden Autor Prof. Dr. Günther Strunk, der in der dritten und vierten Auflage hinsichtlich der Betriebsstättengewinnermittlung und -abgrenzung mit verantwortlich gezeichnet und wesentlich zur Qualität des Werks beigetragen hat. Mit den neuen Autoren und dem Ausscheiden von Thomas Menck sowie Prof. Dr. Günther Strunk kündigt sich auch ein Generationenwechsel im Autorenkreis an. Dies zeigen die vielen neuen Autoren, die wesentliche Teile der Darstellung übernommen haben und weiterführen werden. Für mich selbst ist die fünfte Auflage zugleich die letzte, die ich als Erstverfasser betreue. Dem Werk wünsche ich eine ebenso freundliche Aufnahme, wie sie die Vorauflagen erfahren haben, und dass sich das Werk als hilfreiche Handreichung für seine Benutzer erweisen möge. Osnabrück, im Januar 2018

Prof. Dr. Jörg Manfred Mössner VII

Vorwort zur 1. Auflage Die internationale Verflechtung der deutschen Wirtschaft ist schon längst nicht mehr eine Angelegenheit weniger Großunternehmen. Auch mittlere, selbst einige kleinere Unternehmen unterhalten ständige oder zumindest gelegentliche Geschäftsbeziehungen zum Ausland. Daß sich diese im europäischen Binnenmarkt nach 1992 auf vielfältige Weise verstärken werden, läßt sich als sicher voraussehen. Die Beschäftigung mit international-steuerrechtlichen Fragen gilt hingegen – noch – als Sache weniger Spezialisten, obgleich derartige Probleme sich mit zunehmender Tendenz einem größer werdenden Kreis von Unternehmen und deren Beratern stellen. Den sich daraus ergebenden Bedarf nach einem einführenden, einen Überblick gebenden, zugleich aber auch die Details nicht vernachlässigenden Handbuch über die sich bei derartigen Geschäftsbeziehungen stellenden steuerrechtlichen Fragen will dieses Buch erfüllen. Dabei behandelt es diese nicht nur aus der Sicht des deutschen Unternehmens mit Beziehungen zum Ausland, sondern in gleicher Weise auch aus der Sicht des ausländischen Unternehmens mit Beziehungen zu Deutschland. Die Autoren stellen demgemäß die Regeln des deutschen Steuerrechts dar, die für international tätige Unternehmen bei grenzüberschreitenden Geschäften maßgebend sind. Doch wollen sie nicht nur den gegenwärtigen Stand aufzeigen. Dort, wo es geboten erscheint, beziehen sie auch kritisch Stellung. Der Aufbau des Buches wird durch seine Zielsetzung bestimmt: Es enthält Teile, die für inländische und ausländische Unternehmen gleicherweise von Bedeutung sind (A–C, F). Darin werden die Grundfragen des deutschen internationalen Steuerrechts, die Gewinnermittlungsregeln bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sowie die internationalen Aspekte der Vermögensteuer behandelt. Im Abschnitt D widmet sich die Darstellung den Auslandaktivitäten deutscher Unternehmen, im Abschnitt E den Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen. Das Buch folgt dem Werk von Bellstedt, Besteuerung international tätiger Unternehmen, welches im Jahre 1973 in dritter Auflage im Verlag Dr. Otto Schmidt erschienen ist. Absicht, Aufbau und gelegentliche Details entsprechen sich. Die rasante Rechtsentwicklung nach 1973 ließ aber eine Neubearbeitung im eigentlichen Sinne nicht mehr zu, so daß ein völlig neues Werk entstanden ist. Die ungeheure Stofffülle machte es erforderlich, daß eine Reihe von Autoren gewonnen worden. Dies stellt vor allem sicher, daß das Buch bei Neuauflagen in allen Teilen gleichmäßig auf neuestem Stand bleiben kann. Jeder Autor trägt inhaltlich die uneingeschränkte Verantwortung für seinen Beitrag. Lediglich die technische Koordinierung lag in den Händen des Erstautors. Auf eine strikte Abgrenzung der einzelnen Abschnitte in bezug auf deren Inhalt und bei den Literaturangaben wurde verzichtet, um die Lesbarkeit der einzelnen Abschnitte nicht durch häufige Verweisungen zu beeinträchtigen. Dies führt zwar zu gelegentlichen Überschneidungen, die insgesamt allerdings ein sehr geringes Ausmaß erreichen und daher vertretbar erscheinen. Das Buch wäre nicht zustande gekommen, hätte der Verlag nicht über Jahre seine Entstehung mit Verständnis und Ermunterung begleitet. Dafür danken die Autoren dem Verleger und seinen Mitarbeitern. Dank gilt auch den Mitarbeitern des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Osnabrück, die vielfältig die technischen Probleme überwinden halfen, vor allem bei der Anfertigung des Stichwortverzeichnisses. Wir wünschen dem Werk, daß es seinen Benutzern stets Rat zu geben vermag. Für Hinweise auf Lücken und für Verbesserungsvorschläge sind wir dankbar. Im Januar 1992 VIII

Die Verfasser

Inhaltsübersicht Ausführliche Inhaltsübersichten zu Beginn der einzelnen Kapitel. Seite

Vorwort zur 5. Auflage . . Vorwort zur 1. Auflage . . Abkürzungsverzeichnis . . Gesamtliteraturverzeichnis

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. VII . VIII . XIII . XXVII

1. Teil: Grundlagen Kapitel 1 Unternehmen im Internationalen Steuerrecht (Lampert/Pohl/Sydow) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E. F. G.

Grenzüberschreitendes Wirtschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Steuerkoordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkte Besteuerung im internationalen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen . . . . . . . . . Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum Unionsrecht und direkte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikationskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung (Mössner/Lampert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit . . Beseitigung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge . . . .

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Kapitel 3 Grenzüberschreitender Electronic Commerce (Pinkernell) . . A. B. C. D.

Electronic Commerce . . . . . . . . Inboundgeschäft . . . . . . . . . . . . Outboundgeschäft . . . . . . . . . . . Auswirkungen des BEPS-Projekts

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Rz.

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1.1 1.1 1.16 1.30 1.53 1.84 1.95 1.166

1 3 17 22 32 46 50 85

2.1 2.1 2.12 2.84 2.244 2.417

127 130 134 161 239 289

3.1 3.1 3.9 3.81 3.94

319 320 323 354 359

4.1 4.1 4.14 4.209

365 373 378 476

4.332 4.470

522 590

2. Teil: Internationale Verrechnungspreise Kapitel 4 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (Baumhoff/Liebchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D.

Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs Methoden der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Liefer- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsübersicht Rz.

Seite

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen . . . . . . . . G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung . . .

4.480 4.582

596 641

Kapitel 5 Betriebsstättengewinnabgrenzung (Haverkamp) . . . . . . . . . . .. . . .. . .. . .. . . .. . . .. . .. . .. . . .. . . .. . .. . .. ..

5.1 5.1 5.20 5.58

667 672 678 688

.. . . .. . .. ... . .

5.131

709

.

6.1 6.1

761 765

.

6.8

767

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6.23 6.175 6.187 6.268

772 819 822 843

Kapitel 7 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften (Henkel)

7.1 7.1 7.23 7.38 7.60 7.113

849 850 858 861 866 880

8.1 8.1 8.41

887 889 898

.

9.1 9.1

927 934

. . . . . .

9.6 9.136 9.140 9.198 9.209 9.221

936 978 980 999 1002 1005

A. B. C. D.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 6 AStG i.V.m. BsGaV . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . .. . . . .. . . . .. . Abs. 5, . . .. .

3. Teil: Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen (Outbound-Investitionen) Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften (Schänzle/Engel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft . . . . . . . F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.

Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften . . . . Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laufende Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 8 Hinzurechnungsbesteuerung (Henkel/Klein) . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . .

4. Teil: Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Inbound-Investitionen) Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften (Mick/Dyckmans) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft . . . . . . . D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Beendigung und Strukturwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X

Inhaltsübersicht Rz.

Seite

10.1 10.1 10.7 10.9 10.69 10.74

1007 1008 1010 1011 1031 1033

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11.1 11.1 11.59 11.162 11.184 11.200

1041 1045 1061 1087 1093 1097

Kapitel 12 Grenzüberschreitende Finanzierung international tätiger Unternehmen (Kuhn/Kubicki) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12.1

1115

12.1

1116

12.18

1121

12.115

1151

13.1 13.1 13.6 13.11

1157 1158 1161 1163

13.18 13.21 13.32 13.38 13.50 13.119 13.216 13.220 13.225

1167 1169 1174 1176 1182 1212 1259 1261 1263

Kapitel 10 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften (Henkel/Port) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.

Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . Besteuerung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung und Liquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Teil: Internationale Umwandlungen und Finanzierungen Kapitel 11 Internationale Umwandlungen (Henkel/Port) . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Einbringungen in Kapitalgesellschaften

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A. Finanzierungsmöglichkeiten eines Unternehmens und Entscheidungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgewählte Instrumente der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der grenzüberschreitenden Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6. Teil: Internationales Steuerverfahrensrecht und Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen Kapitel 13 Internationales Steuerverfahrensrecht (Pohl/Liebchen) . . . . A. B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L.

Besteuerungsvollzug im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollmaßnahmen und Kooperation der Steuerverwaltungen . . . . . . . . . Internationale Unternehmenstätigkeit im deutschen Verfahrensrecht . . . . . Die Prüfung international tätiger Unternehmen durch die deutsche Steuerverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Ermittlungshilfe (Auskunftsaustausch auf Ersuchen) . . . . . . . Austausch spontaner und automatischer Auskünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . Verständigungsverfahren und Konsultation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Advance Pricing Agreements (APA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperation und Abstimmung bei Außenprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Rechtshilfe in Steuerstrafsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amtshilfe durch Zustellung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Inhaltsübersicht Rz.

Seite

14.1 14.1 14.50 14.398 14.446 14.490

1265 1268 1286 1401 1418 1435

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1441

Kapitel 14 Umsatzsteuerrecht bei Auslandsbeziehungen (Hummel) . . . A. B. C. D. E.

XII

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lieferungen und sonstige Leistungen in das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . Vergütung von Vorsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsstätten und Tochtergesellschaften im Umsatzsteuerrecht . . . . . . . Internationale Doppelbesteuerung auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts

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Abkürzungsverzeichnis a.A. AB abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. abw. AcP a.E. AEAO AEUV a.F. AfA AG AhiRL aHZB AIG AktG AlkopopStG AlkStG allg. Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA AöR APA Art. ASA AStG ATR Aufl. ausf. ausl. AuslInvG AVR AWD AWG Az.

andere(r) Ansicht Ausführungsbestimmung(en) ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Amtshilfe-Richtlinie anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Auslandsinvestitionsgesetz Aktiengesetz Alkopopsteuergesetz Alkoholsteuergesetz allgemein Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) Advanced Pricing Agreement(s) Artikel Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht (Zeitschrift) Außensteuergesetz Advance Tax Rulings Auflage ausführlich ausländisch Auslandsinvestmentgesetz Archiv für Völkerrecht (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen

Bad.Württ. BaFin BAnz. BAO BayObLG

Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Bayerisches Oberstes Landesgericht XIII

Abkürzungsverzeichnis

BayVBl BayVerfGH BB BBG BBK Bd. BdF BDI Begr. BeitrRL Bem. BEPS BergPG BerlinFG bes. Beschl. bestr. betr. BewG BfF BFH BFHE BFH/NV BFuP BG BGB BGBl. BGE BGH BGHSt BGHZ BierStG BierStV BIFD BilMoG B/J/S B/K/K/R B/K/L/M/R BMF BMWi Bp BpO BPT BR BR-Drucks. BranntwMonG BSG BsGaV XIV

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Band Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beitreibungsrichtlinie Bemerkung(en) Base Erosion and Profit Shifting Bergmannsprämiengesetz Berlinförderungsgesetz besonders Beschluss bestritten betreffend Bewertungsgesetz Bundesamt für Finanzen Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Biersteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes Bulletin for International Fiscal Documentation Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG – StromStG Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge, Kommentar zum Außensteuerrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Betriebsprüfung Betriebsprüfungsordnung Branch Profits Tax Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Gesetz über das Branntweinmonopol Bundessozialgericht Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung

Abkürzungsverzeichnis

Bsp. bspw. BStBK BStBl. BT BT-Drucks. BTR Buchst. BVerfG BVerfGE B/W BVerfGG BVerwG BVerwGE BZSt bzw.

Beispiel beispielsweise Bundessteuerberaterkammer Bundessteuerblatt (Teil I oder II) Bundestag Drucksache(n) des Bundestages British Tax Review (Zeitschrift) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

CbCR CCN C-Corp CDFI CGI CFC CIR Corp CSI CV DB DBA DBW DDR DepotG DE-VG DFGT dgl. d.h. d.i. DIHT Diss. DJT DK DNotZ Dok. DÖV D/P/M D/P/P/M Drucks. DStG DStJG

Country-by-Country Reporting Common Communication Network Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Général des impôts Controlled Foreign Companies Code des impôts sur les revenus Corporation Common System Interface Commanditaire Vennootschap Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Demokratische Republik Depotgesetz Deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen Deutscher Finanzgerichtstag (Tagungsband) dergleichen das heißt das ist Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutscher Juristentag Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Notar-Zeitschrift Dokument, Dokumentation Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Drucksache Deutsche Steuergewerkschaft Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (seit 1980)

DStR DStRE DStZ

XV

Abkürzungsverzeichnis

DStZ A und B DSWR dt. DV (DVO) DVBl. DVR

Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A (bis 1979) und B (bis 1979) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) deutsch Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift)

E EAG EAS EC EDV EFG EF-VO

(Gesetzes-)Entwurf Europäische Atomgemeinschaft Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Tax Review European Communities Tax Review (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft EG-Amtshilfegesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Einführung Einleitung einschließlich (verwendbares) Eigenkapital Excise Movement and Control System Europäische Menschenrechtskonvention Energiesteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes Entscheidung entsprechend Entwicklungshilfe-Steuergesetz Entwicklungsländer-Steuergesetz Europäisches Parlament Erbschaftsteuer Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Erlass Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz Einkommensteuer Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Steuer-Zeitung European Taxation (Zeitschrift) Europäische Union EU-Amtshilfegesetz EU-Beitreibungsgesetz Europäischer Gerichtshof

e.G. EG EGAHiG EGAO EGBGB EGHGB EGKS EGV Einf. Einl. einschl. EK EMCS EMRK EnergieStG EnergieStV Entsch. entspr. EntwHStG EntwLStG EP ErbSt ErbStG Erl. E/S ESt EStB EStDV EStG EStH EStR EStZ ET EU EUAHiG EUBeitrG EuGH XVI

Abkürzungsverzeichnis

EuGHE EuGH-URep EuR EU-SchU EUStBV EuStZ EuZW e.V. evtl. EWG EWGV EWIV EWIV-AG

EWR EWRA EWS

Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs EuGH-Umsatzsteuerreport Europarecht (Zeitschrift) Europäisches Schiedsübereinkommen (Schiedsverfahrenskonvention) Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Steuerzeitung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f. FA FamRZ FATCA FATCA-USA-UmsV FeuerschStG ff. FG FGO Fifo FiMaNoG Fin.Arch. FinMin. FinSen. FinVerw. F/D F/G FKAustG Fn. FN-IdW FR FRL FS FuSt FVerlV FVG F/W/B/S F/W/K

folgende (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Foreign Tax Account Compliance Act FATCA-USA-Umsetzungsverordnung Feuerschutzsteuergesetz fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht; Festgabe Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzmarktnovellierungsgesetz Finanzarchiv (Zeitschrift) Finanzministerium Finanzsenator Finanzverwaltung Frotscher/Drüen, KStG-Kommentar Frotscher/Geurts, EStG-Kommentar Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz Fußnote Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Finanzen und Steuern Funktionsverlagerungsverordnung Gesetz über die Finanzverwaltung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland – Schweiz

G GA GATS GATT

Gesetz Generalanwalt General Agreement on Trade and Services General Agreement on Tarifs and Trade

EWIV-VO

XVII

Abkürzungsverzeichnis

GAufzV GbR gem. GemVO GenG GewArch. GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GKG G/K/G GKKB gl.A. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GoB GoS Gr. GRCh GrEStG GrS GS GS GuV GVBl. GVG GWR

Gewinnaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die GmbH GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Gruppe Charta der Grundrechte der EU Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gesetzessammlung Gedächtnisschrift Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

H Halbs., HS HB Hdb. Hess. HFA HFA des IdW HFR HGB HGrG H/H H/H/R

Hinweis(e) Halbsatz Handelsbilanz Handbuch Hessen Hauptfachausschuss Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Haase/Hruschka, Umwandlungsteuergesetz Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung Highest in – first out Haun/Kahle/Goebel/Reiser, Außensteuerrecht herrschende Lehre Haritz/Menner, Umwandlungsteuergesetz herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben Hinzurechnungsbetrag

H/H/Sp Hifo H/K/G/R h.L. H/M h.M. Hrsg. HZB XVIII

Abkürzungsverzeichnis

i.A. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. IdW i.E. i.e.S. IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF InfAustAbk inl. insb. InsO Inst.FuSt intern. Intertax InvG InvStG InvZulG IPO IPR IPrax IRC IRG IRS i.S. ISR IStGH IStR ITA ITJ ITPJ i.V. IWB i.w.S.

im Allgemeinen International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer im Einzelnen im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Informationsaustauschabkommen inländisch insbesondere Insolvenzordnung Institut „Finanzen und Steuern“ international International Tax Review (Zeitschrift) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Code Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internal Revenue Service im Sinne Internationale Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Internationaler Strafgerichtshof Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Income Tax Act The international Tax Journal (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung Internationale Wirtschafts-Briefe im weiteren Sinne

JA Jb. JbFStR JBl. Jg. JöR JStG Jura JuS JZ

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Blätter (Zeitschrift) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahressteuergesetz Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) XIX

Abkürzungsverzeichnis

KaffeeStG KAG Kap. KapErhStG KapErtrSt KapErtrStDV K/E KFR KF-VO Kfz. KG KGaA Kj. KÖSDI KraftStG krit. K/S/M KSt KStDV KStG KStR KStZ KWG

Kaffeesteuergesetz Kommunalabgabengesetz Kapitel Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Kapitalertragsteuer Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar Kommentierte Finanzrechtsprechung Kleinsendungs-Einfuhrfreimengen-Verordnung Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kalenderjahr Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kraftfahrzeugsteuergesetz kritisch Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Gesetz über das Kreditwesen

LB L/B/P LG Lifo li.Sp. lit. Ltd. LLC L/L/H LLLP LLP LoB LP L/S LStDV lt. LuF LuftVStG

Lehrbuch Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Landgericht Last in – first out linke Spalte Buchstabe Private Company Limited by Shares, Limited Limited Liability Company Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limitation of Benefit Limited Partnership Lenski/Steinberg, GewStG-Kommentar Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut Land- und Forstwirtschaft Luftverkehrsteuergesetz

MA m. Anm. m.a.W. MCCA

Musterabkommen mit Anmerkung(en) mit anderen Worten Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of Country-by-Country Reports Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MwSt-Informations-Austausch-System

MCMAA MDR MIAS XX

Abkürzungsverzeichnis

MinöStG Mio. m.R. MoMiG

MRK MTR MüKo M/W m.w.N. MwSt MwStSystRL MwSt-ZVO MZK

Mineralölsteuergesetz Million(en) mit Recht Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Menschenrechtskonvention Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar Moench/Weinmann, ErbStG mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer Mehrwertsteuersystemrichtlinie Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Modernisierter Zollkodex

Nds. n.F. NJW NL Nr. nrkr. NRW, NW NSt NV NVwZ NW NWB NZG

Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Niederlande Nummer nichtrechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neues Steuerrecht von A–Z (Zeitschrift) Namenloze Vennootschap (Niederlande) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

o.Ä. OECD OECD-MA

oder Ähnliches Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Transfer Pricing Guidelines der OECD Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion(en) Oberster Finanzgerichtshof oben genannt offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht schweizerisches Obligationenrecht Geschäfte ohne Rechnung Österreichische Steuerzeitung Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Entscheidungen des preuß. OVG in Staatssteuersachen Ordnungswidrigkeitengesetz Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht

MoRaKG

OECD-MK OECD-TPG OEEC OFD OFH o.g. OHG OLG OR OR-Geschäfte ÖStZ OVG OVGE OVGSt OWiG ÖZöffR, ÖZöR

XXI

Abkürzungsverzeichnis

p.a. PartGG PIStB Pkw plc Preuß./(pr.) Prot.

per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Personenkraftwagen Public Limited Company preußisch Protokoll

R RabelsZ

R/H/N R/H/vL RIW RJF R/K/L rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. RT RWP Rz.

Richtlinie Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Reichsabgabenordnung Rechnungsabgrenzungsposten Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Rechtsverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Real Estate Investment Trust Rennwett- und Lotteriesteuergesetz rechte Spalte Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revue des Jurisprudence Fiscale (Zeitschrift) Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Rechts- und Wirtschafts-Praxis (Zeitschrift) Randziffer

s. S. S.A. Sàrl SC SCA SCE SCE-VO SchaumwZwStG Schl.-Holst. Schr.

siehe Seite Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Societas Cooperativa Europaea, Europäische Genossenschaft Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft Schaumweinsteuer- und Zwischenerzeugnissteuergesetz Schleswig-Holstein Schreiben

RAO RAP R/D RechtsVO RefE Reg.-Begr. REIT RennwLottG re.Sp. Rev. RFH RFHE RGBl. RGSt. RGZ

XXII

Abkürzungsverzeichnis

S-Corp S/D SE sec. SEED SEStEG SE-VO S/F sfr. SGB SGG S/H/S SICAF SICAR-Status SICAV S/K/K Slg. SNC S/R s.o. sog. SolZG Sp. SP SpA SparPG SrC SRÜ st. St ST StÄndG StandOG StAnpG StB Stbg StbJb StbKongrRep StBp StEK SteuerHBekG SteuerHBekV StEUVUmsG StGB StJ StLex StPO StQ str. StR StRev.

Subchapter S Corporation Schönfeld/Ditz, DBA-Kommentar Societas Europaea, Europäische Aktiengesellschaft, Europa-AG section System for Exchange of Excise Data Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Schnitger/Fehrenbacher, KStG-Kommentar Schweizer Franken Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsteuergesetz Société d’investissement à capital fixe Société d’investissement en capital à risque Société d’investissement à capital variable Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen Société en nom collectif Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz siehe oben so genannt Solidaritätszuschlagsgesetz Spalte Schlussprotokoll Societa per Azioni Sparprämiengesetz Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen ständig Steuer Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift) Steueränderungsgesetz Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report (Zeitschrift seit 1977) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz Steuerhinterziehungsbekämpfungs-Verordnung Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften Strafgesetzbuch Steuerjournal (Zeitschrift) Steuer-Lexikon Strafprozessordnung Quintessenz des Steuerrechts (Zeitschrift) strittig Steuerrecht Steuer-Revue (Zeitschrift) XXIII

Abkürzungsverzeichnis

StRK StromStG StSäumG StStud StuB StuW stv. StVergAbG StVj. StWa s.u. SWI

Steuerrechtskartei Stromsteuergesetz Steuersäumnisgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) stellvertretend Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift) Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

TabStG TabStV T/G/J TIEA T/K TLR TMTP TNI TNMM TPIR Tz.

Tabaksteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz Tax Information Exchange Agreement (Informationsaustauschabkommen) Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Law Review (Zeitschrift) Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Transactional net margin method Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u. u.a. u.a.m. u.Ä. Übers. Ubg udgl. UmwG UmwR UmwStG UN UR UrhG Urt. USA USt UStDV UStG USt-IdNr. UStKongrBericht UStR usw. u.U. UVR UWG UZK

und und andere, unter anderem und andere(s) mehr und Ähnliches Übersicht Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) und dergleichen Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht Umwandlungssteuergesetz United Nations Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuerkongress-Bericht Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter unter Umständen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Unionszollkodex

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

v. VAG VAT V/B/E v.E. VerbrStSystRL VerbrSt-ZVO VermBG VersR VersRAI VersStG VerwArch. Vfg. vGA VGH vgl. v.H. VJSchrStFR V/L VO Vol. Vorb. VRL VSt VStDV VStG VStSystRL VVaG VVDStRL VWG BsGa VwGO VwVfG VwZG

vom, von Versicherungsaufsichtsgesetz Value added Tax Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise verdeckte Einlage Verbrauchsteuersystemrichtlinie Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Vermögensbildungsgesetz Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Versicherungsteuergesetz Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Zeitschrift) Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Verordnung Volume Vorbemerkung Verschmelzungs-Richtlinie Vermögensteuer Vermögensteuer-Durchführungsverordnung Vermögensteuergesetz Verbrauchsteuersystem-Richtlinie Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz

W/A/D W/B

Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen Wohnungseigentumsgesetz Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaftsverwaltung (Zeitschrift) Wilms/Jochum, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar Wirtschaftsjahr Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht Welthandelsorganisation

WEG WiB WiRO WiSt wistra WiVerw W/J Wj. WKBG WKV WM W/M WPg W/R/S WTO

XXV

Abkürzungsverzeichnis

WTOÜ WÜD WÜK WÜRV WVK

WTO-Übereinkommen Wiener Übereinkommen für Diplomaten Wiener Übereinkommen für Konsuln Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen

ZaöRV z.B. ZBstA ZErb ZEV ZfB ZfbF ZfgK ZfV ZfZ ZG ZGB ZGR ZHR Ziff. ZiLiRL ZiRL ZIP zit. ZIV ZK ZPO ZRP z.T. zutr. ZVglRWiss

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zinsbesteuerungsabkommen Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zollgesetz Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zins- und Lizenz-Richtlinie Zinsrichtlinie Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert, Zitat Zinsinformationsverordnung Zollkodex Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung

XXVI

Gesamtliteraturverzeichnis Bächle/Knies/Ott/Rupp, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Stuttgart 2008 Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl., Herne/Berlin 2000 Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, Wien 2015 Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/Berlin 1995 Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995 Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt, Köln Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Köln/Berlin 1997 Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, Erläuterungen und Gestaltungshinweise, Köln 2007 Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, Loseblatt, München Bordewin/Brandt, EStG, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg Brähler, Internationales Steuerrecht, 8. Aufl., Wiesbaden 2014 Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 16. Aufl., München 2017 Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., München 2016 Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, München Debatin/Endres, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen USA/Bundesrepublik Deutschland, München 1990 Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Aufl., München 2013 Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland – USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Loseblatt, München Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl., Berlin 2005 Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht, 6. Aufl., Wien 2007 Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., München 2008 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln Friedrich/Meißner, Kommentar zu den Energiesteuern, Loseblatt, Freiburg Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., München 2015 Frotscher/Drüen, Praxiskommentar Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Frotscher/Geurts, Praxiskommentar Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Herne 2017 Gambke/Flick, Versicherungssteuergesetz Kommentar, 4. Aufl., Köln 1996 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Aufl., München 2013 Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 6. Aufl., München 2017 Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2017 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2015 Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin XXVII

Gesamtliteraturverzeichnis

Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, Loseblatt, München von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 7. Aufl., Baden-Baden 2015 Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 4. Aufl., Herne/Berlin 2017 Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht – BewG, ErbStG, Kommentar, Loseblatt, Köln Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2016 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., München 2011 Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., München 2015 Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Berlin Haun/Kahle/Goebel/Reiser, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, München 2008 Herdegen, Europarecht, 19. Aufl., München 2017 Herdegen, Völkerrecht, 16. Aufl., München 2017 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt, Köln Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003 Hobe, Europarecht, 9. Aufl., München 2017 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1993 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 12. Aufl., München 2016 Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl., München 2014 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016 Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 14. Aufl., München 2016 Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016 Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., München 2015 Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl, Köln 2017 Kapp/Ebeling, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008 Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., Köln 2017 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Heidelberg Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 13. Aufl., München 2016 Kloepfer, Luftverkehrsteuer – Rechtsprobleme eines Luftverkehrsteuergesetzes (LuftVStG), Berlin 2010 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 1993 König, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl., München 2014 Korn, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2017 Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln Lademann, EStG, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl., Köln 2012 Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2016 Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2. Aufl., München 2017 Lutter, Holding-Handbuch, 5. Aufl., Köln 2015 XXVIII

Gesamtliteraturverzeichnis

Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl., Köln 2014 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 19. Aufl., Köln 2016 Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2. Aufl., Köln 2015 Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt, München Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz Kommentar, Karlsruhe 2015 Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 17. Aufl., München 2018 Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Loseblatt, Herne Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, München Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, 2. Aufl., München 2017 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 11: Internationales Wirtschaftsrecht, 7. Aufl., München 2018 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl., München 2016 Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 77. Aufl., München 2018 Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Aufl., Tübingen 2011 Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl., München 2011 Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013 Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Köln 2015 Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Reith, Internationales Steuerrecht – Handbuch zum Doppelbesteuerungs- und Außensteuerrecht, München 2004 Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungsteuergesetz, 3. Aufl., Kommentar, Köln 2018 Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Köln 2015 Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, Heidelberg 1974 Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl., München 2018 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Köln 2017 Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015 Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Köln 2015 Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, München 2007 Scheffler, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 3. Aufl., München 2009 Schmidt, Einkommensteuergesetz, 36. Aufl., München 2017 Schmidt, Versicherungsteuergesetz, Kommentar, Bonn 2015 Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 3. Aufl., Köln 2015 Schmidt/Sigloch/Henselmann, Internationale Steuerlehre, Wiesbaden 2005 Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 7. Aufl., München 2016 Schönfeld/Ditz, DBA-Kommentar, Köln 2013 Schwarz/Pahlke, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, Freiburg Schweitzer/Hummer, Europarecht, 6. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 2007 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 6. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 2000 Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 4. Aufl., München 2017 Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, München Stadie, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Köln 2015 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl., Köln/München 2017 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München 1984 Streck, Körperschaftsteuergesetz, 8. Aufl., München 2014 Streinz, EUV/EGV, 2. Aufl., München 2012

XXIX

Gesamtliteraturverzeichnis

Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Loseblatt, Bonn Tipke, Steuergerechtigkeit, Köln 1981 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl., Köln 2000; Band II, 2. Aufl., Köln 2003; Band III, 2. Aufl., Köln 2012 Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., Köln 2015 Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblatt, München Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, Nachdruck 3. Aufl., Berlin 2010 Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl., Herne 2017 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 6. Aufl., München 2015 Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl., München 2015 Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar zu allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Loseblatt, München Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch, 2. Aufl., Köln 2018 Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2014 Wassermeyer/Lang, M./Schuch, OECD-MA, DBA Österreich/Deutschland, 2. Aufl., Wien 2010 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015 Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., München 2016 von Wedelstädt, Abgabenordnung mit Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 21. Aufl., Stuttgart 2015 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Wilke/Weber, Internationales Steuerrecht, 13. Aufl., Herne 2016 Witte, Zollkodex, 7. Aufl., München 2018

XXX

1. Teil Grundlagen Kapitel 1 Unternehmen im Internationalen Steuerrecht A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften I. Unternehmen und internationaler Steuerraum . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen der Steuerkoordination III. Stellung der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . B. Internationale Steuerkoordination I. Begriff und Ansätze . . . . . . . . . . . II. Ausgleichssysteme der wichtigsten Abgabearten . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationalisierung und Besteuerungssystematik . . . . . . . . . . . . . C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systemverbindung durch DBA . . . III. Systemintegrierende Funktionen der DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Extraterritoriale Besteuerung . . . . . 2. Diskriminierung und Überbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abzugsteuern und Kostenprogression 4. Wirtschaftliche Doppelbelastung . . . IV. Europäisches Recht und direkte Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen I. Unternehmensstrukturen: Einheitsunternehmen, Konzern, Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheitsunternehmen . . . . . . . . . . 2. Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personengesellschaften . . . . . . . . . II. Allgemeine Belastungsverhältnisse, Kapitalimport- und Kapitalexportneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsdefizite der DBA und internationale Funktionsstörungen IV. Besteuerungsneutralität im internationalen Steuerraum . . . . . . . . . 1. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ _ _ __ __ __ _ _

1.1 1.9

1.11 1.16 1.19 1.27

1.30 1.33 1.41 1.42 1.45 1.46 1.47 1.48

__ __ _ _ __

1.53 1.54 1.55 1.60

1.61 1.64 1.68 1.69

2. Eigen- und Fremdfinanzierung . . . . 3. Über- und Minderbesteuerung durch Rechtsverwerfung und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Steuerung der Unternehmensbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Planungsbegrenzendes Recht . . . . . E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum I. „Wettbewerb der Steuerrechte“ und internationale Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Systemansätze und -entwicklungen der Steuerkoordination . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . F. Unionsrecht und direkte Steuern I. Primäres und sekundäres Unionsrecht 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Binnenmarkt und Steuern . . . . . . 3. Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . . . 5. Grundfreiheiten a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . b) Diskriminierungsverbot . . . . . . c) Beschränkungsverbot . . . . . . . d) Prüfung der Grundfreiheiten aa) Anwendungsbereich der Grundfreiheiten . . . . . . . . bb) Einschlägige Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen von Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . 6. Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

II. Unbeschränkte Steuerpflicht 1. Welteinkommen insbes. ausländische Einkünfte a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Sachverhalte . . . . . c) Ausländische Betriebsstättenverluste . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __

1.71 1.73 1.75 1.80

_ __

1.84 1.87 1.92

__ __ __ _ _ _ __

1.95 1.97 1.98 1.99

1.101 1.102 1.105 1.107 1.109 1.111 1.112

__ _

1.113 1.114 1.116

Lampert/Pohl/Sydow | 1

Kap. 1 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

. . . .

__ _ _ _ _ _ _ __ __ _ _ __ __

I. Primäres und sekundäres Unionsrecht 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Binnenmarkt und Steuern . . . . . . . 3. Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundfreiheiten a) Rolle des EuGH . . . . . . . . . . . . b) Überblick über die Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diskriminierungsverbot . . . . . . . d) Beschränkungsverbot . . . . . . . . e) Prüfung der Grundfreiheiten aa) Verletzung des Schutzbereichs bb) Rechtfertigungsgründe für Schutzbereichsverletzungen . . 5. Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis Europäisches Recht – nationales Recht . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ __ _ _ __ _

2. Konzernbesteuerung a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit? . . . . . . b) Gruppenbesteuerungssysteme . . aa) Internationale Formen der Gruppenbesteuerung . . . . . bb) Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung . . . . . cc) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft 3. Grenzüberschreitende Dividenden a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . 6. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . III. Beschränkte Steuerpflicht 1. Einkünfteermittlung a) Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens aa) Verlust der Betriebsstätte . bb) Verluste des Stammhauses 2. Vergünstigungen . . . . . . . . . . . 3. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . .

.. . . . .

1.121 1.123 1.124 1.125 1.127 1.131 1.132 1.135 1.143 1.147 1.148 1.150 1.154

1.157 1.160 1.162 1.164 1.165

G. Qualifikationskonflikte

II. Unbeschränkte Steuerpflicht 1. Welteinkommen insbes. ausländische Einkünfte a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Sachverhalte . . . . .

2 | Lampert/Pohl/Sydow

1.166 1.168 1.169 1.170 1.172 1.173 1.176 1.178 1.182 1.183 1.184

__

1.186 1.187

2. Konzernbesteuerung a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit? . . . . . . b) Konzernbesteuerungssysteme . . c) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft . . . . . . 3. Grenzüberschreitende Dividenden a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . 6. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . III. Beschränkte Steuerpflicht 1. Einkünfteermittlung a) Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens aa) Verlust der Betriebsstätte . bb) Verluste des Stammhauses 2. Vergünstigungen . . . . . . . . . . . 3. Steuersatz . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

.. . . . .

. . . .

IV. Auslegung und Anwendung von DBA 1. Vorbemerkung zur rechtlichen Wirkung von DBA . . . . . . . . . . . . 2. Grundzüge der Auslegung von DBA – Verhältnis von Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konfliktpotential der Auslegung von DBA 1. Begriff und Arten von Qualifikationskonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften a) Konstellationen übereinstimmender und divergierender DBAAnwendung . . . . . . . . . . . . . . b) Im Detail: Die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . aa) Person im Sinne des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansässigkeit . . . . . . . . . . . . c) Maßnahmen zur Auflösung von Qualifikationskonflikten . . . . . . . aa) Maßnahmen auf überstaatlicher Ebene (1) Der OECD-PartnershipReport . . . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ _ _ __ __ _ _ __ __ _ _ _

1.196 1.198 1.201 1.205 1.206 1.209 1.214 1.218 1.219 1.221 1.229

1.232 1.235 1.237 1.240 1.241

1.242

1.243

1.247

_ _ __ _ _

1.249 1.251 1.252 1.254 1.256

1.257

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.1 Kap. 1

(2) Der BEPS Action Plan der OECD . . . . . . . . . . . . . . . (3) EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken . . . . . . . . . . . . . bb) Unilaterale Maßnahmen . . . . (1) § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG . . . (2) § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG (3) § 50d Abs. 11 EStG . . . . . . .

_ __ __ _

1.258 1.259 1.260 1.261 1.262 1.263

d) Die Behandlung von Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen . . . . . . . . . . . bb) Unilaterale Reaktion: § 50d Abs. 10 EStG . . . . . . .

_ _ _

1.264 1.265 1.266

Literatur: Becker/Loose, EU-Kommission präsentiert Vorschlag für eine Anti-BEPS-Richtlinie, IStR 2016, 153; Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in Festschrift H. Debatin, München 1997, 55; Engelschalk, Die Besteuerung der Steuerausländer auf Bruttobasis, Heidelberg 1989; Esser, Pluralistisch-demokratische Steuerpolitik in der globalisierten Welt; Eilers/Oppel, BEPS erreicht die EU: Das Anti Tax Avoidance Package der EU-Kommission, IStR 2016, 312; Elicker, Die Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts; Frotscher (Hrsg.), Anforderungen an ein modernes Steuersystem angesichts der Globalisierung; Fulst, Ist Deutschland dem internationalen Steuerwettbewerb gewachsen?, in Lüdicke, Wo steht das deutsche internationale Steuerrecht?, Köln 2009; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353; Hardeck, Die Empfehlungen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen im Bereich der Besteuerung, IStR 2011, 933; Kaminski/Strunk, Einfluss von Steuern auf unternehmerische Entscheidungen; Kötter/Schüppert, Normative Pluralitäten ordnen, Nomos; Lang, Auslegung von DBA und authentische Vertragssprache, IStR 2011, 403; Lang, Prinzipien und Systeme der Besteuerung von Einkommen, in Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), S. 72; Lang, Unternehmensbesteuerung im internationalen Wettbewerb, StuW 2011, 144; Lüdicke (Hrsg.), Wo steht das deutsche internationale Steuerrecht?, Köln 2009; Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011; S. Michel, Besteuerung und Organisation; Müller/Fromm/Hansjürgens (Hrsg.), Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, Marburg 2001; Musgrave R. und P., Public Finance in Theory and Practice, 5th ed., New York 1989; Schön, Zur Zukunft des internationalen Steuerrechts, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen internationalen Steuerrechts, Köln 2012; Schüssel/Keller, Übergang zur Anrechnungsmethode?, IStR 2011, 285; Sieber, Rechtliche Ordnung in einer globalen Welt, Rechtstheorie 2009, 151; Spengel/Lammersen, Methoden zur Messung und zum Vergleich von internationalen Steuerbelastungen, StuW 2001, 22; Vera, Das steuerliche Zielsystem einer international tätigen Großunternehmung, StuW 2001, 310; Watrin/Thomsen, Steuerstrategien deutscher Konzerne – die OECD als Retter?, StuW 2016, 3; Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung im Kontext der Globalisierung, Bielefeld 1996.

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften I. Unternehmen und internationaler Steuerraum Internationale Tätigkeit gehört zum Normalbild unternehmerischen Wirtschaftens. Für sie gelten die allgemeinen Handlungsbedingungen von Unternehmen: während sie sich innerhalb ihres technisch-organisatorischen Bereichs weitgehend unabhängig von Rechts- und Wirtschaftssystemen bewegen können, gehen die eigentlichen Unternehmensentscheidungen darüber hinaus und sind in das Rechtssystem eingebunden,1 innerhalb dessen die Besteuerung ihren anerkannt hohen Rang einnimmt. Internationale Tätigkeit verlässt den Rahmen des heimischen Rechts mit seinen vergleichsweise übersehbaren und i.d.R. in sich kohärenten Vorgaben. Sie tritt in den internationalen Raum mit einer Vielzahl nationaler Rechtsordnungen und hat dort viel komplexere steuerliche Verhältnisse bei Unternehmensentscheidungen mit Außenwirkung zu berücksichtigen. Die allgemeinen Bedingungen sind neben den nationalen Steuerordnungen durch das internationale Recht geprägt. Dies gilt auch für den deutschen Standort, den v.a. nationales Recht, die Vorgaben von 1 Die vorstehende Formulierung lehnt sich an Kaminski/Strunk, Einfluss von Steuern auf unternehmerische Entscheidungen, S. 1, an.

Pohl | 3

1.1

Kap. 1 Rz. 1.2 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Recht der WTO, EU-Recht und die über 100 deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) prägen, die die Übersicht 1 in Rz. 1.11 zusammenstellt.

1.2 Unter diesen Verhältnissen führt internationales Wirtschaften von Unternehmen steuerlich zu er-

höhtem Anpassungs-, Koordinierungs- und Gestaltungsbedarf. Angesprochen ist damit, dass Unternehmen als Ganzes sich im laufenden Geschäft im Wege des operativen Steuermanagement von Tag zu Tag den Anforderungen einer Vielzahl von Fisci zu stellen haben, und dass strategische Zielentwicklung der Unternehmensführung zeitübergreifend zur Erreichung der Unternehmensziele im komplexen internationalen Umfeld entscheidungsorientierte Handlungsalternativen zu entwickeln hat. Zugleich können sich Möglichkeiten zum Senken der Steuerbelastung ergeben. Für den deutschen Standort hat Beides das für zwischenstaatliche Sachverhalte maßgebende deutsche internationale Steuerrecht zu beachten.1 Es ist auch Gegenstand der internationalen betrieblichen Steuerlehre, die sich meist als praxisorientierte Darstellung des allgemeinen Rechtsrahmens des deutschen Internationalen Steuerrechts entwickelt hat, aber auch pragmatische und steuerpolitische Elemente aufnimmt.2 Weiter ausholend hat Wacker das Programm einer „transnational“ vernetzten Steuerlehre entwickelt,3 die die Gesamtwirkungen von Steuern im internationalen Raum untersuchen soll. Eine ähnlich breite Konzeption zeichnet sich ab, wenn als Ziel steuerlicher Koordination im internationalen Bereich die Schaffung eines „level playing field“ für die im internationalen Raum tätigen wirtschaftlichen Kräfte anvisiert wird. Diese Formel umfasst neben der internationalen Zusammenarbeit am DBA-Netz auch die Vermeidung schädlichen Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten sowie die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen (Rz. 13.6 ff.).4

1.3 Vom deutschen Standort her stellen sich die Probleme in zwei Richtungen, nämlich einmal bei Aus-

landstätigkeiten deutscher Unternehmen und bei inländischen Aktivitäten deutscher Unternehmen (outbound bzw. inbound activities). Eine erste Typisierung der aus grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit entstehenden internationalen Sachverhalte findet sich in folgender Einteilung:

– das Unterhalten von Direktgeschäften, z.B. regelmäßige Warenlieferungen bzw. Dienstleistungen über ausländische Stützpunkte oder Lizenzgewährungen; – die Begründung von Zweigunternehmen in Form von Betriebsstätten, von Vertretungen oder anderen Stützpunkten im Ausland; – Gründung von Zweigunternehmen in Form von abhängigen Gesellschaften, was v.a. konzernähnliche Verbindungen und sonstige Beteiligungs- oder Beherrschungsverhältnisse einschließt. Solche Aufzählungen erschöpfen den Reichtum der auftretenden Situationen und Handlungspotentiale nicht. V.a. können in den angesprochenen Situationen die Intensität des Engagements und dessen steuerliche Ausprägung äußerst unterschiedlich sein: Hoch exportorientierte Unternehmen sind u.U. international fest eingebunden; internationale Unternehmensbeteiligungen können zur Begründung eines Rings internationaler Repräsentanzen zu festgefügten internationalen Konzernen oder zu komplizierten mehrkernigen Gebilden ohne eindeutige Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land führen. Schließlich kann eine Erscheinung wie der internationale Konzern in vielerlei organisatorischen Spielarten auftreten (funktionales oder divisionales Einheitsunternehmen, Stammhaus-Sparten-, Matrixkonzern).5 Dabei sind die Bedingungen im Unternehmen und in sei1 Zu Fragen der Abgrenzung und Methoden dieses Gebiets s. Kluge, Internationales Steuerrecht4, A 7, Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 1.1. m.w.N. sowie Bareis, StuW 2000, 81 m.w.N. 2 Grundlegend für die neuere Entwicklung Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, S. 251 ff. (561 ff.). 3 Wacker, IStR 1993, 245. 4 OECD-Bericht „Tax Cooperation: Towards a Level Playing Field“, 2009. 5 Eine an der Forderung der steuerlichen Neutralität der Unternehmensstruktur orientierte Darstellung gibt S. Michel, Besteuerung und Organisation, S. 95 ff.

4 | Pohl

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.6 Kap. 1

nem Umfeld so unterschiedlich, dass Planungs- und Entscheidungsmodelle nicht realisierbar sind, die grundsätzlich für jede Unternehmensgruppe anwendbar und gültig wären.1 Von hoher Bedeutung sind auch die Optionen, die das Unternehmen bei der Außen- und Innenfinanzierung durch Verrechnungspreise (vgl. Rz. 4.1 ff.) und das Ausschüttungsverhalten seiner Gliedgesellschaften hat (vgl. Rz. 1.55 ff.). Bei seiner grenzüberschreitenden Tätigkeit trifft das Unternehmen auf die Steuersysteme als Standortfaktoren der von ihm berührten Länder. Es tritt gleichzeitig in einen Normenpluralismus ein, was sich auf ganz unterschiedliche Weise auswirkt. Werden etwa Güter im Ausland abgesetzt, so wirken Zölle des Absatzlandes als Zutrittsbarrieren zu dessen Markt, während Verbrauchssteuern meist die Gleichstellung des Absatzes innerhalb der beteiligten Absatzmärkte bewirken. Bei den direkten Steuern setzt sich das Unternehmen bei nicht sehr begrenzter Auslandstätigkeit den Steuern in Heimat- und Tätigkeitsstaat aus, doch ist eine eigentliche Doppelbelastung meist vermeidbar (DBA, nationale Maßnahmen der beteiligten Staaten). Im Ergebnis tragen dann die einzelnen Unternehmensteile zunächst die steuerlichen Lasten ihrer einzelnen Standorte. Damit schlagen die unterschiedlichen Belastungshöhen in den einzelnen Staaten auf das Unternehmen durch und wirken – wie andere Standortfaktoren – auf seine Wettbewerbsposition auf den globalen Märkten ein (zu zusätzlichen Belastungen durch Heimatländer mit sog. Anrechnungssystemen s. Rz. 1.61 ff.). Daneben können durch Überlagerungen und Außenwirkungen nationaler Steuern oder unternehmensseitige Gestaltung Rückwirkungen und internationale Verwerfungen entstehen. Schließlich ist das Verwaltungshandeln der beteiligten Fisci auf ihr eigenes Gebiet beschränkt und international nicht abgestimmt. All dies kann die internationale Tätigkeit behindern, sie aber auch gegenüber beteiligten Standorten entlasten (z.B. durch Verlagerungen von Steuersubstrat in besonders niedrig besteuernde Staaten).

1.4

Mit dem Ausgreifen über die Grenzen seines Heimatstaates trifft das Unternehmen auf steuerliche Ansprüche von Heimat- und Tätigkeitsstaaten und auf die Verfahrensanforderungen ihrer Fisci. Das Unternehmen soll in allen beteiligten Staaten deren steuerlichen Anforderungen nachkommen – dies gleichzeitig mit steuerlichen Pflichten ihres Heimatstaates. Die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ fordern unter dem Stichwort „Besteuerung“2 ausdrücklich:

1.5

„Die Unternehmen sollen … auf Verlangen der Steuerbehörden der jeweiligen Gastländer und im Einklang mit den Schutzbestimmungen und diesbezüglichen Verfahrensregelungen der nationalen Gesetzgebung dieser Länder alle Informationen zur Verfügung stellen, die zur korrekten Veranlagung der im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu entrichtenden Steuern erforderlich sind, und zwar ausschließlich zweckdienlicher Informationen über ihre Aktivität in anderen Ländern.“

Gleichzeitig sollen die Unternehmen materiell an dem Ausgleich zwischen den beteiligten Finanzverwaltungen mitwirken, z.B. wenn sie sich bei der innerkonzernlichen Gewinnabgrenzung an den dafür international üblichen Grundsatz des Fremdvergleichs halten (vgl. hierzu Rz. 4.4 ff.). Im Gegenzug nehmen am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligte Staaten meist in ihrer nationalen Gesetzgebung in gewissem Umfang Rücksicht auf die internationale Wirtschaftstätigkeit. Hierzu gehören z.B. ein Mindeststandard von Achtung und Schutzgewähr, wie er dem binnenstaatlich Tätigen gewährt wird, und die steuerliche Anerkennung der eigenen Rechtspersönlichkeit der einzelnen Gesellschaften international tätiger Konzerne. In vielen Staaten ist den ansässigen Unternehmen seit jeher durch Steueranrechnung der Schutz vor Doppelbesteuerung gewährt worden. Auf der anderen Seite werden Nachteile für die internationale Tätigkeit, die auf der territorial be1 Zitiert nach Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung, S. 158. 2 So schon die Altfassung von 1976; s. Hardeck, IStR 2011, 933 (zur Neufassung von 2010). Die offizielle deutsche Übersetzung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010 ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise. Am 10.7.2017 hat die OECD eine aktualisierte Ausgabe der Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen (OECDVerrechnungspreisrichtlinien) veröffentlicht.

Pohl | 5

1.6

Kap. 1 Rz. 1.7 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht grenzten Reichweite nationaler Besteuerung beruhen, international hingenommen – z.B. der Ausschluss des grenzüberschreitenden Ausgleichs von Verlusten, Sondertarife für den Steuerausländer oder die Besteuerung durch Steuerabzüge mit ihren unvermeidlichen Kostenprogressionen (s. Rz. 1.46). Hierher gehören auch die Maßnahmen von Staaten, die der Sicherung eigenen Steuersubstrats sowie der Sicherung anderer nationaler Interessen dienen, sowie die nationale Begrenztheit der Verwaltungstätigkeit die Staaten zu Gegenmaßnahmen und zur Kooperation zwingen. Der sog. Steuerwettbewerb der Staaten untereinander (s. Rz. 1.84 ff.) belastet ihre Zusammenarbeit durch Interessenkonflikte, treibt sie aber durch das Ausmaß und die Folgen an, die steuerliche Verwerfungen haben können. Die Zugehörigkeit zur EU setzt weitere Akzente (s. dazu Rz. 1.95 ff.).

1.7 Grundlage bleiben bei all dem die auf einzelstaatlicher Souveränität ruhenden nationalen Steuer-

rechte und die daraus abzuleitenden Ansprüche der Fisci. Die einzelnen Staaten können sich dabei auf das persönliche wie auf das territoriale Element ihrer Staatshoheit stützen (s. eingehend Rz. 2.12 ff.). Allgemeines Völkerrecht überlässt es ihnen, wie sie ihre Besteuerung an diese beiden Elemente anknüpfen, verbietet sie als „exterritorial“ nur dort, wo keinerlei oder eine nur willkürlich angenommene wirtschaftliche Zugehörigkeit zu ihnen besteht (s. Rz. 2.3). Der internationale Sachverhalt löst regelmäßig einen Doppelbezug aus, z.B. wenn Waren aus einem Land in ein anderes exportiert werden oder Einkünfte international fließen. Darin ist bei den direkten Steuern die Doppelanknüpfung an Wohnsitz und Quelle, bei den indirekten an Herkunfts- und Bestimmungsland angelegt; sie wirkt in beiden Fällen auch internationaler Steuerverkürzung oder -umgehung entgegen. Dieser Rechtsansatz des allgemeinen Völkerrechts führt zwangsläufig zu internationalen Funktionsstörungen aus der Überlagerung der Steuersysteme, deren bekannteste Erscheinung die sog. „juristische Doppelbesteuerung“ (s. Rz. 2.245) ist. Zudem ist das Verbot extraterritorialer Besteuerung so ungenau abgegrenzt, dass es Überschneidungen von Steuerzuständigkeiten geradezu vorprogrammiert. Schließlich sind die Abgabesysteme auf ihren Geltungsbereich abgestellt; viele ihrer Institutionen sind national begrenzt (z.B. Verlustausgleich, Ausgleich von Körperschafts- und Einkommensbesteuerung ausgeschütteter Gewinne). Da die Staaten ihre Souveränität und Unabhängigkeit auch bei den Steuern betonen, gehören Überschneidungen und Verwerfungen zum Normalbild des internationalen Steuerraums.

1.8 Die nationalen Steuerrechte, die das internationale Wirtschaften vorfindet, bieten ein verwirren-

des Bild. Sie weisen oft auffallende Strukturähnlichkeiten auf, die sich aus gemeinsamen Systemansätzen, aus gleichlaufenden wirtschaftlichen und historischen Entwicklungen sowie aus einem gegenseitigen Angleichungsdruck der Steuersysteme erklären; man spricht von einer „stillen Konvergenz“ der Steuerrechte. Auf der anderen Seite stehen im Detail des nationalen Rechts derart viele Unterschiede, dass man die Systeme als inkommensurabel bezeichnen muss. Dies spiegelt einerseits Unterschiede der geschichtlichen, sozialen und rechtlichen Gegebenheiten, andererseits divergierende steuerpolitische Zielsetzungen der Systeme. Einen entscheidenden Anteil aber hat, dass sich auch bei gleichem Systemansatz bei der Ausdifferenzierung zweier Rechte immer wieder für gemeinsame Sachprobleme unterschiedliche systementwickelnde Lösungsmöglichkeiten ergeben; unterschiedliche Entscheidungen der nationalen Gesetzgeber lösen ein der Konvergenz entgegengesetztes Auseinanderdriften der Systeme aus.1 All dies wird noch erhöht durch Unterschiede der Gesetzesanwendung. Unternehmen müssen damit rechnen, dass ihre Geschäftsbeziehungen durch Finanzverwaltungen selbst nach gleichem Recht unterschiedlich beurteilt, Funktionen unterschiedlich gewogen oder Sachverhalte abweichend eingestuft werden. Die international tätigen Unternehmen sind damit regelmäßig in den verschiedenen Bereichen auf örtliche Beratung angewiesen, was die mittelbare Steuerbelastung erhöht. Neben dem Zwang zu Fehlallokationen und anderen belastenden Folgen können sich aus diesen Verhältnissen freilich auch Chancen zu steuerlicher Optimierung der Unternehmenstätigkeit ergeben, deren Nutzung vielfach zu den allgemeinen Unternehmenszielen gehört.

1 Einen Überblick über solche Prozesse während der letzten Jahrzehnte gibt Ken Messére, Tax Policies in OECD Countries.

6 | Pohl

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.10 Kap. 1

II. Grundlagen der Steuerkoordination Allgemeine Grundlage der Steuerkoordination ist, dass die Staaten den in ihrem Gebiet im Eigentum oder unter Kontrolle von Ausländern stehenden Unternehmen im Rahmen ihrer allgemeinen Ordnung „im Bereich ihrer Gesetze, Durchführungsbestimmungen und Verwaltungspraktiken eine Behandlung zuteilwerden lassen sollten, die im Einklang mit dem Völkerrecht steht und nicht weniger günstig ist, als sie inländischen Unternehmen unter gleichartigen Bedingungen zuteilwird“ („Inländerbehandlung“). Sehr differenziert vollzog sich die Koordination bei den direkten Steuern. Sie hat sich auf den internationalen Gesamtraum zu beziehen, in dem die Unternehmen tätig sind. Damit waren für das allgemeine DBA-Netz ins Einzelne gehende Leitlinien zu entwickeln. Sie wurden v.a. vom Steuerausschuss der OECD und durch die Zusammenarbeit mit den UN erarbeitet, was entscheidend von deutscher Seite mitgestaltet worden ist und weiter mitgestaltet wird. Sie enthalten die allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung (Art. 27 OECD-MA) und regeln in erster Linie die Abgrenzung von Steuersubstrat in den Belegenheitsstaaten. Hierbei weichen die konkreten bilateralen Vereinbarungen von den „Musterabkommen“ vielfach ab, um bei Besonderheiten der nationalen Rechte und ihres Zusammenwirkens ausgeglichene Gesamtwirkungen zu sichern. Nicht selten weichen die Staaten auch vom allgemeinen Grundsatz der Gegenseitigkeit ab, um abweichende Vorstellungen zur Kohärenz ihres jeweiligen Steuersystems zur Geltung zu bringen. DBA sollen ferner die Effizienz nationaler Besteuerung sichern und ihre Vermeidung abwehren. Sie sollen gleichzeitig einem sinnvollen Steuerwettbewerb dienen, indem sie das Steuersubstrat sachgerecht aufteilen (s. Rz. 1.84 ff.). Aus solchen Gründen halten z.B. deutsche DBA beim Ausgleich von Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat an dem in ihren nationalen Rechten vorgesehenen Anrechnungssystem fest und ersetzen sein Anrechnungsdurch das Freistellungssystem. Die Symmetrie der Steuerwirkungen wird bei der Auslegung und Anwendung der DBA zu beachten sein. Darüber hinaus hat Deutschland wiederholt die DBA-Regelungen zurücknehmende nationale Bestimmungen erlassen, wo die Abkommenswirkungen zu doppelten Entlastungen führen; die rechtliche Zulässigkeit solcher Bestimmungen ist heftig umstritten. Die Symmetrie auch in der konkreten Rechtsanwendung zu erreichen, ist auch Aufgabe der allgemeinen Zusammenarbeit der Verwaltungen und ihrer Abstimmungen in Verständigungsverfahren (s. Rz. 13.38 ff.).

1.9

Bei all dem sucht die internationale Steuerkoordination i. Allg. nicht, nationale Niveauunterschiede zu beseitigen oder zu einer internationalen Standardbelastung zu gelangen. Ihre Grundlage sind die auf einzelstaatlicher Souveränität begründeten nationalen Steuerrechte und die davon abgeleiteten Steueransprüche der beteiligten Fisci. Bei den direkten Steuern konzentrierte sie sich ursprünglich auf die Verteilung von Steuersubstrat. Sie setzt es sich aber auch zum Ziel, im internationalen Steuerraum Symmetrie in dem Sinne zu erreichen, dass die im Einzelfall eintretenden Gesamtwirkungen den an ein rationales Steuersystem herrschenden Anforderungen genügen, wobei Letzteres aus den jeweils beteiligten nationalen Rechten bzw. aus internationalen Wertungskonvergenzen oder übergreifendem Recht (z.B. der EU) abzuleiten ist. Dies hat wegen der Vielfalt der in den beteiligten Staaten erhobenen Steuern unterschiedliche Ziele, Inhalte und Formen. Ein besonderes Problem bildet, dass die Anpassung meist bilateral zu realisieren ist, bei der Vielzahl der am internationalen Verkehr beteiligten Staaten aber möglichst gemeinsame Linien der Anpassung zu suchen sind. Die Entwicklung greift wieder auf alle Formen internationaler Zusammenarbeit zurück. So hat sich bei den direkten Steuern ein globales Netz von über 2000 völkerrechtlichen Verträgen gebildet. Für die Umsatzbesteuerung kam es zu gemeinsamer Rechtssetzung in der EU (s. hierzu eingehend Rz. 14.5 ff.). Für die Zusammenarbeit der Verwaltungen bestehen in unübersichtlicher Weise meist bruchstückhafte Regelungen steuerlicher Verwaltungszusammenarbeit (s. hierzu die Darstellung in Kapitel 13). Ferner bestimmt in der EU die Ausjudizierung der EU-Grundrechte in unterschiedlichster Weise die nationalen Steuerrechte. Die jüngere Entwicklung sucht gerade bei der Unternehmensbesteuerung die Entwicklung gemeinsamer Grundlagen, was von genaueren Regeln für die Gewinnabgrenzung über gemeinsame Strukturen der Unternehmensbesteuerung und deren allgemeiner Harmonisierung reichen kann. Ansätze hierzu gibt es u.a. in der EU; die Entwicklung in ihrem Raum ist in Rz. 1.96 ff. dargestellt.

1.10

Pohl | 7

Kap. 1 Rz. 1.11 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

III. Stellung der Bundesrepublik Deutschland 1.11 Die Bundesrepublik Deutschland ist in besonderem Maße international offen. Als stark exportori-

entiertes Land arbeitet sie in WTO und EU an der Koordinierung von Zöllen, Verbrauch- und Umsatzsteuern mit (s. Rz. 1.16 ff., 14.5). Ertragsteuerlich ist besonders bedeutsam ihre Mittlerstellung, weil sie gleichzeitig – Tätigkeitsland zahlreicher ausländischer Unternehmen mit internationaler Tätigkeit ist; die deutschen Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen sind ein wichtiger, unentbehrlicher und hoch geachteter Teil der deutschen Wirtschaft; – Heimatland zahlreicher Unternehmen ist, die intensiv im Ausland tätig sind; ihre wachsende Bedeutung spiegelt sich darin wider, dass seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts die deutschen Direktinvestitionen im Ausland die ausländischen Direktinvestitionen im Inland übertreffen. Das deutsche Steuerrecht muss damit gleichmäßig den Belangen des „Steuerausländers mit Inlandsbeziehungen“ und des „Steuerinländers mit Auslandsbeziehungen“ gerecht werden. Im Blick auf die internationale Gegenseitigkeit sucht sie ausgeglichene und international abgestimmte Lösungen für beide Gruppen. Als international offenes Land ist Deutschland an günstigen Rahmenbedingungen für international tätige Unternehmen interessiert – und zwar sowohl für ins Ausland gerichtete wie für ins Inland fließende Investitionen. Dies ist Schwerpunkt der deutschen DBA-Praxis.1 Das heutige deutsche Abkommensnetz (Übersicht 1) ist eines der größten der Welt.

1 Vgl. zur aktuellen deutschen Abkommenspolitik auch Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und internationale Entwicklungen, Köln 2012.

8 | Pohl

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.11 Kap. 1

Übersicht 1: Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen am 1. Januar 2018, BMF v. 17.1.2018 – IV B 2 - S 1301/07/10017-09 – DOK 2018/0042503, BStBl. I 2018, 239

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Kap. 1 Rz. 1.11 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

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A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.11 Kap. 1

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Kap. 1 Rz. 1.11 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

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A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.11 Kap. 1

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Kap. 1 Rz. 1.12 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

1.12 Unternehmen, die in Deutschland ihren Heimatstaat haben, unterliegen ertragsteuerlich einer Mischform von Territorialitäts- und Welteinkommensprinzip, das der Leser in den Kapiteln 5 und 6 dargestellt findet. Als Normalfall kann gesetzt werden, dass nach DBA freigestellt sind – bei Einheitsunternehmen und Personengesellschaften ausländischer Betriebsstättengewinn (bei natürlichen Personen unter Progressionsvorbehalt); – bei Muttergesellschaften von Konzernen der an sie ausgeschüttete Gewinn ausländischer Tochtergesellschaften (§ 8b KStG). Dem deutschen Investor bleiben insoweit im Ausland die dortigen steuerlichen Standortvorteile erhalten. Diese Verletzung der Kapitalexportneutralität ist nicht unumstritten, gilt aber in ihrem Kern als fester Bestandteil der deutschen Steuerpolitik;1 sie spiegelt das Interesse am Ausbau deutscher Außenwirtschaft, kommt aber auch dem Interesse von Entwicklungsländern u.Ä. entgegen, in ihrer außensteuerlichen Bewegungsfreiheit nicht durch das sonst eingreifende Anrechnungssystem beschränkt zu werden (s. Rz. 1.62 ff.). Im Übrigen greift das Welteinkommensprinzip mit einer länderbezogenen Anrechnung ein. Als unbefriedigend wird von den Unternehmen empfunden, dass – der Freistellung u.U. Abzugsverbote von inländischem Aufwand gegenüberstehen, die zu im Konzern nirgends abziehbaren Kosten führen können (vgl. Teil Rz. 2.485 ff.; 7.92 ff.); 1 Der Übergang zum Anrechnungssystem wurde 2003 nach parlamentarischer Erörterung im Blick auf die bestehenden völkerrechtlichen Regelungen nicht weiter verfolgt (s. Krause, Internationale Doppelbesteuerung, IFSt-Schrift Nr. 405, S. 55).

14 | Pohl

A. Grenzüberschreitendes Wirtschaften | Rz. 1.14 Kap. 1

– die Freistellung von Auslandseinkommen durch die Gesetzgebung gegen Verlagerungen in niedrig besteuernde Gebiete eingeschränkt wird und davon Einschränkungen auf Unternehmensgliederung und Ausschüttungspolitik ausgehen (s. Rz. 8.1 ff.); – Verluste in den international tätigen Unternehmen nicht in dem im Inland möglichen Umfang (Organschaft) ausgeglichen werden können. Nicht übersehen werden sollte auch, dass das deutsche Mischsystem u.U. ungünstiger ist als Anrechnungssysteme auf weltweiter Basis. Bei den Satzverhältnissen der letzten Jahre hat sich dies allerdings kaum ausgewirkt. Als Tätigkeitsstaat ausländischer Unternehmen gewährt Deutschland weitgehend Inländerbehandlung. Die DBA reduzieren Ansprüche des deutschen Steuerrechts in international üblicher Weise. Die allgemeinen Grundsätze des internationalen Konzernsteuerrechts sind in nationalem Recht bzw. in den DBA verwirklicht. Es gibt aber Problembereiche; zu nennen ist, dass

1.13

– das frühere deutsche Körperschaftsteuersystem vielfach als diskriminierend angesehen wurde; die Einführung des Systems der Halbeinkünftebesteuerung hat diese Frage gegenstandslos werden lassen; – die Heimatstaaten der in Deutschland tätigen Gesellschaften weitgehend Anrechnungssysteme einsetzen, die Kapitalimportneutralität der Investitionen in Deutschland also nicht gewährleistet ist; bei den bestehenden internationalen Satzverhältnissen konnte dieser Effekt z.Zt. nur in geförderten Randbereichen (früher Berlin, Zonenrandgebiet, sog. „neue Länder“) eintreten; nach Absenkung der deutschen KSt-Sätze kann er sich deutlich bemerkbar machen; – die Fremdfinanzierung von Tochtergesellschaften eingeengt wurde (vgl. § 8a KStG i.V.m. § 4h EStG); die Regelung ist aber im internationalen Vergleich moderat (zur Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke vgl. BFH v. 14.10.20151). Schließlich bestehen die in Rz. 1.12 erwähnten Schwierigkeiten beim Verlustausgleich auch hier. Die Außenstruktur des deutschen Steuerrechts, die in diesem Band eingehend dargestellt ist, hat sich international bewährt. Die neuere deutsche Entwicklung wird bestimmt durch Ausbau und Pflege des deutschen DBA-Netzes und durch die Anpassung an die Grundfreiheiten der EU, die in Rz. 1.95 ff. geschlossen dargestellt ist. Ferner wurden im Zuge der Gesamtentwicklung internationaler Steuerkoordination v.a. seit dem Jahr 2000 zahlreiche außensteuerliche Einzelbestimmungen erlassen. Genannt sei hier Folgendes: – Die Fremdverhaltensregel im nationalen Steuerrecht (§ 1 AStG) wurde weiterentwickelt, und zwar durch konzisere Bestimmungen zur Methodik, v.a. aber auch durch Bestimmungen zur Funktionsverlagerung (s. hierzu Rz. 4.337 ff.). Zur Finanzierungsproblematik wurde die sog. „Schuldenbremse“ eingeführt. – Mehrere Einzelbestimmungen sollen die durch DBA und Rechtsverwerfungen entstehende „Keinmalbesteuerung“ vermeiden. Ob derartige nationale Abweichungen vom Vertragsinhalt zulässig sind, ist heftig umstritten. c) Deutschland hat Abwehrbestrebungen der OECD gegen den „unlauteren Steuerwettbewerb“ (s. Rz. 1.84 ff.) mitvollzogen. Dem dient ein Ausbau des Rechtshilfeverkehrs mit Nischenländern, zahlreiche nationale Einschränkungen steuerlich günstiger Rechtsfolgen von Vorgängen mit Ländern, die nicht zur Rechtshilfe bereit sind. Hierzu wurde die von der OECD entwickelte Klassifizierung übernommen. – Bei alledem ist die bisherige Linie internationaler Offenheit beibehalten worden; dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass an der für Unternehmen wichtigen Freistellungsmethode in den deutschen DBA festgehalten wurde. Mittelfristig sind zudem Änderungen durch das OECDProjekt „Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) zu erwarten.2 Am 5.10.2015 hat die OECD die 1 BFH v. 14.10.2015 – I R 20/15, BFHE 252, 44 = FR 2016, 416; Hick, FR 2016, 409; Mitschke, FR 2016, 412. 2 Fehling, IWB 2016, 160; Watrin/Thomsen, StuW 2016, 3; Wehnert/Wolf, ISR 2015, 405–408.

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1.14

Kap. 1 Rz. 1.15 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Ergebnisse des BEPS-Projekts veröffentlicht. Bei diesem Projekt handelt es sich um ein international abgestimmtes Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen. Auf der Grundlage eines Aktionsplans mit 15 Maßnahmen wurden konkrete und umsetzbare Empfehlungen erarbeitet. Vorangegangen sind Diskussionen zwischen den beteiligten 62 Staaten und zahlreichen internationalen Organisationen. Die finalen Abschlussberichte zu BEPS sehen u.a. zahlreiche Änderungen des deutschen Außensteuerrechts vor. Um die vorgesehenen Änderungen des OECD-MA flächendeckend in die bestehenden DBA zu implementieren, sind weitere multilaterale Maßnahmen geplant. Hinzuweisen ist auch auf einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission.1 Ziel des Richtlinienentwurfs ist es, die gezielte Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS), die negative Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts hat, zu bekämpfen. Die Richtlinie soll lediglich einen Mindeststandard darstellen und nationale oder (DBA-)vertragliche Regelungen gegen BEPS nicht ausschließen. Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 23.12.20162 (sog. BEPS-Umsetzungsgesetz I) ist es bereits zu zahlreichen Gesetzesänderungen in diesem Zusammenhang gekommen. Ein wesentlicher Teil der BEPS-Ergebnisse muss über Änderungen an bestehenden DBA umgesetzt werden. Dies soll über das sog. Multilaterale Instrument (MLI) erfolgen.3 Hierbei handelt sich um einen völkerrechtlichen (Rahmen-)Vertrag, der den teilnehmenden Staaten Ergänzungen an ihren DBA in beschleunigter Form ermöglicht. Am 7.6.2017 unterzeichneten fast 70 Staaten, darunter auch Deutschland, in Paris das MLI.

1.15 Das deutsche Steuerrecht des international tätigen Unternehmens hat sich nicht als selbständiges,

in sich systematisch geordnetes Rechtsgebiet entwickelt. Es ist daher über die deutsche AO und die großen Einzelsteuergesetze unübersichtlich verstreut. Dazu treten eine Reihe von Spezialgesetzen sowie das Netz der über 100 deutschen DBA (s. die Übersicht 1 in Rz. 1.11). Deutschland steht außerdem in der Gemeinschaft von „Steuerstaaten“, die ihre Besteuerung sachgerecht koordinieren müssen (vgl. Rz. 1.84 ff.). Die folgende Übersicht 2 gibt einen Überblick über die Gesamtentwicklung und den deutschen Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit. Übersicht 2: Entwicklung der internationalen Steuerkoordination Deutsche Entwicklung 1870 1880– 1910 1918 1922– 1936

„Doppelbesteuerungsgesetz des Dt. Reiches“ DBA deutscher Länder mit Anrainerstaaten Erzbergsche Steuerreform DBA des Deutschen Reichs mit vielen kontinental-europ. Staaten

Internationale Entwicklung

1922– 1926 seit 1925 1943/ 1944

1954

Erste DBA der BRD (USA, Großbritannien)

GATT/EG bzw. EU

Muster-DBA des Völkerbundes Beginn eines DBANetzes anderer kontinental-europ. Staaten Muster-DBA von London u. Mexiko 1947

Gründung des GATT

um 1950

„Bestimmungslandprinzip“

1 Vgl. hierzu auch Jochimsen/Zinowsky, ISR 2016, 106; Becker/Loose, IStR 2016, 153. 2 BGBl. I 2016, 3000. 3 Hierzu Reimer, IStR 2017, 1.

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B. Internationale Steuerkoordination | Rz. 1.16 Kap. 1 Deutsche Entwicklung

Internationale Entwicklung

GATT/EG bzw. EU

ab 1955

1963

OECD-Musterabkommen (MA)

1958

EG-Vertrag

1975

UN-MA

1969

1976

OECD-Bericht „Verrechnungspreise u. multinat. Unternehmungen“ Neufassung des OECD-MA

ab 1979

Mehrwertsteuer gemeinsames Umsatzsteuersystem Harmonisierung der Mehrwertsteuer

ab 1960 1972

Ausbau des dt. DBANetzes mit Industriestaaten Ausbau des dt. DBANetzes mit Entwicklungsländern Außensteuergesetz

1977 1989– 1993 ab 1980 ab 2009

Außenst. Reformen (DBA-Revisionen, EU-RL u.a.) Ausbau der dt. DBA m. Staaten des damal. Ostblocks Amtshilfeabkommen nach OECD-Standard

1992

1998

2005 2015 ca. 100 dt. DBA

1994 ab 1995

ab 2000

bis heute

Überarbeitungen des OECD-MA

1988

bis heute1

OECD-Bericht „Harmful Tax Competition“ OECD Forum zu Transparenz und Auskunftsaustausch OECD-Standard zur internationalen Zusammenarbeit Ergebnisse des BEPS-Projekts laufende Anpassungen von OECD-MA/ OECD-MK

Multilat. Abk. zur steuerl. Rechtshilfe des EU-Rats aufgelegt Gründung der WorldTrade-Organization (WTO) EuGH-Rechtspr. zu den direkten Steuern

Seit 2002

„Internationaler Steuerdialog“ (UN, OECD, IMF u.A.)

Bis heute

weltweit über 3.000 DBA2

B. Internationale Steuerkoordination I. Begriff und Ansätze Die uneingeschränkten Steuerhoheiten der am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligten Staaten müssten grenzüberschreitendes Wirtschaften schwer belasten und oft unmöglich machen. Seit anderthalb Jahrhunderten sucht die Staatengemeinschaft dem durch internationale Koordination zu begegnen. Dies ist besonders früh an den Zöllen und an der Verbrauchsbesteuerung des internationalen Warenverkehrs sichtbar geworden. Verbrauchsabgaben können ausgehende Warenströme erfassen, und stellen dann eine Heranziehung des extraterritorialen Verbrauchers zu Abgaben des Exportlands dar. Sie können andererseits in der Hand des importierenden Staates zu differenzierender Besteuerung in- und ausländischer Ware eingesetzt werden und stellen dann Abgaben mit zollgleicher Wirkung dar. Die Doppelerhebung im Staat des Exports und des Imports könnte den interna1 Zu Arbeitszielen und -stand der OECD s. OECD’s Current tax agenda 2012, www.oecd.org. 2 Zu Details s. www.itdweb.org.

Pohl | 17

1.16

Kap. 1 Rz. 1.17 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht tionalen Handel zum Erliegen bringen. Diese Verhältnisse haben schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu intensiven Auseinandersetzungen geführt, in denen sich für die allgemeinen Verbrauchsabgaben der Grundsatz der Einmalbesteuerung und der Besteuerung im Bestimmungsland entwickelten.1 Ein Jahrhundert später hat die Entwicklung in GATT/WTO2 weltweit das Zollwesen und die Verbrauchsbesteuerung an die Erfordernisse von Freihandel und Wettbewerbsgleichheit i. Allg. angepasst (Rz. 1.20).

1.17 Die Staaten sind heute angesichts ihrer zunehmenden Verflechtung (Interdependenz) auf „eine in-

ternationale Gemeinschaft der Staaten als abgestuftes Ordnungsgefüge“ angewiesen, in dem aber auch der einzelne Staat hinsichtlich des ob und des Grades seiner Eingliederung „nach dem heutigen Stand des Völkerrechts eindeutig frei ist“.3 Die Abhängigkeiten des „offenen Steuerstaats“ erforderten es, auch die direkten Steuern in die Koordination einzubeziehen, sollten Störungen von Freizügigkeit, Handel, Kapitalverkehr und Investitionen im internationalen Raum vermieden werden. Dem dienten bilaterale Verträge, die nach Form und Inhalt durch MA des Völkerbunds und später der OECD sowie der UN standardisiert wurden. Aus ersten Anfängen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts4 hat sich das heutige engmaschige internationale Netz von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entwickelt. Hintergrund ist, dass sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts international Abgaben durchsetzten, die im Typus der deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuer entsprechen und bei denen sich heute fast überall das Nebeneinander unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht findet, d.h. – einer auf das Welteinkommen erhobenen Besteuerung von Ansässigen (was im Ausland ansässige Staatsangehörige einschließen kann); – einer auf inländische Einkommensquellen beschränkten Quellenbesteuerung, die sich vielfach auf reine Abzugsbesteuerung beschränkt.

Die in diesem System doppelten Zugriffs der einzelnen Staaten angelegte systemimmanente Doppelbesteuerung zu vermeiden, bildet Kern der internationalen Koordinierung durch ein Netzwerk aus nationalen Maßnahmen und DBA. Daneben kommt es aber bei internationaler Unternehmenstätigkeit durch die Systemgrenzen zu Folgen, die im nationalen Rahmen als Systembruch wirken, z.B. die Unmöglichkeit Verluste und Gewinne zwischen zwei Standorten auszugleichen oder Gewinne im Konzern ohne Zusatzbelastungen auszuschütten. Derartige Funktionsdefizite aus der Überlagerung der nationalen Rechte werden durch die DBA wegen deren beschränkter Zielsetzung i.d.R. nicht beseitigt (Rz. 1.64 ff.).

1.18 Für die genannten Abgaben – Zölle, Verbrauchsabgaben und direkte Steuern – hat sich eine breite internationale Steuerkoordination entwickelt. Sie hat den internationalen Steuerraum so zu strukturieren, wie es die Entwicklung internationaler Zusammenarbeit und Interdependenz erfordern. Sie passen dadurch die Abgabensysteme an die Internationalisierung von Wirtschaft und Lebenswelt an. Nach R. und P. Musgrave5 werden als Subziele der Steuerkoordination unterschieden a) international Tätigen und der internationalen Wirtschaft belastungsgerechte Rahmenbedingungen zu gewährleisten (interpersonal equity); 1 Eine eindrucksvolle Darstellung aus zeitnaher Sicht findet sich in der ersten Aufl. von G. Lippert, Handbuch des Internationalen Finanzrechts. 2 Zu diesen und den im Folgenden genannten Organisationen vgl. allg. die Darstellungen in Gablers Wirtschaftslexikon und ähnl. Quellen. 3 Vogel, Der offene Steuerstaat, S. 22. 4 Zur Entwicklung s. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 32 ff.; zu Anfängen aus dem innerdeutschen Doppelbesteuerungsgesetz von 1870 s. Menck, Ein Jahrhundert Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStZ 1970, 263. 5 Musgrave R. und P., Public Finance in Theory and Practice, 5th ed., New York 1989; hierzu krit. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 12; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 2.1 ff.; Kluge, Internationales Steuerrecht4, R 92.

18 | Pohl

B. Internationale Steuerkoordination | Rz. 1.21 Kap. 1

b) die Interessen der beteiligten Fisci auszugleichen und ihr konfliktloses Nebeneinander zu ermöglichen (interstate equity); c) für internationale Sachverhalte sachgerechte, den Vorstellungen rationaler Steuerordnungen entsprechende wirtschaftliche Gesamtwirkungen zu erreichen (efficiency).

II. Ausgleichssysteme der wichtigsten Abgabearten Die hier darzustellenden internationalen Ausgleichssysteme haben sich aus früheren Ansätzen in den letzten fünf Jahrzehnten entfaltet. Sie stützen sich auf die Tätigkeit internationaler Organisationen (vor allem der WTO, der OECD und der UN), die für die nötige Standardisierung gesorgt haben – auch wo der Ausgleich die Form bilateraler Verträge hatte.

1.19

Die Zölle bilden eine geschlossene Gruppe von Sonderabgaben des internationalen Handels. Das internationale Leitsystem bildet das „General Agreement on Tarifs and Trade (GATT)“ (heute „World Trade Organization – WTO), zu dem fast alle Handelsnationen gehören, und der Brüsseler Weltzollrat.1 Beide haben eine generelle Senkung der Zölle, eine starke Annäherung der Abgabe- und Tarifstrukturen und einen hohen Grad internationaler Feinabstimmung erreicht und ein Instrument internationaler Streitschlichtung bereitgestellt. Ihrem Volumen nach unbedeutend (in der OECD weniger als 3 v.H. des gesamten Abgabenaufkommens) sind die Zölle noch als Instrument internationaler Handelspolitik wichtig. Innerhalb der EU sind sie im Binnenverhältnis verschwunden; die EU ist Zollunion mit eigenem Außenzoll und als solches Mitglied des WTO.

1.20

Die Umsatz- und Verbrauchssteuern (vgl. Rz. 14.1 ff.) sind einer der international wichtigsten Einnahmeblöcke (in der OECD machen sie 40 v.H. des Abgabeaufkommens aus). Das internationale Ausgleichssystem wird wiederum vom WTO gestellt, dessen Grundsätze wie folgt zu umschreiben sind:

1.21

– Es gilt das so genannte Bestimmungslandprinzip, nach dem die Umsatzsteuer als Verbrauchssteuer letztendlich in dem Land erhoben wird, in dem der Verbrauch stattfindet (s. Rz. 14.39 ff.). – Der Durchführung dient beim internationalen Handel ein System der Steuererhebung und des Steuerausgleichs an der Grenze: Die Ware wird im Bestimmungsland mit dem internen Belastungsniveau entsprechenden Ausgleichssteuern bei Grenzübertritt gleichsam nachbelastet, im Herkunftsland aber – ebenso bei Grenzübertritt – von der auf ihr ruhenden Gesamtsteuer entlastet, wobei Vorstufen mit berücksichtigt werden (s. Rz. 14.360 ff.). – Wirkung und Ziel dieses Systems ist es, dass auf einem bestimmten Markt alle dort angebotenen Waren – gleich woher sie stammen und auf welchem Wege sie dorthin gelangen – mit der gleichen Belastung im Wettbewerb steht, also die Umsatzsteuern für die Handelsströme wettbewerbsneutral sind. Zu diesem Zweck muss der Grenzausgleich den tatsächlichen Belastungsverhältnissen entsprechen. Dies kann das WTO – das kein besonderes Umsatzsteuersystem vorgibt – nur unvollkommen erreichen. – Das WTO kennt ferner ein Verbot wettbewerbsverzerrender Subsidien für die Ausfuhr und diskriminierender Sonderbelastungen für die Einfuhr, und zwar in jeder Form, also auch in Form von Steuervergünstigungen oder steuerlichen Zusatzbelastungen: Ein Grenzausgleich, der nicht den tatsächlichen Belastungsverhältnissen entspricht, kann hiergegen verstoßen. Das Mehrwertsteuersystem entspricht dem am besten, weil sich bei ihm die Vorbelastung stets genau angeben lässt. 1994 wurde dies System in der Schlussurkunde der Uruguay-Runde bestätigt und erweitert (u.a. durch einen Parallelvertrag für Dienstleistungen-GATS). Dies traf zusammen mit der Überführung des GATT auf eine besondere internationale Organisation, die World Trade Organization (WTO). 1 Vgl. Senti, GATT, Zürich 1986; Dorsch, Brüsseler Zollrat, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1985, 294 (322).

Pohl | 19

Kap. 1 Rz. 1.22 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht In der EU wurde zunächst das GATT-System Grundlage des EG-Vertrags. Es hat konsequent zur Wahl der Mehrwertsteuer als Gemeinschaftssystem geführt; dies gewährleistet den exakten, wettbewerbsneutralen Grenzausgleich, den die Systemvielfalt des GATT nicht sichern konnte. Die EU harmonisierte – ursprünglich aus Gründen der Gemeinschaftsfinanzierung – die Besteuerungsgrundlage; sie ist in der Gemeinschaft stark vereinheitlicht. 1993 wurde der Grenzausgleich in seiner bisherigen Form aufgehoben; zwar gilt weiter das Bestimmungslandprinzip, der Grenzausgleich wird aber ohne Mitwirkung der Zollbehörden im Rahmen der allgemeinen Besteuerung durchgeführt (sog. „Übergangssystem“). Zur weiteren Entwicklung s. Rz. 14.5.

1.22 Die Verbrauchsteuern bilden eine besonders inhomogene Abgabengruppe. Ihre internationale Be-

handlung folgt dem der Umsatzsteuern; es gilt m.a.W. das Bestimmungslandprinzip mit dem Grenzausgleich an der Grenze. Das Erhebungsverfahren folgt in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen Ländern dem der Zölle. In der EU ist eine Beschränkung der Steuern auf gemeinsame Typen und eine allmähliche Harmonisierung vorgesehen.

1.23 Die direkten Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Vermögensteuern) bilden einen breiten Block,

der in der OECD 48 v.H. des gesamten Abgabenaufkommens ausmacht, wovon in der GesamtOECD ein knappes Drittel auf die Körperschaftsteuer entfiel. Die direkten Steuern sind bei allen Unterschieden stark der stillen Konvergenz unterworfen gewesen und weisen deshalb international deutliche Strukturähnlichkeiten auf. Ihr internationales Ausgleichssystem ist eng mit den bilateralen DBA verbunden, die in Anlehnung an internationale Organisationen (Völkerbund, OECD, UN) entstanden sind. Es wird in dem folgenden Überblick über die direkte Besteuerung der Unternehmen dargestellt. In der EG übernahmen zunächst die bilateralen DBA die notwendige Koordinierung (Art. 220 EG-Vertrag a.F. = Art. 293 n.F. im AEUV nicht mehr enthalten). In vielen Einzelheiten greift aber bestehendes oder projektiertes Richtlinienrecht der EU ein. Weitere Eingriffe in die nationalen Rechte ergeben sich aus der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten des AEUV (s. Rz. 1.95 ff.).

1.24 Eine eigenartige Sondergruppe bilden objektartige Steuern, die von einem Land auf in ihm er-

zeugte und ins Ausland gelieferte Waren, Güter, Dienstleistungen u.Ä. erhoben werden. Der bekannteste Fall waren die hohen Abgaben, die das Rohöl in den Förderländern belasten. Sachlich Verbrauchsabgaben des Herkunftslandes, sind solche Abgaben finanzwissenschaftlich nur schwer fassbar, nehmen die unterschiedlichsten Formen an (z.B. Fördergebühren, Abschöpfungen von Export- oder Produktionsmonopolen oder deren Gewinnabführungen, akzisenartige Abgaben und andere Steuern). Ein besonderes Ausgleichssystem besteht für diese internationalen Verbrauchsabschöpfungen nicht. Eigenartig ist, dass sie teilweise in die Form direkter Steuern gekleidet und über die für diese bestehenden Ausgleichssysteme auf andere Fisci abgelastet wurden.

1.25 Ein Überblick über die zahlreichen Kleinsteuern würde den Rahmen dieser Übersicht sprengen.

Sie richten sich nach ihren internationalen Auswirkungen und Ausgleichmechanismen weithin nach anderen Steuerarten; so folgen kleinere Verkehrssteuern weithin dem Regelungsmuster der Umsatzsteuern (Rz. 1.21), während die Erbschafts- und Schenkungssteuern ähnliche Ausgleichssysteme wie die Einkommen- und Vermögensteuern hervorgebracht haben (Rz. 1.23). Ausgedehnte Sondersysteme sind bei den vom Verkehr erhobenen Abgabearten entstanden (Kraftfahrzeugsteuern u.Ä.).

1.26 All dies sind Abgaben der einzelnen Staaten. Internationale Organisationen traten bisher nur sehr

begrenzt als Träger eigener Steuerhoheit auf (vor allem durch Steuern von den durch sie gezahlten Gehältern). Eine echte internationale Abgabe ist erstmals mit der internationalen Meereskonvention eingeführt worden. Der Sache nach handelt es sich um eine internationale Verbrauchsabschöpfung von den auf dem Meeresboden geförderten Bodenschätzen; dem Vorbild vieler Abschöpfungen dieser Art für Mineralöl (vgl. Rz. 1.24) entsprechend ist sie als direkte Steuer vom Unternehmensgewinn ausgestaltet.

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B. Internationale Steuerkoordination | Rz. 1.29 Kap. 1

III. Internationalisierung und Besteuerungssystematik Die Steuersysteme müssen sich international anpassen. Bei diesem Vorgang sind jedoch die inneren Anforderungen der Systeme an Gleichmäßigkeit, Gerechtigkeit und Wettbewerbsneutralität zu wahren; aus deutscher Sicht muss gewährleistet sein, dass die Anpassung „den Vorstellungen eines prinzipienstrengen Rechtssystems am besten entspricht“ und „mit den strengen Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts in Einklang gebracht werden kann“.1 Von hier aus lassen sich aus Sicht der Steuersysteme wie der international Tätigen grundsätzliche Forderungen an die internationale Koordination ableiten.

1.27

– Die Steuerrechte sollten in ihrem Zusammenwirken für die internationale Tätigkeit von Unternehmen ein steuerpolitisch sinnvolles Regelungsgefüge bilden, das dieser Tätigkeit ebenso angemessen ist, wie dies für die Besteuerung entsprechender Wirtschaftsvorgänge im nationalen Raum erwartet wird und üblich ist. – Diese Besteuerungsverhältnisse sollten Gleichmäßigkeit und Neutralität der Besteuerung sichern und den Wettbewerb der Steuerrechte untereinander nicht verfälschen. Es sollten einerseits hemmende Schranken für die internationale Wirtschaftstätigkeit ausgeschlossen sein; andererseits sollten durch sie keine ungerechtfertigten Steuervorteile entstehen und Tätigkeiten innerhalb nationaler Wirtschaften nicht gegenüber internationaler Tätigkeit benachteiligt werden. – Die steuerlichen Verhältnisse im internationalen Raum sollten zuverlässig und auf Dauer angelegt sein, Rechtsschutz genießen, langfristige Entscheidungen erlauben und unternehmerische Entscheidungen ähnlich achten, wie dies im nationalen Raum geschieht. Solche Forderungen zielen auf eine internationale Steuerordnung, in der die Steuerrechte in ihren Gesamtwirkungen den an ein rationales Steuersystem zu stellenden Forderungen genügen. Sie sind nur als steuerpolitische Maximen zu formulieren – rechtlich sehen sich die Staaten auch heute noch nicht einmal zur Vermeidung der systemimmanenten Doppelbesteuerung verpflichtet, die aus dem von ihnen allg. verwendeten „Doppelzugriff“ resultiert.2 Solche Maximen gehen auch über die Forderung nach Rücksichtnahme hinaus, nach der die Staaten bei der Ausübung ihrer Steuerhoheit die Auswirkungen auf die Steuerhoheit anderer Staaten im Auge behalten sollen (s. dazu Rz. 2.5 ff.). Wie diese stellen sie einen Maßstab für die Bewertung bestehender Rechtszustände dar, dessen Entwicklung zu einem Leitbild der Völkerrechtsentwicklung wünschenswert ist.

1.28

Solche Forderungen stehen in einem Spannungsverhältnis zur Autonomie der nationalen, binnenstaatlich ausgerichteten Steuersysteme. Tatsächlich weisen beim heutigen Grad von internationaler Konvergenz und Koordination die internationalen Regelungsgefüge in ihren Gesamtwirkungen immer noch Funktionsdefizite (s. hierzu Rz. 1.64 ff.)3 und Mängel an Kohärenz auf, wie sie im nationalen Raum nicht hingenommen werden. Sie werden verstärkt durch zusätzliche Konflikte von Steuerrechten, z.B. weil es das bislang bestehende völkerrechtliche Verständnis durchaus zuließ, dass einzelne Staaten unterhalb ihres normalen Besteuerungsniveaus Nischen niedriger Besteuerung anbieten und so dem Ausweichen vor fremden Fisci Vorschub leisten (zur neueren Entwicklung s. Rz. 1.83). Aber selbst bei weitgehender Erfüllung der obigen Forderungen bliebe der internationale Steuerraum ein schwieriges Gebiet – dies schon durch die Regelungsunterschiede, Sprachbarrieren, unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungsgewohnheiten. Tatsächlich nimmt die Staatenpraxis Regelungsgefüge im internationalen Steuerraum hin, die durch Funktionsdefizite und Mängel steuerlicher Neutralität gekennzeichnet sind (s. Rz. 1.68, 1.75). Hier setzt die Steuerplanung der Unternehmen an. Sie sucht eine sachgerechte Besteuerung im internationalen Raum zu sichern

1.29

1 Lang, DStJG 24 (2001), S. 72. 2 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.1 ff.; diese Auffassung bildet auch Grundlage der neuesten Staatenpraxis, Krause, Internationale Doppelbesteuerung, Ifst-Schrift Nr. 405, 36 ff. 3 Lausterer (IStR 2003, 218) spricht im Blick auf die EU von „Systemdefiziten“; dem ist im Blick darauf zuzustimmen, dass die auf Kohärenz der Union zielende Entwicklung es erfordert, dass die einzelnen Steuerrechte der Union in einem sie überwölbenden System zusammenwirken, das faktisch freilich fehlt.

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Kap. 1 Rz. 1.30 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht (z.B. durch die Vermeidung von Doppelbesteuerungen und anderen Funktionsdefiziten). Außerdem sichert sie im Rahmen der legalen Steuerminimierung auch Vorteile, vor allem durch die Nutzung von Steuergefällen und Minderbesteuerungen. Viele Staaten haben in den letzten Jahrzehnten solche Gestaltungsfreiräume eingeengt, weil sie die entstehenden Steuervorteile als ungerechtfertigt ansahen.

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum I. Grundlagen 1.30 Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das heute einer in der ganzen Welt verbreiteten Überzeugung entspricht, findet im Einkommen einen besonders geeigneten Indikator.1 Das erklärt, dass Einkommen- und Körperschaftsteuern heute in praktisch allen Staaten bestehen. Sie weisen untereinander deutliche Strukturähnlichkeiten auf, und zwar gerade auch bei der Unternehmensbesteuerung. International haben sich durchgesetzt:

– Einheitssteuern mit einheitlichen und alle Einkunftsarten gleich erfassenden Tarifsystemen; das früher verbreitete Schedularsystem (unterschiedliche Belastungen der einzelnen Einkunftsarten) ist in den Hintergrund getreten, kehrt jedoch stellenweise in Vorzugssätzen für international mobile Einkünfte wieder zurück; – Erfassung der Unternehmensgewinne nach Methoden, die letztlich aus der kaufmännischen Buchführungs-Praxis hergeleitet sind; diese haben ihrerseits – nicht zuletzt durch eine internationalisierte Wirtschaftsprüfung – international konvergiert; – Kapitalgesellschaften sind als solche mit eigenen Steuern belegt, deren Verhältnis zur Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns auf der Ebene des Aktionärs sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann (volle Doppelbelastung, Voll- oder Teilanrechnung, gespaltener Satz, Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren). Bei Personengesellschaften steht eine Besteuerung beim Gesellschafter in der im deutschen Recht üblichen Weise neben einer Erfassung nach Art der Kapitalgesellschaften. – Für Konzerne und ähnliche Unternehmensgruppen gibt es meist Sondersysteme, für die Schachtelprivilegen (bzw. Anrechnung von Vorbelastungen durch den gesamten Konzern) und der Verlustausgleich im Gesamtkonzern typisch sind. Die Unterschiede der Systeme bestehen einmal in den Tarifen, die nach Struktur und Belastungsdruck unterschiedlich sind. Daneben steht eine große Vielfalt von Abweichungen im Detail des Tarifansatzes und in der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage. Trotz rechnerischer Vergleichbarkeit der Tarife ist ein befriedigender Belastungsvergleich von Steuerrechten für die Unternehmen mit ihren Unterschieden nicht möglich.

1.31 Die zwischenstaatlichen Wirkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuern sind fast überall

durch ein internationales System des Doppelzugriffs gekennzeichnet: Praktisch alle Staaten knüpfen Steuerpflichten einerseits an die Person des Steuerpflichtigen, andererseits an ihr Gebiet als Erzeuger oder „Quelle“ von steuerpflichtigen Einkünften (s. i.E. die Darstellung in Rz. 2.84 ff.). Dementsprechend gibt es zwei Formen direkter Besteuerung. Ersterer unterliegen die Steuerinländer mit ihrem Welteinkommen (Wohnsitzstaatbesteuerung, „unbeschränkte Steuerpflicht“, „resident taxation“), letzterer die Steuerausländer mit ihren im Staatsgebiet erzielten Einkünften (Quellenbesteuerung, „beschränkte Steuerpflicht“, „source taxation“). Dies System der Doppelanknüpfung führt notwendig zur („juristischen“) Doppelbesteuerung von Einkommensflüssen über die Grenzen (für über die Grenzen gehaltenes Vermögen gilt entsprechendes).2 1 Bei dieser vereinfachenden Darstellung werden Staaten außer Betracht gelassen, die nach dem „Quellenprinzip“ auch bei Steuerinländern nur Einkünfte aus inländischen Quellen besteuern. 2 Zum weitergehenden Rechtsbegriff der „juristischen“ und „wirtschaftlichen“ Doppelbesteuerung s. Rz. 2.244 ff.

22 | Pohl

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum | Rz. 1.34 Kap. 1

Diese systemimmanente Doppelbesteuerung wird durch die Staaten vermieden, und zwar in aller Regel schon durch nationales Recht im Rahmen der Wohnsitzstaatsbesteuerung. Der Wohnsitzstaat kann dabei die ausländische Steuer auf seine, von den Auslandseinkünften erhobene Steuer anrechnen („Anrechnung ausländischer Steuern“, „credit for foreign taxes“). Er kann auch die ausländischen Einkünfte steuerfrei stellen („Freistellungssystem“, „exemption method“), wobei meist die Progressionswirkung dieser Einkünfte aufrechterhalten wird („Progressionsvorbehalt“). Die Wahl der Methode gehört zu den wichtigsten steuerpolitischen Entscheidungen, die ein Steuersystem für den internationalen Bereich zu treffen hat. Seine Grenze findet dieser Schutz des eigenen Steuerbürgers darin, dass er

1.32

– sinnvollerweise beschränkt sein wird auf Einkünfte, die nach der eigenen Rechtswertung des betreffenden Staates ausländisches Steuergut sind; – auf die Besteuerung des eigenen Steuerbürgers im Ausland keinerlei Einfluss nehmen kann, mag diese auch noch so belastend sein; – ohne Einschränkung gewährt, geradezu Anreiz ist für ausländische Staaten, ihre Besteuerung auf Kosten anderer Staaten zu erweitern. Der Schutz des eigenen Steuerbürgers durch nationale Maßnahmen ist daher unvollständig und belässt u.U. unannehmbare Belastungsverhältnisse.

II. Systemverbindung durch DBA Dem Ausgleich solcher Defizite dient das Netz der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Nach ihrem Regelungsbild greifen die DBA in die beiden Seiten des üblichen „Doppelzugriffs“ von personal und territorial anknüpfender Besteuerung ein. Sie schützen diejenigen, die der personal ansetzenden Welteinkommensbesteuerung eines Staates unterliegen („Abkommensberechtigte“, Art. 4 UN/OECD-MA). Für sie

1.33

– schränkt eine erste Regelungsgruppe die Besteuerung im Quellenstaat (beschränkte Steuerpflicht) ein, der dieser in anderen Staaten ansässige Steuerpflichtige unterwirft (Art. 6–21 UN/OECD-MA); – bestimmt eine zweite Regelungsgruppe, wie der Wohnsitzstaat im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht seine eigene Besteuerung von Einkünften zurücknimmt, die im Quellenstaat vertraglich besteuert werden dürfen (Art. 23 A/B UN/OECD-MA).1 Die DBA bewirken damit eine Aufteilung des international verfügbaren Besteuerungssubstrats, legen einen Vorrang zwischen beiden Staaten fest und bestätigen bzw. modifizieren die schon auf Grund nationalen Rechts gewährten Maßnahmen zum Ausgleich der Doppelbesteuerung. Feste Grundlage der Vertragstechnik ist, dass die Steueransprüche als solche allein nach nationalem Recht begründet und bemessen werden können, die DBA aber als unmittelbar anwendbare („self executing“) Regelungssysteme sie begrenzen (meist als „Verteilungsnormen“ mit „Schrankenwirkung“ bezeichnet).2 Das Weltnetz der DBA umfasst über 3000 Verträge. Diese Normenmasse war nur mittels einer Standardisierung vertraglicher Grundstruktur und Inhalte durch die MA der UN und der OECD zu bewältigen. Beide DBA-Muster (MA) liegen dem heutigen deutschen DBA-Netz zugrunde. Die Grundlagen der Aufteilung der primären Besteuerungszuständigkeit an Quellen- und Wohnsitzstaat nach dem OECD-MA sind in allgemeiner Form in Übersicht 3, Einzelheiten und 1 Diese Begriffsbildungen und die hinter ihnen stehenden Fragen des Rechtsverhältnisses von DBA und nationalem Recht sind umstritten. Vgl. etwa Kluge, Internationales Steuerrecht4, B 11 ff.; Schaumburg/ Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.8 ff.; Wassermeyer, IStR 1992, 103 m.w.N. 2 Wenn der Verweis auf das Recht des Anwenderstaates nur gilt, wenn „der Zusammenhang es nicht anders erfordert“, so soll dies „den Zuständigen Behörden einen gewissen Bewegungsspielraum“ geben (Art. 3 Rz. 12 OECD-MK). Bei unmittelbarer Anwendung im nationalen Rechtsbereich ist letzteres verfassungsrechtlich nicht nachvollziehbar. Zu den daraus entstehenden Schwierigkeiten ist auf die Fachkommentare zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zu verweisen.

Pohl | 23

1.34

Kap. 1 Rz. 1.34 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht die Behandlung im Wohnsitzstaat sind in Übersicht 4 zusammengefasst. Das OECD-MA und seine Kommentierung (2005, 2008, 2010, 2011, 2014 und 2017 in Einzelheiten neu gefasst) enthalten viele Einzelheiten. Die bilateralen DBA weichen davon vielfach ab. Übersicht 3: Besteuerungsrechte des Quellenstaats Einkunftsart

Besteuerung im Quellenstaat zulässig bei

Unbewegl. Vermögen Gewerbebetrieb Freiberufl. Tätigkeit Unselbst. Tätigkeit Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren

Ausnahmen hiervon

Grundstücksbelegenheit Betriebsstätte

– Hilfsbetriebsstätten Schiff- und Luftfahrt Feste Einrichtung1 – Arbeitsausübung sog. 183-Tage-Klausel öffentliche Zahlungen Besteuerung im Quellenstaat grds. eingeschränkt oder beseitigt

Übersicht 4: Steuerteilung zwischen Quellen- und Wohnsitzstaat Die Besteuerung des Quellenstaates ist

bei Einkünften aus in folgender Weise begrenzt

Besteuerung im Wohnsitzstaat

1

2

3

4

A. voll aufrechterhalten

Grundvermögen Landwirtschaft Gewerbe Selbständiger Arbeit Unselbständiger Arbeit

falls die Einkünfte belegene im QuSt entstan- Grundstücke den sind durch Betriebsstätte2 dort(ige) feste Einrichtung3 Arbeitsausübung3

Steuerfreistellung mit Progressionsvorbehalt oder Steueranrechnung

B. begrenzt oder ermäßigt

Dividenden aus – wesentlichen Beteiligungen5 – anderen Beteiligungen – Zinsen (soweit nicht unter C7 fallend

Die Steuer darf nicht übersteigen (in v.H. der Bruttoerträge)

Freistellung o. indirekte Anrechnung4

5 v.H.6 ± 15 v.H. ±± ±± ±± 10 v.H. ±±

Steueranrechnung

1 Die Fassung des OECD-MA von 2001 stellt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit den Unternehmensgewinnen gleich. 2 Nicht als Betriebsstätte gelten Montagen und Bauausführungen unter einem Jahr sowie bloße Stützpunkte für internationalen Handel und Ähnliches. 3 Sonderregelungen für Künstler und Sportler (Staat des Auftretens), kurzfristig entsandte Arbeitskräfte (WS-Staat); Empfänger von Staatsgehältern (Kassenstaat). 4 EG-Mutter/Tochterrichtlinie: 0 v.H. 5 Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft zu einem Viertel. Deutschland hat eine Mindestbeteiligung von 10 v.H., seit 2000 von 0 v.H. (§ 8b KStG). 6 Meist aufgrund nationalen Rechts gewährt; in Deutschland heute nach § 8b KStG. 7 Viele DBA schließen das Besteuerungsrecht des Quellenstaates ganz aus, so dass alle Zinsen unter C fallen.

24 | Pohl

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum | Rz. 1.36 Kap. 1 Die Besteuerung des Quellenstaates ist

bei Einkünften aus in folgender Weise begrenzt

Besteuerung im Wohnsitzstaat

1

2

4

C. gänzlich ausgeschlossen

Zinsen betrieblichen Charakters an Unternehmen sowie die Quellenbesteuerung fällt ganz weg an Staatsbanken1 Lizenzgebühren2 sonstige Quellen

3

voll

Die Begrenzung der Besteuerung im Quellenstaat macht den Hauptteil der DBA aus. Diese „Verteilungsnormen“ lassen sich in ihren für die Unternehmen wichtigsten Bereichen wie folgt zusammenfassen.

1.35

– Die territorial anknüpfende Besteuerung wird i. Allg. auf radizierte Steuerquellen (z.B. Betriebsstätten, dauernde selbständige Tätigkeit) beschränkt. Durch sie ist der Abkommensberechtigte in einer Weise dem Quellenstaat eingegliedert, die eine Erträge und Kosten ausgleichende Einkünfteermittlung möglich macht. Die Besteuerung im Quellenstaat wird damit auf Besteuerungssubstrat begrenzt, bei dem eine dem systematischen Ansatz der direkten Besteuerung entsprechende Einkünftebasis besteht. Damit ist auch eine Einkunftsaufteilung zwischen den im Quellenstaat und den im Wohnsitzstaat zu besteuernden Einkunftsbereichen nach gemeinsamen Aufteilungsmaßstäben möglich. – Für bestimmte nicht radizierte Einkunftsbestandteile wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren werden Abzugsteuern vom Bruttobetrag zugelassen, jedoch nach dem Abzugssatz begrenzt; diese Begrenzung soll Kostenprogressionen oder das Entstehen von Anrechnungsüberschüssen vermeiden und konzernbezogene Regelungen abstützen. Industriestaaten verzichten untereinander bei Zinsen und Lizenzgebühren meist auf solche Abzüge. – Für konzernartige Beziehungen wird einerseits das auch in den nationalen Rechten übliche Trennungsprinzip den gemeinsamen Beziehungen zugrunde gelegt (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA), andererseits ein gemeinsamer Maßstab für Gewinnabgrenzungen vereinbart (Art. 9 OECD-MA). Diese Regelungen bestätigen und begrenzen den im Doppelzugriff angelegten „Vorrang des Quellenstaates“ in einer Verteilungsgerechtigkeit unter Staaten schaffenden Weise (zwischenstaatliche Gerechtigkeit i.S.v. Rz. 1.18). Gleichzeitig bewirken sie, dass die entstehenden Belastungsverhältnisse sich in den durch die Einkommensbesteuerung angelegten Ansatz einer Nettobesteuerung halten (Belastungsgerechtigkeit). Die Regelung folgt gleichzeitig Effizienzgesichtspunkten, v.a. wenn sie den Ausbau der direkten Steuern zu Marktzugangssteuern abbaut. Die in den MA getroffene Abgrenzung spiegelt auch rein steuertechnische Grenzen einer Besteuerung von Ausländern. Sie bildet eine Ausfüllung des Verbots extraterritorialer Besteuerung (s.a. Rz. 1.42). Für den Ausgleich im Wohnsitzstaat stellt sich die Frage, ob auf völkerrechtlicher Ebene die Besteuerung im Quellenstaat eine ausschließliche sein soll (Folge: völlige Freistellung im Wohnsitzstaat) oder lediglich eine vorrangige (Folge: Steueranrechnung im Wohnsitzstaat). Zu der dahinter stehenden Problematik s. Rz. 2.245 ff. Die Vertragsentwicklung seit 1944 steht auf dem Boden des Vorrangs.3 1 Viele DBA schließen das Besteuerungsrecht des Quellenstaates ganz aus, so dass alle Zinsen unter C fallen. 2 Viele DBA (vor allem mit Entwicklungsländern): 10–15 v.H. 3 Umstritten geblieben ist, ob finanzwissenschaftlich und steuerpolitisch nicht ein den Wettbewerb der Steuerrechte förderndes Prinzip ausschließlicher Quellenbesteuerung zu fordern wäre, insbesondere auch für die EU. S. hierzu Müller/Fromm/Hansjürgens (Hrsg.), Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 21 ff.

Pohl | 25

1.36

Kap. 1 Rz. 1.37 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Art. 23 OECD-MA lässt den beiden Vertragsstaaten bei den radizierten Einkünften die freie Wahl zwischen Anrechnung und Freistellung mit Progressionsvorbehalt (für die nicht radizierten gilt im Grundsatz immer das Anrechnungssystem). Diese Ausprägung des Wohnsitzprinzips wird noch dadurch unterstrichen, dass beide Staaten ihre Wahl unabhängig voneinander treffen können; der Grundsatz der Gegenseitigkeit ist insoweit ausgeschlossen. Demgemäß wählt vielfach jeder der beiden Staaten die Methode, die er in seinem nationalen Recht anwendet. Üblicherweise legt aber jeder Vertragsstaat darauf Wert, dass bei in seinem Gebiet vertraglich zu versteuerndem Steuersubstrat der Wohnsitzstaat keine ungünstigeren Ausgleichsregeln gewährt als gegenüber anderen vertraglich gebundenen Staaten (Grundsatz der Meistbegünstigung).

1.37 Deutschland geht in seinen DBA bei den radizierten Einkünften von der Freistellung mit Progres-

sionsvorbehalt aus. Dass das nationale Recht abw. hiervon von der Anrechnung ausgeht, hat einmal historische Gründe. Die Freistellung sollte zudem an ein Mindestmaß von internationaler Zusammenarbeit gebunden sein und verhandlungsstrategisch ein Angebot an Staaten bilden, die zu sachlich angemessener Begrenzung ihrer Quellenbesteuerung bereit waren. Im Übrigen war und ist das deutsche nationale Recht seit je stets mit Elementen der Freistellung durchsetzt (v.a. § 34c Abs. 5 EStG, heute § 8b KStG). Das damit von den DBA gestützte System eingeschränkter Wohnsitzbesteuerung ist von hoher steuerpolitischer Bedeutung (vgl. hierzu Rz. 1.63).

1.38 Die DBA bilden eine über den nationalen Steuergesetzen stehende Rechtsebene, die in beiden

Systemen unmittelbar anwendbare Abgrenzungs- und Zurechnungsmerkmale bereitstellt. Danach ist z.B. für Quellen- und Wohnsitzstaat derselbe Rechtsmaßstab bei der Beurteilung des Anknüpfungsmerkmals „Betriebsstätte“ oder der „Zurechnung“ von Gewinn maßgebend. Aufgabe der DBA wäre es damit, allg. gemeinsame Grundlagen für Quellenbesteuerung und für die Ausgleichsmaßnahmen des Wohnsitzstaats bereit zu stellen und damit auch etwa durch Unterschiede der beteiligten Rechten entstehende Verwerfungen lücken- und fugenlos zu beseitigen. Gerade diese Aufgaben sind aber mit dem Regelwerk der DBA nicht voll zu lösen, das i.d.R. ohne konkreten Bezug auf das Detail der nationalen Rechte bzw. auf die konkrete bilaterale Situation auszukommen sucht. Zudem ist die einheitliche Konkretisierung des Vertragsrahmens mit seinen vielfach als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgebildeten Merkmalen (z.B. der „Zurechnung“ von Gewinnen) nicht gesichert. Schließlich entstehen bei Rechtsverwerfungen vielfältige Probleme. Kennzeichnend ist die in den MA nur generalklauselartig beantwortete Frage, wieweit die Staaten der DBA-Anwendung ihre jeweiligen (divergierenden) Rechte zugrunde legen können (Art. 3 Abs. 2 OECDMA).1 Durch all dies können neben Schutzlücken auch Keinmal-Besteuerungen durch die DBAEntlastungen entstehen. Wenn die DBA gleichwohl einen i. Allg. verlässlichen Ausgleich von Quellen- und Wohnsitzbesteuerung gewährleisten, so ist dies einerseits einer starken Differenzierung der bilateralen Verträge zu verdanken, andererseits der Bereitschaft der beteiligten Länder zur Verständigung (s. Rz. 13.38 ff.).

1.39 Die DBA erweitern ihre Funktion über die bloße Vermeidung der dem „Doppelzugriff“ immanenten Doppelbesteuerung (s. Rz. 1.31 f.). Zu nennen ist hier, dass sie

– die Doppelbesteuerung bei Fällen doppelter persönlicher (unbeschränkte) Steuerpflicht (z.B. Doppelwohnsitz) beseitigen; der hiermit gewährte Schutz ist für international tätige Unternehmen von steigender Bedeutung geworden; nicht beseitigt wird die doppelte territoriale (beschränkte) Steuerpflicht; sie ist jedoch in das Verständigungsverfahren einbezogen (Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA); – für die internationalen Konzernverbindungen Rechtssicherheit schaffen, wobei sie oft neben juristischer auch die sog. wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden (s. Rz. 1.47); 1 Pohl in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 3 OECD-MA Rz. 58 ff.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 4 Rz. 81; krit. zur internationalen Akzeptanz und Umsetzung in den nationalen Rechten Lang, IStR 2011, 403.

26 | Pohl

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum | Rz. 1.43 Kap. 1

– die Grundlage für die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen und für ihren Auskunftsaustausch legen (s. Rz. 13.38 ff.; 13.21 ff.); nach der neuesten Fassung des OECD-MA sollen die DBA auch Vollstreckungshilfe vorsehen. Das OECD-MA hat seinen Regelungsbereich bei den Diskriminierungsverboten, dem Auskunftsaustausch und der Vollstreckungshilfe auf Steuern aller Art erstreckt (Neufassung 2000). (Zu aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet s. die Darstellung in Kapitel 12.) Darüber dürfen die Begrenzungen der DBA nicht übersehen werden. Dazu gehört, dass sie

1.40

a) in vielen Bereichen Konflikte belassen, Rechtsverwerfung nicht befriedigend regeln und durch den Einsatz unbestimmter Rechtsbegriffe Anwendungsschwierigkeiten machen (Rz. 1.38, 1.44); b) durch ihre Masse und Unterschiedlichkeit im Detail eine nicht mehr zu übersehende Regelungsmasse darstellen (sie machen nach ihrem bloßen Textumfang über 25 v.H. der deutschen Steuergesetze aus) und durch ihre Unterschiedlichkeiten selbst Diskriminierungen erzeugen; c) einerseits zahlreiche Funktionsdefizite der internationalen Regelungsgefüge bestehen lassen (s. Rz. 1.64 ff.), andererseits neben außensteuerlichen Sondergesetzen stehen, die sich gegen ungerechtfertigte Steuervorteile im internationalen Raum richten. Sie können in ihrer heutigen Form die Probleme des internationalen Steuerraums nur bedingt regeln. Dies steht hinter dem Wort Tipkes, dass das DBA-Recht aus sich heraus „kein den Steuerrechtler befriedigendes übergeordnetes Prinzip erkennen“ lässt.1

III. Systemintegrierende Funktionen der DBA Die DBA sollen – nach einem Wort Dorns2 – „der Aufstellung eines sachgemäßen, auf Gegenseitigkeit begründeten Systems von Steuerverzichten unter Berücksichtigung der Eigenarten der Steuersysteme“ dienen. Sie zielen damit auf ein „sachgerechtes“ internationales Regelungsgefüge, das über die bloße Aufteilung von Besteuerungssubstrat hinausgehend Ordnungsfunktionen hat. Dies wird im Folgenden an vier für die Unternehmensbesteuerung wichtigen Beispielen verdeutlicht.

1.41

1. Extraterritoriale Besteuerung Das Völkerrecht untersagt es den Staaten, ihre Besteuerung in nicht sachgerechter Weise an fern liegende und willkürliche Merkmale anzuknüpfen (s. Rz. 1.7, 2.5 ff.); kaum eine Grenze ist aber international weniger gesichert als diese. Die international tätigen Unternehmen würden ferner unerträglich belastet, wenn sie sich in unübersehbarer Weise Steueransprüchen ausländischer Fisci gegenüber sähen, deren Interessen ihre Existenz oder Tätigkeit berührt. In diesem Sinne lässt sich von extraterritorialer Besteuerung als eigenständiger Funktionsstörung sprechen – mag auch eine Doppelbesteuerung nicht vorliegen. Würden Unternehmen z.B. im Ausland nur deshalb steuerpflichtig, weil ihre Produkte dorthin gelangen oder weil sie zu den dortigen Unternehmen in Konkurrenz treten, so wäre dies eine die internationale Tätigkeit erstickende Ausdehnung der Steuerhoheit. Die DBA schließen derartiges aus; sie legen sogar für den Warenhandel eine relativ breite Schutzzone, indem sie z.B. Tätigkeit von Verkehrsbetrieben oder handelstypische Hilfsstellen steuerlich gleichsam als extraterritorial behandeln (Art. 5 Abs. 3 Buchst. a bis c, Art. 7 Abs. 5 und Art. 8 OECD-MA).

1.42

Die DBA belassen es bei dem System der internationalen Doppelanknüpfung (Rz. 1.31 f.). Sie sichern es in gewisser Weise ab, weil es ohne Vermeidung der ihr immanenten Doppelbesteuerung aus allgemeinen rechtlichen, steuerpolitischen und wirtschaftlichen Gründen für die Staatengemeinschaft nicht tragbar wäre. Sie belassen freilich gewisse Nachteile, such en sie aber zu mildern. Zu nennen ist hier v.a., dass

1.43

1 Seer in Tipke/Lang22, Steuerrecht, § 4 Rz. 81. 2 Dorn, StuW 1927, 265.

Pohl | 27

Kap. 1 Rz. 1.44 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht – die Quellenbesteuerung regelmäßig als eine „realsteuerartige“ Teileinkommensteuer erhalten bleibt, die den persönlichen Verhältnissen nur ungenügend Rechnung trägt; gemildert wird dies durch die Beschränkung auf radizierte Quellen (s. Rz. 1.35) und die Begrenzung von Abzugssteuern (Rz. 1.46). – die Doppelanknüpfung die international Tätigen durch besondere Verfahrenserschwernisse belastet, z.B. durch Nachweisnotwendigkeiten bei der Steueranrechnung. Die DBA sind Grundlage geworden, solche Schwierigkeiten im Verständigungswege zu mildern (Art. 25 OECD-MA, Rz. 13.38 ff.). Zu sehen ist aber, dass die DBA in ihrer Zielsetzung begrenzt sind. Sie unternehmen nicht, die im internationalen Steuerraum bestehenden Funktionsmängel (Rz. 1.64 ff.) generell zu beseitigen. Sie erzeugen durch ihren bilateralen Charakter sogar Diskriminierungen, indem sie die Quellenbesteuerung gegenüber unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Maße einschränken. Schließlich bilden sie eine übergroße, trotz ihrer Standardisierung durch MA kaum zu übersehende Normenmasse. Das bestehende DBA-Netz ist als System gegenüber der Gesamtentwicklung („Globalisierung“) zurückgeblieben und wirkt antiquiert.

1.44 Nachdem die DBA-Praxis für die Steuerquellen eine internationale Standardaufteilung gefunden

hat (Rz. 1.34), ist für die Praxis die Abgrenzung der Steuerquellen selbst in den Vordergrund getreten, z.B. die Aufteilung des Gewinns eines Unternehmens auf die Betriebsstätten. Die Staaten haben dazu eigenständige Methoden entwickelt, deren Divergenzen die juristische Doppelbesteuerung u.U. bestehen lässt. Zwar enthalten UN/OECD-MA (Art. 7 Abs. 2 bis 4, Art. 9 OECD-MA) dazu eigene Teilregelungen, ihre Anwendung hat aber – nicht zuletzt wegen widersprüchlicher Regelungsansätze in den nationalen Rechten – ungewöhnlich breite Unsicherheiten. Es wird deshalb beklagt, dass die DBA-Praxis die hier drohenden Funktionsstörungen wohl formal regelt, praktisch aber nicht hinreichend sicher und kalkulierbar ist. 2. Diskriminierung und Überbesteuerung

1.45 Wurde ein Unternehmen vor 90 Jahren international tätig, so operierte es in einem Raum, der

steuerlich weit weniger betraubar war als der heimische: Fremdenfeindliche Tendenzen wirkten leicht in die Besteuerung hinein und die Furcht vor Willkür und Unfairness war groß. Die Effizienz des modernen DBA-Netzes liegt gerade darin, dass es derartigen Funktionsstörungen vorbaut. Instrumente sind die Diskriminierungsklauseln, vor allem aber das Gebot der Inländerbehandlung für die Betriebsstätten der Unternehmen und der von ihnen beherrschten Tochtergesellschaften, für das die UN/OECD-MA steuerliche Spezialklauseln entwickelt haben (Art. 24). Diese oft unterschätzten Klauseln realisieren einmal den Schutzanspruch des Unternehmens gegenüber seinem Heimatstaat, von ihm steuerlich im Ausland Schutz vor Unbill zu erhalten. Sie begrenzen die Besteuerung des Tätigkeitsstaates auf das, was dieser seinen heimischen Bürgern und Unternehmen zumutet – die ihm im Innern gesetzten steuerpolitischen und allgemeinpolitischen Schranken schützen so auch den ausländischen Investor und beugen fremdenfeindlichen Sondergesetzen vor. Damit wird schließlich im Tätigkeitsstaat die steuerliche Wettbewerbsgleichheit mit den dort heimischen Unternehmen gesichert. Der BFH hat diesen Klauseln in den letzten Jahren große Bedeutung beigemessen.1 3. Abzugsteuern und Kostenprogression

1.46 Bei einer Reihe international fließender Einkünfte hat die internationale Vertragspraxis die Steuerteilung in der Weise vorgenommen, dass der Quellenstaat Abzugssteuern erheben kann, die der Wohnsitzstaat auf seine Steuern anrechnet. Dies sind i.W. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (Art. 10 bis 12 UN/OECD-MA). Die so zugelassenen Abzugssteuern werden vom Bruttobetrag (Einnahmen) zu linearen Sätzen erhoben und werden im Wohnsitzstaat nicht erstattet, wenn sie 1 Vgl. z.B. BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106.

28 | Pohl

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum | Rz. 1.47 Kap. 1

Steuerbelastung der (Netto-)/Einkünfte

die dortige Tarifsteuer überschreiten. Dies führt zu Wirkungen, die allgemeinen Grundsätzen direkter Besteuerung widersprechen: Die Steuerabzüge belasten den Nettoertrag – d.h. das eigentliche Besteuerungssubstrat – umso stärker, je höher die mit den betreffenden Einnahmen zusammenhängenden Ausgaben sind.1 Die folgende Zeichnung macht diese Wirkung für unterschiedliche Abzugssätze deutlich:

800

C

700

Abzugssätze A 10 vH B 25 vH C 40 vH

600 500

B

400 300 200

A

100 0

0

5

vH 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Kostenbelastung der (Brutto-)/Einkünfte

Diese sog. Kostenprogression erreicht schon bei mäßigen Abzugssätzen und Aufwandsquoten solche Dimensionen, dass sie durch die (am Nettoertrag orientierten) Maßnahmen des Wohnsitzstaates nicht mehr aufzufangen sind, sondern als objektsteuerartige Zusatzlast wirkt. Es war einer der wichtigsten Erfolge des internationalen DBA-Netzes, dass es z.B. bei Zinsen und Lizenzgebühren die Kostenprogression durch vertragliche Reduzierung auf Null-Sätze ganz abbaute (so meist in DBA unter Industrieländern) oder sie durch Vereinbarung von Satzsenkungen reduzierte (so meist zwischen Industrie- und Entwicklungsländern). Dabei hat nur ein Teil der Staaten einheitliche Sätze gegenüber allen Vertragspartnern angestrebt und durchgesetzt. Das hat zu im Einzelnen sehr differenzierten Sätzen geführt. Das deutsche DBA-Netz weist eine breite Satzfächerung von 0 bis 25 v.H. auf. Damit wird einerseits auf Gleichbehandlung oder Meistbegünstigung verzichtet. Andererseits ist das Ausweichen vor ungünstigen Sätzen durch Steuergestaltung kaum zu vermeiden. 4. Wirtschaftliche Doppelbelastung Der von der internationalen Praxis entwickelte Begriff der Doppelbesteuerung setzte die doppelte Erfassung desselben Steuerguts bei der gleichen Person (Subjektidentität) voraus. Funktionsstörungen können aber auch vorliegen, wenn dasselbe Steuergut bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen erfasst wird. Vor allem war es mit dieser Begrenzung nicht möglich, die Probleme der internationalen Konzernbesteuerung zu lösen. Es ist kennzeichnend für die tastende internationale Entwicklung, dass sie diese Probleme nur nach und nach in den Regelungsbereich der DBA (bzw. der nationalen Rechte) aufnahm. Motor der Entwicklung war die Notwendigkeit, dem international tätigen Konzern schon um der Rechtsformneutralität willen einen ähnlich entwickelten Schutz wie dem international tätigen Einzelunternehmen zu gewähren. Daraus hat sich innerhalb des ursprünglich auf das Einheitsunternehmen zugeschnittenen Internationalen Steuerrechts ein internationales Konzernsteuerrecht entwickelt; das bisherige Merkmal „Personengleichheit“ musste in ge1 Engelschalk, Die Besteuerung der Steuerausländer auf Bruttobasis, S. 12 ff., aus dem die obige Zeichnung stammt.

Pohl | 29

1.47

Kap. 1 Rz. 1.48 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht wissem Umfang aufgegeben und der DBA-Schutz auf Fälle erweitert werden, in denen „derselbe Gewinn“ stufenartig bei mehreren Personen erfasst wird („wirtschaftliche“ Doppelbelastung). Das geschah in der Ausbildung einer internationalen Norm für die innerkonzernliche Gewinnabgrenzung (Art. 9 OECD-MA) und zur Vermeidung der Doppelbelastung für die im Konzern ausgeschütteten Gewinne mit Körperschaftsteuer (sog. „internationale Schachtelprivilegien“). Diese Entwicklung ist noch im Fluss (s. Rz. 1.84 ff.).

IV. Europäisches Recht und direkte Besteuerung 1.48 Europäisches Recht beeinflusst zunehmend die deutsche Außenbesteuerung. Grundlagen und Aus-

wirkungen auf das deutsche Steuerrecht sind in Rz. 1.95 ff. eingehend dargestellt. Allgemein hat dies im Wesentlichen drei Komponenten: – Untersagt sind durch Art. 107 AEUV steuerliche Beihilfen. Dieses Verbot wird von der EUKommission laufend überwacht.1 – Die deutsche Besteuerung muss die Grundfreiheiten der EU achten, sowie diskriminierungsund beschränkungsfrei sein (s. Rz. 1.101 ff.). Die Rechtsprechung des EuGH, über die sich die Konkretisierung dieser Gebote vollzieht, ist in Rz. 1.115 ff. ins Einzelne gehend dargestellt. – Die direkte Besteuerung ist Gegenstand der Steuerharmonisierung, die allerdings außerordentlich zögernd fortschreitet (s. Rz. 1.97). Bei all dem sucht die EU bei der Entwicklung des Internationalen Steuerrechts den Kontakt mit der internationalen Gesamtentwicklung zu halten, die hauptsächlich vom Fiskalausschuss der OECD gesteuert wird (vgl. im Hinblick auf BEPS bereits Rz. 1.14).

1.49 Die innergemeinschaftliche Beseitigung der Doppelbesteuerung ist Sache bilateraler DBA. Ein ins

Auge gefasstes multilaterales EU-DBA ist nicht zustande gekommen. Die EU hat jedoch im Blick auf die Notwendigkeiten des Gemeinsamen Marktes auf einigen wichtigen Gebieten Richtlinienrecht erlassen, das in den DBA geregelte Fragen betrifft und die innergemeinschaftlichen DBA überlagert. Diese Regelungen sind der folgenden Aufstellung in Übersicht 5 zu entnehmen (i.E. s. Rz. 1.115). Die Kommission hat gelegentlich die Auffassung geäußert, dass die Doppelbesteuerung mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes nicht zu vereinbaren ist. Die DBA wären danach Konkretisierungen dieses Verbots und müssten sich an ihm messen lassen. Ferner wird ein Verbot der Keinmalbesteuerung angenommen. Übersicht 5: EU-Recht auf dem Gebiet der DBA Art. OECD-MA –

7 Abs. 2–5 10 11, 12

EU-Regelung Gewinnermittlung

Bei Fusionen, Spaltungen, Einbringungen: Bei gewissen Vorgängen keine Gewinnrealisierung Gewinnabgrenzung Eigenständige Abgrenzungsregelungen in der „Schiedsübereinkunft“ Abzugsteuer von Schach- 0-Satz bei Zahlungen teldividenden innerhalb der EU Abzugsteuern von Zinsen/ 0-Satz bei Zahlungen inLizenzgebühren nerhalb der EU zwischen verbundenen Unternehmen

Rechtsquelle FusionsRL, umgesetzt im UmwStG SchStK (s. Rz. 13.20) Mutter/TochterRL umgesetzt in § 43b EStG EG-RL umgesetzt in §§ 50g, 50h EStG

1 Vgl. im Hinblick auf die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG bspw. EU-Kommission, Pressemitteilung v. 26.11.2011.

30 | Pohl

C. Direkte Besteuerung im internationalen Raum | Rz. 1.52 Kap. 1 Art. OECD-MA 23

24

EU-Regelung Wohnsitzstaatbesteuerung Schachteldividenden sind von Doppelbelastung durch Freistellung oder durch indirekte Anrechnung zu entlasten Diskriminierung Überlagerung durch allg. Bestimmungen des AEUV

25

Verständigung

26

Auskunftsaustausch

Rechtsquelle Mutter/TochterRL umgesetzt durch DBA und § 26 Abs. 2a KStG Unmittelbar anwendbare AEUV-Bestimmungen, insbesondere Art. 45, 49 AEUV SchStK (Rz. 13.20)

Bei Fragen der Gewinnabgrenzung besondere Verständigungsregelungen und Patt-vermeidende Streitschlichtung EG-AmtshilfeRL, umgeUmfassende Regelung über die Erteilung von setzt im EU-AmtshilfeG Auskünften mit oder (EUAHiG) (Rz. 13.21) ohne Ersuchen

Darüber hinaus greift das primäre Recht der die Gemeinschaft begründenden Verträge ganz allg. in die direkte Besteuerung (einschl. der innergemeinschaftlichen DBA) ein. Neben den Diskriminierungsverboten ist ein Bündel primärrechtlicher Grundfreiheiten AEUV (s. Rz. 1.109) zu beachten, nämlich die Freiheit des Warenverkehrs, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungs-, Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit.1 Sie sprechen die direkten Steuern in ihrer ganzen Breite an. Sie schützen den EG-Bürger seit 1987 unmittelbar. Die Rechtsprechung des EuGH hat die Diskriminierungsverbote und die Grundfreiheiten als Verbote auch mittelbarer Behinderungen aufgefasst und damit in Richtung auf ein Gebot der Inländerbehandlung entwickelt. Das Gericht lässt „zwingende nationale Interessen“ und die „Wahrung der Kohärenz der Steuerrechte“ nur in engen Grenzen als Rechtfertigungsgrund zu (Rz. 1.111), wobei den Mitgliedstaaten nur schonende Eingriffe zugestanden werden, die im Ergebnis missbräuchliches Verhalten treffen. Die Rechtsprechungsgrundsätze zu den einzelnen Grundfreiheiten konvergieren dabei auf der Tatbestands- wie auf der Rechtfertigungsebene und haben in Deutschland zu wichtigen Neuregelungen der beschränkten ESt-Pflicht geführt (§§ 1 Abs. 3 und 1a EStG), standen aber auch hinter dem deutschen Übergang vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem zum Halbeinkünfteverfahren.

1.50

All dies greift tief in die Rechtsentwicklung ein und wird eine Weiterentwicklung der innergemeinschaftlichen Steuerkoordination erzwingen. So bemüht sich die EU-Kommission um eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Urteilen des EuGH, die Entwicklung eines gemeinsamen DBA-MA und gemeinsamer Regelungen zur Gewinnabgrenzung für die EU auf der Basis der Arbeiten der OECD. Als Grundlage für eine gemeinsame Regelung zur Gewinnabgrenzung hat sie Gemeinschaftsregelungen für die Gewinnermittlung zwischen gemeinschaftlich tätigen Unternehmen vorgeschlagen.2

1.51

Ob dies zu einer Harmonisierung der direkten Steuern in Struktur und Teilbereichen führt, ist offen. Wenn aus primärem Unionsrecht (s. Rz. 1.50) ein Gebot zur Gleichbehandlung aller EU-

1.52

1 Hierzu umfassend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht; s. hierzu auch Englisch, StuW 2003, 88; Hahn, Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 1999, Bonn. Eine Liste von Einzelbestimmungen, deren EU-gemäßheit fraglich sei, geben Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, zuletzt veröffentlicht 2018, DB 2018, Beilage Nr. 1 zu Heft 5, 1–37. 2 Siehe dazu Krauß, IStR 2011, 607.

Pohl | 31

Kap. 1 Rz. 1.53 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Unternehmen und ein Gebot der Meistbegünstigung für Unionsbürger abgeleitet wird, so stellt dies in der Sache das Prinzip souveräner bilateraler Regelungen durch DBA in Frage, das die Kommission bislang nicht in Frage stellt. Daher ist auch die weitere Entwicklung der DBA nicht zu übersehen. Zu weiteren Perspektiven s. Rz. 1.87.

D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen I. Unternehmensstrukturen: Einheitsunternehmen, Konzern, Personengesellschaft 1.53 Die international tätigen Unternehmen sind unterschiedlich verfasst – sie werden als Einheits-

unternehmen, als Konzerne, unter Einsatz von Personengesellschaften oder in Mischformen usw. über die Grenze des Heimatstaates hinaus tätig. Für die Besteuerung rein national tätiger Unternehmen sind in den innerstaatlichen Rechten sehr häufig drei Grundsätze verwirklicht: – jeder Teil des Gewinns wird bei einer Teileinheit des Unternehmens erfasst, insgesamt aber nur einmal besteuert; – Gewinnüberweisungen (Ausschüttungen) unterer Unternehmenseinheiten an übergeordnete Betriebsteile werden von Mehrfachbelastungen freigehalten; – der Fluss von Kapital, Waren, Know-how, Dienstleistungen innerhalb des Unternehmens kann grundsätzlich ohne besondere steuerliche Zusatzlasten, d.h. steuerneutral abgewickelt werden. Auch die zwischenstaatliche Besteuerung der international tätigen Unternehmen hat sich an diesen Grundsätzen orientiert und hat so für die Wahl zwischen nationaler und internationaler Tätigkeit ein angemessenes Maß steuerlicher Neutralität erreicht (vgl. aber Rz. 1.64 ff.). Die genannten Grundsätze sind zwar nicht durchgängig verwirklicht; die Staaten haben sich ihnen aber durch Konvergenz und durch ihre DBA angenähert. 1. Einheitsunternehmen

1.54 Die internationale Tätigkeit des Einheitsunternehmens unterliegt dem üblichen Doppelzugriff der

Steuer in Heimat- und Tätigkeitsstaat, die durch die DBA nach dem Betriebsstättenprinzip ausgeglichen wird (Art. 5, 7, 23 OECD-MA). Die Besteuerung des Unternehmens ist damit gleichsam im Heimat-(Wohnsitz-)Staat konzentriert (er nimmt z.B. das gesamte von anderen Staaten nicht beanspruchte Steuersubstrat für seine Vollbesteuerung in Anspruch). Der Tätigkeitsstaat hat freie Hand für Art und Weise der Besteuerung des ihm zukommenden Steuersubstrats, gewährt aber im Gegenzug in den DBA die Inländerbehandlung (Art. 24 Abs. 4 OECD-MA), was z.B. Sondersteuersätze für Ausländer oder diskriminierende Gewinnermittlungsvorschriften ausschließt. Steuerneutralität wird durch DBA nach den drei in Rz. 1.53 angegebenen Richtungen in folgendem Rahmen gewährt: – Die Einmalbesteuerung wird gesichert durch die gemeinsame Abgrenzung von Anknüpfung und Umfang der Besteuerung im Tätigkeitsstaat und der diese respektierenden Ausgleichsmaßnahmen im Heimatstaat. Im Gegensatz zum rein national tätigen Unternehmen wird nicht nach einem Einheitstarif besteuert, sondern die Tarifautonomie von Tätigkeits- und Heimatstaat gewahrt. Als zentral zuständiges Land bestimmt der Heimatstaat, ob beim Ausgleich Kapitalexportneutralität (Anrechnung) oder Kapitalimportneutralität (Freistellung) hergestellt wird (vgl. Rz. 1.61 ff.).

– Die Besteuerung erfolgt grundsätzlich in allen Ländern zeitgleich mit dem Gewinnanfall; eine Gewinnüberweisung löst keine zusätzliche Steuer aus, ohne dass es dafür sichernder Bestimmungen bedürfte (solche sind aber nötig gegenüber Staaten wie den USA, die Abzugsteuern von Gewinnüberweisungen eingeführt haben). – Der Ressourcenaustausch innerhalb des Unternehmens wird im Rahmen der Gewinnabgrenzung abgerechnet; hierbei kann es allerdings beim Übergang von Wirtschaftsgütern aus einer 32 | Pohl

D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.57 Kap. 1

in eine andere Betriebsstätte zum zeitlichen Vorziehen der Besteuerung kommen durch Auflösung stiller Reserven, was die DBA nicht generell ausschließen. Der Leser findet die deutschen Regelungen hierzu in Rz. 5.1 ff. dargestellt. 2. Konzerne Wird die ausländische Tätigkeit des Unternehmens von örtlichen Kapitalgesellschaften als eigenen, dem Zentralunternehmen nahestehenden juristischen Personen getragen, so entstehen konzernartige Gebilde. Grundlage des internationalen Konzernsteuerrechts ist, dass die gesonderte Rechtspersönlichkeit der einzelnen Gesellschaften nach dem Trennungsprinzip sowohl von den Heimatwie von den Tätigkeitsstaaten steuerlich anerkannt wird. Ferner

1.55

– unterliegen der Besteuerung nur die einzelnen Konzerngesellschaften; der Konzern wird nicht als ganzer zur Steuer herangezogen (Art. 5 Abs. 5 OCD-MA untersagt dies für einen Teilaspekt ausdrücklich); – ist den Konzerngesellschaften in ihren jeweiligen Tätigkeits-(Ansässigkeits-)Staaten Inländerbehandlung zu gewähren (Art. 24 Abs. 4 und 5 OECD-MA); dies scheidet z.B. belastende Sondersteuersätze oder besondere Gewinnermittlungsvorschriften für ausländisch beherrschte Kapitalgesellschaften aus; – achten die Heimatstaaten i.d.R. die Selbständigkeit der Tochtergesellschaften, indem sie deren Gewinne bei der Muttergesellschaft nicht mit deren Entstehen, sondern erst bei der Ausschüttung besteuern; dieser Abschirmeffekt (sog. „tax deferral“, d.h. eigentlich Steueraufschub) ist für Muttergesellschaften in Anrechnungsländern ein wesentlicher Vorteil des Einsatzes von Tochtergesellschaften gegenüber dem Einsatz von Betriebsstätten; Eingriffe in diesen Rechtsbestand sind als Abwehr gegen Gewinnverlagerungen in niedrig besteuernde Länder gegenüber niedrig besteuerten „passiven“ Gesellschaften international üblich; nach OECD-Grundsätzen sollten sie hierauf beschränkt bleiben (s. Art. 1 Rz. 24–26 OECD-MK). Diese Gemeinsamkeiten beruhen i.W. auf Konvergenzen in den nationalen Handels- und Steuerrechten. Die DBA schützten in ihrer früheren Entwicklungsphase lediglich die einzelne Konzerngesellschaft. Sie ließen damit Funktionsstörungen der Besteuerung ungelöst, die sich aus dem Zusammenspiel der Konzerngesellschaften ergeben und besonders in der sog. wirtschaftlichen Doppelbelastung zutage treten (Erhebung von Körperschaftsteuer bei der Muttergesellschaft von Ausschüttungen von Gewinnen der Tochter, die bei dieser bereits der Körperschaftsteuer unterlegen haben). Die Entwicklung hat zunehmend auch derartige Funktionsstörungen beseitigt (s. Rz. 1.58 ff.) und damit ein internationales Konzernsteuerrecht entwickelt.

1.56

Die Einmalbesteuerung wird zunächst durch das internationale Trennungsprinzip (Rz. 1.55) gesichert. Doppelbelastungen drohen aber, wenn ein Staat nach seinem nationalen Recht den Gewinn einer Konzerngesellschaft wegen besonderer Beziehungen zu anderen Konzerngesellschaften berichtigt. Die ältere DBA-Praxis sah dies als Frage der inneren Besteuerung der Tochtergesellschaft (Ermittlung ihrer Steuerbemessungsgrundlage) an; sie fällt grundsätzlich nicht unter die DBA, die nur die äußere Besteuerung (insbes. die Besteuerung der Muttergesellschaft mit den ihr zufließenden Dividenden) regeln. Eine früh entwickelte Klausel mit dem sog. „Arm’slength-Grundsatz“ (Art. 9 OECD-MA) wurde zunächst als bloße Klarstellung ohne Bindungswirkung verstanden. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte führte zu einem Wandel dieser Auffassung. Gestützt auf die Arm’s-length-Klausel des OECD-MA und ihre praktisch vollständige Übernahme in die bilateralen DBA wurden in der OECD

1.57

– über den Inhalt des Arm’s-length-Grundsatzes Aussagen erarbeitet, ein Konsens über seine wesentlichen Anwendungsmethoden erzielt und damit eine Rechtsvereinheitlichung eingeleitet; erreicht wurde dies vor allem durch den bekannten OECD-Bericht „Transfer-Preise und MultiPohl | 33

Kap. 1 Rz. 1.58 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht nationale Unternehmungen“ von 1979; Neufassungen wurden 1995 und letztmalig im Jahre 2010 vorgelegt; – Einverständnis darüber erzielt, dass der Arm’s-length-Grundsatz Grundlage einer gemeinsamen Abgrenzung und in einer Verständigung im Streitfall sein soll, wobei die Staaten einen hohen Grad von Verständigungsbereitschaft signalisierten; – erreicht, dass die Staaten diesen Grundsatz nicht mehr als bloße Klarstellung, sondern als Grundlage bilateraler Verständigung, teilweise auch als inhaltlich bindende Norm behandeln und achten. Umstritten bleibt, ob Art. 9 OECD-MA als Ausnahmebestimmung auf dem von ihm geregelten Gebiet eine Schrankennorm für die innere Besteuerung ist und ähnliche Wirkung für Berichtigungen hat, wie sie die Zuteilungsnormen der DBA sonst auf die Quellenbesteuerung ausüben.1 Ausdrücklich ist dies der Schiedsstellenkonvention der EU zu entnehmen, die eine eigenständige Arm’s-length-Klausel enthält und ein verbindliches Verfahren für die Erledigung von Streitfällen zwischen den Fisci vorsieht.

1.58 Der grenzüberschreitende Leistungsaustausch innerhalb von Konzernen setzt i.Ü. voraus, dass

die zwischen den beteiligten Konzerngesellschaften zu verrechnenden und bei der Empfängergesellschaft zu versteuernden Entgelte im Quellenstaat von dem Gewinn der dortigen, zahlenden Gesellschaft abgezogen werden können. Die DBA beschränken sich auf die Gewährung von Gleichbehandlung mit Zahlungen im Inland (Art. 24 Abs. 5 OECD-MA); der Höhe nach sind ihrer Berichtigung im Herkunftsstaat durch die Arm’s-length-Klausel Grenzen gesetzt. – Solche Zahlungen werden vielfach im jeweiligen Quellenstaat mit Abzugsteuern belastet (z.B. von Zinsen und Lizenzgebühren). Ihre Kostenprogression (s. Rz. 1.46) macht sich oft störend bemerkbar und stellt eine Behinderung des innerkonzernlichen Leistungsaustauschs dar. Zwischen Industrieländern hat die Beseitigung oder Herabsetzung solcher Quellensteuern dies Problem gelöst oder gemildert. In der EU beseitigt Richtlinienrecht die Abzugsteuern auf zwischen verbundenen Unternehmen gezahlte Zinsen und Lizenzgebühren i.d.R. ganz (§§ 50g, 50h EStG). Im Verhältnis zu Entwicklungsländern besteht es vielfach weiter.

1.59 Bei der Ausschüttung von Gewinnen hat die frühe deutsche DBA-Praxis es bei einer doppelten

Erhebung von Körperschaftsteuer auf der Ebene von Tochter- und Muttergesellschaft belassen. Die Entwicklung hat aber auch hier dazu geführt, die strenge Beschränkung auf die personengleiche („juristische“ Doppelbesteuerung) zu durchbrechen und die wirtschaftliche Doppelbesteuerung durch „Schachtelregelungen“ zu vermeiden. Dies geschieht in zwei Schritten: – Auf der Ebene der Muttergesellschaft wird eine Entlastung von deren Körperschaftsteuer gewährt; dies kann durch Freistellung oder durch Anrechnung der von der Tochtergesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer (indirekte Anrechnung) geschehen. Diese Schachtelentlastung beruht meistens auf nationalem Recht (so heute in § 8b KStG) und wird in den Wohnsitzklauseln der DBA oft nicht erwähnt. Auch das OECD-MA sieht sie nicht vor, sieht aber in ihr einen wesentlichen Teil der internationalen Steuerordnung (Art. 23 Rz. 49 OECD-MK); sie wird denn auch praktisch von allen OECD-Ländern gewährt. Für die EU hat sie die Mutter-Tochter-RL europarechtlich normiert (s. hierzu Rz. 7.56 ff.).

– Zur Doppelbelastung kommt es auch dadurch, dass der Tätigkeitsstaat die Gewinnausschüttungen der Tochter besteuert (normalerweise durch eine Abzugsteuer); diese Quellensteuer ist im Lande der Mutter oft nicht anrechenbar, sei es dass dieser Dividende freistellt, sei es, dass seine Steuer bereits durch die indirekte Anrechnung aufgezehrt wird. Die Quellensteuer wirkt dann als Zusatzbelastung der Ausschüttung. Um die hierin liegende Doppelbelastung zu beseitigen, wird die Abzugsteuer von den Ausschüttungen besonders stark gesenkt. Das OECD-MA sieht einen begünstigten Satz von 5 v.H. vor (sonst beträgt die zulässige Abzugsteuer bei Dividenden 1 Vgl. insoweit Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 12.

34 | Pohl

D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.62 Kap. 1

15 v.H.); die bilateralen Verträge sehen nicht selten einen 0-Satz vor. In der EU untersagt die Mutter-TochterRL grundsätzlich jede Quellensteuer von Schachteldividenden. Die Regelungen gelten zunächst für offene Gewinnausschüttungen. Die Vertragspraxis (so auch in Deutschland) wendet sie teilweise auch auf vGA an. – Zu ähnlicher Doppelbelastung kann es bei Berichtigungen in einem der beiden Staaten nach Art. 9 OECD-MA kommen; eine Rechtsgrundlage für eine verbindliche Gegenberichtigung fehlt in den DBA; Art. 9 Abs. 2 OECD-MA sieht lediglich ihre einverständliche Beseitigung vor. Wieder ist es EU-Recht, das in der SchiedsstellenÜbereinkunft verbindlich die Beseitigung vorsieht. 3. Personengesellschaften Die Verfassung der Personengesellschaft stellt Handels- und Steuerrecht national und international vor die schwierigsten Rechtsfragen. In manchen Ländern als eigenes Steuersubjekt (d.h. als Körperschaft), in anderen in Analogie zur Unternehmer-Mehrheit behandelt, ist sie in beiden Konzepten nicht ohne Schwierigkeiten in das Schema der UN/OECD-MA einzubauen; wo sich in den DBA-Ländern unterschiedliche Konzepte oder Mischkonzepte gegenüberstehen, sind sie ohne bilaterale Sondervereinbarungen oft nicht zu bewältigen. In vielen neueren deutschen DBA finden sich in den letzten Jahren solche Sonderregelungen.1 Die OECD hat einen umfassenden Bericht vorgelegt, der die Rechtslage nach Maßgabe des Standardtexts des OECD-MA klären soll,2 jedoch Gegenstand streitiger Auseinandersetzungen geworden ist. Zuletzt hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 4i EStG auf die unterschiedlichen Besteuerungskonzepte reagiert.3 Die Ergebnisse sind aus der Sicht des deutschen Standorts mit seiner transparenten Behandlung der Personengesellschaft in den Rz. 9.1 ff. dargestellt, auf die zu verweisen ist.

1.60

II. Allgemeine Belastungsverhältnisse, Kapitalimport- und Kapitalexportneutralität Im rein national tätigen Unternehmen wird der Gewinn nach einem einheitlichen Tarifsystem, d.h. unter gemeinsamem Niveau besteuert, wo immer er im Unternehmen anfällt. Das international tätige Unternehmen ist unter Steuerrechten unterschiedlichen Niveaus tätig. Welche Belastungsverhältnisse im Gesamtunternehmen eintreten und welche Konsequenzen dies wettbewerbspolitisch hat, variiert von Fall zu Fall. Als Faustregel kann gelten, dass Einkunftsteile und Vermögen entweder dem Steuerniveau des Quellen- oder des Tätigkeitstaates unterliegen. Welches der beiden Niveaus zum Zug kommt, richtet sich zunächst nach den Zuteilungsbestimmungen der DBA, außerdem nach Organisationsform und Ausschüttungsverhalten des Konzerns. Entscheidend für die Endbelastung ist aber, ob der Heimatstaat des Unternehmens die Freistellungs- oder die Anrechnungsmethode anwendet (vgl. hierzu Rz. 1.26): Bei ersterer verbleibt es bei einer niedrigeren Belastung im Tätigkeitsstaat; die Anrechnungsmethode hebt die Belastung dagegen stets auf das Niveau des Heimatstaates an (falls dies höher ist).

1.61

Die Unternehmen können damit steuerlich im Wettbewerb unterschiedlich gestellt sein. Für Direktinvestitionen werden zwei Situationen unterschieden:4

1.62

– Kapitalexportneutralität besteht, wenn die Erträge der im Heimatstaat selbst und der international verwendeten (investierten) Ressourcen nach dem Steuerniveau des Heimatstaates, und damit gleich hoch besteuert werden; aus der Sicht des Tätigkeitsstaats ist die Besteuerung nicht neutral, da die Tätigkeiten in seinem Gebiet ganz unterschiedlichen Belastungen unterliegen können. 1 2 3 4

Vgl. auch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. The Application of the OECD-Model Tax Convention to Partnerships, OECD, 1999, Paris. Vgl. insoweit Bergmann, FR 2017, 126. Zu dieser Unterscheidung grundlegend immer noch Gandenberger in Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts, Köln 1985, S. 33; Gandenberger in Influence of tax differentials on international competitiveness, Deventer 1990. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 22 ff., 135, 630. Kluge, Internationales Steuerrecht4, A 5.

Pohl | 35

Kap. 1 Rz. 1.63 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht – Kapitalimportneutralität besteht, wenn die Erträge der in einem Tätigkeitsstaat eingesetzten Ressourcen der Belastung dieses Staates und nur ihr unterliegen, gleich ob es sich um inoder ausländische Investoren handelt; nicht neutral ist in diesem Fall die Besteuerung aus der Sicht des Heimatstaates, weil aus seinem Gebiet im Ausland investiertes Kapital einer anderen, u.U. geringeren Besteuerung unterliegt als beim Binneneinsatz. In dieser Form setzt die Unterscheidung voraus, dass in den Heimatstaaten höhere Niveaus als in den Tätigkeitsstaaten bestehen (liegt es umgekehrt, so kommt es stets zur Kapitalimportneutralität). Die wettbewerbspolitischen Konsequenzen der verschiedenen Formen von Auslandstätigkeit lassen sich dann im Anschluss an Jacobs1 wie folgt darstellen. Handlungsalternative

Der Heimatstaat wendet allgemein an die Anrechnungsmethode Freistellungsmethode

Direktgeschäft

ExpN

ExpN

Betriebstätte (Personengesellschaft) ExpN*

ImpN

Kapitalgesellschaft Thesaurierung Ausschüttung Schuldrechtliche Leistungsbeziehungen

ImpN ImpN+* ExpN

ImpN ExpN+* ExpN

ExpN = Steuerniveau d. Heimatstaats (H) ImpN = Steuerniveau d. Tätigkeitsstaats (T) * Ist T höher als H, so tritt ImpN ein + T wird um ev. Abzugsteuern von Ausschüttungen erhöht.

1.63 Dass die Heimatstaaten die Wahl zwischen Anrechnung oder Freistellung haben, ist damit eine für den Wettbewerb der Unternehmen und der Steuerrechte untereinander wichtige außensteuerliche Option (vgl. hierzu Rz. 2.255 ff.). Nach der heutigen Staatenpraxis sind die Staaten in ihr frei (s. Rz. 1.36 f.). International bestehen u.U. deutliche Unterschiede, für die im Folgenden nur Beispiele gegeben werden.

– Im Kreis der Industrieländer sind die angelsächsischen Staaten herkömmlicherweise Anrechnungs-, die übrigen Länder Freistellungsstaaten. Seit den 80er Jahren vollzog sich allerdings auch bei letzteren ein deutlicher Trend zur Anrechnung, die z.B. von Finnland, Griechenland, Italien, Portugal und Schweden übernommen wurde. Die Entwicklungsländer haben überwiegend für die eigene Besteuerung Anrechnungssysteme übernommen. – Die in den Industrieländern bestehenden Anrechnungssysteme nivellieren Standortvorteile wie niedrige Steuertarife oder „Steuerferien“. Vor allem die Entwicklungsländer sahen in den Anrechnungssystemen der Industrieländer (vor allem der USA) eine Einschränkung ihrer außensteuerlichen Beweglichkeit. Dies führte vor allem zwischen den lateinamerikanischen Ländern und den USA zu außensteuerlichen Spannungen. – Besondere Wirkungen gehen von Systemen aus, die die Steueranrechnung nicht länderweise (sog. „per country limitation“), sondern auf Basis der gesamten Auslandseinkünfte bemessen (sog. „overall-limitation“). Sie sind vor allem im Falle der USA hervorgetreten, solange deren Steuersätze an der Obergrenze des internationalen Rahmens lagen. Für die Auslandsinvestitionen US-amerikanischer Konzerne führte dies zu einem Ausgleich der Steuerbelastungen der Tätigkeitsstaaten, nivellierte also den Wettbewerb der Steuersysteme dieser Länder untereinander. 1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff. Zu beachten ist der allgemeine, Sondereinflüsse außer Acht lassende Charakter dieser Darstellung.

36 | Pohl

D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.65 Kap. 1

Auswirkungen haben diese Gegebenheiten auf den Wettbewerb bei stärkeren Tarifunterschieden. Bis in die 80er Jahre waren diese zwischen den Industriestaaten nur schwach ausgeprägt. Die Situation änderte sich 1989 durch starke Tarifsenkungen in den USA und – dem folgend – in anderen Industriestaaten. Dies hat die o.e. außensteuerlichen Spannungen zwischen den USA und manchen Entwicklungsländern in den Hintergrund treten lassen. Andererseits wurde der Standort Deutschland mit seinen hohen Steuersätzen benachteiligt. Die Senkung des KSt-Satzes diente wesentlich der Beseitigung dieses Nachteils.

III. Regelungsdefizite der DBA und internationale Funktionsstörungen Die Unternehmen treffen international auf die Doppelerfassung, die sich aus der Doppelanknüpfung persönlicher und territorialer Besteuerung ergibt. Sie steht im Mittelpunkt der DBA; diese können aber nach ihrem Ansatz Störungen nicht vermeiden, durch die Doppel- oder Minderbesteuerung eintreten, weil sich die materiellen Steuerrechte unterscheiden. Die DBA gehen hierauf allenfalls in Einzelbereichen durch auf das bilaterale Verhältnis abgestimmte Sonderregelungen ein. Es treten damit Regelungsdefizite auf. Die klassische Doppelerfassung ist ferner nur eine der steuerlichen Verwerfungen, die national tätigen Unternehmen nach allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen bei der Binnenbesteuerung nicht zugemutet werden. Die internationale DBAPraxis ist nur zögernd an die Aufgabe herangegangen, auch andere Verwerfungen als Funktionsstörungen zu erkennen und – ähnlich wie die klassische Doppelbesteuerung – abzubauen. Noch heute gibt es Funktionsstörungen, die die Staatenwelt zulässt oder als zumutbar ansieht. Beispiel ist, dass die DBA keinen Schutz gegen eine manchmal auftretende doppelte beschränkte Steuerpflicht gewähren oder dass Verluste innerhalb von Unternehmen international nicht in dem Umfang ausgeglichen werden können, wie für bloß im Heimatstaat tätige Unternehmensteile. Systembrüche kommen auch sonst vor. Ein Beispiel sind die bei der deutschen beschränkten Steuerpflicht für Lohn- und Gehaltseinkünfte eintretenden Belastungsverwerfungen bei über die Grenze weg beschäftigten Personen; für die davon besonders betroffene Grenzbevölkerung wurden sie im deutschen Vertragssystem teilweise durch die sog. „Grenzgängerregelungen“ abgebaut. EU-Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten, diese Effekte auf ein unionsrechtlich tragbares Maß zurückzuführen.

1.64

Weithin sind derartige Funktionsstörungen in den DBA nicht angesprochen und bilden ein Strukturproblem gerade auch der internationalen Unternehmensbesteuerung. Allein im Heimatstaat tätige Unternehmen stehen in einem einheitlichen Rechtsraum, in dem die steuerlichen Tatbestände und Rechtsfolgen sorgfältig aufeinander abgestimmt und miteinander vernetzt sind. International tätige Unternehmen treffen immer wieder auf Unabgestimmtheiten materieller Einzelregelungen. Zur Veranschaulichung seien einige Beispiele genannt: – die Rechtsverhältnisse im internationalen Steuerraum diskriminieren trotz der DBA u.U. gewisse Unternehmensformen (z.B. gewisse Personengesellschaften); – Unterschiede der Gewinnermittlung beider Staaten können in ihrem Zusammenwirken eine rechtlich an sich vorgesehene Vermeidung der Doppelbesteuerung vereiteln (z.B. bei Zeitversetzungen); – Rechtsverhältnisse können in den beteiligten Staaten unterschiedlich qualifiziert sein, z.B. als eine Beteiligung in einem Staat, als Darlehensverhältnis im anderen (z.B. bei Fremdfinanzierungsregelungen); – die Zurechnungsregeln in zwei Staaten (z.B. für Wirtschaftsgüter beim Leasing) unterscheiden sich; – nationale Rechtsunterschiede werden gleichsam in die DBA-Ebene hineinprojiziert, wenn diese auf nationales Recht Bezug nehmen. Es handelt sich damit teils um Dissonanzen im Zusammenwirken hochtechnischer (für sich sinnvoller) Detailregelungen, teils um Strukturprobleme von weittragender internationaler Bedeutung. Was hier Funktionsstörung und was sachgerecht ist, ist vielfach umstritten. Dies umso mehr, als Pohl | 37

1.65

Kap. 1 Rz. 1.66 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht derartige Verwerfungen nationalen Rechts u.U. auch zu Minderbesteuerungen führen, die genutzt werden und zu ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen führen können. Die internationale Entwicklung ist gerade auf diesem Gebiet stark im Fluss. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass bestimmte Institutionen eines Steuerrechts national begrenzt sind. Auch dies sei an zwei Beispielen belegt: – auf den jeweiligen Staat begrenzt ist meist die Vermeidung der Doppelbesteuerung des ausgeschütteten Gewinns bei Gesellschaft und Anteilsinhabern; – die Organschaft und Regelungen für Vorgänge in besonderen Organisationsstrukturen (z.B. für Gesellschaftsverschmelzungen, den Verlustausgleich) sind in der Regel national begrenzt, ähnliche Wirkungen können sich aus der Freistellungsmethode der DBA ergeben (s. hierzu im Einzelnen Rz. 2.485). Die sich daraus ergebenden Fragen überschneiden sich mit denen der vorangehenden Gruppen. Da die Institutionen von Land zu Land verschieden sind, hat die internationale Rechtsentwicklung es hier besonders schwer, zu Aussagen über eine angemessene Regelung zu kommen. Wieder ist hier die internationale Entwicklung stark im Fluss (zur EU s. Rz. 1.127 ff.).

1.66 Rein im Heimatstaat tätige Unternehmen werden in einem einheitlichen Rechtsraum tätig, der

wettbewerbs- und investitionspolitisch homogen ist und in dem – zumindest konzeptionell – allgemeine steuerpolitische Harmonie herrscht. Im internationalen Steuerraum entstehen neben Überbesteuerungen auch Minderbesteuerungen (vgl. Rz. 1.80). Die sich daraus ergebenden Probleme laufen weithin auf die Frage hinaus: Liegt eine Funktionsstörung vor oder eine sachgerechte Auswirkung des „Wettbewerbs der Steuerrechte“? Dabei müssen grundlegende Ordnungsgesichtspunkte erarbeitet und international abgestimmt werden (s. dazu auch Rz. 1.80). In der EU wird dieser Abstimmungsprozess durch die Rechtsprechung des EuGH beschleunigt (s. Rz. 1.111, 1.115 ff.). All dies würde den vorliegenden Überblick sprengen.

1.67 Die DBA sind freilich nicht beim Schutz gegen die klassische Doppelbesteuerung stehen geblieben,

sondern haben auch konzernspezifische Funktionsdefizite beseitigt. Diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen. So ist z.B. ein horizontaler und vertikaler Ausgleich von Gewinnen mit Verlusten im Konzern nicht möglich. Ferner kann es dazu kommen, dass Ausgaben im Tätigkeitsland nicht abgezogen werden können, aber auch im Heimatstaat wegen ihres Zusammenhangs mit abkommensbegünstigten Einkünften nicht absetzbar sind (sog. „vagabundierende Kosten“). Vor allem innerhalb der EU gibt es Bemühungen, die Besteuerung international tätiger Unternehmen auch in solchen anderen Bereichen den nationalen Verhältnissen weiter anzunähern.

IV. Besteuerungsneutralität im internationalen Steuerraum 1.68 Werden Unternehmen im internationalen Raum tätig, so haben sie – wie im nationalen Raum –

über organisatorische und finanzielle Strukturen dieser Tätigkeit zu befinden. Steuerliche Vor- und Nachteile der jeweiligen Maßnahmen beruhen dabei – wiederum wie im nationalen Bereich – darauf, dass das internationale Rechtsgefüge gegenüber den in Frage kommenden Strukturen oder Strukturelementen nicht neutral ist. Im nationalen Raum werden Neutralitätsverletzungen i.d.R. im Gesamtsystem aufgefangen bzw. akzeptiert. Im internationalen Raum entstehen weiter reichende Verschiebungen. Dies zeigt sich besonders deutlich dann, wenn unterschiedliche Maßnahmen die Kompetenz von Besteuerungssubstrat (v.a. Unternehmensgewinnen) wechseln lässt; dies führt einerseits zum Wechsel von Steueraufkommen, andererseits zum Überwechseln aus einem in ein anderes Belastungsniveau.1 Die Folgen für die Unternehmensentscheidungen sind nicht mehr aus einem Steuersystem allein, sondern aus der Gesamtstruktur des internationalen Steuerraums zu verstehen. Im Folgenden wird dies an vier Bereichen gezeigt.

1 In der Praxis hat sich hierfür der Ausdruck „Steuerarbitrage“ gebildet.

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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.71 Kap. 1

1. Rechtsform Diese Verhältnisse zeigen sich deutlich bei der Rechtsform. Sie wirkt, wie drei Beispiele zeigen, in verschiedene Richtungen.

1.69

a) Im Tätigkeitsstaat kann das Unternehmen i.d.R. durch Betriebsstätten oder durch örtliche Kapitalgesellschaften tätig werden, was auf die dortige außensteuerliche Behandlung durchschlägt (Behandlung als Steuerinländer bzw. -ausländer, Inländerbehandlung, Anfall bzw. Nichtanfall von Abzugsteuern, von Ausschüttungen bzw. Gewinnüberweisungen, Gewährung selbständigen DBA-Schutzes). b) Auch im Heimatstaat des Unternehmens beeinflusst die Rechtsform internationale Besteuerungsaspekte. So unterliegt in Staaten mit Anrechnungssystemen die Auslandsbetriebsstätte der Welteinkommensbesteuerung, während durch die Investition in Tochtergesellschaften der Abschirmeffekt („tax deferral“) zu sichern ist, solange Gewinne nicht offen ausgeschüttet werden (Übergang von Kapitalexportneutralität zur Kapitalimportneutralität, s. Rz. 1.61 ff.). Der umgekehrte Effekt tritt ein, wenn der deutsche Einzelunternehmer den Gewinn einer ausländischen Betriebsstätte DBA-frei vereinnahmen kann, die Ausschüttungen einer ausländischen der Tochtergesellschaft jedoch mit der halben Einkommensteuer belastet bleiben. c) Die Rechtsform wirkt sich u.U. auf die internationale Gewinnabgrenzung aus, da die Regeln für Betriebsstätten (Art. 7 OECD-MA) und Tochtergesellschaften (Art. 9 OECD-MA) zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Der Mangel an internationaler Rechtsformneutralität entspricht dem, der schon den nationalen Rechten eigen ist. Die DBA und die nationalen Rechte haben vielfach extreme Unterschiede abgebaut. So stellen die deutschen DBA bei deutschen Muttergesellschaften in Deutschland ihre ausländischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften i.W. gleich durch das Zusammenspiel von DBA-Freistellung, Schachtelbefreiung über die Grenze und Beseitigung/Reduktion der Quellensteuer von Dividenden. Die Verhältnisse bleiben aber international unübersichtlich.

1.70

2. Eigen- und Fremdfinanzierung Sehr viel tiefer wirkt die Freiheit der Finanzierungsform (s. zu Internationalen Finanzierungsmöglichkeiten auch umfassend Rz. 12.1 ff.). Dem sei hier nur für international tätige Konzerne nachgegangen, die ihre Tochtergesellschaften durch Eigen- oder international aufgenommenes Fremdkapital finanzieren können. Dies verändert die Verteilung von Steuersubstrat, das bei Eigenfinanzierung im Tätigkeitsstaat voll zur Besteuerung ansteht, bei Fremdfinanzierung aber um den Zins geschmälert wird. Grundlage sind theoretisch umstrittene, aber in der Staatenpraxis fest verankerte Grundsätze zur Besteuerung international fließender Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und deren Abzugsfähigkeit (Art. 9, 24 Abs. 4 OECD-MA) sowie praktische Möglichkeiten zur Steuergestaltung im internationalen Raum. Die Verhältnisse können auch hier nur an Beispielen erörtert werden. Bekannt ist die Handlungsmaxime, dass „Mutterunternehmen“ als Eigenkapital verfügbare Mittel in niedrig besteuernden Staaten, fremd zu finanzierende in hoch besteuernden Staaten anwenden sollten. Diese Vorstellung von festen und verteilbaren Stöcken von Eigen- und Fremdkapital vergröbert zwar die Verhältnisse, macht aber die Folgen von Finanzierungsvorgängen auf die Teilung von Steuersubstrat und Gesamtbelastung der Unternehmen nachvollziehbar. a) So können international tätige Konzerne in den Tätigkeitsländern benötigte Fremdmittel dort durch die Tochtergesellschaft aufnehmen und den Zinsaufwand dort anfallen lassen; sie können aber auch die Mittel im Heimatland aufnehmen, als Eigenkapital in das Tätigkeitsland weiterleiten und den Refinanzierungsaufwand im Heimatstaat abziehen. Nach der eingangs erwähnten Handlungsmaxime fällt der anfallende Aufwand optimal dort an, wo das Steuerniveau am höchsten ist. b) Die Situation wird u.U. durch Gegenmaßnahmen der Heimat- oder Tätigkeitsländer verkompliziert (z.B. durch Vorschriften gegen die Unterkapitalisierung im Tätigkeitsstaat, im Heimatstaat Pohl | 39

1.71

Kap. 1 Rz. 1.72 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht durch Kürzung von Freistellung/Anrechnung im Blick auf den an der Spitze entstehenden Refinanzierungsaufwand). In diesem Fall ist die erwähnte Maxime dahin zu ergänzen, dass in jedem Fall im Konzern nirgends absetzbarer Aufwand zu vermeiden ist (z.B. durch einen sog. „debt-push-down“). c) Weitergehende Folgerungen ergeben sich daraus, dass Kapital eine hochmobile Ressource ist. Es lässt sich als Fremdfinanzierungsertrag innerhalb der Konzernstruktur an eine extrem niedrig besteuerte Stelle leiten, z.B. indem disponible Mittel in steuergünstigen Finanzierungsgesellschaften des Konzerns platziert und als Darlehen weitergegeben werden. Die Verhältnisse sind i.E. unübersichtlich, so dass nur einzelfallbezogene Aussagen möglich sind.

1.72 Schon im nationalen Raum ist Besteuerung gegenüber der Finanzierungsform i.d.R. nicht neutral;

im internationalen Raum treten dazu die dargestellten Verschiebungen. Es entsteht auch die Gefahr, dass Refinanzierungsaufwand im Konzern überhaupt nicht mehr abgezogen werden kann (s.o. Buchst. b). Die Entwicklung der DBA erklärt sich aus dem Dilemma, dass die Besteuerung fremdfinanzierten Besteuerungssubstrats in den Tätigkeitsstaaten zwar fiskalisch deren Ansprüchen entsprochen, gleichzeitig aber das Entstehen von Tochtergesellschaften dort von der Refinanzierung auf den Kapitalmärkten abgeblockt hätte.1 Die internationale Praxis suchte dies Dilemma durch unterschiedliche Weise zu lösen. Zu nennen sind a) die Beibehaltung begrenzter Abzugssteuern bei Zinsen, die durch die damit verbundene Kostenprogression (s. Rz. 1.46) den Einsatz fremdfinanzierter Mittel in seinen Wirkungen begrenzt; b) der Einsatz von Regeln über die Mindestausstattung von Kapital (in Deutschland § 8a KStG); c) die Erfassung von niedrig besteuerten Finanzierungsgesellschaften i. Rahmen von gegen die Steueroasen gerichteten Durchgriffsgesetzgebungen (s. Rz. 8.2 ff.). Die OECD hat diese Bemühungen unterstützt;2 d) verschärfte Mitwirkungspflichten bei Nutzung schroffer Steuergefälle, der Ausbau der internationalen Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen unter Einbeziehung niedrig besteuernder Länder. Solche Maßnahmen können freilich das bestehende Dilemma nur ungenügend lösen; die Verhältnisse sind im Einzelnen unübersichtlich geblieben und haben die Nutzung der in Rz. 1.71 erwähnten Handlungsmaximen allenfalls begrenzt. Eine umfassende neutrale Regelung, die gleichzeitig den Anfall nicht abzugsfähigen Refinanzierungsaufwandes ausschließt, wäre vermutlich nur auf der Grundlage von Umlagemethoden (z.B. nach Maßgabe des Kapitalspiegels im Konzern) möglich, die international z.Zt. noch nicht konsensfähig sind. 3. Über- und Minderbesteuerung durch Rechtsverwerfung und Gestaltung

1.73 In einem weiteren Sinn ist von Neutralitätsverletzung auch dort zu sprechen, wo bei gegebener

Realinvestition (z.B. die Produktion, Dienstleistungserbringung) durch rechtliche und organisatorische Besonderheiten die gesamte Steuerbelastung des Unternehmens grundlegend beeinflusst wird. Solche Wirkungen sind wiederum auf der nationalen Ebene nicht unbekannt. Auf der internationalen Ebene sind in den letzten 20 Jahren immer mehr Fälle dieser Art erkannt und genutzt worden. Solche Wirkungen können die Belastung sowohl erhöhen wie mindern. Das zeigt sich v.a. bei Sachverhalten, die zu einer „Steuerarbitrage“ führen, d.h. Einkunftsteile einer Realinvestition in einem Gebiet unter die Besteuerungszuständigkeit und damit das Belastungsniveau eines anderen Gebiets bringen. Je nach Arbitragerichtung ergibt sich eine Erhöhung oder Minderung der Belastung. Das internationale Steuermanagement der Unternehmen hat durch entsprechende Gestaltung nachteilige Arbitragen zu meiden, wird aber mit ähnlichen Methoden günstige realisieren. Der selektive Einsatz günstiger Alternativen führt international zu deutlichen planungsgenerierten Neutralitätsverschiebungen (s. Rz. 1.29). 1 S. zur früheren Entwicklung Menck, IStR 1994, 569. 2 S. den der Vertragspraxis der Industrieländer keineswegs voll anerkannten Art. 10 Abs. 2 OECD-MA, die Zulassung der Mindestausstattungsregeln i.R.d. Art. 9 (Art. 9 Rz. 3 OECD-MK) sowie des Durchgriffs auf passive Einkünfte (Art. 1 Rz. 23 OECD-MK).

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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.76 Kap. 1

1.74

Wiederum ist es nur möglich, einzelne Beispiele anzudeuten. a) Den bekanntesten Fall bildet die Nutzung von Nischen gestaltungsgünstiger niedriger Besteuerung als Standort zwischengeschalteter Kapitalgesellschaften, die funktionsschwach sind oder mobile Teilfunktionen auffangen. Technisch handelt es sich hierbei um die Nutzung der Nische zur Steuerarbitrage; die Neutralitätsverletzung liegt darin, dass die Belastung immobiler Elemente bei sonst gleichbleibenden Gegebenheiten durch Bewegungen mobiler Teilelemente bestimmt wird. b) Es sind Sachlagen bekannt, in denen ein grenzüberschreitendes, zivilrechtlich eindeutiges Rechtsverhältnis in den beiden beteiligten Staaten steuerlich untereinander inkohärente Folgen auslöst (z.B. unterschiedlichen Personen zugerechnet wird). I.d.R. ergibt sich daraus in der einen Geschäftsrichtung eine überlappende, unangemessen hohe, in der anderen Richtung eine Minderbesteuerung. Bei den sog. „Qualifikationskonflikten“ ergibt sich dies trotz oder wegen eines bestehenden DBA. In anderen, oft genutzten Situationen kann für bestimmte Wirtschaftsgüter oder für identischen Aufwand der Abzug in zwei Jurisdiktionen (d.h. doppelt) gewährt oder der Zeitpunkt seiner Geltendmachung mit Zinsvorteilen verschoben werden. c) Im weitesten Sinne gehören hierher auch Unterschiede, die durch Organisationsformen der Unternehmen bedingt sind. Das internationale Steuerrecht der Gegenwart hat sich i.W. entwickelt an den Fragen des Beherrschungskonzerns. Weniger eingesetzte Rechtsformen wie die Personengesellschaft wurden eher am Rande behandelt und sich auch nach Klärungen durch den Fiskalausschuss der OECD z.T. benachteiligt. Auch das Weiterbestehen der in Rz. 1.64 ff. behandelten Funktionsdefizite gehört hierher. Schließlich ist für Organisationsformen wie den Spartenkonzern, das mehrkernige Unternehmen oder für planungsorientierte („virtuelle“) Unternehmensformen die Neutralität des internationalen Regelungsgefüges nicht gesichert.

V. Steuerung der Unternehmensbelastung Die Unternehmen treten in den durch die DBA strukturierten internationalen Raum mit ihren allgemeinen steuerlichen Zielsetzungen ein;1 sie umfassen neben quantitativen Komponenten (langfristige Minimierung der Steuerbelastung) auch qualitative Komponenten wie Sicherheit, Unabhängigkeit, Reduzierung steuerlicher Risiken und die Erhaltung von Flexibilität, um auf veränderte ökonomische und rechtliche Veränderungen reagieren zu können. Dies führt zu Modifikationen, die das steuerliche Zielsystem Wackers wie folgt darstellt.2 Allgemeine steuerliche Ziele

Internationale steuerliche Subziele

relative Steuerminimierung unter den Bedingungen des Niveaus der einzelnen Standorte

Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung und Vermeidung von Diskriminierungen

1.75

relative Zulagenmaximierung unter Inanspruch- Realisierung der steuerlichen Kapitalimportneunahme von nichtsteuerlichen Vergünstigungen bei tralität, d.h. dem Erhalten steuerlicher Vorteile Wahrung ökonomischer Unabhängigkeit eines Standorts gegen ausgleichende Steuermaßnahmen des Heimatfiskus u.Ä. relative Risikominimierung unter Beachtung der Unsicherheiten im internationalen Rechtsraum, Konfliktrisiken und erhöhte Nachweispflichten u.Ä.

Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen bei Auslandstätigkeit insbesondere in Entwicklungsländern

Diese Zielkomplexe treten sowohl beim operativen Steuermanagement wie auch bei der strategischen Zielentwicklung auf. Beide setzen i.d.R. voraus, dass das Unternehmen einerseits in peripheren Unternehmensstandorten steuerlich informiert und handlungsfähig ist, andererseits aber auch 1 Vgl. zum Folgenden Vera, StuW 2001, 310. 2 Wacker in FS Sieber, S. 314; Vera, StuW 2001, 310.

Pohl | 41

1.76

Kap. 1 Rz. 1.77 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht die Verhältnisse zentral steuern kann. Die Bedeutung der spezifisch internationalen Zielsetzungen nimmt naturgemäß mit steigendem Internationalisierungsgrad zu.1 Sie sind im Rahmen der gesamten örtlichen Bedingungen der einzelnen Standorte zu sehen. Dies setzt international spezialisierte Information voraus (v.a. externe örtliche Beratung, was die mittelbaren Steuerbelastungen erhöhen kann). Die Steuerung vollzieht sich in einem Feld unterschiedlicher Steuerbelastungen,2 deren Folgen freilich – ähnlich wie im nationalen Raum – durch die unternehmerische Tätigkeit, deren Organisationsformen und durch besondere, steuerorientierte Maßnahmen beeinflusst wird. Die Instrumente der Steuerung reichen von der Einbeziehung des steuerlichen Faktors in die Wahl von Realstandorten bis zu komplexen Gestaltungen, z.B. vernetzten Basisgesellschaften.

1.77 Die Strategie der Unternehmen muss dementsprechend ihre Ziele ausdifferenzieren. Zu ihrer Er-

reichung hat sich ein umfangreiches Instrumentarium der Steuerplanung entwickelt, das dem internationalen Steuermanagement zur Verfügung steht. So ist das allgemeine Ziel, die gesamten vom Unternehmen geleisteten Steuerbeiträge im internationalen Steuerraum zu minimieren, unterschiedlicher Ausprägung zugänglich, wie es folgende Beispiele für die direkten Steuern belegen. – Frühe Formen internationaler Steuerplanung hatten allein zum Ziel, spezifische Gefahren internationaler Tätigkeit wie Diskriminierung, ausländerfeindliche Regelungen oder Doppelbesteuerung zu vermeiden; ähnlich kann sie sich heute auf den Ausgleich der nach der Koordinierung durch die DBA verbliebenen Funktionsstörungen (s. Rz. 1.64 ff.) verstehen. – In weiterem Sinne sucht Steuerplanung, in die Gesamtrechnung von Standortkosten neben den allgemeinen Produktionsfaktoren (v.a. Lohnkosten), Arbeitseffizienz und Transaktionskosten auch die Steuern eingehen zu lassen, die damit ggf. zum Auslöser von Standortentscheidungen werden. – Steuerplanung wird die Unternehmensentscheidungen zu Rechtsform, Finanzierung und Marketing betriebswirtschaftlich angezeigten Engagements bestimmen. In diesem Zusammenhang entwickelte Maßnahmen (z.B. Einschaltung von Holdinggesellschaften) lassen sich erweitern, indem niedrigbesteuerte Nischen als Basen für zusätzlich zu erreichende Steuerminderungen eingesetzt werden. Ähnlich sind Planungsformen entstanden, die z.B. durch die Nutzung von Preisbändern bei den innerkonzernlichen Verrechnungspreissystemen die Vorteile der Steuerarbitrage nutzbar machen. – Neben den Gefahren belastender Funktionsdefizite ergeben sich im internationalen Steuerraum auch Möglichkeiten gestaltungsbedingter Minderbesteuerung; systematisch werden sie eingeteilt in die Gruppen doppelte Aufwandsverrechnungen, doppelte Steuerfreistellung, Betriebsausgabenabzüge ohne korrespondierende Versteuerung von Betriebseinnahmen, Vorteile durch unterschiedliche Qualifizierung, Periodisierung oder andere Rechtsverwerfungen.3 Im Übrigen gestalten sich die Ziele der Steuerplanung höchst unterschiedlich je nachdem, ob das Land der Unternehmensspitze für seine Unternehmen die Kapitalexportneutralität durchsetzt (Steueranrechnung) oder die Kapitalimportneutralität anderer Staaten bestehen lässt (Freistellungsländer) (s. hierzu Rz. 1.61 ff.).

1.78 Im klassischen Steuermanagement wurden diese Strategien als einzelnen unternehmerischen Ent-

scheidungen nachgeordnete optimierende Maßnahmen bei der Gestaltung des internationalen Engagements verstanden. Die neuere Entwicklung sieht in ihnen Teil der allgemeinen Lenkung und Senkung der Konzern- oder Unternehmenssteuerquote. Als unternehmensbezogene Kennzahl kann sie intern die Leistung des Steuermanagements durch die Steuerabteilungen der Unternehmen messen, extern das Benchmarking und Unternehmensvergleiche ermöglichen. Die internatio1 S. hierzu die empirischen Erhebungen bei Vera, StuW 2001, 310. 2 S. Spengel/Lammersen, StuW 2001, 22 m.w.N. 3 Nach Jacobs, Unternehmensbesteuerung8, 1310. Zum Phänomen der Minderbesteuerung s. Burmester in FS Debatin, S. 58.

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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.80 Kap. 1

nalen Mittel ihrer Lenkung umfassen die Organisationsformen, die Lokalisierung mobiler betrieblicher Funktionen, die gesamten innerbetrieblichen Leistungs- und Finanzierungsnetze, Handlungspotenziale zur Anpassung an das gesamte Regelungsgefüge des internationalen Steuerraums. Einzubeziehen sind damit besonders die Unternehmensstruktur selbst, z.B. Formen wie der Sparten- und Matrix-Konzerne oder mehrkerniger Unternehmen, oder der Einsatz von dem Konzernaufbau steuerorientiert umgliedernder „special purpose vehicles“.1 Das zeigt sich auch darin, dass die Personengesellschaft als internationale Handlungsalternative an Bedeutung gewonnen hat. Die zahlreichen Handlungsalternativen können zu Belastungsverhältnissen führen, die den Normalmodellen nicht entsprechen, die bei der Untersuchung steuerlicher Standortbelastungen für das Inbound und das Outbound Investment benutzt werden.2 Der nachhaltige Einsatz aller Formen der Steuerplanung macht sogar einen weitgehend standortunabhängigen Wettbewerb der Unternehmen um niedrige Konzernsteuerquoten möglich. Mit ihm löst der Wettbewerb der effizientesten Steuerstrategien den Wettbewerb der Steuerrechte ab. Dem stellen am Weltwirtschaftsverkehr teilnehmende Staaten den Anspruch entgegen, dass die Verteilung von Steuergut und die Belastungsverhältnisse denen entsprechen, die sich in einem steuerlich neutralen Regelungsgefüge im internationalen Raum einstellen würden. Sie suchen die tatsächlich bestehenden Neutralitätsstörungen bzw. deren Nutzung durch steuerliche Gegenmaßnahmen auszuschließen (s. Rz. 1.80). Damit ergibt sich für die Unternehmen ein Risikobereich, der aus intensiver Überprüfung ihrer Maßnahmen durch die Steuerbehörden, der verwaltungsseitigen Durchsetzung von gegenteiligen Rechtsvorstellungen und unerwarteter Fortentwicklung des Rechts besteht. Er wird durch die Unfähigkeit der Fisci beeinflusst, sich im komplexen internationalen Steuerraum zu bewegen. Das erklärt stärker typisierende Abwehrregelungen, erhöhte Verfahrensanforderungen und die Tendenz zur internationalen Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen. Damit kann steuerorientierte Gestaltung durch unvorhergesehene Entwicklungen in Mehraufwand umschlagen. Wo der Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften latente Steuern auszuweisen hat, sind die mit diesen Strategien verbundenen Risiken zu bewerten.

1.79

VI. Planungsbegrenzendes Recht Die Art und Weise, in der nationales Recht und internationale Koordination auf die dargestellten Verhältnisse reagiert, ist unübersichtlich und schwer klassifizierbar. Anlass sind i.d.R. Rückwirkungen des internationalen Regelungsgefüges auf das jeweilige nationale System mit seinen Gerechtigkeits- und Effizienzerwartungen. Dem tritt die nationale Forderung entgegen, dass auch im internationalen Kontext das „innere System des Steuerrechts gewahrt bleibt“; auch bei der gegenwärtigen Interdependenz der Systeme soll „die Anpassungsfähigkeit der nationalen Steuerordnung so geleistet werden, dass sie den Vorstellungen an ein prinzipientreues Recht am besten entspricht“.3 Dies lässt freilich offen, welche im internationalen Regelungsgefüge eintretenden Belastungseffekte zu korrigieren sind. Nach einem Definitionsversuch Burmesters ist es als „Minderbesteuerung“ anzusprechen, wenn eine „gleichheitswidrige Steuerentlastung bei … internationaler Tätigkeit und unter Geltung mehrerer Steuerordnungen auftritt“.4 Die eigentliche steuerpolitische Problematik ergibt sich aus der Weiterführung: „Internationale Besteuerungslücken verletzen aus rechtlicher Sicht sowohl die interpersonale Belastungsgerechtigkeit als auch die innerstaatliche Verteilungsgerechtigkeit, sie beeinträchtigen betriebswirtschaftlich den freien Wettbewerb und führen volkswirtschaftlich zur Umleitung von Wirtschafts- und Steuerpotential“. Wie die Erscheinungsformen 1 Ein kennzeichnender Fall liegt dem Urteil des BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 zugrunde; zur Auseinandersetzung hierüber s. Niedrig, IStR 2003, 474. 2 Die zu ihrer Darstellung meist benutzten Normalmodelle sind notwendigerweise unvollständig, weil sie vom Typ des Einheitsunternehmens bzw. des Beherrschungskonzerns ausgehen und von besonderen Gestaltungen absehen. 3 Lang in DStJG 34 (2011), 353 ff. 4 Burmester in FS Debatin, S. 78.

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1.80

Kap. 1 Rz. 1.81 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht der internationalen Minderbesteuerung, so sind auch die staatlichen Vermeidungsmaßnahmen weitgehend „von Einzelerscheinungen geprägt und international kaum abgestimmt“. Folge ist: – Es hat sich kein einheitliches staatliches Abwehrrecht gebildet, wohl aber einzelne Maßnahmenbündel und Konkretisierungen allgemeiner Abwehrklauseln des nationalen Rechts. In der OECD wurde erst in neuester Zeit ein Forum „Aggressive Steuerplanung“ tätig, das sich für frühzeitige Melde- und Offenbarungspflichten ausgesprochen hat. – Die Stellung von Sondermaßnahmen zu den DBA ist unklar. Zu einzelnen Fallgruppen haben sich DBA-Klauseln gebildet, die in ihrer Gesamtheit unübersichtlich sind und die DBA belasten. I.Ü. lässt sich die internationale Haltung dahin verallgemeinern, dass solche Maßnahmen „Teil der grundlegenden innerstaatlichen Regelungen sind, nach denen sich das Entstehen des Steueranspruchs richtet“ und die durch die DBA nicht berührt werden (vgl. Art. 1 Rz. 22 f. OECDMK). Die Rechtsprechung des EuGH ist strenger und lässt Eingriffe in die Grundfreiheiten des AEUV nur zu, soweit sie „echte Missbräuche“ eindämmen. – Unklar sind die Grenzen, in denen allgemeine Grundsätze der Gesetzesauslegung eingreifen. Dies gilt v.a. für „allgemeine Missbrauchsverbote“, bei denen sich zwei Richtungen abzeichnen. Die Rechtsprechung des BFH scheint sich daraus zu erklären, dass aus dem Missbrauchsbegriff kein Ersatz für eine fehlende internationale Steuerordnung abzuleiten ist. Dagegen geht der EuGH offenbar davon aus, dass eine stabile innereuropäische Ordnung sich an generalklauselartigen Begriffen „echter Missbräuche“ orientieren kann (Rz. 1.111 f.).

1.81 Die Abwehrmaßnahmen sind auch im deutschen Recht vom Einzelgebiet her bestimmt, stellen

keine in sich verbundene Einheit dar. An deutschem planungsbegrenzendem Recht sind als gezielte Regelungen zu nennen: a) spezielle, gegen die Nutzung von niedrig besteuernden Basisgesellschaften (Rz. 8.1 ff.) gerichtete Bestimmungen, die einem international weithin verbreiteten, auf die US-amerikanische Gesetzgebung zurückgehenden Regelungsmuster entsprechen; b) Einzelbestimmungen gegen Sondererscheinungen, z.B. gegen die DBA-Nutzung durch an sich Nicht-Berechtigte (§ 50d EStG), gegen die übermäßige Fremdfinanzierung und Abzugsverbote für ausländische Verluste (§ 2a EStG a.F.); c) Beschränkungen von Sonderbestimmungen auf nationale Sachverhalte (z.B. im Umwandlungsrecht). Im Wesentlichen stützt sich die Gestaltungsbegrenzung auf allgemeine Bestimmungen, etwa über die vGA und Einlage, die § 1 AStG als außensteuerliche Auffangnorm ergänzt. Zu Letzterem hat die Entwicklung ständig neues Rechtsprechungs- und Regelungsmaterial gefördert, ohne jedoch die bestehenden Bandbreiten wesentlich einzuengen. Zu nennen ist weiter das allgemeine Missbrauchsverbot (§ 42 AO); es ist auf internationale Sachverhalte anzuwenden, hat aber bislang keine klare außensteuerliche Konturierung erhalten. Der Sache nach gehören hierher auch verfahrensrechtliche Bestimmungen wie die erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten (§§ 92, 162 Abs. 3 und 4 AO) und der internationale Auskunftsverkehr. Sie können die materiell-rechtlichen Gegebenheiten jedoch nicht ändern.

1.82 Allgemein haben sich die Probleme auf rein nationaler Ebene als nicht lösbar erwiesen. Es ent-

spricht der bisherigen Entwicklung internationaler Steuerkoordination, dass ihre Lösung durch zwischenstaatliche Zusammenarbeit gesucht wird. Hier ist Folgendes zu nennen: – Für das Netz der bilateralen DBA hat sich zwischen der Mehrheit der Staaten ein Konsens dahin entwickelt, dass die nationalen Abwehrbestimmungen grundsätzlich auch bei der DBAAnwendung zu beachten sind.1 Dies entspricht dem völkerrechtlichen Auslegungsmaßstab von

1 OECD-Bericht „Controlled Foreign Company Legislation“, OECD Paris 1996.

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D. Direkte Besteuerung der international tätigen Unternehmen | Rz. 1.83 Kap. 1

Treu und Glauben,1 ist aber bei der Rechtsanwendung der DBA im nationalen Raum durchaus ungesichert, so dass manche Staaten zunehmend zu abkommensüberlagernden Maßnahmen („treaty overrides“) gegriffen haben. Im Übrigen hat die internationale Vertragspraxis – gegen den Widerstand mancher Länder – missbrauchsabwehrende Bestimmungen in die bilateralen DBA und das OECD-MA eingeführt. Nachdem sie zunächst erst in DBA mit Niedrigsteuerzonen entwickelt worden waren, sind sie seit Anfang der 90er Jahre zunehmend Normalbestand der Staatenpraxis geworden. – Die internationalen Asymmetrien werden noch verschärft, wenn an sich „hoch besteuernde“ Staaten innerhalb ihres Steuersystems Nischen niedriger Besteuerung vorsehen, die von international Tätigen genutzt werden können. Daher soll ein „Unterbietungswettlauf“ ausgeschlossen werden, „bei dem die Regierungen mit immer attraktiveren steuerlichen Bedingungen für ausländische Investoren diese für ein Engagement im Inland gewinnen, also mobile Produktionsfaktoren attrahieren wollen“.2 Im Rahmen von OECD und EU besteht zwischen den wichtigsten Staaten ein Konsens, der dies als „unlauteren Steuerwettbewerb“ bannt. Beide Organisationen haben dazu Verhaltenscodizes3 für die ihnen angehörigen Staaten vorgelegt, die dies im gemeinsamen Interesse ihrer Fisci als steuerpolitisch unakzeptabel bezeichnen; gegenüber Ländern allg. niedriger Besteuerung („Steueroasen“) sollen keine vertraglichen oder nationalen Freistellungen zugelassen sein, die die Nutzung dieser Gebiete zum Schaden anderer Fisci zulassen. In der EU wurde dies durch Ratsbeschlüsse in von den Mitgliedstaaten zu beachtende Gebote umgesetzt, künftig keine Zonen niedriger Besteuerung zu schaffen und bestehende Sonderregelungen abzuschaffen.4 – Die Verwaltungen wichtiger Länder suchen stärkere Zusammenarbeit ihrer Verwaltungen (vgl. hierzu Rz. 13.21 ff., 13.38 ff.). In der EU haben die besonderen umsatzsteuerlichen Probleme bereits zu einer Vernetzung durch unmittelbar zusammenarbeitende Zentralstellen geführt; in ähnliche Richtung gehen Regelungen zur Sicherung der Erfassung grenzüberschreitender Zinsen (Rz. 1.112). In EU und OECD intensiviert sich der Austausch steuerlicher Auskünfte, die Zusammenarbeit bei Betriebsprüfungen und der allgemeine Erfahrungsaustausch (s. Rz. 13.21 ff.). Im Schwerpunkt gegen die Steuerverkürzung gerichtet, ist mit Auswirkungen auch bei der steuerlichen Anpassung international tätiger Unternehmen zu rechnen. Die Gesamtentwicklung verläuft jedoch langsam und stockend. Entscheidende Hindernisse sind Interessenspannungen in der Staatengemeinschaft, der hohe Grad von Intransparenz im internationalen Steuerraum und die Unfähigkeit der Steuerverwaltungen beim praktischen Rechtsvollzug. Die international tätigen Unternehmen werden innerhalb des bestehenden positiven Rechts tätig und optimieren ihre Steuerbelastung nach seiner Maßgabe. Die daraus entstehenden Planungsvorteile beruhen darauf, dass das internationale Steuergefüge nicht neutral ist. Sie entstehen durch Mängel des Rechtsgefüges. Diese beruhen aber hier auf den naturwüchsig entstandenen Verwerfungen und Überlagerungen der nationalen Systeme. Rechtsverwerfungen und Neutralitätsmängel treten auch in den nationalen Systemen auf; sie können aber hier meist in der Kohärenz des Gesamtsystems aufgefangen werden. Im internationalen Raum bilden sich Minderbesteuerungen in einem Gefüge, das als solches herkömmlicherweise keiner oder nur begrenzter Steuerung und Abwägung seiner Funktionsdefizite unterliegt. Auch allgemeine planungsbegrenzende nationale Regulative sind in ihrer Effizienz begrenzt5 oder beziehen sich allein auf das nationale Rechtssystem, nicht aber auf die international entstehenden Rege1 Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge. 2 Müller in Müller/Fromm/Hansjürgens, Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 1. 3 Zum Verständnis dieser Initiativen ist immer noch grundlegend der OECD-Bericht „Harmful Tax Competition – an emergent global problem.“ 4 Zur EG s. den Kommissionsbericht v. 23.10.2002 (COM [2001] 582 final). 5 So sind §§ 7 bis 14 AStG nach Wassermeyer in FS Flick, S. 1075 ff. nach den Erfahrungen von 25 Jahren als „Dummensteuer“ einzustufen, mögen sie auch neuerdings dazu dienen, die Vorbelastung der nach § 8b KStG freizustellenden Auslandsdividenden zu sichern.

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1.83

Kap. 1 Rz. 1.84 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht lungsgefüge. Die Unternehmen haben gleichwohl mit besonderen Risiken zu rechnen. Ihr Steuermanagement muss sie belastende Funktionsdefizite des internationalen Steuerraums meiden. Es nutzt aber ebenso die Chancen, die im Vorstehenden als Ergebnis von Neutralitätsmängeln dargestellt wurden. Bei beidem ergeben sich die Risiken einmal aus künftigen Gesetzesmaßnahmen gegen bestimmte Formen der Steuerplanung, vor allem aber aus der Gefahr nicht zu übersehender Reaktionen der beteiligten Finanzverwaltungen. Ebenso belastend dürfte sein, dass bei unternehmerischen Entscheidungen u.U. der steuerliche Aspekt überschätzt wird oder Anlass von Fehlleitungen von Ressourcen ist. Die Unternehmen müssen prüfen, ob Empfehlungen ihres zentralen Steuermanagements betriebswirtschaftlich letztlich schädlich sind bzw. langfristige steuerliche Risiken erzeugen. Die u.U. komplexen Maßnahmen können in ihrer Durchführung und eventuellen Rückabwicklung unvorhergesehene Nebenfolgen auch nichtsteuerlicher Art haben. Sie sind kontraproduktiv auch dann, wenn sie randständig mit Vorgängen verknüpft sind, die die Unternehmen verletzbar machen. Allgemein stellt sich die Frage, ob „steueroptimierte Strukturen“ aus dem rein unternehmerischen Blickwinkel tragfähig sind. „Steuerplanerische Maßnahmen müssen (damit) neben der Risikoreduktion ebenso abwägen, ob die Realisierung einer hohen Steuerreduktionsquote vor dem Hintergrund der laufenden Beziehungen mit einer Finanzbehörde ökonomisch sinnvoll ist“.1 Zwischen Finanzverwaltungen und Unternehmen abgestimmte „best practices“ fehlen freilich überall.

E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum I. „Wettbewerb der Steuerrechte“ und internationale Unternehmensbesteuerung 1.84 Das international tätige Unternehmen ist in einem Feld lokal besteuernder Finanzhoheiten tätig.2 Es hat es mit zellular in sich abgeschlossenen Steuerrechten zu tun, die aber durch internationale Zusammenarbeit hinreichend koordiniert sind, um den Unternehmen eine Anpassung an den internationalen Steuerraum zu ermöglichen. Dies entspricht der gemeinsamen Forderung nach einem „level playing field“ für die Einzelperson, die Unternehmen und die Kapitalanleger. Mit der Erreichung dieses Zieles sollen die Steuerrechte als ein Standortfaktor unter anderen wirken.3 Folge ist ein „Wettbewerb der Steuerrechte“, der die Stellung von Besteuerung in einer marktbestimmten Weltwirtschaft zufriedenstellend bestimmen und langfristig zu weiterer Konvergenz der Steuerrechte beitragen soll.

1.85 Die am internationalen Wirtschaftsverkehr beteiligten Staaten erkennen dies als auf dem Unter-

schied der Steuerniveaus beruhenden, im Völkerrecht angelegten normalen „Wettbewerb der Steuerrechte“ an. Hiervon ausgehend hat v.a. die OECD das weitere Analogon entwickelt, dass dieser Wettbewerb Regeln der Rücksichtnahme voraussetzt und dass „schädlicher (harmful) unlauterer Steuerwettbewerb“ als internationales Zentralproblem der Steuerkoordination korrigierende Maßnahmen erfordert und nach geltendem Recht zulässt. Als „schädlich“ (i.S. von „unlauter“) werden v.a. die Gewährung besonderer, das allgemeine Niveau unterschreitender Steuerbefreiungen für dem Ausland zugehöriges Steuersubstrat angesehen („Nischen niedriger Besteuerung“). Dazu treten Gebiete allg. niedriger Besteuerung, die sich in besonderem Maß als Bereiche zu Gestaltungen anbieten und andere Staaten bei Durchführung ihres Rechts nicht angemessen zu unterstützen bereit sind. Die Maßnahmen hiergegen schränken sonst international beachtete Grundsätze ein, v.a. der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung. Als Stufen dieser Abwehr sind v.a. zu nennen: – Der Einsatz allgemeiner Missbrauchsbestimmungen, v.a. aber auch gezielte Sondermaßnahmen, wie sie sich ausgehend von den USA in vielen Staaten „zur Bekämpfung der Steuerflucht“ gebildet haben (in Deutschland i.W. das AStG; 1 Zitiert nach Zirfas de Morón, Transnationale Besteuerung, S. 159. 2 Zum Einfluss des Unionsrechts s. Rz. 1.95 ff. 3 Zu Diskussionsstand und Literatur sei verwiesen auf Esser, Wettbewerb der Steuerrechte, IFStR-Schrift Nr. 422, Bonn, 2005; Lang, StuW 2011, 144.

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E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum | Rz. 1.86 Kap. 1

– die Forderung, dass die Zielländer den betroffenen Staaten bei der Rechtsdurchsetzung Beistand leisten, wobei die Bestimmungen des OECD-MA den Maßstab bilden; – Maßnahmen gegen Steuerpflichtige eines Staates, die Verbindungen zu einem nicht zur Amtshilfe bereiten Staat oder zu einer „Nische niedriger Besteuerung“ unterhalten, z.B. die erhöhten Mitwirkungspflichten und sonstigen Einschränkungen, die jüngst in das deutsche Steuerrecht aufgenommen wurden. Parallel hierzu sind die erhöhten Sicherungsmaßnahmen und Sonderregelungen zu nennen, die „normal besteuernde“ Staaten schon seit langem in ihre gegenseitigen Vereinbarungen (insbes. Die DBA) gegen Gestaltungen zwischen ihren Gebieten einbauen, die ähnliche Wirkungen wie die Nutzung unlauteren Steuerwettbewerbs haben können. Die weitere Entwicklung ist Gegenstand breiter internationaler Beratungen und wird von der OECD verfolgt.1 Als Ziel will Letzterer auch hier das „fair playing field“ für die Unternehmen, da Verzerrungen durch „schädlichen Steuerwettbewerb“ auf ihre Wettbewerbsstellung untereinander durchschlagen, und zwar sowohl im nationalen wie im internationalen Bereich. Im Bereich internationalen Unternehmenssteuerrechts geht dies Konzept davon aus, dass Gewinne primär dem jeweiligen Steuerniveau am Ort der Entstehung unterliegen. Damit erfordert es eine funktionsgesteuerte Aufteilung der Gewinne von international tätigen Unternehmen auf ihre Realstandorte. Dies ist Kern der DBA-Grundsätze zur Aufteilung von Betriebsstättengewinnen (Art. 7 OECD-MA) und zum Grundsatz des Fremdverhaltens (Art. 9 OECD-MA). Diese Forderung entspricht – am besten dem „staatswirtschaftlichen“ Prinzip;2 – dem Äquivalenzprinzip, nach dem Gewinn dort zu versteuern ist, wo die mit seiner Entstehung zusammenhängenden Lasten anfallen;3 – dem Gedanken, dass die direkten Steuern Standortfaktor sind und nach den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und der Wettbewerbsneutralität standortbezogen erhoben werden sollen; – der Forderung, dass die einzelnen Steuerrechte als standortprägende Wettbewerbsfaktoren untereinander in einem unverfälschten „Wettbewerb der Steuersysteme“ stehen. Die Annahme, dass sich aus den DBA eine „wettbewerbsgerechte Normalverteilung“ ableiten lässt, ist allerdings umstritten4 Sie ist zudem nicht eindeutig. Die Aufteilung des Steuersubstrats bei gegebenem Tätigkeitsbild enthält Spielräume, so etwa bei der Bemessung von Verrechnungspreisen zwischen den einzelnen Unternehmensstandorten. Dazu kommt die Gestaltbarkeit der Struktur. Hinzu kommt, dass die standortgerechte Besteuerung bei grenzüberschreitender Gewinnausschüttung von Tochter- an Muttergesellschaften nur bei der Freistellungsmethode stets gewährleistet ist, wie sie etwa Deutschland in seinen DBA anwendet. Bei der nach nationalen Rechten und DBA sonst weithin üblichen Anrechnungsmethode wird dagegen das Steuerniveau des Staates der Tochter ggf. durch ein höheres Niveau des Staates der Muttergesellschaft verdrängt; auch dieser Effekt lässt sich jedoch durch Gestaltung von Finanzierung und Ausschüttungsverhalten einschränken. Bei all dem bleiben aber für die Auswahl von Standorten die Steuersätze der in Frage stehenden Länder wesentliches Element, zumal sie sich „als letzte Faktoren“ auf das Unternehmensergebnis an den einzelnen Standorten auswirken und das internationale Steuermanagement der Unternehmen meist auf die Optimierung der „Konzernsteuerquote“ ausgerichtet wird. All 1 S. OECD-Bericht „Harmful Tax Competition“, 2005. 2 So die heute noch brauchbare Formel Dorns in StuW 1927, 265, die eine die Entwicklung auch heute noch bestimmende Grundposition wiedergibt. 3 S. Höppner in Müller/Fromm/Hansjürgens, Regeln für den europäischen Steuerwettbewerb, S. 89 ff. 4 Grundlegend hierzu Schön, DStJG 23 (2000), 191 ff., der auf das Ungenügen grundlegender ertragssteuerlicher Prinzipien hinweist; empfohlen werden Lösungen, die schroffe steuerliche Unterschiede bei den Optionen vermeiden, welche sich bei Strukturierung von Unternehmen anbieten.

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1.86

Kap. 1 Rz. 1.87 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht dies ist ein spürbarer Faktor für die Staaten selbst; „sie sind gezwungen, ihr Steuerrecht attraktiver sowohl in materieller wie in formeller Hinsicht zu gestalten“.1

II. Systemansätze und -entwicklungen der Steuerkoordination 1.87 Die internationale Steuerkoordination zeigt eine Vielfalt von Ansätzen. Dabei zeigen sich Verhältnisse, wie sie in der sich globalisierenden Welt auf vielen Rechtsgebieten aufgetreten sind. Die Besteuerung stellt ein Feld begrenzter Staatlichkeit dar, auf dem nicht nur Gebietsschranken, sondern auch breite Gestaltungsoptionen der Unternehmen den hoheitlichen Eingriff beschränken. Gleichzeitig hat die staatliche Seite Raum für Ausgleichs- und Überbesteuerung – bei den direkten Steuern v.a. die Quellenbesteuerung von Gebietsausländern und die daraus resultierende Doppelbesteuerung. Internationales Wirtschaften muss sich mit dem sich daraus ergebenden Normenpluralismus auseinandersetzen. Diese Situation führt – wie in anderen Rechtsgebieten auch – zu „Mischrecht, das auf allgemeinen Rechtsprinzipien und auf einzelstaatlichem Recht gründet“.2 Dabei müssen internationale Konfliktlösungen die systembestimmten Grundsätze der beteiligten Länder berücksichtigen. Die wichtigsten Entwicklungslinien lassen sich an der deutschen Rechtsentwicklung ablesen.

1.88 Das weltweite Netz der DBA hält sich inhaltlich an den durch die MA von OECD und UN stan-

dardisierten Rahmen. Ersteres wird in Wortlaut und Kommentar von den beteiligten Fisci laufend an deren Bedürfnisse angepasst. Auffällig ist, dass das Prinzip bilateraler Abgrenzung sich auch in der EU behauptet hat und dass bislang selbst ernsthafte Bemühungen um multilaterale Abkommen fehlen. Die DBA wirken steuerlich wie Investitionsschutzabkommen, indem sie zentrale Gleichbehandlungsgrundsätze für die internationale Wirtschaftstätigkeit auch steuerlich festschreiben. Im Übrigen fangen sie den klassischen Gegensatz von Quellen- und Wohnsitzprinzip flexibel auf und konzentrieren ihn i.W. auf die Sätze der Abzugssteuern von Kapitaleinkünften. Die unübersehbaren Einzelabweichungen der einzelnen Verträge gehen weithin auf Besonderheiten der nationalen Steuerrechte oder der jeweiligen Vertragsgegebenheiten (z.B. extreme Steuergefälle) zurück. Hierbei wird es bleiben. Zurzeit ist zentrales Problem der international tätigen Wirtschaft, dass der Grundsatz des Fremdverhaltens sowohl auf der Ebene der DBA wie im nationalen Recht breite Umsetzungsbänder hat. Auf beiden Rechtsebenen wird versucht, dieses Merkmal auszudifferenzieren oder durch gemeinschaftliche Grundlagen der Gewinnermittlung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen zu ergänzen.3

1.89 Die klassischen DBA konzentrieren sich zunächst nur darauf, Steuersubstrat zwischen den Staaten

abzugrenzen und damit Steueraufkommen der beteiligten Staaten auf der Basis der Gegenseitigkeit zu verteilen (interstate equity). Es sollten aber auch Gesamtwirkungen von Besteuerung bei grenzüberschreitenden Verhältnissen an Vorstellungen der beteiligten Rechte rationaler Besteuerung angepasst werden (efficiency, individual equity). Letzteres setzt gemeinsame Grundvorstellungen über systemisch zentrale Grundsätze voraus; sie lassen sich aus Konvergenzen der beteiligten Rechte ableiten und aus den Grundgedanken des DBA-Netzes her verstehen.

1.90 Die Steuerkoordination will zunehmend territoriale Grenzen der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten beseitigen. Am deutlichsten ist das bei der Entwicklung der Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen. Aus der relativ engen und selten genutzten vertraglichen Amtshilfe auf Ersuchen scheint sich eine Vernetzung anzubahnen, die Eingriffsmöglichkeiten der Verwaltungen im internationalen denen im nationalen Raum annähert. Am deutlichsten ist dies in der EU. Für die Umsatzsteuer kam es hier im Gefolge der materiellen Angleichung zu engen gemeinsamen Verwaltungsstrukturen im Gesamtraum der Union. Bei den direkten Steuern kommt es für den besonders 1 Lang, StuW 2011, 145. 2 Sieber, Rechtstheorie, 2009, 152. 3 Zu einem dahin gehenden Richtlinienvorschlag der EU-Kommission s. Kreuss, IStR 2011, 165; zur ablehnenden Haltung der Bundesregierung BT-Drucks. 17/5748.

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E. Die Gesamtentwicklung der Koordination im internationalen Steuerraum | Rz. 1.94 Kap. 1

empfindlichen Bereich der Kapitaleinkünfte zu ähnlicher Vernetzung durch ein System von Kontrollauskünften der Quellen- an die Wohnsitzstaaten der Bezieher solcher Einkünfte. Einzelne Staaten, die dies ablehnten, mussten sich zum Ausgleich zur Erhebung von Steuern zu Gunsten des jeweiligen Wohnsitzstaates verpflichten (Rz. 1.49). Im Übrigen ist auf die in Kap. 13 darzustellende Ausdehnung der allgemeinen Auskunfts-, Rechts- und Vollstreckungshilfe sowie die Entwicklung besonderer Formen der Zusammenarbeit bei Betriebsprüfungen u.Ä. zu verweisen. Bilateral angelegt, können solche Maßnahmen weiter ausgreifende, sich über mehrere Staaten erstreckende ausnutzende Sachverhalte durch die bloß bilaterale Zusammenarbeit nicht erfassen; dies erklärt erste Ansätze zur der Zusammenarbeit von drei oder mehr Verwaltungen. Steuerkoordination kann eingesetzt werden, um den Druck des „internationalen Steuerwettbewerbs“ auf die nationalen Steuersysteme zu vermindern oder zu beseitigen. Tatsächlich ist es beim heutigen Stand der Globalisierung schon eine Schwäche des einzelnen Steuersystems, wenn es nicht hinreichend mit dem allgemeinen DBA-Netz verortet ist. Die starke Vereinheitlichung dieses Netzes in seinen Grundzügen schließt darüber hinaus „Wettbewerbsnachteile“ aus Besonderheiten seines Außensteuerrechts weitgehend aus. Extreme Belastungen wie das „Oasenproblem“ haben die in Rz. 8.2 ff. besprochenen Maßnahmen abgebaut. Sie konnten es bislang vermeiden, dass übermäßig starke Differenzen in der Steuerlast und deren Nutzung durch Gestaltung international zu einem „run to the bottom“ führen. Die internationale Koordinierung hat diese Maßnahmen gestützt, z.B. indem sie entgegenstehende Gesichtspunkte zurückstellte und ihnen vertraglich Vorrang vor allgemeinen DBA-Regelungen gab.

1.91

III. Zusammenfassung Der vorstehende Überblick ging von dem Postulat aus, international tätige Unternehmen sollten sich in einem Raum bewegen können, der steuerlich ebenso ähnlich sinnvoll geordnet ist, wie es für die Besteuerung im nationalen Raum erwartet wird. Diese Forderung wird durch die Normenvielfalt in einem Raum autonomer Staaten begrenzt, erhält durch sie aber auch ihre eigentümliche Dringlichkeit. Dabei spielen neben Unterschieden und Verwerfungen im steuerlichen Bereich auch die Unterschiede auf anderen Gebieten (z.B. Gesellschaftsrecht) herein, die Ansatz der Besteuerung sind. Die neuerdings tätige Sonderarbeitsgruppe der OECD hat dies mit der Forderung nach einem steuerlichen „fair playing field“ deutlich gemacht und unterstrichen. Eingeschlossen ist darin, dass der internationale Raum für Unternehmen gleiche Rechtssicherheit und für Fisci vergleichbare Durchsetzungsmöglichkeiten wie in den nationalen Räumen garantiert.

1.92

Längerfristig wird die Koordination weiter durch bilaterale Vereinbarungen und multilaterale Abstimmung über die Grundsätze bestimmt bleiben. Eine besondere Rolle wird der EU zukommen, wenn es darum geht, bestehende Regelungssysteme sinnvoll zu ordnen und zu einem überwölbenden System zusammenzufügen. Ob dabei allg. – wie schon bei der Verbrauchsbesteuerung – Steuerrecht materiell vereinheitlicht oder – wie bei der Besteuerung von Kapitalerträgen – einheitliches Erfassungsverfahren entwickelt werden, bleibt abzuwarten. Auf Dauer werden sich die Verhältnisse denen in föderal verbundenen Staatsgebilden annähern.

1.93

Die direkte Besteuerung von Unternehmen bildet einen Schwerpunkt der internationalen Koordination und wird sich nach den Ansätzen und Richtungen entwickeln, die in Rz. 1.87 angedeutet sind. Die Aufgabe, die Regelungsgeflechte, denen sich die Unternehmen gegenübersehen, stellt zunehmend höhere Ansprüche und führt zu steigender Ausdifferenzierung der Regelungsmaterie auf allen Stufen der Normierung (nationales Recht, Abkommen, Unionsrecht) und der Rechtsanwendung (Auslegung, Rechtsanwendung, Rechtsschutz). Darüber hinaus wachsen die Anforderungen an die Koordination. Sie hat sich auf Verwerfungen nationaler Rechte ebenso zu erstrecken wie auf die praktische Rechtsanwendung im Einzelfall. Dies alles führt zu stärkerer Ausdifferenzierung beteiligter Normen und ihrer Abstimmung. Die internationale Praxis sieht sich dabei Konflikten der Fisci, aber auch Widerständen von Unternehmen gegenüber, die lockeren Formen der Koordinierung den Vorzug geben vor einem durchnormierten internationalen Steuerraum.

1.94

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Kap. 1 Rz. 1.95 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

F. Unionsrecht und direkte Steuern Literatur: Brörmann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, Tübingen 1994; Cloer/Lavrelashvili, Einführung in das Europäische Steuerrecht, Berlin 2008; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002; Dauer/Simader, Direkte Steuern, in Eilmannsberger/Herzig, Jahrbuch des Europarechts 2010, S. 307 ff.; Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt, Lohmar/Köln 1997; De Wilde, X-Holding and the ECJ’s ambiguous approach towards the proportionality test, ECTR 2010, 179; Dölker/Ribbrock, Die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, BB 2007, 1928; Gosch, Entwicklung und Rezeption der Rechtsprechung des EuGH aus Sicht des BFH, Ubg 2009, 73; Gosch, Vielerlei Gleichheiten, DStR 2007, 1553; Haslehner, Das Konkurrenzverhältnis der Europäischen Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2008, 565; Herzig, Die Organschaft im Umbruch, DStR Beihefter zu Heft 30/2010, S. 6; Herzig/Kuhr, Grundlagen der steuerlichen Gewinnermittlung nach dem GKKB-Richtlinienentwurf, DB 2011, 2053; Heurung/Engel/ Thiedemann, Ertragsteuerliche Organschaft im Lichte des Europarechts, FR 2011, 212; Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, Wiesbaden 2002; Kleinert/Nagler/Rehm, Gewinnbesteuerung nach „Art des Hauses“ mittels grenzüberschreitender Organschaft, DB 2005, 1869; Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990, 2573; Koch, Die steuerliche Einheit im Rahmen von Gruppenbesteuerungsmodellen, Norderstedt 2006; M. Lang, 2005 – Eine Wende in der steuerlichen Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten?, in Mellinghoff/Schön/Viskorf, Steuerrecht im Rechtsstaat (Festschrift Spindler), Köln 2011, S. 297; Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages, München 1982; Meilicke, Vertragsverletzungsverfahren wegen Diskriminierung von nach ausländischem Recht errichteten Organgesellschaften, DB 2009, 653; Mössner, Source vs. residence – an EU perspective, BIT 2006, 501; Mössner, Wegzugsbesteuerung, JbStB 2004/2005, 109; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381 (384); van Raad, Fractional taxation of multi-state income of EU resident individuals, Anderson u.a. (Hrsg.) Liber amicorum Sven-Olof Lodin, Stockholm 2001, S. 211; Rehm/Nagler, Finanzgerichte beenden BMF-Moratorium zur Drittstaatenwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit!, IStR 2011, 622; Rehm/Nagler, Neues von der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2008, 129; Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, Köln 2005; Schnitger, Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG beim Kapitalertragsteuerabzug – Auswirkungen der Entscheidung des EuGH vom 20.10.2011, DB 2012, 305; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragssteuerrecht, Düsseldorf 2006; Schnitger IStR Die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, 2005, 493; Schnitger, Grenzüberschreitende Körperschaftsteueranrechung und Neuausrichtung der Kohärenz nach dem EuGH-Urt. in der Rs. Manninen, FR 2004, 1357; Schön, Die Kapitalverkehrsfreiheit mit Drittstaaten und das internationale Steuerrecht, in Gocke u.a. (Hrsg.), FS Wassermeyer, München 2005, S. 489; Schön (Hrsg.), Tax competition in Europe (EATLP Lausanne), Amsterdam 2003; Schönfeld, EuGH konkretisiert Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, DB 2007, 80; Schulz-Trieglaff; Der BFH und finale Verluste bei ausländischen Tochtergesellschaften, IStR 2011, 244; Schwenke, Kann ein Transfer ausländischer Verluste trotz „Finalität“ scheitern?, IStR 2011, 368; Sydow, Anmerkungen zu BFH-Schlussurteil Meilicke, IStR 2015, 551; Sydow, Neues bei der Exit Tax: EuGH erklärt Fünftelungsregelung zur Besteuerung stiller Reserven und Bankgarantien für unionsrechtskonform, DB 2014, 265; Sydow, Gruppenbesteuerung: steuerliche Einheit zwischen Tochtergesellschaften, IStR 2014, 480; Sydow, Das EuGH-Urteil Kommission/Dänemark, C-261/11 vom 18.7.2013 zur Exit Tax, IStR 2013, 663; Sydow, Nachweispflichten in grenzüberschreitenden Sachverhalten, NWB 2012, 2842; Sydow/Schumacher, Entstrickung beim Wegzug von Kapitalgesellschaften nach National Grid Indus, StJB 2012/2013, 213; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Tübingen 2010; Völker, Kapitalverkehrsfreiheit für Drittstaatendividenden, IStR 2009, 705; Zorn, Die Verdrängungswirkung der EU-Grundfreiheiten am Beispiel Rs. Haribo, IStR 2012, 86; Zorn, Nochmals: Kapitalverkehrsfreiheit für Drittstaatendividenden, IStR 2010, 190; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, Köln 1969.

I. Primäres und sekundäres Unionsrecht 1. Einleitung

1.95 Der Einfluss des Unionsrechts auf die internationale Unternehmensbesteuerung innerhalb der EU

und zunehmend auch im Verhältnis zu Drittstaaten nimmt beständig zu. Die restriktive, auf Wahrung ihrer Steuersouveränität bedachte Haltung der Mitgliedstaaten hat bisher verhindert, dass die

50 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.97 Kap. 1

nationalen Steuersysteme sich durch gemeinsame Aktionen, von wenigen RL abgesehen, einander angenähert haben. Stattdessen ist ein Prozess „schleichender“ Anpassung zu beobachten, der durch die Rechtsprechung des EuGH und die in letzter Zeit vermehrt vorangetriebenen Aktivitäten der Kommission auf dem Gebiet des Beihilfenrechts im Bereich der direkten Steuern angetrieben wird. Dies betrifft auch die Unternehmensbesteuerung. Die Senkung der Körperschaftsteuersätze und die Maßnahmen gegen den unfairen Steuerwettbewerb1 sind Folgen des Steuerwettbewerbs. Im Mittelpunkt der Darstellung in diesem Abschnitt steht der Einfluss des EuGH auf die Unternehmensbesteuerung. Erstmals in der Entscheidung vom 28.1.19862 hat er die Schlechterstellung von Betriebsstätten ausländischer Unternehmen im französischen körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. In weiteren Entscheidungen3 hat das Gericht dann konsequent die unterschiedliche Behandlung ansässiger und nichtansässiger Unternehmen als unionsrechtswidrig herausgestellt. Als Beispiele seien nur genannt:

1.96

– Das Erfordernis, die Unterlagen und die Buchführung im Lande der Betriebsstätte zu halten (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), um den Verlustvortrag geltend zu machen, wurde beanstandet (Futura Participation).4 – Unterschiedliche Regelungen bei Abzugsfähigkeit von Zinsen bei Gesellschafterdarlehen (§ 8a KStG a.F.) wurden nicht hingenommen (Lankhorst-Hohorst).5 – Unterschiedliche gewerbesteuerliche Vorschriften für grenzüberschreitendes Leasing fanden keine Gnade bei den Luxemburger Richtern (Eurowings).6 Inzwischen hat der EuGH über einhundert Urteile zu den direkten Steuern gefällt. Eine immer größere Zahl von Bestimmungen des nationalen Steuerrechts wird als Folge auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht.7 2. Binnenmarkt und Steuern Gemäß Art. 26 AEUV erlässt die EU die erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt8 zu verwirklichen. In ihrem Gebiet sollen Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ohne Behinderungen rechtlicher oder technischer Art frei zirkulieren können. Eine Behinderung rechtlicher Art können Steuern darstellen.9 Im steuerlichen Kapitel (Art. 110–113 AEUV) sind Vorschriften über Abgaben und indirekte Steuern enthalten, die u.a. eine Harmonisierung der nationalen Steuern vorsehen. Entsprechende Normen für die direkten Steuern fehlen. Die Mitgliedstaaten können ohne unionsrechtliche Vorgaben ihre direkten Steuern – d.h. Art der Steuern, Steuersätze, Metho1 Grundlegend die Darstellung bei W. Schön (Hrsg.), Tax competition in Europe (EATLP Lausanne). 2 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – avoir fiscal, ECLI:EU:C:1986:37. 3 EuGH v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, ECLI:EU:C:1993:303; v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton, ECLI:EU:C:1994:127; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU: C:1997:239; v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 – ICI, ECLI:EU:C:1998:370; v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain ZN, ECLI: EU:C:1999:438; v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, ECLI:EU:C:1999:524; v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – X & Y, ECLI:EU:C:1999:566; v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 u. 410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134; (sog. aktive Einkünfte). 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 5 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, ECLI:EU:C:2002:749. 6 EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, ECLI:EU:C:1999:524. 7 Vgl. die jährliche Zusammenstellung Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, zuletzt veröffentlicht 2018, DB 2018, Beilage Nr. 1 zu Heft 5, 1–37. 8 Nettesheim in G/H/N, Art. 4 AEUV Rz. 11; Bast in G/H/N, Art. 26 AEUV Rz. 12 ff.; Schroeder in Streinz2, Art. 26 AEUV Rz. 18 ff. 9 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 18 ff.; Kamann in Streinz2, Vor Art. 110 AEUV.

Sydow | 51

1.97

Kap. 1 Rz. 1.98 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht den der Gewinnermittlung, Verfahren usw. – festlegen und dadurch die Standortbedingungen und den Binnenmarkt beeinflussen. Art. 115 AEUV ermöglicht immerhin den Erl. von RL zur Harmonisierung, soweit nationale Vorschriften sich unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Zum Schutz der nationalen Kompetenzen gilt hierbei Einstimmigkeit. 3. Rechtsakte

1.98 Die „Gesetzgebung“1 erfolgt im Zusammenwirken von Kommission, Parlament, Ausschüssen und Rat, wobei letzterer formal der „Gesetzgeber“ ist. Die hier interessierenden Rechtsakte sind die Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und die RL (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Für die Gesetzgebung der EU gelten das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung2 und das Subsidiaritätsprinzip.3 Die Verordnung ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.4 Eine wichtige Verordnung auch für den steuerlichen Bereich ist die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO). Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des Ziels verbindlich, aber überlässt den Staaten Form und Mittel der Umsetzung.5 Sie begründet an sich keine Rechte oder Pflichten für Individuen und Unternehmen; gleichwohl können diese sich auf die Regelung einer RL berufen, wenn Tatbestand und Rechtsfolge in der RL hinreichend klar bestimmt sind, die Rechtsfolge den Bürger begünstigt und die Frist zur Umsetzung in nationales Recht abgelaufen ist.6 Hat ein Staat die RL nicht fristgerecht oder unzureichend umgesetzt, so kann er sich u.U.7 schadensersatzpflichtig machen. Im Bereich der direkten Steuern gibt es nur wenige RL (Rz. 1.112). 4. Rolle des EuGH

1.99 Angesichts der Situation der nicht aufeinander abgestimmten nationalen Steuersysteme überrascht

es nicht, dass die Steuerpflichtigen Schutz beim EuGH suchen und dieser die nationalen direkten Steuersysteme auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht. Dabei sind einige Besonderheiten zu beachten. Als Gericht wird der EuGH nicht von sich aus tätig. In der Praxis bringen vor allem nationale Gerichte im Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV oder die Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV Fragen der Auslegung des Unionsrechts im Hinblick auf nationale Vorschriften des Steuerrechts vor den EuGH. Gemäß Art. 267 AEUV können Finanzgerichte und müssen letztinstanzliche Gerichte bei Zweifeln vorlegen (Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV). Aus dem Verhältnis zwischen den Abs. 2 und 3 des Art. 267 AEUV ergibt sich, dass die in Abs. 3 genannten Gerichte ebenso wie alle anderen einzelstaatlichen Gerichte die Frage, ob für den Erlass ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung über eine unionsrechtliche Frage erforderlich ist, in eigener Zuständigkeit beurteilen.8 Diese Gerichte sind somit nicht zur Vorlage einer vor ihnen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des Unionsrechts verpflichtet, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, d.h., wenn die Antwort auf diese Frage, wie auch immer sie ausfällt, keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben kann.9 Stellen sie dagegen fest, dass das Unionsrecht herangezogen werden muss, um eine Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen, sind sie nach Art. 267 AEUV verpflichtet,

1 Überblick vgl. Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 36 ff. 2 Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 8 ff., Art. 2 AEUV Rz. 2; Pechstein in Streinz2, Art. 1 EUV Rz. 10; Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 8 ff. 3 Art. 5 EUV; vgl. Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 20 ff. 4 Näheres vgl. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 52 ff. 5 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 67 ff. 6 Letzteres kann entfallen vgl. EuGH v. 19.1.1982 – Rs. C-8/81 – Becker, ECLI:EU:C:1982:7. 7 Im Detail s. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 106 ff. 8 Vgl. dazu im Einzelnen EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 – Deister Holding AG u. C-613/16 – Juhler Holding A/S, ECLI:EU:C:2017:1009, Tz. 39–42. 9 EuGH v. 6.10.1982, CILFIT – Rs. C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Tz. 10.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.101 Kap. 1

dem Gerichtshof jede sich stellende Auslegungsfrage vorzulegen.1 Eine Gerichtsentscheidung, in der ein letztinstanzliches Gericht eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt hat, verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters und damit gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat.2 Individuen und Unternehmen können den Gerichtshof nicht unmittelbar anrufen. Es handelt sich nicht um ein streitiges Verfahren der Parteien, sondern um ein „ausgelagertes Zwischenverfahren“3, das neben dem streitigen nationalen Verfahren eine besondere Funktion übernimmt. Der Gerichtshof legt das Unionsrecht dann jeweils mit Blick auf eine bestimmte Vorschrift des nationalen Steuerrechts aus. Beides führt dazu, dass die Entscheidung des EuGH punktuell die Grundfreiheiten oder das Sekundärrecht im Hinblick auf eine bestimmte Norm eines Rechts eines Mitgliedstaats auslegt, so dass sich die Frage der Verallgemeinerung und Übertragbarkeit auf das Recht anderer Regelungen in anderen Staaten jeweils stellt. Diese Einzelfallrechtsprechung erfolgt auch keineswegs systematisch, was zur Folge hat, dass die Ergebnisse in Urteilen sich unterscheiden können. Da der EuGH sich im Urteilstext in der Regel nicht mit den in der wissenschaftlichen Literatur geäußerten Ansichten auseinandersetzt, ist es oft schwer, seine eigene Position im Meinungsspektrum zu bestimmen. Schließlich sagt der Gerichtshof nur, ob eine Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist oder nicht. Im Fall der Unvereinbarkeit überlässt er es den Staaten, eine vereinbare Lösung zu finden. Insofern betreibt er lediglich eine negative Integration. Der EuGH ist nicht in Spezialkammern gegliedert. Es gibt folglich keine Kammern, die sich vorrangig mit Steuerrecht beschäftigen. Der Anteil steuerrechtlicher Verfahren beträgt ca. 15 %, wobei der Schwerpunkt auf dem Bereich der indirekten Steuern liegt.4 Der EuGH wahrt das Unionsrecht und legt es aus. Hierzu prüft er punktuell die Auswirkungen einzelner steuerlicher Regelungen auf die Grundfreiheiten. Ausgangspunkt5 ist für ihn die Sicherung gleicher Wettbewerbschancen für die Teilnehmer am Binnenmarkt. Direkte Steuern eines Staates beeinflussen die Marktbedingungen, unter denen die Grundfreiheiten ausgeübt werden. Dabei ist nicht entscheidend, dass eine Beeinträchtigung im Einzelfall nachgewiesen ist. Nach der Dassonville-Formel6 reicht es aus, dass eine Beeinträchtigung „aktuell oder potentiell, unmittelbar oder mittelbar“ vorliegt. So akzeptiert der EuGH7 grundsätzlich die Unterscheidung in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht im nationalen Steuerrecht, prüft dann im Einzelfall aber, ob diese Unterscheidung die Ausübung der Grundfreiheiten behindert. Da die Steuersysteme der direkten Steuern national ausgerichtet sind und die Staaten in DBA ihre gegenseitigen Steuerbeziehungen regeln, muss der Gerichtshof die territoriale Struktur, sowie die von den Staaten vorgenommene Aufteilung der Besteuerung berücksichtigen.

1.100

5. Grundfreiheiten a) Überblick Das unionsrechtliche Primärrecht besteht aus den zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträgen, vor allem dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). In ihm sind die grundlegenden Regelungen über die Funktionsweise der Europäischen Union nieder1 EuGH v. 6.10.1982, CILFIT – Rs. C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Tz. 11–20. 2 BVerfG v. 25.2.2010 – 1 BvR 230/09, NJW 2010, 1268; v. 9.1.2001 – 1 BvR 1036/99 – NJW 2001, 1267; v. 9.11.1987 – 2 BvR 808/82 – NJW 1988, 1456; BFH v. 13.7.2016 – VIII K 1/16, BStBl. II 2017, 198. 3 Vgl. Ress in FS Jahr, 339 ff. 4 Dobratz, ISR 2016, 173. 5 Vgl. Schön, IStR 2004, 289; Mössner, ASA 2004, 673. 6 EuGH v. 11.7.1974 – Rs. C-8/74 – Dassonville, ECLI:EU:C:1974:82. 7 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31; v. 19.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, ECLI:EU:C:1999:409; v. 16.5.2000 – Rs. C-87/99 – Zurstrassen, ECLI:EU:C:2000:251; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, ECLI:EU:C:2002:750; v. 1.7.2004 – Rs. C-169/03 – Wallentin, ECLI:EU:C:2004:403.

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1.101

Kap. 1 Rz. 1.102 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht gelegt. Dazu gehören u.a. die Grundfreiheiten. Von den unionsrechtlichen Grundfreiheiten – Warenverkehrsfreiheit (Art. 28, 34 ff. AEUV), Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 2 AEUV) – haben die erste und letzte weniger Bedeutung für den Bereich der direkten Steuern. Ob Grundfreiheiten überhaupt geeignet sind, nationale steuerliche Regelungen der direkten Steuern einzuschränken, war für die nationalen Gerichte zunächst zweifelhaft. So hat der BFH1 den EuGH ausdrücklich danach gefragt. Die Antwort des EuGH besteht in der beständigen Wiederholung2 der Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Ausgestaltung der direkten Steuern besitzen, dass sie diese Kompetenz jedoch unter Beachtung des Unionsrechts ausüben müssen. b) Diskriminierungsverbot

1.102 Grundfreiheiten der EU zielen darauf ab, auf den einzelnen Märkten Wettbewerbsgleichheit zwi-

schen Inländern und Ausländern herzustellen, indem Ausländern eine Inländergleichbehandlung eingeräumt wird.3 Dies bedeutet, dass Nichtansässige nicht gegenüber Ansässigen diskriminiert werden dürfen, wenn sie sich in vergleichbaren Situationen befinden. Grundfreiheiten enthalten Diskriminierungsverbote. Steuerlich entscheidend ist, ob sich unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen und Unternehmen in vergleichbaren Situationen befinden. Dies beurteilt der EuGH nach der Art der konkreten Besteuerung: werden beide Gruppen vergleichbar besteuert, so ist eine Vergleichbarkeit gegeben. Dies zeigt sich beispielsweise an den Entscheidungen zur Besteuerung von Grenzpendlern4 sehr anschaulich. Der EuGH anerkennt die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, da bei der beschränkten Steuerpflicht nur ein Ausschnitt aus der umfassenden Leistungsfähigkeit einer Person besteuert wird. Wenn jedoch im Ansässigkeitsstaat des Pendlers kein ausreichendes Steuersubstrat vorhanden ist,5 um die persönliche Situation des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, da das wesentliche Einkommen im Staat der beschränkten Steuerpflicht besteuert wird, dann befindet sich der beschränkt Steuerpflichtige in einer dem unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Situation.

1.103 Eine Ungleichbehandlung kann dadurch beseitigt werden, dass Ausländer wie Inländer oder dass

Inländer wie Ausländer behandelt werden. Solange der nationale Gesetzgeber sich nicht für die eine oder andere Lösung entschieden hat, stellt sich für die nationalen Gerichte nach einer durch den EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit die Frage, ob sie die günstigere Regelung auf Ausländer erstrecken (norm- oder geltungserhaltende Interpretation)6. Der EuGH hat im Verfahren Terhoeve7 entschieden, dass sich bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Ausländer auf die günstigere Regelung unmittelbar berufen können. Auch der BFH folgt im Allgemeinen dieser Ansicht.8

1 BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 2 So wohl zuerst EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, Tz. 21; v. 20.10. 2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670, Tz. 44 mit Hinweis auf st. Rspr. 3 So EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – avoir fiscal, ECLI:EU:C:1986:37; hierzu s. auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 104 ff.; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 240 ff.; Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 15 ff. 4 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, ECLI:EU:C:1996:251; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221; v. 19.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, ECLI:EU:C:1999:409. 5 Zur Kritik an dieser Einengung Mössner, Arbeitnehmerfreizügigkeit und DBA-Recht, in Gassner/ Lang/Lechner, Arbeitnehmer im Recht der DBA, 29. 6 Hierzu vor allem Gosch, DStR 2007, 1553 (1555 ff.); Gosch, Ubg 2009, 73; Übersicht über die vertretenen Ansichten bei Zorn, IStR 2012, 86 (87 f.); krit. vgl. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Auseinandersetzung mit Gosch, 50 ff. 7 EuGH v. 26.1.1999 – Rs. C-18/95– Terhoeve, ECLI:EU:C:1999:22, Tz. 57. 8 BFH v. 27.7.2011 – I R 32/10, BStBl. II 2014, 513.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.106 Kap. 1

Eine Erweiterung über die Inländergleichbehandlung hinaus ist dann erforderlich, wenn der Herkunftsstaat einer Person oder eines Unternehmens die Ausübung einer Grundfreiheit in anderen Mitgliedstaaten steuerlich benachteiligt. So ist die Dienstleistungsfreiheit z.B. nicht nur betroffen, wenn ausländischen Freiberuflern die Tätigkeit im Inland untersagt wird, sondern auch, wenn ein Staat die Betätigung von Ansässigen in einem anderen Staat untersagt.1

1.104

c) Beschränkungsverbot Nicht nur eine unterschiedliche Behandlung von Ansässigen und Nichtansässigen kann letztere von der Ausübung einer Grundfreiheit abhalten; auch die Gleichbehandlung kann den Nichtansässigen erheblich stärker belasten als den Ansässigen. Grundfreiheiten wirken daher nicht nur als Diskriminierungsverbote, sondern auch als allgemeine Beschränkungsverbote.2 Dies wurde zunächst für den Bereich der direkten Steuern diskutiert,3 ist nun aber unstreitig. In den einschlägigen Urteilen des EuGH fällt auf, dass er immer seltener zwischen Diskriminierung4 und Beschränkung5 unterscheidet. Es genügt ihm die Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung.6 Diese stellt für ihn eine (potenzielle) Beschränkung dar.7 Neu ist dies nicht: Bereits in der Futura-Entscheidung8 hat der EuGH eine nichtdiskriminierende Behandlung, d.h. eine gleiche Behandlung von Ansässigen und Nichtansässigen, als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit behandelt, weil bei Steuerinländern das gesamte Welteinkommen, bei Steuerausländern dagegen nur das Steuerinlandseinkommen erfasst wird. Dies machte im Hinblick auf die formalen nationalen Voraussetzungen des entschiedenen Falls einen bedeutenden Unterschied aus:

1.105

Luxemburg verlangte für die Geltendmachung eines Verlustvortrags im Hinblick auf in- und ausländische Betriebsstätten gleichermaßen, dass sich die Buchführung und deren Unterlagen in Luxemburg befinden. Dieses Erfordernis belastete ausländische Unternehmen jedoch ungleich mehr. Mit der Anerkennung, dass Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern auch als Beschränkungsverbote wirken, wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass der Binnenmarkt mehr ist als der ungehinderte Zugang zu nationalen Märkten durch Ausländer. Auch wirken die Grundfreiheiten dann nicht nur in Zuzugs-, sondern auch in Wegzugsfällen.9 Im Herkunftsstaat eines Unternehmens darf dann eine Auslandsinvestition nicht steuerlich nachteiliger als eine Inlandsinvestition behandelt werden. Der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten durch die Dassonville-Formel10 und der Anerkennung der Beschränkungsverbote entspricht eine erweiterte Anerkennung von 1 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Gebhard, ECLI:EU:C:1995:411. 2 Hierzu allg. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 144 ff.; auch Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 16; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 264 ff. 3 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 183 f.; vgl. auch Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573; s. auch Brörmann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 123 Fn. 429 m.w.N. 4 So in EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – avoir fiscal, ECLI:EU:C:1986:37; v. 13.7.1993 – Rs. C-330/ 91 – Commerzbank, ECLI:EU:C:1993:303; v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216. 5 EuGH v. 28.4.1998 – Rs. C-118/96 – Safir, ECLI:EU:C:1998:170. 6 EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 – ICI, ECLI:EU:C:1998:370, v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain ZN, ECLI:EU:C:1999:438, v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696; v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft u.a., ECLI:EU:C:2001:134, v. 18.11.1999 – Rs. C200/98 – X & Y, ECLI:EU:C:1999:566; v. 28.10.1999 – Rs. C-55/98 – Vestergard, ECLI:EU:C:1999:533. 7 EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, ECLI:EU:C:2002:704; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, ECLI:EU:C:2002:749; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479. 8 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 9 Anerkannt in EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, ECLI:EU:C:2000:205, restriktiver in EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, ECLI:EU:C:1988:456. 10 EuGH v. 11.7.1974 – Rs. C-8/74 – Dassonville, ECLI:EU:C:1974:82.

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1.106

Kap. 1 Rz. 1.107 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Rechtfertigungsgründen für Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Gründen des zwingenden öffentlichen Interesses, wobei allerdings die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss (sog. Cassis-de-Dijon-Formel1). d) Prüfung der Grundfreiheiten aa) Anwendungsbereich der Grundfreiheiten

1.107 Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten lässt sich wie folgt gliedern: – Persönlicher Anwendungsbereich: Wer kann sich auf die Grundfreiheit berufen? – Räumlicher Anwendungsbereich: Wo gilt die Grundfreiheit: EU-Staat, EWR-Staat, Drittstaat? – Sachlicher Anwendungsbereich: Was ist der Inhalt der Grundfreiheit? – Adressat: Richtet sich die Grundfreiheit gegen den Tätigkeitsstaat oder den Herkunftsstaat?

1.108 Grundfreiheiten verbieten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Die direkten Steu-

ern unterscheiden jedoch nach Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht und nach dem Tätigkeitsort in Inlands- oder Auslandssachverhalte. Da in der Regel Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit übereinstimmen, stellt der EuGH im Bereich der direkten Steuern auf die Ansässigkeit ab.2 Daher kann sich auch ein Staatsangehöriger, der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig ist, hinsichtlich der Besteuerung seiner Tätigkeit innerhalb des Staats seiner Staatsangehörigkeit auf die Grundfreiheiten berufen.3

bb) Einschlägige Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern

1.109 Inhaltlich kommen im Bereich der direkten Steuern folgende Grundfreiheiten in Betracht: – Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 45 AEUV Sie ordnet die Abschaffung jeder unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern in steuerlicher Hinsicht bei grenzüberschreitender Tätigkeit in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen an. Die Besteuerung wird als Teil der Entlohnung behandelt.4 – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV Sie umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Niederlassung. Hierzu gehören auch die Gründung und Führung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften. Die Niederlassungsfreiheit verbietet die Behinderung der Niederlassung seitens des Herkunftsmitgliedstaats wie auch des Zuzugsstaats. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist eine Beteiligung Voraussetzung, die es dem Unternehmen ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen – vom EuGH als „beherrschte ausländische Gesellschaft“ bezeichnet5. Der EuGH hat sich bislang nicht explizit festgelegt, bis zu welcher Grenze eine in der betreffenden Norm festgelegte Mindestbeteiligungshöhe ausreicht und ab wann auf das Maß des jeweiligen Einflusses im Einzelfall abzustellen ist. Bestimmender Einfluss dürfte jedoch in der Regel zumindest bei 1 EuGH v. 20.2.1979 – Rs. C-120/78 – Rewe, ECLI:EU:C:1979:42. 2 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, ECLI:EU:C:1990:186, Tz. 14 wohl erstmals andeutend, dann explizite st. Rspr. seit EuGH v. 14.5.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, Tz. 27 ff. 3 Vgl. EuGH v. 26.1.1993 – Rs. C-112/91 – Werner, ECLI:EU:C:1993:27. 4 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, ECLI:EU:C:1990:186. 5 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544; zuletzt v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 – Deister Holding AG u. C-613/16 – Juhler Holding A/S, ECLI:EU:C:2017:1009.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.111 Kap. 1

mehr als einem Viertel der Beteiligung zu bejahen sein.1 Siehe dazu im Einzelnen noch Rz. 1.126. – Dienstleistungsfreiheit – Art. 56 AEUV Diese Grundfreiheit schützt die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art ohne Begründung einer Niederlassung im anderen Mitgliedstaat. Man unterscheidet die aktive Erbringung von Dienstleistungen von der Inanspruchnahme von Dienstleistungen eines Anbieters, sog. passive Dienstleistung. – Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 63 AEUV Sie verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs innerhalb der EU und – dies unterscheidet sie von den anderen Grundfreiheiten – im Verhältnis zu Drittstaaten. Zur Definition des Kapitalverkehrs greift der EuGH auf den Anh. I zur Kapitalverkehrsrichtlinie zurück. Eine Besonderheit bildet die sog. Stand-Still-Klausel: Gemäß Art. 64 Abs. 1 und Art. 63 AEUV berührt die Kapitalverkehrsfreiheit nicht die Anwendung beschränkender Vorschriften in Bezug auf dritte Länder, die bereits am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen bestanden hat. Dies schließt Anlagen in Immobilien sowiedie Niederlassung, Erbringung von Finanzdienstleistungen oder die Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten mit ein. Der EuGH hat die Tatbestandsvariante der Finanzdienstleistung zuletzt im Bereich des Investmentsteuerrechts als einschlägig angesehen.2 Die Stand-Still-Klausel erlaubt somit Beschränkungen, die bereits zum Stichtag des 31.12.1993 Teil der Rechtsordnung waren – mag die konkrete Vorschrift auch erst nach diesem Stichtag erlassen worden sein. Es ist entscheidend, ob eine entsprechende Vorgängerregelung die gleiche oder gleichartige oder noch größere Beschränkungswirkungen entfaltet hat. Die aktuelle Regelung darf jedoch nicht strenger sein oder grundlegende strukturelle Änderungen mit sich bringen, weil sonst eine neue Beschränkung vorläge. Während an sich alle Grundfreiheiten gleichrangig nebeneinander im AEUV garantiert sind, untersucht der EuGH bei einem möglichen Eingreifen zweier Grundfreiheiten, welcher der beiden der Anwendungsvorrang einzuräumen ist. Er stellt dafür auf den Gegenstand der Norm ab. Eine Verletzung des Schutzbereichs einer Grundfreiheit durch direkte Steuern eines Mitgliedstaats liegt dann vor, wenn zwei Gruppen von Steuerpflichtigen, die sich in einer vergleichbaren steuerlichen Situation befinden, unterschiedlich behandelt werden und diese Behandlung auf der unterschiedlichen Ansässigkeit der Steuerpflichtigen beruht.

1.110

cc) Rechtfertigungsgründe für Beschränkungen von Grundfreiheiten Ist die Verletzung einer Grundfreiheit durch eine nationale Steuernorm festgestellt, so liegt gleichwohl keine Unionsrechtswidrigkeit vor, wenn diese Verletzung gerechtfertigt ist. Rechtfertigungsgründe sind entweder explizit im Vertrag aufgeführt oder sie ergeben sich aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. In jedem Fall müssen sie verhältnismäßig sein, d.h. zur Erreichung des Ziel geeignet, erforderlich und angemessen sein.

1 EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, ECLI:EU:C:2000:205; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544; v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194; st. Rspr.; zur Grenze von 15 %: EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 – Deister Holding AG u. C-613/16 – Juhler Holding A/S, ECLI:EU:C:2017:1009, Tz. 80 ff. 2 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-560/13 – Wagner-Raith, ECLI:EU:C:2015:347; v. 9.10.2014 – Rs. C-326/12 – van Caster, ECLI:EU:C:2014:2269.

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1.111

Kap. 1 Rz. 1.111 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht – Kodifizierte Gründe Kodifiziert sind Rechtfertigungen in Art. 51 und 65 AEUV, die Gründe der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit betreffen. – Aufteilung der Besteuerungsrechte Soweit der Bereich der direkten Steuern nicht durch RL harmonisiert ist (s. Rz. 1.112), üben die Mitgliedstaaten ihre Steuerhoheit in eigener Verantwortung aus. Dies betrifft nicht nur die Ausgestaltung der Steuern, sondern auch die Abgrenzung der nationalen Steuerhoheiten gegeneinander insbesondere durch DBA. Zwar enthält der AEUV seit dem Vertrag von Lissabon nicht mehr eine Art. 293 EGV entsprechende Bestimmung, dass die Staaten zur Beseitigung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sind.1 Die Unterschiedlichkeit der Steuersysteme einschl. eines unterschiedlichen Steuerniveaus nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung2 hin. Auch die Aufteilung der Steuerhoheiten, vor allem nach den Grundsätzen des OECD-MA, kann zu unterschiedlicher Besteuerung führen, die eine Verletzung einer Grundfreiheit darstellt, die jedoch gerechtfertigt ist. – Kohärenz des Steuersystems In der Bachmann-Entscheidung3 hat der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des nationalen Steuersystems anerkannt. Der EuGH versteht unter der Kohärenz den Fall, dass zwischen einer begünstigenden und einer benachteiligenden Steuerregelung ein unmittelbarer Zusammenhang in Bezug auf denselben Steuerpflichtigen besteht. Im Fall Bachmann erkannte der Gerichtshof eine Kohärenz bei der nachgelagerten Besteuerung von Renten an. Im Fall Krankenheim Wannsee sah er die spätere Hinzurechnung zuvor steuerlich geltend gemachter ausländischer Betriebsstättenverluste beim inländischen Unternehmen als logische Folge der zuvor gewährten Berücksichtigung eben jener ausländischer Betriebsstättenverluste nach § 2a EStG a.F. trotz Freistellungsmethode. Im finnischen Fall K sah er die Nichtberücksichtigung der ausländischen Verluste als spiegelbildliches Pendant zu der nach dem DBA fehlenden Besteuerungsbefugnis der ausländischen Immobilieneinkünfte als durch die Kohärenz gerechtfertigt an.4 Auch in dem deutschen Rechtsstreit Feilen5 sah der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz als gegeben an. Der Fall betraf die deutsche Regelung des § 27 ErbStG, die eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer u.a. an die Bedingung knüpft, dass der Nachlass Vermögen enthält, das bereits mit Erbschaftsteuer in Deutschland vorbelastet ist. In dem betreffenden Fall war die Steuer dagegen in Österreich angefallen. – Steuerkontrolle Der EuGH erkennt durchaus an, dass die Staaten vor allem bei Nichtansässigen andere Erhebungsformen, z.B. Quellensteuern, und andere Regeln vorsehen als bei Ansässigen, um eine wirksame Kontrolle zu sichern.6 Er schränkt dies aber regelmäßig dadurch ein, dass er auf 1 Vgl. grundlegend Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages. 2 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221; v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim-Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU:C:2008:588. 3 EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, ECLI:EU:C:1992:35, Tz. 28. 4 Vgl. z.B. EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484; hierzu Kofler, 26 ff.; Schnitger, FR 2004, 1357; EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, ECLI:EU:C:2007:161, Tz. 70; v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim am Ruhesitz Wannsee, ECLI:EU:C:2008:588, Tz. 43; v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670, Tz. 84 ff.; v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707 = ISR 2013, 18 m. Anm. Henze; v. 7.11.2013 – Rs. C-322/11 – K, ECLI: EU:C:2013:716 = ISR 2013, 425 m. Anm. Müller; v. 22.6.2017 – Rs. C-20/16 – Bechtel, ECLI:EU: C:2017:488, Tz. 75; v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15 – Feilen, ECLI:EU:C:2016:496, Tz. 30–41. 5 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-123/15 – Feilen, ECLI:EU:C:2016:496, Tz. 30–41. 6 Z.B. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194.

58 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.112 Kap. 1

die Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie verweist und die Staaten zum Nachweis verpflichtet, dass mit Hilfe der dort vorgesehenen Instrumente eine wirksame Steuerkontrolle nicht möglich sei.1 – Vermeidung von Missbrauch Regelungen, die eine Steuerumgehung durch missbräuchliche Gestaltungen seitens der Steuerpflichtigen bekämpfen, rechtfertigen nach der Rechtsprechung2 eine Beschränkung der durch die Grundfreiheiten garantierten Möglichkeiten. Als Missbrauch versteht der EuGH rein künstliche Gestaltungen ohne wirtschaftlichen Gehalt, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen, wobei pauschale und typisierte Missbrauchsvermutungen im Einzelfall dem Steuerpflichtigen einen Gegenbeweis ermöglichen müssen.3 – Steuermindereinnahmen Das Vorbringen der Staaten, eine bestimmte Steuerregelung sei zur Sicherung der Staatseinnahmen erforderlich, wird vom EuGH mit Regelmäßigkeit zurückgewiesen.4 6. Richtlinien Richtlinien sind eine Form des sog. sekundären Unionsrechts (Art. 288 AEUV). Sie sind auf Grundlage des Primärrechts von den Organen der Union erlassene abgeleitete Rechtsakte. Durch RL sind die indirekten Steuern in großem Maße innerhalb Europas harmonisiert; dies gilt insbesondere für die Umsatzsteuer (s. Rz. 14.5). Demgegenüber sind RL für die direkten Steuern nur zu einzelnen Bereichen erlassen worden: – Mutter-Tochter-RL (MTR) (Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten [ABl. Nr. L 345, 8], geändert durch Richtlinie 2015/121/EU des Rates vom 27.1.2015 [ABl. L 21, 1]), die innerhalb internationaler Konzerne grenzüberschreitend die steuerfreie Gewinnausschüttung ermöglicht (s. hierzu Rz. 7.56 ff.). Die Richtlinie zielt darauf ab, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen. Die von der Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividende wird im Staat der Muttergesellschaft entweder gar nicht besteuert (Schachtelprivileg) oder die von der Tochtergesellschaft bei der Erwirtschaftung der Dividende schon bezahlte Körperschaftsteuer wird auf die Steuer angerechnet, so dass im Endeffekt der Gewinn im Konzern wirtschaftlich nur einmal besteuert wird. Auf die ausgeschütteten Gewinne darf keinerlei Quellensteuer erhoben werden (Art. 5 und 6 MTR). – Fusions-Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990,5 die grenzüberschreitende Unternehmensreorganisationen betrifft. Steuerhindernisse für grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften sollen beseitigt werden, um die Anpassung von Unternehmen an die Erforder1 Vgl. z.B. EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568, Tz. 47 ff. (50). 2 St. Rspr. z.B. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194, Tz. 50 ff.; v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Tz. 84; v. 8.3. 2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU:C:2017:177, Tz. 69. 3 Vor allem EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, Tz. 51, 55; vgl. zu den Anforderungen des Nachweises gem. § 8 Abs. 2 AStG FG Münster v. 20.11.2015 – 10 K 1410/12 F, EFG 2016, 453 = IStR 2017, 949 m. Anm. Schönfeld, auch zum BMF v. 4.11.2016 – IV B 5 - S 1351/07/10001 – DOK 2016/1009519, wiedergegeben von Kahlenberg/Schiefer, IStR 2017, 889. 4 Vor allem EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479; v. 13.5.2005 – Rs. C-446/ 03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763 = IStR 2006, 19 m. Anm. Englisch. 5 ABl. Nr. L 225, 1.

Sydow | 59

1.112

Kap. 1 Rz. 1.112 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht nisse des gemeinsamen Markts, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu ermöglichen (vgl. Präambel der Fusions-RL). Grundprinzip: – Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven bis zu deren Realisierung; – Vornahme der in der Fusions-RL geregelten Vorgänge soll keine vorzeitige Steuerzahlung auslösen, aber auch keinen endgültigen Steuervorteil ermöglichen; – Verwirklichung durch Betriebsstättenprinzip. – Zins- und Lizenz-Richtlinie (3.6.2003 – 2003/49/EG)1 Ziel dieser RL ist es, steuerliche Hindernisse in Verbindung mit der grenzüberschreitenden konzerninternen Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zu beseitigen. Zu diesem Zweck sieht die RL die Abschaffung der Quellensteuer auf Einkünfte in Fällen von Lizenzgebühren oder Zinsen vor. Diese Einkünfte aus der Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren werden in dem betr. Mitgliedstaat von jeglicher Besteuerung befreit, wenn es sich beim wirtschaftlichen Eigentümer dieser Zahlungen um ein Unternehmen oder eine Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat handelt. Die Besteuerung soll in dem Staat des Zahlungsempfängers vorgenommen werden. In Deutschland setzt u.a. § 50g EStG die RL um. – Zinsertragsteuer-Richtlinie (ZinsRL v. 3.6.2003 – 2003/48/EG)2 Die RL diente seit 2005 der gegenseitigen Unterstützung bei der Erhebung der (nationalen) Einkommensteuer auf Zinseinkünfte und sollte eine ausnahmslose und gleichmäßige Besteuerung der Zinseinnahmen innerhalb der Union unabhängig davon gewährleisten, wo die Einnahmen erwirtschaftet wurden. Hierfür sollte der Kapitalanlagestaat den Wohnsitzstaat über die Höhe der Zinseinnahmen durch automatischen Informationsaustausch informieren. Im Anschluss an eine Verschärfung der Maßnahmen der Verhinderung von Steuerhinterziehung3 hat der Rat die ZinsRL mit Wirkung zum 1.1.2016 aufgehoben.4 Seit September 2017 haben die Mitgliedstaaten der EU auf den automatischen Informationsaustausch von Finanzkontodaten nach dem Common Reporting Standard (CRS) umgestellt. Mit Drittstaaten und anderen abhängigen Gebieten wurden ebenfalls Abkommen zum Informationsaustausch oder Quellensteuerabzug getroffen. Von Bedeutung sind weiter: – AmtshilfeRL (Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/ EWG [ABl. L 64, 1], umges. durch Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 29.6.2013 [BGBl. I 2013, 1809]), neu gefasst am 9.12.2014 durch RL 2014/107/EU ABl. L 359, 1. – BeitreibungsRL (Richtlinie 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen [ABl. L 84 v. 31.3.2010, 1], umges. durch Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften [Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG] v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592). 1 RL 2003/49/EG und 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. L 157, 49. 2 ABl. L 157, 38. 3 RL 2014/107/EU des Rates vom 9.12.2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABl. 2014 L 359, trat am 1.1.2016 in Kraft und hat einen weiter gefassten Anwendungsbereich als die ZinsRL und machte diese damit überflüssig. 4 RL 2015/2060/EU des Rates vom 10.11.2015 zur Aufhebung der RL 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABL L 301, 1.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.114 Kap. 1

Dem steht eine Reihe von im Entwurf gebliebenen RL gegenüber: – Verlustrichtlinie1 – Gemeinsames Körperschaftsteuersystem2 – Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage3 – Gewinnermittlung4 Ob die Bestrebungen, eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage (GKKB) einzuführen, Erfolg haben werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Die EU-KOM hat am 25.10.2016 einen neuen Vorschlag für die GKKB veröffentlicht, nachdem der urspr. Vorschlag aus dem Jahr 2011 keine Zustimmung bei den Mitgliedstaaten fand. Der neue Vorschlag sieht ein zweistufiges Vorgehen vor: zunächst die Vereinheitlichung der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage und erst in einem zweiten Schritt die Konsolidierung.5

II. Unbeschränkte Steuerpflicht 1. Welteinkommen insbes. ausländische Einkünfte a) Grundlagen Die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht (vgl. Rz. 2.8, 2.12) wird vom EuGH nicht infrage gestellt.6 Auch, dass sie sich wegen der Reichweite der Besteuerung – Welteinkommensprinzip vs. Territorialitätsprinzip – grundlegend unterscheiden, erkennt das Gericht an. Der EuGH betont das Recht eines Staates, alle wirtschaftlichen Vorgänge innerhalb seines Staatsgebiets steuerlich zu erfassen;7 er schließt aber nicht aus, dass Staaten auch außerhalb ihres Staatsgebietes erzielte Einkünfte ihrer Ansässigen besteuern. Er verlangt jedoch, dass der Herkunftsstaat die Betätigung seiner Ansässigen im Ausland nicht durch steuerliche Maßnahmen behindert.

1.113

b) Ausländische Sachverhalte § 34d EStG legt fest, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte „ausländische“ sind und ob sie gem. § 34c EStG angerechnet oder abgezogen werden dürfen. Diese Festlegung hat aber über § 34c EStG hinaus Bedeutung.8 Qualifikation der Einkünfte und deren Ermittlung erfolgt grundsätzlich nach denselben Grundsätzen wie bei inländischen Einkünften. Sondervorschriften nur für ausländische Einkünfte können Grundfreiheiten beeinträchtigen. Die in § 2a EStG angeordnete nachteilige Behandlung gewisser Auslandsverluste wurde vom EuGH in der Rewe Zentralfinanz-Entscheidung9 als ungerechtfertigter Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. Im Vergleich mit entsprechenden Inlandsverlusten führt die Maßnahme des Herkunftsstaates Deutschland (Rz. 26 des Urteils) dazu, dass die Auslandsniederlassung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

COM (90), 595 final v. 24.1.1991, zurückgezogen 2001 durch COM (2001) 763 v. 11.12.2001. BT-Drucks. 8/2059 v. 23.8.1978; BT-Drucks. 7/3981 v. 18.8.1975. Vgl. zuletzt Pressemitteilung der KOM v. 8.10.2015 – IP/15/5796. Vgl. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, 263. Vgl. Vorschlag der EU-KOM für eine RL des Rates über eine Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage v. 25.10.2016 – COM (2016) 685 final. Seit EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, st. Rspr.; z.B. v. 9.11.2006 – Rs. C-520/04 – Turpeinen, ECLI:EU:C:2006:703. EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439 = IStR 2007, 631 m. Anm. Rainer. Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 1 f. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194; vgl. auch v. 21.2.2006 – Rs. C-152/03 – Ritter-Coulais, ECLI:EU:C:2006:123.

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1.114

Kap. 1 Rz. 1.115 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Liquiditätsnachteile (Rz. 29 des Urteils) erleidet. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2009 dadurch reagiert, dass § 2a EStG nicht mehr innerhalb der EU anwendbar ist.1

1.115 Eine Begrenzung von Steuervergünstigungen auf inländische Sachverhalte verstößt gegen die Nie-

derlassungsfreiheit.2 Wird Auslandsvermögen anders bewertet als Inlandsvermögen, beeinträchtigt dies die Grundfreiheiten.3 Die Begrenzung des Spendenabzugs auf inländische gemeinnützige Einrichtungen verletzt Unionsrecht.4 Diese Rechtsprechung lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass dann, wenn ein Staat Auslandssachverhalte besteuert, die Besteuerung nicht ungünstiger als bei einem Inlandssachverhalt sein darf. Unterschiede können wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten bei Auslandssachverhalten gerechtfertigt sein, sofern sie verhältnismäßig sind. c) Ausländische Betriebsstättenverluste

1.116 Für international tätige Unternehmen ist die EuGH-Rechtsprechung zu ausländischen Betriebs-

stätten von großer Bedeutung. Das wirtschaftliche Ergebnis einer Betriebsstätte als unselbständiger Teil eines inländischen Unternehmens ist Teil des Ergebnisses des Unternehmens. Innerhalb Deutschlands werden mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens für die Einkommen- und Körperschaftsteuer zusammengefasst. Dies gilt grundsätzlich auch grenzüberschreitend: Die Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten werden – vorbehaltlich der Regelungen in den DBA – im Inland als Teil des Gesamtergebnisses besteuert.

1.117 Besteht mit dem Betriebsstättenstaat kein DBA oder ist die Anrechnungsmethode (s. Rz. 2.289 ff.) vereinbart, so ist die steuerliche Berücksichtigung eines Betriebsstättenverlusts (vgl. allg. Rz. 2.301) im Inland gewährleistet. Die Anrechnungsmethode ist bspw. im DBA-Spanien vereinbart.

1.118 Nach der regelmäßig für ausländische Betriebsstätteneinkünfte vereinbarten Freistellungsmethode

werden die Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte im Inland nicht berücksichtigt. Nach der von der ganz h.M.5 vertretenen Symmetriethese sind von den Einkünften sowohl positive wie auch negative Einkünfte umfasst.6 Ausländische Verluste wirken sich daher steuerlich grundsätzlich nur beim negativen Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 2.506) bei natürlichen Personen aus, nicht jedoch beim inländischen Unternehmen. Dennoch bestand Streit darüber, ob sog. „endgültige“ bzw. „finale“ Verluste“, die bspw. nach der Schließung oder Einstellung der ausländischen Betriebsstätte noch existieren, zur Wahrung der Niederlassungsfreiheit beim inländischen Unternehmen zu berücksichtigen sind. Der EuGH hatte dies in seinem Grundsatzurteil Marks & Spencer für sog. endgültige Verluste ausländischer Tochtergesellschaften so gesehen7 und diese neue Rechtsprechung im Lidl-Verfahren8 auf endgültige ausländische Betriebsstättenverluste übertragen. Er sah in der unterschiedlichen Behandlung von in- und ausländischen Verlusten eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Tz. 25 ff. des Urteils), die zwar an sich gerechtfertigt sein kann, 1 Vgl. Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 62 ff. 2 EuGH v. 19.9.2000 – Rs. C-156/98 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2000:467 – unerlaubte Beihilfe; v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, Tz. 44. 3 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06 – Jäger, ECLI:EU:C:2008:20; v. 2.10.2008 – Rs. C-360/06 – Bauer, ECLI:EU:C:2008:531. 4 EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568. 5 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065; v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963. 6 Vgl. zur Kritik an der Symmetriethese Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 13 ff. m.w.N.; Ismer in V/ L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 61. 7 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763 = IStR 2006, 19 m. Anm. Englisch. 8 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278 mit anschließendem BFHUrt. v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630.

62 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.120 Kap. 1

z.B. zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch das DBA oder zur Abwendung der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung. Jedoch müssten zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit als ultima ratio die Verluste, die ein Steuerpflichtiger nach Ausschöpfung aller ihm zustehenden Möglichkeiten im Ausland unter keinen Umständen mehr steuerlich geltend machen könne, im Inland zum Abzug zugelassen werden. Die Voraussetzungen der Finalität des Verlusts sind jedoch nur punktuell klar geworden. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Nordea Bank1 hat einen entscheidenden Richtungswechsel in dessen Rechtsprechung zu ausländischen Betriebsstättenverlusten eingeläutet. Der Fall betraf eine dänische Regelung zur Nachversteuerung zunächst im Inland berücksichtigter ausländischer Betriebsstättenverluste, vergleichbar mit der deutschen Regelung des § 2a EStG a.F. Der EuGH stellte in der Entscheidung für die Frage der Vergleichbarkeit des in- und ausländischen Sachverhalts entscheidend auf die Anwendung der Anrechnungsmethode ab und legte dar, dass Dänemark durch die Besteuerung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte beide Sachverhalte auch im Verlustfall gleich zu behandeln habe. Dies deutete bereits darauf hin, dass der EuGH im Fall der Anwendung der Freistellungsmethode möglicherweise nicht mehr eine Pflicht des Mitgliedstaats zur Gleichbehandlung in- und ausländischer Verluste sah.

1.119

Und in der Tat hat der EuGH in seinem nachfolgenden Urteil in der Rechtssache Timac Agro2 in einem deutschen Fall zur früheren Nachversteuerungsmethode des § 2a EStG a.F. mit Freistellungs-Sachverhalt diese Vergleichbarkeit für die nach der Schließung der Betriebsstätte übrig bleibenden Verluste nicht mehr wie in den früheren Urteilen bejaht. Er sah keine unionsrechtlichen Bedenken, wenn ein Mitgliedstaat einer gebietsansässigen Gesellschaft im Fall der Veräußerung einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte die Möglichkeit verwehrt, die Verluste der veräußerten Betriebsstätte in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen, sofern aufgrund eines DBA die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Ergebnisse dieser Betriebsstätte dem Mitgliedstaat zusteht, in dem sie belegen ist. Diese Verluste hat er somit nicht mehr als „finale“ Verluste angesehen und nicht deren Berücksichtigung im inländischen Unternehmen gefordert. Aufgrund der mit diesem Urteil verbundenen Rechtsprechungsänderung im Hinblick auf die Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste3 scheint die Rechtslage nunmehr dahingehend geklärt, dass das Unionsrecht bei Freistellungsbetriebsstätten keine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung vorschreibt.4 Der BFH5, der der Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste gefolgt war, hat dessen Änderung ebenfalls mitgemacht und seine Rechtsprechung entsprechend fortentwickelt. In seinem Urteil vom 22.2.20176 legt er dies explizit dar und führt aus, dass beide Gerichte bislang davon ausgegangen waren, dass abweichend von der Symmetriethese aus Gründen der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit bei der inländischen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage ein Verlustabzug möglich sei, wenn und soweit der Steuerpflichtige nachweise, dass die Verluste im ausländischen Betriebsstättenstaat (sog. Quellenstaat) steuerrechtlich unter keinen Umständen verwertbar und damit „final“ seien (sog. finale Verluste). Der BFH habe dies 1 EuGH v. 17.7.2014 – Rs. C-48/13 – Nordea Bank, ECLI:EU:C:2014:2087. 2 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829, Tz. 52 f. u. Tz. 65 = ISR 2016, 54 m. Anm. Müller – dazu Anm. Benecke/Staats, IStR 2016, 74; Grundsatzkritik bei Schön in: Schön/Heber, Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 109, 137 ff.; vgl. Schnitger, IStR 2016, 72 (74), Eisendle, ISR 2016, 42. 3 Siehe dazu auch EuGH v. 3.2.2015 – Rs. C-172/13 – Kommission/Vereinigtes Körnigreich, ECLI:EU: C:2015:50 = ISR 2015, 139 m. Anm. Müller. 4 Siehe Dobratz, ISR 2016, 173, 174. 5 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. 2010, 1065; v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963 (Vorinstanz FG Nds. v. 16.6.2011 – 6 K 445/09, EFG 2011, 2088). 6 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BFH/NV 2017, 975.

Sydow | 63

1.120

Kap. 1 Rz. 1.121 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht angenommen, wenn die Verluste im Quellenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden könnten oder ihr Abzug in jenem Staat zwar theoretisch noch möglich, aus tatsächlichen Gründen aber so gut wie ausgeschlossen sei und ein wider Erwarten gewährter Abzug im Ausland verfahrensrechtlich im Inland noch rückwirkend nachvollzogen werden könnte. Diese Rechtsprechung werde jedoch vom EuGH inzwischen nicht mehr aufrechterhalten. An diese Rechtsprechungsänderung sehe sich der BFH nun als gebunden an. Zwar sei die Bedeutung der EuGH-Entscheidung nicht unumstritten. Dennoch belasse diese Entscheidung keinen Raum „für vernünftige Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der fraglichen Rechtsnorm“. Der BFH hat sich daher in seinem Urteil dem EuGH angeschlossen. Er hat davon abgesehen, die Rechtsfrage (nochmals) dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.1 2. Konzernbesteuerung a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit?

1.121 Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 ff. AEUV betrifft die Niederlassung natürlicher oder juris-

tischer Personen in einem anderen Mitgliedstaat zum Zweck selbständiger Er-werbstätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist hierunter „die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit“ zu verstehen.2 Die Niederlassungsfreiheit nimmt ein Unternehmen eines Mitgliedstaats bspw. in Anspruch, wenn es in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft oder Betriebsstätte tätig wird.3 Der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft kann dagegen sowohl die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit als auch eine Wahrnehmung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellen.4 Die Niederlassungsfreiheit ist räumlich jedoch nur innerhalb der EU anwendbar, während die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt.5 Nach ständiger Rspr. ist je nach Ausgangsrechtsstreit nur diejenige Grundfreiheit anzuwenden, die schwerpunktmäßig betroffen ist. Wenn die in Rede stehende Regelung vorwiegend die Niederlassungsfreiheit berührt, fällt sie also allein in deren Anwendungsbereich. Selbst dann, wenn eine streitige nationale Steuerregelung daneben auch beschränkende Auswirkungen auf den Kapitalverkehr haben sollte, sind diese Auswirkungen als eine zwangsläufige Folge der eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen, so dass sie keine Prüfung anhand von Art. 63–66 AEUV rechtfertigen.6 Die Abgrenzung der beiden Grundfreiheiten ist deshalb gerade in Drittstaatssachverhalten von entscheidender Bedeutung. Sie hat in jüngster Zeit einen grundlegenden Richtungswandel in der Rechtsprechung des EuGH erfahren.7 In Bezug auf die Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Grundfreiheit fällt, stellt der EuGH in st. Rspr. auf den Gegenstand der betreffenden Regelung ab.8 Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben (s. Rz. 1.109), fällt in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit. Hingegen sind Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, ausschließlich im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen. Während der EuGH früher zusätzlich noch die

1 S. auch BFH-Vefahren I R 48/17 und I R 49/17. 2 EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-221/89 – Factortame II, ECLI:EU:C:1991:320; v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Gebhard, ECLI:EU:C:1995:411, Tz. 25. 3 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain ZN, ECLI:EU:C:1999:438, st. Rspr. 4 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkoijen, ECLI:EU:C:2000:294. 5 EuGH v. 7.9.2017 – Rs. C-6/16 – Eqiom und Enka, ECLI:EU:C:2017:641, Tz. 40 m.w.N. 6 EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz, ECLI:EU:C:2006:631, Tz. 47 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, Tz. 33; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, ECLI:EU:C:2007:161, Tz. 34. 7 Vgl. zur Entwicklung Gosch/Schönfeld, IStR 2015, 755. 8 Vgl. EuGH v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU: C:2012:707, Tz. 90 m.w.N.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.122 Kap. 1

Fakten des Falls betrachtete, kommt es nach der nunmehr geänderten EuGH-Rechtsprechung zur Abgrenzung der Grundfreiheiten in Drittstaatssachverhalten1 für die Frage, ob in einem Einzelfall die Kapitalverkehrsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit oder sogar beide Freiheiten parallel anwendbar sind, nur noch auf den abstrakten Gehalt der in Streit stehenden Vorschrift an und nicht mehr darauf, wie hoch die Beteiligung im konkreten Sachverhalt ist. Mit anderen Worten soll eine Vorschrift nach dieser Rechtsprechung stets derselben Grundfreiheit unterliegen. Innerhalb des Binnenmarkts berücksichtigt der EuGH dagegen die tatsächlichen Gegebenheiten des konkreten Falls, um zu bestimmen, von welcher dieser Bestimmungen die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Situation erfasst wird.2 Innerhalb des konkurrierenden Anwendungsbereichs beider Grundfreiheiten, d.h. innerhalb der EU, schützt die Niederlassungsfreiheit danach die „unternehmerische Beteiligung“ und die Kapitalverkehrsfreiheit die Portfolio-Beteiligung. Die Linie des EuGH ist nachvollziehbar. Da die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht anwendbar ist, kommt es insoweit nicht zur Konkurrenzsituation. Art. 49 Abs. 2 AEUV nimmt ausdrücklich auf die Konkurrenzsituation Bezug. Aus Art. 49 ff. AEUV kann der Ausschluss der Inanspruchnahme einer anderen Grundfreiheit durch Angehörige von Drittstaaten abgeleitet werden. Die Norm verbietet nur Beschränkungen der Niederlassung innerhalb der EU durch Angehörige von EU-Staaten. Außerdem führte die frühere Sichtweise dazu, dass Portfolio-Beteiligungen einen höheren Schutz als unternehmerische Beteiligungen genossen, wenn sie durch Angehörige von Drittstaaten erfolgten. Dies würde der Schutzrichtung der Kapitalverkehrsfreiheit widersprechen und wäre auch nicht verständlich, zumal Art. 64 AEUV Sonderregelungen für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten enthält. Eine entscheidende Frage im Zusammenhang mit der Abgrenzung der Grundfreiheiten ist indes weiter offen: Ab welcher Beteiligungshöhe bzw. wann genau ermöglicht eine Beteiligung einen „sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft“? Sowohl die deutsche Finanzverwaltung als auch der BFH3 haben bislang für das deutsche Recht die Ansicht vertreten, dass eine normierte Mindestbeteiligungsquote von 10 % der stimmberechtigten Anteile einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft ermöglicht und gemäß der EuGH-Rechtsprechung zum Vorrang der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit führt, auf die sich Steuerpflichtige in Drittstaatssachverhalten nicht berufen können. Der EuGH folgt dem nicht. Er kommt zu der Einschätzung, dass die in einer nationalen Norm genannte pauschale Beteiligungsquote von 10 oder 15 % nicht speziell beherrschende Beteiligungen erfasst.4 In dem portugiesischen Verfahren Itelcar lag dies u.a. daran, dass die Beteiligungsgrenze von 10 % nur eines von zahlreichen Regelbeispielen der betreffenden nationalen Norm war und in anderen Fällen besondere Beziehungen ohne eine wirkliche Einflussnahmemöglichkeit unterstellt wurde. Aber der EuGH deutete schon in jener Entscheidung an, dass ihm zudem die Grenze von 10 % nicht ausreicht, um anzunehmen, dass der Inhaber dieser Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausüben kann.5 Im Urteil Kronos hat er dies verdeutlicht6 und dargelegt, dass eine solche Schwelle nicht zwangsläufig einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesell1 EuGH v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707. 2 EuGH v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707, Tz. 94. 3 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 für die in der damals geltenden Fassung des § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.V.m. DBA-USA (vorgesehene 10 %-Grenze). Der BFH entschied, dass diese – anders als die Nachfolgeregelung des § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F., die keine Mindestbeteiligung mehr vorsah – einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft ermögliche und gemäß der EuGH-Rspr. zum Vorrang der Niederlassungsfreiheit ggü. der Kapitalverkehrsfreiheit führe, auf die sich Steuerpflichtige in Drittstaatssachverhalten nicht berufen könnten. 4 EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 – Deister Holding AG u. C-613/16 – Juhler Holding A/S, ECLI:EU:C:2017:1009, Tz. 39–42. 5 EuGH v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 – Itelcar, ECLI:EU:C:2013:629, Tz. 22. 6 EuGH v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos International Inc., ECLI:EU:C:2014:2200.

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1.122

Kap. 1 Rz. 1.123 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht schaft vermittle. Daher erklärte er die Kapitalverkehrsfreiheit für einschlägig. Auswirkungen hat dies bspw. auf die frühere Vorschrift des § 8b Abs. 3 KStG 1999, die unabhängig von der Beteiligungshöhe und Einflussnahmemöglichkeit an der Gesellschaft, an der die Beteiligung gehalten wird, greift. Die Vorschrift unterliegt danach der Kapitalverkehrsfreiheit und den Grundsätzen des Steko-Urteils, auch soweit Schachtelbeteiligungen betroffen sind.1 Die EuGH-Rspr. macht es in der Praxis äußert schwierig, verlässlich sagen zu können, ob eine Norm der Niederlassungsfreiheit zuzurechnen ist. b) Gruppenbesteuerungssysteme

1.123 Bei einem Konzern als einer Gruppe von rechtlich eigenständigen Kapitalgesellschaften, die wirtschaftlich eine Einheit bilden,2 knüpft die Körperschaftsteuer an die Rechtsform an und jede Konzerngesellschaft stellt ein eigenes Steuersubjekt dar, dessen Gewinne oder Verluste separat der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Um eine dem Ergebnis des gesamten Konzerns entsprechende Besteuerung zu ermöglichen, haben die Staaten unterschiedliche Systeme der Konzernbesteuerung entwickelt. aa) Internationale Formen der Gruppenbesteuerung

1.124 Hier lassen sich unterscheiden: – Einheitssysteme Bei ihnen werden die Ergebnisse einzelner Konzernunternehmen zusammengefasst der Besteuerung unterworfen. Im Einzelnen bestehen erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Einheitssysteme in ihren Voraussetzungen, Ausgestaltungen und Folgen. Die deutsche Organschaft, niederländische Fiscale Eenheid3 oder die französische, integration fiscale4 können hierzu gerechnet werden, bei allen Unterschieden im Detail. – Verlustübertragungssysteme Im britischen Group-Relief-System5 kann innerhalb eines Konzerns ein Unternehmen, das einen Verlust erzielt, diesen Verlust entgeltlich auf ein anderes konzernangehöriges Unternehmen, das einen Gewinn erzielt, übertragen, wobei je nach Beteiligungsverhältnissen gewisse Restriktionen gelten. – Beitragssysteme In den skandinavischen Staaten6 kann ein konzernangehöriges Unternehmen seinen Gewinn ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen, was bei ihm wie eine Betriebsausgabe und beim empfangenden Unternehmen wie eine Betriebseinnahme behandelt wird. In Ländern ohne explizite Systeme einer Konzernbesteuerung kann durch Gestaltungen – Übertragungen von Verlustquellen oder ertragreichen Teilbetrieben, Verschmelzungen, Finanzierungen, Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen o.ä. – ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden.

1 Vgl. BMF v. 3.5.2016 – IV C 2-S 2750-a/07/10006:002 – DOK 2016/0392721, BStBl. I 2016, 478. 2 Vgl. eingehend Kerssenbrock in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, 56 ff. 3 Vgl. EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X Holding BV, ECLI:EU:C:2010:89 = IStR 2010, 213 m. Anm. Englisch; hierzu auch Koch, Die steuerliche Einheit im Rahmen von Gruppenbesteuerungsmodellen. 4 Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung (Vergleich Organschaft und intégration fiscale). 5 Vgl. die Darstellung in Marks & Spencer in EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, ECLI:EU:C:2005:763 = IStR 2006, 19 m. Anm. Englisch. 6 Darstellung in OY AA bei EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439, Tz. 43– 46 = IStR 2007, 631 m. Anm. Rainer.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.126 Kap. 1

bb) Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung Grenzüberschreitend angewandt werfen alle Arten der Gruppenbesteuerungssysteme Probleme auf. Der EuGH hat bisher zu dem britischen Verlustzuweisungssystem, dem sog. Group-Relief-System (Marks & Spencer1), dem skandinavischen Konzernbeitragssystem (Oy AA2), dem französischen Gruppenbesteuerungssystem (Papillon3) und der niederländischen Regelung zur Vollkonsolidierung (X Holding4) judiziert. In den Rechtssachen SCA5 wie bereits zuvor in der Rechtssache Papillon verwarf er die im jeweiligen nationalen Recht für die Gruppenbesteuerung als notwendig erachtete Voraussetzung einer ununterbrochenen Kette von Tochter- und Enkelgesellschaften, weil hierin eine Benachteiligung darin liege, dass es in innerstaatlichen Situationen möglich sei, diese Voraussetzung zu erfüllen, aber in Ketten, in denen ein Mitglied im Ausland sei, eben nicht. Sein jüngstes Urteil betraf eine rein national angestrebte Gruppenbesteuerung von Schwestergesellschaften.6 Hierzu entschied der EuGH, dass die Niederlande verpflichtet sind, die inländischen Tochtergesellschaften einer EU-ausländischen Mutter steuerlich als Gruppe zu behandeln und ihnen damit eine Vollkonsolidierung zu ermöglichen. Damit hat er sich über die im nationalen Recht verankerte Notwendigkeit, dass eine Gruppe nur vertikal aus inländischen Mutter- und Tochtergesellschaften bestehen kann, weil sie wie ein einziger Steuerpflichtiger behandelt wird, hinweggesetzt und eine horizontale Gruppenbesteuerung als Sonderlösung für grenzüberschreitende Sachverhalte ermöglicht. Andererseits hält der EuGH das Territorialitätsprinzip auch hier weiter aufrecht. Der EuGH geht von dem Grundsatz7 aus, dass jeder Staat die innerhalb seines Staatsgebiets erwirtschafteten Ergebnisse besteuern kann. Dies bezeichnet er überwiegend als Territorialitätsprinzip.8 Dies bedeutet für ihn, dass ein Gewinn, den ein Unternehmen, auch wenn es zu einem internationalen Konzern gehört, in einem Staat erwirtschaftet hat, dort auch besteuert werden darf. Mitgliedstaaten dürfen dem EuGH zufolge daher Regelungen erlassen, mit denen Verhaltensweisen von Steuerpflichtigen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht auf Ausübung der Besteuerungszuständigkeit für die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden. Sie sollen verhindern können, dass Unternehmen nach Belieben den Mitgliedstaat wählen können, in dem die Gewinne der Tochtergesellschaften besteuert werden, m.a.W. also Gewinne über die Grenze zu verschieben und der Besteuerung zu entziehen, auch wenn dadurch In- und Auslandssachverhalte unterschiedlich behandelt werden.9 Das Ergebnis des EuGH ist daher eine Abwägung der miteinander konkurrierenden Rechte der Niederlassungsfreiheit und des Territorialitätsprinzips im Sinne des Versuchs, eine praktische Konkordanz herzustellen.

1.125

Erlaubt ein Staat Teilwertabschreibungen10 auf Beteiligungen – sei es bereits bei laufenden Verlusten, sei es erst bei Liquidation der Tochtergesellschaft – nur bei inländischen Tochtergesell-

1.126

1 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763 = IStR 2006, 19 m. Anm. Englisch. 2 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439, Tz. 51 = IStR 2007, 631 m. Anm. Rainer. 3 EuGH v. 27.11.2008 – Rs. C-418/07 – Société Papillon, ECLI:EU:C:2008:659 = IStR 2009, 66 m. Anm. Kippenberg. 4 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X Holding, ECLI:EU:C:2010:89 = IStR 2010, 213 m. Anm. Englisch. 5 EuGH v. 12.6.2014 – verb. Rs. C-39/13, C-40/13 und C-41/13 – SCA Group Holding, ECLI:EU: C:2014:1758. 6 EuGH v. 12.6.2014 – verb. Rs. C-39/13, C-40/13 und C-41/13 – SCA Group Holding, ECLI:EU: C:2014:1758. 7 Anerkannt seit EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 8 Obwohl völkerrechtlich damit etwas anderes gemeint ist. Vgl. Meissner, Einführung in das Völkerrecht, 194 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfram, Völkerrecht I/1, 316 ff. 9 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439, Tz. 54 f. = IStR 2007, 631 m. Anm. Rainer. 10 Entsprechendes gilt beim Ausfall von durch die Tochter gewährten Krediten.

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Kap. 1 Rz. 1.127 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht schaften, so verletzt diese Ungleichbehandlung die Niederlassungsfreiheit.1 In diesen Fällen wird der Verlust dessen berücksichtigt, was die Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft investiert hat, d.h. ein tatsächlicher Verlust im Vermögen der Mutter. Eine Nichtberücksichtigung dieses tatsächlichen Verlustes würde die Auslandsinvestition erheblich erschweren. Sind jedoch derartige Abschreibungen innerstaatlich nicht zugelassen – wie in Deutschland gem. § 8b KStG, so ist es kaum begründbar, dass sogar ein darüber hinaus gehender Verlust der Tochtergesellschaft berücksichtigt werden müsste, wenn er final ist. Eine Entscheidung des EuGH zu dieser Frage steht noch aus. Gleiches gilt für das in einigen europäischen Staaten geregelte pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot i.H.v. 5 % der ausgeschütteten Dividende, sog. Schachtelstrafe, in grenzüberschreitenden Sachverhaltskonstellationen im Zusammenhang mit steuerfreien Schachteldividenden. In Deutschland ist diese Regelung in § 8b Abs. 5 KStG verankert. Bei Dividendenzahlungen im System der Gruppenbesteuerung fallen dagegen keine nichtabziehbaren Betriebsausgaben an. Der EuGH entschied in der französischen Rechtssache Groupe Stéria2, dass in dieser Ungleichbehandlung ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit liegt. cc) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft

1.127 Welche Schlüsse aus den Entscheidungen des EuGH für die deutsche Organschaft zu ziehen sind,

ist umstritten.3 Die deutsche Organschaft unterscheidet sich von den bisher entschiedenen Fällen zugrundeliegenden Gruppenbesteuerungssystemen.

1.128 Von den Voraussetzungen der Organschaft stehen vor allem die Inlandserfordernisse und der Er-

gebnisabführungsvertrag gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG in der Kritik. Die Inlandserfordernisse hat der deutsche Gesetzgeber unionsrechtskonform ausgestaltet: Früher sah § 18 KStG lediglich für beschränkt steuerpflichtige ausländische Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte die Möglichkeit vor, Organträger einer inländischen Organgesellschaft zu sein (sog. doppelter Inlandsbezug). Im Rahmen der „kleinen Organschaftsreform“ durch das UntStG 2013 wurde diese Voraussetzung in § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG aufgegeben. § 14 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 KStG fordert nunmehr für das Bestehen einer Organschaft eine inländische Betriebsstätte sowie eine ununterbrochene Zuordnung der Beteiligung an der Organgesellschaft zu dieser. Dies dürfte mit Unionsrecht zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte vereinbar sein. Denn das Erfordernis des Inlandsbezugs der Betriebsstätte dient dazu, eine Zurechnung der Einkünfte an einen ausländischen Organträger zu verhindern, deren Folge es wäre, dass diese Einkünfte dann nicht mehr der deutschen Besteuerung unterlägen. Der Gewinnabführungsvertrag bildet die Grundlage für eine Einkommenszurechnung von der Organgesellschaft an den Organträger. Er wird von einer deutschen Gruppe mit ausländischen Tochterkapitalgesellschaften aufgrund des Zivilrechts regelmäßig nicht erfüllt werden können.4 Es ist jedoch zu bezweifeln, ob der EuGH sich über das rechtliche Erfordernis des Gewinnabführungsvertrags hinwegsetzen würde, wie er es in der Entscheidung Groupe Stéria5 in Bezug auf die Voraussetzung des Inlandsbezugs getan hat, denn der Gewinnabführungsvertrag hat eine ganz andere rechtliche Dimension als der Inlandsbezug in dem niederländischen Fall.6 Er bildet die zivilrechtliche Grundlage einer Ergebniszurechnung und kann somit nicht hinweggedacht werden, ohne der deutschen Organschaft ihre Grundlage zu entziehen.

1 Vgl. EuGH v. 6.10.2015 – Rs. C-66/14 – FA Linz, ECLI:EU:C:2015:661 = ISR 2015, 419 m. Anm. Wohlhöfler = IStR 2015, 879 m. Anm. Mitschke. 2 EuGH v. 2.9.2015 – Rs. C-386/14 – Groupe Stéria, ECLI:EU:C:2015:524 = ISR 2015, 361 m. Anm. Müller. 3 Vgl. Mössner, DWS Symposium 2011 m.w.N. 4 Herzig/Wagner, DB 2005, 2374, 2379; Herzig/Wagner, DStR 2006, 1 (9) m.w.N.; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 14 KStG Rz. 53 f. m.w.N.; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, 630, 63; Winter/Marx, DStR 2011, 1101, 1103; Stangl/Winter, Organschaft 2013/2014, München 2014, Rz. A 112 f.; Schnitger, IStR 2013, 82, 85; Benecke/Schnitger, IStR 2013, 143, 145. 5 EuGH v. 2.9.2015 – Rs. C-386/14 – Groupe Stéria, ECLI:EU:C:2015:524 = ISR 2015, 361 m. Anm. Müller. 6 Vgl. zu der Problematik Kessler/Arnold, IStR 2016, 226.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.131 Kap. 1

Anders zu beurteilen ist die Frage, ob einzelne Vorteile einer Organschaft in grenzüberschreitenden, vergleichbaren Situationen verweigert werden können. Der BFH hat für diese Fälle den Begriff der gedachten faktischen Organschaft eingeführt.1 In diese Kategorie fällt die EuGH-Entscheidung Groupe Stéria2. Auch das Verfahren X-Holding3 gehört hierzu. Dort ging es um die Verweigerung der Vorteile eines Verlustausgleichs, der vereinfachten Steuererklärungspflichten, der steuerfreien Umwandlungen und der Neutralisierung interner Geschäfte. Aus deutscher Sicht4 handelt es sich vor allem um die Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 5 KStG), die Zinsschranke (§ 15 Nr. 3 KStG) und die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, die durch Bildung einer Organschaft vermieden werden können. Zu Letzterer hat der BFH5 entschieden, dass die Hinzurechnung der Darlehenszinsen einen Verstoß gegen das DBA-Diskriminierungsverbot darstellt, was sich auf die Niederlassungsfreiheit übertragen lässt.6

1.129

Die Rechtsfolgen der Organschaft sind vielfältig. Gem. §§ 14 ff. KStG bleibt die steuerliche Selbständigkeit der Organgesellschaft unangetastet und lediglich ihr steuerliches Einkommen wird dem Organträger zugerechnet. Grenzüberschreitend würde die Zurechnung des Einkommens bewirken, dass einem im Inland ansässigen Organträger das Einkommen einer ausländischen Organgesellschaft zugerechnet und damit im Inland besteuert würde. Unionsrechtlich würde dies gegen die Grundsätze der OY AA-Entscheidung7 verstoßen, abgesehen davon, dass auch die DBA dem widersprechen dürften. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall – im Inland ansässige Organgesellschaft mit ausländischem Organträger. Das Unterbinden der grenzüberschreitenden Zurechnung des Einkommens des Organs ist folglich zur Wahrung der Besteuerungsbefugnisse der Staaten gerechtfertigt.8

1.130

3. Grenzüberschreitende Dividenden a) Einführung Bei allen in Europa existierenden Körperschaftsteuersystemen stellt sich das Problem der wirtschaftlichen Doppelbelastung des Gewinns der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und der Steuer auf die Dividende beim Anteilseigner. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wenden die Staaten verschiedene Methoden an, die im Ergebnis eine angemessene Besteuerung des Gewinns unter Berücksichtigung der Steuer bei der Gesellschaft und beim Gesellschafter erreichen wollen. In grenzüberschreitenden Situationen, in denen ein Staat entweder die Gesellschaft oder den Gesellschafter besteuert, funktionieren diese Methoden nicht, so dass die Staaten die Entlastungen zur Sicherung ihrer Besteuerung i.d.R. nicht anwenden. Im klassischen dualistischen System der Körperschaftsteuer werden Körperschaft und Gesellschafter unabhängig voneinander besteuert. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wird dann die Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne gemindert. Dies hat zur Folge, dass der Staat einen nichtansässigen Anteilseigner nicht uneingeschränkt besteuern kann. Daher versagt er die Minderung der Körperschaftssteuer, wenn die Dividende an Ausländer gezahlt wird. Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Komplex ist umfangreich und versucht, die unterschiedlichen Aspekte zum Ausgleich zu bringen. Angesichts der Vielzahl der nationalen und der in den 1 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524. 2 EuGH v. 2.9.2015 – Rs. C-386/14 – Groupe Stéria, ECLI:EU:C:2015:524 = ISR 2015, 361 m. Anm. Müller. 3 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding BV, ECLI:EU:C:2010:89 = IStR 2010, 213 m. Anm. Englisch. 4 Siehe Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (217 f.). 5 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. 2012, 106. 6 Mössner, IStR 2010, 778 f. Anm. zu Hessischem FG v. 18.5.2010 – 8 K 3137/06. 7 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439 = IStR 2007, 631 m. Anm. Rainer. 8 Ebenso Rehm/Nagler, IStR 2008, 129 (138).

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1.131

Kap. 1 Rz. 1.132 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht DBA enthaltenen Regelungen sind die Entscheidungen oft sehr speziell. Im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft geht es um die Besteuerung der Gesellschaft selbst (Rz. 1.135) und der Dividendenempfänger (Rz. 1.138) als Ansässige und Nichtansässige. Im Staat des Gesellschafters ist die steuerliche Behandlung von Inlandsdividenden mit der von Auslandsdividenden zu vergleichen (Rz. 1.143) b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft

1.132 Die auf Gewinne einer Kapitalgesellschaft erhobene Körperschaftsteuer darf nicht danach unterscheiden, ob die Gesellschafter im Ansässigkeitsstaat ansässig sind oder nicht.1

1.133 Das Unionsrecht überlässt es den Mitgliedstaaten, ob sie Regelungen zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung auf Auslandssachverhalte erstrecken.2 Es verlangt jedoch, dass im Fall einer solchen Erstreckung eine Gleichbehandlung zu erfolgen hat. Erfolgt bspw. die Vermeidung der Doppelbelastung auf der Ebene der Besteuerung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft, indem diese die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer auf ihre eigene Steuer anrechnen darf, so darf dann nicht nach der Ansässigkeit der Anteilseigener unterschieden werden. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass steuerliche Entlastungen wie die Anrechnung von Körperschaftsteuer auch dann zu gewähren sind, wenn die ausschüttenden Gesellschaften im Ausland der Körperschaftsteuer unterlagen.3

Dieses Prinzip der Gleichbehandlung hat der EuGH4 auch darauf angewandt, dass Deutschland eine Ausschüttungsbelastung beim früheren Anrechnungssystem selbst dann hergestellt hat, wenn die Ausschüttung an einen Ausländer erfolgte, der ein Körperschaftsteuerguthaben nicht geltend machen konnte.

1.134 Die Zinsschranke behandelt Zinszahlungen ins Ausland in gleicher Weise wie solche ins Inland,

stellt demnach eine nicht diskriminierende Regel zur Gewinnermittlung inländischer Gesellschaften auf. Der BFH5 hielt hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen gem. § 8 GewStG einen Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie6 für möglich. Dabei stützte er sich auf die Entscheidung Athinaiki Zythopoiia,7 die jedoch den nach der MTR untersagten Abzug an der Quelle bei Ausschüttungen bei ausländischen Gesellschaften als Anteilseigner betraf. Griechenland umging dieses Verbot dadurch, dass die ausschüttende, in Griechenland ansässige Gesellschaft mit einer Dividendensteuer belegt wurde. Der EuGH sah darin einen verbotenen Abzug an der Quelle, weil die Steuer – durch die Zahlung der Dividende ausgelöst wurde – letztlich die ausländische Gesellschaft traf und – auf der Basis der Höhe der Dividende ermittelt wurde.

Der EuGH8 ist dem zu Recht nicht gefolgt. Der ausländische Darlehensgeber erhält denselben Zins unabhängig von der Abziehbarkeit des Zinses beim Darlehensnehmer: die Hinzurechnung führt 1 EuGH v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216. 2 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Litigation, ECLI:EU: C:2006:773. 3 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484 = IStR 2004, 680; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, ECLI:EU:C:2007:132; v. 15.7.2004 – Rs. C-315/02 – Lenz, ECLI:EU: C:2004:446. 4 EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06 – Burda, ECLI:EU:C:2008:365; v. 17.5.2017 – Rs. C-68/15 – X, ECLI:EU:C:2017:379; v. 17.5.2017 – Rs. C-365/16 – AFEP u.a., ECLI:EU:C:2017:378. 5 Vorlagebeschl. BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059. 6 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003. 7 EuGH v. 4.10.2001 – Rs. C-294/99 – Athinaïki Zythopoiia, ECLI:EU:C:2001:505. 8 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar Technology, ECLI:EU:C:2011:499.

70 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.136 Kap. 1

„nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers“ (Tz. 30 des Urteils). Dies lässt sich auf die Zinsschranke, die eine Regelung der Gewinnermittlung für die inländische Gesellschaft darstellt, übertragen. c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat Nimmt eine Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung – stellvertretend wird im Folgenden die offene Ausschüttung in Form der Dividende behandelt – vor, so erhebt der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft auf die Dividende in der Regel eine Steuer, bei ansässigen Anteilseignern im Rahmen deren Besteuerung, bei Nichtansässigen im Wege einer Quellen-Abzugssteuer auf die Dividende.1 Zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung wenden die Staaten unterschiedliche Methoden an. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der EuGH die Gleichbehandlung inund ausländischer Anteilseigner fordert.2

1.135

Zur Vermeidung eines Kaskadeneffekts der Besteuerung stellen viele Staaten eine Dividenden empfangende Kapitalgesellschaft von der Besteuerung frei und zwar entweder von vornherein – insbesondere bei Portfoliodividenden, also bei Beteiligungen oberhalb von 10 %, weil dies die MTR so vorsieht – oder durch nachträgliche Anrechnung oder Erstattung der zunächst gezahlten Steuer. Denn der nominelle Wert der Dividende würde sonst bei jeder Weiterausschüttung durch eine darauf lastende Quellensteuer weiter gemindert. Deutschland sieht dies in § 8b Abs. 1 KStG vor, indem Gewinnausschüttungen außer Ansatz bleiben. Die auf die Dividende gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhobene Kapitalertragsteuer wird bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft gem. § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Körperschaftsteuer angerechnet bzw. erstattet und gem. § 43b EStG entsprechend der MTR nicht erhoben, wenn die ausländische Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. (§ 43b Abs. 3 EStG) an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist. Bei einer nicht diese Schwelle erreichenden Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft (Portfolio-Beteiligung) wird die erhobene Kapitalertragsteuer gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG endgültig. Dies stellt eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.3 Die Rechtsprechung des EuGH hat dies in vergleichbaren Fällen4 ständig so entschieden.

1.136

Bereits in der Denkavit-Entscheidung ging der EuGH davon aus, dass die Steuerfreiheit der Dividenden bei einer inländischen Muttergesellschaft einen Teil der Maßnahme zur Vermeidung der mehrfachen Belastung darstellt (Tz. 37 des Urteils). Dies rechtfertige es aber nicht, ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich zu behandeln (Tz. 26–29 des Urteils). Das Argument, durch den Ausschluss ausländischer Muttergesellschaften solle verhindert werden, dass diese jeglicher Besteuerung entgingen (Tz. 32 des Urteils), wies er zurück, da der Kaskadeneffekt, der durch die Steuerfreiheit bei der Muttergesellschaft verhindert bzw. abgemildert werden soll, bei ausländischen wie bei inländischen Muttergesellschaften auftritt. Den von Frankreich angeführten Rechtfertigungsgrund der Aufteilung Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten durch das DBA erkannte der EuGH zwar grundsätzlich an (Tz. 43 des Urteils), Das Argument, der Staat der Dividenden empfangenden Muttergesellschaft müsse für einen Ausgleich sorgen (Tz. 53 des Urteils), vermöge indes nicht zu rechtfertigen, dass ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich behandelt würden (Tz. 49 des Urteils). 1 Wegen des Zusammenhangs wird dies hier und nicht bei der systematisch richtigeren beschränkten Steuerpflicht (s. Rz. 2.84) behandelt. 2 Vgl. vor allem Urt. der Großen Kammer des EuGH v. 13. 11.2012 – Rs. C-35/11 Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707 = ISR 2013, 18 mit Anm. Henze; v. 10.4.2014 – Rs. C-190/ 12 – Emerging Markets Series, ECLI:EU:C:2014:249. 3 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670. 4 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ATC Group Litigation, ECLI: EU:C:2006:773; v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 – Denkavit International, ECLI:EU:C:2006:783; v. 8.11. 2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, ECLI:EU:C:2007:655; v. 3.6.2010 – Rs. C-487/08 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2010:310.

Sydow | 71

Kap. 1 Rz. 1.137 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

1.137 Mit Urteil vom 20.10.20111 hat der EuGH in der Rechtssache C-284/09 (Kommission/Deutschland) entschieden, dass die unterschiedliche Besteuerung von Streubesitzdividenden (bis 10 % Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft), je nachdem, ob diese von einer inländischen Gesellschaft an eine inländische- oder an eine EU-/EWR-ausländische Kapitalgesellschaft gezahlt werden, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Es wird zwar in beiden Fällen Kapitalertragsteuer durch Steuerabzug i.H.v. 25 % erhoben. Bei der ausländischen Gesellschaft führt die Dividendenzahlung jedoch zu einer beschränkten Steuerpflicht, für die die Körperschaftsteuer hinsichtlich eines einbehaltenen Betrags i.H.v. 15 % abgegolten ist und – soweit das entsprechende DBA einen niedrigeren Steuersatz vorsieht – der restliche Betrag vom Bundeszentralamt für Steuern erstattet werden kann (seit 2007 kann die ausländische Gesellschaft eine pauschale Erstattung von 2/5 der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer beim BZSt beantragen (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 44a Abs. 9 EStG), während bei einer inländischen Gesellschaft die Dividendenzahlungen gem. § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung ihres Einkommens steuerfrei sind. Die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer kann auf die zu zahlende Körperschaftsteuer angerechnet werden. Dividendenzahlungen an eine Gesellschaft, die zu mehr als 10 % am Kapital der anderen Gesellschaft beteiligt ist, sind nach der MTR 90/435 von der Besteuerung ausgenommen.

1.138 Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09“

wurde in den noch offenen Fällen in § 32 Abs. 5 KStG eine Erstattung der zuvor erhobenen Kapitalertragsteuer bei betroffenen EU/EWR-Körperschaften vorgesehen und für die Zukunft die Besteuerung von inländischen Streubesitzdividenden eingeführt. So wurde mit der seit dem 1.3.2013 geltenden Steuerpflicht für Streubesitzdividenden für inländische Anteilseignerkapitalgesellschaften ein Gleichlauf mit der abgeltenden Steuerwirkung bei ausländischen Anteilseignerkapitalgesellschaften hergestellt. Auf der einen Seite wird nun eine Dividendenzahlung aus einer Beteiligung von weniger als 10 % bei einer inländischen Veranlagung zur Körperschaftsteuer gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG zum tariflichen Körperschaftsteuersatz von 15 % (zzgl. SolZ) besteuert. Auf der anderen Seite soll die abgeltende Wirkung des Kapitalertragsteuereinbehalts gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG für ausländische Anteilseignerkapitalgesellschaften unter Beachtung von § 44a Abs. 9 EStG ebenfalls zu einer effektiven Steuerbelastung von 15 % (zzgl. SolZ) führen. Da eine Steuerpflicht für Streubesitzdividenden jedoch erst für Fälle gilt, bei denen die Dividende nach dem 28.2. 2013 zugeflossen ist, war der deutsche Gesetzgeber dazu veranlasst, für Fälle vor dem Inkrafttreten von § 8b Abs. 4 KStG eine rückwirkende gesetzliche Regelung zu schaffen, die eine Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer auch für ausländische Anteilseignerkapitalgesellschaften ermöglichen sollte (§ 32 Abs. 5 KStG). § 32 Abs. 5 KStG ist erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die im Kalenderjahr 2013 zugeflossen sind (§ 34 Abs. 13b Satz 3 KStG).

1.139 Die Erstattungsregelung des § 32 Abs. 5 KStG gilt jedoch nur für EU/EWR-Sachverhalte. Dritt-

staatsgesellschaften, die Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften halten, werden schlechter gestellt, obwohl sie – wie nachfolgend dargestellt – dem Grunde nach auch einen Erstattungsanspruch haben. Drittstaatsgesellschaften befinden sich in einer vergleichbaren Situation wie EU/EWR- und inländische Gesellschaften in Bezug auf die Quellenbesteuerung von Dividenden in Deutschland. Allein schon die Ausübung der Steuerhoheit durch einen Mitgliedstaat birgt nämlich unabhängig von einer Besteuerung in einem anderen Staat die Gefahr einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in sich. In einem solchen Fall hat der Staat des Sitzes der ausschüttenden Gesellschaft dafür zu sorgen, dass die gebietsfremden Empfängergesellschaften eine Behandlung erfahren, die derjenigen der gebietsansässigen Empfängergesellschaften gleichwertig ist, damit sie sich nicht einer grundsätzlich verbotenen Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit ausgesetzt sehen.2 Die beschriebene Ungleichbehandlung der Dividenden, je nachdem, ob sie an gebietsansässige oder drittstaatsansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden, kann Gesellschaften 1 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670. 2 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670, Tz. 57.

72 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.141 Kap. 1

mit Sitz in jenen Drittstaaten von Investitionen in Deutschland abhalten und auch ein Hindernis für die Beschaffung von Kapital durch gebietsansässige Gesellschaften bei Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten darstellen. Folglich stellen die betreffenden Rechtsvorschriften eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nach Art. 63 AEUV grundsätzlich verboten ist. Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung durch im Allgemeininteresse liegende Rechtfertigungsgründe hat der EuGH für EU- und EWR-Sachverhalte bereits verneint. Da er im Zusammenhang mit Drittstaatssachverhalten bisher keine anderen Rechtfertigungsgründe anerkannt hat bzw. die bisher anerkannten Rechtfertigungsgründe nicht weiter ausgelegt hat als im Binnenmarkt, ist auch im Verhältnis zu Drittstaatsgesellschaften eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht möglich. Insbesondere scheitert die Berufung auf möglicherweise fehlende Auskunftsmöglichkeiten im Verhältnis zu Drittstaaten an den mit Auskunftsklauseln versehenen DBA sowie dem fehlenden Bedürfnis nach bestimmten Auskünften.1 Die o.g. Erstattungsregelung des § 32 Abs. 5 KStG, mit der das Urteil für die Vergangenheit umgesetzt wurde, müsste somit aus unionsrechtlicher Sicht rückwirkend auch Dividendenempfängern aus Drittstaaten zugänglich gemacht werden. Neben der Erstattung der Kapitalertragsteuer besteht das Risiko, dass die Erstattungsbeträge mit 6 % p.a. verzinst werden müssen, selbst wenn das nationale Recht keine Vorschrift für eine derartige Verzinsung vorhält. Das EuGH-Urteil in der Rechtssache Irimie deutet in diese Richtung.2 Soweit Versicherungen und Pensionsfonds in Drittstaaten betroffen sind, ergibt sich unionsrechtlich folgendes Bild: Dividenden, die an Versicherungen oder Pensionsfonds gezahlt werden, unterliegen wegen § 8b Abs. 8 Satz 5 KStG i.V.m. § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG grundsätzlich der Kapitalertragsteuer. Anders als bei den o.g. Kapitalgesellschaften sind diese Dividendeneinkünfte bei inländischen Pensionsfonds und Versicherungen aber Gegenstand der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage, weil § 8b Abs. 1 KStG nicht greift. Sie unterliegen somit der deutschen Körperschaftsteuer. Die Dividendeneinkünfte unterliegen daher sowohl im Inlands- als auch im Auslandssachverhalt einer Körperschaftsteuerbelastung von 15 %. Inländische Pensionsfonds haben jedoch die Möglichkeit, durch den Betriebsausgabenabzug ihr zu versteuerndes Einkommen im Ergebnis auf null zu reduzieren. Die gezahlte Kapitalertragsteuer wird nach § 31 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG dann auf die Steuerschuld angerechnet und erstattet. Es besteht das Risiko, dass der EuGH eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts aufgrund der Abgeltungswirkung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG und der damit fehlenden Möglichkeit des Betriebsausgabenabzugs erblickt. Die Begründetheit der Erstattungsansprüche hängt daher wesentlich von der Beurteilung des EuGH ab, ob von ausländischen Pensionsfonds dargelegte, mit den inländischen Dividenden in Zusammenhang stehende Aufwendungen (z.B. Deckungsrückstellungen gem. § 21a KStG) in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den inländischen Einkünften stehen.

1.140

Die Stand-Still-Klausel nach Art. 64 AEUV greift vorliegend nicht, da die Beschränkung, die sich aus § 32 Abs. 5 KStG ergibt, nicht vor dem 31.12.1993 bestand und somit das zeitliche Kriterium des Art. 64 AEUV nicht erfüllt ist.

1.141

Bei Streubesitzbeteiligungen von Drittstaatspensionsfonds oder anderen Fonds würde die StandStill-Klausel selbst dann nicht greifen, wenn das zeitliche Kriterium erfüllt wäre. Die reine Kapitalanlage eines Fonds an einer Kapitalgesellschaft stellt keine Kapitalbewegung im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen von Finanzinstituten dar. Es fehlt der nach Art. 64 AEUV geforderte Kausalzusammenhang zwischen den Kapitalbewegungen und der Erbringung der Finanzdienstleistung. Ein Grundsatzurteil zur Dividendenbesteuerung stellt das Urteil der Großen Kammer des EuGH in der Rechtssache Test Claimants in the FII Group Litigation dar.3 Ihm folgte das Urteil in der Rechts1 EuGH v. 10.4.2014 – Rs. C-190/12 – Emerging Markets, ECLI:EU:C:2014:249. 2 EuGH v. 18.4.20134 – Rs. C-565/11 – Irimie, ECLI:EU:C:2013:250. 3 EuGH v. 13.11.2012 – Rs. C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707.

Sydow | 73

Kap. 1 Rz. 1.142 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht sache Emerging Markets Series zu Drittstaatsinvestmentfonds.1 Hier hat der EuGH entschieden, dass eine Regelung, nach der eine Befreiung von der Quellensteuer nicht für die Dividenden gilt, die Gesellschaften an einen in einem Drittstaat ansässigen Investmentfonds ausschütten, nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist. Es besteht damit unionsrechtlich ein außerordentlich hohes Risiko, dass die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 32 Abs. 5 KStG, die auf inländische Dividenden einbehalten wurde, auf Drittstaatsgesellschaften sowie auf EU/EWR- und Drittstaatsfonds auszudehnen ist und allen noch nicht bestandskräftig veranlagten Fällen zugutekommen muss. Weiterhin besteht ein gewisses Risiko, dass die Erstattung auch auf Drittstaatspensionsfonds auszudehnen ist.2 Es dürfte außer Zweifel stehen, dass die in § 11 Abs. 2 InvStG geregelte Erstattung von Kapitalertragsteuer an inländische Investmentfonds bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf ausländische Investmentfonds einschließlich Drittstaaten-Investmentfonds ausgedehnt werden muss. Der Entwurf des Neukonzepts des Investmentsteuerrechts sieht für die Zukunft eine Gleichbehandlung (Steuerpflicht) für inländische und ausländische Fonds vor, die dem Unionsrecht entspricht.

1.142 Somit lässt die Rechtsprechung des EuGH folgende Linie erkennen: Besteuert der Ansässigkeits-

staat der Kapitalgesellschaft die Gesellschaft und den Gesellschafter, so setzt er die Ursache für die Doppelbelastung. Sieht er Entlastungsmaßnahmen für Ansässige vor, so muss er diese auch Nichtansässigen gewähren. Erhebt er auf die Dividende eine Quellensteuer, so muss er ggf. in einem DBA sicherstellen, dass diese nicht zu einer endgültigen Belastung wird. d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat

1.143 Der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers sieht sich in einer vergleichbaren Lage wie der

Staat der Gesellschaft, wenn er zur Vermeidung der Doppelbelastung beim Dividendenempfänger Entlastungsmaßnahmen vorsieht, weil er ja bereits die Gesellschaft mit Körperschaftssteuer belastet hat. Aufgrund dieser Erwägung versagen Staaten die günstigere Besteuerung von Inlandsdividenden auch für Auslandsdividenden. Bei der Besteuerung der Dividenden beim Empfänger wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung beim Voll- oder Teilanrechnungssystem berücksichtigt. Auch Teileinkünfteverfahren beruhen auf diesem Gedanken. Da bei Auslandsdividenden ein Staat die Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft nicht kassiert, verweigern Staaten oft die geminderte Besteuerung dieser Dividenden.

1.144 Der EuGH hat erstmals am 6.6.2000 in der Rechtssache Verkoijen3 über einen derartigen Fall zu entscheiden gehabt.

Herr Verkoijen war in den Niederlanden ansässig und hielt Aktien der belgischen Petrofina NV. 1991 erhielt er eine Dividende, die in Belgien mit einer Quellensteuer von 25 % besteuert wurde. In den Niederlanden wurde die Dividende ebenfalls besteuert, wobei jedoch der Dividendenfreibetrag des niederländischen Steuerrechts verweigert wurde, da dieser nur für Dividenden niederländischer Gesellschaften gewährt wurde. Der EuGH stellte fest, dass die Verweigerung des Freibetrages für Auslandsdividenden in den Niederlanden Ansässige davon abhalten kann, ausländische Aktien zu erwerben. Da die Folge eine geringere Rendite ist, lag ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor (Tz. 34 des Urteils). Aber auch ausländische Kapitalgesellschaften werden in ihrer Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung behindert (Tz. 35 des Urteils). Die Niederlande trugen als Rechtfertigung vor, durch die Versagung des Freibetrages solle die Investition von Niederländern in den Niederlanden gefördert werden (Tz. 47 des Urteils), was geradezu ein klassisches dem Binnenmarkt widersprechendes Motiv ist. Diese Entscheidung wurde in dem finnischen Verfahren Manninen bestätigt.4 1 EuGH v. 10.4.2014 – Rs. C-190/12 – Emerging Markets Series, ECLI:EU:C:2014:249. 2 Vgl. Vorlage des FG München v. 23.10.2017 – 7 K 1435/15, juris, an den EuGH – EuGH Rs. C-641/17 – College Pension Plan of British Columbia; dazu Forchhammer, IStR 2017, 1029–1037. 3 EuGH v. 6.6.200 – Rs. C-35/98 – Verkoijen, ECLI:EU:C:2000:294. 4 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484.

74 | Sydow

F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.145 Kap. 1

Nach diesen beiden Entscheidungen war zu erwarten, dass die Verweigerung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer unter Geltung des damaligen deutschen Vollanrechnungsverfahrens vom EuGH ebenfalls als unionsrechtswidrig eingestuft werden würde. Dies entschied der EuGH im Verfahren Meilicke entsprechend.1 Durch das Vollanrechnungsverfahren wurde die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von ausgeschütteten Gewinnen (Besteuerung bei der Gesellschaft und bei dem Anteilseigner) vermieden, indem die von der Gesellschaft geschuldete Körperschaftsteuer auf die von dem Gesellschafter zu tragende Steuerlast angerechnet wurde. Die Durchführung des Vollanrechnungsverfahrens war davon abhängig, dass die Steuergutschrift zugunsten des Anteilseigners mit der Steuerbelastung der Dividenden korrespondierte. Zu diesem Zweck wurde auf der Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft zunächst für jeden Einkommensteil die darauf lastende Körperschaftsteuer ermittelt. Anschließend wurde anlässlich der Ausschüttung die effektive Belastung in der Weise nach oben oder unten korrigiert, dass die ausgeschütteten Beträge einheitlich mit einer Körperschaftsteuer von 30 % belastet waren. Es wurde also bei Ausschüttungen ein einheitlicher Steuersatz erhoben, der mit dem Anrechnungsbetrag beim Anteilseigner korrespondierte. Die Ausschüttungsbelastung von 30 % führte auf der Ebene der Gesellschaft zu einer Körperschaftsteuerminderung, wenn dem EK 45 zugehörige Gewinne nicht einbehalten, sondern ausgeschüttet wurden (Steuersatz statt 45 % nur 30 %). Der Gerichtshof entschied, dass die Art. 56 und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Steuerregelung entgegenstehen, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner nur dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat hat, nicht aber dann, wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Aufgrund dieses Urteils steht fest, dass Deutschland unter der Geltung des sog. Vollanrechnungsverfahrens verpflichtet war, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden auch in den Fällen zu vermeiden, in denen die Dividende von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft stammte und dass damit grundsätzlich auch in grenzüberschreitenden Fällen ein Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer bestand. Es stellte sich die Nachweisfrage als ein Folgeproblem, da die Anrechnung der Körperschaftsteuer an die Vorlage einer Körperschaftsteuerbescheinigung der ausschüttenden Gesellschaft geknüpft war.2 Da die ausländischen Gesellschaften keine ausländischen Steuerbescheinigungen ausgestellt hatten, führte dies zu der Frage,3 ob die ausländische Körperschaftsteuerbelastung auch anders nachgewiesen werden kann. Der EuGH4 stellte klar, dass eine Schätzung der ausländischen Steuer ausscheide und zugunsten einer wirksamen steuerlichen Kontrolle keine niedrigeren Anforderungen an den Nachweis im Auslandssachverhalt gestellt werden dürften. Die Geltendmachung von im Ausland gezahlter Körperschaftsteuer dürfe nur nicht praktisch unmöglich gemacht werden. Allerdings müssen die Bescheinigungen so detailliert sein, dass auf ihrer Grundlage zweifelsfreie Berechnungen möglich sind. In seinem Schlussurteil entschied der BFH5, dass die anzurechnende ausländische Körperschaftsteuer nicht anders als die inländische Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuerfestsetzung als Einkunft zu erfassen ist. Bei der Berechnung des Anrechnungsbetrags müssen dem BFH zufolge sowohl die von der im Sitzmitgliedstaat der ausschüttenden Gesellschaft tatsächlich entrichtete Steuer, wie sie sich aus den auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen anwendbaren allgemeinen Regeln und aus dem Satz der Körperschaftsteuer im Sitzmitgliedstaat ergibt6 als auch die vom Gesetz ausdrücklich angeordnete Verwendungsreihenfolge berücksichtigt werden. Dies 1 EuGH v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, ECLI:EU:C:2007:132. 2 §§ 36 Abs. 2 Nr. 3, 44 f. EStG a.F. 3 EuGH v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, ECLI:EU:C:2011:438; vgl. Mössner in FS Rengeling, Köln 2008, 339 ff. (352). 4 EuGH v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, ECLI:EU:C:2011:438. 5 BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12, BFHE 249, 99. 6 BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12, BFHE 249, 99, Rz. 32.

Sydow | 75

1.145

Kap. 1 Rz. 1.146 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht führt gleich zu mehreren Problemen des Nachweises, vor allem, weil es im Auslandsachverhalt keine Anhaltspunkte für eine Verwendungsreihenfolge und somit auch keine Verwendungsfiktion gibt. Der BFH kritisiert den Gesetzgeber, der insoweit untätig geblieben sei. Dies ist jedoch nicht evident. Eine Forderung an den deutschen Gesetzgeber, die Regelung zugunsten von Auslandssachverhalten zu ändern, kann dem EuGH-Urteil Meilicke II nicht entnommen werden. Durch Art. 56 und 58 EG wird nur vorgegeben – wie es der Gerichtshof bereits in der Rechtssache Meilicke I entschieden hat –, dass ausländische Körperschaftsteuer anzurechnen ist, dass aber die nähere Ausgestaltung dieses Anspruchs, bspw. in Bezug auf die Höhe der Anrechnung und die beizubringenden Nachweise, den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer nationalen Rechtsvorschriften überlassen bleibt.

1.146 Im Halb- bzw. ab 2008 Teileinkünfteverfahren wird kein Unterschied mehr gemacht, ob der Inländer die Dividenden von einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft erhält. Insofern ist das Verfahren nun unionsrechtskonform.1 e) Ergebnis

1.147 Die Rechtsprechung zeigt deutlich das Verständnis des EuGH der Grundfreiheiten als Diskrimi-

nierungsverbote. Dies bedeutet für ihn, dass ein Staat das von ihm gewählte System der Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung auf jeder Stufe – bei der Kapitalgesellschaft selbst und bei der Besteuerung des Anteilseigners – Inländern und Ausländern in gleicher Weise gewähren muss.2 Führt dies im Ergebnis gleichwohl zu Belastungen oder Vergünstigungen, da die Systeme nicht aufeinander abgestimmt sind, so ist dies angesichts der fehlenden Harmonisierung hinzunehmen. 4. Finanzierung

1.148 Viele Staaten sehen unilateral in ihrem nationalen Recht – wie Deutschland – oder im Wege eines

DBA Steuerfreiheit vor, wenn Kapitalgesellschaften Gewinnausschüttungen anderer Kapitalgesellschaften erhalten. Üblicherweise ist dies an eine Mindestbeteiligungsquote geknüpft (Schachtelprivileg), kann aber auch wie in Deutschland mit § 8b Abs. 1 KStG voraussetzungslos gewährt werden. Ist die Beteiligung selbst mit Kredit finanziert worden, so stellt sich die Frage der Abziehbarkeit der entsprechenden Finanzierungsaufwendungen, in der Regel der Bankzinsen (vgl. auch Kapitel 11 zu internationalen Finanzierungen).

1.149 Der vom EuGH entschiedene Musterfall ist die Rechtssache Bosal.3 Das niederländische Steuerrecht ließ Ausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nicht zum Abzug zu. Als solche wurden auch Kosten von Krediten definiert, die sechs Monate vor dem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aufgenommen wurden. Die Dividenden, die Bosal von den neun Tochtergesellschaften erhielt, waren in den Niederlanden steuerfrei. Trotz Steuerfreiheit der Dividenden konnten die Zinsaufwendungen dann abgezogen werden, wenn sie zur Erzielung von in den Niederlanden zu versteuernden Einkünften führen. Dies ist bei niederländischen Tochtergesellschaften der Fall, aber auch, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft in den Niederlanden eine Betriebsstätte unterhält, nicht aber bei ausländischen Tochtergesellschaften ohne Betriebsstätten in den Niederlanden. Hierin sah der Gerichtshof eine nicht zurechtfertigende Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit. Bemerkenswert ist, dass die MTR den Ausschluss von Finanzierungsaufwand bei steuerfreien 1 Zur europarechtlichen Motivation bzgl. der Einführung des (Halb-)Teileinkünfteverfahrens vgl. Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 4 m.w.N. 2 Vgl. auch EuGH v. 19.11.2009 – Rs. C-540/07 – Kommission/Italien, ECLI:EU:C:2009:717. 3 EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.152 Kap. 1

Dividenden zulässt.1 Darin sieht der EuGH einen Verstoß der RL gegen höherrangiges Vertragsrecht (Rz. 22 ff., 41 des Urteils). 5. Wegzugsbesteuerung Die nationalen Vorschriften sehen neben Spezialregelungen im Umwandlungssteuerrecht in § 4 Abs. 1 EStG, § 4g EStG, 36 Abs. 5 EStG, § 6 AStG und § 12 KStG eine Besteuerung stiller Reserven bei Wegzug des Steuerpflichtigen oder Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland vor. Dies ist eine gängige Besteuerungsform in Europa und synonym auch als Entstrickungsbesteuerung oder Exit Tax bzw. Wegzugsbesteuerung bezeichnet. In den Wirtschaftsgütern sammeln sich im Laufe der Jahre Wertsteigerungen, die sog. stillen Reserven, die in einem reinen Inlandsfall erst bei sog. Realisation besteuert werden, also z.B. bei Verkauf. Verzieht nun ein Steuerpflichtiger oder verbringt er Wirtschaftsgüter über die Grenze, kann der Ansässigkeitsstaat diese stillen Reserven nicht mehr besteuern, weil er aufgrund der DBA i.V.m. den nationalen Vorschriften sein Besteuerungsrecht verliert. Die Fälle sind vielfältig:

1.150

Beispiele: Der im Inland ansässige X ist an der inländischen GmbH D beteiligt. Er verzieht in die Niederlande. Bei einer Veräußerung der GmbH-Anteile schließt das DBA-Niederlande eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns in Deutschland aus. Die deutsche Y-GmbH verlegt ihre tatsächliche Geschäftsleitung ins Ausland. „Mitziehende“ Wirtschaftsgüter können nicht mehr im Inland besteuert werden, wenn ein DBA dies ausschließt. Das deutsche Unternehmen verlagert Wirtschaftsgüter in seine ausländische Betriebsstätte oder verlagert den gesamten Betrieb ins Ausland. Das ausländische Unternehmen verlegt eine deutsche Betriebsstätte nach Spanien.

Gemeinsam ist diesen Fällen, dass in den Wirtschaftsgütern stille Reserven vorhanden sind, die sich gebildet haben, als diese der inländischen Besteuerung unterlagen.

1.151

In der beschriebenen Situation stellt sich eine Reihe von Fragen: – Darf ein Staat die in seinem Gebiet entstandenen stillen Reserven besteuern, wenn das betreffende Wirtschaftsgut sein Staatsgebiet und dadurch seinen steuerlichen Zugriff verlässt? – Ist der Wegzug ein hinreichendes Element, um eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven zu rechtfertigen? – Falls nein: Wie kann der Staat sicherstellen, dass er bei einer späteren Realisation der stillen Reserven seinen Anteil versteuern kann? In Form einer Sicherheitsleistung? – Welche Auswirkungen haben nach dem Wegzug eintretende Umstände, z.B. Senkung oder Erhöhung des Steuersatzes, Zerstörung des Gegenstands, Veräußerung zu einem niedrigen Preis? – Kann der Staat verlangen, dass der Wegziehende Zinsen für die Zeit zwischen Wegzug und Realisation zahlt? Die nationalen Steuersysteme aller Unionsmitgliedstaaten sehen für die geschilderten Fälle Wegzugsbesteuerungsregelungen vor. Die Kommission hat diese Vorschriften flächendeckend durch Vertragsverletzungsverfahren aufgegriffen, weil sie in ihnen einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit sah.2 Der EuGH ist dem im Wesentlichen nicht gefolgt.

1 RL v. 23.6.1990 – 90/435/EEC, Art. 4 Abs. 2. 2 EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-269/09 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2012:439; v. 6.9.2012 – Rs. C38/10 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2012:521; v. 31.1.2013 – Rs. C-301/11 – Kommission/Niederlande, ECLI:EU:C:2013:47 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:264 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller.

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1.152

Kap. 1 Rz. 1.152 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Der EuGH hatte sich vor einigen Jahren mit der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen auseinandergesetzt und dazu zwei grundlegende Entscheidungen getroffen. In jüngerer Vergangenheit hat er einige Grundsatzurteile zur Wegzugsbesteuerung im betrieblichen Bereich gefällt. Alles deutet darauf hin, dass damit seine ältere Rechtsprechung überholt sein dürfte. Dazu im Einzelnen: – Entscheidungen zum Wegzug natürlicher Personen Rechtssache de Lasteyrie du Saillant:1 Die erste grundlegende Entscheidung zur Wegzugsbesteuerung betraf die französische Regelung über den Wegzug einer natürlichen Person und die Auswirkung auf Anteile an Kapitalgesellschaften, wie sie ähnlich in § 6 AStG vorgesehen ist. In der Rechtssache de Lasteyrie du Saillant wurde die französische Wegzugsbesteuerung deshalb beanstandet, weil sie als Steuerfluchtbekämpfungsmaßnahme ausgestaltet war, dieses Ziel aber inkonsequent verfolgte. Nach dieser Entscheidung wurde § 6 AStG geändert. Der BFH hat mit Beschluss vom 23.9.20082 ernstliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Neuregelung verneint. Rechtssache N:3 Auch dieser Fall betraf den Wegzug – diesmal eines Niederländers – mit Auswirkungen auf die Anteile an Kapitalgesellschaften. N. wurde auf seinen Antrag hin die beim Wegzug festgesetzte Steuer gegen Sicherheitsleistung gestundet.4 Außerdem wurden spätere Wertverluste von einer Berücksichtigung ausgeschlossen. Der EuGH hat im Urteil N nur ein solches System als verhältnismäßig hingenommen, welches Wertminderungen, die nach der Wohnsitzverlegung eintreten, bei der Eintreibung der beim Wegzug festgesetzten Steuer vollständig berücksichtigt, „soweit sie nicht bereits im Aufnahmemitgliedsstaat berücksichtigt werden.“5 – Entscheidungen zum betrieblichen Bereich Rechtssache National Grid Indus:6 Diese Entscheidung stellt die grundlegenden Weichen für die Wegzugsbesteuerung.7 In dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt verlegte eine niederländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz nach Großbritannien und war nach dem DBANiederlande/Großbritannien dadurch dort ansässig geworden. In ihrem Vermögen hielt sie eine Forderung in britischen Pfund. Wegen der Kurssteigerung dieser Währung gegenüber dem niederländischen Gulden war ein (in den Niederlanden aufgrund der Bilanzierung in Gulden nicht realisierter) Kursgewinn von ca. 22 Mio. NLG entstanden, den die Niederlande besteuerten. Der EuGH entschied, dass es keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt, wenn ein Staat zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse die Steuer auf die stillen Reserven endgültig – ohne Berücksichtigung möglicherweise später eintretender Wertminderungen oder Wertzuwächse – zum Zeitpunkt der Sitzverlegung festsetzt.8 Davon zu trennen sei die sofortige Erhebung der Steuer, die im Wegzugszeitpunkt ggf. unverhältnismäßig sein könne.9 Die Mitgliedstaaten sollten dem Steuerpflichtigen daher ein Wahlrecht einräumen, statt der sofortigen Zahlung des Steuerbetrags eine Aufschiebung der Zahlung dieses Steuerbetrags, ggf. zzgl. Zinsen und Sicherheitsleistung, bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung des Wertzuwachses zu verlangen.10 Der Gerichtshof hat dabei die Vor- und Nachteile der jeweiligen Wahl verdeutlicht: Eine sofortige Zahlung der festgesetzten Steuer führt zu einem Liquiditätsnachteil, weil in diesem Zeitpunkt möglicherweise keine Mittelzuflüsse erfolgt sind oder diese nur teilweise stattfinden, bspw. durch einen sog. Step-up im Aufnahmemitgliedstaat, d.h. Ab1 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, ECLI:EU:C:2004:138; die Entsch. v. 21.11. 2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, ECLI:EU:C:2002:704, kann in gewisser Weise bereits als Vorläufer gewertet werden (grenzüberschreitende Einbringung von Anteilen). 2 BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524. 3 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 –N, ECLI:EU:C:2006:525. 4 Die später durch eine Verwaltungsmaßnahme ausgesetzt wurde. 5 EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 –N, ECLI:EU:C:2006:525, Tz. 37 u. 54. 6 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785. 7 Henze, ISR 2016, 247; vgl. zu der grunds. Frage auch Dobratz, ISR 2016, 173. 8 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Tz. 64. 9 Vgl. EuGH v. 23.11.2017 – Rs. C-292/16 – A Oy, ECLI:EU:C:2017:888. 10 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Tz. 65.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.153 Kap. 1

schreibung der Wirtschaftsgüter vom Teilwert und damit höheres AfA-Volumen. Andererseits wird die Gesellschaft dadurch aber vom späteren Verwaltungsaufwand befreit. Der EuGH hält die Mitgliedstaaten auch für berechtigt, einen Zahlungsaufschub mit der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen entsprechend den geltenden nationalen Regelungen sowie der Pflicht zur Gestellung von Sicherheiten zu verbinden.1 Der EuGH ist in seinem Urteil in der Vertragsverletzungsklage Kommission/Dänemark2 noch einen Schritt weitergegangen und hat als unionsrechtskonform anerkannt, dass die Mitgliedstaaten einen anderen die Fälligkeit der Steuer auslösenden Anknüpfungspunkt vorsehen können als die Realisierung selbst, sofern das Wirtschaftsgut sich nicht abnutzt, nicht zur Veräußerung bestimmt ist oder eine tatsächliche Realisierung aufgrund der Natur des betroffenen Wirtschaftsguts nicht möglich ist,3 was auf alle immateriellen Wirtschaftsgüter wie die dem entschiedenen Fall zugrunde liegenden Patente zutrifft. Er hat zudem ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Wegzugsbesteuerungssysteme keine Abstimmung auf das jeweils andere System vornehmen müssen. Der Umstand, dass sich die in anderen Mitgliedstaaten gewählten Lösungen unterscheiden können von derjenigen, die Dänemark in Betracht ziehen wird, hat keinen Einfluss auf das Recht Dänemarks, nach der Verbringung des Wirtschaftsguts in einen anderen Mitgliedstaat, die Steuer auf die stillen Reserven zu erheben, wenn die genaue Summe der Steuerschuld im Zeitpunkt der besagten Verbringung bestimmt ist.4 Im Hinblick auf die deutsche Fünftelungsregelung zur Besteuerung von stillen Reserven bei Wegzug hat der EuGH in seinem Urteil DMC zur Wegzugsbesteuerung5 klar die Aussage getroffen, dass die gestreckte Besteuerung der stillen Reserven über fünf Jahre als (einzige) Alternative zur Sofortbesteuerung unionsrechtskonform ist.6 Der EuGH verlangt also in diesem Fall nicht – wie vielfach angenommen wurde – dass dem Steuerpflichtigen in grenzüberschreitenden Wegzugsfällen zusätzlich noch ein Wahlrecht eingeräumt werden muss, die Steuer auf die stillen Reserven erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven zu zahlen. Die Grundkonzeption des § 4g EStG sowie des § 36 Abs. 5 EStG sind mit der Entscheidung bestätigt worden. Noch offen ist die Frage, ob das Freizügigkeitsabkommen der EU mit der Schweiz dazu führt, dass für die Besteuerung stiller Reserven bei einem Wegzug in die Schweiz nicht die Grundsätze in Drittstaatsfällen, sondern diejenigen der EuGH-Rspr. in EU-/EWR-Fällen gelten.7 Diese steuerlichen Erwägungen berühren nicht die gesellschaftsrechtlichen Regelungen für eine grenzüberschreitende Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EU.8 Für den EuGH ist ent1 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Tz. 73 f.; in den grundlegenden Grundsätzen von EuGH v. 21.12.2016 – Rs. C-503/14 – EU-KOM gegen Portugiesische Republik, ECLI:EU:C:2016:979 bestätigt auch für Anteilstausch und Sacheinlage, die in einem rein portugiesischen Sachverhalt die Buchwertfortführung ermöglichten, im Auslandssachverhalt jedoch mit einer Exit-Tax verbunden waren; vgl. zu der Problematik von Zinsen und Sicherheiten Gosch, IWB 2012, 779 (784). 2 EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-261/11 – Kommission/Dänemark, ECLI:EU:C:2013:480, Tz. 37; Sydow, IStR 2013, 663. 3 EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-261/11 – Kommission/Dänemark, ECLI:EU:C:2013:480, Tz. 35 ff. 4 EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-261/11 – Kommission/Dänemark, ECLI:EU:C:2013:480, Tz. 38. 5 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20, Tz. 62 f. 6 So auch EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller; Schlussurteil des FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/11 F, juris = IStR 2016, 118 m. Anm. Mitschke. 7 EuGH – Rs. C-581/17 – Wächtler (Vorlagebeschluss des FG Baden-Württemberg v. 14.6.2017 – 2 K 2413/15, BB 2017, 2727). 8 Hierzu vgl. die Urteile des EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, ECLI:EU:C:1988:456; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512; v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723.

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1.153

Kap. 1 Rz. 1.154 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht scheidend, wie das Recht des Staats, unter dem eine Gesellschaft errichtet wurde, auf einen Wegzug – sei es durch Verlegung des Verwaltungssitzes oder des statuarischen Sitzes – reagiert. Den Systemen der Sitz- oder Gründungstheorie (s. Rz. 2.49 ff.; Rz. 6.2 ff.) entsprechend kann der Wegzug zur Liquidation der Gesellschaft führen oder nicht. Der EuGH hat das Recht des Wegzugsstaats anerkannt,1 über den Fortbestand einer unter seinem Recht gegründeten Gesellschaft im Wegzugsfall zu entscheiden. Daher kommt es zu den vorstehenden steuerlichen Fragen nur, wenn nach dem Recht des Wegzugsstaats die Verlegung nicht die Eigenschaft, eine Gesellschaft nach diesem Recht zu sein, beeinträchtigt. Der Aufnahmestaat hat diese Entscheidung des Wegzugsstaats anzuerkennen. 6. Hinzurechnungsbesteuerung

1.154 Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG (vgl. hierzu ausführlich Rz. 8.1 ff.) durchbricht

die Abschirm- und Aufschubwirkung2 der ausländischen Kapitalgesellschaft und besteuert deren Gewinn ohne Ausschüttung im Inland. Bei innerstaatlichen Beteiligungen wird die Eigenständigkeit einer Kapitalgesellschaft von Missbrauchsfällen abgesehen nicht angetastet. Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes3 die damalige britische Form der Hinzurechnungsbesteuerung verworfen, da die pauschale Besteuerung ohne Zulassung eines Motivtests eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit darstelle (Tz. 46 des Urteils). Dass durch die Hinzurechnung die Verlagerung von Gewinnen in ein günstiger besteuerndes Ausland bekämpft werden soll, rechtfertigt die Besteuerung nicht (Tz. 49 des Urteils). Die Inanspruchnahme von niedrigeren Steuern in einem anderen Mitgliedstaat durch die Gründung einer Tochtergesellschaft ist Ausübung der Niederlassungsfreiheit. Die Konkurrenz der Steuersysteme innerhalb Europas ist von den Staaten hinzunehmen, solange sie nicht unfair erfolgt. Gegen „rein künstliche Gestaltungen“ zur Vermeidung der Besteuerung können Staaten aber Maßnahmen ergreifen (Tz. 51 des Urteils). Ob eine ausländische Betätigung „rein künstlich“ ist, muss nach dem Ziel der Niederlassung im anderen Staat beurteilt werden (Tz. 53 des Urteils). Wird von der Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet, so ist dies nicht rein künstlich (Tz. 61 des Urteils). Die Niederlassungsfreiheit schützt eine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung in einem Mitgliedstaat. Nur wenn es nicht um die Inanspruchnahme der Freiheit, sondern nur um Steuerersparnis geht, sind Gegenmaßnahmen gerechtfertigt (Tz. 64, 65 des Urteils). Ob dies der Fall ist, haben letztlich die nationalen Gerichte festzustellen. Damit wird die Hinzurechnungsbesteuerung auf eine reine Missbrauchsbekämpfungsmaßnahme reduziert.

1.155 Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 8 Abs. 2 AStG durch das JStG 20084 auf

diese Rechtsprechung reagiert und lässt nunmehr einen Gegenbeweis in § 8 Abs. 2 AStG n.F. zu. Bei Einkünften von Kapitalanlagegesellschaften i.S.v. § 7 Abs. 6a AStG, die nicht inlandsbeherrscht i.S. von § 7 Abs. 2 AStG sind, ist ein solcher Gegenbeweis indes nicht vorgesehen. Diese Einkünfte werden bereits ab einer Beteiligung von 1 % gem. § 7 Abs. 6 AStG hinzugerechnet.5 Dies dürfte nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit in Einklang stehen.6 Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AStG setzt keine beherrschende Inlandsbeteiligung in einer Hand voraus. So kann die Beteiligung auch insgesamt beherrschend sein, sich aber aus vielen kleineren Beteiligungen zusammensetzen. Die Unionsrechtskonformität der Neuregelung wird daher insoweit zu Recht infrage gestellt.7 Dies könnte 1 Erneut bestätigt in EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Tz. 26 ff. 2 Vgl. hierzu Pohl in Fuhrmann3, Vor § 7–14 AStG Rz. 2. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544. 4 BGBl. I 2007, 3150. 5 Vgl. Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 291 f. 6 So auch BFH, EuGH-Vorlagebeschluss v. 12.10.2016 – I R 80/14, BB 2017, 660; vgl. auch Kahlenberg/ Schiefer, IStR 2017, 889. 7 FG Baden-Württemberg v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13, juris; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 292; Scheipers/Linn, IStR 2011, 601 ff.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.157 Kap. 1

höchstens bei Greifen der Stand-Still-Klausel des Art. 64 AEUV hinzunehmen sein. Die entsprechenden Vorschriften bestanden bereits am maßgeblichen Stichtag des 31.12.93. §§ 7 ff. AStG haben zu diesem Zeitpunkt bestanden. Das Umfeld hat sich verändert. Jedoch dürfte es zum einen am Vorliegen einer Direktinvestition fehlen, zum anderen könnte im Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungs- zum Teileinkünfteverfahren im Jahr 2001 ein relevanter Systemwechsel zu sehen sein, der die „Versteinerungswirkung“ des Art. 64 AEUV aufgehoben hat. Während die Hinzurechnungsbesteuerung zuvor die Funktion hatte, die ohnehin erfolgende Besteuerung passiver niedrigbesteuerter Einkünfte zeitlich vorzuziehen, bildet sie nach dem Systemwechsel und der neu in § 8b KStG geregelten Freistellung von Beteiligungserträgen erst die Grundlage für die Besteuerung. Zur allgemeinen Überraschung hat der EuGH in der sog. Switch-over-Klausel von § 20 Abs. 2 AStG, nach der die Anrechnungs- an Stelle der Freistellungsmethode eines DBA anzuwenden ist, wenn die ausländische Betriebsstätte sog. Zwischeneinkünfte erzielt, keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen.1 Die Begr. des Gerichts beruht darauf, dass bei der Anrechnungsmethode eine ausländische wie eine inländische Betriebsstätte behandelt werde (Rz. 40 des Urteils) und daher keine Diskriminierung vorläge. Obwohl somit die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG nicht gegen das Unionsrecht verstößt und der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat, dass der Switchover „ungeachtet des § 8 Abs. 2“ zu erfolgen habe,2 hat der BFH3 den Gegenbeweis i.S. des § 8 Abs. 2 AStG zugelassen und dadurch den Switch-over auf reine Missbrauchsfälle beschränkt.

1.156

III. Beschränkte Steuerpflicht 1. Einkünfteermittlung a) Leistungsfähigkeit Unter dem Aspekt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besteht prinzipiell zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen kein Unterschied: ein unterschiedlicher Wohnort indiziert keinen Unterschied in der Leistungsfähigkeit bei gleichem Einkommen. Dennoch erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung4 an, dass sich beide Arten von Steuerpflichtigen nicht in derselben Situation befinden. Denn grundsätzlich ist nur der Ansässigkeitsstaat in der Lage, durch die Besteuerung des Welteinkommens einen Gesamtüberblick über die Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu erhalten und seine persönliche Situation steuerlich am besten berücksichtigen zu können. Wegweisendes Urteil zur beschränkten Steuerpflicht ist das Urteil Schumacker.5 Der Kläger lebte mit seiner Frau und seinen Kindern in Belgien und war in Deutschland nichtselbständig beschäftigt. Da er seinen Wohnsitz in Belgien hatte, war er in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig. Von seinen Lohn wurde die Lohnsteuer nach der Steuerklasse I einbehalten, da beschränkt Steuerpflichtige unabhängig von ihrem Familienstand in die Steuerklasse I eingereiht wurden. Der Kläger beantragte, nach der Steuerklasse III inkl. Splitting besteuert zu werden und den zu viel einbehaltenen Betrag erstattet zu bekommen. Der Gerichtshof kam zunächst zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich zulässig ist, Gebietsansässige und Gebietsfremde aufgrund ihrer unterschiedlichen Lage anders zu behandeln. Etwas anders gelte aber dann, wenn der Gebietsfremde, wie im Ausgangsfall, in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte habe. Da dann der Ansässigkeitsstaat mangels Besteuerung die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigen kann, muss der Tätigkeitsstaat „einspringen“, 1 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, ECLI:EU:C:2007:754. 2 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 152 ff. m.w.N.; Schütz in Fuhrmann3, § 20 AStG Anm. 38. 3 BFH v. 20.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774. 4 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, Tz. 31. 5 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31.

Sydow | 81

1.157

Kap. 1 Rz. 1.157 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht in dem der Steuerpflichtige sämtliche oder doch zumindest 90 % seiner Einkünfte bezieht. Dann besteht zwischen ihm und einem Gebietsansässigen kein objektiver Unterschied mehr. Deutschland war insofern in der Pflicht, seine Einkommensbesteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen neu zu regeln und hat in § 1 Abs. 3 EStG ein Wahlrecht für beschränkt Steuerpflichtige eingeführt, auf Antrag als unbeschr. Stpfl. behandelt zu werden. Der EuGH hat im Verfahren Kieback1 seine in der Schumacker-Rechtsprechung aufgestellte 90 %Grenze auch für Sachverhalte bestätigt, bei denen ein Steuerpflichtiger sich in einem Jahr in mehr als zwei Ländern aufhält und es ihm somit faktisch nicht möglich ist, in einem Staat 90 % seiner Einkünfte zu erzielen. Das vorlegende niederländische Gericht wollte wissen, ob es gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt, wenn ein Mitgliedstaat bei einem gebietsfremden Arbeitnehmer, der in dem Staat einige Monate beruflich tätig war und dann in einen Drittstaat verzog, für die Frage der Verpflichtung der steuerlichen Berücksichtigung dessen persönlicher Verhältnisse darauf abstellt, ob dieser Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner in diesem Jahr insgesamt zu versteuernden Einkünfte erzielt hat. Für einen in den Niederlanden wohnenden Steuerpflichtigen war nämlich der Abzug negativer Einkünfte aus einer eigenen Wohnung möglich, auch wenn er im Laufe des Jahres in einen anderen Staat umzog und deshalb nicht seine gesamten oder nahezu gesamten Einkünfte dieses Jahres in dern Niederlanden bezog. Der Gerichtshof hat darin keinen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit erkannt. Er betonte, dass sich die im Urteil Schumacker entwickelte Rechtsprechung auf alle steuerlichen Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Steuerkraft des Gebietsfremden bezieht.2 Im Hinblick darauf führe der bloße Umstand, dass ein Gebietsfremder im Beschäftigungsstaat unter denselben Bedingungen Einkünfte erzielt habe wie ein in diesem Staat Ansässiger, daher nicht dazu, dass seine Lage mit der des Gebietsansässigen objektiv vergleichbar würde. Für die Feststellung einer solchen objektiven Vergleichbarkeit sei außerdem erforderlich, dass der Wohnmitgliedstaat nicht in der Lage sei, dem Gebietsfremden die Vorteile zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben, weil er den wesentlichen Teil seiner Einkünfte im Beschäftigungsmitgliedstaat bezieht. Ziehe ein Gebietsfremder im Lauf des Jahres in einen anderen Staat, um seine berufliche Tätigkeit dort auszuüben, spreche nichts für die Annahme, dass der Wohnsitzstaat allein aufgrund dieses Umstands nicht mehr in der Lage wäre, die Gesamteinkünfte sowie die persönliche Lage und den Familienstand des Betroffenen zu berücksichtigen. Da der Betroffene nach seinem Wegzug außerdem nacheinander oder sogar gleichzeitig in mehreren Ländern abhängig tätig sein und den Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen in das eine oder das andere dieser Länder verlegen könnte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Staat, in dem er vor seinem Wegzug berufstätig war, diese Lage einfacher beurteilen könne als der Staat oder gegebenenfalls die Staaten, in dem oder denen er nach seinem Wegzug wohnt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich herausstellte, dass der Betroffene in dem Beschäftigungsstaat, den er im Lauf des Jahres verlassen hat, in diesem Jahr den wesentlichen Teil seiner Einkünfte und praktisch seine gesamten Familieneinkünfte erzielt habe, so dass dieser Staat am besten in der Lage wäre, ihm die Vorteile zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben.3 Der EuGH hat diese Rechtsprechung für Fälle fortentwickelt, in denen der Wohnsitzstaat nicht zur Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse in der Lage ist und sich die Einkünfte auf mehrere Quellenstaaten aufteilen, ohne dass in einem davon der „wesentliche Teil der Einkünfte“ erzielt wird. Der EuGH hält es in diesen Fällen für geboten aber auch ausreichend, dass jeder dieser 1 EuGH v. 18.6.2015 – Rs. C-9/14 – Kieback, ECLI:EU:C:2015:406, Tz. 27 ff. = ISR 2015, 293 m. Anm. Henze. 2 EuGH v. 16.10.2008 – Rs. C-527/06 – Renneberg, ECLI:EU:C:2008:566, Tz. 63. 3 So zuletzt zugunsten einer frz. Staatsbürgerin und in Deutschland tätigen Beamtin hinsichtlich der Berücksichtigung französischer Sozialversicherungsleistungen als „Einkünfte“ beim Progressionsvorbehalt EuGH v. 22.6.2017 – Rs. C-20/16 – Bechtel, ECLI:EU:C:2017:488.

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F. Unionsrecht und direkte Steuern | Rz. 1.161 Kap. 1

Quellenstaaten dem beschränkt Steuerpflichtigen seine steuerlichen Vergünstigungen für unbeschränkt Steuerpflichtige in Bezug auf die Gesamtsteuerkraft und Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands anteilig zukommen lässt.1 Die Unterschiede beziehen sich vor allem auf die subjektive Leistungsfähigkeit, d.h. die Berücksichtigung persönlicher Lasten und des Familienstands, die üblicherweise dort erfolgt, wo die gesamte Leistungsfähigkeit einer Person ermittelt wird. Auch unter Bezugnahme auf das OECD-MA geht der EuGH davon aus, dass die Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit im Staat der unbeschränkten Steuerpflicht erfolgt.2 Im Verfahren Gerritse3 verlangt er daher nicht, dass einem beschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag gewährt wird. Dies lässt sich auf die anderen Elemente der subjektiven Leistungsfähigkeit insgesamt übertragen.

1.158

Soweit die objektive Leistungsfähigkeit betroffen ist, lassen sich Unterschiede der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht rechtfertigen, wobei der EuGH – noch – unterschiedliche Erhebungsformen der Steuern akzeptiert.4 Wird ein Ausländer mit seinen inländischen Einkünften in gleicher Weise wie ein Inländer erfasst, so müssen die Ermittlung der Einkünfte, gewährte Vergünstigungen und Steuersätze identisch sein.

1.159

b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens aa) Verlust der Betriebsstätte Ein Staat muss Verluste einer Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens in seinem Staatsgebiet berücksichtigen, wenn er dies den ansässigen Unternehmen ermöglicht. Verlustrücktrag und Verlustvortrag sind daher in gleicher Weise zu gewähren.5 Dass auch dies Probleme bereiten kann, zeigt die Entscheidung vom 15.5.1997 in der Rechtssache Futura.6

1.160

Die Betriebsstätte eines französischen Unternehmens in Luxemburg hatte mehrere Jahre Verluste erlitten, für die ein Verlustvortrag geltend gemacht wurde. Das Gericht sieht keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darin, dass Luxemburg nur solche Verluste als vortragsfähig anerkennt, die aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Ausländers in Luxemburg stammen, was letztlich durch das Unternehmen nachzuweisen ist. Da dieser Nachweis aber voraussetzte, dass die Buchführungsunterlagen in Luxemburg geführt wurden, sah das Gericht eine Benachteiligung des ausländischen Unternehmens. Daraus lässt sich folgern, dass eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten inländischer und ausländischer Unternehmen eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit bewirken kann, wenn die Verpflichtungen das ausländische Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Die Gleichbehandlungsverpflichtung erstreckt sich auch auf Regeln der DBA. Im Fall St.-Gobain7 ging es um die Frage, ob der deutschen Betriebsstätte einer französischen Kapitalgesellschaft das DBA-Schachtelprivileg zu gewähren sei, die diese Betriebsstätte von Tochtergesellschaften in an1 EuGH v. 9.2.2017 – Rs. C-283/15 – X, ECLI:EU:C:2017:102; s. dazu sowie zu den Schlussfolgerungen für die Unionsrechtmäßigkeit der Option zur unbeschränkten Steuerpflicht umfassend: Schmidt-Heß, IStR 2017, 549; zur Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit des Ausschlusses des Veranlagungswahlrechts für Drittstaatsangehörige FG Baden-Württemberg v. 7.6.2016 – 6 K 1213/14, EFG 2016, 1980 – Rev. I R 80/16 (anhängig). 2 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, Tz. 32. 3 EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, Tz. 48 f. 4 Vor allem pauschale Quellenbesteuerung vgl. Dauer/Simader in Eilmannsberger/Herzig, Jahrbuch des Europarechts 2010, 307 ff. (311 f.) m.w.N. 5 Indirekt folgt die Gleichbehandlungsverpflichtung der Betriebsstätte auch aus EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU:C:2008:588. 6 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 7 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain ZN, ECLI:EU:C:1999:438.

Sydow | 83

1.161

Kap. 1 Rz. 1.162 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht deren Staaten erhielt. Der EuGH hat dies bejaht. Auch die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG, wonach Betriebsstätten beschränkt Steuerpflichtiger ausländische Steuern gem. § 34c EStG anrechnen können, wenn ihre ausländischen Einkünfte im Inland besteuert werden, entspricht diesem Grundsatz. bb) Verluste des Stammhauses

1.162 Erleidet das Stammhaus Verluste, während die Betriebsstätte einen Gewinn erwirtschaftet, und be-

rücksichtigt der Betriebsstättenstaat den Verlust des ausländischen Stammhauses nicht, so macht dies eine Auslandsinvestition ungünstiger als eine Inlandsinvestition. Das Unternehmen zahlt im Betriebsstättenstaat Steuern, obwohl es insgesamt möglicherweise keinen Gewinn erzielt. In der Entscheidung Futura1 hat der EuGH dies hingenommen, da die Besteuerung der Betriebsstätte auf der beschränkten Steuerpflicht und damit auf dem Territorialitätsprinzip beruht. Dies bestätigt die vom EuGH anerkannte grundlegende Unterscheidung zwischen unbeschränkter Steuerpflicht mit der Besteuerung des Welteinkommens und der beschränkten Steuerpflicht mit der Erfassung nur des inländischen Einkommens. Obwohl bei der unbeschränkten Steuerpflicht ein Auslandsverlust mindernd berücksichtigt werden kann, sieht er keine Diskriminierung in der Nichtberücksichtigung bei beschränkter Steuerpflicht. Erst die Entwicklung einer einheitlichen gemeinschaftlichen europäischen Bemessungsgrundlage der Steuer würde zu einer Berücksichtigung von Auslandsverlusten innerhalb der EU führen.

1.163 Ansätze in dieser Richtung kann man in der Entscheidung vom 18.7.20072 sehen. Der Fall betrifft jedoch keine Betriebsstätte, sondern eine Privatperson:

A erleidet in seinem Wohnsitzstaat einen Verlust, im Arbeitsstaat, in dem A nahezu sein gesamtes Einkommen verdient, unterliegt er der beschränkten Steuerpflicht. Der EuGH hat in konsequenter Fortentwicklung der Rechtsprechung des Falls Schumacker (Rz. 1.157) den Arbeitsstaat verpflichtet, die Verluste im Ansässigkeitsstaat bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Dieser Forderung entspricht bereits § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG. 2. Vergünstigungen

1.164 Staaten sehen oft Vergünstigungen im Wege von steuerlichen Freibeträgen, Abzugsmöglichkeiten,

Rückstellungsmöglichkeiten, Zuschüssen oder günstigen Steuersätzen (kurz: Steuersubventionen) vor, um bestimmte Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen anzureizen oder zu unterstützen. Diese Subventionen haben vielfältige Gründe und Gestaltungsformen. Oft sind sie jedoch auf Vorgänge begrenzt, die sich im Inland abspielen. So können Spenden nur abziehbar sein, wenn sie für inländische gemeinnützige Zwecke gegeben werden. Investitionsvergünstigungen, z.B. die Investitionsabzugsbeträge gem. § 7g Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, werden nur für inländische Investitionen gewährt. In derartigen Fällen hat der EuGH in der Regel die Begrenzung auf das Inland abgelehnt. (Rz. 1.117). Er stellt jedoch strenge Anforderungen an die Nachweispflicht, die im Auslandssachverhalt grundsätzlich identisch mit den Anforderungen im Inland ausgestaltet sein darf, was vielfach in Auslandssachverhalten praktisch äußerst schwierig zu erfüllen sein dürfte.3 3. Steuersatz

1.165 In dem Urteil Gerritse4 kommt der EuGH zur Schlussfolgerung, dass sich im Hinblick auf die Pro-

gression Ansässige und Nichtansässige in einer vergleichbaren Situation befinden, wenn sie mit ihren Einkünften in vergleichbarer Weise besteuert werden. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, muss, da den beschränkt Steuerpflichtigen kein Existenzminimum und keine Berücksichtigung

1 2 3 4

EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-182/06 – Lakebrink, ECLI:EU:C:2007:452. Vgl. Sydow, NWB 2012, 2842. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, Tz. 53.

84 | Sydow

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.166 Kap. 1

persönlicher Lasten zusteht, ein entsprechender Betrag den der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden inländischen Einkünften hinzugerechnet werden.1

G. Qualifikationskonflikte Literatur: Gosch, Entwicklung und Rezeption der Rechtsprechung des EuGH aus Sicht des BFH, Ubg 2009, 73; Gosch, Vielerlei Gleichheiten, DStR 2007, 1553; Haslehner, Das Konkurrenzverhältnis der Europäischen Grundfreiheiten in der Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2008, 565; Herzig, Die Organschaft im Umbruch, DStR Beihefter zu Heft 30/2010, 6; Herzig/Kuhr, Grundlagen der steuerlichen Gewinnermittlung nach dem GKKB-Richtlinienentwurf, DB 2011, 2053; Heurung/Engel/Thiedemann, Ertragsteuerliche Organschaft im Lichte des Europarechts, FR 2011, 212; Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, Wiesbaden 2002; Kleinert/Nagler/Rehm, Gewinnbesteuerung nach „Art des Hauses“ mittels grenzüberschreitender Organschaft, DB 2005, 1869; Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990, 2573; Koch, Die steuerliche Einheit im Rahmen von Gruppenbesteuerungsmodellen, Norderstedt 2006; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010; Lampert, Die dynamische Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Beachtung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen, IStR 2012, 513; M. Lang, 2005 – Eine Wende in der steuerlichen Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten?, in Mellinghoff/Schön/Viskorf, Steuerrecht im Rechtsstaat (Festschrift Spindler), Köln 2011, S. 297; Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages, München 1982; Meilicke, Vertragsverletzungsverfahren wegen Diskriminierung von nach ausländischem Recht errichteten Organgesellschaften, DB 2009, 653; Mössner, Source vs. residence – an EU perspective, BIT 2006, 501; Mössner, Wegzugsbesteuerung, JbStB 2004/2005, 109; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381 (384); van Raad, Fractional taxation of multi-state income of EU resident individuals, Anderson u.a. (Hrsg.) Liber amicorum Sven-Olof Lodin, Stockholm 2001, S. 211; Rehm/ Nagler, Finanzgerichte beenden BMF-Moratorium zur Drittstaatenwirkung der Kapitalverkehrsfreiheit!, IStR 2011, 622; Rehm/Nagler, Neues von der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung!, IStR 2008, 129; Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung, Köln 2005; Schnitger, Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG beim Kapitalertragsteuerabzug – Auswirkungen der Entscheidung des EuGH vom 20.10.2011, DB 2012, 305; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragssteuerrecht, Düsseldorf 2006; Schnitger IStR Die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, 2005, 493; Schnitger, Grenzüberschreitende Körperschaftsteueranrechung und Neuausrichtung der Kohärenz nach dem EuGH-Urt. in der Rs. Manninen, FR 2004, 1357; Schön, Die Kapitalverkehrsfreiheit mit Drittstaaten und das internationale Steuerrecht, in Gocke u.a. (Hrsg.), FS Wassermeyer, München 2005, S. 489; Schön (Hrsg.), Tax competition in Europe (EATLP Lausanne), Amsterdam 2003; Schönfeld, EuGH konkretisiert Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten, DB 2007, 80; Schulz-Trieglaff; Der BFH und finale Verluste bei ausländischen Tochtergesellschaften, IStR 2011, 244; Schwenke, Kann ein Transfer ausländischer Verluste trotz „Finalität“ scheitern?; IStR 2011, 368; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Tübingen 2010; Völker, Kapitalverkehrsfreiheit für Drittstaatendividenden, IStR 2009, 705; Zorn, Die Verdrängungswirkung der EU-Grundfreiheiten am Beispiel Rs. Haribo, IStR 2012, 86; Zorn, Nochmals: Kapitalverkehrsfreiheit für Drittstaatendividenden, IStR 2010, 190; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, Köln 1969.

I. Primäres und sekundäres Unionsrecht 1. Einleitung Der Einfluss des europäischen Unionsrechts auf die internationale Unternehmensbesteuerung innerhalb der EU und zum Teil auch im Verhältnis zu Drittstaaten nimmt beständig zu. Die restriktive, auf Wahrung ihrer Steuersouveränität bedachte Haltung der Mitgliedstaaten hat bisher verhindert, dass die nationalen Steuersysteme sich durch gemeinsame Aktionen, von wenigen RL abgesehen, einander angenähert haben. Stattdessen ist ein Prozess „schleichender“ Anpassung zu beobachten, der durch den Steuerwettbewerb und die Rechtsprechung des EuGH angetrieben wird. 1 Vgl. BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 200, 22.

Sydow/Lampert | 85

1.166

Kap. 1 Rz. 1.167 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

1.167 Dies betrifft auch die Unternehmensbesteuerung. Die Senkung der Körperschaftsteuersätze und

die Maßnahmen gegen den unfairen Steuerwettbewerb1 sind Folgen des Steuerwettbewerbs. Im Mittelpunkt der Darstellung in diesem Abschnitt steht der Einfluss des EuGH auf die Unternehmensbesteuerung. Erstmals in der Entscheidung vom 28.1.19862 hat er die Schlechterstellung von Betriebsstätten ausländischer Unternehmen im französischen körperschaftsteuerlichen Anrechnungssystem als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. In weiteren Entscheidungen3 hat das Gericht dann konsequent die unterschiedliche Behandlung ansässiger und nichtansässiger Unternehmen als unionsrechtswidrig herausgestellt. Als Beispiele seien nur genannt: – Das Erfordernis, die Unterlagen und die Buchführung im Lande der Betriebsstätte zu halten (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), um den Verlustvortrag geltend zu machen, wurde beanstandet (Futura Participation).4 – Unterschiedliche Regelungen bei Abzugsfähigkeit von Zinsen bei Gesellschafterdarlehen (§ 8a KStG a.F.) wurden nicht hingenommen (Lankhorst-Hohorst).5 – Unterschiedliche gewerbesteuerliche Vorschriften für grenzüberschreitendes Leasing fanden keine Gnade bei den Luxemburger Richtern (Eurowings).6 Inzwischen hat der EuGH über einhundert Urteile zu den direkten Steuern gefällt. Eine immer größere Zahl von Bestimmungen des nationalen Steuerrechts wird als Folge auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht.7 2. Binnenmarkt und Steuern

1.168 Gemäß Art. 26 AEUV erlässt die EU die erforderlichen Maßnahmen, um den Binnenmarkt8 zu

verwirklichen. In ihrem Gebiet sollen Waren, Dienstleistungen und Menschen ohne Behinderungen rechtlicher oder technischer Art frei zirkulieren können. Eine Behinderung rechtlicher Art stellen Steuern dar.9 Im steuerlichen Kapitel (Art. 110–113 AEUV) sind Vorschriften über Abgaben und indirekte Steuern enthalten, die u.a. eine Harmonisierung der nationalen Steuern vorsehen. Entsprechende Normen für die direkten Steuern fehlen. Die Mitgliedsstaaten können ohne unionsrechtliche Vorgaben ihre direkten Steuern – d.h. Art der Steuern, Steuersätze, Methoden der Gewinnermittlung, Verfahren usw. – festlegen und dadurch die Standortbedingungen und den Binnenmarkt beeinflussen. Art. 115 AEUV ermöglicht immerhin den Erl. von RL zur Harmonisierung, soweit nationale Vorschriften sich unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken. Zum Schutz der nationalen Kompetenzen gilt hierbei Einstimmigkeit.

1 Grundlegend die Darstellung bei W. Schön (Hrsg.), Tax competition in Europe (EATLP Lausanne). 2 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:1986:37. 3 EuGH v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, ECLI:EU:C:1993:303; v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton, ECLI:EU:C:1994:127; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239; v. 16.7. 1998 – Rs. C-264/96 – ICI, ECLI:EU:C:1998:370; v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438; v. 26.10. 1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, ECLI:EU:C:1999:524; v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – X AB & Y AB, ECLI:EU:C:1999:566; v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 u. 410/98 – Metallgesellschaft/Hoechst, ECLI:EU: C:2001:134; (sog. aktive Einkünfte). 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239. 5 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, ECLI:EU:C:2002:749. 6 EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, ECLI:EU:C:1999. 7 Vgl. die jährliche Zusammenstellung Kessler/Spengel, Checkliste potenziell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts, zuletzt veröffentlicht 2018, DB 2018, Beilage Nr. 1 zu Heft 5, 1–37. 8 Nettesheim in G/H/N, Art. 4 AEUV Rz. 11; Bast in G/H/N, Art. 26 AEUV Rz. 12 ff.; Schroeder in Streinz2, Art. 26 AEUV Rz. 18 ff. 9 Cordewener, Grundfreiheiten S. 18 ff.; Kamann in Streinz2, Vor Art. 110 AEUV.

86 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.171 Kap. 1

3. Rechtsakte Die „Gesetzgebung“1 erfolgt im Zusammenwirken von Kommission, Parlament, Ausschüssen und Rat, wobei letzterer formal der „Gesetzgeber“ ist. Die hier interessierenden Rechtsakte sind die Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und die RL (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Für die Gesetzgebung der EU gelten das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung2 und das Subsidiaritätsprinzip.3 Die Verordnung ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.4 Eine wichtige Verordnung auch für den steuerlichen Bereich ist die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO). Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des Ziels verbindlich, aber überlässt den Staaten Form und Mittel der Umsetzung.5 Sie begründet an sich keine Rechte oder Pflichten für Individuen und Unternehmen; gleichwohl können diese sich auf die Regelung einer RL berufen, wenn Tatbestand und Rechtsfolge in der RL hinreichend klar bestimmt sind, die Rechtsfolge den Bürger begünstigt und die Frist zur Umsetzung in nationales Recht abgelaufen ist.6 Hat ein Staat die RL nicht fristgerecht oder unzureichend umgesetzt, so kann er sich u.U.7 schadensersatzpflichtig machen. Im Bereich der direkten Steuern gibt es nur wenige RL (s. Rz. 1.112).

1.169

4. Grundfreiheiten a) Rolle des EuGH Angesichts der enttäuschenden Situation der nicht aufeinander abgestimmten nationalen Steuersysteme überrascht es nicht, dass die Steuerpflichtigen Schutz beim EuGH suchen und dieser die nationalen direkten Steuersysteme auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht untersucht. Dabei sind einige Besonderheiten zu beachten. Als Gericht wird der EuGH nicht von sich aus tätig. In der Praxis bringen vor allem nationale Gerichte im Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV oder die Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV Fragen der Auslegung des Unionsrechts im Hinblick auf nationale Vorschriften des Steuerrechts vor den EuGH. Individuen und Unternehmen können den Gerichtshof insoweit nicht unmittelbar anrufen. Zugleich legt der Gerichtshof das Unionsrecht dann jeweils mit Blick auf eine besondere Gestaltung des nationalen Steuerrechts aus. Beides führt dazu, dass die Entscheidung des EuGH punktuell und zufällig zu Einzelfragen einer bestimmten Norm eines Rechts eines Mitgliedsstaates ergehen, so dass sich die Frage der Verallgemeinerung und Übertragbarkeit auf das Recht anderer Regelungen in anderen Staaten jeweils stellt. Diese Einzelfallrechtsprechung erfolgt auch keineswegs systematisch, was zur Folge hat, dass die Ergebnisse in Urteilen sich unterscheiden können, was dem EuGH gelegentlich den Vorwurf der Änderung von Rechtsprechung einbringt.8 Da der EuGH sich nicht mit den in der wissenschaftlichen Literatur geäußerten Ansichten auseinander setzt, ist es oft schwer, seine eigene Position im Meinungsspektrum zu bestimmen. Schließlich sagt der Gerichtshof nur, ob eine Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist oder nicht. Im Falle der Unvereinbarkeit überlässt er es den Staaten, eine vereinbare Lösung zu finden. Insofern betreibt er lediglich eine negative Integration.

1.170

Der EuGH ist kein Steuergericht. Die Wahrung und systematische Fortentwicklung der nationalen Steuersysteme ist nicht seine Aufgabe. Er wahrt das Unionsrecht und legt es aus. Hierzu prüft er

1.171

1 Überblick vgl. Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 36 ff. 2 Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 8 ff., Art. 2 AEUV Rz. 2; Pechstein in Streinz2, Art. 1 EUV Rz. 10; Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 8 ff. 3 Art. 5 EUV; vgl. Streinz in Streinz2, Art. 5 EUV Rz. 20 ff. 4 Näheres vgl. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 52 ff. 5 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 67 ff. 6 Letzteres kann entfallen vgl. EuGH v. 19.1.1982 – Rs. C-8/81 – Becker gegen FA Münster, ECLI:EU: C:1982:7. 7 Im Detail s. Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 106 ff. 8 Vgl. M. Lang in FS Spindler, S. 297 ff.

Lampert | 87

Kap. 1 Rz. 1.172 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht punktuell die Auswirkungen einzelner steuerlicher Regelungen auf die Grundfreiheiten. Ausgangspunkt1 ist für ihn die Sicherung gleicher Wettbewerbschancen für die Teilnehmer am Binnenmarkt. Direkte Steuern eines Staates beeinflussen die Marktbedingungen, unter denen die Grundfreiheiten ausgeübt werden. Dabei ist nicht entscheidend, dass eine Beeinträchtigung im Einzelfall nachgewiesen ist. Nach der Dassonville-Formel2 reicht es aus, dass eine Beeinträchtigung „aktuell oder potentiell, unmittelbar oder mittelbar“ vorliegt. So akzeptiert der EuGH3 grundsätzlich die Unterscheidung in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht im nationalen Steuerrecht, prüft dann im Einzelfall aber, ob diese Unterscheidung die Ausübung der Grundfreiheiten behindert. Da die Steuersysteme der direkten Steuern national ausgerichtet sind und die Staaten in DBA ihre gegenseitigen Steuerbeziehungen regeln, muss der Gerichtshof die territoriale Struktur, sowie die von den Staaten vorgenommene Aufteilung der Besteuerung berücksichtigen. b) Überblick über die Grundfreiheiten

1.172 Von den unionsrechtlichen Grundfreiheiten – Warenverkehrsfreiheit (Art. 28, 34 ff. AEUV), Frei-

zügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 2 AEUV) – haben die erste und letzte weniger Bedeutung für den Bereich der direkten Steuern. Ob Grundfreiheiten überhaupt geeignet sind, nationale steuerliche Regelungen der direkten Steuern einzuschränken, war für die nationalen Gerichte zunächst zweifelhaft. So hat der BFH4 den EuGH ausdrücklich danach gefragt. Die Antwort des EuGH besteht in der beständigen Wiederholung5 der Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Ausgestaltung der direkten Steuern besitzen, dass sie diese Kompetenz jedoch unter Beachtung des Unionsrechts ausüben müssen. Die manchmal geäußerte Kritik, der EuGH würde durch seine Rechtsprechung zu den direkten Steuern seine Befugnisse überschreiten, offenbart nur eklatante Unkenntnis des europäischen Rechts; denn erstens existiert ein allgemeiner Harmonisierungsauftrag und zweitens ist der Bereich der direkten Steuern nicht von der Geltung der Grundfreiheiten ausgenommen. c) Diskriminierungsverbot

1.173 Grundfreiheiten der EU zielen darauf ab, auf den einzelnen Märkten Wettbewerbsgleichheit zwi-

schen Inländern und Ausländern herzustellen, indem Ausländern eine Inländergleichbehandlung eingeräumt wird.6 Dies bedeutet, dass Nichtansässige nicht gegenüber Ansässigen diskriminiert werden dürfen, wenn sie sich in vergleichbaren Situationen befinden. Grundfreiheiten enthalten Diskriminierungsverbote. Steuerlich entscheidend ist, ob sich unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen und Unternehmen in vergleichbaren Situationen befinden. Dies beurteilt der EuGH nach der Art der konkreten Besteuerung: werden beide Gruppen vergleichbar besteuert, so ist eine Vergleichbarkeit gegeben.

1 Vgl. Schön, IStR 2004, 289; Mössner, ASA 2004, 673. 2 EuGH v. 11.7.1974 – Rs. C-8/74 – Dassonville, ECLI:EU:C:1974:82. 3 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31; v. 14.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, ECLI:EU:C:1999:409; v. 16.5.2000 – Rs. C-87/99 – Zurstrassen, ECLI:EU:C:2000:251; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, ECLI:EU:C:2002:750; v. 1.7.2004 – Rs. C-169/03 – Wallentin, ECLI:EU:C:2004:403. 4 BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 5 So wohl zuerst EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Tz. 21; ECLI:EU:C:1995:31; zuletzt 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Komm./Deutschland, Tz. 44, ECLI:EU:C:2011:670 = DStR 2011, 2038 mit Hinweis auf st. Rspr. 6 So EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:1986:37; hierzu s. auch Cordewener S. 104 ff.; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 240 ff.; Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 15 ff.

88 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.176 Kap. 1

Dies zeigt sich beispielsweise an den Entscheidungen zur Besteuerung von Grenzpendlern1 sehr anschaulich. Der EuGH anerkennt die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, da bei der beschränkten Steuerpflicht nur ein Ausschnitt aus der umfassenden Leistungsfähigkeit einer Person besteuert wird. Wenn im Ansässigkeitsstaat des Pendlers kein ausreichendes Steuersubstrat vorhanden ist,2 um die persönliche Situation des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, da das wesentliche Einkommen im Staat der beschränkten Steuerpflicht besteuert wird, dann befindet sich der beschränkt Steuerpflichtige in einer dem unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Situation. Eine Ungleichbehandlung kann dadurch beseitigt werden, dass Ausländer wie Inländer oder dass Inländer wie Ausländer behandelt werden. Solange der nationale Gesetzgeber sich nicht für die eine oder andere Lösung entschieden hat, stellt sich für die nationalen Gerichte nach einer durch den EuGH festgestellten Europarechtswidrigkeit die Frage, ob sie die günstigere Regelung auf Ausländer erstrecken (norm- oder geltungserhaltende Interpretation)3 oder ob sie den Inländern die günstigere Regelung verweigern. Der EuGH hat im Verfahren Terhoeve4 bevorzugt, dass sich bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Ausländer auf die günstigere Regelung unmittelbar berufen können. Auch der BFH folgt im Allgemeinen dieser Ansicht.5

1.174

Eine Erweiterung über die Inländergleichbehandlung hinaus ist dann erforderlich, wenn der Herkunftsstaat einer Person oder eines Unternehmens die Ausübung einer Grundfreiheit in anderen Mitgliedsstaaten steuerlich benachteiligt. So ist die Dienstleistungsfreiheit z.B. nicht nur betroffen, wenn ausländischen Freiberuflern die Tätigkeit im Inland untersagt wird, sondern auch, wenn ein Staat die Betätigung von Ansässigen in einem anderen Staat untersagt.6

1.175

d) Beschränkungsverbot Nicht nur eine unterschiedliche Behandlung von Ansässigen und Nichtansässigen kann letztere von der Ausübung einer Grundfreiheit abhalten; auch die Gleichbehandlung kann den Nichtansässigen erheblich stärker belasten als den Ansässigen. Grundfreiheiten wirken daher nicht nur als Diskriminierungsverbote, sondern auch als allgemeine Beschränkungsverbote.7 Dies wurde zunächst für den Bereich der direkten Steuern diskutiert,8 ist nun aber unstreitig. In den einschlägigen Urteilen des EuGH fällt auf, dass er immer seltener zwischen Diskriminierung9 und Beschränkung10 unterscheidet. Es genügt ihm die Feststellung einer unterschiedlichen Behandlung.11 1 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, ECLI:EU:C:1996:251; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221; v. 14.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, ECLI:EU:C:1999:409. 2 Zur Kritik an dieser Einengung Mössner, Arbeitnehmerfreizügigkeit und DBA-Recht, in Gassner/ Lang/Lechner, Arbeitnehmer im Recht der DBA, S. 29. 3 Hierzu vor allem Gosch, DStR 2007, 1553 (1555 ff.); Gosch, Ubg 2009, 73; Übersicht über die vertretenen Ansichten bei Zorn, IStR 2012, 86 (87 f.); krit. vgl. Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, Auseinandersetzung mit Gosch S. 50 ff. 4 EuGH v. 26.1.1999 – Rs. C-18/95 – Terhoeve, ECLI:EU:C:1999:22. 5 BFH v. 27.7.2011 – I R 32/10, BStBl II 2014, 513 = BFH/NV 2012, 118. 6 EuGH 30.11.1995 – Rs. C-55/94 – Gebhard, ECLI:EU:C:1995:411. 7 Hierzu allg. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 144 ff.; auch Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 16; Forsthoff in G/H/N, Art. 45 AEUV Rz. 264 ff. 8 Cordewener S. 183 f.; vgl. auch Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573; s. auch Brörmann/Iversen, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, S. 123 Fn. 429 m.w.N. 9 So in EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:1986:37; v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, ECLI:EU:C:1993:303; v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216. 10 EuGH v. 28.4.1998 – Rs. C-118/96 – Safir, ECLI:EU:C:1998:170. 11 EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 – ICI, ECLI:EU:C:1998:370, v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438, v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696; v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft, ECLI:EU:C:2001:134; v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – X AB & Y AB, ECLI:EU:C:1999:566; v. 28.10.1999 – Rs. C-55/98 – Vestergard, ECLI:EU:C:1999:533.

Lampert | 89

1.176

Kap. 1 Rz. 1.177 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Diese stellt für ihn eine (potenzielle) Beschränkung dar.1 Neu ist dies nicht: Bereits in der FuturaEntscheidung2 hat der EuGH eine nichtdiskriminierende Behandlung, d.h. eine gleiche Behandlung, von Ansässigen und Nichtansässigen als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit behandelt: Luxemburg verlangte für einen Verlustvortrag bei einer Betriebsstätte eines Nichtansässigen, dass sich die Buchführung und deren Unterlagen in Luxemburg befinden. Dieses Erfordernis galt für inländische Unternehmen ebenso wie für Betriebsstätten ausländischer Unternehmen, belastete letztere aber mehr. Mit der Anerkennung, dass Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern auch als Beschränkungsverbote wirken, wird der Erkenntnis Rechnung getragen, dass der Binnenmarkt mehr ist, als der ungehinderte Zugang zu nationalen Märkten durch Ausländer. Auch wirken die Grundfreiheiten dann nicht nur in Zuzugs-, sondern auch in Wegzugsfällen.3 Im Herkunftsstaat eines Unternehmens darf dann eine Auslandsinvestition nicht steuerlich nachteiliger als eine Inlandsinvestition behandelt werden, was sich im AMID-Fall4 bereits in Ansätzen einer Gesamtbetrachtung zeigt.

1.177 Der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten durch die Dassonville-Formel5 und der Anerkennung der Beschränkungsverbote entspricht eine erweiterte Anerkennung von Rechtfertigungsgründen für Beschränkungen der Grundfreiheiten aus Gründen des zwingenden öffentlichen Interesses, wobei allerdings die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss (sog. Cassis-de-Dijon-Formel6). e) Prüfung der Grundfreiheiten aa) Verletzung des Schutzbereichs

1.178 Der Anwendungsbereich der Grundrechte lässt sich wie folgt gliedern: – Persönlicher Anwendungsbereich: Wer kann sich auf die Grundfreiheit berufen? – Räumlicher Anwendungsbereich: Wo gilt die Grundfreiheit: EU-Staat, EWR-Staat, Drittstaat? – Sachlicher Anwendungsbereich: Was ist der Inhalt der Grundfreiheit? – Adressat: Richtet sich die Grundfreiheit gegen den Tätigkeitsstaat oder den Herkunftsstaat?

1.179 Grundfreiheiten verbieten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit. Die direkten Steu-

ern unterscheiden jedoch nach Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht und nach dem Tätigkeitsort in Inlands- oder Auslandssachverhalte. Da jedoch in der Regel Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit übereinstimmen, stellt der EuGH im Bereich der direkten Steuern auf die Ansässigkeit ab.7 Daher kann sich auch ein Staatsangehöriger, der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässig ist, hinsichtlich der Besteuerung seiner Tätigkeit innerhalb des Staates seiner Staatsangehörigkeit auf die Grundfreiheiten berufen.8

1 EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – XY, ECLI:EU:C:2002:704; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, ECLI:EU:C:2002:749; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479. 2 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 3 Anerkannt in EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, ECLI:EU:C:2000:205, restriktiver in EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, ECLI:EU:C:1988:456. 4 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696. 5 EuGH v. 11.7.1974 – Rs. C-8/74 – Dassonville, ECLI:EU:C:1974:82. 6 EuGH v. 20.2.1979 – Rs. C-120/78 – Rewe, ECLI:EU:C:1979:42. 7 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, ECLI:EU:C:1990:186 wohl erstmals andeutend, dann explizite st. Rspr. seit EuGH v. 14.5.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31. 8 Vgl. EuGH v. 26.1.1993 – Rs. C-112/91 – Werner, ECLI:EU:C:1993:27.

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G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.182 Kap. 1

Inhaltlich kommen im Bereich der direkten Steuern folgende Grundfreiheiten in Betracht: – Arbeitnehmerfreizügigkeit – Art. 45 AEUV Sie ordnet die Abschaffung aller unterschiedlichen Behandlungen von Arbeitnehmern in steuerlicher Hinsicht bei grenzüberschreitender Tätigkeit in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen an. Die Besteuerung wird als Teil der Entlohnung behandelt.1 – Niederlassungsfreiheit – Art. 49 AEUV Sie verbietet steuerliche Benachteiligungen dauernder unternehmerischer Betätigung von Unternehmen eines Mitgliedsstaates in einem anderen Mitgliedsstaat. Hierzu gehören auch Gründung und Führung von Niederlassungen und Tochtergesellschaften. Bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften ist eine Beteiligung Voraussetzung, die Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen erlaubt, was im Allgemeinen bei mehr als einem Viertel angenommen wird.2 – Dienstleistungsfreiheit – Art. 56 AEUV Diese Grundfreiheit schützt die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art ohne Begründung einer Niederlassung im anderen Mitgliedsstaat. Man unterscheidet die aktive Erbringung von Dienstleistungen von der Inanspruchnahme von Dienstleistungen eines Anbieters, sog. passive Dienstleistung. – Kapitalverkehrsfreiheit – Art. 63 AEUV Sie verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs innerhalb der EU und – dies unterscheidet sie von den anderen Grundfreiheiten – im Verhältnis zu Drittstaaten. Zur Definition des Kapitalverkehrs greift der EuGH auf den Anh. I zur Kapitalverkehrsrichtlinie3 zurück.

1.180

Eine Verletzung des Schutzbereichs durch direkte Steuern eines Mitgliedsstaates liegt dann vor, wenn zwei Gruppen von Steuerpflichtigen, die sich in vergleichbarer steuerlicher Situation befinden, unterschiedlich behandelt werden und diese Behandlung auf der unterschiedlichen Ansässigkeit der Steuerpflichtigen beruht.

1.181

bb) Rechtfertigungsgründe für Schutzbereichsverletzungen Ist die Verletzung einer Grundfreiheit durch eine nationale Steuernorm festgestellt, so liegt gleichwohl keine Europarechtswidrigkeit vor, wenn diese Verletzung gerechtfertigt ist. Rechtfertigungsgründe sind entweder explizit im Vertrag aufgeführt oder sie ergeben sich aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. In jedem Fall müssen sie verhältnismäßig sein, d.h. zur Erreichung des Ziel geeignet, erforderlich and angemessen sein. – Kodifizierte Gründe Kodifiziert sind Rechtfertigungen in Art. 51 und 65 AEUV, die Gründe der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit betreffen. – Aufteilung der Besteuerung und nichtharmonisierter Bereich Soweit der Bereich der direkten Steuern nicht durch RL harmonisiert ist (s. Rz. 1.112), üben die Mitgliedsstaaten ihre Steuerhoheit in eigener Verantwortung aus. Dies betrifft nicht nur die Ausgestaltung der Steuern, sondern auch die Abgrenzung der nationalen Steuerhoheiten gegeneinander insbesondere durch DBA. Zwar enthält der AEUV seit dem Vertrag von Lissabon nicht mehr eine Art. 293 EGV entsprechende Bestimmung, dass die Staaten zur Beseitigung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sind.4 Die Unterschiedlichkeit der Steuer1 EuGH v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, ECLI:EU:C:1990:186. 2 EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, ECLI:EU:C:2000:205; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544; v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194. 3 ABl. 1988 L 178, 5. 4 Vgl. grundlegend Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages.

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1.182

Kap. 1 Rz. 1.183 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht systeme einschl. eines unterschiedlichen Steuerniveaus nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung1 hin. Auch die Aufteilung der Steuerhoheiten, vor allem nach den Grundsätzen des OECD-MA, kann zu unterschiedlicher Besteuerung führen, die eine Verletzung einer Grundfreiheit darstellt, die jedoch gerechtfertigt ist. – Kohärenz des Steuersystems In der Bachmann-Entscheidung2 hat der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des nationalen Steuersystems anerkannt, der seitdem von den Mitgliedsstaaten in fast jedem Fall zur Rechtfertigung steuerlicher Differenzierungen vorgebracht wird. Der EuGH versteht unter der Kohärenz den Fall, dass zwischen einer begünstigenden und einer benachteiligenden Steuerregelung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der gleiche Steuerpflichtige betroffen ist und zwischen dem Ziel der Steuerregelung und der Maßnahme Verhältnismäßigkeit besteht. Im Fall Bachmann erkannte der Gerichtshof eine Kohärenz bei der nachgelagerten Besteuerung von Renten an. Im übrigen war er sehr zurückhaltend, auch wenn der Rechtfertigungsgrund oft angesprochen wird.3 – Steuermindereinnahmen Das Vorbringen der Staaten, eine bestimmte Steuerregelung sei zur Sicherung der Staatseinnahmen erforderlich, wird vom EuGH mit Regelmäßigkeit zurückgewiesen.4 – Steuerkontrolle Der EuGH erkannt durchaus an, dass die Staaten vor allem bei Nichtansässigen andere Erhebungsformen, z.B. Quellensteuern, und andere Regeln vorsehen als bei Ansässigen, um eine wirksame Kontrolle zu sichern.5 Er schränkt dies aber regelmäßig dadurch ein, dass er auf die Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie verweist und die Staaten zum Nachweis verpflichtet, dass mit Hilfe der dort vorgesehenen Instrumente eine wirksame Steuerkontrolle nicht möglich sei.6 – Vermeidung von Missbrauch Regelungen, die eine Steuerumgehung durch missbräuchliche Gestaltungen seitens der Steuerpflichtigen bekämpfen, rechtfertigen nach der Rechtsprechung7 eine Beschränkung der durch die Grundfreiheiten garantierten Möglichkeiten. Als Missbrauch versteht er rein künstliche Gestaltungen ohne wirtschaftlichen Gehalt, wobei pauschale und typisierte Missbrauchsvermutungen im Einzelfall dem Steuerpflichtigen einen Gegenbeweis ermöglichen müssen.8 5. Richtlinien

1.183 Durch RL sind die indirekten Steuern in großem Maße innerhalb Europas harmonisiert; dies gilt insbesondere für die Umsatzsteuer (s. Rz. 14.5). Demgegenüber sind RL für die direkten Steuern nur zu einzelnen Bereichen erlassen worden. Dies sind vor allem die RL des Jahres 1990:

1 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221; v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim-Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU:C:2008:588. 2 EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, ECLI:EU:C:1992:35. 3 Vgl. z.B. EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, ECLI: EU:C:2007:161; v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484; hierzu Kofler, Überlegungen zur steuerlichen Kohärenz nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Manninen, ÖStZ 2005, 26 ff.; Schnitger, FR 2004, 1357; jüngst EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Komm./Deutschland, Rz. 84 ff., ECLI:EU:C:2011:670 = DStR 2011, 2038. 4 Vor allem EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/ 03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763. 5 Z.B. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194. 6 Vgl. z.B. EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568. 7 St. Rspr. z.B. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194; v. 29.11. 2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus BV, ECLI:EU:C:2011:785 = DStR 2011, 2334, Tz. 84. 8 Vor allem EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544.

92 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.185 Kap. 1

– Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG vom 29.7.1990,1 die innerhalb internationaler Konzerne grenzüberschreitend die steuerfreie Gewinnausschüttung ermöglicht (s. hierzu Rz. 7.56 ff.). – Fusions-Richtlinie 90/434/EWG vom 3.7.1990,2 die grenzüberschreitende Unternehmensreorganisationen betrifft. 2003 sind hinzu gekommen: – Zins- und Lizenz-Richtlinie (3.6.2003 – 2003/49/EG)3 – Zinsertrags-Richtlinie (3.6.2003 – 2003/48/EG)4 Dem steht eine Reihe von Entwurf gebliebenen RL gegenüber: – Verlustrichtlinie5 – Gemeinsames Körperschaftsteuersystem6 – Gewinnermittlung7 Ob die Bestrebungen eine gemeinsame, konsolidierte Bemessungsgrundlage (CCCTB)8 einzuführen, Erfolg haben werden, lässt sich noch nicht abschätzen. 6. Verhältnis Europäisches Recht – nationales Recht Geltung bedeutet, dass eine Rechtsnorm „gilt“, d.h. wirksam zustande gekommen und aktuell existiert. Besitzt eine Norm vor einer anderen Geltungsvorrang, dann ist sie höherrangig.9 Die niederrangige Norm ist dann nichtig. Dies ist gem. Art. 31 GG – „Bundesrecht bricht Landesrecht“ – das Verhältnis zwischen Bundesrecht und Landesrecht oder zwischen einem Gesetz und einer Verordnung. Anwendung bedeutet, dass eine Rechtsnorm auf einen bestimmten Fall anzuwenden ist. Anwendungsvorrang genießt eine Norm, wenn sie im Einzelfall vor einer anderen Norm anzuwenden ist, ohne dass dies die Existenz dieser anderen Norm im Übrigen beeinflusst. Dies ist beispielweise beim Verhältnis speziellerer Normen zur allgemeinen Norm der Fall. Es ist heute10 anerkannt, dass Europäisches Unionsrecht – primäres wie sekundäres – einen Anwendungsvorrang vor nationalem Recht besitzt. Dies bedeutet, dass im Konfliktfall zwischen einer europäischen und einer deutschen Rechtsnorm die europäische Norm anzuwenden ist, ohne dass dies die Geltung der deutschen Norm beeinträchtigt. Es bedarf folglich keiner Aufhebung oder Nichtigerklärung der nationalen Norm. Die Rechtsanwender – Gerichte, Behörden, Bürger – sind daher ohne weiteres verpflichtet, die europäische Norm anzuwenden.

1.184

Hat der EuGH dem europäischen Recht eine verbindliche Auslegung gegeben, so haben Gerichte und Behörden ohne weitere gesetzgeberische Maßnahme das europäische Recht anzuwenden. Vorausgesetzt ist dabei natürlich, dass dann noch ein anwendungsfähiger Normbestand im nationalen Recht verbleibt. Ggf. ist das deutsche Recht dann so auszulegen, dass es unter Beachtung des europäischen Rechts eine sinnvolle Anwendung ergibt (sog. normerhaltende Auslegung, s. Rz. 1.103). Ein EuGH-Urteil, das einer Grundfreiheit eine Auslegung gibt, mit der eine Norm des deutschen Steuerrechts unvereinbar ist, ist daher auch von der Finanzverwaltung unmittelbar zu beachten. Auffassungen wie die der OFD Hannover,11 dass eine Bindungswirkung für die Finanzverwaltung

1.185

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

ABl. Nr. L 225, 6 mit Ergänzung durch RL 2003/123/EG v. 22.12.2003, ABl. L Nr. 7. ABl. Nr. L 225, 1; Revision. RL 2003/49/EG und 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. L Nr. 157, 38. ABl. 2003 L157, 38. 6.12.1990 – COM (90), 595 final, zurückgezogen 2001 durch COM (2001) 763 v. 11.12.2001. BT-Drucks. 8/2059 v. 23.8.1978; 7/3981 v. 18.8.1975. Vgl. Kellersmann/Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 263. Vgl. Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053. Zum Ganzen vgl. auch Nettesheim in G/H/N, Art. 1 AEUV Rz. 71 ff. Grundlegend Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich. Vfg. v. 28.7.2006, aufgehoben 19.10.2006.

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Kap. 1 Rz. 1.186 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht erst dann einträte, wenn ein entsprechendes BMF-Schreiben oder BFH-Urteil im BStBl. veröffentlicht worden sei, verkennen die Rechtslage grundlegend.

II. Unbeschränkte Steuerpflicht 1. Welteinkommen insbes. ausländische Einkünfte a) Grundlagen

1.186 Die Unterscheidung von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht (vgl. Rz. 2.8, 2.12) wird vom

EuGH (noch) nicht in Frage gestellt.1 Auch, dass sie sich wegen der Reichweite der Besteuerung – Welteinkommensprinzip vs. Territorialitätsprinzip – grundlegend unterscheiden, erkennt das Gericht an. Der EuGH betont das Recht eines Staates, alle wirtschaftlichen Vorgänge innerhalb seines Staatsgebiets steuerlich zu erfassen;2 er schließt aber nicht aus, dass Staaten auch außerhalb ihres Staatsgebietes erzielte Einkünfte ihrer Ansässigen besteuern. Er verlangt jedoch, dass der Herkunftsstaat die Betätigung seiner Ansässigen im Ausland nicht durch steuerliche Maßnahmen behindert. b) Ausländische Sachverhalte

1.187 § 34d EStG legt fest, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte ausländische sind. Dies bezieht

sich ausdrücklich zwar nur auf § 34c EStG, hat aber auch darüber hinaus Bedeutung.3 Qualifikation der Einkünfte und deren Ermittlung erfolgt grundsätzlich denselben Grundsätzen wie bei inländischen Einkünfte. Sondervorschriften nur für ausländische Einkünfte können Grundfreiheiten beeinträchtigen. Die in § 2a EStG angeordnete nachteilige Behandlung gewisser Auslandsverluste wurde vom EuGH in der „Rewe Zentralfinanz“-Entscheidung4 als ungerechtfertigter Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. Im Vergleich mit entsprechenden Inlandsverlusten führt die Maßnahme des Herkunftsstaates Deutschland (Rz. 26 des Urteils) dazu, dass die Auslandsniederlassung Liquiditätsnachteile (Rz. 29 des Urteils) erleidet. Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2009 dadurch reagiert, dass § 2a EStG nicht mehr innerhalb der EU anwendbar ist.5

1.188 Eine Begrenzung von Steuervergünstigungen auf inländische Sachverhalte verstößt gegen die Nie-

derlassungsfreiheit.6 Wird Auslandsvermögen anders bewertet als Inlandsvermögen, beeinträchtigt dies Grundfreiheiten.7 Die Begrenzung des Spendenabzugs auf inländische gemeinnützige Einrichtungen verletzt Unionsrecht.8 Diese Rechtsprechung lässt sich dahingehend verallgemeinern, dass dann, wenn ein Staat Auslandssachverhalte besteuert, die Besteuerung nicht ungünstiger als bei einem Inlandssachverhalt sein darf. Unterschiede können wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten bei Auslandssachverhalten gerechtfertigt sein, sofern sie verhältnismäßig sind.

1.189 Für international tätige Unternehmen ist die Rechtsprechung zu ausländischen Betriebsstätten

von großer Bedeutung. Das wirtschaftliche Ergebnis einer Betriebsstätte als unselbständiger Teil eines inländischen Unternehmens ist Teil des Ergebnisses des Unternehmens. Innerhalb Deutschlands werden mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens für die Einkommen- und Körperschaft1 Seit EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31, st. Rspr.; z.B. EuGH v. 9.11.2006 – Rs. C-520/04 – Turpeinen, ECLI:EU:C:2006:703. 2 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439. 3 Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 1 f. 4 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe, C-347/04; vgl. auch EuGH v. 21.2.2006 – Rs. C-152/03 – Ritter-Coulais, ECLI:EU:C:2006:123. 5 Vgl. Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, S. 62 ff. 6 EuGH v. 19.9.2000 – Rs. C-156/98 – Komm./Deutschland, ECLI:EU:C:2000:467; v. 12.6.2003 – Rs. C234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340. 7 EuGH v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06 – Jäger, ECLI:EU:C:2008:20; v. 2.10.2008 – Rs. C-360/06 – Bauer, ECLI:EU:C:2008:531. 8 EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, ECLI:EU:C:2006:568.

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G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.191 Kap. 1

steuer zusammengefasst. Dies gilt grundsätzlich auch grenzüberschreitend: die Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten werden im Inland als Teil des Gesamtergebnisses besteuert. Da eine Betriebsstätte auch im Ausland besteuert wird, kommt es zur Doppelbesteuerung. Je nach der Methode zu deren Vermeidung ergeben sich Probleme. Besteht mit dem Betriebsstättenstaat kein DBA oder ist die Anrechnungsmethode (s. Rz. 2.289 ff.) vereinbart, so ist die Berücksichtigung eines Betriebsstättenverlusts (vgl. allg. Rz. 2.301) im Inland an sich gewährleistet. Aus Sicht des inländischen Unternehmens kommt es zur korrekten Besteuerung des über mehrere Jahre tatsächlich erzielten Gewinns, wobei sich die Verteilung auf die Staaten ändert – je nach Regelung im Betriebsstättenstaat.1 Dies trifft aber nicht zu, wenn das Stammhaus Verlust erleidet und die ausländische Betriebsstätte Gewinn erwirtschaftet. Im Vergleichsfall einer reinen Inlandssituation kommt es zum Ausgleich. Da der EuGH den Staat der Betriebsstätte nicht als verpflichtet ansieht, das Ergebnis des Stammhauses zu berücksichtigen,2 führt dies dazu, dass einerseits das positive Ergebnis den Verlust und damit einen etwaigen Verlustvortag im Inland verringert, andererseits aber die Steuer auf den Betriebsstättengewinn nicht oder nicht hinreichend angerechnet werden kann. Dies hat der EuGH beanstandet.3 Der deutsche Gesetzgeber hat noch nicht reagiert. Es bestehen zwei Möglichkeiten: keine Berücksichtigung des Betriebsstättengewinns bei der Feststellung des Verlustvortrages im Inland oder Gewährung eines Vortrages des Anrechnungsüberhangs. Da die zweite Möglichkeit eine Ergänzung des Gesetzes erfordert, die erste hingegen auch bei den gegebenen Gesetzen umzusetzen ist, ist sie anzuwenden.

1.190

Nach der nicht unumstrittenen4 Rechtsprechung des BFH werden Betriebsstättenverluste bei der Freistellungsmethode im Inland nicht berücksichtigt. Sie wirken sich nur beim negativen Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 2.506) bei natürlichen Personen aus. Der EuGH hat dies im Lidl-Verfahren5 mit einer wichtigen Einschränkung als mit den Grundfreiheiten vereinbar angesehen.

1.191

Die deutsche KG erlitt mit ihrer Betriebsstätte in Luxemburg Anlaufverluste, die aufgrund luxemburgischen Steuerrechts mit den späteren Gewinnen ausgeglichen wurden. Gegenstand des Verfahrens war daher nur die Frage, ob die Betriebsstättenverluste phasengleich im Inland zu berücksichtigen waren oder ob gemeinschaftsrechtlich Liquiditätsnachteile im Vergleich zu einer inländischen Situation hinzunehmen sind. Im Vorlagebeschluss bestätigt der BFH6 seine Symmetriethese, wonach dann, wenn Deutschland wegen der Freistellung nicht die ausländischen Gewinne besteuern kann, es auch nicht die Verluste berücksichtigen muss. Die in der unterschiedlichen Behandlung von in- und ausländischen Betriebsstättenverlusten liegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Rz. 25 ff. des Urteils) rechtfertigt der EuGH mit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch das DBA, welches eine Symmetrie bei der Berücksichtigung ausländischer Gewinne und Verluste herstelle (Rz. 31 ff. des Urteils). Auch vermeide dies die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung, obgleich der GA andere Wege hierfür aufgezeigt hatte. Diese beiden Rechtsfertigungsgründe taugen aber nicht zum Ausschluss finaler Verluste der Betriebsstätte. Einerseits schränkt dies die absolute Wirkung der Rechtfertigung durch die Symmetriethese des BFH ein, andererseits bleibt unklar, wann ein Verlust final ist.7 Nur einen geringen Hinweis darauf gibt das Urteil des EuGH vom 23.10.2008.8 1 Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen Steuersätzen und Gewinnermittlungsmethoden ergeben, bleiben vernachlässigt. 2 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Participation, ECLI:EU:C:1997:239. 3 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696. 4 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A13 ff. m.w.N. 5 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06, ECLI:EU:C:2008:278 mit anschließendem BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630. 6 BFH v. 28.7.2006 – I R 84/04, BStBl. II 2006, 861. 7 Aus der umfassendes Diskussion vgl. z.B. Schulz-Trieglaff; IStR 2011, 244; Schwenke, IStR 2011, 368, jeweils m.w.N. 8 EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim-Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI: EU:C:2008:588.

Lampert | 95

Kap. 1 Rz. 1.192 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Für Verluste einer „Freistellungsbetriebsstätte“ im Ausland (Österreich) hatte das deutsche Unternehmen die Möglichkeit der Verlustberücksichtigung des § 2 AIG (später § 2a Abs. 3 EStG) in Anspruch genommen. In späteren Gewinnjahren erfolgte in Deutschland die Hinzurechnung. In Österreich wurden wegen der zeitlichen Begrenzung des Verlustvortrags die Verluste im Ergebnis nicht berücksichtigt, so dass es sich im Grunde um endgültige Verluste handelte. Gleichwohl hat der EuGH entschieden, dass die Finalität der Verluste einer Hinzurechnung in Deutschland nicht entgegensteht. Final i.S. der Lidl-Entscheidung ist danach ein Verlust dann nicht, wenn er im Entstehungsstaat deshalb nicht geltend gemacht werden kann, weil der Verlustvortrag zeitlich begrenzt ist und innerhalb des Vortragszeitraums keine entsprechenden Gewinne erzielt werden. Für das Gericht ist entscheidend, dass das Unternehmen den im Betriebsstättenstaat geltenden Regelungen unterworfen ist. Es kann nicht erwarten, dass sein Herkunftsstaat nachteilige Regelungen des Betriebsstättenstaats ausgleicht. Deutschland sei nicht verpflichtet, „die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen“ (Rz. 49 des Urteils). Dies entspricht der Kapitalimportneutralität (vgl. 1.62; 2.257)1 und liegt auch anderen Entscheidung des EuGH zugrunde.2

1.192 Die Shell-Entscheidung vom 28.2.20083 bestätigt diese Linie der Rechtsprechung. Ein inländisches Unternehmen hatte Kapital seiner ausländischen Betriebsstätte zugeführt, das bei deren Beendigung rückgeführt wurde. Aufgrund des Wechselkursverfalls der Währung des Betriebsstättenstaats entstand ein Währungsverlust. Nach deutscher Rechtsauffassung4 gehören Währungsverluste bei einer ausländischen Betriebsstätte zu den Ergebnissen der Betriebsstätte, so dass sie bei DBA-Freistellung nicht im Inland zu berücksichtigen sind. Wären die ausländischen Zahlungsmittel im Inland gehalten worden, so hätte sich der Verlust steuerlich ausgewirkt. Andererseits kann er sich im Ausland nicht auswirken. Da die Währungsverluste nur im Staat des Stammhauses auftreten könnten, sei dieser verpflichtet, für Abhilfe zu sorgen (Tz. 44 des Urteils). Die Verrechnung des Währungsverlustes mit Gewinnen der Betriebsstätte lehnt das Gericht ab (Tz. 46 ff. des Urteils).

1.193 Der BFH5 folgt der Rechtsprechung des EuGH zur Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste,

wohingegen das „Argumentations-Papier“ der Finanzverwaltung6 ihr widerspricht. Geklärt sind die Probleme im Detail aber noch nicht. Dies betrifft zum einen die Voraussetzungen der Finalität des Verlustes. Die vorliegenden EuGH-Entscheidung lassen nur die Aussage zu, dass der Ablauf einer Frist für den Verlustvortrag keine Finalität bedeutet und dass Verluste, die sich nur im Stammhaus auswirken können, in diesem Sinne final sind. Die endgültige Aufgabe einer Betriebsstätte ist dann final, wenn bei späterer Begründung einer Betriebsstätte in diesem Staat die Verluste der vorangegangenen Betriebsstätte nicht genutzt werden können. Soweit dies allerdings auf einen Fristablauf zurückzuführen ist, liegt keine Finalität vor. Ob dem gleichzustellen ist, wenn das nationale Steuerrecht des Betriebsstättenstaates die Verlustübertragung von einer auf eine andere Betriebsstätte ausschließt, ist noch nicht entschieden und daher offen. Bedeutung hat dies vor allem für Bauausführungen (vgl. Rz. 2.126). Bei fehlender Attraktivkraft einer Betriebsstätte (vgl. Rz. 5.15), d.h., dass mehrere Betriebsstätten eines Unternehmens in einem Staat unabhängig voneinander

1 Vgl. Vogel, World-wide vs. source taxation of income – a review and reevaluation of arguments, in McLure/Sinn, Musgrave, Influence of tax differentials on international competitiveness, München 1990, S. 117 ff.; s. auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 267. 2 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221; v. 10.2.2011 – Rs. C-436/08, 437/08 – Haribo/Österreichische Salinen, ECLI:EU:C:2011:61 = IStR 2011, 299. 3 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell GmbH, ECLI:EU:C:2008:129. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; s. auch IFA, Wechselkursänderungen und internationale Doppelbesteuerung, CDFI LXXIB, Deventer 1986. 5 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35 = BFH/NV 2010, 1744; I R 48/11 anh.; Vorinstanz FG Nds. v. 16.6.2011 – 6 K 445/09. 6 Bayerisches Landesamt für Steuern, 19.2.2010, RIW 2010, 335.

96 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.196 Kap. 1

existieren können, sofern sie funktional unterschiedliche Aufgaben erfüllen, spricht alles dafür, auch zeitlich hintereinander unterschiedliche Betriebsstätten begründen zu können, sofern sie funktional unterschiedlichen Aufgaben dienen. Beispiel: Das Unternehmen gründet zunächst eine Produktionsbetriebsstätte in einem ausländischen Staat. Da diese nur Verluste erwirtschaftet, wird diese geschlossen. Um jedoch den betreffenden Markt erschließen zu können, wird einige Jahre später eine Vertriebsbetriebsstätte begründet oder ein ständiger Vertreter eingesetzt. Der Verlust der ersten Betriebsstätte ist dann final.

Ähnlich verhält es sich bei Umwandlungen. Dabei handelt es sich sowohl um die Fälle, dass die Betriebsstätte selbst in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt oder in eine solche eingebracht wird, als um Fälle der Verschmelzung oder des Formwechsels des Stammhauses mit jeweiligem Untergang eines Verlustvortrages. Der BFH1 hat m.E. zu Recht für die Frage der Finalität auch § 2a Abs. 4 EStG berücksichtigt, so dass in den beschriebenen Fällen Finalität gegeben ist. Daraus ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten, um Finalität eintreten zu lassen, indem etwa vor Ablauf der Frist des Verlustvortrages die Betriebsstätte in eine Tochtergesellschaft umgewandelt wird. Dies erklärt zwar die Haltung der Finanzverwaltung, ohne gesetzliche Grundlage lassen sich derartige Gestaltungen nicht verhindern.

1.194

Zum Zeitpunkt der Berücksichtigung finaler Verluste hat der BFH entschieden,2 dass dies das „Finalitätsjahr“ sei. Damit ist das Jahr gemeint, indem feststeht, dass die Verluste final geworden sind. Dieser Ansicht ist zuzugestehen, dass sie einfach in der Praxis anzuwenden ist. Die Alternative wäre, im Finalitätsjahr den Eintritt der Finalität als Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung (§ 175 AO) zu behandeln und die Verluste jeweils in den Verlustentstehungsjahren zu berücksichtigen. Die Lösung des BFH ist jedoch nicht unproblematisch. Dies gilt bei progressiven Tarifen für Einzel- oder Mitunternehmer. Aber auch bei Kapitalgesellschaften führen Tariferhöhungen oder -senkungen zu unausgeglichenen Ergebnissen. Im Vergleich mit der Anrechnungsmethode ergeben sich ebenfalls deutliche Unterschiede.3 Vor allem kommt es auf die Verhältnisse des Stammhauses im Finalitätsjahr an. Offen ist auch – was aber eigentlich zu bejahen sein müsste – die Frage, ob dann, wenn die finalen Verluste das Einkommen des Jahres übersteigen, es zu einem Verlustrückund -vortrag kommt.

1.195

2. Konzernbesteuerung a) Niederlassungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit? Die Niederlassungsfreiheit nimmt ein Unternehmen eines Mitgliedsstaates in Anspruch, wenn es in einem anderen Mitgliedsstaat durch eine Tochtergesellschaft tätig wird.4 Zugleich stellt der Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Wahrnehmung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.5 Der EuGH grenzt beide Grundfreiheiten danach ab, ob der Umfang der Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft erlaubt (s. Rz. 1.109). Ist dies der Fall verdrängt die Niederlassungsfreiheit die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Niederlassungsfreiheit ist räumlich jedoch nur innerhalb der EU anwendbar, während die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt. Innerhalb des konkurrierenden Anwendungsbereichs beider Grundfreiheiten, d.h. innerhalb der EU, schützt die Niederlassungsfreiheit danach die „unternehmerische Beteiligung“, d.h. in der Regel mehr als 25 Prozent, und die Kapitalverkehrsfreiheit hingegen die Portfolio-Beteiligung unterhalb dieser Schwelle. Da sich beide bei den möglichen Rechtfertigungsgründen unterscheiden, ist der höhere Schutzgrad der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt. 1 BFH v. 3.2.1010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599. 2 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; v. 9.6.2010 – I R 100/09, I R 107/09, BStBl. II 2010, 1065. 3 EuGH sieht in Haribo Salinen allerdings keinen Unterschied in den Methoden. 4 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438. 5 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkoijen, ECLI:EU:C:2000:294.

Lampert | 97

1.196

Kap. 1 Rz. 1.197 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

1.197 Im Verhältnis zu Drittstaaten ist das Konkurrenzverhältnis streitig.1 Eine Auffassung wendet das

Konkurrenzverhältnis auch auf Beteiligungen aus Drittstaaten an, so dass entsprechende unternehmerische Beteiligungen nicht den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit beanspruchen können, hingegen Portfolio-Beteiligungen schon. Die gegenteilige Auffassung wendet auch im Fall unternehmerischer und von Mehrheitsbeteiligungen aus Drittstaaten die Kapitalverkehrsfreiheit an. Letztere Ansicht verdient den Vorzug. Da die Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht anwendbar ist, kommt es insoweit nicht zur Konkurrenzsituation. Art. 49 Abs. 2 AEUV nimmt ausdrücklich auf die Konkurrenzsituation Bezug. Aus Art. 49 ff. AEUV kann der Ausschluss der Inanspruchnahme einer anderen Grundfreiheit durch Angehörige von Drittstaaten abgeleitet werden. Die Norm verbietet nur Beschränkungen der Niederlassung innerhalb der EU durch Angehörige von EU-Staaten. Außerdem führt die erstgenannte Auffassung dazu, dass Portfolio-Beteiligungen einen höheren Schutz als unternehmerische Beteiligungen genössen, wenn sie durch Angehörige von Drittstaaten erfolgen. Dies würde der Schutzrichtung der Kapitalverkehrsfreiheit widersprechen und wäre auch nicht verständlich, zumal Art. 64 AEUV Sonderregelungen für den Kapitalverkehr mit Drittstaaten enthält. b) Konzernbesteuerungssysteme

1.198 Bei einem Konzern als einer Gruppe von rechtlich eigenständigen Kapitalgesellschaften, die wirt-

schaftlich eine Einheit bilden,2 knüpft die Körperschaftsteuer an die Rechtsform an und jede Konzerngesellschaft stellt ein eigenes Steuersubjekt dar, dessen Gewinne oder Verluste separat der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Um ein dem Ergebnis des gesamten Konzerns entsprechende Besteuerung zu ermöglichen, haben die Staaten unterschiedliche Systeme der Konzernbesteuerung entwickelt. Hier lassen sich unterscheiden: – Einheitssysteme Bei ihnen werden die Ergebnisse einzelner Konzernunternehmen zusammengefasst der Besteuerung unterworfen. Im Einzelnen bestehen erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Einheitssysteme in ihren Voraussetzungen, Ausgestaltungen und Folgen. Die deutsche Organschaft, niederländische Fiscale Eenheid3 oder die französische, integration fiscale4 können hierzu gerechnet werden, bei allen Unterschieden im Detail. – Verlustübertragungssysteme Im britischen Loss-Surrender-System5 kann innerhalb eines Konzerns ein Unternehmen, das einen Verlust erzielt, diesen auf ein anderes konzernangehöriges Unternehmen, das einen Gewinn erzielt, übertragen, wobei je nach Beteiligungsverhältnissen gewisse Restriktionen gelten. – Beitragssysteme In den skandinavischen Staaten6 kann ein konzernangehöriges Unternehmen seinen Gewinn ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertragen, was bei ihm wie eine Betriebsausgabe und beim empfangenden Unternehmen wie eine Betriebseinnahme behandelt wird.

In Ländern ohne explizite Systeme einer Konzernbesteuerung kann durch Gestaltungen – Übertragungen von Verlustquellen oder ertragreichen Teilbetrieben, Verschmelzungen, Finanzierungen, Teilwertabschreibungen auf Beteiligungen o.ä. – ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden. 1 Dölker/Ribbrock, BB 2007, 1928; Schnitger, IStR 2005, 493; Schön in FS Wassermeyer, S. 489; Schönfeld, DB 2007, 80; Rehm/Nagler, IStR 2011, 622; Völker, IStR 2009, 705; Zorn, IStR 2010, 190; Haslehner, IStR 2008, 565 (568 f.). 2 Vgl. eingehend Kerssenbrock in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, S. 56 ff. 3 Vgl. EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X Holding BV, ECLI:EU:C:2010:89 = BFH/NV 2010, 1064; hierzu auch Koch, Die steuerliche Einheit im Rahmen von Gruppenbesteuerungsmodellen. 4 Scheunemann, Grenzüberschreitende konsolidierte Konzernbesteuerung (Vergleich Organschaft und intégration fiscale). 5 Vgl. die Darstellung in Marks & Spencer, EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03, ECLI:EU:C:2005:763. 6 Darstellung in EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – OY AA, ECLI:EU:C:2007:439.

98 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.200 Kap. 1

Grenzüberschreitend angewandt werfen diese Systeme Probleme auf. Der EuGH hat bisher zu dem britischen Verlustzuweisungssystem (Marks & Spencer), dem skandinavischen System (Oy AA) und der niederländischen Regelung (X Holding) judiziert. Er geht von dem Grundsatz1 aus, dass jeder Staat die innerhalb seines Staatsgebietes erwirtschafteten Ergebnisse besteuern kann. Dies bezeichnet er überwiegend als Territorialitätsprinzip.2 Dies bedeutet für ihn, dass ein Gewinn, den ein Unternehmen, auch wenn es zu einem internationalen Konzern gehört, in einem Staat erwirtschaftet hat, dort auch besteuert werden kann. Den Unternehmen ist es nicht erlaubt, Gewinne über die Grenze zu verschieben und der Besteuerung zu entziehen. auch wenn dadurch Inund Auslandssachverhalte unterschiedlich behandelt werden.3 Mit diesem Grundsatz ist die Entscheidung im Fall Marks & Spencer4 nur schwer in Einklang zu bringen, denn es macht keinen Unterschied, ob ein Gewinn einer Muttergesellschaft deshalb nicht besteuert wird, weil er auf eine ausländische Tochtergesellschaft mit einem Verlust übertragen wird, oder ob der Gewinn der Muttergesellschaft durch den übertragenen Verlust der Tochtergesellschaft geschmälert wird. Dieser Widerspruch erweist sich als nur scheinbarer, wenn man die Argumentationskette des EuGH genau betrachtet:

1.199

„… die Gewährung eines Gruppenbesteuerungssystems nur für inländische Konzerne und nicht auch grenzüberschreitend stellt eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit dar. Diese Beeinträchtigung ist aber aus zwei Gründen gerechtfertigt: erstens um eine doppelten Verlustberücksichtigung zu verhindern und zweitens zur Sicherung des Rechts zur Besteuerung der im Staatsgebiet erwirtschafteten Ergebnisse. Beides steht aber unter dem Vorbehalt der Achtung der Verhältnismäßigkeit. Die Gefahr der doppelten Verlustberücksichtigung besteht nicht bei finalen Verlusten. Demgegenüber mindert auch ein finaler Verlust das Recht eines Staates zur Besteuerung nach dem Territorialitätsprinzip, was der EuGH in Marks & Spencer ausdrücklich darlegt“ (Tz. 36, 45 f. des Urteils). Diese Entscheidung ist jedoch von Oy AA und X-Holding abzugrenzen, in denen der EuGH in den Vordergrund stellt, dass ein Unternehmen nicht darüber frei entscheiden kann, in welchem Staat sich Verluste auswirken und demgemäß Gewinne nicht besteuert werden. In beiden Verfahren ging es um laufende Verluste. In Marks & Spencer bezog sich die Unverhältnismäßigkeit auf den Ausschluss der Übertragung finaler Verluste.5 Generalanwältin Kokott6 kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine grenzüberschreitende steuerliche Einheit die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse durch die Staaten missachtet. Dies gilt, so muss man hinzufügen, unabhängig davon, ob die Verluste final sind oder nicht. Das Ergebnis des EuGH ist daher nicht eine logisch zwingende Ableitung aus der Norm, sondern eine Abwägung der miteinander konkurrierenden Rechte der Niederlassungsfreiheit und des Territorialitätsprinzips im Sinne des Versuchs, eine praktische Konkordanz herzustellen. Erlaubt ein Staat Teilwertabschreibungen7 auf Beteiligungen – sei es bereits bei laufenden Verlusten, sei es erst bei Liquidation der Tochtergesellschaft – nur bei inländischen Tochtergesellschaften, so verletzt diese Ungleichbehandlung die Niederlassungsfreiheit. In diesen Fällen wird der Verlust dessen berücksichtigt, was die Muttergesellschaft in die Tochtergesellschaft investiert hat, d.h. ein tatsächlicher Verlust im Vermögen der Mutter. Eine Nichtberücksichtigung dieses tatsächlichen Verlustes würde die Auslandsinvestition erheblich erschweren. Sind jedoch derartige Abschreibungen innerstaatlich nicht zugelassen – wie in Deutschland gem. § 8b KStG, so ist es kaum begründbar, dass sogar ein darüber hinaus gehender Verlust der Tochtergesellschaft berücksichtigt werden müsste, wenn er final ist. Eine Entscheidung des EuGH zu dieser Frage steht noch aus. 1 EuGH anerkannt seit EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239. 2 Obwohl völkerrechtlich damit etwas anderes gemeint ist. Vgl. Meissner, Einführung in das Völkerrecht, S. 194 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfram, Völkerrecht I/1, S. 316 ff. 3 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439. 4 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763. 5 Wobei die Finalität in Rz. 1.120 umschrieben wird. 6 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding, ECLI:EU:C:2010:89, Tz. 63, 70. 7 Entsprechendes gilt beim Ausfall von der Tochter gewährten Krediten.

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1.200

Kap. 1 Rz. 1.201 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht c) Folgerungen für eine grenzüberschreitende Organschaft

1.201 Welche Schlüsse aus den Entscheidungen des EuGH für die deutsche Organschaft zu ziehen sind,

ist umstritten.1 Die deutsche Organschaft unterscheidet sich von den den bisher entschiedenen Fällen zugrundeliegenden Gruppenbesteuerungssystemen. Diesen Entscheidungen kann aber immerhin zweierlei entnommen werden: 1. Es stellt eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit dar,2 dass die Organschaft nur dann möglich ist, wenn Organgesellschaft und Organträger im Inland ansässig sind, und

2. Deutschland kann als Rechtfertigung für diese Verletzung Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass von Gesellschaften in seinem Territorium erwirtschaftete Gewinne beliebig durch die Unternehmen ins Ausland transferiert und dadurch seiner Besteuerung entzogen werden, bzw. dass ein vergleichbarer Effekt durch Verlusttransfer ins Inland eintritt. Daher sind die einzelnen Voraussetzungen und Rechtsfolgen er Organschaft daraufhin zu prüfen, ob sie in verhältnismäßiger Weise der Erreichung dieses Zieles dienen. Dies entspricht dem „PerElement-Approach“3 der Generalanwältin Kokott im Fall X-Holding.

1.202 Von den Voraussetzungen der Organschaft stehen vor allem die Inlandserfordernisse und der Er-

gebnisabführungsvertrag in der Kritik. Die übrigen Voraussetzungen wie z.B. die finanzielle Eingliederung enthalten keine Nichtansässige diskriminierende Elemente. Nachdem der BFH4 aus dem Diskriminierungsverbot des DBA-USA herleitete, dass eine in den USA gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland Organträger sein kann,5 hat die Europäische Kommission wegen des erforderlichen doppelten Inlandsbezugs des Organs ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland am 29.1.2009 eingeleitet.6 Mit Schreiben vom 28.3.20117 hat das BMF reagiert. Danach kann eine im EU/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland ihr im Inland steuerpflichtiges Einkommen auf einen Organträger gem. § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG bzw. § 18 KStG übertragen. Das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages ist dann diskriminierend,8 wenn er so ausgestaltet ist, dass er grenzüberschreitend nicht abgeschlossen werden kann. Reduziert man ihn auf eine Verlustübernahmeverpflichtung9 des Organträgers oder sieht von den Formalien des AktG ab, so stellt er grenzüberschreitend kein unüberwindbares Hindernis dar.

1.203 Die Rechtsfolgen der Organschaft sind vielfältig. Gem. §§ 14 ff. KStG bleibt die steuerliche Selbstän-

digkeit der Organgesellschaft unangetastet und lediglich ihr steuerliches Einkommen wird dem Organträger zugerechnet. Grenzüberschreitend würde die Zurechnung des Einkommens bewirken, dass einem im Inland ansässigen Organträger das Einkommen einer ausländischen Organgesellschaft zugerechnet und damit im Inland besteuert würde. Europarechtlich würde dies gegen die Grundsätze der OY AA-Entscheidung10 verstoßen, abgesehen davon, dass auch die DBA dem widersprechen dürften. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall – im Inland ansässige Organgesellschaft mit ausländischem Organträger. Das Unterbinden der grenzüberschreitenden Zurechnung des Einkommens des Organs ist folglich zur Wahrung der Besteuerungsbefugnisse der Staaten gerechtfertigt.11 Im Hinblick darauf erweist sich das Erfordernis des Ergebnisabführungsvertrages als überflüssig 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Mössner, DWS Symposium 2011 m.w.N. Möglichweise auch der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten s. Rz. 1.109. De Wilde, ECTR 2010, 179. BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 – Delaware. So auch § 14 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des Gesetzes v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858. Nr. 2008/4909; vgl. Meilicke, DB 2009, 653. IV C 2 - S 2770/09/1001, DB 2011, 793. Vgl. Kleinert/Nagler/Rehm, DB 2005, 1869 ff.; Herzig, DStR, Beihefter zu Heft 30/2010, 61 ff. FG Rh.-Pf. v. 12.3.2010 – 1 K 2406/07, EFG 2010, 1632; Nds. FG v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, EFG 2010, 815. 10 EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, ECLI:EU:C:2007:439. 11 Ebenso Rehm/Nagler, IStR 2008, 129 (138).

100 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.206 Kap. 1

und damit unverhältnismäßig. Dies gilt umso mehr, als finale Verluste auch ohne Ergebnisabführungsvertrag nach der Rechtsprechung des EuGH von der Muttergesellschaft zu übernehmen sind. Anders zu beurteilen ist die Frage, ob einzelne Vorteile einer Organschaft in grenzüberschreitenden, vergleichbaren Situationen verweigert werden können. Der BFH hat für diese Fälle den Begriff der gedachten faktischen Organschaft eingeführt.1 Im Verfahren X-Holding ging es um die Verweigerung der Vorteile eines Verlustausgleichs, der vereinfachten Steuererklärungspflichten, der steuerfreien Umwandlungen und der Neutralisierung interner Geschäfte. Aus deutscher Sicht2 handelt es sich vor allem um die Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 5 KStG), die Zinsschranke (§ 15 Nr. 3 KStG) und die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, die durch Bildung einer Organschaft vermieden werden können. Zu letzterer hat der BFH3 entschieden, dass die Hinzurechnung der Darlehenszinsen einen Verstoß gegen das DBA-Diskriminierungsverbot darstellt, was sich auf die Niederlassungsfreiheit übertragen lässt.4 Offen ist allerdings, was die genauen Voraussetzungen für die entsprechende Anwendung der Regeln über die Organschaft sind, denn die bloße finanzielle Eingliederung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG reicht sicher nicht aus. Entgegen dem Bericht5 der Arbeitsgruppe „Verluste und Gruppenbesteuerung“ der Finanzverwaltung besteht daher dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

1.204

3. Grenzüberschreitende Dividenden a) Einführung Ein europäisches Körperschaftsteuersystem gibt es nicht. Die Mitgliedstaaten haben sich für verschiedene Systeme entschieden. Bei jedem stellt sich das Problem der wirtschaftlichen Doppelbelastung des Gewinns der Kapitalgesellschaft mit Körperschaftsteuer und der Dividende beim Anteilseigner. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wenden die Staaten verschiedene Methoden an, die im Ergebnis eine angemessene Besteuerung des Gewinns unter Berücksichtigung der Steuer bei der Gesellschaft und beim Gesellschafter erreichen wollen. In grenzüberschreitenden Situationen, in denen ein Staat entweder die Gesellschaft oder den Gesellschafter besteuert, funktionieren diese Methoden nicht, so dass die Staaten die Entlastungen zur Sicherung ihrer Besteuerung nicht anwenden.

1.205

Im klassischen dualistischen System der Körperschaftsteuer werden Körperschaft und Gesellschafter unabhängig voneinander besteuert. Zur Vermeidung der Doppelbelastung wird dann die Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne gemindert. Dies hat zur Folge, dass der Staat einen nichtansässigen Anteilseigner nicht uneingeschränkt besteuern kann. Daher versagt er die Minderung der Körperschaftssteuer, wenn die Dividende an Ausländer gezahlt wird. Die Rechtsprechung des EuGH zu diesem Komplex ist umfangreich und versucht, die unterschiedlichen Aspekte zum Ausgleich zu bringen. Angesichts der Vielzahl der nationalen und der in den DBA enthaltenen Regelungen sind die Entscheidungen oft sehr speziell. Im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft geht es um die Besteuerung der Gesellschaft selbst (Rz. 1.135) und der Dividendenempfänger (Rz. 1.138) als Ansässige und Nichtansässige. Im Staat des Gesellschafters ist die steuerliche Behandlung von Inlandsdividenden mit der von Auslandsdividenden zu vergleichen (Rz. 1.143) b) Besteuerung der ausschüttenden Gesellschaft Die auf Gewinne einer Kapitalgesellschaft erhobene Körperschaftsteuer bei nach dem jeweiligen Steuerrecht ansässigen Gesellschaften darf nicht danach unterschieden werden, ob die Gesellschafter im Ansässigkeitsstaat ansässig sind oder nicht.6 1 2 3 4 5 6

BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524. S. Heurung/Engel/Thiedemann, FR 2011, 212 (217 f.). BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. Mössner, Anm. zu Hess-FG v. 18.5.2010 – 8 K 3137/06, IStR 2010, 778 f. BMF, Bericht v. 10.11.2011, Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung. EuGH v. 29.4.1999 – C-311/97 – Royal Bank of Scotland, ECLI:EU:C:1999:216.

Lampert | 101

1.206

Kap. 1 Rz. 1.207 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht

1.207 Das Unionsrecht überlässt es jedem Mitgliedsstaat, ein System zur Vermeidung der wirtschaftli-

chen Doppelbelastung einzuführen.1 Erfolgt dies durch Maßnahmen auf der Ebene der Besteuerung der Kapitalgesellschaft, so darf dann nicht nach der Ansässigkeit der Anteilseigener unterschieden werden. Dieses Prinzip der Gleichbehandlung hat der EuGH2 auch darauf angewandt, dass Deutschland eine Ausschüttungsbelastung beim früheren Anrechnungssystem selbst dann hergestellt hat, wenn die Ausschüttung an einen Ausländer erfolgte, der ein Körperschaftsteuerguthaben nicht geltend machen konnte.

1.208 Die Zinsschranke behandelt Zinszahlungen ins Ausland in gleicher Weise wie solche ins Inland,

stellt demnach eine nicht diskriminierende Regel zur Gewinnermittlung inländischer Gesellschaften auf. Der BFH3 hielt hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen gem. § 8 GewStG einen Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie4 für möglich. Dabei stützte er sich auf die Entscheidung Athinaiki Zythopoiia,5 die jedoch den nach der Mutter-Tochter-RL untersagten Abzug an der Quelle bei Ausschüttungen bei ausländischen Gesellschaften als Anteilseigner betraf. Griechenland umging dieses Verbot dadurch, dass die ausschüttende, in Griechenland ansässige Gesellschaft mit einer Dividendensteuer belegt wurde. Der EuGH sah darin einen verbotenen Abzug an der Quelle, weil die Steuer – durch die Zahlung der Dividende ausgelöst wurde – letztlich die ausländische Gesellschaft traf und – auf der Basis der Höhe der Dividende ermittelt wurde.

Der EuGH6 ist dem zu Recht nicht gefolgt. Der ausländische Darlehensgeber erhält denselben Zins unabhängig von der Abziehbarkeit des Zinses beim Darlehensnehmer: die Hinzurechnung führt „nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers“ (Rz. 30 des Urteils) Dies lässt sich auf die Zinsschranke, die eine Regelung der Gewinnermittlung für die inländische Gesellschaft darstellt, übertragen. c) Besteuerung der Dividende im Quellenstaat

1.209 Nimmt eine Kapitalgesellschaft eine Gewinnausschüttung – stellvertretend wird im Folgenden die

offene Ausschüttung in Form der Dividende behandelt – vor, so erhebt der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft auf die Dividende in der Regel eine Steuer, bei ansässigen Anteilseignern im Rahmen deren Besteuerung, bei Nichtansässigen im Wege einer Abzugssteuer auf die Dividende.7 Zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung wenden die Staaten unterschiedliche Methoden an. Zusammenfassend kann man feststellen, dass der EuGH die Gleichbehandlung in- und ausländischer Anteilseigner fordert.

1.210 Zur Vermeidung eines Kaskadeneffekts der Besteuerung stellen viele Staaten eine Dividenden emp-

fangende Kapitalgesellschaft von der Besteuerung frei. Deutschland sieht dies in § 8b Abs. 1 KStG vor, indem Gewinnausschüttungen außer Ansatz bleiben. Die auf die Dividende gem.§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG erhobene Kapitalertragsteuer wird bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft gem. § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Körperschaftsteuer angerechnet bzw. erstattet und gem. § 43b EStG entsprechend der Mutter-Tochter-RL nicht erhoben, wenn die

1 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-375/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Litigation, Rz. 50 ff. ECLI:EU:C:2006:773. 2 EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06 – Burda, ECLI:EU:C:2008:365. 3 Vorlagebeschl. BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, BFH/NV 2009, 2059. 4 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003. 5 EuGH v. 4.10.2001 – Rs. C-294/99 – Athinaïki Zythopoiia, ECLI:EU:C:2001:505. 6 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar Technology, ECLI:EU:C:2011:499. 7 Wegen des Zusammenhangs wird dies hier und nicht bei der systematisch richtigeren beschränkten Steuerpflicht (s. Rz. 2.84) behandelt wird.

102 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.212 Kap. 1

ausländische Gesellschaft zu mindestens 10 v.H. (§ 43b Abs. 3 EStG) an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist. Bei einer nicht diese Schwelle erreichenden Beteiligung einer ausländischen Gesellschaft (Portfolio-Beteiligung) wird die erhobene Kapitalertragsteuer gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG endgültig. Dies stellt eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit dar.1 Die Rechtsprechung des EuGH hat dies in vergleichbaren Fällen2 ständig so entschieden. Bereits in der Denkavit-Entscheidung geht er davon aus, dass die Steuerfreiheit der Dividenden bei einer inländischen Muttergesellschaft ein Teil der Maßnahme zur Vermeidung der mehrfachen Belastung darstellt (Tz. 37 des Urteils). Dies rechtfertigte es aber nicht, ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich zu behandeln (Rz. 26–29 des Urteils). Das Argument, durch den Ausschluss ausländischer Muttergesellschaften solle verhindert werden, dass diese jeglicher Besteuerung entgingen (Tz. 32 des Urteils), weist er zurück, da der Kaskadeneffekt, der durch die Steuerfreiheit bei der Muttergesellschaft verhindert bzw. abgemildert werden soll, bei ausländischen wie bei inländischen Muttergesellschaften auftritt. Als zweites brachte Frankreich die Verteilung der Besteuerung durch das DBA vor. Der EuGH erkennt die entsprechende Zuständigkeit der Staaten durchaus an (Tz. 43 des Urteils), misst die Ausübung dieser Zuständigkeit aber an den Grundfreiheiten (Tz. 44 des Urteils). Das Argument, der Staat der Dividenden empfangenden Muttergesellschaft müsse für einen Ausgleich sorgen (Tz. 53 des Urteils), vermöge nicht zu rechtfertigen, dass ansässige und nichtansässige Muttergesellschaften unterschiedlich behandelt würden (Tz. 49 des Urteils). Die Entscheidung des EuGH vom 20.10.20113 betrifft solche ausländische Gesellschaften, die die Mindestbeteiligung im Rahmen der Mutter-Tochter-RL nicht erreichen. Der BFH4 hatte in Verkennung der Rechtsprechung des EuGH in der Endgültigkeit der Kapitalertragsteuer in diesen Fällen keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen, da er fälschlicherweise den Ansässigkeitsstaat zur Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung verpflichtet ansah. Der EuGH hingegen geht von einer nicht gerechtfertigten Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit aus. Die BFHEntscheidung widerspricht der EuGH-Entscheidung.5 Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung6 ist den betroffenen Anteilseignern Befreiung von oder Erstattung der Kapitalertragsteuer zu gewähren.7 Damit stellt sich die Frage der Auswirkung auf Muttergesellschaften in Drittstaaten. Im Urteil vom 26.11.20088 geht der BFH davon aus, dass im Verhältnis zu Drittstaaten die Kapitalverkehrsfreiheit auch bei unternehmerischen Beteiligungen zur Anwendung kommt, da die Regelung des § 8b Abs. 1 KStG unabhängig von der Beteiligungshöhe gilt. Folgerichtig müsste dann auch einer Muttergesellschaft in einem Drittstaat die Kapitalertragsteuer erstattet werden.9

1.211

Soweit die Kapitalertragsteuer als Abgeltungssteuer gem. § 43 Abs. 5 EStG auch für Inländer endgültig ist, liegt keine unterschiedliche Behandlung von nichtansässigen Anteilseignern vor, wenn bei diesen die Kapitalertragsteuer gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG abgeltende Wirkung besitzt. Ebenso

1.212

1 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 = IStR 2011, 840. 2 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ATC Group Litigation, ECLI: EU:C:2006:773; v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 – Denkavit International, ECLI:EU:C:2006:783; v. 8.11. 2007 – Rs. C-379/05 – Amurta, ECLI:EU:C:2007:655; v. 3.6.2010 – Rs. C-487/08 – Komm./Spanien, ECLI:EU:C:2010:310 = IStR 2010, 483. 3 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 = IStR 2011, 840. 4 BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BStBl. II 2009, 143. 5 Unklar insoweit Gosch, BFH/PR 2011, 455. 6 Etwa durch Herausnahme der Portfolio-Beteiligungen aus dem Anwendungsbereich von § 8b Abs. 1 KStG. 7 Zu den Einzelheiten vgl. Schnitger, DB 2012, 305 (307 f.). 8 BFH v. 26.11.2008 – I R 7/08, BFHE 224, 50 = FR 2009, 761 – eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen. Vgl. Gosch, BFH/PR 2009, 224; sowie BFH v. 11.1.2012 – I R 29/10, DStR 2012, 836. 9 Ebenso Schnitger, DB 2012, 309.

Lampert | 103

Kap. 1 Rz. 1.213 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken, wenn die abgeltende Wirkung gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG entfällt. Die Versagung des Teileinkünfteverfahrens bei beschränkter Steuerpflicht1 ist nach der EuGH-Entscheidung vom 20.10.20112 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Was dies bedeutet, ist jedoch unklar. Beispiel: Der im Ausland ansässige Einzelunternehmer E hält in seinem (ausländischen) Betriebsvermögen Anteile an der im Inland ansässigen X-GmbH. Wäre E im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wären bei ihm nur 60 v.H. der Gewinnausschüttungen der X in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Die Kapitalertragsteuer wird bei E mit 25 v.H. von der Dividende erhoben. Dies entspräche einem Steuersatz von 42 v.H. bei einem Inländer.

1.213 Somit lässt die Rechtsprechung des EuGH folgende Linie erkennen: Besteuert der Ansässigkeits-

staat der Kapitalgesellschaft die Gesellschaft und den Gesellschafter, so setzt er die Ursache für die Doppelbelastung. Sieht er Entlastungsmaßnahmen für Ansässige vor, so muss er diese auch Nichtansässigen gewähren. Erhebt er auf die Dividende eine Quellensteuer, so muss er ggf. in einem DBA sicherstellen, dass diese nicht zu einer endgültigen Belastung wird. d) Besteuerung der Dividende im Empfängerstaat

1.214 Der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers sieht sich in einer vergleichbaren Lage wie der

Staat der Gesellschaft, wenn er zur Vermeidung der Doppelbelastung beim Dividendenempfänger Entlastungsmaßnahmen vorsieht, weil er ja bereits die Gesellschaft mit Körperschaftssteuer belastet hat. Aufgrund dieser Erwägung versagen Staaten die günstigere Besteuerung von Inlandsdividenden auch für Auslandsdividenden. Bei der Besteuerung der Dividenden beim Empfänger wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung beim Voll- oder Teilanrechnungssystem berücksichtigt. Auch Teileinkünfteverfahren beruhen auf diesem Gedanken. Da bei Auslandsdividenden ein Staat die Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft nicht kassiert, verweigern Staaten oft die geminderte Besteuerung dieser Dividenden.

1.215 Der EuGH hat erstmals am 6.6.2000 in der Sache Verkoijen3 über einen derartigen Fall zu entscheiden gehabt.

Herr Verkoijen war in den Niederlanden ansässig und hielt Aktien der belgischen Petrofina NV. 1991 erhielt er eine Dividende, die in Belgien mit einer Quellensteuer von 25 % besteuert wurde. In den Niederlanden wurde die Dividende ebenfalls besteuert, wobei jedoch der Dividendenfreibetrag des niederländischen Steuerrechts verweigert wurde, da dieser nur für Dividenden niederländischer Gesellschaften gewährt wurde. Der EuGH stellt fest, dass die Verweigerung des Freibetrages für Auslandsdividenden in den Niederlanden Ansässige davon abhalten kann, ausländische Aktien zu erwerben. Da die Folge eine geringere Rendite ist, lag ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor (Tz. 34 des Urteils). Aber auch ausländische Kapitalgesellschaften werden in ihrer Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung behindert (Tz. 35 des Urteils). Die Niederlande trugen als Rechtfertigung vor, durch die Versagung des Freibetrages solle die Investition von Niederländern in den Niederlanden gefördert werden (Tz. 47 des Urteils), was geradezu ein klassisches dem Binnenmarkt widersprechendes Motiv ist.

1.216 Nach dieser Entscheidung. war zu erwarten, dass die Verweigerung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer im Anrechnungsverfahren europarechtswidrig war. Dies entschied der EuGH entsprechend.4 Aus deutscher Sicht stellt sich ein Folgeproblem, da die Anrechnung der Körper1 2 3 4

Gosch in Kirchhof16, § 50 EStG Rz. 16. EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670. EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkoijen, ECLI:EU:C:2000:294. EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, ECLI:EU:C:2007:132.

104 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.220 Kap. 1

schaftsteuer an die Vorlage einer Körperschaftssteuerbescheinigung der ausschüttenden Gesellschaft geknüpft war.1 Dass die ausländischen Gesellschaften keine ausländischen Steuerbescheinigungen ausgestellt hatten, führt zu der weiteren Frage,2 ob die ausländische Körperschaftsteuerbelastung auch anders nachgewiesen werden kann, was der EuGH bejahte. Der BFH3 sieht in der Vorlage einer Bescheinigung ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung, um gleichwohl die Anrechnung zu verhindern, wurde4 vorsorglich § 175 Abs. 2 AO um einen weiteren Satz ergänzt, der in allen bestandkräftig veranlagten Fällen eine Erstattung ausschließen soll. Auch dies hat der EuGH beanstandet. Im Halb- bzw. ab 2008 Teileinkünfteverfahren wird kein Unterschied mehr gemacht, ob der Inländer die Dividenden von einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft erhält. Insofern ist das Verfahren nun europarechtskonform.5

1.217

e) Ergebnis Die Rechtsprechung zeigt deutlich das Verständnis des EuGH der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote. Dies bedeutet für ihn, dass ein Staat das von ihm gewählte System der Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung auf jeder Stufe – bei der Kapitalgesellschaft selbst und bei der Besteuerung des Anteilseigners – Inländern und Ausländern in gleicher Weise gewähren muss.6 Führt dies im Ergebnis gleichwohl zu Belastungen oder Vergünstigungen, da die Systeme nicht aufeinander abgestimmt sind, so ist dies angesichts der fehlenden Harmonisierung hinzunehmen.

1.218

4. Finanzierung Viele Staaten sehen unilateral in ihrem nationalen Recht – wie Deutschland – oder im Wege eines DBA Steuerfreiheit vor, wenn Kapitalgesellschaften Gewinnausschüttungen anderer Kapitalgesellschaften erhalten. Üblicherweise ist dies an eine Mindestbeteiligungsquote geknüpft (Schachtelprivileg), kann aber auch wie in Deutschland mit § 8b Abs. 1 KStG voraussetzungslos gewährt werden. Ist die Beteiligung selbst mit Kredit finanziert worden, so stellt sich die Frage der Abziehbarkeit der entsprechenden Finanzierungsaufwendungen, in der Regel der Bankzinsen (vgl. auch Kapitel 11 zu internationalen Finanzierungen).

1.219

Der vom EuGH entschiedene Musterfall ist die Rechtssache Bosal.7

1.220

Das niederländische Steuerrecht ließ Ausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nicht zum Abzug zu. Als solche wurden auch Kosten von Krediten definiert, die sechs Monate vor dem Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft aufgenommen wurden. Die Dividenden, die Bosal von den neun Tochtergesellschaften erhielt, waren in den Niederlanden steuerfrei. Trotz Steuerfreiheit der Dividenden konnten die Zinsaufwendungen dann abgezogen werden, wenn sie zur Erzielung von in den Niederlanden zu versteuernden Einkünften führen. Dies ist bei niederländischen Tochtergesellschaften der Fall, aber auch, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft in den Niederlanden eine Betriebsstätte unterhält, nicht aber bei ausländischen Tochtergesellschaften ohne Betriebsstätten in den Niederlanden. 1 §§ 36 Abs. 2 Nr. 3, 44 f. EStG a.F. 2 EuGH v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, ECLI:EU:C:2011:438 = IStR 2011, 551; vgl. Mössner, Rückgewähr europarechtswidrig erhobener Steuern, in FS Rengeling, S. 339 ff. (352). 3 Vgl. BFH v. 6.3.2003 – XI R 13/02, BStBl. II 2003, 554; s. auch Loose in T/K, § 175 AO Rz. 46 ff. (49). 4 G 9.12.2004, BGBl. I 2004, 3323. 5 Zur Europarechtlichen Motivation die Einführung des (Halb-)Teileinkünfteverfahrens vgl. Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 4 m.w.N. 6 Vgl. auch EuGH v. 19.11.2009 – Rs. C-540/07 – Komm./Italien, ECLI:EU:C:2009:717. 7 EuGH v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal, ECLI:EU:C:2003:479.

Lampert | 105

Kap. 1 Rz. 1.221 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Hierin sah der Gerichtshof eine nicht zurechtfertigende Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit. Bemerkenswert ist, dass die Mutter-Tochter-RL den Ausschluss von Finanzierungsaufwand bei steuerfreien Dividenden zulässt.1 Darin sieht der EuGH einen Verstoß der RL gegen höherrangiges Vertragsrecht (Tz. 22 ff., 41 des Urteils). 5. Wegzugsbesteuerung

1.221 Die gesetzliche Regelung der sog. Entstrickungslehre in § 4 Abs. 1 EStG, § 6 AStG und § 12 KStG

gerät offensichtlich in Konflikt mit der Niederlassungsfreiheit. Zur Entstrickung kommt es entweder durch den Wegzug einer natürlichen Person oder eines Körperschaftsteuersubjekts aus dem Inland ins Ausland, wenn dadurch stille Reserven in ihr gehörenden Wirtschaftsgüter nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegen, oder dadurch, dass einzelne Wirtschaftsgüter ins Ausland überführt und dadurch deren stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen werden. Die Fälle sind vielfältig: Beispiele: Der im Inland ansässige X ist an der inländischen GmbH D beteiligt. Er verzieht in die Niederlande. Bei einer Veräußerung der GmbH-Anteile schließt das DBA-Niederlande eine Versteuerung des Veräußerungsgewinns in Deutschland aus. Die deutsche Y-GmbH verlegt ihre tatsächliche Geschäftsleitung ins Ausland. „Mitziehende“ Wirtschaftsgüter können nicht mehr im Inland besteuert werden, wenn ein DBA dies ausschließt. Das deutsche Unternehmen verlagert Wirtschaftsgüter in seine ausländische Betriebsstätte oder verlagert den gesamten Betrieb ins Ausland. Das ausländische Unternehmen verlegt eine deutsche Betriebsstätte nach Spanien.

Gemeinsam ist diesen Fällen, dass in den Wirtschaftsgütern stille Reserven vorhanden sind, die sich gebildet haben, als diese der inländischen Besteuerung unterlagen.

1.222 In der beschriebenen Situation stellt sich eine Reihe von Fragen: 1. Kann ein Staat die in seinem Gebiet entstandenen stillen Reserven auch dann besteuern, wenn das betreffende Wirtschaftsgut sein Staatsgebiet und dadurch seinen steuerlichen Zugriff verlässt? 2. Ist der Wegzug ein hinreichendes Element, um eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven zu rechtfertigen? 3. Falls nein: Wie kann der Staat sicherstellen, dass bei einer späteren Realisation der stillen Reserven er seinen Anteil versteuern kann? Sicherheitsleistung? 4. Welche Auswirkungen haben nach dem Wegzug eintretende Umstände, z.B. Senkung oder Erhöhung des Steuersatzes, Zerstörung des Gegenstandes, Veräußerung zu einem niedrigen Preis? 5. Kann der Staat verlangen, dass der Wegziehende Zinsen für die Zeit zwischen Wegzug und Realisation zahlt?

1.223 Der EuGH hat zu dieser Thematik inzwischen drei Entscheidungen gefällt: Rechtssache De Lasteyrie du Saillant:2 sie betraf die französische Regelung über den Wegzug einer natürlichen Person und die Auswirkung auf Anteile an Kapitalgesellschaften, wie sie ähnlich in § 6 AStG vorgesehen ist. Nach dieser Entscheidung wurde § 6 AStG geändert. Der BFH hat mit 1 RL v. 23.6.1990 – 90/435/EEC, Art. 4 Abs. 2. 2 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, ECLI:EU:C:2004:138; die Entsch. v. 21.11. 2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, ECLI:EU:C:2002:704, kann in gewisser Weise bereits als Vorläufer gewertet werden (grenzüberschreitende Einbringung von Anteilen).

106 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.226 Kap. 1

Beschluss vom 23.9.20081 ernstliche Zweifel an der Europarechtskonformität der Neuregelung verneint. Rechtssache N:2 auch dieser Fall betraf den Wegzug – diesmal eines Niederländers – mit Auswirkungen auf die Anteile an Kapitalgesellschaften. N. wurde auf seinen Antrag hin die beim Wegzug festgesetzte Steuer gegen Sicherheitsleistung gestundet.3 Außerdem wurden spätere Wertverluste von einer Berücksichtigung ausgeschlossen. Rechtssache National Grid Indus:4 eine niederländische Kapitalgesellschaft verlegte 2000 ihren Verwaltungssitz nach Großbritannien und war nach dem DBA-Niederlande/Großbritannien dadurch ansässig geworden. In ihrem Vermögen hielt sie eine Forderung in britischen Pfund. Wegen der Kurssteigerung dieser Währung gegenüber dem niederländischen Gulden war ein (in den Niederlanden nicht realisierter) Kursgewinn von ca. 22 Mio. NLG entstanden, den die Niederlande besteuerten. Diese Urteile des EuGH haben einige grundsätzliche Fragen beantwortet, vor allem National Grid Indus wirft aber neue Fragen auf. Das Gericht anerkennt einerseits, das Recht eines Staates diejenigen stillen Reserven zu besteuern, die unrealisiert beim Wegzug vorhanden sind. Im Fall de Lasteyrie du Saillant (Rz. 1.152) bezeichnet der EuGH dies als Sicherstellung der Besteuerung derjenigen Wertsteigerungen, die während des Aufenthaltes im Staat eingetreten sind. Andererseits folgt für ihn aus der Niederlassungsfreiheit, dass der Wegzug als solcher keinen Realisationstatbestand darstellt, so dass eine sofortige Versteuerung der stillen Reserven eine Verletzung der Freiheit bedeutet. In der Rechtssache de Lasteyrie wurde die französische Wegzugsbesteuerung deshalb beanstandet, weil sie als Steuerfluchtbekämpfungsmaßnahme ausgestaltet war, dieses Ziel aber inkonsequent verfolgte. In den Entscheidungen N und National Grid Indus hat das Gericht es als gerechtfertigt im Sinne der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse bezeichnet, dass die nicht realisierten Wertzuwächse in dem Staat besteuert werden, in dem sie erzielt werden. In beiden Verfahren wurde die sofortige Erhebung der Steuer jedoch dann als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen, wenn eine innerstaatliche Sitzverlegung keine Besteuerung stiller Reserven auslöst.

1.224

Nicht eindeutig wird beantwortet, ob beim Wegzug die stillen Reserven oder der auf diesen ruhende (fiktive) Steuerbetrag festgestellt werden dürfen.5 In alle drei Verfahren war die Steuer erhoben worden. Dies wurde vom EuGH als unverhältnismäßig zur Sicherung der Aufteilung der Besteuerungsrechte bezeichnet. Ein Aufschub der Besteuerung ist somit erforderlich. Da die Feststellung der beim Wegzug vorhandenen stillen Reserven das mildere Mittel ist, wird man davon ausgehen können, dass der EuGH dieses nicht bestanden wird, weil er auch die Festsetzung der Steuer hingenommen hat.

1.225

Im Urteil N (Tz. 37, 54 des Urteils) hatte der EuGH nur ein solches System als verhältnismäßig hingenommen, welches Wertminderungen, die nach der Wohnsitzverlegung eintreten, bei der Eintreibung der beim Wegzug festgesetzten Steuer vollständig berücksichtigt, „soweit sie nicht bereits im Aufnahmemitgliedsstaat berücksichtigt werden.“ Im Urteil National Grid Indus hingegen (Tz. 56 des Urteils) beanstandet er die Nichtberücksichtigung von Wertminderungen nach dem Wegzug nicht. Begründet wird dies damit, dass im Fall N die „entstrickten“ Anteile Privatvermögen waren, bei dem das Zuflussprinzip gilt, wohingegen bei National Grid Indus Vermögenswerte betroffen sind, die „unmittelbar wirtschaftlichen Tätigkeiten zugewiesen (sind), die auf Gewinn ausgerichtet sind“, wobei der Gewinn durch Bewertung in der Bilanz ermittelt werde (Rz. 57

1.226

1 2 3 4

BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524. EuGH v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, ECLI:EU:C:2006:525. Die später durch eine Verwaltungsmaßnahme ausgesetzt wurde. EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/1010 – National Grid Indus BV, ECLI:EU:C:2011:785 = DStR 2011, 2334. 5 Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. Mössner, JbStB 2004/2005, 109 ff.

Lampert | 107

Kap. 1 Rz. 1.227 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht des Urteils). Man kann nur vermuten, was der EuGH damit sagen will. Da beim Zuflussprinzip ein Veräußerungsgewinn erst im Zeitpunkt der Veräußerung aus der Differenz von Veräußerungspreis und Anschaffungskosten entsteht, ist der dann entstehende tatsächliche Veräußerungsgewinn auf den Wegzugs- und den Aufnahmestaat zu verteilen. Letzterer kann nach dieser These folgerichtig dann nur den Teil besteuern, der seinem Staatsgebiet zugeordnet werden kann. Dies ist bei Wertsteigerungen nach dem Wegzug auf der Basis des Wertes im Wegzugszeitpunkt zu ermitteln. Beispiel: Im Zeitpunkt der Wohnsitzverlegung beträgt der Wert der Anteile 200 bei Anschaffungskosten von 100. Bei Veräußerung ist der Wert auf 250 gestiegen. 100 sind dem Wegzugsstaat zuzuordnen.

Wie dies nach Vorstellung des EuGH allerdings bei Wertminderungen erfolgen soll, ist unklar. Beispiel: Wie vorstehend, bei der Veräußerung ist der Wert aber auf 150 gesunken. Folgerichtig wäre, dass der Zuzugsstaat einen Verlust von 50 berücksichtigt, der Wegzugsstaat 100 besteuert. Dies setzt aber voraus, dass der Zuzugsstaat überhaupt Veräußerungsverluste bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen berücksichtigt. Ist dies nicht der Fall, so soll wohl nach Ansicht des EuGH der Wegzugsstaat nur einen Gewinn von 50 besteuern dürfen.

Beim bilanziellen Realisationsprinzip sei es aber so, dass die überführten Wirtschaftsgüter im Zuzugsstaat hinsichtlich der Gewinne und Verluste1 uneingeschränkt berücksichtigt würden, wobei auch (Tz. 57 des Urteils) Abschreibungen die Bemessungsgrundlage verringerten. Der EuGH sieht somit offenbar den Zuzugsstaat als verpflichtet an, die überführten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Verstrickung zu bewerten. Er sagt dies nicht ausdrücklich, da dies nicht Verfahrensgegenstand war, aber seine Ausführungen sind nur unter dieser Voraussetzung in sich schlüssig. Ein System der Bildung von Ausgleichsposten wie in § 4g EStG ist demzufolge grundsätzlich unionskonform.2 Problematisch ist hingegen die zwingende Auflösung des Postens innerhalb von fünf Jahren. Der EuGH verknüpft die Besteuerung im Herkunftsstaat mit der Berücksichtigung von Wertschwankungen im Zuzugsstaat. Die deutsche Pauschallösung nimmt darauf keine Rücksicht.

1.227 Im Weiteren diskutiert der EuGH im Urteil National Grid Indus3 die Frage des erforderlichen

Verwaltungsaufwands, um das Schicksal der einzelnen Wirtschaftsgüter zu verfolgen, vor allem wenn es sich um die Verlegung eines gesamten Betriebes mit einer Vielzahl von Gütern des Anlage- und Umlaufvermögen handelt. Er hält es für möglich, dass im Einzelfall für das Unternehmen die Kosten des Verwaltungsaufwandes der Nachverfolgung größer sind als die durch eine sofortige Zahlung der Steuern entstehenden Liquiditätsnachteile. In diesem Zusammenhang – und nur in diesem – wägt der EuGH eine Optionsmöglichkeit zwischen Sofortversteuerung und Aufschub der Versteuerung „gegebenenfalls zuzüglich Zinsen entsprechend der nationalen Regelung“ (Tz. 73 des Urteils) und einer Bankgarantie zur Absicherung des Risikos der Nichteinziehung der Steuer (Tz. 74 des Urteils). Aus diesem Grunde in der National Grid Indus Entscheidung eines Pyrrhus-Sieg für die Gegner der Sofortversteuerung4 zu sehen, ist nicht berechtigt, da der EuGH diese zusätzliche Erfordernisse daran knüpft, dass die Nachverfolgung wegen der Komplexität trotz der Amtshilfe innerhalb der EU „fast unmöglich“ (Tz. 70 des Urteils) sei. Eine generelle nationale Regelung „Besteuerungsaufschub nur gegen Zinsen und Bankgarantie“ würde nach dieser Entscheidung nicht den Segen des EuGHs erhalten. 1 Rz. 58 des Urteils: „Zusammenhang zwischen den Vermögenswerten der Gesellschaft und den steuerpflichtigen Gewinnen und folglich wegen der Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen.“ 2 Zu Bedenken s. Crezelius in Kirchhof16, § 4g EStG Rz. 9; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. A22 f., A45; Frotscher in Frotscher, § 4g EStG Rz. 3 ff.; a.A. Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Anm. 9; der Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger wird allg. als europarechtswidrig angesehen. 3 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 10 – National Grid Indus BV, ECLI:EU:C:2011:785 = DStR 2011, 2334. 4 So aber Mitschke, IStR 2012, 6 ff.; vgl. Mössner/Seeger, KStG, § 12 Rz. 36 ff. m.w.N.

108 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.230 Kap. 1

Diese steuerlichen Erwägungen dürfen nicht mit den gesellschaftsrechtlichen Regelungen für eine grenzüberschreitende Sitzverlegung von Gesellschaften innerhalb der EU vermengt werden.1 Für den EuGH ist entscheidend, wie das Recht des Staates, unter dem eine Gesellschaft errichtet wurde, auf einen Wegzug – sei es durch Verlegung des Verwaltungssitzes oder des statuarischen Sitzes – reagiert. Den Systemen der Sitz- oder Gründungstheorie (s. Rz. 2.49 ff.; 7.2 ff.) entsprechend kann der Wegzug zur Liquidation der Gesellschaft führen oder nicht. Der EuGH hat das Recht des Wegzugsstaats anerkannt,2 über den Fortbestand einer unter seinem Recht gegründeten Gesellschaft im Wegzugsfall zu entscheiden. Daher kommt es zu den vorstehenden steuerlichen Fragen nur, wenn nach dem Recht des Wegzugsstaats die Verlegung nicht die Eigenschaft, eine Gesellschaft nach diesem Recht zu sein, beeinträchtigt. Der Aufnahmestaat hat diese Entscheidung des Wegzugsstaats anzuerkennen.

1.228

6. Hinzurechnungsbesteuerung Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG (vgl. hierzu ausführlich Rz. 8.1 ff.) durchbricht die Abschirm- und Aufschubwirkung3 der ausländischen Kapitalgesellschaft und besteuert den Gewinn dieser ohne Ausschüttung im Inland. Bei innerstaatlichen Beteiligungen wird die Eigenständigkeit einer Kapitalgesellschaft von Missbrauchsfällen abgesehen nicht angetastet. Der EuGH hat in der Rs. Cadbury Schweppes4 die britische Form der Hinzurechnungsbesteuerung verworfen, da die Besteuerung des Gewinns einen Steuerstandortnachteil (Tz. 45 des Urteils) bedeutet, der bei nicht beherrschten, nicht in einem Niedrigsteuer-Staat ansässigen Tochtergesellschaften nicht eintritt. Dies verletzt die Niederlassungsfreiheit (Tz. 46 des Urteils). Dass durch die Hinzurechnung die Verlagerung von Gewinnen in ein günstiger besteuerndes Ausland bekämpft werden soll, rechtfertigt die Besteuerung nicht (Tz. 49 des Urteils). Die Inanspruchnahme von niedrigeren Steuern in einem anderen Mitgliedstaat durch die Gründung einer Tochtergesellschaft ist Ausübung der Niederlassungsfreiheit. Die Konkurrenz der Steuersysteme innerhalb Europas ist von den Staaten hinzunehmen, solange sie nicht unfair erfolgt. Gegen „rein künstliche Gestaltungen“ zur Vermeidung der Besteuerung können Staaten aber Maßnahmen ergreifen (Tz. 51 des Urteils). Ob etwas rein künstlich ist, muss nach dem Ziel der Niederlassung im anderen Staat beurteilt werden (Tz. 53 des Urteils). Wird von der Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet, so ist dies nicht rein künstlich (Tz. 61 des Urteils). Die Niederlassungsfreiheit schützt eine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung in einem Mitgliedsstaat. Nur wenn es nicht um die Inanspruchnahme der Freiheit, sondern nur um Steuerersparnis geht, sind Gegenmaßnahmen gerechtfertigt (Tz. 64, 65 des Urteils). Ob dies der Fall ist, haben letztlich die nationalen Gerichte festzustellen. Damit wird die Hinzurechnungsbesteuerung auf eine reine Missbrauchsbekämpfungsmaßnahme reduziert.

1.229

Der deutsche Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 8 Abs. 2 AStG durch das JStG 20085 auf diese Rechtsprechung reagiert und lässt nunmehr einen Gegenbeweis zu. Ob § 8 Abs. 2 AStG n.F. die Hinzurechnungsbesteuerung „europatauglich“ macht, ist zweifelhaft. Die Cadburry-SchweppesEntscheidung6 erlaubt dem Steuerpflichtigen den Gegenbeweis einer wirtschaftlichen Aktivität in Fällen, in denen der Verdacht einer rein künstlichen Gestaltung naheliegt. § 8 Abs. 1 AStG erfasst

1.230

1 Hierzu vgl. die Urteile des EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, ECLI:EU:C:1988:456; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512; v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723. 2 Erneut bestätigt in EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = DStR 2011, 2334, Tz. 26 ff. 3 Vgl. hierzu Pohl in Fuhrmann3, Vor § 7 AStG Rz. 2. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544. 5 BGBl. I 2007, 3150. 6 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544.

Lampert | 109

Kap. 1 Rz. 1.231 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht in seinen Nr. 4–6 jedoch auch Situationen, die kaum als denkbare Missbrauchssituationen bezeichnet werden können. Auch der Ausschluss des Gegenbeweises bei Einkünften von Kapitalanlagegesellschaften i.S.v. § 7 Abs. 6a AStG, die nicht inlandsbeherrscht i.S. von § 7 Abs. 2 AStG sind, die aber bereits ab einer Beteiligung von 1 v.H. gem. § 7 Abs. 6 AStG hinzugerechnet werden,1 ist mit der Cadbury-Schweppes-Entscheidung nicht zu vereinbaren. Die Europakonformität der Neuregelung wird daher insoweit zu Recht in Frage gestellt.2

1.231 Zur allgemeinen Überraschung hat der EuGH in der sog. Switch-over-Klausel von § 20 Abs. 2 AStG, nach der die Anrechnungs- an Stelle der Freistellungsmethode eines DBA anzuwenden ist, wenn die ausländische Betriebsstätte sog. Zwischeneinkünfte erzielt, keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen.3 Die Begr. des Gerichts beruht darauf, dass bei der Anrechnungsmethode eine ausländische wie eine inländische Betriebsstätte behandelt werde (Tz. 40 des Urteils) und daher keine Diskriminierung vorläge. Obwohl somit die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG nicht gegen das Unionsrecht verstößt und der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet hat, dass der Switch-over „ungeachtet des § 8 Abs. 2“ zu erfolgen habe,4 hat der BFH5 den Gegenbeweis i.S. des § 8 Abs. 2 AStG zugelassen und dadurch den Switch-Over auf reine Missbrauchsfälle beschränkt.

III. Beschränkte Steuerpflicht 1. Einkünfteermittlung a) Leistungsfähigkeit

1.232 Unter dem Aspekt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besteht prinzipiell zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen kein Unterschied: ein unterschiedlicher Wohnort indiziert keinen Unterschied in der Leistungsfähigkeit bei gleichem Einkommen. Dennoch erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung6 an, dass sich beide Arten von Steuerpflichtigen nicht in derselben Situation befinden. Dies trifft zu, wenn der Staat der Ansässigkeit nur bei der unbeschränkten Steuerpflicht dem Welteinkommensprinzip folgt. Dann wird beim beschränkt Steuerpflichtigen nur ein Teil seiner gesamten Leistungsfähigkeit berücksichtigt, bei unbeschränkt Steuerpflichtigen dessen in- und ausländische Einkünfte umfassende Leistungsfähigkeit. Hinzu kommt, dass die Finanzbehörden Inländer sehr viel einfacher überwachen können als Ausländer. Dies kann eine unterschiedliche Besteuerung des beschränkt Steuerpflichtigen rechtfertigen.

1.233 Die Unterschiede beziehen sich vor allem auf die subjektive Leistungsfähigkeit, d.h. die Berücksichtigung persönlicher Lasten und des Familienstands, die üblicherweise dort erfolgt, wo die gesamte Leistungsfähigkeit einer Person ermittelt wird. Auch unter Bezugnahme auf das OECD-MA geht der EuGH davon aus, dass die Berücksichtigung der subjektiven Leistungsfähigkeit im Staate der unbeschränkten Steuerpflicht erfolgt.7 Im Verfahren Gerritse8 (Tz. 48 f. des Urteils) verlangt er daher nicht, dass einem beschränkt Steuerpflichtigen der Grundfreibetrag gewährt wird. Dies lässt sich auf die anderen Elemente der subjektiven Leistungsfähigkeit insgesamt übertragen. Im Urteil Schumacker9 sah sich das Gericht der Situation gegenüber, dass ein Steuerpflichtiger im Rahmen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 291 f. Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 292; Scheipers/Linn, IStR 2011, 601 ff. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, ECLI:EU:C:2007:754. Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 152 ff. m.w.N.; Schütz in Fuhrmann3, § 20 AStG Rz. 38. BFH v. 20.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774. EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31. EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340. EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31.

110 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.236 Kap. 1

der beschränkten Steuerpflicht die wesentlichen Teile seines Einkommens bezog. Unter dieser Voraussetzung sah es ihn in einer einem unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbaren Lage und verpflichtete den Staat der beschränkten Steuerpflicht, die persönlichen und familiären Lasten bei der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen. Der deutsche Gesetzgeber hat durch Einfügung von § 1 Abs. 3 und § 1a EStG darauf reagiert. Diese sog. Schumacker-Formel überzeugt nicht. Auch bei deutlich unterhalb der Grenze von 90 v.H. der Gesamteinkünfte liegenden Quote der beschränkt besteuerten Einkünfte führt nur eine anteilige Berücksichtigung der persönlichen Lasten zu einer nichtdiskriminierenden Besteuerung.1 Dagegen sprechen auch nicht verwaltungsmäßige Schwierigkeiten, denn auch die Ermittlung, ob die Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht 90 v.H. der Gesamteinkünfte betragen oder nicht, erfordert die Zusammenarbeit der Verwaltungen. Soweit die objektive Leistungsfähigkeit betroffen ist, lassen sich Unterschiede der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht rechtfertigen, wobei der EuGH – noch – unterschiedliche Erhebungsformen der Steuern akzeptiert.2 Wird ein Ausländer mit seinen inländischen Einkünften in gleicher Weise wie ein Inländer erfasst, so müssen die Ermittlung der Einkünfte, gewährte Vergünstigungen und Steuersätze identisch sein.

1.234

b) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens aa) Verlust der Betriebsstätte Ein Staat muss Verluste einer Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens in seinem Staatsgebiet berücksichtigen, wenn er dies den ansässigen Unternehmen ermöglicht. Verlustrücktrag und Verlustvortrag sind daher in gleicher Weise zu gewähren.3 Dass auch dies Probleme bereiten kann, zeigt die Entscheidung vom 15.5.1997 in der Rechtssache Futura.4

1.235

Die Betriebsstätte eines französischen Unternehmens in Luxemburg hatte mehrere Jahre Verluste erlitten, für die ein Verlustvortrag geltend gemacht wurde. Das Gericht sieht keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darin, dass Luxemburg nur solche Verluste als vortragsfähig anerkennt, die aus einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Ausländers in Luxemburg stammen, was letztlich durch das Unternehmen nachzuweisen ist. Da dieser Nachweis aber voraussetzte, dass die Buchführungsunterlagen in Luxemburg geführt wurden, sah das Gericht eine Benachteiligung des ausländischen Unternehmens. Daraus lässt sich folgern, dass eine Gleichbehandlung von Betriebsstätten inländischer und ausländischer Unternehmen eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit bewirken kann, wenn die Verpflichtungen das ausländische Unternehmen unverhältnismäßig belasten. Die Gleichbehandlungsverpflichtung erstreckt sich auch auf Regeln der DBA. Im Fall St.-Gobain5 ging es um die Frage, ob der deutschen Betriebsstätte einer französischen Kapitalgesellschaft das DBA-Schachtelprivileg zu gewähren sei, die diese Betriebsstätte von Tochtergesellschaften in anderen Staaten erhielt. Der EuGH hat dies bejaht. Auch die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG, wonach Betriebsstätten beschränkt Steuerpflichtiger ausländische Steuern gem. § 34c EStG anrechnen können, wenn ihre ausländischen Einkünfte im Inland besteuert werden, entspricht diesem Grundsatz. 1 Zur sog. fraktionierten Besteuerung vgl. van Raad in Anderson u.a. (Hrsg.), Liber amicorum SvenOlof Lodin, 211; Mössner, BIT 2006, 501. 2 Vor allem pauschale Quellenbesteuerung vgl. Dauer/Simader in Eilmannsberger/Herzig, Jahrbuch des Europarechts 2010, 307 ff. (311 f.) m.w.N. 3 Indirekt folgt die Gleichbehandlungsverpflichtung der Betriebsstätte auch aus dem Urt. des EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU: C:2008:588. 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239. 5 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – St.-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438.

Lampert | 111

1.236

Kap. 1 Rz. 1.237 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht bb) Verluste des Stammhauses

1.237 Erleidet das Stammhaus Verluste, während die Betriebsstätte einen Gewinn erwirtschaftet, und be-

rücksichtigt der Betriebsstättenstaat den Verlust des ausländischen Stammhauses nicht, so macht dies eine Auslandsinvestition ungünstiger als eine Inlandsinvestition. Das Unternehmen zahlt im Betriebsstättenstaat Steuern, obwohl es insgesamt möglicherweise keinen Gewinn erzielt. In der Entscheidung Futura1 hat der EuGH dies hingenommen, da die Besteuerung der Betriebsstätte auf der beschränkten Steuerpflicht und damit auf dem Territorialitätsprinzip beruht. Dies bestätigt die vom EuGH anerkannte grundlegende Unterscheidung zwischen unbeschränkter Steuerpflicht mit der Besteuerung des Welteinkommens und der beschränkten Steuerpflicht mit der Erfassung nur des inländischen Einkommens. Obwohl bei der unbeschränkten Steuerpflicht ein Auslandsverlust mindernd berücksichtigt werden kann, sieht er keine Diskriminierung in der Nichtberücksichtigung bei beschränkter Steuerpflicht. Erst die Entwicklung einer einheitlichen gemeinschaftlichen europäischen Bemessungsgrundlage der Steuer würde zu einer Berücksichtigung von Auslandsverlusten innerhalb der EU führen.

1.238 Ansätze in dieser Richtung kann man in der Entscheidung vom 18.7.20072 sehen. Der Fall betrifft jedoch keine Betriebsstätte, sondern eine Privatperson:

A erleidet in seinem Wohnsitzstaat einen Verlust, im Arbeitsstaat, in dem A nahezu sein gesamtes Einkommen verdient, unterliegt er der beschränkten Steuerpflicht. Der EuGH hat in konsequenter Fortentwicklung detr rechtsperechung des Falls Schumacker (s. Rz. 1.157) den Arbeitsstaat verpflichtet, die Verluste im Ansässigkeitsstaat bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Dieser Forderung entspricht bereits § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG.

1.239 Was der EuGH nicht zu entscheiden hatte, worauf er auch nicht eingeht, sind die Folgen für das Stammhaus. Darum ging es dann im Verfahren AMID (s. Rz. 1.105).

2. Vergünstigungen

1.240 Staaten sehen oft Vergünstigungen im Wege von steuerlichen Freibeträgen, Abzugsmöglichkeiten, Rückstellungsmöglichkeiten, Zuschüssen oder günstigen Steuersätzen (kurz: Steuersubventionen) vor, um bestimmte Verhaltensweisen der Steuerpflichtigen anzureizen oder zu unterstützen. Diese Subventionen haben vielfältige Gründe und Gestaltungsformen. Oft sind sie jedoch auf Vorgänge begrenzt, die sich im Inland abspielen. So können Spenden nur abziehbar sein, wenn sie für inländische gemeinnützige Zwecke gegeben werden. Investitionsvergünstigungen, z.B. die Investitionsabzugsbeträge gem. § 7g Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, werden nur für inländische Investitionen gewährt. In derartigen Fällen hat der EuGH die Begrenzung auf das Inland abgelehnt. 3. Steuersatz

1.241 In dem Urteil Gerritse3 kommt der EuGH zur Schlussfolgerung, dass sich im Hinblick auf die Pro-

gression Ansässige und Nichtansässige in einer vergleichbaren Situation befinden, wenn sie mit ihren Einkünften in vergleichbarer Weise besteuert werden. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, muss, da den beschränkt Steuerpflichtigen kein Existenzminimum und keine Berücksichtigung persönlicher Lasten zusteht (s. Rz. 1.162), ein entsprechender Betrag den der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden inländischen Einkünften hinzugerechnet werden.4

1 2 3 4

EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239. EuGH v. 18.7.2007 – Rs. C-182/06 – Lakebrink, ECLI:EU:C:2007:452. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340. Vgl. BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 200, 22.

112 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.243 Kap. 1

IV. Auslegung und Anwendung von DBA 1. Vorbemerkung zur rechtlichen Wirkung von DBA DBA wirken als Schrankenrecht, indem sie die durch das innerstaatliche Recht auferlegte Steuerpflicht in ihrer Grundlage oder in der Steuerhöhe begrenzen.1 Steuerbegründende Vorschriften enthalten sie demzufolge nicht, auch wenn dies rechtlich nicht ausgeschlossen ist.2 Da durch die Abkommen lediglich innerstaatliche Regelungen modifiziert werden, wenden deutsche Träger hoheitlicher Gewalt – anders als im internationalen Privatrecht – auch kein ausländisches Recht an.3 Der Grund hierfür liegt darin, dass bei Anwendung eines DBA jeder Staat ausschließlich darüber entscheidet, ob eine eigene Steuerrechtsnorm anwendbar bleibt oder nicht. Von besonderer Bedeutung ist dies für die Zurechnung von Einkünften: Es gibt keine Norm in einem DBA, die etwa besagte, dass für die Zurechnung von Einkünften das Recht des Quellen- bzw. des Ansässigkeitsstaats maßgebend sei (zum Zurechnungskonflikt s. Rz. 1.245).

1.242

Beispiel: Staat A rechnet Einkünfte dem X, Staat B dieselben Einkünfte dem Y zu. Da jeder Staat einseitig durch Anwendung seines Steuerrechts bestimmt, wem die Einkünfte zuzurechnen sind, ist die Zurechnung durch den Staat B für den Staat A unerheblich. Anders wäre es nur, wenn im Staat A eine Norm bestünde, die bestimmt, dass für die Zurechnung von Einkünften das Recht von Staat B maßgebend sei. Dies wäre dann eine zweiseitige Kollisionsnorm.

2. Grundzüge der Auslegung von DBA – Verhältnis von Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht Rechtlich handelt es sich bei einem DBA um einen Staatsvertrag zwischen souveränen Staaten, auf den die Regeln des Völkerrechts anwendbar sind.4 Die Regeln über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge sind in den Art. 31 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention5 kodifiziert. Auch der BFH6 bekennt sich dazu, dass ein DBA nach diesen Regeln auszulegen ist. DBA bilden daher einen in sich geschlossenen Rechtskreis, der grds. vom nationalen Recht getrennt zu betrachten ist.7 Andererseits sind DBA eng mit den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten verknüpft.8 Sollen nationale Besteuerungsrechte wirksam beschränkt werden, müssen DBA an dieselben persönlichen und sachlichen Tatbestände anknüpfen wie das nationale Steuerrecht.9 Dies führt dazu, dass sich Begriffe eines DBA und Begriffe des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaa1 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 (532 f.); Debatin, BB 1978, 669 (670). 2 Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 118 f.; Vogel, DStZ 1997, 269 (281). 3 Vgl. Vogel, DStZ 1997, 269 (271). 4 H.M. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 46 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 3.6 ff. 5 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV), BGBl. II 1985, 925; hierzu vgl. Shabtai Rosenne, Stichwort: Vienna Convention on the Law of Treaties, in Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of public international law, Amsterdam 2000. 6 Z.B. BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 11.11.2009 – I R 15/09, BStBl. II 2010, 602; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; s. auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 105 ff. 7 Lehner in V/L6, DBA, Grundlagen Rz. 113b; Debatin, BB 1978, 669 (670); ders., DStZ/A 1962, 5 (9); Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 659; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.49 ff.; Schmidt, IStR 1996, 14 (16); Gosch, ISR 2013, 87 (87); Wassermeyer, StuW 1990, 404 (405). 8 Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, 406 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28 f. 9 Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres, Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, München 1997, 296 ff.

Lampert | 113

1.243

Kap. 1 Rz. 1.244 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht ten ähneln. Zwar sind erstgenannte vorrangig aus sich selbst heraus („autonom“)1 auszulegen, doch kann nationales Recht bei der Abkommensauslegung gleichwohl nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben.2 In welchem Verhältnis Abkommensrecht und innerstaatliches Recht stehen, ist eine Frage des nationalen Rechts, insbesondere des jeweiligen Verfassungsrechts.3 In Art. 59 GG sind die Einzelheiten des Verhältnisses völkerrechtlicher Verträge zum nationalen Recht nur rudimentär geregelt.4 Der BFH5 folgt der sog. Transformationstheorie, nach der neben den völkerrechtlichen Vertrag ein eigenständiges, aber wortgleiches nationales Gesetz tritt, wohingegen die h.M.6 der Adoptionstheorie folgt, wonach der völkerrechtliche Vertrag, soweit er self-executing7 ist, aufgrund eines Anwendungsbefehls im Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG angewandt wird.8 In der praktischen Anwendung unterscheiden sich beide Theorien wenig.9 Ein völkerrechtlicher Vertrag kann überhaupt nur dann Wirkung entfalten, wenn und solange er völkerrechtlich gilt, innerstaatlich steht er auf gleicher Stufe mit einem Bundesgesetz und seine Auslegung folgt völkerrechtlichen Regeln.10 Zum Treaty override siehe Rz. 2.454 f.

1.244 Da sich die DBA auf das nationale Steuerrecht beziehen, verwenden sie steuerliche Begriffe, die

überwiegend im nationalen Steuerrecht als steuerliche Fachtermini eine definierte Bedeutung haben.

So haben beispielsweise die Begriffe Gewinn, Einkünfte, Einkommen, Betriebsausgaben, Dividende, stille Gesellschaft usw. im deutschen Steuerrecht als Fachtermini festgelegte Bedeutungen. Dies wirft die Frage auf, ob und inwieweit bei der Auslegung eines DBA auf das Begriffsverständnis des innerstaatlichen – hier also deutschen – Rechts zurückgegriffen werden darf. Diese Frage stellt sich selbst dann, wenn ein Abkommen in nur einer Sprache – z.B. zwischen Deutschland und Österreich, USA und Großbritannien – abgeschlossen ist, denn auch die identischen Begriffe können im nationalen Recht unterschiedliche Bedeutungen haben. Dies gilt erst recht, wenn die DBA in den zwei Sprachen der Vertragspartner abgeschlossen sind. Dann verwenden die einzelnen sprachlichen Fassungen regelmäßig Begriffe des nationalen Steuerrechts, was anders auch nicht möglich wäre. Nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Auslegung mehrsprachiger Verträge11 ist jedoch als Regel davon auszugehen, dass die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen ein und dieselbe Begriffsbedeutung umschreiben. Im Umgang mit entsprechenden sprachlichen Unterschieden ist zu differenzieren: Unzweifelhaft gehen die in den DBA selbst enthaltenen Definitionen (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 1 BFH v. 8.1.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672 (674); Debatin, DB 1985, Beilage Nr. 23, 1 (6). Der Begriff der autonomen Abkommensauslegung wird zumeist für Fälle verwandt, in denen Abkommen „aus sich selbst heraus“ auszulegen sind (so z.B. Klaus Vogel, Zur Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften, IStR 1999, 5 [6]), sporadisch wird er aber auch mit entgegengesetzter Bedeutung (also i.S. einer Auslegung in Anlehnung an das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats gebraucht (so z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 [Beispiel Nr. 13]). 2 Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), 296; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, 406; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 76. 3 So gibt es Länder – z.B. Frankreich, in denen völkerrechtliche Verträge nationalen Gesetzen vorgehen, und andere Länder – z.B. Deutschland, in denen völkerrechtliche Verträge auf derselben Rangstufe wie Gesetze stehen. 4 Streinz in Sachs7, Art. 59 GG Rz. 60. 5 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 (st. Rspr.). 6 Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 46 ff. 7 Grundlegend Koller, Die unmittelbare Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, Bern 1971. 8 Zu diesen Theorie vgl. Rauschning, Bonner Kommentar GG, Art. 59 GG Rz. 114 ff. 9 Vgl. Mössner/Blumenwitz (Hrsg.), DBA und nationales Recht, München 1995, passim. 10 Im Detail hierzu Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 50 ff. 11 Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, Archiv des Völkerrechts 15 (1972), 281 ff.; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 1973.

114 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.245 Kap. 1

Art. 5 OECD-MA) dem innerstaatlichen Rechtsverständnis der Vertragsstaaten vor. Entsprechendes gilt, wenn ein DBA – entsprechend Art. 10 Abs. 3 OECD-MA – ausnahmsweise auf die Rechtslage eines der Vertragsstaaten verweist. Fehlt es an einer abkommensrechtlichen Begriffsbestimmung, so kommt regelmäßig eine an Art. 3 Abs. 2 OECD-MA angelehnte Auslegungsregel zur Anwendung, nach der Begriffe des DBA, die dort nicht definiert sind, nach dem jeweiligen innerstaatlichen Rechtsverständnis auszulegen sind, sofern der Zusammenhang nichts anderes erfordert. Die Auslegung dieser Vorschrift ist ihrerseits höchst umstritten. Es stehen sich die völkerrechtliche und die nationale Auslegung1 gegenüber, zudem vertritt Avery Jones eine ganz eigenständige Ansicht.2 Dieser Streit ist hier nicht zu entscheiden.3 Im Kern rankt er sich um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenhang etwas anderes – nämlich eine abkommensautonome Auslegung – „erfordert“4, so dass für eine Auslegung von Begriffen eines DBA nach Maßgabe des innerstaatlichen Begriffsverständnisses kein Raum bleibt. Dabei sind insb. Sinn und Zweck eines DBA zu berücksichtigen: Da die Anwendung eines DBA nur dann zu einer kongruenten Aufteilung von Besteuerungsansprüchen führt, wenn beide Vertragsstaaten das Abkommen gleichermaßen „aus sich selbst heraus“ (ohne Rückgriff auf das nat. Recht) auslegen, sprechen teleologische Erwägungen (ebenso wie das hieraus abgeleitete „Prinzip der Entscheidungsharmonie“5) für einen prinzipiell abkommensautonomen Ansatz, der sich mittlerweile durchgesetzt hat6 und dem auch der BFH folgt. Beispiel: Verwendet die englische Fassung z.B. „income“ die deutsche entsprechend „Einkünfte“7 so ist aus dem Zusammenhang des Abkommens zu ermitteln, ob wirklich Einkünfte oder Einnahmen oder Einkommen gemeint sind. So hat der BFH8 dementsprechend zu Recht entschieden, dass je nach Zusammenhang Brutto- oder Nettoeinkünfte gemeint sein können. Grundsätzlich ist somit vom Vertrag auszugehen (autonome Auslegung).

Eine abkommensautonome Auslegung gebieten insb. auch die Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 (zuvor Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) nachgebildeten DBA-Regelungen, die den Grundsatz der Subsidiarität der Unternehmensgewinne aufstellen. Hieraus ergibt sich, dass die innerstaatliche Umqualifizierung originär nicht-gewerblicher Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb für Zwecke der DBA-Anwendung bedeutungslos ist. So hat der BFH9 in seiner neueren Rechtsprechung Sondervergütungen zutreffend nicht unter Art. 7 OECD-MA nachgebildete Vorschriften subsumiert. § 50d Abs. 10 EStG, der als Reaktion hierauf die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung in Gesetzkraft erstarken lässt, dient daher der Überschreibung des Abkommensrechts (Rz. 1.265 f.). Ähnlich wendet der BFH die Geprägetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht auf Abkommensebene an.10 1 Zum Ganzen vgl. vertiefend Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.49 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 71 ff.; Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 98 ff. 2 Die im Ergebnis darauf hinausläuft, dass die Bedeutung des „Anwenderstaats“ maßgebend sei. Dieses sei der Staat, dessen Besteuerung eingeschränkt werde, Avery Jones, The interpretation of tax treaties with particular reference to art. 3 (2) of the OECD-model, BTR 1984, 14 ff., 90 ff. 3 Vgl. hierzu Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, S. 420 ff. 4 Näher hierzu Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 99 ff. 5 Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 115 ff.; s. auch Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 75 ff. 6 Dürrschmidt in V/L6, DBA, Art. 3 OECD-MA Rz. 116d; vgl. hierzu auch Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, S. 420 ff. 7 Zu diesem Streit vgl. Mössner/Wassermeyer in Mössner/Blumenwitz, DBA und nationales Recht, S. 120 ff. 8 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63. 9 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758; v. 27.2. 1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 10 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2011, 1550; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 428.

Lampert | 115

1.245

Kap. 1 Rz. 1.246 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Soweit eine abkommensautonome Auslegung (auch) auf teleologische Erwägungen gestützt wird, ist allerdings zu bedenken, dass das Telos von DBA bei näherer Betrachtung alles andere als einfach zu bestimmen ist. So bestehen erhebliche Zweifel daran, dass DBA auch doppelte Nichtbesteuerungen vermeiden sollen.1 Aber auch im Hinblick auf das Ziel der Vermeidung von Doppelbesteuerungen liegen die Dinge nicht so einfach, wie es zunächst den Anschein haben mag. So sollen DBA – namentlich im Hinblick auf wirtschaftliche Doppelbesteuerungen, wie sie bei Personengesellschaften auftreten können – nicht jede denkbare Doppelbesteuerung vermeiden. Von Bedeutung ist dies namentlich für den bereits erwähnten Fall unterschiedlicher Zurechnung der Einkünfte in den Vertragsstaaten. Einen subjektiven Zurechnungskonflikt, der sich aus der Zurechnung von Einkünften zu unterschiedlichen Personen aufgrund der nationalen Steuerrechte der beteiligten Staaten ergibt, könnte ein DBA nur dann lösen, wenn es selbst, wie dargelegt, eine zweiseitige Kollisionsnorm hierfür enthielte. Da dies nicht der Fall ist, ist es auch verfehlt, einem DBA die Lösung eines subjektiven Zurechnungskonfliktes entnehmen zu wollen.2 Außer Frage steht aber jedenfalls, dass der manchmal anzutreffende schlichte Argumentationsgang, dass beim Fehlen einer eigenständigen Definition im Abkommen immer die nationale Bedeutung gelte, nicht zu überzeugen vermag.

1.246 Eine spezifisch international-steuerrechtliche Problematik besteht in der Bedeutung des Kommentars der OECD zum MA für die Auslegung eines konkreten DBA.3 Dies ist eng verknüpft mit dem Streit um die statische oder dynamische Auslegung von DBA. Die grundlegende Frage einer jeden Vertragsauslegung ist, ob der Sinn eines Vertrages zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (statische Auslegung) oder zum Zeitpunkt der Auslegung (d.h. zum gegenwärtigen Zeitpunkt) zu ermitteln ist (dynamische oder evolutive Auslegung).4 Im Hinblick auf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge folgt die wohl überwiegende Auffassung einem statischen Grundverständnis;5 damit sind auch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) grds. so auszulegen, wie sie zum Zeitpunkt ihres Abschlusses auszulegen waren. Dass für dieses Verständnis der zu diesem Zeitpunkt existierende Kommentar der OECD hilfreich sein kann, wenn die Staaten eine von der OECD vorgeschlagene Lösung übernehmen, ist nicht ernstlich zweifelhaft.6

Doch dabei bleibt eine Auslegung nicht stehen: Das nationale Steuerrecht verändert sich, neue Probleme entstehen, neue Einsichten werden gewonnen. Diese werden in Änderungen des Kommentars aufgenommen. Solche Änderungen können mit dem Text und dem Telos des früher abgeschlossenen Vertrages vereinbar sein, sie können aber auch davon abweichen. Um dies festzustellen, muss der ursprüngliche Sinn und Zweck des DBA herausgearbeitet werden. Die Interessentheorie hat uns gelehrt, dass Gesetze und damit auch Verträge Lösungen für Interessengegensätze enthalten. Eine Auslegung muss daher die Interessen feststellen und ermitteln, wie sie im Gesetz/ Vertrag gewertet wurden. Diese Interessenbewertungen lassen sich auch auf neue, beim Vertragsabschluss unbekannte Situationen übertragen. Insofern ist die Auslegung immer auch dynamisch.7 1 Vgl. dazu Lang, IStR 2002, 611 ff. 2 Dies verkennt Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306; vgl. hierzu Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Dötsch u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht, S. 117; OECD, Partnership Report, Rz. 137 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23 (Heft 39), 6; ähnlich Seitz in W/R/S, Rz. 5.41 ff.; Weggenmann, ebenda Rz. 8.45 ff.; Schmidt, IStR 2010, 413 ff. (426). 3 Aus der reichhaltigen Literatur s. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 123 ff.; s. auch Arnold/ Mössner, BIT 2010, 2 ff. 4 Ausf. Lampert, IStR 2012, 513. 5 Vgl. anstatt vieler Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht2, Bd. I/3, 641 m.w.N.; Dörr in ders./Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties, Berlin 2012, Art. 31 Rz. 24 m.w.N.; Sorel/ Boré Eveneo in Corten/Klein (Hrsg.), The Vienna Conventions on the Law of Treaties, Bd. 1, Art. 31 Rz. 6; vgl. auch Rz. 17. 6 Wieweit die Hilfe geht, ist jedoch streitig, vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 127; eine Bindung der Gerichte wird aber jedenfalls zu Recht verneint, vgl. Lehner ebenda Rz. 124b. 7 Dies gilt m.E. insb. für die Auslegung von Gattungsbegriffen (s. näher Lampert, IStR 2012, 513 [516 f.]); auch ist zu bedenken, dass DBA selbst dynamische Elemente enthalten (so für den Gattungs-

116 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.248 Kap. 1

Es wäre daher zu schlicht, einfach die zum Vertragsabschluss existierende Fassung des Kommentars als allein überhaupt in Betracht kommend anzusehen.1

V. Konfliktpotential der Auslegung von DBA 1. Begriff und Arten von Qualifikationskonflikten Der Begriff „Qualifikationskonflikt“ stammt aus dem internationalen Privatrecht.2 So ist bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu entscheiden, nach dem „Sachrecht“ welchen Staates sich die Beantwortung einer Rechtsfrage richtet. Die Antwort hierauf geben Kollisionsnormen. Diese können einseitig sein, indem sie lediglich den Anwendungsbereich des jeweiligen nationalen Rechts festlegen, oder – wie im EGBGB ganz überwiegend der Fall – zweiseitig. In diesem Fall benennen die Kollisionsnormen Anknüpfungspunkte, nach denen sich entscheidet, ob in- oder ausländisches Sachrecht Anwendung findet. Wird bei Anwendung von Kollisionsregeln in zwei Staaten die Frage nach dem anwendbaren Sachrecht unterschiedlich beurteilt, kommt es zu einem Qualifikationskonflikt.

1.247

Da demnach ein Qualifikationskonflikt vorliegt, wenn Staaten das Sachrecht unterschiedlicher Staaten für anwendbar halten, es im Internationalen Steuerrecht aber nicht zur Anwendung ausländischen (Steuer-)Rechts kommt,3 kann man dort kaum von einem Qualifikationskonflikt sprechen.4 Gleichwohl hat sich der Begriff im Internationalen Steuerrecht eingebürgert.5

1.248

Dort gehört er zu den schillerndsten Termini überhaupt.6 Dabei dürfte wohl ein Minimalkonsens darüber bestehen, dass im Internationalen Steuerrecht von einem Qualifikationskonflikt zu sprechen ist, wenn zwei Staaten ein und denselben Sachverhalt abkommensrechtlich unterschiedlich behandeln.7 Die Gründe hierfür sind vielfältig. Im Wesentlichen lassen sich drei Ausprägungen des Qualifikationskonflikts unterscheiden:8 Auslegungskonflikte erfassen all die Situationen, in denen die beiden Staaten eine Abkommensbestimmung unterschiedlich auslegen, obwohl es einer abkommensautonomen Normauslegung bedarf.

1 2 3 4 5 6 7 8

begriff „Dividende“ aufgrund der in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA enthaltenen dynamischen Verweisung (Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 199). So aber BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; so bereits BFH v. 8.12.2010 – I R 92/09, IStR 2011, 269; kritisch hierzu Lampert, IStR 2012, 513 (517). Siehe von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht2, Bd. 1, 76 ff. Art. 6 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3 OECD-MA verweisen zwar auf das nationale Recht des Quellenstaats, dies aber nur im Sinne einer Definition eines Abkommensbegriffs. Art. 23A Abs. 4 OECD-MA setzt wie § 50d Abs. 9 EStG einen Qualifikationskonflikt voraus. Vgl. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, S. 417; ebenso Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 151a. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 151. Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, 417 ff.; s. auch Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 41 ff. Vgl. Kahle StuW 2005, 61 (62); Krabbe IWB 1998, Fach 3, Gr. 2, 753 (768); Loukota in Gassner/Lang/ Lechner, Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2000, 19. Daneben sind weitere Differenzierungen denkbar. So kann man den Begriff „Qualifikationskonflikt“ in einem weiten und einem engen Sinne verstehen. In einem weiten Sinne bedeutet er, dass die Vertragsstaaten Termini des Abkommens nach ihrem eigenen nationalen Steuerrecht auslegen und dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es handelt sich dann – vor allem bei Anwendung von Art. 3 Abs. 2 OECD-MA – um eine unterschiedliche Subsumtion aufgrund nicht autonomer Auslegung (s. Rz. 1.243 f.) des Abkommens. Von einer Qualifikation im engeren Sinne kann man sprechen, wenn unterschiedliche nationale Steuerrechte ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich mit weiteren Folgen für die Anwendung des Abkommens behandeln.

Lampert | 117

Kap. 1 Rz. 1.249 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Beispiel: Zahlungen für ein Darlehen eines Gesellschafters an seine Personengesellschaft sind nach Auffassung der dt. Finanzverwaltung (und nunmehr in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG gesetzlich festgeschrieben) abkommensrechtlich als unternehmerische (gewerbliche) Einkünfte anzusehen (s. auch Rz. 1.265 f.). Die USA „qualifizieren“ die Zahlungen dagegen als Zinsen. Dieser Qualifikationskonflikt kann in seinen Folgen positiv oder negativ sein: So kommt es im Fall einer US-Personengesellschaft mit in Deutschland ansässigem Gesellschafter zu einem negativen Konflikt, da weder Deutschland (soweit die Zahlungen der US-Betriebsstätte zuzuordnen sind) noch die USA (da die Zinsen aus US-Sicht in Deutschland zu versteuern sind) eine Besteuerung vornehmen. Im umgekehrten Fall kommt es dagegen zur Doppelbesteuerung (positiver Qualifikationskonflikt).1

Unter Subsumtionskonflikten versteht man hingegen ein differierendes Sachverhaltsverständnis, das zu einer unterschiedlichen Anwendung der Verteilungsnormen führt. In diesen beiden Konfliktfällen ist eine der beiden Abkommensanwendungen unzutreffend. Die Konflikte müssten sich daher über ein Verständigungsverfahren i.S.d. Art. 25 OECD-MA lösen lassen. Zu nennen sind schließlich Konflikte infolge der Auslegung des Abkommens nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts. Diese treten namentlich bei der abkommensrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften auf (s. Rz. 1.249 f.). 2. Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften a) Konstellationen übereinstimmender und divergierender DBA-Anwendung

1.249 Die Anwendung eines DBA auf Personengesellschaften bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die

Vertragsstaaten sie übereinstimmend als intransparent oder übereinstimmend als transparent besteuern. Im erstgenannten Fall ist die Gesellschaft berechtigt, sich selbst auf ein DBA zu berufen und Vorteile hieraus in Anspruch zu nehmen (Abkommensberechtigung, siehe Rz. 1.251 ff.), wenn sie in einem der Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist. Es kommt in dieser Konstellation also zum Gleichlauf mit dem jeweiligen nationalen Recht der Vertragsstaaten, da diese die Gesellschaft als Steuersubjekt behandeln. Ähnliches gilt im zuletzt genannten Fall einer übereinstimmenden Behandlung der Gesellschaft als transparent: Abkommensberechtigt ist nicht die Gesellschaft, sondern ihre Gesellschafter, soweit sie in einem Vertragsstaat ansässig sind. Die Gesellschafter sind nach innerstaatlichem Recht Steuersubjekte, so dass sie ihre abkommensrechtlichen Ansprüche unmittelbar gegen die beteiligten Fisci geltend machen können. Beispiel: Österreich und Deutschland folgen übereinstimmend dem Transparenzprinzip. Der in Österreich ansässige O ist als Kommanditist an der deutschen D-KG beteiligt. D bezieht von der belgischen B-SA Dividenden. O ist abkommensberechtigt nach dem DBA-A/D. Die D vermittelt ihm eine Betriebsstätte in Deutschland. Je nachdem, ob die Anteile an der B funktional zum Betriebsvermögen der D gehören,2 erzielt er Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 7 OECD-MA aus Deutschland oder Dividenden aus Belgien. Je nachdem ist das DBA Österreichs mit Deutschland oder Belgien anwendbar. Im letztgenannten Fall wird die Zahlung also nur durch die Personengesellschaft „durchgeleitet“, so dass Deutschland keine Besteuerungsrechte reklamiert.

1.250 Problematisch sind dagegen diejenigen Fälle, in denen ein Vertragsstaat die Personengesellschaft

als transparent und der andere als intransparent erachtet. In diesen Fällen behandelt ein Vertragsstaat die Gesellschaft als Steuersubjekt (in der Diktion des dt. Rechts also wie eine Körperschaft). Der andere Vertragsstaat erachtet sie dagegen als bloßes Vehikel der Einkünfteerzielung und rechnet die durch sie erzielten Einkünfte den Gesellschaftern zu. Aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung werden solche Gesellschaften auch als hybride Gesellschaften bezeichnet. Bereits diese kurze Einleitung zeigt, dass der Qualifikationskonflikt bei Personengesellschaften seine Wurzeln in der abweichenden steuerrechtlichen Behandlung dieser Gesellschaftsform in den Ver-

1 Diese wird durch § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG durch Steueranrechnung aufgelöst. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.

118 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.252 Kap. 1

tragsstaaten hat. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Zurechnungen der Einkünfte zu den Steuersubjekten, die zu Qualifikationskonflikten führen. Beispiel: I, ansässig in Deutschland, ist an der ungarischen H-KG beteiligt, die in Ungarn als Körperschaft besteuert wird. H erzielt u.a. erhebliche Zinseinkünfte aus allgemeinen Vermögensanlagen in Ungarn. Nach Art. 11 DBA-Ungarn dürfen Zinsen, die an eine in dem anderen Staat ansässige Person gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, sie gehörten tatsächlich zu den Betriebsstätteneinkünften (was zu verneinen sein soll).

Da nach dem Recht des Quellenstaats Ungarn die H eine dort ansässige Person ist, ist H auch Empfängerin der Zinsen nach ungarischem Steuerrecht. Es liegt also aus ungarischer Sicht überhaupt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, solange keine „Ausschüttung“ an I erfolgt. Aus deutscher Sicht hingegen erzielt I Zinseinkünfte aus Ungarn. Im umgekehrten Fall – ein in Ungarn Ansässiger ist an einer deutschen KG beteiligt – würden die Zinsen nach deutschem Steuerrecht wiederum unmittelbar ihm zugerechnet und dürften in Deutschland aufgrund des DBA nicht besteuert werden. In einigen neueren DBA (Bulgarien, Mexiko, Niederlande, USA)1 hat Deutschland Sonderregelungen vereinbart oder die Ansässigkeit von Personengesellschaften fingiert (Spanien 1968). b) Im Detail: Die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften Wenn ein Staat eine Personengesellschaft transparent behandelt, während der der andere Staat sie nach seinem innerstaatlichen Recht als Steuersubjekt anerkennt, stellt sich die Frage, inwieweit das Abkommen auf die Gesellschaft selbst überhaupt anwendbar ist – m.a.W. also, ob eine Abkommensberechtigung der Gesellschaft besteht.

1.251

Die sog. Abkommensberechtigung richtet sich nach zwei Voraussetzungen (Art. 1 OECD-MA): – es muss sich um eine Person im Sinne des Abkommens handeln – diese muss in einem Vertragsstaat ansässig sein. Die Abkommensberechtigung bedeutet, dass die Person sich auf die Bestimmungen des Abkommens berufen kann, wenn und soweit sie in einem der beteiligten Staaten entgegen den Bestimmungen des Abkommens besteuert wird. „Die Abkommensberechtigung folgt der persönlichen2 Steuerpflicht“.3 Oder genauer: die abkommensberechtigte Person kann sich nur auf das DBA hinsichtlich ihrer Besteuerung durch einen Vertragsstaat berufen. Die Vorstellung,4 von der Abkommensberechtigung könne auf die Einkunftsart – und deren Zurechnung – geschlossen werden, würde aus der Norm des DBAs eine zweiseitige Kollisionsnorm machen. aa) Person im Sinne des Abkommens Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA sind Personen „natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“, wobei Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Gesellschaften „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ definiert. Soweit natürliche und juristische Personen betroffen sind, ist die Eigenschaft, Person zu sein, eindeutig. Eine juristische Person bleibt auch dann eine Person, wenn sie nach dem nationalen Steuerrecht für eine Besteuerung als Personengesellschaft optieren kann.5 Die Begriffe im englischen Text des Musters lauten „individual“, „company“ und „any other body of persons“, wo1 Im Detail s. Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, Ifst-Schrift Nr. 480 (2012), S. 53 ff. 2 Zu ergänzen: „und sachlichen“. 3 So pointiert Wassermeyer in FS Herzig, 897 ff. (900). 4 So Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 38. 5 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 21.

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1.252

Kap. 1 Rz. 1.253 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht bei „company“ als „body corporate or any other entity treated as body corporate for tax purposes“ definiert wird. Der französische Text spricht von „personnes physiques, sociétés, tous autres groupements des personnes“ und „toute personne morale or toute entité qui est considerée comme une personne morale“. Somit sind auch Gesellschaften i.S. des Abkommens Rechtsträger – entities, entités – vorausgesetzt, sie werden wie Körperschaften besteuert. Dies sind nach deutschem Recht die neben den Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 1 KStG aufgezählten Einheiten.1

1.253 Komplizierter ist die Situation bei Personengesellschaften. Diese fallen unter den Begriff der „Per-

sonenvereinigung“ (body of persons, groupement des personnes) in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA (vgl. auch Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA. Zugleich könnten sie auch „Rechtsträger“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA sein, wenn sie wie eine Körperschaft nach dem nationalen Recht einer Vertragspartei besteuert werden. Eine Personengesellschaft würde dann zu einer Gesellschaft im Sinne des DBA.2 In der Vergangenheit erwähnten die meisten deutschen DBA3 die Personenvereinigungen allerdings nicht oder enthielten besondere Formulierungen – Personengesellschaften waren daher zumeist nicht als Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA anzusehen und damit von vornherein nicht abkommensberechtigt, es sei denn, sie wurden als Körperschaft besteuert.4 Dagegen offenbart die jüngere deutsche Abkommenspraxis eine Tendenz zur Einbeziehung von Personenvereinigungen. bb) Ansässigkeit

1.254 Erachtet man eine Personengesellschaft als „Person“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, so setzt eine Abkommensberechtigung ferner voraus, dass die Gesellschaft mindestens in einem Vertragsstaat ansässig ist. Die Ansässigkeit wird in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA dahingehend definiert, dass die Person selbst in einem Vertragsstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt und zwar bei Gesellschaften aufgrund des Orts der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals, worunter ein ortsbezogenes Merkmal zu verstehen ist, so dass auch der Sitz (§ 11 AO) darunter fällt.5

Personengesellschaften sind demnach nur dann ansässig, wenn sie selbst aufgrund eines Merkmals wie dem Ort der Geschäftsleitung besteuert werden. Dies ist in den Staaten der Fall, die Personengesellschaften einer sog. intransparenten Besteuerung unterwerfen.6 Sie sind daher ein eigenes Steuersubjekt nach dem Recht des Staats, der sie intransparent behandelt – und jedenfalls nach dessen Abkommensverständnis auch Gesellschaften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA. Demzufolge wird ihr wirtschaftliches Ergebnis bei ihr selbst besteuert und die Weiterleitung an die Gesellschafter wird zur Dividende.7 Bei einer transparenten Besteuerung – mag auch das Ergebnis auf der Ebene der Gesellschaft ermittelt werden8 – sind die Gesellschafter die Steuersubjekte, so dass die Gesellschaft nicht ansässig im Abkommenssinne ist.

1.255 Doch selbst wenn eine Personengesellschaft als abkommensberechtigt anerkannt wird, so ändert

dies nichts daran, dass sie aus Sicht des dt. innerstaatlichen Rechts kein Steuersubjekt ist. Mit anderen Worten steht die abkommensberechtigte Personengesellschaft ohne Einkünfte da. Zwar lässt sich dieses Ergebnis „korrigieren“, indem man die Ansprüche der Gesellschaft auf die Gesellschafter „durchschlagen“ lässt (s. auch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG; Rz. 1.261). Probleme bestehen aber

1 Ähnlich Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 19; Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECDMA Rz. 16 f. mit Hinweis auf Trusts; Einzelfälle vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 51 ff. 2 Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 95. 3 Übersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 4 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 17; dies gilt auch, wenn sie nach dem nationalen Recht für die Körperschaftsbesteuerung optieren kann. 5 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 110. 6 Vgl. näher Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 ff. 7 So dass Art. 10 OECD-MA darauf anzuwenden ist. 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 20.

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G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.257 Kap. 1

etwa im Hinblick auf „Ausschüttungen“ der Gesellschaft, die nach dt. innerstaatlichem Recht nicht steuerbar sind – mit der Folge, dass die Anrechnung ausländischer Quellensteuer im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers zweifelhaft ist. Erst recht problematisch sind Dreieckssachverhalte, bei denen etwa eine in einem intransparent besteuernden Staat ansässige Personengesellschaft in Deutschland Einkünfte erzielt, die Gesellschafter aber in einem dem Transparenzprinzip folgenden Staat ansässig sind. c) Maßnahmen zur Auflösung von Qualifikationskonflikten Das vermehrte Auftreten von Besteuerungskonflikten im Zusammenhang mit Personengesellschaften wurde sowohl auf überstaatlicher Ebene als auch vom deutschen Gesetzgeber erkannt. Als Reaktion – insb. zur Verhinderung der aus fiskalischer Sicht unerfreulichen doppelten Nichtbesteuerung – wurden inzwischen vornehmlich durch die OECD zahlreiche Konzepte zur Anwendung von DBA bei Besteuerungskonflikten veröffentlicht sowie seitens des dt. Gesetzgebers unilaterale Bekämpfungsvorschriften erlassen.

1.256

aa) Maßnahmen auf überstaatlicher Ebene (1) Der OECD-Partnership-Report Bereits im Jahr 2000 veröffentlichte der OECD-Fiskalausschuss den sog. Partnership-Report, der anhand von 18 exemplarisch ausgewählten Fällen Vorschläge zum Umgang mit Personengesellschaften auf Abkommensebene formuliert. Eine der zentralen Aussagen des Reports ist die grundsätzliche Bindung des Quellenstaats an die Beurteilung der Abkommensberechtigung im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft; damit muss auch ein dem Transparenzprinzip folgender Quellenstaat die Gesellschaft als abkommensberechtigt anerkennen.1 Gleichermaßen ist die Abkommensberechtigung abzulehnen, wenn der Gesellschaftsstaat von einer transparenten Besteuerung ausgeht.2 Auch insofern erfolgt also eine Bindungswirkung. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos: So ist der Quellenstaat etwa dann nicht an die Beurteilung im Ansässigkeitsstaat gebunden, wenn es sich aus seiner Sicht um einen reinen Inlandssachverhalt handelt.3 Wenn es bei der Abkommensanwendung zu Qualifikationskonflikten kommt, soll der Ansässigkeitsstaat in die Pflicht genommen werden. Mittels Auslegung des Methodenartikels will der Fiskalausschuss erreichen, dass der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft eine doppelte Besteuerung durch Anrechnung oder Freistellung auch bei Qualifikationskonflikten vermeidet. Er soll dementsprechend für die Anwendung des Methodenartikels und die damit einhergehende Beurteilung, ob der andere Staat nach dem Abkommen zur Besteuerung berechtigt ist, an die Qualifikation des anderen Staats gebunden sein.4 Infolge der im Partnership-Report genannten Vorschläge zum Umgang mit Besteuerungskonflikten bei Personengesellschaften wurden sowohl das OECD-MA als auch der OECD-MK um entsprechende Vorschriften bzw. Ausführungen ergänzt. Die Ergebnisse zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften finden sich in den Ausführungen zu Art. 1 OECD-MA.5 Auch lässt sich dem OECD-MK zu Art. 23 A/B OECD-MA nun die im Partnership-Report vorgeschlagene 1 OECD, The Application of the Taxation No. 6), Rz. 33 ff. 2 OECD, The Application of the Taxation No. 6), Rz. 33 ff. 3 OECD, The Application of the Taxation No. 6), Rz. 128 ff. 4 OECD, The Application of the Taxation No. 6), Rz. 105. 5 Art.1 Rz. 5 ff. OECD-MK.

OECD Model Tax Convention to Partnerships (Issues in International OECD Model Tax Convention to Partnerships (Issues in International OECD Model Tax Convention to Partnerships (Issues in International OECD Model Tax Convention to Partnerships (Issues in International

Lampert | 121

1.257

Kap. 1 Rz. 1.258 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht Auslegung des Methodenartikels entnehmen: Die Auslegung soll in zwei Richtungen wirken. Einerseits wird der Ansässigkeitsstaat verpflichtet, eine doppelte Belastung durch Anrechnung oder Freistellung zu verhindern, wenn der andere Staat sich nach dem Abkommen zur Besteuerung berechtigt sieht, das aber entgegen der rechtlichen Beurteilung des Ansässigkeitsstaates selbst. Andererseits soll der Methodenartikel jedoch auch anordnen, dass eine Freistellung bzw. Anrechnung nicht erfolgt, wenn der andere Staat kein eigenes Besteuerungsrecht erkennt, auch wenn nach Einschätzung des Ansässigkeitsstaats ein solches vorläge und eine Freistellung bzw. Anrechnung aus seiner Sicht somit vorzunehmen wäre.1 Wie im Partnership-Report vorgeschlagen, wurde dem Art. 23A OECD-MA ein Abs. 4 hinzugefügt, der – entgegen seinem offenen Wortlaut – nur für Auslegungs- und Subsumtionskonflikte (Rz. 1.248) einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vorsieht. Auf diejenigen Konflikte, die auf dem Einfluss des nationalen Rechts beruhen, findet diese Regelung nach Ansicht der OECD mithin keine Anwendung.2 Nach langer Vorarbeit hat das BMF am 16.4.2010 das erste Schreiben zur Behandlung von Personengesellschaften im Abkommensrecht veröffentlicht,3 das 2014 mit Blick auf die jüngeren Diskussionen novelliert wurde.4 Das BMF hält sich sowohl in der alten als auch der neuen Fassung weitestgehend an die Vorschläge der OECD. (2) Der BEPS Action Plan der OECD

1.258 Zur Bekämpfung der Verlagerung von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer hat die OECD im

Rahmen des BEPS5-Projekts bis Ende 2015 einen Aktionsplan erarbeitet, der Handlungsempfehlungen enthält. Action 2 dieses Aktionsplans betrifft die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung bzw. Minderbesteuerung durch den Einsatz hybrider Strukturen.6 Bei den dort in den Blick genommenen sog. hybriden Gesellschaften handelt es sich meist um Personengesellschaften, die in einem Staat transparent, im anderen hingegen intransparent besteuert werden. Die dadurch entstehenden Qualifikationskonflikte wurden in der Vergangenheit vermehrt zu Gestaltungszwecken eingesetzt. Der OECD-Aktionsplan reicht über die bisherigen Ansätze hinaus. Neben den direkten abkommensrechtlichen Fragestellungen, die bereits im Partnership-Report thematisiert wurden, werden auch Vorschläge für die innerstaatliche Gesetzgebung der OECD-Mitgliedstaaten gemacht, die dem Gestaltungsmissbrauch außerhalb unmittelbar abkommensrechtlicher Konflikte durch hybride Gesellschaften entgegenwirken sollen.7 Rechtliches Instrument hierfür sind vornehmlich unilateral zu verankernde Korrespondenzvorschriften in Form von Primär- und Sekundärregeln. Durch diese Regelungen soll bi- und multilateralen Besteuerungsinkongruenzen entgegengewirkt werden, die dadurch entstehen, dass von hybriden Gesellschaften getätigte Zahlungen zwei Mal als Betriebsausgaben abgezogen werden (D/D) oder einem Betriebsausgabenabzug keine korrespondierende Einbeziehung in die Besteuerung im anderen Staat gegenübersteht, (D/NI). Verallgemeinernd ausgedrückt verbietet die Primärregelung in D/NI-Situationen den Betriebsausgabenabzug im Gesellschaftsstaat/Quellenstaat, während die Sekundärregelung, die eine Einbeziehung in die Besteuerung 1 2 3 4 5 6 7

Art. 23A Rz. 32.3 ff. OECD-MK. Art. 23A Rz. 56.1 ff. OECD-MK. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. Base Erosion and Profit Shifting. OECD, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 – 2015 Final Report. Hierfür schlägt die OECD innerstaatlich zu verankernde Regelungen vor, die einen doppelten Steuerabzug verhindern sollen. Die Konflikte, die zu der Situation eines doppelten Abzugs bzw. Abzugs durch einen Staat und steuerliche Nichtberücksichtigung durch den anderen Staat führen, beruhen nicht unmittelbar auf einer abweichenden Abkommensanwendung, sondern auf rein innerstaatlichen Gegebenheiten. Aus diesem Grund wird von einer näheren Erläuterung in diesem Kapitel abgesehen.

122 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.259 Kap. 1

durch den anderen Staat vorsieht, nur eingreift, wenn die Primärregelung nicht umgesetzt wird. Ähnlich soll bei D/D-Fällen verfahren werden: Primär ist der Betriebsausgabenabzug durch den Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft zu versagen, lediglich als Auffangregel soll der Abzug im „Ansässigkeitsstaat“ der hybriden Gesellschaft unterbleiben. Bei entsprechender Umsetzung wären diese Regelungen unter Umständen auch dazu geeignet, abkommensrechtliche Defizite bei der Auflösung von Qualifikationskonflikten innerstaatlich so „aufzufangen“, dass Nichtbesteuerungen verhindert werden. Bezüglich der Abkommensanwendung bei hybriden Gesellschaften befasst sich auch dieser Bericht vor allem mit der Abkommensberechtigung und Einkünftezurechnung. Vorgeschlagen wird, Art. 1 OECD-MA um einen Abs. 2 zu ergänzen. Dieser sieht vor, dass hybride Gesellschaften eine Abkommensberechtigung beanspruchen können, wenn sie in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Damit wird letztlich derselbe Zustand herbeigeführt, der im Partnership-Report schon mittels Auslegung erreicht werden sollte. Ähnliche Vorschriften wurden bereits in einigen neueren deutschen Abkommen implementiert. Allen voran ist dabei Art. 1 Abs. 7 DBA-USA zu nennen, zu dessen Reichweite der BFH – infolge einer weitreichenden Diskussion in der Fachliteratur – m.E. zutreffend entschieden hat, dass der Norm eine Bindungswirkung hinsichtlich Einkünftezurechnung nicht zu entnehmen ist, sondern lediglich die Abkommensberechtigung klargestellt wird.1 (3) EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken Die EU hat auf den OECD-Aktionsplan mit einer Richtlinie2 zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken reagiert, dessen Art. 9 hybride Gestaltungen betrifft. Ähnlich den Vorschlägen der OECD beziehen sich diese nur auf Qualifikationskonflikte, die zu einer Nicht- oder Minderbesteuerung führen. Situationen doppelter Besteuerung werden nicht erfasst. Für innereuropäische Sachverhalte ist im Gleichlauf zu den Vorschlägen der OECD/G20 eine Abzugsbeschränkung vonseiten desjenigen Staats, aus dem die Zahlungen stammen, vorgesehen. Diese Beschränkung soll für Fälle eingreifen, in denen es infolge eines Qualifikationskonflikts zur doppelten Abzugsfähigkeit von Zahlungen (als Betriebsausgaben) kommt oder zur Abzugsfähigkeit in einem Staat, die jedoch nicht mit einer Besteuerung im anderen Staat korrespondiert.3 Anders als im Aktionsplan der OECD ist damit in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie kein Regelungsgefüge mit Primär- und Sekundärregel vorgesehen, sondern nur eine einzige Regelung. In Anbetracht der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie ist eine Sekundärregel zumindest innereuropäisch aber auch entbehrlich.4 Mit Blick auf Drittstaatensachverhalte wurde die Richtlinie im Nachhinein noch einmal überarbeitet. Im Mai 2017 stimmte der Rat einem Kommissions-Vorschlag zur Änderung der Richtlinie zu, der nun mehrere, deutlich komplexere Normen vorsieht.5 Insgesamt ist die Ausgestaltung der Regelungen nun noch deutlicher an den Vorschlägen der OECD orientiert.6

1 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367. 2 RL (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.6.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, Abl. Nr. L 193/1. 3 Dagegen war in Art. 10 des Richtlinien-Entwurfs noch eine Qualifikationsverkettung in Form der Bindung an die Beurteilung des Quellenstaats vorgesehen (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts vom 28.01.2016, COM (2016), 26 final.). 4 Dazu auch Benz/Böhmer, DB 2016, 2506. 5 Council Directive amending Directive (EU) 2016/1164 as regards hybrid mismatches with third countries, v. 12.05.2017. 6 Ausführlicher zu den Tatbeständen der neuen Richtlinie z.B. Kahlenberg/Oppel, IStR 2017, 205 ff.; Niedling/Rautenstrauch, BB 2017, 1500 ff.

Lampert | 123

1.259

Kap. 1 Rz. 1.260 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht bb) Unilaterale Maßnahmen

1.260 Flankierend zu diesen internationalen Reaktionen hat der deutsche Gesetzgeber zur Verhinderung negativer Qualifikationskonflikte § 50d Abs. 1 Satz 11, Abs. 9 und 11 EStG geschaffen.1

(1) § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG

1.261 Mit der Einfügung des Satz 11 in § 50d Abs. 1 EStG wollte der Gesetzgeber die Frage der Erstattungsberechtigung im Fall einer unter den Vertragsstaaten abweichenden Einkünftezurechnung lösen. Um ein Leerlaufen des Erstattungsanspruchs einer Gesellschaft zu verhindern – auch eine abkommensberechtigte Personengesellschaft ist und bleibt in Deutschland kein Steuersubjekt2 (Rz. 1.255) –, regelt § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, dass der Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag oder nach § 50a EStG nur der Person zusteht, der die Kapitalerträge oder Vergütungen nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaats als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person zugerechnet werden (Qualifikationsverkettung). Unklar bleibt das Verhältnis dieser unilateralen Regelung zu ähnlich lautenden DBA-Vorschriften wie Art. 1 Abs. 7 DBA-USA. Anzunehmen ist jedoch mit Blick auf die Gesetzesbegründung3 ein Zurücktreten des innerstaatlichen Rechts. (2) § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG

1.262 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG4 versagt eine (nach deutschen Vorstellungen) zu gewährende Freistellung von Einkünften nach einem DBA, soweit der Staat, aus dem die Einkünfte stammen, seinerseits das DBA so anwendet,5 dass er die Einkünfte nicht oder nur zu einem reduzierten Steuersatz besteuern kann.

Beispiel: Veräußert der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige A seine Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, so ist darin abkommensrechtlich aus deutscher Sicht eine Veräußerung unbeweglichen und/oder beweglichen Betriebsvermögens einer Betriebsstätte zu sehen, so dass etwaige Veräußerungsgewinne in Deutschland steuerfrei sind (vgl. Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Erachtet dagegen der andere Vertragsstaat den Vorgang als Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, weil er die Personengesellschaft als Rechts- und Steuersubjekt ansieht, so wendet er Art. 13 Abs. 5 OECD-MA an und stellt die Veräußerung ebenfalls steuerfrei. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ordnet hier einen „switch over“ von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode an.

Trotz z.T. erheblicher Kritik an dieser Norm ist zu konstatieren, dass sie eine ungerechtfertigte Steuerfreistellung beseitigt und so der Verwirklichung einer Art. 3 Abs. 1 GG entsprechenden Besteuerung dient. (3) § 50d Abs. 11 EStG

1.263 §50d Abs. 11 EStG wurde als Reaktion auf das BFH-Urteil v. 19.5.20106 zum abkommensrecht-

lichen Schachtelprivileg einer KGaA in das Gesetz aufgenommen. Gesellschaften wie die KGaA werden zwar in Deutschland als Steuersubjekte behandelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) – mit der Folge, dass sie u.U. das abkommensrechtliche Schachtelprivileg in Anspruch nehmen können. Da an sie gezahlte Dividenden den Gesellschaftern zugerechnet werden, wurden hybride Gesellschaften wie 1 Zum Gemeindefinanzreformgesetz v. 8.5.2012, BGBl. I 2012, 1030; zu Abs. 11 s. Wittkowski, Editorial DB 2012, Heft 8; Drüen, DStR 2012, 541. 2 BR-Drucks. 139/13, 139. 3 BT-Drucks. 17/13033, 72. 4 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst dagegen den Fall, dass die Nichtbesteuerung im Quellenstaat auf dem Umstand beruht, dass dessen innerstaatliches Recht diese Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasst. Sie hat also keinerlei Bezug zu einem Qualifikationskonflikt. 5 Nur dann ist die Norm anzuwenden: BFH 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 1801. 6 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919.

124 | Lampert

G. Qualifikationskonflikte | Rz. 1.265 Kap. 1

die KGaA dazu genutzt, natürlichen Personen Dividenden aus Schachtelbeteiligungen ohne Anwendung des Teileinkünfteverfahrens zukommen zu lassen. Dies korrigiert § 50d Abs. 11 EStG, indem der hybriden Gesellschaft (KGaA) die abkommensrechtlich vorgesehene Freistellung (d.h. das Schachtelprivileg) versagt wird, wenn die Dividenden nach deutschem Recht einer anderen Person zugerechnet werden. d) Die Behandlung von Sondervergütungen Nicht mit den bei Personengesellschaften infolge unterschiedlicher Einkünftezurechnung auftretenden Qualifikationskonflikten in einen Topf geworfen werden dürfen die im Zusammenhang mit den Sondervergütungen auftretenden Besteuerungskonflikte. Zwar handelt es sich auch hierbei um Qualifikationskonflikte, allerdings beruhen diese nicht auf der abweichenden Beurteilung der Steuersubjektsfähigkeit der Gesellschaft, sondern auf einer innerstaatlichen Umqualifizierung von Leistungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern.

1.264

aa) Die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG sind Sondervergütungen Bestandteil des Gewinnanteils des Mitunternehmers, so dass es sich nach dt. Einkommensteuerrecht um gewerbliche Einkünfte handelt. Dies gilt sowohl für Inbound-Fälle (ausländischer Gesellschafter bezieht Sondervergütungen von einer inländischen Personengesellschaft) als auch für Outbound-Fälle (inländischer Gesellschafter bezieht Sondervergütungen von einer ausländischen Personengesellschaft). Das Abkommensrecht hingegen enthält für Sondervergütungen keine eigenen Regelungen, da Sondervergütungen jedenfalls den nicht durch das deutsche EStG geprägten Steuerrechtsordnungen fremd sind. Die Finanzverwaltung qualifizierte Sondervergütungen für Zwecke der Anwendung von DBA in Übereinstimmung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG als Unternehmensgewinne, so dass sie Art. 7 OECD-MA unterfallen.1 Der BFH dagegen wendete auf Sondervergütungen die ggü. Art. 7 OECDMA spezielleren Verteilungsartikel an (Rz. 1.245).2 Diese unterschiedliche Einordnung („Qualifikation“) der Sondervergütungen unter DBA-Regelungen kann erhebliche Folgen für die Aufteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten haben. Behandelt man Sondervergütungen abkommensrechtlich als Unternehmensgewinne, so steht das Besteuerungsrecht grds. allein dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. Art. 7 Abs. 1 OECDMA). Nur soweit diese Gewinne einer ausländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können, ist der Betriebsstättenstaat zur Besteuerung berechtigt (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECDMA). In diesem Fall muss der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, der die Sondervergütungen bezieht, die Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung oder -anrechnung entsprechend Art. 23 A/B Abs. 1 OECD-MA vermeiden, wobei Deutschland i.d.R. der Freistellungsmethode folgt. Werden Sondervergütungen abkommensrechtlich nach den ggü. Art. 7 OECD-MA spezielleren Bestimmungen und damit ggf. als passive Einkünfte (Zinsen, Lizenzgebühren) behandelt, steht unter Zugrundelegung des Aufteilungsmechanismus des OECD-MA dem Quellenstaat entweder ein in der Höhe beschränktes Besteuerungsrecht (so bei Zinszahlungen, vgl. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA, wobei zahlreiche von Deutschland geschlossene DBA überhaupt kein Quellenbesteuerungsrecht mehr vorsehen) oder aber überhaupt kein Besteuerungsrecht zu (so bei Lizenzzahlungen, vgl. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA). Eine Einordnung unter Art. 7 OECD-MA kommt dann nur in Betracht, wenn die sog. Betriebsstättenvorbehalte greifen, was regelmäßig nicht der Fall ist. Der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als Empfänger der Sondervergütungen müsste dagegen lediglich eine etwaige im Quellenstaat gezahlte Steuer anrechnen. Werden Sondervergütungen nicht einer Betriebsstätte zugeordnet, gelangen zwar sowohl BMF als auch BFH zu einem zumeist ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats und damit 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.3. 2 Siehe bereits BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444 = DStR 1991, 706.

Lampert | 125

1.265

Kap. 1 Rz. 1.266 | Unternehmen im Internationalen Steuerrecht zu ähnlichen oder gar identischen Besteuerungsfolgen. Signifikante Unterschiede ergeben sich dagegen, soweit der als Sondervergütung ausgekehrte Unternehmensgewinn einer Betriebsstätte zugeordnet wird. Dann nämlich hat der Quellenstaat (= Betriebsstättenstaat) ein umfassendes Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung beseitigen muss. Unter der Voraussetzung, dass Sondervergütungen einer inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können und an einen ausländischen Gesellschafter abfließen (also im Inbound-Fall), ist die Rechtsauffassung des BFH somit nachteilig für den dt. Fiskus, da Deutschland dann allenfalls noch ein eingeschränktes Quellenbesteuerungsrecht zusteht. bb) Unilaterale Reaktion: § 50d Abs. 10 EStG

1.266 Der mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingefügte § 50d Abs. 10 EStG regelt diese Situation, indem

(grenzüberschreitende) Sondervergütungen für Zwecke der Abkommensanwendung als Unternehmensgewinne qualifiziert werden. Die unilaterale Vorschrift ist jedoch nur anwendbar, wenn das jeweilige DBA keine ausdrückliche Regelung über die Behandlung von Sondervergütungen enthält. Als Rechtsfolge ordnet § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG an, dass die Vergütung – wie auch die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen – für Zwecke der Abkommensanwendung ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigten Gesellschafters gilt. Durch die Umqualifizierung als Unternehmensgewinn allein ist aber – wie soeben (Rz. 1.265) gesehen – noch nicht viel gewonnen. Erforderlich ist weiterhin, dass die Unternehmensgewinne auch einer ausländischen Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA). Während die ursprüngliche Fassung des § 50d Abs. 10 EStG hierzu keine Aussage machte, ordnet § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG seit der Ergänzung des § 50d Abs. 10 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz auch die Zurechnung der umqualifizierten Unternehmensgewinne zur Betriebsstätte des Unternehmens an. Die durch § 50d Abs. 10 EStG angeordnete Maßgeblichkeit des dt. innerstaatlichen Rechtsverständnisses für die Abkommensauslegung birgt die Gefahr, dass Deutschland und der andere Vertragsstaat ein DBA uneinheitlich anwenden. Um eine Doppelbesteuerung aufgrund der Anwendung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA zu verhindern, hat der Gesetzgeber eine begrenzte Möglichkeit der Anrechnung im Ausland gezahlter Steuern vorgesehen. Thematisch mit § 50d Abs. 10 EStG verwandt ist die m.W.v. 1.1.2017 ins deutsche Recht aufgenommene Bestimmung des § 4i EStG, der den Abzug von Sonderbetriebsausgaben in Deutschland verbietet, soweit diese Aufwendungen auch im Ausland bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt werden. Zwar eint § 50 Abs. 10 und § 4i EStG, dass sie sich auf die Besteuerung von Mitunternehmerschaften bei grenzüberschreitenden Sachverhalten beziehen, doch regeln sie gänzlich unterschiedliche Aspekte: Während das Abzugsverbot des § 4i EStG die innerstaatliche Gewinnermittlung betrifft, enthält § 50d Abs. 10 EStG – wie gesehen – Vorgaben für die Abkommensanwendung bei abweichender Beurteilung von Sondervergütungen in den beteiligten Staaten.

126 | Lampert

Kapitel 2 Doppelbesteuerung und deren Beseitigung A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . II. Einzelunternehmen und Personengesellschaften 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Merkmale . . . . . . . . b) Begründung des Wohnsitzes . . . . c) Aufgabe des Wohnsitzes . . . . . . 4. Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . 5. Ansässigkeit im DBA-Recht . . . . . . III. 1. 2. 3. 4.

Körperschaften Allgemeines . . . . . . . . Begriff der Körperschaft Sitz . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsleitung . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . II. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbliche Einkünfte . . . . . . . . Betriebsstättenbegriff . . . . . . . . . a) Objektive Merkmale . . . . . . . . b) Subjektive Merkmale . . . . . . . . c) Funktionale Merkmale . . . . . . . d) Tochtergesellschaft . . . . . . . . . e) Aufzählung von Betriebsstätten . f) Betriebsstätte im Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . h) Betriebsstätte und elektronischer Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ständiger Vertreter . . . . . . . . . . .

IV. 1. 2. 3.

Einkünfte aus Kapitalvermögen Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . Stille Gesellschaft und partiarisches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

V. Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __ __

2.1

2.12

2.14 2.16 2.19 2.21 2.28 2.30 2.33 2.44 2.49 2.53 2.63 2.66

2.84 2.92

2.95 2.97 2.100 2.103 2.106 2.110 2.116 2.117 2.136 2.150 2.151 2.156 2.174 2.175 2.189 2.201

2.204 2.215

VII. Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen . . . . VIII. Geschäftsführertätigkeit . . . . . . . IX. Isolierende Betrachtungsweise . . . D. Beseitigung der Doppelbesteuerung I. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale juristische Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung 3. Internationale Doppel-Nichtbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung des Doppelbesteuerungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . III. Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . 1. Freistellungsmethode (exemption) 2. Anrechnungsmethode (tax credit) 3. Abzug ausländischer Steuer von der Bemessungsgrundlage . . . . . 4. Erlass, Teilerlass, Ermäßigung, Pauschalierung . . . . . . . . . . . .

. . . . .

IV. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt des § 34c EStG . . . 3. Übersicht über § 34c EStG . . . . . . 4. Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Persönlicher Anwendungsbereich . 6. Sachlicher Anwendungsbereich, Vergleichbarkeit der Steuer . . . . . 7. Regelung des § 34c EStG im Einzelnen a) Steueranrechnung . . . . . . . . . . b) Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . c) Pauschalierung und Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte . . . . 8. Ausländische Einkünfte . . . . . . . . 9. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 3 EStG) a) Anrechnung und Abzug . . . . . . b) Pauschalierung und Erlass . . . .

__ _

2.228 2.235 2.237

_ __ _ _ __ _ _ _ __ _ __ _ _ _ __ __

2.244 2.245 2.249 2.251 2.253 2.255 2.257 2.260 2.264 2.265

2.266 2.268 2.269 2.270 2.278 2.285 2.289 2.318 2.333 2.357

2.373 2.377

Mössner/Lampert | 127

Kap. 2 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung V. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht über die Methoden des § 26 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis des § 26 KStG zu den Doppelbesteuerungsabkommen . . . . 4. Direkte Steueranrechnung gemäß § 26 Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerabzug gemäß § 26 Abs. 1 und 2 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersicht über die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge . . . . . . . . . . I. Wesen und Geltungsbereich der Staatsverträge auf steuerlichem Gebiet 1. Wesen der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _

2.378 2.379 2.381 2.387 2.404

2.410

2.413 2.417

_

2.418

2. Geltungsbereich der Doppelbesteuerungsabkommen a) Persönlicher Anwendungsbereich . b) Sachlicher Anwendungsbereich . . c) Räumlicher Anwendungsbereich . II. Verhältnis der Doppelbesteuerungsabkommen zum nationalen Steuerrecht 1. Kein Vorrang der DBA vor Bundesgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treaty overriding . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . . . . III. Anwendung der Freistellungsmethode 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkung im innerstaatlichen Recht 3. Bedingte Freistellung . . . . . . . . . 4. Folgen der Freistellung . . . . . . . . 5. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . 6. Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . 7. Progressionsvorbehalt . . . . . . . . .

. . . . . . .

IV. Auswirkung der DBA auf die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . .

__ _

2.426 2.438 2.448

__ _ __ __ __ _ _

2.452 2.454 2.457

2.458 2.464 2.467 2.476 2.480 2.484 2.492 2.511

Literatur: Ackermann, Beschränkte Steuerpflicht bei Einkünften aus Kapitalvermögen, IWB 2015, 270; Alpers, Die Nicht-Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA – ein vernachlässigtes Steuerplanungsinstrument, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1097; Andresen, Notwendigkeit eines aktiven Betriebsstättenmanagements am Beispiel einer ausländischen Demontagebetriebsstätte, DB 2015, 267; Avery Jones/Ward, Agents as permanent establishments, BTR 1993, 351; Bannes/Cloer, BEPS Aktionsplan 1: Besteuerung der digitalen Wirtschaft, BB 2016, 1431; Becker/Loose, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; Beduhn/Staudler, Betriebsstättenbegründung bei Dienstleistungserbringung in fremden Räumen aus Sicht des deutschen Steuerrechts, IStR 2015, 937; Bendlinger, Die Betriebsstätte – ein alternativer Betriebsstättentatbestand, IStR 2009, 521; Bodden, Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG im Gesamtgefüge der Einkommensbesteuerung, FR 2012, 68; Bohlmann, Die abkommensrechtliche Behandlung der unechten Dienstleistungsbetriebstätte unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, 2014; Breuninger/ Prinz, Besteuerung von Personengesellschaften, DStR 1995, 927; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 592; Dautzenberg, Reformbedarf bei der beschränkten Steuerpflicht nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Asscher, DB 1996, 2248; Bürkle/ Ullmann, Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 OECD-Musterabkommen: Aktuelle Änderungen bei Bauund Montage- sowie Dienstleistungsbetriebsstätten, DStR 2013, 944; Demme, Betriebsstättenbegründung durch Aufsichtstätigkeiten über eine Bauausführung oder Montage?, IStR 2013, 559; Ditz, Aktuelles zur Betriebsstättendefinition auf Ebene der OECD und in der Rechtsprechung, in Baumhoff (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und Internationale Entwicklungen, 109; Ditz/Quilitzsch, Aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf die Definition der Betriebsstätte, FR 2012, 493; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, 481; Ebenroth/Bippus, Die staatliche Anerkennung ausländischer Gesellschaften, DB 1988, 842; Eckl, Die Definition der Betriebsstätte, IStR 2009, 510; Ellerbeck/Eggesiecker, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2007, 1281; Endres/ Freiling, Musterfälle zu aktuellen Tendenzen in der deutschen Abkommenspolitik – Teil 2, PIStB 2012, 189; Engert, Umstrukturierungen unter Beteiligung von EU-Auslandsgesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 2004, 664; Gosch, Altes und Neues. Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. Isolierenden Betrachtungsweise, in: Festschrift Wassermeyer, 2005, S. 263; Findeis/Eickmann, Internet-Server als ertragsteuerliche Betriebsstätte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – USA, DStZ 2008, 139; Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen – Eine Bestandsaufnahme aus gesellschafts-,

128 | Mössner/Lampert

Doppelbesteuerung und deren Beseitigung | Kap. 2 handels- und steuerrechtlicher Sicht, DStR 1999, 1406; Grotherr, International relevante Änderungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1935; Günther, Die Besteuerung von Kapitalvermögen, ErbStB 2014, 109; Haase, Abschied vom Rechtstypenvergleich durch das FG Baden-Württemberg, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1133 u. 1385; Haase, Beschränkte Steuerpflicht bei Veräußerung von Anteilen an einer inländischen vermögensverwaltenden Personengesellschaft – zugleich Anmerkung zu FG München vom 29.7.2013, IStR 2014, 170; Haberland, DStR 2012, Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland, 1115; Hawlitschek, Die isolierende Betrachtungsweise und ihr Anwendungsbereich, IStR 2016, 177; Haberland, Gedanken zur geplanten (vermeintlichen) Erweiterung des Inlandsbegriffs für die Ertragsteuer, IStR 2015, 413; Heggmair/Riedl/Wutschke, Betriebsstätten von Unternehmen der Digital Economy, IStR 2015, 92; Heinsen/Voß, Ertragsteuerliche Aspekte von Cloud Computing, DB 2012, 1231; Helios/Klein, Steuerrechtliche Behandlung der Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer – oder: Änderung von Steuergesetzen durch BMF-Schreiben?, FR 2014, 110; Hey/Friedrich, Stellung der US (Delaware) Limited Liability Company im internationalen Steuerrecht, in: FS Debatin, 121; Höfer, Deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, Grundlagen und aktuelle steuerpolitische Entwicklungen, in Festschrift Flick, S. 805; Homburg, Zinsschranke, FR 2007, 717; Jacobs/Endres/ Spengel, in: Jacobs (Begr.), Internationale Unternehmensbesteuerung: deutsche Investitionen im Ausland, ausländische Investitionen im Inland, 8. Auflage 2016; Jörißen, Die US-amerikanische Limited Liability Company und ihre steuerrechtliche Einordnung für die Zwecke der deutschen Besteuerung, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1109; Kahle/Kindich, Die (unechte) Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2016, 89; Kessler/Dietrich, Den Worten sollten Taten folgen: die Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, IStR 2011, 108; Kessler/Eicke, Die Limited – Fluch oder Segen für die Steuerberatung?, DStR 2005, 2101; Kessler/Müller, Der Ort der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft, IStR 2003, 361; Kessler/Peter, OECD klärt Zweifelsfragen zur Serverbetriebsstätte, IStR 2001, 238; Kessler/Wald, Datenbankanwendungen – Quellensteuerabzug aufgrund automatischer Rechteverwertung oder nicht steuerbares Direktgeschäft?, IStR 2015, 889; Körner, § 4 Abs. 5a EStG-E – treffgenaue Spezialregelung oder überschießendes Korrespondenzprinzip?, IStR 2015, 449; Kollruss, Analyse des deutschen Sondervergütungskonzepts bei der internationalen Personengesellschaftsbesteuerung, FR 2015, 351; Krawitz/Hick, Betriebsstätteneigenschaft in- und ausländischer Bau- und Montagetätigkeit bei mehreren Projekten, RIW 2002, 523; Kroniger/Thies, Anwendung des check-the-box-Systems auf die KGaA, IStR 2002, 397; Kroppen, Betriebsstätte – Quo vadis?, IWB, Fach 10, Gruppe 2 International, 1865; Kußmaul/Richter/Ruiner, Die Sitztheorie hat endgültig ausgedient!, DB 2008, 451; Labermeier, Die Ertragsbesteuerung des Electronic Commerce im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, 2001; Lampert, Die dynamische Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Beachtung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen, IStR 2012, 513; Lang, Michael, Einkünfteermittlung im internationalen Steuerrecht, in Hey (Hrsg.) 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Mössner/Lampert | 129

Kap. 2 Rz. 2.1 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Cloud Computing – Besteuerung des grenzüberschreitenden B2B- und B2C-Geschäfts, Ubg 2012, 331; Pinkernell, Das Steueroasen-Dilemma der amerikanischen IT-Konzerne, IStR 2013, 180; Rautenstrauch/Binger, Dienstleistungsbetriebsstätten – Zukunft oder bereits Realität?, Ubg 2009, 619; Richter/John, Mitunternehmer und Betriebsstätten, FR 2015, 142; Reichel/Schoppe, Vertreterbetriebsstätten ab 2017, 1245, BB 2016; Reimer, Die Zukunft der Dienstleistungsbetriebsstätte, IStR 2009, 378; Rogge, Cloud Computing und Steuerrecht, BB 2015, 1825; Rosenberger/Vitali/Zier, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrechts Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR 2010, Beilage zu Heft 18; Salzmann, Keine abkommensrechtliche Auslegung des innerstaatlichen Betriebsstättenbegriffs, IStR 2016, 309; Schieber, Betriebsstättenbegründung durch Montageüberwachung, IStR 1994, 521; Siegel, Zur Konstruktion eines verfassungsgemäßen § 34 EStG, DStR 2007, 978; Siegel/Diller, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2008, 178; Small, Das neue Wahlrecht zur Klassifizierung von Kapital- und Personengesellschaften, IStR 1996, 280; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, 2004, 39; Schoppe/Popat, Lagerung, Einkauf und Ausstellung als Betriebsstätte ab 2017, BB 2016, 1113; Stasch, Die Einrichtung von Bau- und Montagebetriebsstätten im Ausland. Organisatorischer Leitfaden für die praktische Abwicklung, IWB 2013, 753; Stewen, Europäisches Anerkennungsprinzip und deutscher Typenvergleich, FR 2007, 1047; Tappe, Steuerliche Betriebsstätten in der Cloud, IStR 2011, 870; Vogel, New Europe bids farewell to treaty override, BIFD 2004, 5; Vogel, Progressionsvorbehalt und Progressionsermäßigung, in Festschrift Selmer, 2003, S. 959; Vogel, Der Grundsatz der Rücksichtnahme im deutschen innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, in Festschrift Ritter, S. 771; Waldhoff/Engler, Die Küste im deutschen Ertragsteuerrecht – am Beispiel der Besteuerung von OffshoreEnergieerzeugung, FR 2012, 254; Wagner, Die Anwendung des Methodenartikels eines DBA auf Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte einer ausländischen Betriebsstätte, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1067; Wassermeyer, Die Betriebsstätte – ein in vieler Hinsicht unbekanntes Wesen, in FS Kruse, S. 589; Wassermeyer, Kann eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sein?, DB 1990, 244; Wassermeyer, Internationale und grundsätzliche Aspekte, StbJb 2002/2003, 49; Wassermeyer, Die beschränke Steuerpflicht, in Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts (DStJG 8), Köln 1985, 81; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in FS Wassermeyer, S. 659; Wassermeyer, Qualifikationskonflikt bei doppelstöckigen Mitunternehmerschaften, IStR 2006, 273; Wassermeyer, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Anmerkung zum Urteil des BFH vom 20.12.2006 – I B 47/05, IStR 2007, 330; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wiese/Berner, Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer an Dritte im Lichte des BMF-Schreibens vom 26.7.2013, DStR 2013, 2674.

A. Grundlagen 2.1 International tätige Unternehmen entfalten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in mehreren Staaten

(Rz. 1.1 ff.). Diese legen Voraussetzungen und Modalitäten dieser Aktivitäten in ihrem jeweiligen Niederlassungs-, Devisen- und Wirtschaftsrecht fest. Mittels ihres Steuerrechts nehmen sie am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen teil und transferieren die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel so aus dem unternehmerischen Bereich in ihre öffentlichen Haushalte. Der Verteilung der öffentlichen Lasten auf die Steuerpflichtigen liegen prinzipielle Gerechtigkeitsvorstellungen innerhalb jeden Staates zugrunde, die von den grundlegenden Prinzipien der jeweiligen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung geprägt werden. Die Steuerhoheit als das Recht, Steuern zu erheben und über die Art und Weise ihrer Erhebung zu verfügen, gehört zu den elementaren Bestandteilen staatlicher Souveränität, die mit dem Begriff des Staates verbunden ist und nicht der Bestätigung durch die Mitglieder der Völkerrechtsgemeinschaft bedarf. Sie umfasst auch das Recht, sich am Auslandserfolg der eigenen Unternehmen und am Inlandserfolg ausländischer Unternehmen zu beteiligen. Dies entspricht weltweit der überwiegenden Ansicht. Allerdings werden gegen die steuerliche Erfassung im Ausland gegebener Sachverhalte (Welteinkommensprinzip) Einwände vorgebracht,1 denn letztlich kann ein Staat die von ihm geforderten Steuern 1 Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and re-evaluation of arguments, intertax vol. 16, 1988, 216 ff.; Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, 1991, 77 ff.; Strasser, SWI 2003, 512.

130 | Lampert

A. Grundlagen | Rz. 2.4 Kap. 2

nur von solchem Vermögen erheben, welches seinem Zugriff unterliegt (unechtes Welteinkommensprinzip). Dennoch lässt sich kein völkerrechtliches Verbot feststellen, das es den Staaten verwehrte, der Bemessung ihrer Steuern Vorgänge außerhalb ihres Staatsgebietes zugrunde zu legen.1 Das international tätige Unternehmen ist der Steuerhoheit mindestens zweier Staaten unterworfen, die ihre Steuerhoheit gleichberechtigt, autonom und prinzipiell unkoordiniert ausüben. Jeder Staat begründet in seiner Steuerrechtsordnung Reichweite und Inhalt seiner Steueransprüche. Dies führt zu konkurrierenden Steueransprüchen mehrerer Staaten gegen das international tätige Unternehmen. Das Völkergewohnheitsrecht begrenzt diese Konkurrenz so gut wie nicht,2 jedenfalls nur so allgemein und unbestimmt, dass ihm in der Praxis keine große Bedeutung zukommt. Entscheidend sind die unilateralen, einzelstaatlichen (Rz. 2.266) und bilateralen, staatsvertraglichen (Rz. 2.417) Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Diese beschränken aber nicht die Grundlagen der Steuerhoheit, sondern zielen lediglich auf eine Milderung nachteiliger Folgen konkurrierender Steuerhoheiten ab.3

2.2

Das allgemeine Völkerrecht setzt der Ausübung staatlicher Steuerhoheit anerkanntermaßen dadurch eine Grenze, dass der besteuerte Lebenssachverhalt – d.h. die besteuerte Person und der maßgebende wirtschaftliche Vorgang – eine hinreichende Inlandsbeziehung zum besteuernden Staat aufweisen muss.4 Solche hinreichenden Beziehungen werden allgemein auf die Gebietshoheit (ratione loci) eines Staates über sein Staatsgebiet und auf die Personalhoheit (ratione personae) über die in einem Staatsverband verbundenen Staatsangehörigen gestützt. Das internationale Steuerrecht hat eine andere Entwicklung genommen. Für die völkerrechtliche Begründung der Steuerhoheit hat sich seit 1919 der Grundsatz der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (economic allegiance) herausgebildet, der von der Vorstellung5 getragen ist, dass diejenigen zu den Kosten eines Staates beitragen sollen, die als Teilnehmer an seiner Wirtschaft die Vorteile staatlicher Organisation in Anspruch nehmen, die es ihnen erst ermöglicht, sich wirtschaftlich zu betätigen. Eine solche wirtschaftliche Zugehörigkeit wird durch die persönliche Einbindung des Steuerpflichtigen in die Wirtschaftsordnung des Staatsgebietes begründet (subjektive Anknüpfung).6 Als solche hinreichende persönliche Verbindungen sind international anerkannt:7

2.3

– Staatsangehörigkeit, z.B. sec. 911 IRC – USA, – Wohnsitz, z.B. § 1 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 AO, – Lebensmittelpunkt, z.B. art. 4 B CGI – Frankreich, – Zentrum der wirtschaftlichen Interessen, z.B. art. 4 B CGI, – gewöhnlicher Aufenthalt, residence.8 Eine wirtschaftliche Zugehörigkeit wird auch durch wirtschaftliche Aktivitäten innerhalb der jeweiligen Wirtschaftsordnung begründet, wenn diese Aktivitäten Steuergegenstand einer Norm und nach den Vorstellungen des Staates innerhalb seiner Wirtschaft verankert sind. Ausreichend ist hierfür, dass der Steuerpflichtige, ohne persönlich eingebunden zu sein, über eine Steuerquelle im betreffenden Staat verfügt bzw. verfügte (objektive Anknüpfung), über die er an den Vorteilen dieses Staates partizipiert. 1 2 3 4 5

Restatement of the Law, Foreign Relations, 232 f., 258 f. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 13 ff. m.w.N. Mössner in Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 1985, 135 (143). Rudolf in FS Bärmann, 769 (777); Verdroß/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183. Sog. Äquivalenztheorie, vgl. Vogel, Der Staat 1986, 481 (516); vgl. Lehner/Waldhof in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 7. 6 Krit. vgl. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 257 ff. m.w.N. 7 Restatement of the Law, Foreign Relations, 258. 8 Siehe Mössner in Tipke/Bozza, 261 ff.

Lampert | 131

2.4

Kap. 2 Rz. 2.5 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.5 Als zweite völkerrechtliche Begrenzung der Steuerhoheit wird das Gebot der Rücksichtnahme1

genannt. Danach haben die Staaten bei der Ausübung ihrer Steuerhoheit darauf Bedacht zu nehmen, welche Auswirkungen ihre Maßnahmen auf das Steueraufkommen anderer Staaten besitzen. Es ist jedoch kein Fall bekannt, dass sich ein international tätiges Unternehmen mit Erfolg auf das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber einer Besteuerung berufen hätte. Dieses Gebot stellt eher ein allgemeines Völkerrechtsprinzip dar, das der künftigen Entwicklung von Völkerrecht als Leitbild dient. Eine konkrete Rechtsnorm dieses Inhaltes lässt sich nicht nachweisen.

2.6 Am Beginn der Prüfung, welche steuerlichen Folgen (in Deutschland) eine wirtschaftliche Aktivität

eines international tätigen Unternehmens auslöst, steht somit die Frage nach den Anknüpfungskriterien des deutschen Steuerrechts. Die Antwort hierauf ergibt sich – für Einzelunternehmen und Personengesellschaften aus §§ 1, 49 EStG, – für Körperschaften aus §§ 1, 2 KStG, § 49 EStG.

2.7 Im Übrigen sind die Regelungen der Einzelsteuergesetze zu beachten.2 Ist deutsches Steuerrecht

danach anwendbar, so schließt sich die Prüfung an, ob die Tätigkeit sachlich einen Steuertatbestand erfüllt, ob es sich also um eine Tätigkeit handelt, die generell der Besteuerung unterliegt und nicht steuerfrei ist. Auch wenn dies zutrifft, so kann eine Besteuerung dennoch aufgrund von Freibeträgen oder Steuerbefreiungen unterbleiben, ohne dass dadurch die Anwendbarkeit deutschen Steuerrechts tangiert würde. Erst wenn nach dieser Prüfung eine deutsche Steuer geschuldet wird, werden Maßnahmen gegen die Doppelbesteuerung bedeutsam. Soweit ein DBA den deutschen Steueranspruch ganz oder teilweise einschränkt, ist es unmittelbar innerstaatlich anwendbar und schränkt nationales Steuerrecht ein (§ 2 AO, vgl. Rz. 2.453 f.).3 Es wirkt nach h.M. wie eine sachliche Steuerbefreiung4 (Rz. 2.467), wenn es die Besteuerung ganz aufhebt (sog. Freistellung) (Rz. 2.458 ff.). Es kann sich auch darauf beschränken, z.B. durch einen reduzierten Steuersatz die deutsche Besteuerung zu modifizieren. Auch wenn im Ergebnis keine deutsche Steuer geschuldet wird, bleibt das Unternehmen dennoch Steuerpflichtiger i.S. des deutschen Steuerrechts, was sich u.a. in Erklärungspflichten oder darin zeigt, dass deutsche Steuern im Abzugswege erhoben und erst auf Antrag erstattet werden (§ 50d Abs. 1 EStG). In diesem Kapitel werden die subjektiven und objektiven Anknüpfungskriterien für das deutsche Steuerrecht erläutert. Die sachlichen Besonderheiten folgen in den Kapiteln über die unilateralen und bilateralen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung (Rz. 2.244 ff.).

2.8 Eine andere Frage ist diejenige, ob das überkommene System der Unterscheidung von unbe-

schränkter und beschränkter Steuerpflicht im Europäischen Binnenmarkt unverändert Bestand haben kann.5 Der EuGH hat zwar grundsätzliche Unterschiede zwischen diesen beiden Formen der Steuerpflicht anerkannt.6 Gleichwohl sieht er die Gefahr von Ungleichbehandlungen, die er kritisch auf ihre Rechtfertigung hin überprüft. In der Tat besteht erst dann ein wirklicher, einheitlicher europäischer Markt als Binnenmarkt, wenn Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs durch keine steuerlichen Hindernisse beeinträchtigt

1 Ritter, IFA, Resolution 1975, London, Thema Nr. 2, IFA-Resolution Book, Amsterdam 1988, 243; Ritter, BB 1984, 1109; vgl. Vogel in FS Ritter, 1997, 771. 2 Z.B. § 2 ErbStG. 3 Dies ist im Sinne einer Auslegungs-, nicht einer Rangregel zu verstehen, vgl. Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 4, 163 ff. 4 Mössner in Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 1985, 148 m.w.N. 5 Einführender Überblick: Mössner, Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf die direkte Steuer, in Rengeling, Europäisierung des Rechts, 1996, 113 ff.; eingehender Förster, Die direkten Steuern in den Europäischen Gemeinschaften in Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 761. 6 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31; v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94 – Wielockx, ECLI:EU:C:1995:271; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, ECLI:EU:C:1996:251, Rz. 41.

132 | Lampert

A. Grundlagen | Rz. 2.11 Kap. 2

werden. Für eine eingehende Darstellung der europarechtlichen Aspekte der Unternehmensbesteuerung siehe Rz. 1.95 ff. Unter Berücksichtigung dieser Grundlagen lassen sich bei der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung von Unternehmen typische Formen unterscheiden, die sich oft auch in der dargestellten Reihenfolge im Einzelfall entwickeln und jeweils spezifische Probleme bereiten.

2.9

Am Anfang steht das sog. Direktgeschäft1 mit dem Ausland, sei es, dass Waren unmittelbar an Abnehmer im Ausland geliefert werden, sei es, dass Dienstleistungen für ausländische Kunden erbracht werden, oder sei es, dass im Rahmen von elektronischem Handel Waren, Dienstleistungen oder Rechtsübertragungen ausländischen Kunden gegenüber geliefert oder erbracht werden. Entscheidend ist, dass die hierbei erzielten Einkünfte keine ausländischen i.S.v. § 34d EStG (siehe Rz. 2.361) sind. Nach deutschen Vorstellungen sind die ausländischen Staaten in diesen Fällen nicht berechtigt, Steuern zu erheben, so dass eine Anrechnung von ausländischen Steuern, wenn die Staaten diese Einkünfte nach ihren Vorstellungen als inländische behandeln, ausscheidet (Rz. 2.285) und nur ein Abzug der ausländischen Steuer in Betracht kommt (Rz. 2.318). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der ausländische Staat eine sog. Liefergewinnbesteuerung kennt. Nehmen die Geschäftsbeziehungen zum Ausland einen gewissen Umfang und eine gewisse Dauer an, so empfiehlt es sich, mit einem Partner im Ausland zusammenzuarbeiten, damit die Kunden im Ausland einen ständigen Ansprechpartner vor Ort haben. Die Formen der Zusammenarbeit mit dem ausländischen Partner können vielgestaltig sein. Diese reichen von der Mitwirkung bei der Vertragsanbahnung bis zur Vertragsdurchführung. Dementsprechend stellt § 13 AO (näher hierzu Rz. 2.162 ff.) auf die Tätigkeiten beim Vertragsschluss und der Warenauslieferung ab. In der ersten Phase der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Kunden kommen insbesondere Handelsvertreter, Handelsmakler und Kommissionäre in Betracht.2 Steuerlich sind zwei Vertragsbeziehungen zu unterscheiden, zum einen diejenige zwischen dem inländischen Unternehmen und dem ausländischen Partner, zum anderen zwischen dem Unternehmen und dem ausländischen Kunden. Während § 13 Satz 2 Nr. 1 AO sehr weitgehend jegliche Mitwirkung des ausländischen Partners – „Verträge abschließt oder vermittelt oder Aufträge einholt“ – einbezieht, um aus dem Partner beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einen ständigen Vertreter zu machen, ist Art. 5 Abs. 5 OECD-MA deutlich restriktiver und setzt eine gewöhnliche Ausübung einer Vertragsabschlussvollmacht voraus (siehe Rz. 2.168 ff.; s. allerdings auch zur jüngeren Entwicklung Rz. 2.149). Je nachdem, ob es sich um ein ausländisches Unternehmen mit einem inländischen Partner oder ein inländisches Unternehmen mit einem ausländischen Partner handelt, erweitert oder begrenzt der Unterschied zwischen den beiden Definitionen die Reichweite der deutschen Besteuerung. Der Unterschied wirkt sich vor allem bei Handelsvertretern und Maklern aus, die regelmäßig keine Vertragsabschlussvollmacht besitzen, sondern nur vermittelnd tätig werden. Nach § 13 AO sind sie ständiger Vertreter3 und begründen somit für ein ausländisches Unternehmen dessen beschränkte Steuerpflicht im Inland; zugleich führen sie für ein deutsches Unternehmen im Ausland zu ausländischen Einkünften (§ 34d Nr. 2a EStG). Besondere Probleme bereiten Kommissionäre. Nach kontinentaleuropäischen Rechtsvorstellungen schließen sie die Verträge im eigenen Namen ab und sind nur selbst daraus verpflichtet und berechtigt. Im englischen Recht jedoch kann es zur verdeckten Stellvertretung kommen, so dass unmittelbar der Vertrag mit dem Unternehmen zustande kommt.

2.10

Entwickeln sich die Geschäftsbeziehungen über die Grenze positiv, so ergibt sich irgendwann die Notwendigkeit, dass das Unternehmen selbst im Ausland präsent ist, insbesondere über eigene Geschäftsräume verfügt. Dazu stehen im Wesentlichen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Betriebs-

2.11

1 Zur Frage der Einordnung von Datenbankanwendungen als Direktgeschäft Kessler/Wald, IStR 2015, 889. 2 Weitere Fälle vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 3. 3 Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 7.

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Kap. 2 Rz. 2.12 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung stätte (bzw. Zweigniederlassung handelsrechtlich) – siehe Rz. 2.100 ff., Personengesellschaft – siehe Rz. 2.99 – oder Tochtergesellschaft – siehe Rz. 2.175. Die Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten hängt von mehreren Faktoren ab. Da die Betriebsstätte ein unselbständiger Unternehmensteil ist, führt sie zu einer unmittelbaren Haftung des Unternehmens selbst. Demgegenüber bietet eine Kapitalgesellschaft im Ausland den Vorteil einer Haftungsbegrenzung. Neben der Haftung spielen auch Aspekte der Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entscheidungen, nationale Niederlassungsvorschriften usw. eine Rolle. Schließlich sind die unterschiedlichen steuerrechtlichen Folgen zu bedenken. Da nach der ständigen Rspr. des BFH1 die Beteiligung an einer Personengesellschaft dem Gesellschafter eine (anteilige) Betriebsstätte an einer Betriebsstätte der Personengesellschaft vermittelt, verläuft die steuerliche Trennungslinie zwischen der Betriebsstätte und der Tochtergesellschaft.

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Unbeschränkte Steuerpflicht 2.12 Das deutsche Steuerrecht unterscheidet nicht scharf zwischen – den Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit (Kollisionsnorm) und – dem sachlichen Gehalt der Besteuerung (Sachnorm). Stattdessen spricht es bei direkten Steuern von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. Die Begriffe, insbesondere der der unbeschränkten Steuerpflicht, sind unglücklich gewählt. Sie beziehen sich auf den räumlichen Anwendungsbereich der staatlichen Sachnormen. „Unbeschränkt“ bedeutet i.S.d. Welteinkommensprinzips, dass der Sachverhalt – vorausgesetzt er verwirklicht den Tatbestand einer Steuernorm i.S.d. § 38 AO – deutscher Besteuerung unterliegt, auch wenn er sich außerhalb des Bundesgebietes abspielt. „Beschränkte Steuerpflicht“ reduziert die Besteuerung auf die im Inland verwirklichten Sachverhalte. Hierbei verbindet das deutsche Steuerrecht regelmäßig die subjektive Anknüpfung (Rz. 2.3) mit der Besteuerung des Welteinkommens und spricht dann von unbeschränkter Steuerpflicht. Dementsprechend verbindet es bei der beschränkten Steuerpflicht eine objektive Anknüpfung mit der Inlandsbesteuerung. Das Welteinkommensprinzip bedeutet, dass im Inland alle Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, egal wo sie auf der Welt erzielt werden, im Rahmen der Steuerpflicht erfasst werden.2 § 2 Abs. 1 EStG verlangt, dass die Einkünfte während der unbeschränkten Steuerpflicht erzielt werden. Die Bedeutung des Begriffs „erzielen“ ist alles andere als geklärt. Vor dem EStG 1975 verwandte das Gesetz die Formulierung, dass die Einkünfte bezogen werden. Ob zwischen beiden Begriffen ein Unterschied besteht und welcher dieser ist, ist im Dunkel unsauberer Gesetzgebungsterminologie verborgen. Das eigentliche Problem zeigt folgender Fall: A lebt im Ausland ohne irgendeine Beziehung zum Inland. Dort ist er gewerblich tätig. Er verlegt seinen Wohnsitz nach Deutschland. Aus seiner früheren Auslandstätigkeit erhält nach einiger Zeit eine Zahlung, nachdem ein Prozess erfolgreich für ihn beendet wurde. Bezogen sind Einnahmen in dem Augenblick, indem sie zufließen (§ 11 Abs. 1 EStG). Ist der Zufluss auch für das „Erzielen“ maßgebend? Wendet man deutsche steuerrechtliche Vorstellungen an, so werden Einkünfte bei gewerblicher Tätigkeit erzielt, wenn sie bilanziell zu erfassen sind. Das wäre die Leistungserbringung im Ausland, so dass der Zufluss unbeachtlich ist. Bei den Überschusseinkünften entscheidet dann der Zufluss.3 1 St. Rspr. BFH v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764. 2 Rengers in Blümich, § 1 KStG Rz. 194; Weber-Grellet in Schmidt36, § 2 EStG Rz. 4. 3 Krüger in Schmidt36, § 11 EStG Rz. 4.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.15 Kap. 2

Das Außensteuergesetz führte 1972 eine Mischform aus Elementen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht ein: Sie knüpft die Anwendbarkeit zwar auch an subjektive Elemente an (Staatsangehörigkeit, früherer Wohnsitz), beschränkt aber den Steueranspruch auf inländische Quellen. Da – anders als bei der „normalen“ beschränkten Steuerpflicht – jedoch alle inländischen Quellen des Steuerpflichtigen erfasst werden, hat sich die Bezeichnung „erweitert beschränkte Steuerpflicht“ eingebürgert. Aus welchen Gründen § 49 EStG nicht alle inländischen Einkünfte eines Ausländers erfasst, fragt sich auch im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt.1

2.13

II. Einzelunternehmen und Personengesellschaften 1. Überblick Das deutsche Steuerrecht besteuert Unternehmensgewinne nicht unabhängig von der Rechtsform, wie dies bei einer Unternehmenssteuer der Fall wäre, sondern nimmt eine prinzipielle Trennung in Einzelunternehmen und von Körperschaften betriebene Unternehmen vor. Von Personengesellschaften betriebene Unternehmen werden wie Einzelunternehmen behandelt,2 da nicht das Unternehmen selbst besteuert, sondern sein Ertrag den Gesellschaftern der Personengesellschaften als „Mitunternehmer“ zugerechnet wird. Daraus folgt, dass ein im Ausland von einer Personengesellschaft betriebenes Unternehmen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, wenn die Gesellschafter im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dies gilt unabhängig davon, wie das ausländische Steuerrecht die Gesellschaft behandelt, etwa ob es die Personengesellschaft wie eine Körperschaft besteuert; zu den sich hieraus ergebenden sog. Qualifikationskonflikten siehe Rz. 1.247 ff. Da ausländische Gesellschaften jedoch durch ausländisches Privatrecht konstituiert und in ihrer Struktur bestimmt werden, entsprechen sie meist nicht völlig den entsprechenden deutschen Gesellschaftsformen. Selbst wenn dieses der Fall ist, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, dass diese Gesellschaftsformen im In- und Ausland steuerlich auch gleich behandelt werden. Ausländische Steuerrechtsordnungen sehen überdies mitunter Optionsmöglichkeiten für den Steuerpflichtigen vor, namentlich bei Personengesellschaften.3 Nach deutscher h.M. soll es auf einen Typenvergleich4 ankommen, d.h., über die Zuordnung entscheidet das Gesamtbild aus deutscher Perspektive und nicht das Vorliegen bestimmter Merkmale. In der Praxis lautet die Frage daher, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Körperschaft vorliegen (Rz. 2.53 ff.), da die eigene Steuerrechtsfähigkeit als Ausnahme zur unmittelbaren Zurechnung von Einkünften zu den Gesellschaftern anzusehen ist. Ist die Frage zu verneinen, wird das ausländische Rechtsgebilde im Zweifel als Personengesellschaft behandelt.

2.14

Da das deutsche Körperschaftsteuerrecht mit dem Trennungsprinzip5 die aus der Zivilrechtsfähigkeit der Kapitalgesellschaft folgende Separierung der Vermögen der Gesellschaft und der Gesellschafter nachvollzieht, ist die Wirkung des Unionsrechts auf den Typenvergleich des Steuerrechts noch nicht endgültig geklärt. Wenn nach der Rspr. des EuGH6 die Rechtsfähigkeit eines Gebildes, die dieses in seinem Gründungsstaat genießt, in den anderen EU-Staaten anzuerkennen ist, dann kann der Typenvergleich steuerlich zu einer Diskriminierung ausländischer Gesellschaften im Verhältnis zu inländischen führen, wenn ihnen trotz zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit die Steuersubjektivität abgesprochen wird.

2.15

1 Dautzenberg, DB 1996, 2248 f. 2 Einen internationalen Überblick gibt Piltz, Personengesellschaften, 52 f. 3 USA: „Check-the-Box“, Treas. Reg. § 301.7701-1 bis 3, vgl. Kroniger/Thies, IStR 2002, 397 (400 f.); Zschiegner, IWB 1997, Fach 8, Gruppe 2, 885 ff. 4 Einzelheiten der Durchführung bei Piltz, Personengesellschaften, 68 ff., Rz. B 50 f. 5 Vgl. Hey in Tipke/Lang22, Steuerrecht, § 11 Rz. 6, 38. 6 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512.

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Kap. 2 Rz. 2.16 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung 2. Inland

2.16 Das Inland i.S. der Steuergesetze umfasst den räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes.

Somit sind die politischen Grenzen entscheidend. Zollausschlussgebiete gehören folglich zum Inland.1

2.17 Zum Inland gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil am Festland-

sockel, soweit dort Naturschätze erforscht und ausgewertet werden.2 Die Rechte der Bundesrepublik sind völkerrechtlich funktional auf die in § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten beschränkt. Dies hat Bedeutung für die beschränkte Steuerpflicht.3 Im Zusammenhang mit der unbeschränkten Steuerpflicht ist nur relevant, ob auf einer Bohrinsel, Forschungsplattform o.ä. Einrichtung ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden kann. Von der wohl h.M.4 wird dies abgelehnt. In der Tat lässt sich unter dem Aspekt der Generaläquivalenz eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht begründen, nimmt diejenige Person, die sich auf einer der genannten Einrichtungen aufhält, doch nicht im umfassenden Sinne an der innerstaatlichen Wirtschaftsordnung teil und insb. nicht im nennenswerten Umfang öffentliche Leistungen in Anspruch. Die im Vordringen befindliche Gegenansicht5 rückt dagegen funktionale Erwägungen in den Mittelpunkt der Argumentation: Besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts und einer der genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten,6 so soll eine unbeschränkte Steuerpflicht möglich sein. Gegen die enge Auslegung der (noch) vorherrschenden Meinung wird darüber hinaus der systematische Zusammenhang angeführt; so seien die Regelungen zum Festlandsockel und zur Ausschließlichen Wirtschaftszone gerade nicht bei der beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 4 EStG getroffen, sondern ergänzten die Regelungen zur unbeschränkten Steuerpflicht in § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG.7

2.18 Schiffe unter deutscher Flagge zählen in deutschen Gewässern und auf hoher See zum Inland,8

aber nicht in den Gewässern fremder Staaten. Damit fehlt ihnen die Beständigkeit des Status, die für das Land kennzeichnend ist. Gleichwohl kann es sich bei ihnen um „Inland“ handeln.9 Dies gilt aber nur für die Begründung der beschränkten Steuerpflicht (vgl. Rz. 2.84 ff.). Entsprechendes gilt grundsätzlich für Luftfahrzeuge. 3. Wohnsitz

2.19 Der Wohnsitz eines Einzelunternehmers oder des Gesellschafters einer Personengesellschaft im Inland (Rz. 2.16 ff.) begründet die unbeschränkte (Rz. 2.12) Steuerpflicht für die Einkommensteuer in Deutschland. Die gesetzliche Definition des Wohnsitzes enthält § 8 AO: „Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ 1 2 3 4 5

6 7 8 9

BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614 (615). § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 1 Abs. 3 KStG, § 1 Abs. 4 VStG. Deshalb ist die Aufführung in § 1 Abs. 1 EStG systematisch falsch. Hawlitschek, IStR 2015, 413 (417); Heinicke in Schmidt36, § 1 EStG Rz. 31; Teller in L/B/P, § 1 EStG Rz. 41; Wassermeyer, § 1 EStG Rz. 41; Gosch in Kirchhof16, § 1 EStG Rz. 11. Ebling in Blümich, § 1 EStG Rz. 176; Hillert, FR 1974, 445; Maciejewski/Theilen, IStR 2016, 401 (404); zur Rechtslage vor dem Kroatien-StRAnpG Maciejewski/Theilen IStR 2013, 846 (847); Waldhoff/Engler, FR 2012, 254 (259); Hummel in Gosch, § 1 KStG Rz. 132; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 39. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 39, nehmen einen solchen Zusammenhang etwa an, wenn der Aufenthalt auf einer im Festlandsockel installierten Bohrinsel stattfindet. Maciejewski/Theilen, IStR 2016, 401 (404). BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50 (51); v. 12.11.1986 – I R 37/83, BStBl. II 1987, 377; Fiedler, DB 1984, 2115. Tiede in H/H/R, § 1 EStG Anm. 15, 57; OFD Bremen v. 29.7.1996 – AStR I, 1285.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.21 Kap. 2

Diese Definition enthält – ein objektives Element: das Innehaben einer Wohnung, – ein subjektives Element: die Absicht, diese dauernd beizubehalten und zu benutzen. Das subjektive Element entzieht sich der Feststellung durch die Finanzbehörden. Deshalb stellt das Gesetz auch nicht auf die Absicht selbst ab, sondern verlangt das Vorliegen von Indizien („Umständen“), die einen sicheren Rückschluss auf die Absicht erlauben. Formulierungen der Gerichte,1 dass § 8 AO nur auf die tatsächliche Gestaltung abstelle und an äußere Merkmale anknüpfe, ohne für subjektive Momente oder Absichten Raum zu lassen, sind nicht ganz zutreffend, da in Zweifelsfällen bei § 8 AO durchaus (Rz. 2.21 ff.) subjektive Merkmale von Bedeutung sein können. Entscheidend ist, dass die Gesamtumstände einen sicheren Schluss darauf zulassen, dass der Steuerpflichtige gegenwärtig oder zukünftig die Wohnung zum Wohnen benutzt.2 Da eine Person mehrere Wohnungen nutzen kann, kann es auch mehrere Wohnsitze geben.3 Der steuerliche Wohnsitzbegriff unterscheidet sich von demjenigen des bürgerlichen Rechts4 und des Melderechts.5 Er ist objektiviert6 in dem Sinne, dass beim Vorhandensein beider Elemente ein entgegengesetzter Wille ebenso unbeachtlich ist wie die Tatsache der Meldung oder Nichtmeldung bei den Meldebehörden.7 Der steuerliche Wohnsitzbegriff ist aber nicht derart objektiviert, dass es auf das Vorliegen eindeutig und leicht feststellbarer Merkmale ankommt. Vielmehr verlangt er aufgrund seiner komplexen Struktur (Rz. 2.19) vielfältige Wertungen, die ein sicheres Urteil im Einzelfall schwierig machen können. Entscheidend kommt es auf das Gesamtbild an. Nicht in seine Erwägungen bezieht der BFH8 ein, dass der Wohnsitz in § 1 Abs. 1 EStG Ausdruck der hinreichenden Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) ist und dass sich daher etwa unter Anwendung der Markteinkommenstheorie Einschränkungen ergeben könnten.9 Angesichts der Unwägbarkeiten im Einzelfall wäre eine klarere Regelung wünschenswert.

2.20

a) Allgemeine Merkmale Der steuerliche Wohnsitz ist mit dem Begriff der Wohnung verbunden. Die Auslegung dieses Begriffs durch die Rspr. ist äußerst facettenreich. Zu beachten ist dabei, dass der steuerrechtliche Begriff der Wohnung deutlich enger ist als der Begriff der Wohnung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 GG, der alle zu Aufenthalts- oder Arbeitszwecken bestimmten und benutzten Räume umfasst.10 Im allgemeinen Sinne werden unter dem Begriff „Wohnung“ Räumlichkeiten verstanden, die zum Wohnen geeignet sind, wobei ein fester Raum ausreicht.11 So kommen Räume in Häusern, Baracken, Ferienhäusern, Jagdhäusern und sogar Campingwagen12 in Betracht. Wesentlich ist eine räumliche Fixierung, so dass ein fahrender Wohnwagen keine Wohnung ist.13 Es kommt darauf an, ob die Räume zum 1 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183), hierzu auch Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 9; Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44 ff. 2 FG Köln v. 27.6.2002 – 10 K 6348/97, EFG 2002, 1198 (BFH I R 56/02). 3 BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402. 4 §§ 7, 8 BGB; vgl. Ellenberger in Palandt77, § 7 BGB Rz. 1 ff. 5 §§ 11, 12 MRRG; vgl. Ellenberger in Palandt77, § 7 BGB Rz. 5. 6 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 11; Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 8. 7 BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153 (155); FG Bremen v. 27.7.1989 – II 246/85 K, EFG 1990, 93. 8 Vgl. z.B. BFH v. 4.6.1964 – IV 29/640, BStBl. III 1964, 535; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153. 9 Ebenso Wassermeyer, StbJb 2002/2003, 49 f. 10 Papier in Maunz/Dürig, Art. 13 GG Rz. 10 m.w.N. 11 RFH v. 14.11.1940 – IV B 32/40, RStBl. 1940, 972 (973); Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 14. 12 BFH v. 15.11.1974 – VI R 195/72, BStBl. II 1975, 278 (279); Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 2 m.w.N. 13 FG Hamburg v. 13.4.1981 – II 101/80, EFG 1982, 18; Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 2.

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2.21

Kap. 2 Rz. 2.22 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung dauernden Bewohnen geeignet sind und es den Bewohnern ermöglichen, ihren regulären Wohnbedürfnissen nachzukommen. So ist eine Ausstattung mit Möbeln ebenso erforderlich wie das Vorhandensein von Kochgelegenheiten. In der Regel wird daher ein Hotelzimmer, auch bei längerfristiger Anmietung, keine Wohnung begründen.1 Ausnahmen sind aber denkbar, so bspw. wenn ein bestimmtes Hotelzimmer einer Person ständig oder bei Bedarf zur Verfügung steht und mit persönlichen Gegenständen ausgestaltet ist. Auch bloße Übernachtungsmöglichkeiten bei Verwandten oder Freunden2 oder in Geschäfts- und Werksräumen3 genügen dem Begriff der Wohnung nicht (Rz. 2.19). Ein den Wohnbedürfnissen genügender Raum, der bei Verwandten ständig zur Verfügung steht, reicht hingegen als Wohnung aus.4 In der Praxis geht es oft um Beweisfragen. Verfügt der Steuerpflichtige im Inland über ein volleingerichtetes Haus,5 so kann dessen Nutzung auch bei gegenteiliger Behauptung des Steuerpflichtigen unterstellt werden. Bei einer schlichten Schlafgelegenheit in den Geschäftsräumen liegt die Nichtnutzung nahe, wenn die Familienwohnstätte nicht weit entfernt ist.6 Die Art der Räume wird somit auch zu einem Indiz für das subjektive Element.7

2.22 Diese Beweisfrage erklärt auch die Haltung der Gerichte in der Streitfrage, ob die Wohnung ins-

gesamt eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen angemessene Unterkunft darstellen muss.8 Die Gerichte legen strengere Maßstäbe an das Vorhandensein einer Wohnung an, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht für den Steuerpflichtigen günstig wäre, und weniger strenge, wenn sie ungünstig wäre. Dies entspricht der Feststellungslast. So haben sowohl das FG Berlin9 als auch das FG Köln10 das Vorliegen einer Wohnung im Inland verneint, weil die Räume nicht dem Lebensstil der Betroffenen im Ausland entsprächen. Andererseits hat die Rspr. dann nicht auf die Angemessenheit abgestellt, wenn der Steuerpflichtige zur Ausübung seines Berufes auf eine Wohnung im Inland angewiesen ist.11 Für derartige Unterscheidungen bietet § 8 AO aber keine Anhaltspunkte.12 Reichen die Räumlichkeiten generell zum Wohnen aus, so kommt es auf deren Größe und Ausstattung nicht mehr an. Insbesondere kann nicht verlangt werden, dass sie den repräsentativen Bedürfnissen und den Vermögensverhältnissen angemessen sein müssen. Allerdings kann die Art der Ausstattung ein Indiz für die Benutzung sein (Rz. 2.25). Befindet sich im Büro oder den Geschäftsräumen ein – notdürftig – ausgestatteter Raum, während wenige Kilometer jenseits der Grenze ein komfortables Haus des Steuerpflichtigen steht, in dem er mit seiner Familie lebt, so kann nicht angenommen werden, dass er den Raum im Büro tatsächlich als Wohnung nutzt.13

1 FG Münster v. 22.2.1984 – V 2216/83 U, EFG 1984, 636, im Ergebnis fraglich. 2 BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 (110); FG Bremen v. 27.7.1989 – II 246/85 K, EFG 1990, 93. 3 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); RFH v. 9.5.1940 – IV B 4/40, RStBl. 1940, 562; FG Nds. v. 18.4.1977 – IX L 2/76, EFG 1978, 111 (111 f.). 4 FG Nds. v. 23.7.1992 – XI 187/88, EFG 1993, 135, etwa, wenn im elterlichen Haus das Kinderzimmer dem im Ausland lebenden Sohn weiterhin zur Verfügung steht. 5 Wie in den BFH-Urteilen v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 und v. 23.11.1988 – II 138/ 87, BStBl. II 1989, 182 zugrunde liegenden Sachverhalten. 6 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944. 7 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 45. 8 So Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 2; RFH v. 18.7.1924 – IVc 8 229 und 241/24, RFHE 14, 125 (126); BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153 (154); v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133 (135); FG Köln v. 23.5.1982 – V (XII) 271/77 E, EFG 1982, 607; FG BW v. 3.5.1985 – II (III) 271/82, EFG 1985, 483; a.A. Schwarz, § 8 AO Rz. 5; RFH v. 8.1.1937 – III A 218/36, RStBl. 1937, 108; v. 28.1. 1937 – III A 202/36, RStBl. 1937, 336; BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; krit. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 25 ff.; Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 16. 9 FG BW v. 3.5.1985 – II (III) 271/82, EFG 1985, 483. 10 FG Köln v. 23.5.1982 – V (XII) 271/77 E, EFG 1982, 607. 11 RFH v. 5.9.1940 – IV B 26/40, RStBl. 1940, 858; v. 14.11.1940 – IV B 32/40, RStBl. 1940, 972 (973). 12 Schwarz, § 8 AO Rz. 5. 13 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; FG Köln v. 23.5.1982 – I (XII) 271/77 (E), EFG 1982, 607.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.25 Kap. 2

Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben. Darunter ist zu verstehen, dass er die Wohnung benutzen kann, wann er es will. Diese Verfügungsmacht kann rechtlich durch Eigentum oder durch ein Nutzungsrecht begründet sein, kann sich aber auch bloß aus den tatsächlichen Umständen ergeben,1 z.B. wenn der Mieter dem Steuerpflichtigen einen Schlüssel zur jederzeitigen Benutzung ausgehändigt hat. In jedem Fall muss der Gebrauch der Wohnung aber rechtmäßig sein. Bei zwangsweiser Unterbringung, z.B. in einem Heim, fehlt es an der Verfügungsmacht. Außerdem stellt die Rspr.2 auch auf die Lebensumstände innerhalb einer Familie ab: So hat ein Ehemann mit häufigem Wechsel seines Aufenthaltes, z.B. als Seemann, am Wohnort seiner Familie einen Wohnsitz.3 Möglich ist aber auch ein getrennter Familienwohnsitz.4 Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten vermitteln einander die objektive jederzeitige Nutzungsmöglichkeit. Dies begründet eine im Einzelfall widerlegbare Vermutung des Innehabens.5

2.23

Ein Innehaben liegt auch vor, wenn sich jemand für die Wahrnehmung eines befristeten Arbeitsverhältnisses ins Ausland begibt, seine inländische Wohnung jedoch eingerichtet und unvermietet zurücklässt6 (vgl. Rz. 2.30). Anders ist es, wenn der Betreffende die Wohnung für die Zeit seiner Abwesenheit vermietet. Er verliert dann seine Verfügungsmacht.7 Ausnahmsweise soll der Verlust der Verfügungsmacht unerheblich sein, wenn er nur vorübergehend ist, was aber wenig überzeugt, da im strengen Sinne jede zeitliche Begrenzung vorübergeht. Unklar wird dann, welcher Zeitraum „vorübergehend“ ist. Nach Ansicht des FG Schl.-Holst.8 ist ein Zeitraum von einem Jahr vorübergehend, wenn die Wohnung mit allen Einrichtungsgegenständen vermietet wird, um eine Beaufsichtigung für die Zeit der Abwesenheit sicherzustellen. Andererseits hat der BFH9 in anderem Zusammenhang die Sechs-Monats-Frist des § 9 AO zur Bestimmung von „vorübergehend“ herangezogen. Man wird deshalb m.E. bei einer Unterbrechung der Verfügungsmacht durch Vermietung von mehr als sechs Monaten nicht mehr von einer fortdauernden Innehabung ausgehen können (vgl. Rz. 2.28).

2.24

Schließlich müssen Umstände einen Schluss auf die Absicht des Wohnens zulassen, d.h., die nicht nur vorübergehende, regelmäßige Nutzung zu Wohnzwecken im umfassenden Sinn muss gewollt sein. Das Gesetz verwendet hierfür die Begriffe des Beibehaltens und des Benutzens, also Begriffe, die auf ein Element der Dauer hinweisen. Von zentraler Bedeutung ist, dass auch die künftige Nutzung zu Wohnzwecken ausreichend ist. Selbst eine nachgewiesene Nichtnutzung über Jahre steht einer zukünftigen Nutzung nicht entgegen (vgl. Rz. 2.28). Nicht zu Wohnzwecken wird eine Wohnung genutzt, wenn der Aufenthalt nur der Erholung dient. Die Gerichte begründen dies z.T. mit der nicht angemessenen Ausstattung der Ferienwohnung,10 z.T. mit der Unregelmäßigkeit der Nutzung.11 Zutreffenderweise muss man aus § 9 AO den Rechtsgedanken ableiten, dass ein ausschließlich zu „Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken“ dienender Aufenthalt von kürzerer Dauer als einem Jahr nicht die für die unbeschränkte Steuerpflicht erforderliche enge Beziehung zum Inland schafft. Wer lediglich Erholung im Inland sucht, nimmt

2.25

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

FG Hamburg v. 15.4.1994 – V 61/92, EFG 1994, 730; Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 31. BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332). RFH v. 10.3.1937 – VI A 631/36, RStBl. 1937, 498 (499). RFH v. 26.11.1930 – VI A 2044/30, RStBl. 1931, 380 – Familie im Inland, Ehemann im Ausland; BFH v. 3.3.1978 – VI R 195/75, BStBl. II 1978, 372 (373) – Ehemann im Inland, Familie im Ausland. BFH v. 30.11.2010 – VI B 100/10, BFH/NV 2011, 574. FG Hess. v. 15.12.1976 – I 179/75, EFG 1977, 267; FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628; BFH v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; FG Schl.-Holst. v. 15.12.1995 – I 824/94, EFG 1996, 553. FG Hamburg v. 28.10.1983 – VII 57/82, EFG 1984, 294. FG Schl.-Holst. v. 12.5.1981 – III 388/78, EFG 1982, 5. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). BFH v. 24.4.1964 – VI 236/62 U, BStBl. III 1964, 462. BFH v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439 (440); FG BW v. 26.2.1988 – IX K 146/87, EFG 1988, 418.

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Kap. 2 Rz. 2.26 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung nicht umfassend die von der inländischen Wirtschaft gebotenen Möglichkeiten wahr, sondern trägt nur als Konsument der angebotenen Waren und Dienstleistungen zu derartigen Möglichkeiten des Wirtschaftens bei. Zwar kommt es bei der unbeschränkten Steuerpflicht nicht darauf an, dass im Inland Einkünfte erzielt werden sollen, ein bloßer Urlaub im Inland schafft aber nicht die enge persönliche Beziehung, die für die unbeschränkte Steuerpflicht erforderlich ist. Anders ist es jedoch, wenn im Inland ein ganzjährig zu nutzendes Ferienhaus im Eigentum steht oder mehrjährig gemietet ist. Dies kann ein Indiz für ein Wohnen im Inland sein.

2.26 Es kommt darauf an, dass aus den objektiven Umständen auf das Vorliegen einer entsprechenden

Absicht geschlossen werden kann, d.h. wenn die Möglichkeit jederzeitiger Nutzung besteht. Der Wohnsitzbegriff nähert sich damit einer Fiktion. Ergibt sich aus den tatsächlichen Umständen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung in Zukunft jederzeit nutzen kann, z.B. die Wohnung bleibt bei einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt vollmöbliert und unvermietet (siehe Rz. 2.24), so ist § 8 AO Genüge getan.1 Es kommt nicht darauf an, dass der Wohnungsinhaber sich dessen bewusst ist oder ob er eine entsprechende Absicht geäußert hat. Auch ist es unerheblich, dass rechtliche oder tatsächliche Hindernisse einem dauerhaften Verbleiben im Inland entgegenstehen.2

2.27 Die Rspr. misst auch dem Umstand, ob die Aufenthalte regelmäßig oder unregelmäßig sind, Be-

deutung zu.3 Dies kann aber nicht bedeuten, dass jeweils der Aufenthalt in die gleiche Jahreszeit4 fallen muss. Vielmehr liegen nicht ausreichende Anhaltspunkte für die Absicht der Benutzung der Wohnung vor, wenn der Aufenthalt nur „von Zeit zu Zeit“ erfolgt. Die Räume müssen „als Wohnung“ dienen. Im Begriff des Wohnens steckt ein Element der Beständigkeit, das auf die üblichen, menschlichen Wohnweisen verweist. Die erforderliche Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) ist daher nur dann gegeben, wenn die Umstände der Benutzung der Räumlichkeiten ein ausreichendes Indiz dafür sind, dass die Person wirtschaftlich in das Inland eingegliedert ist. Mit der Regelung des Kindergelds im EStG und der Übertragung der Entscheidungskompetenz an die FG nimmt die Rspr. zum Wohnsitzbegriff z.T. kontroverse Züge an. Da Kindergeld gem. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.R. nur für Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gewährt wird, entfällt das Kindergeld, wenn die Eltern oder ein Elternteil im Inland und das Kind im Ausland leben.5 Da allerdings innerhalb einer Familie die Nutzung der Familienwohnung angenommen wird, käme man eigentlich zu einem anderen Ergebnis, zumal wenn das Kind sich mehrfach kurzfristig bei den Eltern im Inland aufhält. Gleichwohl hat der VI. Senat des BFH in derartigen Fällen einen Wohnsitz des Kindes im Inland verneint. So soll das Bereithalten eines Zimmers in der inländischen Wohnung der Eltern bei einem im Ausland studierenden Kind nicht genügen, selbst wenn das Kind sich während mehrerer Monate dort aufhält. Dies ist entgegen den Darlegungen des VI. Senats schwerlich mit der Rspr.6 in Einklang zu bringen. Nach dieser hat auch ein im Inland lebender Spitzensportler, der im Inland im Hause seiner Eltern noch ein Zimmer nutzen kann, einen inländischen Wohnsitz. Jedenfalls lässt sich § 8 AO nicht entnehmen, dass es auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen ankommt.7

1 FG Hess. v. 2.4.1990 – 10 K 415/83, EFG 1991, 162. 2 FG BW v. 7.9.1990 – IX K 96/88, EFG 1991, 102. 3 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183); v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301 (302); v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535 mit unzutreffendem Hinweis auf RFH v. 24.9. 1936 – III A 143/36, RStBl. 1936, 997 und v. 10.3.1937 – VI A 631/36, RStBl. 1937, 498; BFH v. 6.3. 1968 – 138/65, BStBl. II 1968, 439 (440); v. 26.7.1972 – I R 138/70, BStBl. II 1972, 949 (951); FG Rh.Pf. v. 23.8.1979 – IV 402/78, EFG 1980, 35 (36); FG Hamburg v. 18.2.1988 – II 297/85, EFG 1988, 424 (425); v. 12.9.1991 – III 47/90, EFG 1992, 277. 4 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 (183) – Rehwildjagd. 5 BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. 6 LG München 4. Strafkammer, s. Focus 30.10.2002. 7 FG Köln v. 15.5.2008 – 10 K 1610/06, EFG 2008, 1896.

140 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.30 Kap. 2

b) Begründung des Wohnsitzes Bei Begründung des Wohnsitzes (Rz. 2.18) muss die Absicht bestanden haben, die Räume mindestens sechs Monate als Wohnung zu benutzen,1 weil die Absicht eines nur vorübergehenden Innehabens einer Wohnung keinen Wohnsitz i.S. einer ausreichenden Inlandsbeziehung begründet. Mietet daher ein ausländischer Unternehmer bspw. nur für fünf Monate eine Wohnung im Inland an, um eine inländische Betriebsstätte in der ersten Phase ihrer Begründung persönlich vor Ort zu leiten, so wird er nicht unbeschränkt steuerpflichtig.

2.28

Ein Wohnsitz wird in dem Zeitpunkt begründet, in dem alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer Abordnung ins Inland bzw. einem von vornherein begrenzten Aufenthalt von weniger als sechs Monaten begründet ein Arbeitnehmer oder Unternehmer keinen Wohnsitz, auch wenn er für diese Zeit eine Wohnung anmietet (Rz. 2.28). Erfordern betriebliche Abläufe die regelmäßige und ständig wiederkehrende Anwesenheit im Inland und stehen während dieser Zeiten entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung, so begründet dies einen inländischen Wohnsitz, auch wenn die Gesamtdauer der Aufenthalte pro Jahr erheblich unter der Sechs-Monats-Frist liegt. Daran ändert es auch nichts, wenn die Wohnung als Betriebswohnung während der übrigen Zeiten anderen Personen zur Verfügung steht, solange die Verfügungsmacht während der Aufenthalte besteht (vgl. Rz. 2.26).

2.29

c) Aufgabe des Wohnsitzes Der Wohnsitz wird aufgegeben, sobald eines der Merkmale – Wohnung (Rz. 2.21), Innehaben (Rz. 2.23), Wohnabsicht (Rz. 2.25) – fortfällt. Dies festzustellen, kann im Einzelfall schwierig sein, weil oft erst die Betrachtung mehrerer Jahre eine sichere Beurteilung erlaubt. Ein mit besonderen Unsicherheiten belastetes Problem stellen daher zeitweilige Versetzungen von Arbeitnehmern und zeitweise Aufenthalte der Unternehmer innerhalb internationaler Unternehmen dar. Bei der Auslandsabordnung eines inländischen Arbeitnehmers kommt es auf die voraussichtliche Dauer der Abordnung, das Schicksal seiner inländischen Wohnung und darauf an, ob die Familie den Arbeitnehmer ins Ausland begleitet. Unzweifelhaft wird der Wohnsitz im Inland bei einer Abordnung für vier Jahre bei Räumung der inländischen Wohnung, deren Fremdvermietung und der Begleitung durch die Familie aufgegeben.2 Andererseits bleibt der Wohnsitz erhalten, wenn der Aufenthalt kürzer als ein Jahr3 geplant und die inländische Wohnung volleingerichtet und ohne Untermietung zurückgelassen wird. Bleibt die Familie in der Wohnung zurück4 oder sucht der Arbeitnehmer, bzw. sein Ehepartner, die Wohnung regelmäßig auf oder verbringt er gar seinen Urlaub in der Wohnung,5 so wird die Wohnung beibehalten. Fraglich und noch nicht höchstrichterlich entschieden sind folgende Fälle: 1. Die Wohnung wird länger als sechs Monate vermietet. 2. Der Auslandsaufenthalt dauert länger als sechs Monate, die Familie zieht mit ins Ausland und die Wohnung bleibt beweisbar unbenutzt. Im Fall 1 liegt entgegen weitverbreiteter Ansicht der Praxis eine Aufgabe des Wohnsitzes vor (Rz. 2.20). Da der Mieter selbst einen Wohnsitz begründet, können die Räume nicht auch anderen Personen, die nicht mit ihm in einem Haushalt leben, als Wohnung dienen. Für den Fall 2 wäre nach dem Urt. des FG Schl.-Holst.6 keine Aufgabe des Wohnsitzes erfolgt (Rz. 2.20), da der Be1 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). 2 FG Hamburg v. 28.10.1983 – VII 57/82, EFG 1984, 294. 3 FG Hess. v. 15.12.1976 – I 179/75, EFG 1977, 267; FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628 – für zwei Jahre. 4 BFH v. 30.11.2010 – VI B 100/10; BFH/NV 2011, 57, macht deutlich, dass die Entfernung der Abordnung – im Streitfall Asien – nicht ausreicht, die Vermutung zu widerlegen. 5 FG München v. 26.5.1982 – IX 137/80 E, EFG 1982, 628. 6 FG Schl.-Holst. v. 12.5.1981 – III 388/78, EFG 1982, 5; in diesem Fall erfolgte sogar eine Vermietung.

Lampert | 141

2.30

Kap. 2 Rz. 2.31 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung treffende die Wohnung „beibehält“, um sie nach seiner Rückkehr wiederum zu benutzen. Eine solche Auslegung würde das bloße Eigentum an Wohnraum als Anknüpfungskriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht ausreichen lassen. Demgegenüber erscheint es geboten, § 8 AO enger zu verstehen, als es der Wortlaut zulässt; denn zumindest die Nichtbenutzung einer Wohnung für über ein Jahr muss m.E. der unregelmäßigen Nutzung (Rz. 2.21) gleichgestellt werden.1 Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Rspr. sich demgegenüber sehr an den Fakten orientiert, da nie auszuschließen ist, dass eine jederzeit nutzbare Wohnung auch tatsächlich benutzt wird und die Finanzbehörde nicht das Gegenteil beweisen kann. Daher ist eine sorgfältige „Wohnsitzplanung“ bei Expatriates unerlässlich. Soll der inländische Wohnsitz beendet werden, so muss entweder die „Innehabung“, d.h. Verfügungsmacht, etwa durch Vermietung, oder die Nutzbarkeit, etwa durch Entfernung der Möbel, aufgehoben sein. Aber selbst dann kann der Wohnsitz fortbestehen, wenn eben dieselbe Wohnung nach der Rückkehr wieder genutzt werden soll. Daher ist die Vermietung der sicherste Weg zur Wohnsitzaufgabe. Ein weiterer Aspekt ist dadurch gegeben, dass die Zahlung von Kindergeld an einen inländischen Wohnsitz geknüpft ist (§ 62 EStG). Hier neigen die Behörden dann eher zu einer Aufgabe des inländischen Wohnsitzes, wenn ein Arbeitnehmer ins Ausland versetzt wird und seine Familie mitzieht.2

2.31 Keine Aufgabe liegt vor, wenn die Verfügung über die inländische Wohnung fortbesteht. Auch

bei ausländischem (Haupt-)Wohnsitz besteht danach die unbeschränkte inländische Steuerpflicht, wenn eine inländische Wohnung lediglich befristet vermietet und sie auch vom Eigentümer benutzt wird.3 Da Aufenthalte zu Besuchs- oder Erholungszwecken ausscheiden (Rz. 2.21), ist weiterhin erforderlich, dass der Inhaber zumindest zeitweise von der Wohnung aus seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht.

2.32 Eine Person kann zwei, ja sogar mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben.4 Liegen diese in mehreren

Staaten und folgt der ausländische Staat § 8 AO vergleichbaren Aspekten, so wird eine mehrfache unbeschränkte Steuerpflicht begründet. 4. Gewöhnlicher Aufenthalt

2.33 Neben dem Wohnsitz begründet der gewöhnliche Aufenthalt im Inland (Rz. 2.16 f.) die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen. § 9 AO definiert den gewöhnlichen Aufenthalt in sehr komplexer Weise. § 9 Satz 1 AO enthält gleichsam die Regeldefinition, wonach zwei Merkmale entscheiden: – tatsächlicher Aufenthalt im Inland (Ort oder Gebiet; objektives Merkmal) und – Umstände, die erkennen lassen, dass das Verweilen nicht nur vorübergehend ist (subjektives Merkmal). Beide Merkmale sind aufgrund der äußeren Umstände zu entscheiden. Auf die innere Absicht kommt es nicht an.5 § 9 Satz 2 AO fingiert den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland bei – einem zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt, 1 Auch auf eine regelmäßige Benutzung stellt der BFH v. 19.2.1993 – I B 112/92, BFH/NV 1994, 456, ab. 2 BFH v. 20.11.2008 – III R 53/05; BFH/NV 2009, 564 m.w.N.; v. 14.10.2011 – III B 202/10, BFH/NV 2012, 226. 3 FG Hamburg v. 12.9.1991 – III 47/90, EFG 1992, 277. 4 Vgl. BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109 (110); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301 (302); davon geht auch das Gesetz aus: § 19 Abs. 1 AO. 5 Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 14; Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 9.

142 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.35 Kap. 2

– von mehr als sechs Monaten, – auch bei kurzfristigen Unterbrechungen. § 9 Satz 3 AO sieht eine Ausnahme zu § 9 Satz 2 AO vor, wenn der Aufenthalt – Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlich privaten Zwecken dient und – nicht länger als ein Jahr dauert. Damit ähnelt die Begriffsstruktur derjenigen des Wohnsitzbegriffes, indem äußere Tatsachen (Aufenthalt, Zeitraum) mit Indizien für eine Vermutung gekoppelt sind. Entscheidend ist das Vorliegen der äußeren, objektiven Merkmale,1 nicht der Wille der betreffenden Person. Grundlage ist der „Aufenthalt“, wobei das „Verweilen“ wohl synonym ist.2 Darunter ist die physische Anwesenheit im Inland zu verstehen. Das Gesetz sagt aber nicht, wie viele Stunden pro Tag aus der Anwesenheit einen Aufenthalt i.S.d. § 9 AO machen. Diese Frage spielt dann eine Rolle, wenn der Steuerpflichtige, vor allem in Grenzregionen, seine Arbeitsstätte im Inland hat und in unmittelbarer Nähe der Grenze im Ausland wohnt. Hier reicht der werktägliche Aufenthalt im Betrieb nicht aus, selbst wenn dies der überwiegende Teil der 24 Stunden ist. Diese Rspr.3 verdient Zustimmung. Würde die Anwesenheit nur zur Berufsausübung für die Begründung eines „Aufenthaltes“ i.S.v. § 9 AO ausreichen, so bliebe für die beschränkte Steuerpflicht nach dem Tätigkeitsprinzip (Rz. 2.87 nichts mehr übrig. Das Gesetz wertet die Berufsausübung im Inland von einer ausländischen Wohnung aus als einen Fall nach § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (sog. Grenzgänger). Folglich muss zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht durch einen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine über die durch die Berufsausübung bedingte Anwesenheit hinzukommen. Der Betroffene muss somit auch seine Freizeit und seine Ruhezeiten im Inland verbringen. Dazu benötigt er Räume. Wegen der Abgrenzung von § 9 AO gegenüber § 8 AO darf es sich bei den Räumen nicht um eine Wohnung (Rz. 2.21) handeln. Somit kommen vor allem Hotelzimmer oder Schlafstellen im Büro in Betracht, aber auch der Fall, dass der Steuerpflichtige keine Verfügungsmacht über die Wohnung besitzt – z.B. Übernachtung bei Bekannten.4 Insoweit wird § 9 AO zu einem Auffangtatbestand gegenüber § 8 AO. Hiergegen spricht nicht die Entscheidung des BFH v. 25.5.1988.5 Das Gericht hat darin zwar einer Schlafstelle im Büro die Anerkennung versagt; dies geschah aber deshalb, weil es nicht davon überzeugt war, dass die Schlafstelle auch tatsächlich benutzt und nicht bloß aus steuerlichen Gründen kurzfristig für die Außenprüfung eingerichtet worden war. Maßgebend war dabei, dass der Steuerpflichtige ein Einfamilienhaus in nicht großer Entfernung jenseits der Grenze besaß, er im vorgerückten Alter stand, im möblierten Raum kein Familienleben führen konnte und dass ungeklärt blieb, wie er sich mit Wäsche und Lebensmitteln versorgte. Meines Erachtens können die letztgenannten Kriterien (Führung des Familienlebens, Wäsche, Kochgelegenheit) nicht maßgebend sein. Eine solchermaßen „qualifizierte Schlafstelle“ wäre kaum noch von einer Wohnung zu unterscheiden. Vielmehr hat der BFH diese Kriterien als Indizien für eine fehlende tatsächliche Anwesenheit außerhalb der Arbeitszeit gewertet.

2.34

Es kommt grundsätzlich (Ausnahme Rz. 2.39) nur auf die physische Anwesenheit, nicht auf deren Motive an. Auch ein unfallbedingter6 Krankenhausaufenthalt oder ein Gefängnisaufenthalt7 reicht

2.35

1 RFH v. 25.11.1937 – III 120/37, RStBl. 1937, 1247 (1248); BFH v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. 2 Ebenso Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 18. 3 Z.B. BFH v. 10.8.1983 – I R 241/82, HFR 1984, 4; v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332). 4 Beim Dauercampingplatz, wenn die heimatliche Wohnung genutzt wird, FG Rh.-Pf. v. 16.3.1994 – I K 1714/93, EFG 1994, 784. 5 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944. 6 BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758 (759). 7 RFH v. 19.10.1940 – GrS D 3/40, RFHE 49, 186 (189 f.); BFH v. 14.11.1986 – IV B 97/86, BFH/NV 1987, 262 (263).

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Kap. 2 Rz. 2.36 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung aus. Auch fehlende Geschäftsfähigkeit verhindert nicht den Aufenthalt.1 Dient der Aufenthalt nur einem einzigen Zweck und erstreckt sich dieser über einen langen Zeitraum, so sieht der BFH2 darin ein Element, das als objektives Element im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Aufenthaltes zu würdigen sei und auch bei Unterbrechungen (Rz. 2.37) den Aufenthalt zu einem einheitlich Ganzen mache.

2.36 Aufgrund der in § 9 AO genannten Fristen lassen sich zwei Fallgruppen unterscheiden: Der Aufenthalt überschreitet sechs Monate oder er ist kürzer. § 9 AO spricht von einem Aufenthalt „von mehr als sechs Monaten Dauer.“ Erforderlich ist also eine zusammenhängende Zeit von wenigstens sechs Monaten und einem Tag zwischen dem ersten und letzten Aufenthaltstag. Nicht geklärt ist, ob Anreise- und Abreisetag jeweils als ganze Tage zählen. Im englischen Steuerrecht werden die Stunden gezählt.3 Wer um 14 Uhr eingereist ist, muss bei Ablauf der Frist das Land bis 13.59 Uhr verlassen. Dieser Betrachtung wird auch § 9 AO gerecht, da auch dieser „mehr als sechs Monate“ verlangt, d.h. 183 × 24 Stunden. Wegen der Fristberechnung und der unterschiedlichen Länge der Monate gibt es aber Abweichungen. Die Frist berechnet sich gem. § 108 AO i.V.m. §§ 187, 188 BGB. Fällt z.B. der erste Tag auf den 1.3., so endet die Sechs-Monats-Frist am 1.9., so dass i.S.v. § 9 AO noch der 2.9. einbezogen sein muss (186 Tage einschl. des ersten u. letzten Tags).4

2.37 Kernfrage ist dabei, wie lange und wie häufig eine Abwesenheit gegeben sein darf, um noch „kurz-

fristig“ zu sein, so dass sie den zeitlichen Zusammenhang nicht unterbricht. Es muss der Aufenthalt auch bei Unterbrechungen bei einer Gesamtwürdigung der Umstände als ein zusammenhängender angesehen werden können.5 Dabei soll es auf die objektiven Umstände ankommen,6 was aber auch nicht wirklich in Zweifelsfragen weiterhilft. Unzweifelhaft hingegen ist es, dass es nur auf die Dauer der Unterbrechung, nicht auf deren Gründe ankommt.7 Familienheimfahrten zu Wochenenden und Feiertagen, sowie urlaubsbedingte Abwesenheiten sind als kurzfristige Unterbrechungen anerkannt,8 auch wenn sie regelmäßig erfolgen. Dies ist insofern widersprüchlich, als es auf das Motiv der Abwesenheit nicht ankommen soll. Streitig ist eine zwei Wochen überschreitende Abwesenheit, etwa zu Urlaubszwecken.9 Dabei wird man auch die Dauer des Gesamtaufenthaltes berücksichtigen müssen. Hält sich z.B. der Steuerpflichtige für sieben Monate im Inland auf und begibt er sich währenddessen für drei bis vier Wochen auf Heimaturlaub, so ist der zeitliche Zusammenhang unterbrochen, und die Fiktion nach § 9 Satz 2 AO tritt nicht ein. Anders wäre es, wenn sich der Gesamtaufenthalt auf fünf Jahre erstreckt und der Steuerpflichtige regelmäßig alle vier bis fünf Monate für zwei bis drei Wochen nicht im Inland anwesend ist. Im ModeratorinnenFall10 hat der BFH einen gewöhnlichen Aufenthalt bejaht. Die in der Schweiz wohnende Person arbeitete unter der Woche bei Fernsehaufzeichnungen mit, verbrachte die Wochenenden in der Schweiz und der Aufenthalt war durch eine jeweils zweimonatige Sommerpause sowie eine Weihnachtspause unterbrochen. Keiner der einzelnen zusammenhängenden, nur von den Wochenenden 1 2 3 4 5 6 7 8

RFH v. 19.10.1940 – GrS D 3/40, RFHE 49, 186 (190 f.). BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. Mössner in FS Ritter, 1997, 207. Wenn der Februar mitzählt: z.B. 1.2.–1.8. = 182 Tage einschl. 1. und letztem Tag. Auf feste Zeiten abstellend Schwarz, § 9 AO Rz. 9; Lehner/Waldhof in K/S/M, § 1 EStG Rz. B193. So BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001. Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 5; Schwarz, § 9 AO Rz. 9; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 35. BFH v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708; v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001; Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 49; T/K, § 9 Rz. 11; Gosch in Kirchhof16, § 1 EStG Rz. 8; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 25. 9 Grenze bei 2–3 Wochen: Schwarz, § 9 AO Rz. 9; dagegen bei zweieinhalb Monaten Urlaub FG BW v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (14); vgl. auch BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001 m.w.N. 10 BFH v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001.

144 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.39 Kap. 2

unterbrochenen Aufenthalte erfüllte die 183-Tage-Voraussetzungen. Diese Entscheidung steht den in der Praxis anzutreffenden Gestaltungen entgegen, jeweils kurz vor Erreichen der 183 Tage eine längere Unterbrechung eintreten zu lassen, wenn sich dies regelmäßig über Jahre wiederholt. Dabei spielte für den BFH eine entscheidende Rolle, dass alle Aufenthalte durch einen einzigen Zweck bestimmt waren und somit „zusammengefasst“ wurden. Offen ist, ob das Gericht auch so weit gehen würde, von einem zusammenhängenden Aufenthalt auszugehen, wenn nach einem Aufenthalt von nahezu 183 Tagen eine ebenso lange Unterbrechung erfolgt und sich dies über Jahre wiederholt, wenn z.B. ein Angestellter jeweils ein halbes Jahr im Inland tätig wird, im Übrigen aber sich im Ausland befindet. Wo dann allerdings genau die Grenze zwischen den zwei Monaten und den sechs Monaten Abwesenheit festzulegen wäre, ist offen. Meines Erachtens kommt es darauf an, wie lange der jeweilige Aufenthalt ist. Er muss jeweils länger sein als die Zeit der Abwesenheit. Dann wird man argumentieren können, dass der Aufenthalt die Zeit der Abwesenheit überwiegt. Im umgekehrten Fall – längere Zeit der Abwesenheit als der Anwesenheit – wird man wohl schwerlich von einem zusammenhängenden, gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sprechen können. Der Zeitraum von sechs Monaten braucht nicht in einem Kalenderjahr zu liegen.1 Der zeitliche Zusammenhang wird nicht durch den Jahreswechsel unterbrochen (z.B. 1.10.–15.4.). Bis zum Veranlagungszeitraum 1995 waren die Folgen dieser Regelung dadurch gemildert, dass Einkünftezeitraum nur die Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht war. Es konnte daher in einem VZ zu einem Nebeneinander von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht kommen. Durch Änderung von § 2 Abs. 7 und § 32b EStG JStG 19962 und JStG 1997,3 hat die unbeschränkte Steuerpflicht eine absorbierende Wirkung. Diese geht so weit, dass die ausländischen Einkünfte außerhalb der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht im Wege des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden. Dabei werden die im Beispiel vom 1.1.–15.4. bezogenen (Welt-)Einkünfte unter Berücksichtigung der vom 16.4.–31.12. im Ausland erzielten Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes einbezogen.

2.38

Liegt danach (Rz. 2.36 f.) ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten vor, so ist zu unterscheiden:

2.39

1. Die Anwesenheit dauert länger als ein Jahr: – Es wird immer ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, gleichgültig ob der Betreffende sich privat oder geschäftlich im Inland befindet. 2. Die Anwesenheit liegt unter einem Jahr. – Für die Zeit zwischen sechs Monaten und einem Jahr kommt es ausnahmsweise (Rz. 2.35) auf das Motiv des Aufenthaltes an. Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt dann nicht vor, wenn die Anwesenheit privaten Zwecken dient. Diese 1939 durch Verwaltungserlass – ursprünglich zur Förderung des Fremdenverkehrs – eingeführte Ausnahme von der Sechs-Monats-Frist wurde 1977 in das Gesetz übernommen. Die Gesetzesbegründung spricht von „nicht geschäftlichen Zwecken“. Damit ist das BFH-Urt. v. 23.7.19714 nicht vereinbar,5 das einen unfallbedingten Krankenhausaufenthalt von knapp neun Monaten Dauer als gewöhnlichen Aufenthalt eingestuft hat. Es ist durch die gesetzliche Neufassung überholt. Auch Gefängnisaufenthalte sind nicht geschäftlich. Dies gilt auch, wenn sich der Unfall auf einer Geschäftsreise ereignet oder wenn die Verurteilung wegen eines mit geschäftlicher Tätigkeit verbundenen Deliktes erfolgt. 1 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452 (453); FG Nürnberg v. 19.3.1975 – V 154/73, EFG 1975, 455 (456); Deppe, StuW 1982, 332 (334); Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 44. 2 BGBl. I 1995, 1250 ff., 1959 ff.; vgl. auch BStBl. I 1995, 438 ff. 3 BGBl. I 1996, 2049 (2063). 4 BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758. 5 So auch Schwarz, § 9 AO Rz. 13; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 41.

Lampert | 145

Kap. 2 Rz. 2.40 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.40 Wird die Sechs-Monats-Frist nicht erreicht, weil entweder der Aufenthalt insgesamt kürzer oder

die Unterbrechung eines längeren Aufenthaltes nicht kurzfristig (Rz. 2.37) ist, so kann es dennoch nach § 9 Satz 1 AO zu einem gewöhnlichen Aufenthalt kommen, wenn es sich nicht nur um ein vorübergehendes Verweilen handelt.1 Damit unterscheidet das Gesetz den gewöhnlichen Aufenthalt vom vorübergehenden. Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber sich nicht für klarere Zeitgrenzen entschieden hat. So muss die Auslegung die Begriffe „gewöhnlich“ (= dauernd), „vorübergehend“ und „kurzfristig“ voneinander abgrenzen. Der BFH versteht dabei in semantisch problematischer Weise den „gewöhnlichen Aufenthalt“ nicht i.S. eines dauernd „ständigen“, sondern i.S. eines „nicht vorübergehenden“.2 Obgleich § 9 Satz 1 AO eine eigenständige Bedeutung neben § 9 Satz 2 AO besitzt,3 dürfte ein von vornherein kürzer als sechs Monate geplanter Aufenthalt ein vorübergehender sein. Es ist nicht erkennbar, was z.B. einen viermonatigen Inlandsaufenthalt zu einem gewöhnlichen machen könnte, wenn diese Zeit nicht zur Wohnsitzbegründung ausreicht (Rz. 2.28 f.). Somit kommt es nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn bei einem einmaligen Aufenthalt von vornherein geplant war, dass zwischen dem ersten und letzten Tag weniger als sechs Monate liegen.4 § 9 Satz 1 AO kommt folglich in zwei Fällen zum Zuge: 1. Der Aufenthalt war für über sechs Monate geplant, er wurde aber z.B. nach fünf Monaten aufgrund nicht vorhergesehener Umstände abgebrochen.5 2. Der Aufenthalt erstreckte sich über sechs Monate, er wurde aber von nicht kurzfristigen Abwesenheiten unterbrochen. Entscheidend sind die Gesamtumstände. Hält sich die Person zunächst fünf Monate im Inland auf, kehrt für drei Monate in ihre Heimat zurück und bleibt anschließend für zwölf Monate im Inland, so beginnt der gewöhnliche Aufenthalt bereits mit dem ersten Aufenthalt.6 Voraussetzung ist aber, dass der spätere den ersten Aufenthalt fortsetzt, indem er etwa aus gleichen Motiven erfolgt. Allerdings reichen mehrere kurzfristige Aufenthalte, die durch längere Phasen unterbrochen werden, nicht aus.7 Die vom BFH8 aufgestellte Gesamtgrenze eines Jahres für mehrere unverbundene kurzfristige Aufenthalte findet keine Stütze im Gesetz. Die Anwendung kann im Einzelfall sehr problematisch sein. Wären z.B. folgende Fälle unterschiedlich zu beurteilen? Fall 1: 4 Monate im Inland, 3 Monate im Ausland, 4 Monate im Inland. Fall 2: 3 Monate im Inland, 1 Monat Ausland, 1 Monat Inland, 1 Monat Ausland, 2 Monate im Inland, 1 Monat Ausland, 2 Monate Inland. Spielt es dabei eine Rolle, ob die jeweilige Rückkehr ins Inland geplant war oder zufällig erfolgte? Wie man sieht, besteht Unsicherheit im Einzelfall, die der Unternehmer bzw. sein Arbeitnehmer durch entsprechende Gestaltung von vornherein vermeiden sollte. Meines Erachtens sind beide Fälle gleich zu behandeln: Es wird ein gewöhnlicher Aufenthalt i.S.v. § 9 Satz 1 AO begründet, wenn die Zwecke der Aufenthalte im Wesentlichen gleich waren.

2.41 Der Aufenthalt im Inland ist nicht an einen räumlichen Mittelpunkt gebunden. Der Geschäfts-

mann, der zur Anknüpfung geschäftlicher Kontakte für acht Monate durch das Inland reist, hat hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt.9 Die Gegenansicht10 stützt sich darauf, dass nach § 9 Satz 1 AO das Verweilen an einem „Ort“ oder in einem „Gebiet“ erforderlich ist. Das gesamte Bundesgebiet könne nicht „Gebiet“ i.d.S. sein. Nur ein bestimmtes Gebiet innerhalb des Bundesgebietes komme in Betracht. Diese Auffassung trifft für die innerstaatliche Bedeutung von § 9 AO, etwa für

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21: Frist nicht konstitutiv. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). FG Rh.-Pf. v. 10.4.1975 – III 16/75, EFG 1975, 446. So auch BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956 (957). FG Rh.-Pf. v. 10.4.1975 – III 16/75, EFG 1975, 446. BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118 (119); FG BW v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13. FG Nürnberg v. 27.4.1978 – III 164/77, EFG 1978, 548 (549). BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452 (453). Ebenso Schwarz, § 9 AO Rz. 4; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 5. So früher Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 2.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.44 Kap. 2

§ 19 AO, zu. Hier entscheidet das Gebiet eines Finanzamtsbezirks.1 Für die unbeschränkte Steuerpflicht ist jedoch das Inland das entscheidende Gebiet (Rz. 2.16). Eine andere Auslegung würde zu dem widersinnigen Ergebnis gelangen, dass keine unbeschränkte Steuerpflicht besteht, wenn der Aufenthalt im einzelnen FA-Bezirk vorübergehend (Rz. 2.39), im ganzen Bundesgebiet aber dauernd ist. Begründet wird der gewöhnliche Aufenthalt mit dem ersten Tag der physischen Anwesenheit im Inland, sofern dann schon Umstände erkennbar sind, dass die Anwesenheit nicht nur vorübergehend sein wird, z.B., wenn ein Hotelzimmer für einen Zeitraum von sieben Monaten angemietet wird. War der Aufenthalt zunächst nur als vorübergehend geplant2 und treten erst während des Aufenthaltes Umstände ein, die ihn zu einem dauernden machen, so beginnt auch erst beim Hinzutreten dieser Umstände der gewöhnliche Aufenthalt i.S.v. § 9 Satz 1 AO und damit auch die unbeschränkte Steuerpflicht.

2.42

Vorher handelt es sich höchstens um eine beschränkte Steuerpflicht. Der Aufenthalt nach § 9 Satz 2 AO wird durch Ablauf von sechs Monaten begründet, wirkt dann aber kraft ausdrücklicher Regelung auf den ersten Tag zurück. Beendet wird der gewöhnliche Aufenthalt durch Wegfall seiner Voraussetzungen. Das ist nur denkbar, wenn die physische Anwesenheit aufgegeben wird. Der sich daran anschließende Auslandsaufenthalt darf nicht nur kurzfristig sein – im Falle des § 9 Satz 2 AO – oder es müsste – im Fall des § 9 Satz 1 AO – der Inlandsaufenthalt als abgeschlossen erscheinen. Der BFH3 hat die (widerlegbare) Vermutung aufgestellt, dass eine Aufgabe erfolgt, wenn sich der Steuerpflichtige länger als sechs Monate im Ausland aufhält. Anderes soll gelten, wenn die Absicht, ins Inland zurückzukehren, nicht aufgegeben wird. Die allgemeine4 These, ein Steuerpflichtiger könne nur einen gewöhnlichen Aufenthalt besitzen, ist angesichts der komplizierten Regelung von § 9 AO nur eingeschränkt richtig. Wie dargelegt (Rz. 2.40, 2.42) kann auch bei längerfristiger Unterbrechung im Inland der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 Satz 1 AO) fortbestehen. Während dieser Zeit kann es aber im Ausland zu einem nach dortigem Recht begründeten gewöhnlichen Aufenthalt kommen. Da die Regelungen in den einzelnen Staaten hinsichtlich des dem gewöhnlichen Aufenthalt entsprechenden Anknüpfungskriteriums unterschiedlich sind, ist es denkbar, das nach deutschem Recht der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland fortbesteht, das Ausland aber ebenfalls ein vergleichbares Kriterium als erfüllt ansieht. Zutreffend ist allerdings, dass es nach deutschem Steuerrecht nicht zwei gewöhnliche Aufenthalte geben kann. Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an; denn bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 9 AO ist es gleichgültig, ob die betreffende Person auch im Ausland aufgrund einer dem gewöhnlichen Aufenthalt vergleichbaren Regelung ansässig ist. Liegen die Voraussetzungen von § 8 AO und § 9 AO vor, so genießt § 8 AO Vorrang.5

2.43

5. Ansässigkeit im DBA-Recht Die DBA enthalten im Allgemeinen auch Regelungen über die Ansässigkeit.6 Trotz des ähnlichen Begriffs bestehen Unterschiede in der Funktion, teilweise auch in den Kriterien im Verhältnis zu den nationalen Regeln. Seiner Funktion nach regelt der Begriff „Ansässigkeit“ im DBA-Recht zweierlei: 1 Ebenso differenzierend Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 27. 2 Deshalb könne die Absicht des Steuerpflichtigen nicht unberücksichtigt bleiben, BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118 (119). 3 BFH v. 27.7.1962 – VI 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430). 4 So BFH v. 27.7.1962 – IV 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430); v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. 1966, 522 (523); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 27.4.2005 – I R 112/04, BFH/NV 2005, 1756; v. 22.6.2011 – I R 26/10, BFH/NV 2011, 2001; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.25; Kruse in T/K, § 9 AO Rz. 1; Schwarz, § 9 AO Rz. 2. 5 Schwarz, § 9 AO Rz. 2. 6 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 2.

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2.44

Kap. 2 Rz. 2.45 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung 1. Er bestimmt, auf wen das Abkommen überhaupt anwendbar ist (sog. Abkommensberechtigung)1 – Art. 1 OECD-MA: „Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.“ 2. Es ergibt sich aus ihm, welcher Staat i.S.d. DBA als Ansässigkeitsstaat und welcher als Quellenstaat zu gelten hat, da die operativen Normen (Art. 6–21 OECD-MA) auf dieser Unterscheidung aufbauen. Er dient somit als Verteilungsregel.

2.45 Sachlich nimmt der Begriff der DBA-Ansässigkeit auf die persönlichen Anknüpfungsmerkmale

(2.3) der nationalen Steuerrechte Bezug (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA), so dass aus deutscher Sicht sowohl der Wohnsitz als auch der gewöhnliche Aufenthalt zur DBA-Ansässigkeit führen. Oder anders gewendet: Alle Personen, die nach deutschem Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig sind, sind i.S. der DBA2 in Deutschland ansässig.

2.46 Wegen der unterschiedlichen, nicht aufeinander abgestimmten nationalen Kriterien für die unbe-

schränkte Steuerpflicht kann es zu einer doppelten unbeschränkten Steuerpflicht und damit i.S. des Abkommens zur „Doppelansässigkeit“ in jedem Vertragsstaat kommen. Ältere Abkommen ließen diesen Fall ungeregelt. Ein DBA wird seiner Aufgabe der Konfliktlösung aber nur gerecht, wenn es i.S. seiner Regelungen vorab die Zuordnung des Steuerpflichtigen zu einem Staat als Wohnsitzstaat vornimmt. Deshalb sehen die Abkommen heute ein stufenweises Vorgehen vor, bei dem die einzelnen Elemente jeweils einem Staat Vorrang gewähren (tie-breaker-rules). Danach entscheidet primär der Wohnsitz. Hat die betreffende Person nur in einem Staat einen Wohnsitz, so ist sie in diesem Staat ansässig. Verfügt sie in beiden Staaten über einen Wohnsitz, so gilt sie in dem Staat als ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Das OECD-MA spricht hier vom Mittelpunkt der Lebensinteressen. Kann schlüssig ein solcher Mittelpunkt nicht bestimmt werden und verfügt die Person über keinen Wohnsitz in einem der beiden Staaten, so entscheidet der gewöhnliche Aufenthalt. Führt auch dieses Kriterium nicht zur Entscheidung, weil der gewöhnliche Aufenthalt in beiden oder keinem Staat besteht, so kommt es auf die Staatsangehörigkeit an. Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Staaten oder keine von ihnen, so fehlen alle Kriterien, die die Waagschale sich zugunsten eines Staates neigen lassen könnten. Beide Staaten sind in diesem Falle objektiv völlig gleichrangig in ihrer Beziehung zur Person, so dass sie sich gemeinsam darüber einigen müssen, welcher von ihnen als Staat der Ansässigkeit zu gelten hat.

2.47 Die Ansässigkeitsregelung in einem DBA ändert nichts an der unbeschränkten Steuerpflicht nach nationalem Steuerrecht; denn für jeden Staat bleiben seine Anknüpfungskriterien weiter maßgebend. Die Abgrenzung beschränkt sich auf das DBA selbst, indem der Ansässigkeitsstaat i.S.d. Abkommens als Wohnsitzstaat und der andere als Quellenstaat behandelt werden. Somit kann es dazu kommen, dass ein „Nicht-Ansässiger“ i.S.d. betreffenden DBA gleichwohl im Quellenstaat als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt wird.

Beispiel: X mit Wohnsitz in den Staaten A und B ist Staatsangehöriger von B und bezieht Dividenden aus A und B. Beide Staaten besteuern X als unbeschränkt Steuerpflichtigen mit seinen Erträgen auch aus dem anderen Staat. Im Sinne des DBA ist X in B ansässig. Art. 10 OECD-MA findet Anwendung auf die aus A stammenden Dividenden bei der Besteuerung durch B.3 A ist hinsichtlich der aus B stammenden Dividenden nicht Ansässigkeitsstaat, weil X in B ansässig ist. Er ist nicht Quellenstaat, weil die Dividenden aus B stammen. Das Besteuerungsrecht von A aus der unbeschränkten Steuerpflicht wird aufgehoben.

2.48 Wird die Besteuerungskompetenz des Quellenstaates im DBA ganz aufgehoben, so ist die Lage problemlos. Schwierig wird es, wenn dem Quellenstaat ein eingeschränktes Besteuerungsrecht verbleibt. In diesen Fällen erfolgt die Besteuerung im Quellenstaat nach den Regeln der unbe1 Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 3. 2 Ausnahmen vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 23 ff. 3 Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 14; Debatin, AWD 1966, 313 (315).

148 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.50 Kap. 2

schränkten Steuerpflicht.1 Im Ergebnis mag die Besteuerung des an sich unbeschränkt Steuerpflichtigen derjenigen der beschränkt Steuerpflichtigen gleichkommen, doch ist es eine unbeschränkte Steuerpflicht mit allen Folgen, z.B. bei der Berücksichtigung persönlicher Lasten wie Sonderausgaben oder beim Splitting.

III. Körperschaften 1. Allgemeines Bei Körperschaften i.S. des § 1 Abs. 1 KStG wird in Deutschland die persönliche (Rz. 2.3), steuerliche Inlandsbeziehung durch den Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland hergestellt. Generell kommen für die Zuordnung juristischer Personen zu einem Staat vier Kriterien in Betracht:

2.49

– Gründungsstatut, d.h. Zuordnung zur Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft errichtet ist; im Allgemeinen, wo sie in ein öffentliches Register eingetragen ist; – Verwaltungssitz, d.h. Zuordnung zum Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit, zu dem Ort also, wo die wesentlichen Geschäftsentscheidungen fallen; – Satzungssitz, d.h. Zuordnung zu dem durch Satzung bestimmten Ort; – Kontrolltheorie, d.h. Zuordnung nach der Staatsangehörigkeit bzw. wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Mehrheit der Gesellschafter. International-privatrechtlich stehen sich bei der Anerkennung juristischer Personen die Gründungs- und die Sitztheorie gegenüber.2 Nach der Gründungstheorie, vor allem im anglo-amerikanischen Rechtskreis3 verbreitet, kommt es für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft darauf an, dass sie nach dem Recht eines Staates wirksam gegründet wurde und nach dem Recht dieses Staates fortbesteht. Unerheblich ist dann, wo sich ihr Verwaltungssitz befindet: Die im Staate A gegründete Gesellschaft verliert ihre Rechtsfähigkeit nicht, wenn sie ihren Sitz in den Staat B verlegt. Hintergrund ist, dass ein Staat die Hoheitsakte eines anderen Staates, die dieser in ordnungsgemäßer Ausübung der Souveränität setzt, anerkennen soll (sog. international comity). Die im US-Staat Delaware gegründete Corporation bleibt dies nach amerikanischem Recht auch, wenn sie ihre Geschäftsleitung nach Deutschland verlegt.4 Die Folge dieser Theorie ist, dass strengere Vorschriften des Staates B dadurch umgangen werden können, dass die Gesellschaft unter dem großzügigeren Recht von A gegründet wird. Hier setzt die Sitztheorie an.5 Nach ihr muss die Gesellschaft im Staate ihres Verwaltungssitzes zugleich gegründet sein. Liegen Gründung und Verwaltungssitz in verschiedenen Staaten, so verliert sie ihre Rechtsfähigkeit. Sie ist dann aus Sicht des Sitzstaates eine Quasi-OHG bzw. im Fall einer Ein-Mann-Gesellschaft ein Einzelunternehmen.6 Etwas anderes gilt, wenn sich der Sitzstaat durch Staatsvertrag7 verpflichtet haben sollte, die Rechtsfähigkeit unter Abkehr von der Sitztheorie anzuerkennen.8 Der Nachteil der Sitztheorie besteht darin, dass die internationale Mobilität von Gesellschaften behindert wird, wenn die Verlagerung des Ortes der zentralen Entscheidungen zur Liquidation der Gesellschaft führt. 1 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 2 Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR Rz. 18 ff.; Thorn in Palandt77, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rz. 1; Kindler in MünchKomm BGB6, IntGesR Rz. 1 ff. 3 Aber auch in den Niederlanden sowie in Rumänien, Bulgarien, Tschechien u.a.; vgl. Kindler in MünchKomm BGB6, IntGesR Rz. 509. 4 Vgl. BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043. 5 Vgl. Wilke, IWB 2005, 787; Wilke, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 1891; Kindler in MünchKomm BGB6, IntGesR Rz. 510. 6 Vgl. BGH v. 30.3.2000 – VII R 320/98, EuZW 2000, 412 m.w.N. 7 Z.B. mit den USA im Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsabkommen v. 29.10.1954, BGBl. II 1954, 487. 8 Ebenroth/Bippus, DB 1988, 842 (843).

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2.50

Kap. 2 Rz. 2.51 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.51 Die deutschen Gerichte sind traditionell der Sitztheorie gefolgt.1 Die Folge war, dass eine auslän-

dische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegte (Zuzugsfall), als Personengesellschaft galt und somit ihre Rechtsfähigkeit sowie die Haftungsbegrenzung verlor. Dadurch wird die Ausübung der Niederlassungsfreiheit im gemeinsamen Markt behindert. Der EuGH2 hat folglich in Zuzugsfällen, bei denen der Verwaltungssitz aus dem Gründungsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat verlegt wird, die Sitztheorie beanstandet. Danach darf in einem EU-Mitgliedstaat einer in einem anderen Mitgliedstaat errichteten, mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gesellschaft nicht die Geltendmachung der sich aus ihrer Rechtsfähigkeit ergebenden Rechte versagt werden. Der BGH3 hat dem folgend die Rechtsfähigkeit einer in einem anderen EU-Staat Kapitalgesellschaft im Inland „geachtet“, solange diese im Ausland besteht. Manche4 haben bereits das Ende der Sitztheorie gesehen, zumal 2008 ein Gesetzentwurf5 mit dieser Tendenz auf den Weg gebracht wurde. Dieser ist aber nicht Gesetz geworden. In der sog. TrabrennbahnEntscheidung hat jedoch der BGH6 die Sitztheorie weiterhin im Verhältnis zur Schweiz angewandt und entschieden, dass eine in der Schweiz gegründete AG mit Verwaltungssitz in Deutschland in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln sei (zur steuerlichen Behandlung in diesen Fällen siehe Rz. 2.57). Damit gilt die Sitztheorie weiterhin im Verhältnis zu Drittstaaten. Einen Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft und insoweit eine Missachtung der Rechtspersönlichkeit lässt der EuGH7 dann zu, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft eine rein künstliche Gestaltung ohne wirtschaftlichen Hintergrund darstellt.

2.52 Aus der Sicht des Wegzugstaats sieht die Rechtslage anders aus. Wie der EuGH8 zu Recht ent-

schieden hat, hängt der Fortbestand der Rechtspersönlichkeit einer wegziehenden Körperschaft vom Recht des Gründungsstaates ab. Folgt dieser der Sitztheorie oder macht er den Wegzug von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig, so kann er der wegziehenden Gesellschaft die Rechtsfähigkeit entziehen. Dies führt dann zu ihrer Liquidation, so dass ein identitätswahrender Wegzug nicht möglich ist. Deutschland ermöglicht seit dem MoMiG9 durch § 5 AktG und § 4a GmbHG die Verlegung des Verwaltungssitzes, nicht des Satzungssitzes, einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Wahrung ihrer gesellschaftsrechtlichen Identität. Für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht reicht es aus, wenn sich der Sitz (§ 11 AO) im Inland befindet (Rz. 2.63). Bei Bestehen eines DBA kann allerdings die Verlegung der Geschäftsleitung dazu führen, dass die Ansässigkeit i.S.d. Abkommens grenzüberschreitend verlegt wird. Dies wiederum kann zu einer Einschränkung deutscher Besteuerungsrechte und somit zur Entstrickung führen.10 2. Begriff der Körperschaft

2.53 § 1 KStG11 enthält ebenso wie § 1 EStG eine dreifache Aussage. 1. Steuersubjekt der Körperschaftsteuer sind die aufgeführten Rechtsgebilde. 1 BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 183; v. 27.10.08 – II ZR 158/06, BGHZ 178, 192; vgl. Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR Rz. 38. 2 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512. 3 BGH v. 29.1.2003 – VII ZR 155/02, BGHZE 153, 353; v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185; v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, DB 2004, 1984. 4 Z.B. Kußmaul/Richter/Ruiner, DB 2008, 451. 5 Referentenentwurf des BMJ v. 7.1.2008 zum Internationalen Gesellschaftsrecht, Dok. DB0269624. 6 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 15/06, BGHZ 178, 192 = DB 2008, 2825. 7 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544. 8 EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, ECLI:EU:C:1988:456; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723. 9 BGBl. I 2008, 2026. 10 Vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 12 KStG Rz. 186 f. 11 Ergänzt werden die Regelungen durch § 2 Nr. 1 KStG.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.55 Kap. 2

2. Kriterien der unbeschränkten Steuerpflicht sind der Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland. 3. Für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gilt das Welteinkommensprinzip. Als Körperschaftsteuersubjekte kommen die in § 1 KStG für die unbeschränkte und gem. § 2 Nr. 1 KStG für die beschränkte Steuerpflicht aufgezählten Rechtsgebilde in Betracht. Die Umschreibung des Steuersubjekts für die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht erfolgt unterschiedlich. § 1 Abs. 1 Nr. 1–6 KStG zählt abschließend1 („folgende“) die Körperschaftsteuersubjekte auf, die der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Früher verstand man2 die genannten Gesellschaftsformen als solche des deutschen Rechts. Der Gesetzgeber ging idealtypisch davon aus, dass Körperschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland der Sitztheorie entsprechend nach deutschem Recht errichtet worden sind. Er verwendet daher die Begriffe des deutschen Privatrechts, so dass allein die Rechtsform der unter deutschem Recht gegründeten Gesellschaften für die Bestimmung, Subjekt der Körperschaftsteuer zu sein, maßgebend sei.3 Dies führte zu Problemen bei der Einordnung ausländischer Kapitalgesellschaften. Mit der Gesetzesänderung4 wurde nicht nur die Europäische Gesellschaft eingefügt, sondern es wurden auch mit dem Wort „insbesondere“ im Klammerzusatz zur Erläuterung von „Kapitalgesellschaften“ auch andere, d.h. nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften aufgenommen. Damit entbehrt die unterschiedliche Art der Definition des Körperschaftsteuersubjekts in § 1 und § 2 KStG der Rechtfertigung. Auch unter dem früheren Recht entsprachen sich die Formen der Subjekte. Es war nicht denkbar, dass ein Gebilde ausländischen Rechts Subjekt der beschränkten Steuerpflicht, aber nicht der unbeschränkten Steuerpflicht hätte sein können. Bei nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaften, kurz: ausländische Kapitalgesellschaften, ist durch die Gesetzesänderung 2006 geklärt, dass diese gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der Körperschaftsteuer unterliegen.5 Mit der Einschränkung der Sitztheorie innerhalb der EU (Rz. 2.50) bleibt die Rechtsfähigkeit bestehen, wenn eine im EU-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt. Dadurch wird steuerlich i.d.R. der Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt und die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht begründet.6

2.54

Die deutsche Rspr. hat seit jeher7 den sog. Typenvergleich (Rz. 2.58) angewendet. Dieser hat zwei Aspekte:

2.55

1. Das deutsche Körperschaftsteuerrecht stellt auf die zivilrechtliche Form zur Bestimmung der Steuersubjekte ab. Verwendet § 1 KStG bspw. den Begriff „Aktiengesellschaft“, so ist damit bei einer nach deutschem Recht gegründeten AG eindeutig, dass es sich um eine AG handelt. Bei einer im Ausland gegründeten Gesellschaft ist jedoch angesichts vieler unterschiedlicher Formen keineswegs klar, ob es sich um eine AG handelt nur, weil der ausländische Begriff im Allgemeinen entsprechend übersetzt wird, ohne dass die ausländische Gesellschaft auch tatsächlich einer inländischen ähneln muss. Aufgabe des Typenvergleichs ist es zu bestimmen, ob das ausländische Rechtsgebilde eine AG i.S.v. § 1 KStG ist, was nur durch einen Vergleich der Strukturmerkmale der ausländischen Gesellschaft mit einer entsprechenden deutschen Gesellschaft erfolgen kann. 1 Rengers in Blümich, § 1 KStG Rz. 1; BFH v. 2.12.1970 – I R 122/68, BStBl. II 1971, 187 (188); v. 25.6. 1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 2 Wassermeyer, DB 1990, 244 mit Hinweis auf BFH v. 29.10.1986 – I R 202/82, BStBl. II 1987, 308 und v. 29.10.1986 – I R 318-319/83, BStBl. II 1987, 310. 3 Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 18; Wilke in Mössner/Seeger, § 1 KStG Rz. 8, st. Rspr. 4 Gesetz v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 5 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 108. 6 Anders noch BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972: § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. 7 Grundlegend RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 = RFHE 27, 72 (78) – Venezuela; st. Rspr. z.B. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2009 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; vgl. auch Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 69 ff.; Frotscher in Frotscher/Maas, § 1 KStG Rz. 55; Martini, IStR 2012, 441.

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Kap. 2 Rz. 2.56 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung 2. Ergibt der Typenvergleich eine Vergleichbarkeit mit einer deutschen Rechtsform, die zu den Körperschaftsteuersubjekten gehört, so kommt es nicht darauf an, wie das ausländische Steuerrecht das Gebilde qualifiziert. Eine nach deutschen Rechtsvorstellungen als Kapitalgesellschaft anzusehende Gesellschaft ist auch dann Körperschaftsteuersubjekt, wenn sie im Ausland als Personengesellschaft besteuert wird, wie umgekehrt eine nach deutschen Grundsätzen als Personengesellschaft zu behandelnde Gesellschaft dem Transparenzprinzip unterliegt, auch wenn sie im Ausland der Körperschaftsteuer unterworfen ist. Dies führt dann zu den sog. Qualifikationskonflikten (Rz. 1.247 ff.). Der Typenvergleich ist somit weder entbehrlich,1 noch verstößt er gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.2 Gleichwohl bleibt die Tatsache, dass hybride Gesellschaftsformen unterschiedlich danach qualifiziert werden, ob es sich um inländische oder ausländische Gesellschaften handelt. Die inländischen Gesellschaften werden ausschließlich anhand ihrer Rechtsform beurteilt, auch wenn sie wesentliche Elemente einer anderen Form enthalten.3

2.56 Dementsprechend ist der Typenvergleich auch hinsichtlich der übrigen in § 1 Abs. 1 Nr. 2–6 KStG

aufgeführten Rechtsformen anzuwenden, indem man eine ausländische Rechtsform mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 2–6 KStG genannten Formen daraufhin prüft, ob sie deren wesentliche Strukturmerkmale aufweisen.4 Somit unterliegt ein Betrieb gewerblicher Art eines ausländischen, öffentlichen Rechtssubjekts der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht.

2.57 Ob eine ausländische Gesellschaft Körperschaftsteuersubjekt ist, entscheidet sich somit ausschließlich autonom nach Wertungen des deutschen Steuerrechts. Behandelt das deutsche Steuerrecht eine ausländische Gesellschaft als Körperschaft, so hat dies wichtige Rechtsfolgen:

– Bei Körperschaften und somit auch bei Kapitalgesellschaften gilt das Trennungsprinzip, wonach strikt zwischen den Sphären der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter unterschieden wird. International folgt daraus, dass der Gewinn der Gesellschaft nur in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert wird. Beim Gesellschafter erfolgt eine Besteuerung als Dividende, wenn und soweit der Gewinn an ihn ausgeschüttet wird (Abschirm- und Aufschubwirkung). Anders bei einer Personengesellschaft: Der Gewinn wird unmittelbar beim Gesellschafter steuerlich erfasst und die „Ausschüttung“ führt nicht zu einer weiteren Besteuerung (Transparenzprinzip). – Daraus folgt, dass unterschiedliche Regelungen der DBA zur Anwendung kommen. Bei Kapitalgesellschaften finden die Vorschriften über die Dividendenbesteuerung, bei Personengesellschaften jene über die Unternehmensbesteuerung Anwendung. – Inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) der ausländischen Gesellschaft unterliegen der beschränkten Körperschaftsteuer. Bei einer Personengesellschaft wird die Besteuerung der Gesellschafter maßgebend. – Besitzt die ausländische Gesellschaft ihre Geschäftsleitung in Deutschland, so unterliegt sie der unbeschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.53 f.). Bei Personengesellschaften begründet diese lediglich eine Betriebsstätte (§ 12 Satz 2 AO).

2.58 Der Typenvergleich ist anhand derjenigen Strukturmerkmale der ausländischen Gesellschaft

durchzuführen, die sich aus der Satzung und dem ausländischen Gesellschaftsrecht ergeben. Da jedoch deutsches Gesellschaftsrecht weitgehend disponibles Recht ist und es in der Praxis häufig zu Mischformen – z.B. GmbH & Co. KG – kommt, liegen die Merkmale auch im deutschen Recht nicht eindeutig fest.5 Folgende Kriterien kommen in Betracht. 1 So aber Wachter, FR 2006, 361; Körner, IStR 2004, 215; Knapp, DNotZ 2003, 88; Deininger, IStR 2003, 215; Engert, DStR 2004, 664; Göttsche, DStR 1999, 1406; Dautzenberg, StuB 2003, 405. 2 So zutreffend Stewen, FR 2007, 1047; vgl. auch Haase, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1133 u. 1385. 3 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1964, 751. 4 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 (696). 5 Krit. auch Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, 44 f.

152 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.59 Kap. 2

1. Im Außenverhältnis zu Dritten: – Rechtsfähigkeit (vgl. Rz. 2.53), – Haftung für Schulden, – Übertragbarkeit der Anteile, – Abhängigkeit des Bestandes vom Mitgliederwechsel, – Kapitalaufbringung. 2. Im Verhältnis der Gesellschafter untereinander: – Geschäftsführung, – Vertretung, – Mitwirkung, – Gewinnverteilung, Gewinnzurechnung (Rz. 2.59), – Teilnahme am Verlust, – Beteiligung an stillen Reserven. In der Praxis begegnete man vor allem der englischen Limited, die als Gestaltungsmittel empfohlen wurde. Bei ihr war unstreitig,1 dass sie in ihrer Struktur einer deutschen GmbH entspricht.2 Probleme bereitet der Vergleich bei einer Mischung der einzelnen Merkmale bei hybriden Gesellschaftsformen. Als solche treten vor allem die in den 1990er Jahren3 in den USA entstandenen Limited Liability Partnership (LLP) und Limited Liability Company (LLC) in Erscheinung. Sie weisen wesentliche Strukturmerkmale einer Personengesellschaft auf, vor allem was das Verhältnis der Partner zueinander und die Vertretung angeht, nach außen allerdings ist die Haftung der Gesellschafter begrenzt. Dies reicht aber ebenso wenig aus, um aus ihr generell eine Kapitalgesellschaft4 zu machen, wie deren Option nach US-Steuerrecht (check the box)5 für eine Behandlung als Kapitalgesellschaft. Entscheidend kommt es auf eine Würdigung aller Umstände im Einzelfall an.6 Das Urt. des BFH v. 31.7.19917 zur früher existierenden Rechtsform der EPE (= griechische GmbH) ist nicht verallgemeinerungsfähig. Es ging um die Frage, ob die EPE eine in Griechenland ansässige Person i.S.v. Art. II Abs. 1 Nr. 4 Rz. 21a DBA-Griechenland darstellt. Das DBA versteht darunter nur solche Gebilde, die im Staat ihrer Ansässigkeit persönlich steuerpflichtig sind. Die EPE wies aber die Besonderheit auf, dass nach griechischem Steuerrecht der von ihr erzielte Ertrag unmittelbar auf die Gesellschafter aufzuteilen und von diesen zu versteuern war. Somit war die persönliche Steuerpflicht nicht gegeben. Meines Erachtens kann diesem Urteil nur et1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Anh. (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354); Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 78; zu ihrer Besteuerung siehe auch FG Nds. v. 30.4.2010 – 6 K 276/05, BeckRS 2011, 94939. 2 Zu deren Steuerproblemen vgl. Kessler/Eicker, DStR 2005, 2102. 3 Zuerst in Texas, vgl. Schnittker/Lemaitre, FR 2003, 485 (486) m.w.N. 4 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; FG Münster v. 27.8.2009 – 8 K 4552/04F, DStRE 2011, 473 behandeln sie als Personengesellschaft. Ebenso BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA 22/04, BStBl. I 2004, 411; vgl. hierzu Jörißen, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1109; Lemaitre/Schnittker/ Siegel, GmbHR 2004, 618; Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, 2004, 39; jeweils mit ausführlichen Nachweisen für Qualifizierung als Personengesellschaft, Hey/Friedrich in FS Debatin, 121; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, 485 (497). 5 Hierzu vgl. z.B. Endres/Schreiber, DBA USA, 2008, 66 f.; Small, IStR 1996, 280. 6 Ebenso Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 79. 7 BFH v. 27.7.1991 – I R 60/90, BFHE 165, 507.

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2.59

Kap. 2 Rz. 2.60 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung was für die Abkommensberechtigung entnommen werden. Ob für den Typenvergleich aus ihm folgt, dass immer dann eine Personengesellschaft gegeben ist, wenn die Zurechnung des wirtschaftlichen Ergebnisses unmittelbar zu den Gesellschaftern zivilrechtlich vorgenommen wird, obwohl im Übrigen die Struktur einer Kapitalgesellschaft vorliegt,1 erscheint fraglich.

2.60 Welche ausländischen Rechtsformen unter Anlegung dieser Maßstäbe als Kapitalgesellschaft anzusehen sind, stellt die Finanzverwaltung von Zeit zu Zeit in Listen zusammen.2 Diese können als Anhaltspunkte für die Praxis dienen, binden aber die Gerichte nicht.

2.61 Die Rechtsfähigkeit ist nicht notwendige Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjekteigen-

schaft, da auch nichtrechtsfähige Gebilde deutschen Rechts der Körperschaftsteuer unterliegen können (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 KStG). Daher kann nicht verlangt werden, dass ausländische Rechtsgebilde nach ihrem Heimatrecht rechtsfähig sind, um im Inland steuerlich als Körperschaft behandelt zu werden.3

2.62 Von der vorstehend behandelten Problematik ist die ganz andere zu unterscheiden, für die der

RFH den Typenvergleich ursprünglich entwickelt hatte,4 nämlich die Frage, ob ausländische Personengesellschaften körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn sie ihrem Heimatrecht entsprechend die volle Rechtsfähigkeit einer juristischen Person verliehen erhalten. Dies hat der RFH mit der These vom Typenvergleich verneint. Trotz Rechtssubjektivität einer KG in Venezuela hat der RFH daher diese Gesellschaft wie eine deutsche KG als Personengesellschaft behandelt (vgl. zu den Qualifikationskonflikten Rz. 1.247 ff.). 3. Sitz

2.63 § 11 AO definiert den Sitz wie folgt: „Den Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.“ Gemeint ist folglich der statutarische Sitz (Rz. 2.49), der nicht durch faktische oder wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern aufgrund rechtlicher Bestimmungen gegeben ist.5 Heißt es z.B. in der Satzung einer AG: „Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Hamburg“, dann ist die AG allein deswegen schon unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, auch wenn sie sonst keine Beziehung zum Inland aufweist.6

2.64 Inländischer Sitz und damit unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht wird ferner („oder derglei-

chen“) durch die Eintragung der Körperschaft in ein inländisches Handels- oder Vereinsregister begründet, sofern die Eintragung konstitutiv wirkt. Nicht dagegen wird eine ausländische Kapitalgesellschaft dadurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, dass sie selbst bei Errichtung einer inländischen Zweigniederlassung gem. § 44 AktG, § 12 GewO, § 53 KWG und § 13b HGB in ein inländisches Handelsregister eingetragen wird; denn hier handelt es sich um bloße Ordnungsvor1 So aber BFH v. 22.1.1992 – I R 42/91, BFH/NV 1992, 600. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Anh. (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354); ergänzt bei Kalbfleisch in Ernst & Young, § 1 KStG Rz. 40.1; Rengers in Blümich § 1 KStG Rz. 146; Sauter in Erle/Sauter3, § 1 KStG Rz. 77; Abgrenzung zu Personengesellschaftsformen vgl. IWB 2011, Heft 17, Anlage: Besteuerung von Personengesellschaften in den wichtigsten mittel- und osteuropäischen Staaten. 3 H.M. Wilke in Mössner/Seeger, KStG § 1 Rz. 26. 4 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 = RFHE 27, 73, sog. Venezuela-Entscheidung. 5 Drüen in T/K, § 11 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 11 AO Rz. 16; Schwarz, § 11 AO Rz. 3; Szymczak in Koch/Scholtz, § 11 AO Rz. 3; Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 23. 6 Zur gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit vgl. Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR Rz. 78.

154 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.68 Kap. 2

schriften, durch deren Befolgung weder die Kapitalgesellschaft entsteht noch ihr ausländischer Sitz in das Inland verlegt wird. Die ausländische Kapitalgesellschaft wird vielmehr durch diese inländische Betriebsstätte (Rz. 2.120) beschränkt steuerpflichtig. Eine inländische Zweigniederlassung kann niemals eine steuerlich eigene Gesellschaft sein, die durch Eintragung im Inland einen Sitz begründen könnte und insoweit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig würde.1 Daher kann gegenteiligen Urteilen des RFH v. 10.12.19362 und v. 16.11.19393 nicht gefolgt werden. Im ersten Urteil, das eine Gesellschaft mit Sitz in England und eingetragener Zweigniederlassung (Grubenbetrieb) im Inland betraf, heißt es, dass eine im Handelsregister eingetragene inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Erwerbsgesellschaft „steuerlich rechtsfähig“ sein „kann“, also unbeschränkt steuerpflichtig. Das zweite Urteil betraf eine Immobiliengesellschaft mit Sitz in der Schweiz und Grundvermögen in Deutschland. In beiden Fällen nahm der RFH an, dass im Ausland nur ein formelles Domizil bestand. Daraus kann sich nur dann die unbeschränkte Steuerpflicht des Gesamtunternehmens ergeben, wenn es seine Geschäftsleitung im Inland gehabt hätte, nicht jedoch wird dadurch die Zweigniederlassung zur eigenen Gesellschaft.

2.65

4. Geschäftsleitung § 10 AO definiert recht lakonisch als Geschäftsleitung den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese drei auf den RFH4 zurückgehenden Merkmale (Mittelpunkt, kaufmännisch, Oberleitung) verweisen auf tatsächliche Umstände.5 Gesellschaftsrechtlich entspricht der Geschäftsleitung weitgehend der Verwaltungssitz.6 Die gesellschaftlichen Beurteilungen sind steuerrechtlich nicht verbindlich.7

2.66

Der Mittelpunkt, das Zentrum, liegt dort, wo überwiegend die Geschäftsleitung erfolgt (zu mehrfachem Mittelpunkt Rz. 2.76). In der Regel wird dies innerhalb entsprechender Geschäftsräume geschehen. Erfolgt die Geschäftsleitung dezentralisiert, so kommt es auf die wirtschaftlich und organisatorisch bedeutungsvollste Stelle an.8 Normalerweise werden die Beschlüsse der Oberleitung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft gefasst. Bereits im grundlegenden Urt. v. 16.6.19319 hat der RFH die denkbare Vielgestaltigkeit der hierbei in Betracht kommenden Kriterien aufgezeigt: Einkaufsbüro, Lagerhaltung, Produktion, Buchführung, Verkauf und sonstige betriebliche Funktionen können in Geschäftsräumen in verschiedenen Staaten liegen. Nur eine sorgfältige Analyse der Entscheidungsgänge im Einzelfall kann dann bestimmen, wo die für das Unternehmen wesentlichen Entscheidungen getroffen werden. Der RFH kam aufgrund dessen zu dem Ergebnis, dass bei einer Schweizer Textil AG, deren Zweck es war, in Deutschland Textilien in Lohnarbeit weben zu lassen, der Mittelpunkt in der Schweiz lag. Befindet sich der maßgebende Geschäftsleiter ständig auf Reisen und leitet so das Unternehmen, so kommt es mangels Regelmäßigkeit nicht zu einem Mittelpunkt.10

2.67

Wenn das Gesetz von der geschäftlichen Leitung spricht, so ist die kaufmännische, nicht die technische Leitung entscheidend.11 Dies erklärt sich daraus, dass die Begründung der Besteuerung auf

2.68

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Zustimmend Musil in H/H/Sp, § 11 AO Rz. 21. RFH v. 10.12.1936 – III A 157/36, RStBl. 1937, 452. RFH v. 16.11.1939 – III A 213/36, RStBl. 1940, 539. RFH v. 16.6.1931 – I A 463/30, RFHE 29, 78. H.M. Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 1 m.w.N.; Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 14. Unterschiede können sich ergeben, wenn Hauptverwaltung und Geschäftsleitung sich an verschiedenen Orten befinden. Vgl. Wassermeyer DB 1990, 244; Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 14. FG Kassel v. 8.7.1959 – IV 1083/57, EFG 1959, 346. RFH v. 16.6.1931 – I A 462/30, RStBl. 1931, 848. BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, DStRE 1998, 233 (234), BFH/NV 1998, 434. RFH v. 2.7.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779 (780).

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Kap. 2 Rz. 2.69 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (Rz. 2.3) beruht und diese in der wirtschaftlichen Tätigkeit, d.h. dem Kaufmännischen, zum Ausdruck kommt.

2.69 Oberleitung besagt, dass nicht alle Entscheidungen dort getroffen werden und dass es diejenigen

sind, die für das Geschäft die wichtigsten sind. Es muss sich folglich um Maßnahmen von maßgebender Wichtigkeit handeln,1 ohne jedoch notwendig die Grundfragen der Existenz der Gesellschaft zu betreffen. Es handelt sich folglich um die laufende Geschäftsführung.2 Zwar legt die in § 10 AO enthaltene Formulierung „der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ nahe, dass es nur einen Mittelpunkt geben kann (ähnlich wie es bei § 9 Satz 1 AO nur einen gewöhnlichen Aufenthalt geben kann),3 doch geht der BFH nunmehr in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Auffassung im Schrifttum davon aus, dass Geschäftsleitungstätigkeiten gleichrangig an mehreren Orten ausgeübt werden kann.4 In Zukunft dürften sich derartige Fälle häufen, denn durch den zunehmenden Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) (z.B. EMail oder Videokonferenzen) kommt es vermehrt zu einer räumlichen Dezentralisierung der Geschäftsleitungsfunktion.5 Wird z.B. eine Videokonferenz abgehalten, kommen die Geschäftsführer nicht mehr an einem Ort zusammen, um ihre Entscheidungen zu treffen. Auch bei dem Verfassen einer E-Mail von jeweils verschiedenen Standorten kommt es zu einer Dezentralisierung der Geschäftsleitung. In diesen besonderen Fällen liegt nicht ein Ort, sondern es liegen gleichzeitig mehrere Orte der Geschäftsleitung vor.6

2.70 Die laufende Geschäftsführung umfasst die Tagesgeschäfte.7 Welche dies sind, hängt von der Art

des Geschäftes ab. Dies umfasst die Unternehmensorganisation, die Taktik, die Kontrolle des Unternehmensgeschehens, die Vertretung gegenüber Dritten und alles, was sonst die Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben verlangt. Eine Abgrenzung muss einerseits vorgenommen werden zur Festlegung der grundlegenden Unternehmenspolitik und zu außergewöhnlichen Entscheidungen. Diese strategischen Entscheidungen werden nur von Zeit zu Zeit möglicherweise in großen Abständen getroffen. Die Ansässigkeit einer Kapitalgesellschaft an diese auszurichten, scheitert in der Praxis häufig daran, dass Jahre zwischen solchen Entscheidungen liegen können und Rechtsunsicherheit in der Zwischenzeit die Folge wäre. Wenn die OECD gleichwohl bei der Bestimmung des effektiven Ortes der Geschäftsleitung auf die „strategic decisions“ abstellt,8 so muss dies im Kontext der übrigen von ihr genannten „Schüsselfaktoren“ gesehen werden, wenn zwischen mehreren Orten, die jeweils für sich Orte der laufenden Geschäftsführung sind, eine Entscheidung für einen von ihnen getroffen werden muss. Derartige Faktoren sind:

1 RFH v. 25.7.1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; BFH v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 759 (760); Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15: „gewöhnlicher Betrieb der Gesellschaft“. 2 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; Kessler/Müller, IStR 2003, 361 (363). 3 Ähnlich Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 41. 4 BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015; 601; so auch z.B. Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 9; Hummel in Gosch, § 1 KStG Rz. 47; Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 41; anders noch BFH v. 1.3.1966 – I 13, 14/65, BStBl. III 1966, 207 (208); v. 16.3.1994 – I B 171/93, BFH/NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/ 95, BStBl. II 1998, 86 (89); einschränkend v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 435; v. 25.8.1999 – VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 301; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 439; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1129; s. hierzu auch Gosch, StBp 1998, 108 f. 5 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 276. 6 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 278. 7 BFH v. 7.12.1994 – 1 R 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 435; v. 3.7. 1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 87; v. 15.7.1998 – I B 134/97, BFH/NV 1999, 372; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 438; v. 25.8.1999 – VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 301; v. 30.1.2002 – I R 12/ 01, BFH/NV 2002, 1129; FG München v. 16.3.2010 – 6 K 241/07, juris; FG BW v. 3.7.2006 – 3 V 13/ 05, juris; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 96. 8 OECD, The impact, Rz. 32.

156 | Lampert

B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.72 Kap. 2

– Ort des Sitzes des Top-Managements, – Ort der Geschäftstätigkeit, – rechtliche Faktoren (Registereintragung etc.), – Ort der Gesellschafterversammlung, – Wohnsitz der Direktoren. Daraus folgt, dass es um die geschäftsleitenden Entscheidungen geht. Diese werden normalerweise von den geschäftsführenden Organen getroffen und von den Mitarbeitern umgesetzt. Nach der Rspr.1 und Literatur2 soll es darauf ankommen, wo sich die geschäftsführende Person aufhält, wo sie ihren Willen bildet, nicht jedoch auf den Ort, wo ihre Anordnungen wirksam und ausgeführt werden. Demnach ist eine ausländische Körperschaft in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn ihr Geschäftsführer vom Inland aus die Geschäfte führt und im Ausland seine Anweisungen lediglich ausgeführt werden (anders z.T. Gesellschaftsrecht vgl. Rz. 2.73). Vor allem sog. Briefkastenfirmen können somit dem vollen inländischen Steuerzugriff unterworfen werden.3 Als geschäftlicher Oberleiter kommen nicht nur der Vorstand bei der AG und der Geschäftsführer bei der GmbH infrage, sondern auch der beherrschende Gesellschafter, wenn er über seine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten hinaus die tatsächliche Geschäftsleitung an sich zieht.4

2.71

Befindet sich der Geschäftsführer bzw. der faktische geschäftsführende Gesellschafter im Ausland und leitet von dort aus ein inländisches Unternehmen, dann sollte nach Ansicht einer Reihe von Urteilen5 sich der Ort der Geschäftsleitung gleichwohl im Inland befinden. Der GrS hat dies mit Beschl. v. 15.11.19716 für das DBA-Schweiz bestätigt. Die Geschäftsleitung als Erteilung von Weisungen sei ein zweistufiger Vorgang. Zunächst müsse sich der Geschäftsführer über die zu erteilende Weisung schlüssig werden. Dies geschehe am Ort, an dem er sich aufhalte. Dann müsse die Weisung dem Weisungsempfänger bekannt gemacht werden. Die Tätigkeit des Geschäftsführers sei erst mit dem Zugang der Weisung beendet. Daher übe der Geschäftsführer seine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft, d.h. im Inland, aus. Eine Ausnahme ist später7 anerkannt worden, wenn sich die Auslandstätigkeit eines im Ausland wohnenden Geschäftsführers abgegrenzt nur im Ausland auswirke. Dies ist für die Besteuerung von Leitungspersonen von Kapitalgesellschaften in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971 ausdrücklich entsprechend geregelt worden.8 Im Urt. v. 5.10. 19949 hat sich der I. Senat des BFH von dieser Rspr. gelöst. Seiner Ansicht nach wird die Tätigkeit eines Geschäftsführers dort ausgeübt, wo dieser sich physisch aufhält. Es ist demnach ohne Bedeu-

2.72

1 RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949; FG Nds. v. 12.12.1969 – I 43/68, EFG 1970, 316; v. 9.6. 1981 – V 12/79, EFG 1981, 639; FG Hamburg v. 24.10.1986 – I 170/83, EFG 1987, 413; RFH v. 25.7. 1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 (697); v. 26.5. 1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 758; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1998, 437; FG BW v. 27.10.1970 – III 7-8/69, EFG 1971, 106; FG Hamburg v. 2.8. 1977 – V 108/76, EFG 1978, 138; FG Düsseldorf v. 8.10.1980 – XV/X 16/75 K, EFG 1981, 148; RFH v. 3.7.1934 – I A 129/33, RFHE 36, 244 (248). 2 Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 1 f.; Szymczak in Koch/Scholtz, § 10 AO Rz. 3; Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15, 31. 3 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695 ff.; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401 (402). 4 So schon RFH v. 11.7.1940 – III 135/39, RStBl. 1940, 706. 5 RFH v. 17.6.1931 – VI A 868/31, RStBl. 1931, 814; BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68; v. 12.8.1960 – VI 300/58 S, BStBl. III 1960, 441; RFH v. 1.2.1933 – VI A 828/32, RStBl. 1933, 417; v. 12.5.1938 – IV A 18/36, RStBl. 1938, 812. 6 BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68. 7 BFH v. 21.5.1986 – I R 37/83, BStBl. II 1986, 739; v. 22.6.1983 – I R 67/83, BStBl. II 1983, 625; v. 16.7. 1986 – I R 201/84, BFH/NV 1988, 235. 8 Vgl. Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Anm. 80 ff. 9 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95.

Lampert | 157

Kap. 2 Rz. 2.73 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung tung, wo die geschäftsleitenden Anweisungen umgesetzt werden.1 Die wirtschaftliche Aktivität einer Kapitalgesellschaft spielt sich dort ab, wo sich ihre Geschäftsräume befinden und die Mitarbeiter arbeiten, nicht aber, wo sich – zufälligerweise – der Geschäftsführer aufhält. Deshalb spricht viel dafür, auf die maßgebenden Geschäftsräume abzustellen. Dies ist aber nicht mehr Ansicht des BFH. Anders ist es hingegen zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer in einem Land wohnt und von seiner Wohnung aus oder in einem Büroraum die wesentlichen Entscheidungen trifft, die dann von Angestellten im anderen Staat umgesetzt werden. Die Gesellschaft wird dann am Ort der Entscheidung ansässig. Der Ort, an dem die unternehmerischen Entscheidungen umgesetzt werden, stellt kein entscheidendes Anknüpfungskriterium an die inländische oder ausländische Wirtschaft dar. Der Staat, in dem die entscheidenden Unternehmensakte umgesetzt werden, ist zwar durch die Tätigkeit der Gesellschaft auch getroffen,2 aber nur durch unselbständige Aktionen und nicht durch die Oberleitung (§ 10 AO). Bildlich gesprochen: Der Ort der Geschäftsleitung ist dort, wo sich der Kopf befindet und nicht dort, wo die Hände aktiv sind. Bei Briefkastenfirmen stellen sich die Begründung eines ausländischen Firmensitzes und die Bestellung eines Geschäftsführers im Ausland als Scheinhandlung (§ 41 Abs. 2 AO) dar. In der Praxis dürfte die Problematik eher von geringer Bedeutung sein. Es sind sicher seltene Fälle, dass eine Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, die maßgebenden leitenden Personen aber nicht ebenfalls ins Ausland mitgehen oder Steuerumgehung (§ 42 AO) in Betracht kommt.

2.73 Die Ansicht des I. Senats unterscheidet sich von der gesellschaftsrechtlichen Sichtweise. Der Verwaltungssitz liegt dort, wo „die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung“ effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.3 Werden die Beschlüsse im Ausland gefasst und im Inland im Betrieb der Gesellschaft umgesetzt, so liegt gesellschaftsrechtlich ihr Verwaltungssitz im Inland, steuerrechtlich ihr Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Es fragt sich daher auch i.S. der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, ob der I. Senat gut beraten war. Positiv zu bemerken ist, dass es nunmehr keine Rolle mehr spielt, ob Deutschland Aufenthaltsort des Geschäftsführers oder Ort der Büroräume ist. Für beide Fälle gelten dieselben Regeln.

2.74 Nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO gilt der Ort der Geschäftsleitung als Betriebsstätte. Bei Einzelunterneh-

men oder Personengesellschaften führt die inländische Geschäftsleitung folglich nur zur beschränkten, bei Körperschaften jedoch zur unbeschränkten Steuerpflicht. Dieser erhebliche Unterschied in der Bewertung des Ortes der Geschäftsleitung erklärt sich daraus, dass bei Körperschaften nicht auf die dahinterstehenden Personen, sondern auf die Gesellschaft selbst und deren Tätigkeit abgestellt wird. Sie, als rechtlich verselbständigte Organisationsform unternehmerischen Engagements, entfaltet ihr „Leben“ in ihren wirtschaftlichen Aktivitäten, also dort, wo ihr eigentliches Zentrum liegt.

2.75 Bei international tätigen Unternehmen kann die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung er-

hebliche Schwierigkeiten bereiten, wenn auf den Ort der Willensbildung abgestellt wird (Rz. 2.71), da der Wille einer Körperschaft durch natürliche Personen als deren Organe gebildet wird und sowohl die Bestimmung der entscheidenden Personen (wer ist der Oberleiter?), als auch die Bestimmung des Orts (wo hat er seine Entscheidung getroffen?) schwierig sein kann. Normalerweise wird der Vorstand bei einer AG und der Geschäftsführer bei einer GmbH4 derjenige sein, der als Oberleiter anzusehen ist. Entsprechen sich im Einzelfall de-jure-Vertretung und de-facto-Oberleitung nicht, so kommt es auf die faktische geschäftliche Oberleitung an. Die Praxis zeigt, dass diese ge1 Ebenso Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 31; Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 23; Eilers/Wienands, IStR 1999, 292; Kessler/Müller, IStR 2003, 361 (363); Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 16.202. 2 Großfeld in Staudinger, EGBGB, IntGesR Rz. 14. 3 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272). 4 §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG, § 35 Abs. 1 GmbHG.

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B. Persönliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.79 Kap. 2

rade bei inländischen Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschafter oft bei frei bestimmten Geschäftsführern und nicht bei dem gesetzlichen Organ der Gesellschaft liegt. Ist etwa der eingetragene Geschäftsführer einer GmbH oder Verwaltungsrat einer schweizerischen AG inaktiv und werden die Geschäfte der GmbH von einem Prokuristen oder die der schweizerischen AG von einem bevollmächtigten Direktor tatsächlich geführt, dann befindet sich nach dieser Ansicht die Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO dort, wo sich dieser Prokurist oder Direktor aufhält. Oder man denke an den Fall einer belgischen Societe anonyme mit zwei administrateurs, deren einer in Deutschland und deren zweiter in den Niederlanden wohnt, von denen jedoch keiner die Geschäfte der S.A. leitet, da die Gesellschaft einen bevollmächtigten Direktor mit Wohnsitz in Belgien hat. Hier wäre eine Vermutung für das Zusammenfallen von de-jure- und de-facto-Vorstand ganz abwegig. In den nicht seltenen Fällen, in denen eine Gesellschaft mehrere eingetragene Geschäftsführer, Vorstands- oder Verwaltungsratsmitglieder hat, die in verschiedenen Ländern residieren, kann von der geschäftlichen Oberleitung im Inland nur gesprochen werden, wenn gerade der im Inland ansässige Geschäftsführer (Vorstand, Verwaltungsrat etc.) die Geschäfte der Gesellschaft dominierend leitet.1 Dass er die Geschäfte „auch“ mitleitet, genügt nicht, denn es kommt auf den Ort der „Oberleitung“ an. Lässt sich eine vorherrschende Stellung einer dieser Personen nicht feststellen, so hat diese Gesellschaft mehrere Orte der Geschäftsleitung.2

2.76

Besonders heikel werden die Dinge, wenn die Oberleitung nicht in Geschäftsräumen des Unternehmens angenommen werden kann, etwa weil die Gesellschaft über keine Büroräume verfügt. Dies kann dazu führen, dass es zwar eine Oberleitung gibt, diese nicht aber lokalisiert werden kann, z.B. weil der Unternehmer ständig unterwegs ist. Der BFH hat dann die Geschäftsleitung in eine Wohnung verlegen wollen.3 Dies überzeugt in dieser allgemeinen Form nicht. Meines Erachtens muss deutlich unterschieden werden, ob es keine Geschäftsleitung gibt, diese zu gleichem Recht an mehreren Orten ist (Rz. 2.76) oder sich nicht lokalisieren lässt. Welche Anforderungen an die örtliche Verankerung zu stellen sind, richtet sich nach der Art der Geschäfte. Vor allem bei sog. Holdinggesellschaften kann die Schwelle der Lokalisierung niedrig sein, da deren Geschäfte kein ständig unterhaltenes Büro voraussetzen. Für ihr Geschäftsvolumen ist es durchaus ausreichend, einen Geschäftsführer zu bestellen, auch wenn dieser daneben zugleich für weitere derartige Firmen tätig wird. Fälle sind bekannt, in denen ein Geschäftsführer mehrere Hundert solcher Firmen „betreut“.

2.77

Bei einer reinen Holdinggesellschaft4 werden ausschließlich nach ihrem statutarisch festgelegten Zweck Beteiligungen verwaltet.5 Daneben besteht keine weitere geschäftliche Tätigkeit. Ihr Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaften überschreitet nicht den Rahmen, den sie als Gesellschafterin hat.6 Die Geschäftsführung der echten Holding beschränkt sich somit auf folgende Funktionen: Aufbewahrung des Aktienbesitzes der Beteiligungen, Entgegennahme der Erträgnisse und von Weisungen zu deren Verwendung, Führung der Buchhaltung und Korrespondenz. Falls diese Tätigkeiten von Personen, die im Ausland domizilieren, im Ausland ausgeübt werden, so befindet sich auch der Ort der Geschäftsleitung im Ausland. Werden diese Tätigkeiten von Personen im Inland wahrgenommen, so liegt der Ort der Geschäftsleitung im Inland.

2.78

Verfügt ein Unternehmen über eigene Geschäftsräume und befinden sich dort auch tatsächlich vertretungsberechtigte Personen, so kann es zu einer Verlagerung der Geschäftsleitung kommen, wenn gleichwohl die wesentlichen Entscheidungen außerhalb dieser Räume getroffen werden. Hierbei ist

2.79

1 2 3 4 5

RFH v. 2.7.1936 – III A 86/36, RStBl. 1936, 779. So BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601= DB 2015, 410. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 20. Vgl. Lutter, Holding Handbuch4, § 1 Rz. 1 ff.; Kessler, Die Euro-Holding, 1996, 10; Bader, Steuergestaltung mit Holdinggesellschaften2, 7 f. 6 Daher begründet sie keine Geschäftsleitung, so früher BMF v. 24.8.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458.

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Kap. 2 Rz. 2.80 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung insbesondere an die Einflussnahme von Mehrheitsgesellschaften zu denken. Dann stellt sich das Problem, zwischen der kaufmännischen Oberleitung eines Unternehmens und der (gesellschaftsrechtlichen) Beherrschung durch die Gesellschafter abzugrenzen. In der Theorie lassen sich beide Sphären klar trennen. In der Wirklichkeit verlaufen die Grenzen jedoch fließend, wenn Gesellschafter weitgehend Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Allerdings kommt es jeweils auf die tatsächlichen Verhältnisse an. „Der Umstand, dass der Hauptgesellschafter aufgrund seiner Beteiligung die Möglichkeit hat, einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, rechtfertigt es nicht, ihn ohne weiteres als Leiter des Unternehmens zu betrachten.“1 Gesellschafter „beherrschen“, „leiten“ aber nicht die Gesellschaft. Diese Unterschiede sind in der Praxis oft fein. Kein Wunder, dass sich die Rspr. wiederholt mit solchen Abgrenzungsfragen befasst hat:

2.80 Eine niederländische Handelsgesellschaft hatte ihre Oberleitung im Inland, obgleich die Bücher in

den Niederlanden geführt wurden und dort ein Prokurist tätig war, weil sich ihre deutschen Gesellschafter, die gleichzeitig Direktoren waren, die Letztentscheidung vorbehalten hatten.2 Eine von Inländern gegründete niederländische Patentverwertungsgesellschaft, deren Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer der niederländischen Gesellschaft waren, wurde durch den Wohnsitz des leitenden Geschäftsführers im Inland unbeschränkt steuerpflichtig; Büroräume waren nicht vorhanden.3 Bei einer ausländischen Reederei-GmbH lag die de-facto-Oberleitung beim inländischen Mehrheitsgesellschafter und bei einer Schweizer Tochtergesellschaft beim Vorstand der deutschen Muttergesellschaft.4 Lässt sich der inländische Mehrheitsgesellschafter einer US-Corporation nicht nur über den Gang der Geschäfte berichten, sondern gibt er auch Anweisungen an die ausländische Geschäftsführung über wichtige Geschäfte und behält er sich die Zustimmung zu bestimmten Handlungen der Geschäftsführung vor, führt dies noch nicht dazu, dass die geschäftliche Oberleitung im Inland liegt.5 Eine international tätige Gesellschaft mit formalem Sitz im Land X und tätiger Handelsniederlassung im Land Y hat den Ort der geschäftlichen Oberleitung in Deutschland, wenn die Beschlüsse der Geschäftsleitung im Ausland lediglich formal gefasst werden, diese jedoch auf bereits vorher gefassten Entschließungen der in Wirklichkeit oberleitenden Personen mit Wohnsitz in Deutschland beruhen. Der inländische Alleinaktionär wird dann zum „Oberleiter“, wenn er bei den wichtigen Entscheidungen das entscheidende Wort spricht, wenn er also „als Seele und Kopf der Geschäftsleitung“ anzusehen ist.6 Sind deutsche Aktionäre an einer Schweizer Patentverwertungs-AG beteiligt, hat der Schweizer Verwaltungsrat seine Befugnisse satzungsgemäß auf deutsche Geschäftsführer (Aktionäre) übertragen, die die Lizenzverträge tatsächlich abschließen, so befindet sich der Ort der Geschäftsleitung, und damit auch die Betriebsstätte nach dem DBA Deutschland-Schweiz, in den Geschäftsräumen des inländischen Geschäftsführers.7 Eine ausländische Tabakeinkaufs-AG befand sich im Alleinbesitz der Gesellschafter einer OHG (Zigarrenfabrik).8 Die für die Auslandsgesellschafter als Tabakeinkäuferin sachverständigen und maßgebenden Leute befanden sich bei der OHG. Die OHG war der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der Auslandsfirma.

2.81 Eine grenzüberschreitende Organschaft, sofern sie möglich sein sollte, führt nicht dazu, dass die

Geschäftsleitung der Organgesellschaft beim Organträger liegt.9 Vielmehr wird die Organgesellschaft für sich betrachtet. Sie hat die Geschäftsleitung dort, wo sich die für sie maßgebenden Personen befinden. Nur in besonders gelagerten Fällen kann sich der Mittelpunkt der geschäftlichen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

RFH v. 9.1.1934 – I A 344/32, RStBl. 1934, 382. RFH v. 20.12.1933 – I A 133/32, RStBl. 1934, 140. RFH v. 3.7.1934 – I A 129/33, RStBl. 1934, 1878. RFH v. 25.7.1935 – III A 98/35, RStBl. 1935, 1366; v. 19.6.1936 – II A 107/35, RStBl. 1936, 764. RFH v. 11.7.1940 – III 135/39, RStBl. 1940, 706. RFH v. 3.7.1936 – I A 150/36, RStBl. 1936, 804. RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStBl. 1937, 67. RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 164 ff. (zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA: Anti-Organ-Klausel); Musil in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 19.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.84 Kap. 2

Oberleitung einer Organgesellschaft an den Ort der Geschäftsleitung der Organträgerin verschieben, so dass die Organgesellschaft die Betriebsstätte ihres Trägers wird. Das ist der Fall, wenn die Organträgerin tatsächlich alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit bestimmt, wenn also die Organgesellschaft auch in der tatsächlichen Handhabung zu einer bloßen Betriebsabteilung der Organträgerin absinkt. Nach der Rspr. ist die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung jeweils Tatfrage im Einzelfall, wobei festzustellen ist, von wem und wo der für das Unternehmen maßgebliche Wille gebildet wird.1 Für die Annahme eines Ortes der Geschäftsleitung im Inland – und dies ist für die Begründung deutscher Steuerpflicht das Entscheidende – genügt es nach h.M. daher, wenn Unternehmensentscheidungen von einiger Wichtigkeit von Personen tatsächlich im Inland gefasst werden.

2.82

Wie bei natürlichen Personen bestimmt sich die Ansässigkeit nach DBA-Recht nach der unbeschränkten Steuerpflicht der Körperschaft. Somit ist eine Körperschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland in Deutschland ansässig. Bei Ansässigkeit in mehreren Staaten, z.B. bei Sitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland, entscheidet sich die Ansässigkeit nach der tatsächlichen (effektiven) Geschäftsleitung (vgl. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA).2 Zwar liegt Art. 4 Abs. 3 OECD-MA als „tie-breaker“-Regelung die Idee zugrunde, dass es nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung geben kann,3 doch gibt es Konstellationen, in denen sich ein solcher Ort nicht feststellen lässt.4 In diesen Fällen sieht das OECD-MA ebenso wie die überwiegende Zahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA keinen Mechanismus zur Bestimmung des Ansässigkeitsstaats (wie etwa ein Abstellen auf den statutarischen Sitz) vor. Denkbar ist es, in diesen Fällen auf die Wohnstätte des leitenden Geschäftsführers abzustellen (und so bei Bestehen mehrerer Wohnstätten die Anwendung des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA zu eröffnen).5 Alternativ ist zu erwägen, dass die Vertragsstaaten den Ansässigkeitsstaat im gegenseitigen Einvernehmen entsprechend Art. 4 Abs. 2 Buchst. d OECD-MA bestimmen.6

2.83

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit I. Beschränkte Steuerpflicht Bestehen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Inland keine persönlichen Beziehungen (Rz. 2.3), so „beschränkt“ sich die Besteuerung der „Steuerausländer“ auf die inländischen Steuergegenstände. Während bei den unbeschränkten Steuerpflichtigen die Leistungsfähigkeit einer Person umfassend steuerlich erfasst wird, reduziert sich bei der beschränkten Steuerpflicht die Erfassung auf den Ausschnitt der inländischen Quellen. Deshalb werden nach weitverbreiteter Vorstellung die persönlichen Verhältnisse des Steuersubjektes außer Acht gelassen, so dass eine gewisse „Objektivierung“ der Steuerpflicht eintritt.7 Zutreffender ist es, von einer „ausschnittsweisen“ Besteuerung im Gegensatz zur Totalerfassung bei der unbeschränkten Steuerpflicht zu sprechen. Dies hat vor allem zur Folge, dass weitgehend die persönlichen Umstände des Steuerpflichtigen, soweit sie steuerlich relevant sind – etwa Familienstand, Kinder, Krankheiten, außergewöhnliche Belastungen –, nicht berücksichtigt werden.8 Auch die Festlegung eines Steuersatzes für die inländi1 2 3 4 5 6 7

Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 1 m.w.N. S. hierzu Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 260 ff. Vgl. auch BFH v. 1.3.1965 – I 13, 14/65, BStBl. III 1966, 207. Siehe oben Rz. 2.69 sowie Pohl in Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 109. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 266. Pohl in Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 109. Ohne dass es sich um eine Objektsteuer handelt, wie früher angenommen wurde: Strutz, EStG 1925, § 3 Rz. 3 sowie Vorb. 2 zu „Persönliche Steuerpflicht“; vgl. auch Wassermeyer in Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 1985, 49 (76). 8 Darstellung z.B. bei Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.129 ff.

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2.84

Kap. 2 Rz. 2.85 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung schen Einkünfte ist auf die inländischen Einkünfte begrenzt, zudem kommen Pauschalsteuersätze zur Anwendung.1 Dies wird mit der Territorialität der beschränkten Steuerpflicht begründet. Mit dem JStG 20092 wurde der früher geltende Mindeststeuersatz von 25 % aufgehoben. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG wird nunmehr § 32a Abs. 1 EStG mit der Maßgabe angewendet, dass das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag zu erhöhen ist. Erzielt bspw. der im Inland der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Ausländer Einkünfte3 von 10.000 Euro, so wurden früher Steuern i.H.v. 2 500 Euro erhoben. Nunmehr würde die Anwendung der Grundtabelle zu einer Einkommensteuer von 179 Euro führen. Er wird aber nicht einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit einem gleichen zu versteuernden Einkommen gleichgestellt; vielmehr erhöht sich das zu versteuernde Einkommen durch Hinzurechnung des Grundfreibetrags gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG auf 18.820 Euro, was zu einer Steuer von 2.207 Euro führt. Damit wird der Grundfreibetrag dem beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt.4 Er wird so behandelt, als beginne der Steuertarif für ihn oberhalb des Grundfreibetrags. Da der Grundfreibetrag der Berücksichtigung des Existenzminimums dient5 und dieses im Staat der Ansässigkeit zu berücksichtigen6 ist, bestehen keine Bedenken gegen diese Regelung.7

2.85 Aus der Beschränkung auf das Inlandseinkommen folgt auch, dass beschränkt Steuerpflichtige Be-

triebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen dürfen, als sie mit den inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang8 stehen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ein Verlustabzug nach § 10d EStG war früher9 nur dann zulässig, wenn die Verluste nicht nur in wirtschaftlichem Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, sondern sie mussten sich aus Unterlagen ergeben, die im Inland aufbewahrt wurden (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG a.F.). Eine Inlandszuordnung bei wirtschaftlichem Zusammenhang soll sogar für vorweggenommene Aufwendungen gelten.10 In der Praxis dürfte es allerdings erhebliche Probleme bereiten, einen inländischen Veranlassungszusammenhang nachzuweisen, wenn es nicht zu steuerbaren inländischen Einnahmen kommt. Es dürfte kaum einem Ausländer gelingen, in Deutschland die Kosten eines Deutschkurses abzusetzen mit der Behauptung, er habe vorgehabt, in Deutschland Einkünfte zu erzielen. § 1 Abs. 4 EStG knüpft die inländische Steuerpflicht an die beschränkte Steuerpflicht („wenn“) und § 2 Abs. 1 EStG erklärt nur diejenigen Einkünfte als der Einkommensteuer unterliegend, die der beschränkt Steuerpflichtige „während seiner beschränkten Steuerpflicht erzielt.“ § 49 Abs. 1 EStG begrenzt die beschränkte Steuerpflicht jedoch nur auf gegenwärtige oder vergangene Zeiträume des Vorliegens der Inlandskriterien, erweitert sie aber nicht auf zukünftige. Mangels Bestehens einer beschränkten Steuerpflicht können daher vorweggenommene Ausgaben nicht im Inland geltend gemacht werden.11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. hierzu Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.140 ff. JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. Die Unterschiede, ob Bruttoerträge oder Nettoeinkünfte gemeint sind, bleiben außer Betracht. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. D 3. Hey in Tipke/Lang22, Steuerrecht, § 8 Rz. 81. So der EuGH in st. Rspr., vgl. z.B. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340 = BStBl. II 2003, 859; vgl. auch BVerfG v. 9.2.2010 – 2 BvR 1178/07 – NJW 2010, 2419 (2420). A.A. Grams/Schön IStR 2007, 659. Vgl. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C 8 ff. Bis VZ 2008, zu den Einzelheiten siehe Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C 53 ff. BFH v. 13.11.1973 – VIII R 157/70, BStBl. II 1974, 161; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566. A.A. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. C 14: „Dies kann der Berücksichtigung vorweggenommener Aufwendungen aber richtigerweise nicht entgegenstehen“; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 127; abwägend Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 9: „Hier ist vieles offen“; Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 53: vorweggenommene Aufwendungen berücksichtigungsfähig, vergebliche nicht; differenzierend nach Art der Einkünfte Wassermeyer, Betriebsstätten, Rz. 5.3; ähnlich BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571, für den die Unterscheidung nach Gewinn- und Überschusseinkünften entscheidet.

162 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.88 Kap. 2

Diese Unterschiede führen meist zu einer schlechteren steuerlichen Behandlung der Steuerausländer und ausländischen Gesellschaften gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen.1 Doch weder BFH noch BVerfG haben darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) gesehen.2 Zum Einfluss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die beschränkte Steuerpflicht vgl. Rz. 1.157 ff.

2.86

Bei den Steuergegenständen muss eine hinreichende Inlandsbeziehung bestehen, um eine inländische Steuer zu rechtfertigen.

2.87

Dies ist dann der Fall, wenn sich die wesentlichen Elemente des objektiven Steuertatbestandes im Inland ereignen. Dadurch werden die Einkünfte zu inländischen Einkünften. § 49 Abs. 1 EStG enthält diese Inlandskriterien für die einzelnen Einkunftsarten. Da der Erwerbstatbestand des Einkommens entweder in der Schaffung neuen Vermögens mittels einer Tätigkeit (aktive Einkünfte) oder in der Überlassung vorhandenen Vermögens zur Nutzung gegen Entgelt durch andere (passive Einkünfte) besteht, liegt eine hinreichende Inlandsbeziehung (Rz. 2.3) vor, wenn die Tätigkeit oder die Nutzung im Inland erfolgt. Dies gilt auch für Veräußerungsgewinne des für die Tätigkeit genutzten eigenen Vermögens und für das im Inland durch andere genutzte Vermögen. Grundsätzlich lassen sich daher zwei Haupttypen von Einkünften unterscheiden: 1. Tätigkeitseinkünfte, bei denen neues Vermögen mit oder ohne Nutzung bereits vorhandenen Vermögens erwirtschaftet wird – § 15 EStG – Gewerbe, § 13 EStG – Land- und Forstwirtschaft, § 18 EStG – selbständige Tätigkeit, § 19 EStG – nichtselbständige Tätigkeit. 2. Nutzungsüberlassungseinkünfte, bei denen die Nutzung bereits vorhandenen Vermögens im Vordergrund steht3 – § 20 EStG – Kapitalnutzung, § 21 EStG – Immobilien- u. Rechtsnutzung, – § 23 EStG – private Vermögensäußerung. Die sonstigen Einkünfte des § 22 EStG beruhen z.T. auf einer Tätigkeit (Nr. 3c) z.T. auf Rechten (Nr. 1, 1a, 2, 3), z.T. besonderer Systeme (Nr. 5). Daraus ergibt sich, dass das Steuerobjekt dann ein inländisches ist, wenn bei – Tätigkeitseinkünften die Tätigkeit, – Nutzungsüberlassungseinkünften die Nutzung des Vermögens im Inland erfolgt. Daraus lassen sich folgende Prinzipien entwickeln:

2.88

Bei Tätigkeitseinkünften: – Tätigkeitsprinzip Soweit das Steuerobjekt in einer Betätigung besteht, stellt die Ausübung der Tätigkeit auf dem inländischen Territorium eine hinreichende Verbindung dar. Neben der selbständigen und nichtselbständigen Tätigkeit kommen hierfür vor allem auch solche gewerbliche oder andere Einkünfte in Betracht, die im Kern in einer Dienstleistung bestehen. – Betriebsstättenprinzip Die gewerbliche Tätigkeit ist durch die Kombination von Produktionsfaktoren charakterisiert: Kapital wird eingesetzt, Gebäude werden genutzt, selbständig und unselbständig gearbeitet usw. International ist es üblich, unternehmerische Tätigkeit in einem Staate nicht schon dann anzunehmen, wenn die Inlandskriterien eines Faktors erfüllt sind, z.B. das Unternehmen erwirbt und vermietet Grundbesitz und auch nicht bereits dann, wenn sich eine dauernde, nach außen 1 Vgl. auch Mössner in Haarmann, Die beschränkte Steuerpflicht, 110 ff. 2 Vgl. eingehend Wassermeyer in Vogel, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 1985, 49 (76); BVerfG v. 29.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119 (121) – Kuponsteuer; BFH v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, 30; v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; v. 25.3.1986 – IX R 4/ 83, BStBl. II 1986, 603; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701. 3 Dieses Merkmal nutzt der BFH auch, um gewerbliche Veräußerungen abzugrenzen; zuletzt BFH v. 5.5. 2004 – XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399; siehe auch v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244.

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Kap. 2 Rz. 2.89 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung manifestierende wirtschaftliche Tätigkeit in dem betreffenden Lande entfaltet (doing business), sondern erst dann, wenn sich die Faktorenkombination im Lande verwirklicht. Neben die Tätigkeit müssen daher dem Unternehmen dienende Vermögensgegenstände (Betriebsstätte Rz. 2.100 ff.) oder Unternehmensfunktionen wahrnehmende Personen (ständiger Vertreter, Rz. 2.156 ff.) im Inland treten. Durch diese strengeren Voraussetzungen soll die internationale Wirtschaftstätigkeit gefördert werden.1 Hierzu dient das Konzept der Betriebsstätte, deren Natur mit dem englischen Begriff „permanent establishment“ zutreffend umschrieben ist. Fehlt es an einer solchen festen und ständigen Einrichtung des Unternehmens im Inland, so können inländische Einkünfte nicht als unternehmerische erfasst werden. Sie können jedoch ihrer eigenen Natur gemäß, im Beispiel als solche aus Vermietung – andere Fälle sind Dividenden, Zinsen, Lizenzen –, behandelt werden – sog. isolierende Betrachtungsweise (Rz. 2.237). Das Betriebsstättenkonzept entspricht dann nicht den wirtschaftlichen Realitäten, wenn die unternehmerische Tätigkeit ohne Inanspruchnahme von Einrichtungen erfolgt (Dienstleistungen). Die OECD hat darauf mit einer Ausdehnung des Begriffes reagiert, die die Unterschiede zum Tätigkeitsprinzip verwischt (Rz. 2.100 f.). Durch Ergänzungen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG hat der Gesetzgeber allerdings in jüngerer Zeit das Betriebsstättenprinzip ausgehöhlt.

2.89 Bei passiven Einkünften: Bei diesen erfolgt die Nutzung des Vermögens eines Ausländers im Inland. Überlässt dieser einem Inländer Kapital als Eigenkapital oder Fremdkapital, so wird die „Quelle der Einkünfte“ dort gesehen, wo der Schuldner der Entgeltforderung seinen Wohnsitz2 hat. Dies bedeutet, dass die Entgeltforderung als am Ort des Wohnsitzes als belegen gilt. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass der Schuldner das erhaltene Kapital dort nutzt. Dieser Gedanke findet sich auch bei den anderen passiven Einkünften.

2.90 Ein Steuerobjekt ist ein inländisches, wenn es im Inland genutzt, d.h. belegen ist (lex rei sitae).

Für Grundstücke und landwirtschaftliche Betriebe versteht sich dies von selbst. Aber auch Eintragungen in inländische Register begründen die Belegenheit im Inland (Registerprinzip). Rechte aus geistigem Eigentum (Patente, Urheberrechte, Know-how) werden dort genutzt, wo der, dem sie überlassen sind, sie einsetzt und der Inhaber der Rechte sie somit verwertet.3 Somit kommen als Kriterien für passive Einkünfte als Form der Nutzung in Betracht: – Schuldnerwohnsitz (Kapitaleinkünfte), – Belegenheit (Einkünfte aus Grundbesitz und Landwirtschaft), – Verwertung (sonstige Rechte).

2.91 Für die praktische Vorgehensweise bedeutet dies: Es muss zunächst geklärt werden, ob und wel-

che Inlandskriterien vorliegen. Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 1 EStG. Nur, wenn überhaupt, und nur für die Einkunftsarten, deren Inlandskriterien erfüllt sind, kommt die beschränkte Steuerpflicht in Betracht. Einkünfte, deren Inlandskriterien fehlen, sind gleichsam nicht existent. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen derjenigen Einkunftsart(en) erfüllt sind (§§ 13–24 EStG), deren Inlandskriterien vorliegen. Erfüllt der Sachverhalt die Tatbestandsvoraussetzungen mehrerer Steuerobjekte, z.B. Gewerbe und Vermietung, so sind die Normen über die Gesetzeskonkurrenz (z.B. § 21 Abs. 3 EStG) hinsichtlich der inländischen Steuerobjekte anzuwenden. 1 Näher Mössner in FS Vogel, 945. 2 Bei natürlichen Personen nur der Wohnsitz, nicht auch der ständige Aufenthalt; bei Kapitalgesellschaft Sitz und Geschäftsleitung (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). 3 Zum Verwertungstatbestand siehe BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379; v. 12.11.1986 – I R 320/ 83, BStBl. II 1987, 381; v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.95 Kap. 2

II. Steuersubjekt Bereits bei der unbeschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.54 ff.) ist das Problem der steuerlichen Einordnung ausländischer Gesellschaften dargestellt worden. Auch für die beschränkte Steuerpflicht unterscheidet das deutsche Steuerrecht zwischen natürlichen Personen und Personengesellschaften einerseits und Körperschaften andererseits, mit der Folge, dass ausländische natürliche Personen der Einkommensteuer (§ 1 Abs. 3 EStG) und ausländische Körperschaften der Körperschaftsteuer (§ 2 Nr. 1 KStG) unterliegen. Kein Unterschied besteht jedoch darin, welche inländischen Quellen besteuert werden, da § 8 KStG insoweit auf § 49 EStG verweist. Soweit die inländische Steuer als Quellensteuer erhoben wird, etwa als Kapitalertragsteuer gem. § 43 EStG, gilt in gleicher Weise die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 und 5 EStG, § 50 Abs. 2 Nr. 2 KStG). Dividendenbezug von inländischen Tochtergesellschaften durch Ausländer wird folglich unabhängig von der Rechtsform des Beziehers besteuert. Die Rechtsform des ausländischen Unternehmens wirkt sich somit vor allem bei der unterschiedlichen Besteuerung inländischer Betriebsstätten aus. Deren Einkünfte werden bei ausländischen Körperschaften einheitlich mit 25 % (§ 23 Abs. 1 KStG) und bei ausländischen Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften mit mindestens 25 %, höchstens mit 45 %1 (§ 50 Abs. 3 i.V.m. § 32a Abs. 1 EStG) besteuert.

2.92

Der Typenvergleich (Rz. 2.55) ist auch bei der beschränkten Steuerpflicht durchzuführen. Eine danach gegebene ausländische Körperschaft wird selbst zur Körperschaftsteuer herangezogen. Erfüllt das ausländische Gebilde nicht diese Voraussetzungen und sind mehrere Personen beteiligt, so liegt eine Mitunternehmerschaft vor, bei der die inländischen Einkünfte den einzelnen Mitunternehmern zuzurechnen und der Einkommensteuer unterworfen sind. Hierfür müssen die Gesellschafter und ihre Beteiligungsverhältnisse den inländischen Behörden bekannt sein. Da die Mitwirkungspflichten jedoch nicht über das Maß hinausgehen, das zur zutreffenden Besteuerung erforderlich ist, ist vorgeschlagen worden,2 die ausländische Gesellschaft selbst als einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Kann ausgeschlossen werden, dass einer der Gesellschafter weitere inländische, nicht dem Quellenabzug unterliegende Einkünfte bezieht, so sind in der Tat die ausländischen Beteiligungsverhältnisse belanglos.

2.93

Inländische Einkünfte i.S. der beschränkten Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht sind nur die zehn in § 49 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten.3 Von diesen werden die Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), aus künstlerischen und sportlichen Betätigungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), aus Grundstücksveräußerungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG), aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG), aus unselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und die sonstigen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 7, 8, 8 Buchst. a EStG) wegen des begrenzten Themas dieses Buches nicht behandelt. Die Darstellung konzentriert sich auf die Besteuerung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), aus Beförderungsleistungen durch Seeschiffe und Luftfahrzeuge (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, c EStG), aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Halbs. 1 EStG), aus der Veräußerung eines Anteils an einer inländischen Kapitalgesellschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) und der sonstigen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG).

2.94

III. Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1. Überblick § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG legt diejenigen Kriterien fest, die gewerbliche Einkünfte zu inländischen machen (vgl. Rz. 2.237 zur isolierenden Betrachtungsweise). Dies sind als wichtigste die in § 49 1 Ab VZ 2004, 42 % ab VZ 2005. 2 Heining, Besteuerung der Ausländer, 175. 3 Allg. Ansicht Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 1.

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2.95

Kap. 2 Rz. 2.96 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG genannten zwei Inlandsmerkmale: das Unterhalten einer Betriebsstätte oder die Bestellung eines ständigen Vertreters. Gleichgültig ist, welche Rechtsform das ausländische Unternehmen hat. Daneben hat der Gesetzgeber in ständiger Erweiterung weitere Inlandskriterien geschaffen: – Beförderungen bei Schiffen und Flugzeugen im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c EStG) (vgl. 2.228 ff.), – Ausübung und Verwertung künstlerischer, sportlicher und ähnlicher Darbietungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG), – Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG an inländischen Gesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG) (vgl. 2.204 ff.), – gewerbliche Vermietung und Veräußerung inländischen unbeweglichen Vermögens (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f f. EStG),1 – Vermittlung von Berufssportlern ins Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG). Der eingeschränkten Thematik dieses Buches entsprechend werden nicht alle Kriterien behandelt. Diese Erweiterungen des Kreises der Inlandskriterien führen zu einer Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht bei unternehmerischer Tätigkeit und somit zu vermehrten Situationen der Doppelbesteuerung. Damit entfernt sich das internationale Steuerrecht immer mehr von dem ursprünglichen Bestreben, die beschränkte Steuerpflicht bei unternehmerischer Tätigkeit vom Überschreiten einer hohen Schwelle abhängig zu machen.2 Als Begrenzung der Quellenbesteuerung diente vor allem der Betriebsstättenbegriff. Unter dem Einfluss der OECD (Rz. 2.146 und 2.149) verliert der Begriff immer mehr seine Konturen. In der OECD dürfte dies vor allem auf US-amerikanische Vorstellungen3 zurückzuführen sein, nach denen „doing trade or business within the US“ bereits die beschränkte Steuerpflicht begründet. Während beim Betriebsstättenkonzept der Unternehmenstätigkeit dienende, ständige Einrichtungen vorausgesetzt werden, genügt danach alleine der zeitliche Faktor der Geschäftstätigkeit im Inland. Insbesondere wirkt sich dies in der zunehmenden Anerkennung einer bloßen Dienstleistungsbetriebsstätte (Rz. 2.147) aus.

2.96 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird die beschränkte Steuerpflicht dadurch begründet,

dass im Inland eine „Betriebsstätte unterhalten wird“. Daraus könnte geschlossen werden, dass nur solche Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt werden können, die während des Bestehens der Betriebsstätte zu- und abfließen (vgl. Rz. 2.85). Der BFH4 hat jedoch vorweggenommene und nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte anerkannt, wobei es bei den vorweggenommenen um Ausgaben geht. Diese können jedoch nur dann und erst dann berücksichtigt werden, wenn es tatsächlich zur Gründung einer Betriebsstätte im Inland kommt. Vorzugswürdig ist jedoch die Ansicht Wassermeyers,5 dass Gründungsaufwand für eine Betriebsstätte unabhängig davon, ob sie zustande kommt oder nicht, dem Stammhaus zuzurechnen ist. Dies entspricht jedenfalls dem Wortlaut von § 1 Abs. 4 und § 2 Abs. 1 EStG (vgl. Rz. 2.85). Anders als in § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG enthält Nr. 2 Buchst. a nicht die Formulierung „worden ist“. Gleichwohl entspricht die Ausweitung der Nr. 2 Buchst. a auf nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte durch den BFH dem Sinn der Vorschrift.

1 Siehe hierzu Bron, DB 2009, 592. 2 Zusammenstellung der Entwicklung bei Reimer, IStR 2009, 378 m.w.N. 3 Sec. 871, 882 IRC; siehe hierzu Gustafson/Peroni/Pugh, Taxation of international transactions, 3. Aufl., St. Paul 2010, chapter 3. 4 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566, die Entscheidung betrifft Aufwendungen für eine gescheiterte Betriebsstättengründung im Ausland und ordnet diese der Betriebsstätte zu; BFH v. 28.10. 2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346. 5 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 7.8.

166 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.99 Kap. 2

2. Gewerbliche Einkünfte Es müssen Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Dazu gehören nach § 15 Nr. 1 EStG Einkünfte „aus gewerblichen Unternehmen“. Ein Gewerbebetrieb wird gem. § 15 Abs. 2 EStG begründet durch „eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.“ Darunter fallen also insbesondere die industrielle Produktion, der Handel, das Handwerk, das Bankgeschäft, das Versicherungsgeschäft, die Tätigkeit der Handelsvertreter, der Handelsmakler, Kommissionäre, Verkehrsunternehmen, Unternehmensberatung usw. Bei den Verkehrsunternehmen sind allerdings Besonderheiten zu beachten, soweit es sich um ausländische Schifffahrts- und Luftverkehrsunternehmen handelt (dazu Rz. 2.228 ff.). Die Gewinnung von Bodenschätzen ist Gewerbe.

2.97

Der Begriff der gewerblichen Einkünfte ist in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kein anderer als in § 15 EStG.1 Somit gelten die gleichen Kriterien für die Abgrenzung z.B. zu Einkünften aus selbständiger Tätigkeit. Entfaltet sich die Tätigkeit teils im Inland, teils im Ausland, so entscheidet das Gesamtbild der im In- und Ausland gegebenen Kriterien über die Zuordnung zur Einkunftsart „Gewerbebetrieb“. Dies ist von Bedeutung, wenn die Tätigkeiten so organisiert sind, dass im Inland die Merkmale eines Gewerbes vorliegen, im Ausland aber bspw. eine selbständige Tätigkeit vorliegt, z.B. ein französischer Rechtsanwalt wird im Inland als Baubetreuer tätig. Für die beschränkte Steuerpflicht kommt es dann darauf an, ob er eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Dies haben die Gerichte an den Fällen der Künstler- und Sportleragenturen klargestellt.2 Interessanter ist die umgekehrte Situation: Gewerbe im Ausland, freiberufliche Tätigkeit im Inland. Hierbei handelt es sich einerseits um eine gewerbliche Tätigkeit, weil sie im Rahmen eines im Ausland unterhaltenen Gewerbebetriebs erfolgt, so dass insoweit eine inländische Betriebsstätte erforderlich wäre. Andererseits ist im Inland auch der Tatbestand des § 18 EStG verwirklicht, so dass nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Ausübung im Inland ausreicht. Das Fehlen einer Betriebsstätte ist nach § 49 Abs. 2 EStG unbeachtlich (Rz. 2.237).

2.98

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft vor. Da das deutsche Einkommensteuerrecht nicht die Personengesellschaft selbst, sondern deren Gesellschafter als Steuerpflichtige ansieht, kommt es zur beschränkten Steuerpflicht nur bei solchen Gesellschaftern, die in Deutschland weder einen Wohnsitz (Rz. 2.19 ff.) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Rz. 2.33 ff.) haben. Nicht entscheidend ist es, ob die Gesellschaft unter deutschem oder ausländischem Recht errichtet wurde, solange sie steuerlich nicht als Körperschaft zu qualifizieren ist. Folgende Voraussetzungen müssen demnach gegeben sein:

2.99

– Gesellschaftsverhältnis Die in Betracht kommenden Personen müssen durch ein gesellschaftsrechtliches Band nicht körperschaftlicher Art verbunden sein. Der im Ausland wohnende und von dort ein inländisches Unternehmen leitende, angestellte Geschäftsführer bezieht i.d.R. keine Einkünfte aus Gewerbe.3 Nicht entscheidend ist, ob sich die Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages nach deutschem oder ausländischem Recht richtet. – Gewerbliche Betätigung Die Gesellschaft muss im Inland eine gewerbliche Tätigkeit entfalten. Sie ist insoweit Einkünfteerzielungssubjekt.4 Für inländische Personengesellschaften folgt dies aus der gesamthänderi1 Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Klammerzusatz im Gesetz. 2 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; FG Köln v. 6.8.1981 – IX (VI) 365/78 E, EFG 1982, 249. 3 Vgl. Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 280 ff. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (752) – Personengesellschafts-Entscheidung.

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Kap. 2 Rz. 2.100 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung schen Verbundenheit der Gesellschafter. Im Übrigen bewirkt § 49 Abs. 2 EStG, dass die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter im Ausland außer Betracht bleiben. – Mitunternehmerschaft Diese zeigt sich an der Entfaltung von Unternehmerinitiative und dem Tragen unternehmerischen Risikos.1 Auch die atypisch stille Gesellschaft begründet eine Mitunternehmerstellung. Der BFH hat dies ausdrücklich für das DBA-Schweiz entschieden,2 da sein Art. 7 Abs. 7 eine Sonderregelung enthält.3 Aber auch für andere DBA gilt nichts anderes.4 – Betriebsstätte Die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft begründet für den ausländischen Gesellschafter nicht ipso iure eine Betriebsstätte.5 Vielmehr muss klar zwischen der Beteiligung und der Betriebsstätte unterschieden werden.6 Die Personengesellschaft muss im Inland eine Betriebsstätte i.S. von § 12 AO unterhalten, wie umgekehrt die Beteiligung an einer (inländischen oder ausländischen) Personengesellschaft aufgrund der steuerlichen Transparenz dem im Inland Ansässigen ihre Betriebsstätte anteilig vermittelt. Dabei reicht eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte aus. Bereits seit Längerem wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Mitunternehmer für den Sonderbetriebsbereich eine eigene „Mitunternehmer-Betriebsstätte“ unterhalten kann.7 Dieser Auffassung hat sich der BFH unlängst im Grundsatz angeschlossen.8 Voraussetzung ist allerdings, dass sich die wirtschaftliche Betätigung des Mitunternehmers nicht in einer Verwaltung des Sonderbetriebsvermögens (z.B. der Gewährung eines Darlehens oder des Haltens einer Beteiligung) erschöpft, sondern bei „abkommensrechtlich gebotener isolierter Betrachtung“ eine unternehmerische Betätigung vorliegt.9 Der Anwendungsbereich der „Mitunternehmer-Betriebsstätte“ ist damit ausgesprochen eng.10 3. Betriebsstättenbegriff

2.100 Die Existenz einer Betriebsstätte ist die in der Praxis wichtigste Inlandsanknüpfung für gewerbliche

Tätigkeiten. Die Definition der Betriebsstätte nimmt das deutsche Steuerrecht in § 12 AO vor. Danach ist Betriebsstätte „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“. Diese generalklauselartige Beschreibung, die in § 12 AO durch eine Reihe beispielhafter („insbesondere“) Aufzählungen erläutert wird, macht auf den ersten Blick deutlich, dass nicht die bloße gewerbliche Betätigung im Inland vom deutschen Steuerrecht als ausreichende Inlandsbeziehung angesehen wird, vielmehr muss hinzukommen, dass diese sich in einer örtlichen Einrichtung des Unternehmens im Inland vollziehen muss. Erst diese schafft die notwendige Be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 263 f. BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 314. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 50 f.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 361; Breuninger/Prinz, DStR 1995, 927 (929); Schmidt, IStR 1996, 217 (221); Schnieder, IStR 1999, 392 (397), a.A. Wassermeyer, IStR 1995, 47 (51). So aber Heining, Besteuerung der Ausländer, 50; ähnlich auch Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 62 (Stichwort Personengesellschaft). BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 615; Piltz, Personengesellschaften, 208. Siehe etwa Häck, IStR 2011, 71 (73); Meretzki, IStR 2009, 217 (219 u. in Fn. 63); Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer, IStR 2011, 85 (89); Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41); Wassermeyer, IStR 2007, 330 (335); Wassermeyer, IStR 2006, 273 (274). BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770 = FR 2014, 57 m. Anm. Kempermann; v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172 = FR 2014, 714; v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 = FR 2014, 480; s. auch Kahlenberg/Hagemann, BB 2014, 215. Damit dürfte gemeint sein, dass sich die Betätigung als solche als originär unternehmerische Betätigung darstellt (Kahlenberg/Hagemann, BB 2014, 215 [216]). Kahlenberg/Hagemann, BB 2014, 215 (216).

168 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.102 Kap. 2

ziehung zum Inland, um von einer inländischen Steuerquelle sprechen zu können (Rz. 2.87). Umgekehrt bedeutet dies, dass bereits das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Inland dazu führt, dass derjenige Teil des Erfolges des Unternehmens, der in und durch die Betriebsstätte erwirtschaftet wird, als solcher einer inländischen Einkunftsquelle gewertet wird. Dies macht die Ausgrenzung aus dem Gesamterfolg notwendig.1 Der lange Jahrzehnte anerkannte Begriff der Betriebsstätte ist vor allem international (Rz. 2.147 und Rz. 2.149) in die Diskussion geraten. Die IFA hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit der Betriebsstättenproblematik befasst.2 Eingehend hatte bereits Skaar3 dargestellt, dass die durch die Kriterien einer Betriebsstätte errichtete Schwelle für die beschränkte Steuerpflicht unternehmerischer Einkünfte immer weiter abgesenkt würde. Die OECD hat sich des Themas intensiv angenommen.4 Gleichwohl sind viele Fragen offen, so dass im Oktober 2011 eine neue Initiative gestartet wurde.5 Auch wenn dies die Auslegung des Begriffs im Abkommen (siehe Rz. 2.136 ff.) betrifft, sind Auswirkungen auch auf das innerstaatliche Steuerrecht zu erwarten. Daher ist vieles im Fluss.

2.101

Generell lassen sich beim Betriebsstättenbegriff folgende Merkmale unterscheiden:

2.102

– Objektive Merkmale Diese enthalten Aussagen darüber, welche Eigenschaften die Betriebsstätte selbst erfüllen muss. Nach § 12 AO handelt es sich dabei um – Geschäftseinrichtungen oder Anlagen (Rz. 2.103) als Betriebsstätteneinrichtung, – eine feste Beziehung zur Erdoberfläche (Rz. 2.105). – Subjektive Merkmale Sie betreffen die Beziehung zwischen der Betriebseinrichtung und dem Unternehmen: – Verfügungsrecht (Rz. 2.106), – Dauer (Rz. 2.109). – Funktionale Merkmale Mit ihnen wird die Beziehung zur unternehmerischen Tätigkeit des Stammhauses festgelegt: – Wahrnehmung von Unternehmensfunktionen (Rz. 2.110); hier kann zwischen eigentlicher Kerntätigkeit und Nebentätigkeit unterschieden werden; – Art des Beitrags der Betriebseinrichtung (Rz. 2.114). Müssen die Unternehmensfunktionen in der Einrichtung stattfinden oder reicht ein (mittelbares) Dienen? Die Betriebsstättengrundsätze6 gehen in Tz. 2 nur kurz auf die allgemeinen Kriterien des Betriebsstättenbegriffs ein. Die Verwaltung beschäftigt sich dabei nur mit dem Merkmal der festen Geschäftseinrichtung. 1 Zu den Einzelheiten Strunk, IWB 2003, Fach 3, Gruppe 3, 1377. 2 Umfassend 2009 Kongress in Vancouver, vgl. IFA, Is there a permanent establishment, CDFI Vol. 94a, Generalbericht durch Sasseville/Skaar, S. 21–62; siehe auch Eckl, IStR 2009, 510. 3 Vgl. Skaar, Permanent Establishment, 560 ff. 4 Niederschlag hat dies in Art. 5 Rz. 42.11 ff. OECD-MK gefunden; vgl. auch Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 834. 5 OECD, Interpretation and application of article 5 (permanent establishment) of the OECD Model Tax Convention, Paris 2011. 6 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354).

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Kap. 2 Rz. 2.103 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung a) Objektive Merkmale

2.103 Die Betriebsstätteneinrichtung wird vom Gesetz als „Geschäftseinrichtung oder Anlage“1 um-

schrieben, wobei die Abgrenzung der beiden Begriffe weitgehend offen ist.2 Darunter ist jeder körperliche Gegenstand und jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände zu verstehen,3 die einer Unternehmenstätigkeit dienen können. Zweifelsfrei rechnen hierzu Gebäude, Räume, Grundstücke4 oder mit dem Grund und Boden fest verbundene Vorrichtungen. Selbst ein Laptop oder ein Orderblock eines Verkäufers im Außendienst kommt als „Geschäftseinrichtung“ in Betracht.5 Um eine feste örtliche Anlage des ausländischen Unternehmens braucht es sich seit der Gesetzesänderung 1977 aber nicht mehr zu handeln, so dass auch eine für eine gewisse Zeit aufgestellte, transportable Einrichtung, z.B. ein Marktstand oder eine Imbissbude, eine Betriebsstätte begründen kann. Nicht erforderlich ist, dass Personal vorhanden ist. Rein technische Anlagen – Pipeline,6 Server7 – kommen daher als Betriebseinrichtung in Betracht.

2.104 Die äußerliche Kennzeichnung als Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens ist weder

erforderlich noch genügend. Der Angestellte einer ausländischen Gesellschaft, der im Inland von seiner Privatwohnung aus unter Benutzung seines eigenen Telefons Geschäfte für die ausländische Gesellschaft tätigt, begründet also auch dann keine Betriebsstätte, wenn er im Telefonbuch neben seinem Namen einen Hinweis auf die ausländische Gesellschaft eindrucken lässt oder wenn er ein entsprechendes Firmenschild am Haus anbringt. Ein solches Firmenschild wäre eine bloße irreführende Übertreibung. Die Frage nach dem Vorhandensein einer Betriebstätte beurteilt sich nicht nach der äußerlichen Erscheinung oder Wirkung – schon gar nicht nach werbemäßigen Hinweisen –, sondern nach der vorhandenen Substanz.

2.105 Die Betriebseinrichtung muss „fest“ sein. Fest bedeutet nach Ansicht des BFH8 einen auf Dauer

angelegten Bezug zur Erdoberfläche, ohne dass eine mechanische Verbindung erfolgen müsste. Bewegliche Einrichtungen und Fahrzeuge, erst recht ein Laptop, sind keine festen Anlagen, ihnen fehlt es an einer dauernden Beziehung zu einem Punkt der Erdoberfläche.9 Ein Wohnmobil, mit dem der Unternehmer herumfährt, um seine Kunden zu besuchen, begründet keine Betriebsstätte. Kehrt der Unternehmer wöchentlich zur selben Stelle zurück, z.B. Marktstand auf Wochenmarkt, so soll die Festigkeit der Verbindung mit einem Punkt der Erdoberfläche erfüllt sein. Offen ist allerdings, ob auch der Abverkauf von einem Lkw ausreicht. Das Merkmal „fest“ ist nicht erfüllt bei nur kurzfristigen Marktständen, z.B. Stand auf dem Weihnachtsmarkt.10 Wo jedoch die exakten Grenzen verlaufen, ist der Rspr. nicht zu entnehmen. Ein Monat am Stück reicht danach nicht, während wöchentlich regelmäßig ein Tag reicht. Wie wäre es dann bei einem Eisstand während der Sommerzeit von zwei bis drei Monaten? Meines Erachtens ist das Merkmal der Dauer (Rz. 2.109) hierfür entscheidend.

1 Bis 1976: „feste örtliche Anlage oder Einrichtung“ (§ 16 StAnpG). 2 So Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 4: Geschäftseinrichtung eher klein und kaufmännisch, Anlage eher groß und technisch; a.A. Mittermüller, RIW 1982, 812. 3 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 4; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 7; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 8 f.; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 4 Deshalb kann ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück eine Betriebsstätte bilden, BFH v. 2.4.2014 – I R 68/12, BStBl. II 2014, 875. 5 Skepsis wird erkennbar bei Buciek, DStZ 2003, 139. 6 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 7 Vgl. Art. 5 Rz. 42.2 und 42.7 OECD-MK; Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 228; vgl. auch BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683. 8 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; so auch h.M.: Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 6; siehe auch BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107 (108); Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 11. 9 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 7ff. 10 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II BFH/NV 2003, 636.

170 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.107 Kap. 2

b) Subjektive Merkmale Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt die (noch) h.M.,1 dass der Unternehmer Verfügungsmacht über die Einrichtung besitzt und dass sie ihm nicht nur zur Verfügung gestellt wird, wenn er sie braucht. Dieses Merkmal, abgeleitet aus dem „Dienen“ der Betriebsstätte für die Unternehmenstätigkeit, lässt sich dadurch begründen, dass das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch die Betriebsstätte ausüben muss, was wiederum so verstanden wird, dass die Betriebsstätte eine solche des Unternehmens sein muss.2 Der Vermieter oder Verpächter einer Immobilie nutzt diese nicht selbst und besitzt i.d.S. nicht die Verfügungsmacht über diese, die Immobilie ist daher nicht seine Betriebsstätte.3 Das ausländische Unternehmen besitzt dann die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht, wenn die Geschäftseinrichtung entweder ihm gehört oder wenn es sie gemietet bzw. gepachtet hat.4 Es kommt darauf an, dass ihm die Verfügungsmacht nicht ohne seine Mitwirkung entzogen werden kann.5 Die Mitbenutzungsmöglichkeit reicht nicht aus. Deswegen begründen z.B. die von selbständigen Gewerbetreibenden gepachteten Tankstellen von Ölgesellschaften keine Betriebsstätten der Ölgesellschaften.6 Daher fallen z.B. auch regelmäßig aufgesuchte Hotelzimmer nicht darunter. Nach Ansicht des BFH7 reicht auch die unentgeltliche Überlassung aus, sofern die Verfügungsmacht des Unternehmens aufgrund einer Rechtsposition besteht, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann.8 Verfügungsmacht besteht nicht, wenn das Gewerbe an einem zugewiesenen, nicht abgeschlossenen Platz in einem anderen Unternehmen gehörenden Gebäude ausgeübt wird (z.B. Schreibtisch im Großraumbüro; Arbeitsplatz im Schlachthof).9 Dies hat bei Baustellen und Montagen Bedeutung, wenn der Bauunternehmer keine Verfügungsmacht über die Baustelle besitzt.10 In gleicher Weise gilt dies bei ausländischen Beratungsunternehmen, die Betriebsanalysen im Inland durchführen und deren Mitarbeiter dabei Geschäftsräume der Auftraggeber benutzen. Die Vorstellung der Finanzverwaltung11 von „fliegenden Betriebsstätten“ widerspricht dem Gesetz.12 Der Server kann nur für Verfügungsberechtigte eine Betriebsstätte begründen, nicht aber für dessen Kunden, der lediglich die technischen Möglichkeiten nutzt.13

2.106

Die Rspr.14 hat sich wiederholt mit der Mitbenutzung von Räumen, insbesondere auch der Nutzung von Räumen in der Privatwohnung, befasst. Durchgehend wird auf das Verfügungsrecht des Unternehmens abgestellt. Der Unternehmer bzw. die vertretungsberechtigten Personen eines Unternehmens können in der Privatwohnung eine Betriebsstätte begründen (Rz. 2.119). Wird ein Angestellter in seiner Privatwohnung regelmäßig für sein Unternehmen tätig, so soll dies keine Be-

2.107

1 Gersch in Klein, § 12 AO Rz.5; Kühn/Kutter/Hofmann, § 12 AO Rz. 2; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 16; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 11; BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 2 So zu Recht Kroppen, IWB 2005, 727 (730 f.). 3 BFH v. 13.6.2006 – I R 84/05, BStBl. II 2007, 94 (st. Rspr.). 4 RFH v. 30.4.1935 – IA 13/35, RStBl. 1935, 840; BFH v. 10.5.1961 – 155/60 U, BStBl. III 1961, 317 (319); v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227; v. 5.10.1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/69, EFG 1970, 327. 5 Ebenso Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 201. 6 BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477. 7 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327: ein leitender Angestellter mietete Räume unter seinem Namen an und stellte sie dem Unternehmen zur Verfügung. 8 BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. 9 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365 – Ausbeiner-Fall. 10 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 11 FinMin NW, Erl. v. 1.7.1982 – S 2711 - 3-B 5, BB 1982, 1902. 12 FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 13 BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683. 14 Ausführlicher Nachweis bei Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 14.

Lampert | 171

Kap. 2 Rz. 2.108 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung triebsstätte des Unternehmens begründen, selbst wenn der Arbeitgeber die Miete trägt.1 Erst recht gilt dies, wenn der Arbeitnehmer die Miete selbst zahlt.2 Ebenso begründet eine auf den Namen des Angestellten lautende und von diesem bezahlte Telefon- oder Fernschreibanlage keine Betriebsstätte. Die OECD greift das Thema einer Betriebsstätte in den Privaträumen eines Angestellten in ihrem Bericht auf.3 Hierbei will sie auf die Umstände jedes Einzelfalls abstellen und durchaus eine Betriebsstätte bejahen, wenn der Angestellte regelmäßig und dauernd für seinen Arbeitgeber in seiner Privatwohnung tätig wird. Sie hält dies jedoch eher für Ausnahmefälle und verweist darauf, dass es sich i.d.R. um Hilfstätigkeiten (Rz. 2.143) handelt.

2.108 In der Rspr.4 des I. Senats5 des BFH ist eine Tendenz festzustellen, dem Merkmal der Verfügungs-

macht geringere Bedeutung beizulegen (siehe auch Rz. 2.106 ff.). Er bezeichnet seine neue Rspr. als gewisse Fortentwicklung.6 Letztlich entscheidend soll sein, „dass eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird.“ Zur Kennzeichnung der örtlichen Bindung verwendet das Gericht auch die Bezeichnung „Verwurzelung“. Es fordert nicht mehr eine rechtliche Absicherung, wenn aus tatsächlichen Gründen ein bestimmter Raum zur Nutzung zur Verfügung steht. Mit diesem Urteil ergibt sich die Betriebsstätte bereits aus den Merkmalen der Einrichtung, deren Beziehung zur Erdoberfläche und der Nachhaltigkeit. Die Aufgabe des Merkmals der rechtlichen gesicherten Verfügungsmacht verwischt die Grenze zum Tätigkeitsprinzip. Erbringt der ausländische Unternehmer innerhalb einer inländischen Einrichtung seine Leistung, so wird er hier lediglich tätig. Erst wenn er seine Leistung mittels der Einrichtung erbringt, hat er eine inländische Betriebsstätte. Das Gesetz geht, wie auch die Beispiele verdeutlichen, von produzierenden und handelnden Unternehmen aus. Bei Dienstleistungsunternehmen (siehe Rz. 2.147) spielt die Verfügungsmacht über konkrete Räume eine untergeordnete Rolle, so dass bei diesen in der Tat das Tätigkeitsprinzip angemessen erschiene. Bezeichnenderweise betrifft das BFH-Urt. auch ein Dienstleistungsunternehmen. Solange jedoch keine Änderung7 des Gesetzes erfolgt, geht es nicht an, den Betriebsstättenbegriff je nach der Art des betriebenen Unternehmens anders zu definieren. Der Begriff verliert sonst seine klaren Umrisse und Rechtsunsicherheit ist die Folge. Der von der OECD behandelte Anstreicher-Fall8 macht dies überdeutlich: Dieser erbringt seine Leistung – das Anstreichen des Hauses – an dem Haus, nicht mittels des Hauses. Die Unternehmenstätigkeit erfolgt am Gegenstand, nicht durch denselben.

2.109 Bereits der RFH9 hatte aus dem Wort „fest“ in § 16 StAnpG gefolgert, dass die Betriebsstätte eine

gewisse Dauer und Nachhaltigkeit aufweisen muss.10 Dies wird heute ebenfalls als erforderlich angesehen,11 ja man kann durchaus davon sprechen, dass dem Zeitelement eine immer größere Rolle zugemessen wird. Immerhin führt dieses Element zum Ausschluss nur kurzer Tätigkeiten aus dem Betriebsstättenbegriff. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein ausländischer Boxveranstalter führt im Inland einen Boxkampf durch. Zu diesem Zweck errichtet er ein Zelt mit einem Boxring. Die Anlage ist eine feste und dient auch seinem Unternehmen, sie ist aber nur vorübergehend. Den Gesetzesmotiven zur AO 1977 ist nicht zu entnehmen, ob unter Ausweitung des Be1 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 14 mit Hinweis auf BFH. 2 Er kann dann allerdings ständiger Vertreter werden, vgl. Rz. 2.158 ff. 3 OECD Model Tax Convention: Revised Proposals concerning the Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) 19 October 2012 to 31 January 2013, Rz. 22 ff., 12 f. 4 BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. 5 Vgl. zwei Richter dieses Senats: Wassermeyer in FS Kruse, 589 (594); Buciek, DStZ 2003, 139. 6 BFH v. 10.3.1993 – I R 70/91, BStBl. II 1993, 446 r. Sp. 7 Reimer, IStR 2009, 379 (380) hält die Ausweitung mit dem Gesetzeswortlaut für vereinbar. 8 Art. 5 Rz. 4.5 OECD-MK; krit. hierzu auch Kroppen, IWB 2005, 731. 9 RFH v. 8.10.1941 – VI B 11/41, RStBl. 1941, 814. 10 BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59, BStBl. III 1960, 468; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162. 11 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 65; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 2; Feuerbaum, Industrieanlagenbau, 44 ff.; Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 7; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 14 f.; Buciek in Beermann/ Gosch, § 12 AO Rz. 10.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.110 Kap. 2

griffs auch in derartigen Fällen eine Betriebsstätte gewollt war. Der Betriebsstättenbegriff würde auch dann jegliche Konturen verlieren, wenn selbst die kurzfristige Benutzung fester Anlagen eine Betriebsstätte begründen würde. Daher ist am Erfordernis einer gewissen Dauerhaftigkeit festzuhalten. Unklar ist allerdings, wann diesem Erfordernis im Einzelfall Genüge getan ist. § 12 AO gibt lediglich bei Bauausführungen und Montagen eine zeitliche Grenze. Dies erklärt sich daraus, dass Bauausführungen und Montagen von vorneherein zeitlich befristet sind. Daher ist die Festlegung einer Mindestfrist unerlässlich, ohne dass ein Rückschluss auf die anderen Fälle zwingend erfolgen könnte. Als „dauerhaft“ könnte daher angesehen werden, wenn bei Begründung der Betriebsstätte eine unbefristete Tätigkeit geplant ist und eine Frist nur bei ihrer Natur nach befristeten Tätigkeit angesetzt wird. Dies würde allerdings zu unterschiedlichen Wertungen für die einzelnen Arten führen, für die Rechtfertigungen nicht erkennbar sind. Es spricht daher vieles dafür, beim Überschreiten des 6-Monats-Zeitraums in jedem Fall die Nachhaltigkeit zu bejahen.1 Andere nehmen für den Regelfall längere Fristen (neun bis zwölf Monate) als für Bauausführungen an.2 Es lassen sich aber auch kürzere Fristen als ausreichend ansehen.3 Richtigerweise wird man auf die Umstände des Einzelfalls abstellen müssen,4 wobei die Sechs-Monats-Frist ein Anhaltspunkt ist. Hier gelten ähnliche Erwägungen wie beim gewöhnlichen Aufenthalt (Rz. 2.40), da die Rspr. eine nicht nur vorübergehende Tätigkeit verlangt.5 Abschließend ist die Dauer noch nicht geklärt.6 Die OECD hat diese Frage auch in ihren Draft Report 20117 aufgenommen. Dabei behandelt sie die Tätigkeiten, die ihrer Natur nach kurzfristig sind, aber jährlich regelmäßig wiederkehren. Beispiel: Der Italiener I betreibt jedes Jahr auf Sylt während der Sommermonate von Anfang Juni bis Ende August einen Eissalon.

Einerseits bestätigt die OECD, dass die Betriebsstätte „a certain degree of permanency“ verlange; macht aber eine Ausnahme, wenn „the nature of the business is such that it will be carried on for that short period of time.“ Als Beispiel wird hierfür wird der Fall erwähnt, dass ein Unternehmen auf einer Messe 15 Jahre lang einen Stand für jeweils fünf Wochen mietet, um dort seine Produkte zu verkaufen. c) Funktionale Merkmale – Unternehmenstätigkeit In der Betriebsstätteneinrichtung muss der Betrieb des Unternehmens ausgeübt werden. Dies folgt aus dem Merkmal des „Dienens“.8 Dies hat eine doppelte Bedeutung. In der Einrichtung spielt sich unternehmerische Aktivität ab, sie ist nicht selbst Gegenstand der Tätigkeit des Unternehmens. Dies kann der Unterscheidung in Anlage- und Umlaufvermögen entsprechen. So begründet ein ausländischer Grundstückshändler durch inländische Grundstücke keine Betriebsstätte.9 Auch „dient“ eine vermietete Immobilie nicht dem Unternehmen, da der Vermieter nicht in dieser eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, sondern mit dieser vermögensverwaltend tätig wird und in der eigenen Nutzung der Immobilie durch die Rechte des Mieters eingeschränkt ist.10 Ob das Merkmal der Geschäftstätigkeit reine Vermögensverwaltungen aus1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

So Gersch in Koch, § 12 AO Rz. 5; Storck, RIW 1979, 767 (768); Kempermann, FR 1993, 340. Feuerbaum, DB 1972, 887 (888); Kolck, Betriebsstättenbegriff, 47 ff. Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 7; Schieber, IStR 1994, 521 (527). BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107; FG München v. 11.12.1985 – I 47/50 C 1, EFG 1986, 259; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 10. RFH v. 8.10.1942 – VI B 11/41, RStBl. 1941, 814; st. Rspr. BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107 (109). So auch BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 465. OECD, Draft Report 2011, Rz. 32 ff. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 21 ff. Ebenso Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Anm. 200 f. BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 691.

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2.110

Kap. 2 Rz. 2.111 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung schließt,1 so dass der bloße Besitz von Grund- oder Kapitalvermögen nicht Gegenstand einer „Geschäfts“tätigkeit sein kann, ist nicht abschließend geklärt. Auch wenn eine reine Holdingbetriebsstätte unter den Betriebsstättenbegriff des § 12 AO2 fallen sollte, so kommt es nicht zur beschränkten Steuerpflicht, weil es sich nicht um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Unterhält bspw. ein ausländisches Unternehmen mit großem, vermietetem inländischen Immobilienbesitz ein Büro im Inland zwecks Betreuung der Immobilien, so mag zwar eine Betriebsstätte vorliegen, aber die beschränkte Steuerpflicht beruht gleichwohl auf § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Anders ist es bei einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte. Dies gilt auch für die Betriebsstätte einer nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten Personengesellschaft. Die Prägung wirkt sich allerdings nur im nationalen Steuerrecht aus. Im Abkommensrecht führt eine vermögensverwaltende Tätigkeit einer Betriebsstätte nicht zu „Gewinnen eines Unternehmens“ i.S.v. Art. 7 OECD-MA.3 Das Halten von Beteiligungen durch eine im Übrigen aktive Betriebsstätte gehört nur bei funktionaler Zugehörigkeit zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Geschäftstätigkeit zum Betriebsstättenvermögen.4

2.111 Anders als im DBA-Recht (Rz. 2.136) unterscheidet § 12 AO nicht nach der Art der Tätigkeit in der Betriebsstätte, so dass auch untergeordnete Tätigkeiten ausreichen. Dabei ist der Begriff der Tätigkeit weit zu verstehen und verlangt nicht die Anwesenheit von Personen,5 so dass auch Automaten eine Betriebsstätte begründen können.6

2.112 Im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 OECD-MA – Bauausführung als Betriebsstätte – wird in

Tz. 19 auch der Fall behandelt, dass ein Generalunternehmer eines großen Projektes auch dann weiterhin eine Betriebsstätte unterhält, wenn er die Ausführung einem Subunternehmer überträgt.7 Die Baustelle soll dann weiterhin dem Generalunternehmer zur Verfügung stehen (Rz. 2.106). Der Subunternehmer soll dann selbst eine Betriebsstätte begründen, wenn er die im jeweiligen DBA vorgesehene Zeitschwelle überschreitet, wobei unklar ist, was dann mit der Betriebsstätte des Generalunternehmers geschieht. Nunmehr8 greift die OECD dies wiederum auf und sie sieht sie nun eher als eine Frage der persönlichen Ausübung der Unternehmenstätigkeit.9 Diskutiert werden die Fragen am sog. Ölplattform-Fall: Beispiel: KCo ist ein in ansässiges Unternehmen, welches Dienstleistungen der Ölindustrie erbringt. So auch OCo gegenüber, einem in S ansässigen Ölunternehmen, das in S eine Ölplattform betreibt. Zu den Dienstleistungen gehört auch das Catering auf der Plattform. Hierzu bedient sich KCo des in S ansässigen Catering-Unternehmens FCo, wobei nur KCo OCo gegenüber verantwortlich ist. Auf der Platt1 So Bendlinger, IStR 2009, 521; a.A. FG Bremen v. 25.6.2015 – 1 K 68/12, juris – Rev. I R 58/15 – Besprechung des Urteils durch Salzmann, IStR 2016, 309; Haase, IStR 2014, 170. 2 So Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 140; für das Abkommensrecht bejahend Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 25. 3 Für eine autonome Auslegung des DBA mit der h.M.: BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; gegen BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.1 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/ 09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1). 4 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 5 BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; FG Düsseldorf v. 10.9.1999 – 9 K 524/86 BB, EFG 1992, 717; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECDMA Rz. 33; Wassermeyer, IStR 1997, 149; Portner, IStR 1998, 553; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 5. 6 Art. 5 Rz. 42.6 OECD-MK; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 7 Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 20; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 23. 8 OECD, Interpretation and application of Art. 5, Paris 2011, 20. 9 Behandelt in Art. 5 Rz. 10 OECD-MK, wo neben dem Personal des Unternehmens vor allem Automaten erörtert werden.

174 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.113 Kap. 2 form ist nur FCo tätig, die übrigen Ingenieurdienstleistungen für die Plattform erbringt KCo in seinen Büros in R.

In Ergänzung von Art. 5 Rz. 10 des OECD-MK soll eingefügt werden, dass es zur Begründung einer Betriebsstätte nicht ausreicht, wenn ein Subkontraktor die Tätigkeit eines Unternehmens ausübt. Vielmehr müssten auch die übrigen Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllt sein, insbesondere die Verfügungsmacht des Unternehmens über die Einrichtungen muss gegeben sein. Dies könne sich aus der letztlichen Verantwortlichkeit („overall responsibility“) des Unternehmens ergeben. Sehr viel klarer werden dadurch die maßgebenden Kriterien nicht. Die Lösung kann sich nur aus den vertraglichen und faktischen Gestaltungen im Einzelfall ergeben. Ähnliche Fragen stellen sich dann, wenn sich mehrere unabhängige Unternehmen zur Erledigung eines größeren Projektes in einem Joint-Venture zusammenschließen und jeweils Teilarbeiten erbringen.1 Auch hierbei kommt es darauf an, ob die Tätigkeit des einen Unternehmens dem anderen zugerechnet werden kann und welche Einflussmöglichkeiten in concreto bestehen. In Abwandlung des Hotel-Falls2 kann man die Fragen folgendermaßen darstellen: Beispiel: Die ausländische Immobiliengesellschaft errichtet in Deutschland ein Hotelgebäude. Die Inneneinrichtung wird einer ausländischen Innenarchitektin übertragen. Das Hotel wird von einer ausländischen Hotelbetriebsgesellschaft durch einen abgeordneten Hoteldirektor betrieben.

Der BFH3 bejaht eine Betriebsstätte der Hotelbetriebsgesellschaft. Der Betrieb des Hotels ist an sich eine Aufgabe der Immobiliengesellschaft, zugleich aber auch eine Unternehmenstätigkeit der Hotelbetriebsgesellschaft, die auch die Verfügungsmacht über das Hotel ausübt.4 Ob die Immobiliengesellschaft ebenfalls eine Betriebsstätte durch das Hotel begründet, hängt entscheidend davon ab, welche Einflussmöglichkeiten sie auf den Betrieb besitzt. Ähnliches schlägt die OECD in einer neuen Rz. 10.4 des OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA für die Lösung für ein Joint Venture vor. Ebenfalls gehört die Behandlung von abgeordnetem Personal in internationalen Unternehmen hierhin.5 Bei diesem kommt es einerseits darauf an, wessen Aufgaben es wahrnimmt. Dies können solche des entsendenden Unternehmens sein, aber auch solche des aufnehmenden Unternehmens. Im ersteren Fall müssen sie dem entsendenden Unternehmen die übrigen Voraussetzungen einer Betriebsstätte, wie z.B. Verfügungsmacht, vermitteln, damit dieses eine Betriebsstätte durch das Personal begründet. Dabei spielen auch Weisungsrechte eine entscheidende Rolle. Dies entspricht der h.M.,6 wonach es darauf ankommt, dass der Subunternehmer auf Gefahr und Rechnung des Unternehmens tätig wird sowie von diesem laufend überwacht wird. Während die OECD nunmehr, wie dargelegt, bei der Einschaltung von Subunternehmern entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse bei der Verfügungsmacht über die Betriebsstätte abstellt, ist die Auffassung des BFH in neueren Entscheidungen nicht mehr eindeutig festzustellen. In den zuvor behandelten Fällen ging es darum, ob das Subunternehmen in fremden Räumen eine Betriebsstätte begründet. In der Entscheidung vom 24.8.20117 behandelt das Gericht den Fall einer Auslagerung von Geschäftsführungstätigkeiten auf eine Management-Gesellschaft und der Begründung einer Betriebsstätte des Auftragsgebers in den Räumen des „Subunternehmens“. Dem Sachverhalt nach hatte ein britischer Private Equity Fonds mit einer britischen Kapitalgesellschaft A einen Managementvertrag geschlossen, weil deren Geschäftsführer über die erforderlichen Genehmigungen 1 2 3 4

Erörtert im OECD-Bericht 2011, 22 f. Siehe hierzu Mössner in FS Vogel, 956 ff. BFH v. 3.2.1993 – I R 80, 81/91, BStBl. II 1993, 462. Ebenfalls zur Tätigkeit in fremden Räumen siehe BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 4.6.2008 – I R 30/67, BStBl. II 2008, 922; bei durchaus vergleichbaren Sachverhalten kommt das Gericht zu unterschiedlichen Ergebnissen. 5 OECD-Bericht 2011, 18 f. 6 Z.B. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 20; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 23; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 20. 7 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 m. Anm. Wassermeyer.

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2.113

Kap. 2 Rz. 2.114 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung für Finanztransaktionen verfügten. Der Fonds hatte seinerseits eine britische Kapitalgesellschaft B als Geschäftsführerin. Deren Geschäftsführer wiederum waren zugleich Mitarbeiter („directors und non-executive directors“) der Gesellschaft A. Sie übten ihre Tätigkeit in den Räumen der Gesellschaft B aus. Dazu gehörten auch die Tätigkeiten, die die B für die A wahrnahm. Hatte er noch wenige Jahre1 zuvor keine Betriebsstättenbegründung bei einer Tätigkeit in den Räumen eines Vertragspartners angenommen, bejahte das Gericht, dass die A infolge des Managementvertrages auch ohne ein vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht die Räume der B nicht nur gelegentlich mitbenutzte. Ausschlaggebend sei, dass die A „mittels der vertraglichen Überantwortung von Aufgaben und dadurch mittels eines entsprechenden sachlichen und personellen Apparats in der Lage war, ihrer unternehmerischen Tätigkeit operativ nachzugehen.“ Dies vermittle ihr Verfügungsmacht über die Räume der B. Diese Ausführungen sind sehr generell gehalten und stellen nicht auf die „Doppelfunktion“ der Mitarbeiter ab. Die Entscheidung liegt damit auf der Linie weiterer2 Urteile.

2.114 – Art des Beitrags Die zweite Bedeutung besteht darin, dass eine eigene unternehmerische Tätigkeit in der Betriebsstätte ausgeübt werden muss. Dass letztlich die Tätigkeit dem Unternehmen zugutekommt, also ihm irgendwie „dient“, reicht nicht aus. Stillgelegte Betriebe sind keine Betriebsstätten. Es muss sich in ihr eine nachhaltige, mit Gewinnabsicht unternommene menschliche Tätigkeit vollziehen, wobei jedoch auch Nebentätigkeiten oder technische Hilfstätigkeiten genügen, sofern diese nur dem Gewerbebetrieb als solchem unmittelbar dienen.3 Dies ist dann der Fall, wenn die in der Einrichtung wahrgenommene Tätigkeit auf Rechnung und Gefahr des Unternehmers erfolgt.4 Sozialeinrichtungen, z.B. ein Erholungsheim, dienen nur mittelbar dem Unternehmen.5 Nicht erforderlich ist, dass sich Personen in der Betriebsstätte aufhalten6 bzw. aufhalten können. Vom Ausland betriebene automatische Anlagen – Pipelines,7 Sendeanlagen, Computerstationen – kommen als Einrichtungen, die dem Unternehmen dienen, in Betracht. Diese letztere Aussage ist nicht unproblematisch. Sie enthält eine nicht unwesentliche Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs. Sie verzichtet auf das Merkmal des Ausübens von Unternehmenstätigkeit in der Anlage und modifiziert es zur Unternehmenstätigkeit durch die Anlage. Unproblematisch ist dies nicht.8

2.115 Das Merkmal, dass die Einrichtung der Unternehmenstätigkeit dienen muss, hängt eng mit dem Verfügungsrecht (Rz. 2.106) und der Tätigkeit gerade dieses Unternehmens zusammen. Trotz der unterschiedlichen Formulierung in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (Rz. 2.136 f.) geht auch die OECD von einer engen Verknüpfung der Betriebsstätte mit der Unternehmenstätigkeit aus. Daher führt es nicht notwendigerweise zur Begründung einer Betriebsstätte, wenn sich Personal eines Unternehmens in den Räumen eines anderen Unternehmens aufhält.9 Als Beispiel wird genannt, dass sich Personal eines Unternehmens zur Hereinholung von Aufträgen regelmäßig in den Räumen der Kunden aufhält. Der Kommentar lässt es in diesem Fall am Verfügungsrecht scheitern. Der OECD-Bericht 201210 unterscheidet stärker als zuvor zwischen eigenen und fremden Unterneh1 2 3 4 5

6 7 8 9 10

BFH v. 22.4.2009 – I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588. BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; v. 13.10.2011 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. RFH v. 14.3.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317. FG BW v. 11.5.1992 – 3 K 309/91, EFG 1992, 653. H.M.: RFH v. 22.1.1941 – VI B 7/40, RStBl. 1941, 90; v. 17.9.1941 – VI B 15/41, RStBl. 1941, 764; BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; FG Köln v. 14.7.1987 – 5 K 459/83, EFG 1987, 568; krit. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 22; FG Hess. v. 26.3.1982 – VIII 326/78, EFG 1983, 35; abl. Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 23; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 52. Dadurch unterscheidet sich die Betriebsstätte von der Geschäftseinrichtung in Art. 14 OECD-MA. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Siehe Wassermeyer, IStR 1997, 147. Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK. OECD-Bericht 2012, 11, Rz. 17.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.117 Kap. 2

menstätigkeiten. Dies wird vor allem bei Lohnveredelung1 und Auftragsfertigung bedeutsam. Als Beispiel diskutiert die OECD den Fall eines Automobilunternehmens in R, das in S die Autos aus den gelieferten Einzelteilen auf cost-plus-Basis zusammenbauen lässt. Bei der Verneinung einer Betriebsstätte des Automobilunternehmens in S soll dann ein entscheidender Gesichtspunkt sein, dass die Gebäude und Anlagen des Fertigers in S nicht „genutzt“ werden. d) Tochtergesellschaft Außerhalb dieser Kriterien wird keine Betriebsstätte begründet. Insbesondere begründet die inländische Tochtergesellschaft i.d.R. keine Betriebsstätte ihrer ausländischen Muttergesellschaft. Eine inländische Kapitalgesellschaft ist aufgrund ihrer Rechtsform ein eigenes Subjekt der Körperschaftsteuer. Auch die hundertprozentige deutsche Tochterkapitalgesellschaft wird nicht zur Betriebsstätte ihrer ausländischen Konzernmutter. Ältere Urteile des RFH, in denen dieser die sog. Konzerntheorie und die Filialtheorie begründet hat, sind überholt.2 Art. 5 Abs. 7 OECD-MA bestätigt diese sich aus der Selbständigkeit der Gesellschaft ergebende Auffassung. Diese sog. Anti-OrganKlausel3 stellt klar, dass die steuerliche Selbständigkeit einer Kapitalgesellschaft nicht alleine durch die gesellschaftsrechtliche Beherrschung beeinträchtigt wird. Dadurch wird verhindert, dass Einkünfte der beherrschenden Gesellschaft im Staat der beherrschten Gesellschaft steuerlich erfasst werden. Das Urt. des BFH v. 9.2.20114 zur grenzüberschreitenden gewerbesteuerlichen Organschaft verkennt dies. Wenn § 2 GewStG die Organgesellschaft gewerbesteuerlich zur Betriebsstätte des Organträgers erklärt, so handelt es sich dabei weder um eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 AO noch um eine solche des Abkommensrechts. Vielmehr soll dadurch als Rechtsfolge der Gewerbeertrag des Organkreises ermittelt werden. Da jedoch ein ausländischer Organträger ohne eigene inländische Betriebsstätte nicht der deutschen Gewerbesteuer unterliegt, scheitert auch die Zusammenfassung. Allerdings: Auch die Tochtergesellschaft kann wie jede andere Kapitalgesellschaft ganz oder teilweise als ständiger Vertreter5 (Rz. 2.156 ff., 2.166, 2.170) der Muttergesellschaft handeln. Die Muttergesellschaft wird dann jedoch durch die besondere Art der Tätigkeit der Tochtergesellschaft beschränkt steuerpflichtig, ohne dass sich im Übrigen an der Behandlung der Tochtergesellschaft als einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft etwas ändert. Wenn der BFH (I R 54, 55/10) aus Art. 5 Abs. 7 OECD-MA ableitet, dass diese Norm es verbiete, aus einer inländischen Kapitalgesellschaft eine (gewerbesteuerliche) Betriebsstätte der ausländischen Muttergesellschaft zu machen, so verkennt er, dass Art. 5 Abs. 7 die Begründung einer Besteuerung der ausländischen Muttergesellschaft betrifft, nicht aber die Art und Weise der Besteuerung der inländischen Gesellschaft.

2.116

e) Aufzählung von Betriebsstätten § 12 Satz 2 AO nennt, wie die Formulierung „insbesondere“ deutlich macht, Beispiele von Betriebsstätten. Diese sind: – die Stätte der Geschäftsleitung, – Zweigniederlassungen, – Geschäftsstellen, – Fabrikations- und Werkstätten, 1 Hierzu eingehend Lühn, IWB 2008, Fach 3, Gruppe 2, 1139, 1391, der allerdings noch stark auf den Aspekt des Verfügungsrechts und dessen konkrete vertragliche Ausgestaltung abstellt. 2 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 167. 3 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 164 f. 4 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 5 Vgl. hierzu ausführlich Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 168 ff.; s. auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106.

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2.117

Kap. 2 Rz. 2.118 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Warenlager, – Ein- oder Verkaufsstellen, – Bergwerke oder sonstige Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, – Bauausführungen oder Montagen über sechs Monate Dauer. Obwohl der Wortlaut entscheidend dafür spricht, dass die nicht abschließend aufgeführten Beispiele nur bei Vorliegen des Grundtatbestandes (Rz. 2.102) Betriebsstätten sind, ist dies streitig (vgl. näher Rz. 2.118).

2.118 § 12 AO führt in seinem Satz 2 acht Fälle an, die „insbesondere“ als Betriebsstätten anzusehen sei-

en. Die Formulierung legt den Schluss nahe, es handle sich um Beispiele1 bzw. Klarstellungen zu Satz 1, so dass die Voraussetzungen der allgemeinen Definition auch in diesen Fällen erfüllt sein müssen. Unzweifelhaft ist die Aufzählung keine abschließende.2 Ein Blick auf die einzelnen Beispiele zeigt dann jedoch, dass nicht in allen Fällen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen können. So verlangt der Ort der Geschäftsleitung keine Geschäftseinrichtung (Rz. 2.66).3 Gleiches gilt für Nr. 7 und 8; Bergwerke und schwimmende Bauausführungen erfüllen ebenfalls nicht uneingeschränkt die Merkmale des Satzes 1. Daher enthalten die „Beispiele“ des Satzes 2 eine „Definitionserweiterung“.4 Für das praktische Vorgehen empfiehlt es sich daher, zunächst die Voraussetzungen der einzelnen Nummern des Satzes 2 zu prüfen – die allerdings nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind – und erst bei dessen Nichtvorliegen auf die allgemeine Definition des Satzes 1 zurückzugreifen.

2.119 – Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1) Der Begriff der Geschäftsleitung5 wird in § 12 AO i.S.d. Definition des § 10 AO verwendet (vgl. Rz. 2.66). Während in § 1 Abs. 1 KStG nur davon die Rede ist, dass die Körperschaft ihre Geschäftsleitung im Inland haben muss, setzt die Betriebsstätte eine „Stätte“ der Geschäftsleitung voraus. In Art. 5 OECD-MA ist vom „Ort“ der Geschäftsleitung die Rede. Die Stätte der Geschäftsleitung begründet eine Betriebsstätte6 und somit die beschränkte Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) für ausländische Unternehmen, soweit sie Einzelunternehmen sind oder von einer aufgrund des Typenvergleichs (Rz. 2.59) als Personengesellschaft (anders bei Kapitalgesellschaft, Rz. 2.66) einzustufenden Vereinigung betrieben werden. Somit entscheidet der Ort, an dem die für das Tagesgeschäft7 maßgebenden Entscheidungen gefällt werden. Dies kann auch die Wohnung des Betriebsinhabers sein.8 Eine Stätte verlangt keine Einrichtung oder Anlage, sondern nur eine regelmäßige räumliche Fixierung.9 Es reicht demnach aus, wenn der Geschäftsführer regelmäßig – auch zu Hause – an einem Ort die entsprechenden Geschäftsführungsmaßnahmen wahrnimmt. In multinationalen Konzernen werden oft Geschäftsleitungsfunktionen – Buchführung, Rechtsabteilung, Personalwesen usw. – bei einer Gesellschaft konzentriert. Dieses „Outsourcing von Management“ führt zu eigener Tätigkeit des ausführenden Konzernunternehmens in eigenen Räumen und begründet keine eigene Betriebs1 So die Gesetzesbegründung, vgl. Mittelsteiner/Schaumburg, AO 77, 32; allerdings sind es nicht Regelbeispiele im technischen Sinn, wie Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 19 ff. ausführt. 2 Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 7; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 23; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 61; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 25. 3 So auch BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 4 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 25; Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 205; vgl. auch Schauhoff, IStR 1995, 108 (110); Lüdicke in Fischer (Hrsg.), Besteuerung, 40: nur für Ort der Geschäftsleitung. 5 Siehe auch Wassermeyer, Betriebsstätten-Handbuch, 419. 6 BFH v. 7.9.1993 – VII B 169/93, BFH/NV 1994, 193; v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83. 7 BFH v. 7.12.1994 – I R 1/93, BStBl. II 1995, 178. 8 BFH v. 18.12.1986 – I R 130/83; BFH/NV 1988, 119; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 9 So auch Art. 5 Rz. 13 OECD-MK.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.121 Kap. 2

stätte des anderen Unternehmens, für das die Leistungen erbracht werden.1 Dies möchte die OECD nunmehr2 dadurch absichern, dass der Ort der Geschäftsleitung nur dann eine Betriebsstätte begründet, wenn die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA gegeben sind, d.h., eine Geschäftseinrichtung zur Verfügung steht. Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, würde insoweit Art. 5 OECD-MA von § 12 AO abweichen (vgl. Rz. 2.143 ff.). Vor allem die Rspr. des BFH scheint in eine andere Richtung zu gehen. Im Urt. v. 14.10.20103 ging es darum, ob ein Unternehmen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. unterhält, wenn es die Geschäftstätigkeit mittels eines Managementvertrages auf ein anderes, geeignetes Unternehmen auslagert („outsourced“). Mit dem Argument, dass die Norm die Organisation des Betriebes nicht erfordere, aber, dass das Unternehmen „selbst und ausschließlich eine entsprechende Tätigkeit am Markt“ ausübe, rechnete der BFH die „outgesourcte“ Tätigkeit dem Unternehmen zu. Konnte man dies noch als einen Spezialfall im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. ansehen, so nimmt der Senat darauf im Urt. v. 25.8. 20114 Bezug, um zu begründen, dass ein Unternehmen bei Übertragung der Geschäftsführungstätigkeit auf ein anderes Unternehmen mittels eines Managementvertrages in den Räumen des beauftragten Unternehmens selbst eine Geschäftsführungsbetriebsstätte unterhalte. – Zweigniederlassung (Nr. 2) Der Begriff ist i.S. des Handelsrechts zu verstehen (§§ 13 ff. HGB). Sie muss im Handelsregister eingetragen sein.5 Die Eintragung begründet eine widerlegbare6 Vermutung, dass auch tatsächlich eine Betriebsstätte unterhalten wird. Eine Zweigniederlassung7 setzt eine räumliche Trennung von der Hauptniederlassung, die Ausführung nicht bloßer Hilfsgeschäfte, eine gewisse Dauer, einen eigenständigen Leiter und eine gewisse Selbständigkeit auch nach außen voraus. Da das Gericht bei der Eintragung diese Kriterien zu prüfen hat (§ 13 Abs. 3 HGB), muss das Nichtvorliegen zumindest eines Merkmals zur Widerlegung der Vermutung dargetan werden. Trotz der Selbständigkeit stellt eine Zweigniederlassung nur einen unselbständigen Unternehmensteil dar.8

2.120

– Geschäftsstelle (Nr. 3) Eine Geschäftsstelle stellt eine Einrichtung dar, in der einzelne Unternehmenstätigkeiten ausgeführt werden.9 Ihre Selbständigkeit ist deutlich geringer als die einer Zweigniederlassung. Als solche kommen in Betracht: Wechselstuben von Banken, Annahmestellen diverser Unternehmenszweige,10 Büros für einzelne Aufgaben,11 aber auch Kontroll- und Koordinierungsstellen ausländischer Konzerne.12 Letztere können auch Stätten der Geschäftsleitung sein, wenn sie entsprechende Leitungsfunktionen ausüben, was aber i.d.R. nicht der Fall ist (Rz. 2.144).

2.121

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So auch Art. 5 Rz. 42 OECD-MK. OECD-Bericht 2011, 24 f., Rz. 58 ff. BFH v. 14.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. BFH v. 25.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 m. Anm. Wassermeyer. RFH v. 6.10.1925 – II A 397/25, RFHE 17, 20; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECDMA Rz. 72; vgl. auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 27; a.A. Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 32. Zur Wiederlegung Ebling, RIW 1982, 146. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt37, § 13 HGB Rz. 3 f. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 (142); FG Rh.-Pf. v. 4.10.1973 – III 96/71, EFG 1974, 127. BFH v. 26.7.1983 – VIII R 30/82, BStBl. II 1983, 755; v. 17.12.1998 – I B 181/98, BFH/NV 1999, 753. Reinigung, Lotterie, Zeitung. Redaktionsaußenstelle; BFH v. 23.1.1985 – I R 292/8 I, BStBl. II 1985, 417 (420); v. 17.12.1998 – I B 181/98, BFH/NV 1999, 753. So auch BMF v. 24.8.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458; vgl. auch Wassermeyer/ Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 70.

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Kap. 2 Rz. 2.122 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.122 – Fabrikations- oder Werkstätte (Nr. 4) Bereits die Bezeichnung Fabrikationsstätte macht deutlich, dass Stätten (vor allem Gebäude) industrieller oder handwerklicher Produktion gemeint sind. Was produziert wird, ist gleichgültig.1 Aus der Kennzeichnung als Werkstätte kann gefolgert werden, dass auch die Erbringung von Werkverträgen, aber auch Dienstleistungen erfolgen kann. So gehören etwa Kundendienststellen hierzu.2 Die Zurverfügungstellung ständiger Räume für Wartungsarbeiten an einer technischen Anlage stellt daher eine Werkstätte dar, aber nur, wenn der Unternehmer Verfügungsmacht (Rz. 2.106) über die Räume besitzt.3

2.123 – Warenlager (Nr. 5) In einem Warenlager werden Waren (bewegliche Wirtschaftsgüter des Handels) gelagert und aus diesem ausgeliefert.4 Dies trifft auch auf ein Zoll- oder Freilager zu.5 Einlagerung, Lagerung und Auslieferung erfordern Personal. Dieses kann in Diensten des ausländischen Unternehmens stehen.6 Dann ist das Vorhandensein einer Betriebsstätte des Unternehmens unproblematisch. Denkbar ist, dass das Lager bei einem anderen Unternehmer unterhalten wird, der gegen Provision die erforderlichen Leistungen erbringt. In diesem Falle wird man auf Satz 1 zurückgreifen müssen: Nur, wenn das ausländische Unternehmen Verfügungsmacht über die Lagerräume besitzt, wird für dieses eine Betriebsstätte begründet.7 Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass dies der Fall ist, da das ausländische Unternehmen kein Personal im Inland hat. Somit begründen Kommissions- und Konsignationsläger keine Betriebsstätten.8 Zur Frage, wann sie ständige Vertreter sind, vgl. Rz. 2.157.

2.124 – Ein- und Verkaufsstellen (Nr. 6) Welche eigenständige Bedeutung Nr. 6 gegenüber der Geschäftsstelle besitzt ist schwer auszumachen.9 Es handelt sich um Einrichtungen, in denen ein Unternehmen seinen Ein- oder Verkauf abwickelt. Entscheidend kommt es auch hierbei auf die Verfügungsmacht über die Einrichtung an (Rz. 2.106). Als Einrichtung muss die Verkaufsstelle auch dem Merkmal der Festigkeit genügen, also eine Verbindung mit einem Punkt der Erdoberfläche (Rz. 2.105) für einen gewissen Zeitraum (Rz. 2.106) aufweisen.10

2.125 – Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen (Nr. 7) Ausdrücklich nennt das Gesetz als derartige Stätten Bergwerke und Steinbrüche. Hierzu werden aber auch Ölförderstätten, seien sie an Land, seien sie als Bohrplattformen oder Bohrschiffe auf See, gezählt. Entscheidend ist, dass die gewonnenen Stoffe zwecks Verwertung entnommen werden.11 Die Stätte braucht nicht oberirdisch zu sein.12

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Allg. Meinung: Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 27; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 11. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 29. BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. Allg. Meinung: vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 28. Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 12; vgl. FG Münster v. 25.3.1994 – 15 V 896/94 U, EFG 1994, 590. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen diese ständige Vertreter darstellen, vgl. Rz. 2.158. BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; Kumpf, Betriebsstätte, 94. Kumpf, Betriebsstätte, 72; vgl. auch RFH v. 24.4.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; RFHE 49, 271; RFHE 20, 310; BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477. So auch Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 13; auch Zweigstellen können diesen Zwecken dienen, Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 29; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 31. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 36. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 30. Zutreffend Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 31; RFH v. 25.4.1924 – I B 1/24, RFHE 13, 317; generell ebenso BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.127 Kap. 2

– Bauausführungen und Montagen (Nr. 8)1 Praktisch von großer Bedeutung ist, dass Bauausführungen und Montagen von mehr als sechs Monaten Dauer zu Betriebsstätten erklärt werden. Durch die ausdrückliche Aufführung wird ein Streit darüber vermieden, ob sie die allgemeinen Voraussetzungen von § 12 Satz 1 AO (Rz. 2.100), vor allem Verfügungsrecht über eine Einrichtung und dauernd, erfüllen. Bei einer Baustelle oder Montage beschränkt sich die Tätigkeit des Unternehmens im Allgemeinen darauf, Dienstleistungen für eine gewisse Zeit zu erbringen. Die zeitliche Begrenzung ist typisch für Bauausführungen und Montagen. Sie sind also nicht dauernde Einrichtungen. So z.B., wenn der Unternehmer im Ausland Leitungen zum Aufbau eines Netzes verlegt.2 Das Gesetz regelt zwei Fälle: die Bauausführung und die Montage. Letztere ist nicht bloß ein Unterfall der Ersteren,3 obwohl es bei sog. Baumontagen4 zu Überschneidungen kommen kann. Sie gelten dann als Bauausführung.5 Dies leitet die Rspr. aus dem Wortlaut („oder“) ab. Somit gibt es auch Montagen, die keinen Zusammenhang mit Bauten aufweisen. Bauausführungen sind alle Hoch- und Tiefbauarbeiten, die zur Gebäudeerrichtung an Ort und Stelle führen.6 Dies sind unstreitig diese Arbeiten selbst mit allen dazugehörenden Arbeiten, z.B. Kanalbau bei Hausbau. Ob es sich um einen Neubau, Abriss oder Wiederaufbau handelt, spielt keine Rolle. Alle Arbeiten zur Errichtung des Baus werden erfasst; von der Fundamentierung über die Bauarbeiten bis hin zu den Sanitärarbeiten, Einbau von Fenstern und Türen7 und den Malerarbeiten.8 Werden im Zusammenhang mit dem Bau Gerüste aufgestellt, so stellen auch diese Teil einer Bauausführung dar.9 Keine Bauausführung stellen der h.M.10 zufolge bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten dar. Dies wird mit dem Wortlaut begründet: Ein „Bau“ verlange eine Veränderung der baulichen Substanz. Dessen bloße Erhaltung reiche nicht aus. Offenbar hat hier die Abgrenzung von Herstellungsvom Erhaltungsaufwand Pate gestanden. Wirtschaftlich macht es jedoch keinen Unterschied, ob in einem Neubau Fenster eingesetzt oder ob diese in einem Altbau ausgetauscht werden.

2.126

Nicht zur Bauausführung gehören nach der h.M.11 Bauplanung, Bauaufsicht und Bauleitung. Begründet wird dies damit, dass diese Tätigkeiten nur mittelbar mit der Errichtung eines Baus zusammenhängen. Richtigerweise wird man aber differenzieren müssen. Wird das planende Unternehmen als Generalunternehmen tätig, so sind ihm die Tätigkeiten der Subunternehmer zuzurechnen, da es sich dieser zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Auftraggeber bedient. Der Unterschied besteht in einer anderen Risikoverteilung im Innenverhältnis. Dies verändert aber nicht

2.127

1 Vgl. ausf. Krawitz/Hick, RIW 2002, 523; organisatorischer Leitfaden für die praktische Abwicklung bei Stasch, IWB 2013, 753; zum DBA-Recht Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECDMA Rz. 91–150. 2 BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932 = IStR 2004, 201 – Telefonnetz in Luxemburg; FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; Pflüger, PIStB 2002, 217. 3 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 4 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 5 RFH v. 2.7.1940 – I 147/40, RStBl. 1940, 668; v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RStBl. 1942, 66; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 6 RFH v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RFHE 51, 177; BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; Kumpf, Betriebsstätte, 36 ff.; Schieber, Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Feuerbaum, Industrieanlagenbau, 24 u. 61 ff. 7 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. 8 Feuerbaum, DB 1977, 2401 (2403). 9 BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. III 1978, 140; Musil, § 12 Rz. 36; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 39. 10 BFH v. 27.4.1954 – I B 136/534, BStBl. III 1954, 179; auch nicht Montage BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 32; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 16, a.A. Kumpf, 37 f.; Storck, 174. 11 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 33; Kumpf, 38; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 65; Feuerbaum, 68 f.; FG München v. 18.3.1975 – II 161/70, EFG 1975, 489; Merkert, DB 1968, 1238; a.A. Scholtz in Koch/ Scholtz, § 12 AO Rz. 16; siehe auch Förster/Kleine, JbFStR 1994/95, 134; Münch, IStR 1994, 521.

Lampert | 181

Kap. 2 Rz. 2.128 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung seine Weisungsbefugnis über die Bauausführung. Etwas anderes ist es, wenn der Auftraggeber unmittelbar mit den ausführenden Firmen in Vertragsbeziehungen steht und die Tätigkeit sich für das Unternehmen auf die reine Bauplanung etc. erstreckt.1 Dann handelt es sich um die Erbringung einer Dienstleistung in Form der selbständigen Tätigkeit, für die es auf den Tätigkeitsort ankommt (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG).2

2.128 Eine Montage liegt vor, wenn Einzelteile zu einer neuen Sache zusammengefügt werden.3 Dies

kann z.B. der Fall sein, wenn Schweiß- und Montagearbeiten an Waggons von einem ausländischen Unternehmen in einer inländischen Waggonfabrik vorgenommen werden, vorausgesetzt es handelt sich um die wesentlichen Arbeiten des Zusammenfügens. Auch das Verlegen von Kabeln führt nicht zur Montage eines Telefonnetzes.4 Auch bei der Montage stellen sich ähnliche (siehe vorstehend) Probleme der Überwachung.5 Eine Lieferung eines Gegenstandes ist nicht dessen Montage.6

2.129 Ausdrücklich regelt das Gesetz, dass die Ausführung oder Montage auch örtlich fortschreitend oder schwimmend sein kann. Damit sind Schwimmpontons beim Brückenbau ebenso erfasst wie Schiffe zur Kabelverlegung. Streitig ist, ob auch Bohrschiffe darunter fallen.7 Vorausgesetzt, sie werden zur Errichtung eines Baus oder einer Montage eingesetzt, ist die Frage zu bejahen.

2.130 Bauausführung und Montage begründen nur dann eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate tatsächlich bestehen. Gemäß § 12 Nr. 8 AO muss bzw. müssen dabei – eine einzelne Betriebsstätte Beginn < 6 Monate > Ende – eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Betriebsstätten BS 1 Beginn < 6 Monate > Ende BS 2 2 Monate BS 3 3 Monate – mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Betriebsstätten BS 1 BS 2 Beginn < 3 Monate > Ende/Beginn < 4 Monate > Ende die Sechsmonatsfrist überschreiten. Die zweite Alternative führt zu einer Attraktivkraft einer Bauausführung oder Montage, die sechs Monate besteht, auf andere, die die zeitliche Mindestfrist nicht erfüllen.8 Die dritte Alternative fasst andere Bauausführungen/Montagen zu einer „fliegen1 So auch die Auffassung des BMF unter der Voraussetzung, dass die Überwachung mit eigenem Personal durchgeführt wird. Dagegen soll eine Betriebsstäte nicht vorliegen, wenn die Überwachung vollständig auf Subunternehmer übertragen oder die Verantwortung für die ordnungsgemäße Fertigstellung überwiegend von einem anderen Partner getragen wird (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, BMF v. 24.12.1999, IV B 4 - S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 – BS-VWG). Im Einzelnen muss also zwischen einer nur beratenden und einer verantwortlichen Montageüberwachung differenziert werden, s. hierzu Demme, IStR 2013, 559. 2 Nach DBA-Recht zunächst auf eine feste Einrichtung, Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 3 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 96; v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404; v. 1.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; vgl. Baranowski, KFR 2000, Fach 11, 27 (29). 4 FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; BFH v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83. 5 Schieber, IStR 1994, 521. 6 Buciek, DStZ 2003, 139 (140). 7 Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 34 m.w.N. 8 Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 20; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 35; wenn sie in demselben Staat bestehen, siehe FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.132 Kap. 2

den“ zusammen, wenn sie zeitlich einander unmittelbar nachfolgen. Die Ansicht des FG Köln,1 dies erfasse nicht Fälle zeitlich sich überschneidender Bauausführungen, ist nicht schlüssig. Aus dem Erfordernis, dass zeitlich einander nachfolgende Bauausführungen keine Unterbrechung aufweisen dürfen, folgt nicht, dass sie nicht eine gewisse Zeit nebeneinander bestehen dürfen, denn auch dann folgen sie einander ohne Unterbrechung. Für die Fristberechnung ist zunächst der Beginn der Frist festzulegen. Obwohl der BFH im Urt. v. 21.4.19992 grundlegend zur Fristberechnung Stellung genommen hat, sind nicht alle Fragen geklärt. Das Urteil betrifft eine Montagebetriebsstätte und bezieht sich auf das DBA-Schweiz. Das Gericht legt den Beginn auf die Ankunft der ersten Person am Ort des Baus oder der Montage, die zwecks Durchführung der entsprechenden Arbeiten entsandt wurde.3 Die Materialanlieferung reicht nicht aus. Dies bedeutet, wie auch der OECD-MK ausführt, dass diese Person mit ihrer Arbeit beginnt, selbst wenn es sich um vorbereitende Tätigkeiten handelt.4 Bleibt es jedoch bei der Vorbereitung, indem die Baustelle besichtigt wird und Maßnahmen ergriffen werden, damit die Arbeiten beginnen können, und geschieht danach über längere Zeit nichts, so dürfte noch kein Beginn vorliegen.5

2.131

Besondere Probleme bereitet die Fristberechnung bei mehreren Baustellen des Unternehmers für den gleichen Auftraggeber, wenn jede nicht die Mindestfrist erfüllt. § 12 AO lässt nur dann die Bildung einer Gesamtzeit zu, wenn die einzelnen Baustellen ohne Unterbrechung aufeinanderfolgen. Die erste Frage ist, ob verschiedene Baustellen wirklich voneinander getrennte darstellen oder diese als eine einheitliche Bauausführung angesehen werden müssen. Ein einheitliches Bauvorhaben (single unit)6 wird nicht dadurch zu mehreren, weil die einzelnen Bauabschnitte in separaten Verträgen vereinbart werden. Darin läge eine missbräuchliche Gestaltung.7 Andererseits verbindet ein einheitlicher (Rahmen-)Vertrag noch nicht einzelne Baustellen zu einer einzigen.8 Dem rechtlichen Zusammenhang kann allenfalls Indizwirkung9 zukommen. Auch die Identität der Vertragspartner ist nicht entscheidend. Baut ein Bauunternehmer eine Eigenheimsiedlung für verschiedene Bauherren in einem faktischen Zusammenhang, so handelt es sich um eine Bauausführung. Entscheidend ist somit der innere10 wirtschaftliche, sachliche und geografische Zusammenhang. Dieser ist gegeben, wenn ein technischer Zusammenhang besteht, wenn z.B. die gleichen Baumaschinen genutzt werden, das gleiche Team tätig wird, die einzelnen Projekte gleichartig sind. Liegen die einzelnen Baustellen zu weit auseinander, so kann nicht mehr eine Einheit angenommen werden. Ob die Grenze hierzu bei 50 km liegt,11 lässt sich nicht generell festlegen, da es darauf ankommt, dass die faktische Einheitlichkeit gewahrt ist. Lassen es die örtlichen Umstände – z.B. Verkehrsverhältnisse12 – nicht zu, dass die Baustellen gleichzeitig betrieben werden, so können mehrere Baustellen bestehen, wenn sie weniger als 50 km Luftlinie voneinander entfernt sind.13

2.132

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

FG Köln v. 30.6.1983 – IX 104/80 G, EFG 1984, 187. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Dem folgt die Literatur, z.B. Krawitz/Hick, RIW 2002, 527. Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 131; Görl in V/L6, Art. 5 OECDMA Rz. 64; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.257. Ebenso Buciek, IStR 1999, 629, der diesen Fall aber als noch nicht geklärt bezeichnet. Art. 5 Rz. 18 OECD-MK; s.a. Krawitz/Hick, RIW 2002, 528 ff. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 127. Nientimp in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1465 ff. Weitergehend Krawitz/Hick, RIW 2002, 530. BFH v. 30.10.1956 – I B 71/57, BStBl. III 1957, 8. So BS-VWG, Tz. 4.3.5. Testfrage: Kann der Bauleiter die Baustellen gleichzeitig beaufsichtigen? Wie schnell kommt er von einer zur anderen? Differenzierend auch BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; v. 16.5.2001 – I R 47/00, BFH/NV 2001, 1317; krit. auch Krawitz/Hick, RIW 2002, 531.

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Kap. 2 Rz. 2.133 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.133 Liegen danach unterschiedliche Baustellen vor, so können sie dennoch nach § 12 Nr. 8 AO zusam-

mengerechnet werden, wenn sie einander nachfolgen. Dies ist unproblematisch, wenn sie sich – auch nur kurzfristig – überlappen,1 d.h., der Beginn (Rz. 2.131) vor dem Ende (Rz. 2.135) liegt. Dies ist bspw. der Fall, wenn die Arbeiten an einer Baustelle beendet sind und die Gerätschaften abgebaut werden, ohne dass die erforderliche Abnahme bereits erfolgt ist, und wenn die Geräte zu einer neuen Baustelle geschafft werden, auf der alsbald die Arbeiten beginnen. Tritt zwischen Ende der einen und Beginn der anderen eine Pause ein, so soll bei einem Zeitraum von bis zu zwei Wochen ein zeitlicher Zusammenhang gewahrt bleiben.2 Diese generelle Frist mag einen Anhaltspunkt i.S. einer Höchstgrenze geben, zwingend ist sie aber nicht, insbesondere bedeutet sie nicht, dass innerhalb der Frist immer ein Aufeinanderfolgen i.S.v. § 12 Nr. 8 AO vorliege.3

2.134 Das Gesetz nennt nur die Frist von sechs Monaten. Es schweigt über die Bedeutung von Unter-

brechungen.4 Immerhin verlangt es aber, dass die Bauausführung/Montage diesen Zeitraum „dauert“. Eine Bauausführung dauert aber nicht, wenn sie stillgelegt ist. Zwar mag bei Unterbrechungen die Errichtung des Werks länger als sechs Monate benötigt haben, dies gilt aber nicht für die „Ausführung“ der Arbeiten. Daher ist der Auffassung5 zuzustimmen, dass Unterbrechungen den Ablauf der Frist hemmen.6 Allerdings soll dies nicht für eine Unterbrechung von bis zu 14 Tagen gelten,7 weil dadurch nicht das Gesamtbild einer fortlaufenden Tätigkeit beeinträchtigt werde. Der BFH wendet nunmehr8 eine Sphärentheorie an: Dem Unternehmer zuzurechnende Unterbrechungsgründe hemmen nicht den Fristablauf, wohingegen nicht betriebsbedingte Gründe diese hemmende Wirkung haben. Technisch bedingte Unterbrechungen, z.B. Trocknungsfristen, Materialmangel, Streik, Witterungsverhältnis usw. fallen in die betriebsbedingte Sphäre, wohingegen Gründe aus der Bestellersphäre, z.B. Nichtmitwirkung bei der Abnahme, politischer Umsturz, Insolvenz, zur Hemmung führen, wenn dadurch die tatsächliche Beendigung eintritt, insbesondere also wenn das Personal abgezogen wird.

2.135 Das Ende der Bau-/Montagebetriebsstätte tritt mit dem Abschluss aller geschuldeten Arbeiten ein,

was die ggf. vereinbarte Abnahme einschließt. Es kommt nicht auf die Fertigstellung des Werkes als solches an, wenn der Unternehmer zu weiteren Maßnahmen, z.B. Probelauf, Einweisung des Personals, Abnahme, verpflichtet ist. Alleine das weitere Verbleiben von Arbeitnehmern des Unternehmens zur Überwachung der Startphase kann ausreichen, auch wenn dann das Verfügungsrecht (Rz. 2.106) problematisch sein kann. Wirkt der Besteller abredewidrig nicht an der Abnahme mit und zieht der Unternehmer daraufhin sein Personal ab, so kommt es zur Beendigung, jedenfalls, wenn der Unternehmer dann alle seine Verpflichtungen erfüllt hat. Ansonsten ist an eine Unterbrechung zu denken. Von wachsender Bedeutung sind Demontagen im Inland, die durch ausländische Unternehmen durchgeführt werden. Bei der Subsumtion unter den Begriff der Betriebsstätte (vgl. Rz. 2.102) ist insb. das Merkmal der Verfügungsmacht (vgl. Rz. 2.106) problematisch. Diesbezüglich wurde an anderer Stelle (vgl. Rz. 2.106) dargelegt, dass nur dann eine ausreichende Verfügungsmacht be-

1 BFH v. 10.12.1998 – I R 74/98, BStBl. II 1999, 365; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 36; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 44; s.a. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 41. 2 So BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. 3 So auch Buciek, DStZ 2003, 141. 4 Hierzu BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694 unter 4.c)cc); Krawitz/Hick, RIW 2003, 527 f. 5 BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; FG Nürnberg v. 15.9.1971 – V 143/70, EFG 1972, 198; FG Nürnberg v. 17.3.1976 – V 208/75, EFG 1976, 403; Scholtz in Koch/Scholtz, § 12 AO Rz. 18; a.A. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 39; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 35. 6 D.h., die Tage der Unterbrechung werden nicht gezählt, so auch Buciek, IStR 1999, 629. 7 BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241. 8 Entgegen BFH v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; so auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 39.

184 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.137 Kap. 2

steht, wenn der Steuerpflichtige eine Rechtsposition inne hat, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen bzw. verändert werden kann. Das bedeutet, dass die inländischen Mitarbeiter eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten besitzen müssen (vgl. Rz. 2.108, aber auch Rz. 2.147 a.E. bzgl. des Abkommensrechts). Dabei liegt eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht bereits dann vor, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer ein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Soweit es sich bei der Demontage um ein bloßes Tätigwerden in fremden Räumen handelt, wird hierdurch kein selbständiger Anspruch auf Zutritt zu Räumen begründet.1 Mangels Verfügungsmacht handelt es sich bei der Demontage daher um keine „feste Geschäftseinrichtung“. Folgt man mit dem BFH der Auffassung, dass § 12 Satz 2 AO eine Definitionserweiterung enthält und tatbestandlich das Bestehen einer festen Geschäftseinrichtung oder Anlage nicht voraussetzt,2 ist zwar zu erwägen, dass eine Demontage § 12 Satz 2 Nr. 8 AO unterfällt. Indes lassen sich diese nicht unter „Bauausführungen“ subsumieren und trotz der Nähe zum Begriff der Montage ist außerdem zu konstatieren, dass jener nur den Auf- nicht aber den Abbau von Anlagen erfasst (ausf. Rz. 2.142). Dogmatisch lässt sich eine Demontage demnach nur als Betriebsstätte einordnen, wenn man sich über den Wortlaut des § 12 Satz 2 Nr. 8 AO im Wege der Analogie (zu denken ist hier an eine telelogische Extension) hinwegsetzt – dies begegnet im Bereich der steuerbegründenden Tatbestände allerdings erheblichen Bedenken3 (zur Frage, ob eine Demontagetätigkeit unter Art. 5 Abs. 3 OECD-MA fällt, s. Rz. 2.142). f) Betriebsstätte im Abkommensrecht Ist nach nationalem Steuerrecht die beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens wegen einer inländischen Betriebsstätte gegeben, so ist zu prüfen, ob die nationale Anknüpfung durch ein DBA im Einzelfall aufgehoben, sozusagen „entknüpft“, wird. Prinzipiell erkennen die DBA die beschränkte Steuerpflicht mittels einer gewerblichen Betriebsstätte an. Dies wird überwiegend, Art. 7 OECD-MA entsprechend, so ausgedrückt, dass die Gewinne im Quellenstaat („im anderen Staat“) besteuert werden können, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Zur Aufhebung der nationalen Anknüpfung kommt es daher nur dadurch, dass der Begriff der Betriebsstätte des Abkommens anders ist als derjenige des § 12 AO. Es war immer deutsche Vertragspraxis, den Begriff der Betriebsstätte im Abkommen zu definieren. Heute entspricht die Definition der meisten deutschen DBA im Ansatz derjenigen von Art. 5 OECD-MA.4 Trotz unverkennbarer Anlehnung an Art. 5 OECD-MA weicht § 12 AO in Einzelheiten von den Abkommensdefinitionen ab. Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten:

2.136

1. Der Sachverhalt begründet nach § 12 AO und nach dem DBA eine Betriebsstätte = übereinstimmende Definition. 2. Der Sachverhalt begründet nach dem DBA eine Betriebsstätte, nicht aber nach § 12 AO = weitere Abkommensdefinition. 3. Nach nationalem Recht ist eine Betriebsstätte gegeben, nicht aber nach dem DBA = engere Abkommensdefinition. Eine weitere Abkommensdefinition ist z.B. dann gegeben, wenn bei Montagen oder Bauausführungen eine Betriebsstätte auch dann gegeben ist, wenn deren Dauer sechs Monate unterschreitet.5 Da es für die Herstellung der Inlandsbeziehung alleine auf das nationale Recht ankommt und § 12

1 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07 = BStBl. II 2008, 922; Andresen/Weidlich, DB 2015, 267 (268). 2 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148 (149); ebenso v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694 (695 f.); s. auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 25. 3 Für eine Einbeziehung von Demontageleistungen Andresen/Weidlich, DB 2015, 267 (269). 4 Übersicht bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 5 Vgl. bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 74.

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2.137

Kap. 2 Rz. 2.138 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung AO in diesen Fällen keine Betriebsstätte annimmt, geht der Abkommensbegriff auf deutscher Seite ins Leere.

2.138 Ein engerer Abkommensbegriff, z.B. bei Montagen erst nach zwölf Monaten (so Art. 5 Abs. 3

OECD-MA), geht dem nationalen Recht vor (§ 2 AO), so dass eine beschränkte Steuerpflicht nicht eintreten darf. Rechtstechnisch wird dies nicht dadurch bewirkt, dass im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Begriff „Betriebsstätte“ i.S.d. Abkommens zu verstehen wäre, vielmehr bewirkt das DBA eine Nichtbesteuerung der Einkünfte, da keine Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 DBA vorliegt. Nach nationalem Recht handelt es sich gleichwohl um inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG, nur sind sie steuerfrei. Für ausländische Unternehmen gewährt eine engere Abkommensdefinition folglich Schutz vor dem deutschen Steuerzugriff.

2.139 Das Auseinanderfallen von nationaler und vertraglicher Definition der Betriebsstätte führt zu doppelten Nichtbesteuerungen, wenn der Quellenstaat in seinem nationalen Recht einen engeren Begriff anwendet. Beispiel: Im Abkommen des Staates X mit dem Staat Y wird das Erbringen von Dienstleistungen über einen gewissen Zeitraum als Betriebsstätte anerkannt (vgl. Rz. 2.147). Ein Unternehmen von X erbringt Beratungsleistungen in Y. Nach nationalem Steuerrecht von Y führt dies nicht zu einer Betriebsstätte. Y besteuert die entsprechenden Einkünfte nicht. X wird durch das Abkommen (Art. 7 DBA) an der Besteuerung gehindert. Dabei spielt es keine Rolle, ob X in seinem Steuerrecht eine Dienstleistungsbetriebsstätte kennt.

2.140 Wie § 12 AO enthält Art. 5 OECD-MA zunächst eine allgemeine Definition mit Elementen, die

sich ebenfalls in objektive, subjektive und funktionale untergliedern lassen. Im Einzelnen bestehen folgende Unterschiede1 in der allgemeinen Definition:

§ 12 AO kennzeichnet die „Stätte“ als „Geschäftseinrichtung oder Anlage“, Art. 5 Abs. 1 OECDMA spricht in der deutschen Übersetzung nur von einer Geschäftseinrichtung, im englischen Text lautet dies jedoch „place of business“, was zwar weiter ist als der Begriff der Einrichtung, aber im Zusammenhang mit „establishment“ gesehen werden muss.2 In der Regel bestehen daher keine Unterschiede insofern, als Sachen3 gemeint sind. Da der Begriff des § 12 AO jedoch nicht nur der internationalen Abgrenzung von Besteuerungshoheiten dient, sondern systemwidrig auch erheblich durch das Gewerbesteuerrecht4 geprägt wird, kann es Abweichungen geben. Der Unterschied zwischen „fest“ und „fixed“ ist vernachlässigungswert, nicht aber die Unterschiede der Formulierung in funktionaler Hinsicht. Bei § 12 AO „dient“ die Betriebsstätte der Unternehmenstätigkeit, Art. 5 Abs. 1 OECD-MA verlangt, dass durch die Betriebsstätte die Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Dadurch kommt der instrumentale Charakter der Betriebsstätte bei beiden Definitionen zum Ausdruck. Ob dennoch Unterschiede bestehen, ist fraglich, da das Merkmal „durch die“ weit auszulegen ist. Der OECD-MK5 bejaht diese Voraussetzung für eine Straße, die von einem Unternehmen gepflastert wird. Das Unternehmen übe seine Tätigkeit durch den Ort aus, wo die Tätigkeit stattfinde.

2.141 Die Unterschiede setzen sich in Art. 5 Abs. 2 und 3 OECD-MA im Katalog betriebsstättenbegründender Einrichtungen fort:

1 Zu den unterschiedlichen Zielsetzungen siehe Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 8. 2 So zutreffend Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 3 So Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 13, identisch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 4 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 5 Art. 5 Rz. 4.6 OECD-MK.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.142 Kap. 2 Art. 5 Abs. 2 OECD-MA

§ 12 Satz 2 AO

a) Ort der Leitung

1. Stätte der Geschäftsleitung

b) Zweigniederlassung

2. Zweigniederlassungen

c) Geschäftsstelle

3. Geschäftsstellen

d) Fabrikationsstätte

4. Fabrikationsstätte

e) Werkstätte

oder Werkstätte 5. Warenlager 6. Ein- oder Verkaufsstätte

f) Bergwerk, Öl- oder Gasvorkommen, Steinbruch 7. Bergwerke, Steinbrüche oder andere Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen oder andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen Abs. 3 Bauausführung oder Montage über 12 Monate

8. Bauausführung oder Montage über 6 Monate

Art. 5 Abs. 4 OECD-MA1 enthält einen Negativkatalog von Einrichtungen, die keine Betriebsstätte darstellen: a) Einrichtung zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Waren, b) Bestand von Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung, c) Warenbestand zur Bearbeitung durch ein anderes Unternehmen, d) Einkaufs- und Informationsbeschaffungsstelle, e) Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten, f) mehrere Tätigkeiten nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–e OECD-MA, die insgesamt aber Hilfscharakter haben.

2.142

Somit ergeben sich folgende Abweichungen: – Warenlager bilden nach § 12 AO eine Betriebsstätte. In Art. 5 Abs. 2 OECD-MA bleiben sie unerwähnt. In Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA werden sie ausdrücklich vom Betriebsstättenbegriff ausgenommen, wenn sie ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von eigenen Waren genutzt werden.2 – Ein- und Verkaufsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO) werden ebenfalls von Art. 5 Abs. 2 OECD-MA nicht erwähnt. Die Einkaufsstelle, die ausschließlich Waren für das Unternehmen beschafft, wird in Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA ausdrücklich ausgenommen.3 Verkaufsstellen gelten, da der Absatz eigener Produkte zum Kernbereich eines Unternehmens gehört, immer als Betriebsstätte.4 1 Die bisher geltenden Ausnahmeregelungen des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA sollen zukünftig noch enger gefasst werden, indem die Anwendung der Ausnahmetatbestände durch eine weitere Einschränkung ergänzt wird, die wie folgt lautet: „vorausgesetzt, dass eine solche Aktivität […] vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt […]“ (vgl. OECD (2015), Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status – Action 7: 2015 Final Report, abrufbar unter www.oecd.org/ctp/bepsactions.htm, 29). Diese Einschränkung erfasst nun auch feste Geschäftseinrichtungen in Form eines Warenlagers, eines Einkaufsbüros, einer Ausstellungsstätte oder eines Auslieferungslagers (Schoppe/ Popat, BB 2016, 1113 (1115)). 2 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 87; vgl. Übersicht, ebenda, Rz. 101. 3 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. 4 Storck, Ausländische Betriebsstätten, 165.

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Kap. 2 Rz. 2.143 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Bauausführungen und Montagen werden nach Art. 5 Abs. 3 OECD-MA erst bei einer Mindestdauer von 12 Monaten zur Betriebsstätte. Die deutsche Vertragspraxis schwankt zwischen 3 und 18 Monaten.1 Der wesentliche Unterschied zu § 12 Nr. 8 AO (Rz. 2.131 ff.) besteht darin, dass jede einzelne Baustelle die Mindestdauer einhalten muss. Mehrere faktische Baustellen bilden nur dann eine einheitliche im Rechtssinne, wenn sie zu einem einheitlichen Bauvorhaben (Rz. 2.132) gehören. Ein Zusammenrechnen von Baustellen, die einander nachfolgen, wie in § 12 Nr. 8 AO (Rz. 2.133), findet auf Abkommensebene nicht statt.2 – Ob Demontagetätigkeiten abkommensrechtlich als Betriebstätte anzusehen sind, kann nicht ohne Weiteres wie bei § 12 AO (vgl. Rz. 2.135) beurteilt werden, auch wenn deutliche Parallelen der Lage im Abkommens- und nationalen Recht bestehen: So kann – ähnlich wie bei § 12 Satz 2 Nr. 8 AO – die Demontagetätigkeit auch im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA nicht unter den Begriff „Montage“ subsumiert werden. Hierauf aber kommt es für die Beantwortung der Frage aber entscheidend an. Unter einer Montage ist das Zusammenfügen oder der Umbau von vorgefertigten Einzelteilen zu verstehen.3 Grundsätzlich stellt der Begriff der Montage dabei maßgeblich auf das Kriterium der wertschöpfendenden Tätigkeit in der jeweiligen Sachverhaltskonstellation ab.4 Daraus will eine in der Literatur vertretene Ansicht im Umkehrschluss annehmen, dass ebenso abbauende Maßnahmen, wie z.B. die Demontagetätigkeit, unter den Begriff der Montage zu subsumieren sind, insofern diese im gegebenen Sachverhalt hauptsächlich für die Wertschöpfung der ausgeübten Tätigkeit verantwortlich sind.5 Dagegen spricht jedoch, dass die Merkmale „Zusammenfügen“ und „Umbau“ dem Ziel dienen, dass eine Sache zusammengebaut wird, d.h. nach Beendigung der Tätigkeit eine fertige Sache vorliegt. Bei einer Demontage muss die Sache erst an einem anderen Ort wieder zusammengefügt werden. Daher fällt die reine Demontagetätigkeit nicht unter Art. 5 Abs. 3 OECD-MA. Entscheidend ist daher, ob sich eine Demontage unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA fassen lässt – und dies ist ungewiss. Grund hierfür ist, dass (wohl) im Unterschied zum innerstaatlichen Recht auf Abkommensebene jedenfalls von der OECD zunehmend in Abrede gestellt wird, dass das Bestehen einer Betriebstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA eine Verfügungsmacht voraussetzt6 (s. auch Rz. 2.146).

2.143 Die bedeutsamste Abweichung der DBA, die weitgehend Art. 5 Abs. 4 OECD-MA folgen,7 von § 12 AO besteht in der Liste sog. Betriebsstättenausnahmen.8 Diesen ist gemeinsam, dass es sich um Tätigkeiten vorbereitender oder unterstützender Art handelt, die nicht die eigentliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens darstellen. Sie sind weit von der tatsächlichen Gewinnerzielung entfernt. Die Inlandsbeziehung ist daher mit dem eigentlichen Unternehmenszweck nur mittelbar verbunden. Die Herausnahme derartiger Hilfstätigkeiten aus dem Betriebsstättenbegriff vermeidet auch die schwierige Frage der richtigen Zuordnung des Teils des Unternehmensgewinns, der auf diese Tätigkeit entfällt, und erleichtert den internationalen Wirtschaftsverkehr.9 Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die Abgrenzung zwischen Hilfs- und Haupttätigkeiten im Einzelfall schwierig sein kann. In allen Fällen muss die Einrichtung ausschließlich für diese Tätigkeit verwendet werden. Auch muss sich die Nutzung innerhalb des Unternehmens abspielen, sie darf nicht unmittelbar Dritten zugutekommen. Mit wachsender Bedeutung insb. des E-Commerce wird die Herausnahme von Hilfstätigkeiten als unbefriedigend ange-

Übersicht zur deutschen Vertragspraxis bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 72. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846. BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527 (528). Andresen/Weidlich, DB 2015, 267 (272). Andresen/Weidlich, DB 2015, 267 (268 ff.). Siehe ausf. Bohlmann, Die abkommensrechtliche Behandlung der unechten Dienstleistungsbetriebstätte unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, 157 ff.; kritisch Hruschka in Schönfeld/Ditz, Art. 5 OECDMA Rz. 50 ff., 89. 7 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 101 (Übersicht). 8 Vgl. Alpers, IWB 2004, Fach 3, Gruppe 2, 1097 (1098). 9 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 108. 1 2 3 4 5 6

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.146 Kap. 2

sehen. Kommen Verträge unter Nutzung von Fernkommunikationsmitteln (Internet, Telefon) zustande und erfolgt die Belieferung inländischer Kunden durch ausländische Gesellschaften, so liegt i.d.R. ein Direktgeschäft vor, das nach dem nationalen Recht des Quellenstaats keine Steuerpflicht der leistenden Gesellschaft auslöst.1 Selbst wenn ein Warenlager nach nationalem Recht des Quellenstaats – wie etwa nach § 12 Satz 2 Nr. 5 AO – eine Betriebsstätte begründet, so erlischt dieser Besteuerungsanspruch entsprechend Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, da ein Auslieferungslager nebst Warenbestand aufgrund seiner bloßen Hilfsfunktion gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und b OECD-MA abkommensrechtlich nicht als Betriebsstätte anzusehen ist (siehe jedoch zu den jüngsten Entwicklungen Rz. 2.149).2 Die Betriebsstätteneigenschaft von Kontroll- und Koordinierungsstellen ausländischer Konzerne nach DBA-Recht ist Gegenstand eines Erlasses des BMF v. 24.3.1984.3 Der OECD-MK hat bereits die unternehmensleitende Tätigkeit nicht als vorbereitende bzw. unterstützende bezeichnet, da sie auf einem höheren Niveau stehe.4 Bei „polyzentristischen Unternehmen“ würden die regionalen Management-Büros sogar die Voraussetzungen von Orten der Geschäftsleitung erfüllen.5 Der Erlass sieht als Tätigkeiten derartiger Kontrollstellen folgende:

2.144

– Koordinierung von Programmen, Einkauf, Produktionsplänen, Arbeitsmethoden, Marketing und Forschung, – Anpassung der Leitlinien der Konzernspitze an die örtlichen Verhältnisse, einschl. der Umsetzung und Kontrolle sowie der Vorbereitung regional bedeutsamer Entscheidungen, – Wahrnehmung der Aufgaben der Konzernleitung in Organen anderer verwaltungsbezogener Leistungen. Ob in diesen Fällen ein Ort der Geschäftsleitung vorliegt, erscheint eher fraglich, da die beschriebenen Tätigkeiten nicht leitenden, sondern unterstützenden Charakter besitzen. Trotzdem handelt es sich um zentrale Unternehmensfunktionen, so dass die Annahme einer Betriebsstätte i.d.R. durchaus gerechtfertigt ist. Gemäß II. des Erlasses kann im Einzelfall dann eine Betriebsstättenausnahme gegeben sein, wenn sich die Kontrollstelle auf die Beschaffung von Informationen für die Konzernspitze beschränkt bzw. die Konzernleitung durch Übermittlung und Vorbereitung von Weisungen unterstützt. Zutreffend weist der Erlass darauf hin, dass derartige Kontrollstellen keine Betriebsstätten der kontrollierten und koordinierten Unternehmen begründen. Falls eine Betriebsstätte begründet wird, so muss ihr ein Gewinnanteil zugeordnet werden. Der Erlass folgt hier der cost-plus-Methode6 und hält 5–10 % als Aufschlag auf die Kosten der Kontrollstelle für angemessen.

2.145

In der jüngeren Vergangenheit offenbarte die OECD eine Tendenz zur stetigen Ausweitung des Anwendungsbereichs des Art. 5 OECD-MA. So wurde durch das Update 2014 der Kommentar zum OECD-Musterabkommen grundlegenden Änderungen unterzogen, deren Auswirkungen heute immer noch nicht ganz zu überblicken sind (zu den jüngsten Entwicklungen im Rahmen des Updates 2017 siehe Rz. 2.149).7 Während beim „klassischen“ Begriff der Betriebsstätte die unternehmerische Tätigkeit und die feste Einrichtung die beiden konstituierenden Merkmale sind, verändert der OECD-MK dies im Hinblick auf die Elemente der Tätigkeit und der Dauer. Rechts-

2.146

1 Pinkernell, IStR 2013, 180 (184). 2 Siehe zu diesem Problemkreis Pinkernell, IStR 2013, 180 (183 f.) sowie ders., ifst-Schrift Nr. 494 (2014); zum BEPS Aktionsplan 1: Besteuerung der digitalen Wirtschaft Bannes/Cloer, BB 2016, 1431. 3 So noch BMF v. 24.3.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458; frühere Erlasse von 1972: vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, Anlage 8, 308. 4 Kommentar des Fiskalausschusses der OECD zu Art. 5 des OECD-MA 1977 (amtl. dt. Übersetzung), Rz. 24 abgedruckt bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 100. 5 Ähnlich Storck, Ausländische Betriebsstätten, 160; Korn in Wassermeyer, Bd. IV, Schweiz, 491. 6 Zur Gewinnermittlung siehe Strunk, Rz. 4.92 ff.; über Steuervergünstigung in Belgien siehe Borstell, Coordination Centres in Belgien, IWB 1990, Fach 5, Gruppe 2, 169 ff. 7 Vgl. Gassner, ÖStZ 2004, 247.

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Kap. 2 Rz. 2.147 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung technisch wird dies damit begründet, dass Art. 5 Abs. 3 OECD-MA für Bauausführungen eine Ausnahme zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA vorsieht, wenn eine gewisse Dauer nicht erreicht wird; Art. 5 Abs. 3 OECD-MA wird also als Einschränkung des Abs. 1 angesehen und nicht als tatbestandliche Erweiterung (wie es bei § 12 AO der Fall ist).1 Nach Auffassung der OECD ist hieraus zu folgern, dass der Betriebsstättenbegriff des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA nicht zwingend eine feste Einrichtung im hergebrachten Sinne voraussetzt. So soll ein Anstreicher, der zwei Jahre lang an drei Tagen pro Woche ein großes Gebäude anstreicht, dort eine Betriebsstätte begründen (Art. 5 Rz. 17 OECD-MK 2017; zuvor bereits Art. 5 Rz. 4.5 OECD-MK 2014).2 Die deutsche Finanzverwaltung lehnt dies ab und hat hierzu eine Bemerkung („observation“) angebracht.3 Bei einem Unternehmer, der in den Räumen eines anderen Unternehmers tätig wird, soll es maßgeblich auf die Dauer der Nutzung ankommen (Art. 5 Rz. 12, 14 und 15 OECD-MK 2017; zuvor bereits Art. 5 Rz. 4.2 und 4.3 OECD-MK 2014; siehe dazu sogleich).

2.147 Diese Diskrepanzen zeigen sich insbesondere bei der Entwicklung zur Anerkennung einer Dienst-

leistungsbetriebsstätte.4 Während § 12 AO eine Einrichtung oder Anlage verlangt, reicht gem. Art. 5 OECD-MA ein fester Geschäftsplatz5 aus. Der OECD-MK6 legt dies dahingehend aus, dass die Annahme einer Betriebsstätte nicht voraussetzt, dass ein Unternehmen für die Dauer der Durchführung der Tätigkeit Verfügungsgewalt über ein Gebäude haben muss. Vielmehr soll es ausreichen, dass dem Unternehmen ein gewisser Platz zur Verfügung steht („it simply has a certain amount of space at its disposal“). In zwei Beispielen grenzt der Kommentar dieses Merkmal näher ab: Einerseits führe es nicht zu einer Betriebsstätte, wenn ein Verkäufer regelmäßig seinen Kunden besuche und in dessen Büro die Aufträge abgeschlossen werden (Art. 5 Rz. 14 OECD-MK 2017; zuvor bereits Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK 2014). Andererseits soll es aber ausreichend sein, wenn ein Angestellter eines Unternehmens einen Raum im Gebäude eines anderen Unternehmens nutzen kann, um zu kontrollieren, dass letzteres Unternehmen seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Erstgenannten erfüllt – unter der Voraussetzung, dass er sich lange genug in diesem Raum aufhält (Art. 5 Rz. 15 OECD-MK 2017; zuvor bereits Art. 5 Rz. 4.3 OECD-MK 2014). Dieses Ergebnis lässt sich nur dadurch erzielen, dass die OECD an das Merkmal der Verfügungsmacht immer geringere Anforderungen stellt, so dass letztlich dessen Konturen verwischen.7 Demgegenüber ist es vorzuziehen, wenn anstelle einer Aufweichung des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs im DBA Sonderregelungen8 getroffen werden. So enthalten das DBA-Türkei 20119, das DBA-Taiwan 201110, das DBA-Philippinen 201311, das DBA-China 201412 sowie das DBA-Australien 201413 eine 1 Während die Textfassung des OECD-MA 1963 die Bauausführung in Art. 5 Abs. 2 Buchst. g als Erweiterung der allgemeinen Definition aufführte, stellt Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 1977 eine Einschränkung der allgemeinen Definition dar. 2 Kritisch Bohlmann, Die abkommensrechtliche Behandlung der unechten Dienstleistungsbetriebstätte unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, 158 ff. 3 Art. 5 Rz. 45.7 OECD-MK 2014, Art. 5 Rz. 178 OECD-MK 2017. 4 Vgl. Kahle/Kindich, IStR 2016, 89; Beduhn/Staudler, IStR 2015, 937; Reimer, IStR 2009, 378; Bendlinger, IStR 2009, 521, über das weitergehende UN-MA vgl. Bendlinger, IStR 2009, 522; Rosenberger/Vitali/Zier, IStR 2010, Beilage zu Heft 18; Rautenstrauch/Binger, Ubg 2009, 619; kritisch zur Entwicklung einer Dienstleistungsbetriebsstätte Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (501). 5 In der englischen Fassung: „fixed place of business“, enger dagegen in der französischen: „installation fixe“. 6 Art. 5 Rz. 4 OECD-MK 2014, Art. 5 Rz. 10 OECD-MK 2017. 7 Bürkle/Ullmann, DStR 2013, 948; Beduhn/Staudler, IStR 2015, 937. 8 Vgl. Art. 5 Rz. 42.11 ff. OECD-MK 2014 (Art. 5 Rz. 132 OECD-MK 2017) mit Vorschlag eines neuen Absatzes (Rz. 42.23 ff. 2014, Rz. 144 ff. 2017); hierzu Bendlinger, IStR 2009, 523. 9 DBA Deutschland-Türkei v. 19.9.2011, BGBl. II 2012, 526. 10 DBA Deutschland-Taiwan v. 19./28.12.2011, BGBl. I 2012, 2079. 11 DBA Deutschland-Philippinen v. 9.9.2013, BGBl. II 2014, 822. 12 DBA Deutschland-China v. 28.3.2014, BGBl. II 2015, 1647. 13 DBA Deutschland-Australien v. 12.11.2015, BGBl. II 2016, 1114.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.148 Kap. 2

ausdrückliche Regelung der Dienstleistungsbetriebsstätte. Danach führt die Erbringung von Dienstleistungen, vor allem Beratungsleistungen, dann zur Begründung einer Betriebsstätte, wenn diese innerhalb von zwölf Monaten eine Dauer von mindestens sechs Monaten überschreiten. Damit ist jeglicher räumliche Bezug aufgegeben und durch einen reinen Zeitrahmen ersetzt worden. Da in diesen Fällen jedoch häufig nach nationalem Recht keine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO begründet wird, ist Deutschland eine Besteuerung trotz des im DBA zugewiesenen Besteuerungsrechts regelmäßig nicht möglich.1 Dies resultiert daraus, dass nach deutschem Verständnis dem Merkmal der Verfügungsmacht weiterhin hohe Bedeutung zukommt.2 So wird bei der Dienstleistungserbringung in den Räumen eines Kunden nach nationalem Recht eine Betriebsstätte wohl erst dann begründet, wenn dem Dienstleister die Räume ständig zur Verfügung stehen und zusätzlich der Dienstleister nicht nur „Gast“ im Unternehmen ist, sondern auch weiteren eigenbetrieblichen Tätigkeiten nachgeht.3 Zwar ließ der BFH in seinem Urteil vom 14.7.20044 die tatsächliche Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Begründung einer Verfügungsmacht genügen. Mit Urteil vom 4.6.2008 stellte der BFH aber klar, dass das bloße Überlassen von Räumlichkeiten hingegen zur Ermöglichung der Vertragserfüllung allein noch keine Verfügungsmacht begründet.5 Hinzukommen müsse, dass die Einrichtungen dem Auftragnehmer vermietet oder in ähnlicher Weise zur Nutzung überlassen werden, um das Vorliegen einer Verfügungsmacht bejahen zu können.6 Zweifel an der bisher sehr engen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Verfügungsmacht ließ der BFH im sog. Private-Equity-Urteil aufkommen, in dem er den Abschluss eines Managementvertrags, durch den die Inanspruchnahme des sachlichen und personellen Apparats des Vertragspartners ermöglicht wurde, zur Begründung einer Verfügungsmacht ausreichen ließ.7 Dies kann den Schluss zulassen, dass die körperliche Präsenz des Steuerpflichtigen für die Begründung einer Betriebsstätte nicht mehr zwingend erforderlich ist. Abzuwarten bleibt, ob die Entscheidung aufgrund der Spezialität des Falls getroffen wurde und nicht für allgemeine Rückschlüsse geeignet ist oder ob auch andere Verlagerungen von Leistungen zur Begründung einer Betriebsstätte ausreichen können.8 Inwieweit sich die Veränderungen im Verständnis des Betriebsstättenbegriffs, wie sie in den neuen Kommentierungen der OECD zum Ausdruck kommen, auf die Auslegung bestehender Abkommen auswirken, ist umstritten. Dies ist einerseits auf die generelle Frage nach der Bedeutung des Kommentars zum OECD-MA (OECD-MK) für die Auslegung der einzelnen DBA,9 sofern es dem OECD-MA folgt, zurückzuführen, andererseits geht es darum, wie spätere Änderungen des Kommentars auf vorher abgeschlossene Abkommen wirken – statische vs. dynamische Inter1 Kahle/Kindich, IStR 2016, 90; Endres/Freiling, PIStB 2012, 190. 2 Beduhn/Staudler, IStR 2015, 937; Kahle/Kindich, IStR 2016, 92. 3 FG Düsseldorf v. 19.2.2013 – 10 K 829/11 E, EFG 2013, 765; Beduhn/Staudler, IStR 2015, 942; OFD Karlsruhe v. 16.9.2014 – S. 130.1/316-St 222, BeckVerw 312818. 4 BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154 ff. 5 BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922 ff.; Beduhn/Staudler, IStR 2015, 942; Kahle/Kindich, IStR 2016, 92. 6 Nach Auffassung von Ditz in Baumhoff, 130 m.w.N., reduzierte der BFH durch das Urt. v. 4.6.2008 letztlich die mögliche Existenz von Dienstleistungsbetriebsstätten auf den Bereich der Bau- und Montagebetriebsstätten i.S.d. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA. 7 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764 ff.; Bohlmann, Die abkommensrechtliche Behandlung der unechten Dienstleistungsbetriebstätte unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, 141 ff. 8 Ditz, Aktuelles zur Betriebsstättendefinition auf Ebene der OECD und in der Rechtsprechung, in Baumhoff (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und Internationale Entwicklungen, 135; Bohlmann, Die abkommensrechtliche Behandlung der unechten Dienstleistungsbetriebstätte unter Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, 143. 9 Aus der unübersehbaren Literatur vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 123 ff.; Arnold/ Mössner, BIT 2010, 115; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, S. 78 ff.

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2.148

Kap. 2 Rz. 2.149 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung pretation.1 Hierbei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass die Fassung des OECD-MK, die zur Zeit des Abschlusses eines DBA (bzw. zur Zeit des Abschlusses der Vertragsverhandlungen) existierte, zumindest als Auslegungshilfe herangezogen werden kann, soweit das DBA den Text des OECD-MA übernimmt. Was dagegen die Berücksichtigung nachträglicher Änderungen des OECD-MK anbelangt, so wird diese von Teilen des Schrifttums generell abgelehnt mit der Begründung, dass die Vertragsparteien einem Begriff nur diejenige Bedeutung beimessen konnten, die dem zur Zeit des Vertragsschlusses bestehenden OECD-MK entnommen werden konnte.2 Ähnlich argumentiert der BFH, indem er ausführt, die neueren Kommentierungen der OECD könnten nicht den Willen der Vertragsparteien dieser Abkommen widerspiegeln.3 Diese Auffassung entspricht zwar dem im Völkerrecht verbreiteten statischen Ansatz, wird m.E. aber dem Umstand nicht gerecht, dass es sich bei DBA um auf Dauer angelegte Regelungsverträge handelt, die Anpassungen über die Zeit erfahren müssen, um den Vertragszweck dauerhaft erfüllen zu können. Nicht zuletzt enthalten die DBA daher selbst dynamische Elemente.4 Pointiert ausgedrückt: Ein Vertrag über die Einschränkung von Besteuerungsrechten ist eben kein Vertrag über eine Staatsgrenze. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Heranziehung revisionierter Fassungen des OECDMK mitnichten bedeutet, dass hiermit eine Bindung an den OECD-MK verbunden wäre (was im Übrigen kaum mit Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren wäre). Ausschlaggebend für eine Heranziehung „neuerer“ Fassungen des OECD-MK ist, ob und inwieweit der objektivierte Wille der Vertragsparteien eine Auslegung zulässt, die vom Verständnis des DBA zur Zeit der Vertragsschließung abweicht. Dieser Parteiwille lässt sich allerdings nicht generell feststellen, sondern muss im Einzelfall normspezifisch ermittelt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei, ob ein bestimmtes rechtliches Problem den Vertragsparteien bei Abschluss eines DBA bekannt war, ob das DBA infolgedessen selbst eine abschließende Aussage zu dieser Frage enthält bzw. ob der zur Zeit des Vertragsschlusses geltende OECD-MK dies tut. Ist dies der Fall, spricht dies gegen eine dynamische Auslegung. Anders ist es jedoch, wenn es sich um die Lösung eines Problems handelt, das bei Vertragsschluss nicht bekannt war oder sich noch nicht stellte. Hier ist eine dynamische Auslegung, insb. der abkommensrechtlichen „Gattungsbegriffe“, eher möglich.5 Die Dienstleistungsbetriebsstätte war als Problem schon lange bekannt.6 Ohne entsprechende Änderung des Textes der Abkommen fällt sie daher nicht unter den Begriff der Betriebsstätte. Offen bleibt jedoch, ob dies für die Abkommen gilt, die nach der Änderung des Kommentars abgeschlossen wurden.

2.149 Die Änderungen des Betriebsstättenbegriffs im Update des OECD-MA 20177 haben ihren Ur-

sprung im Wesentlichen in dem am 24.11.2016 von der „ad hoc Group on the Multilateral Instrument“ veröffentlichten Vorschlag für eine multinationale Vereinbarung, durch die einige i.R.d. BEPS-Projekts vorgeschlagenen Maßnahmen im Recht der DBA umgesetzt werden sollen.8 Die Vereinbarung sieht auch Änderungen des Betriebsstättenbegriffs vor, um zukünftig zu vermeiden, dass der Steuerpflichtige durch entsprechende Gestaltungen die Begründung einer Betriebsstätte vermeidet. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf folgende Problemfelder: 1 Dieses Problem ist ausgesprochen vielschichtig. So ist z.B. bereits im Ansatz klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen die Heranziehung eines revisionierten OECD-MK überhaupt als „dynamische“ Auslegung anzusehen ist, zumal die im OECD-MK vorgenommenen Änderungen – jedenfalls nach Auffassung der OECD – mitunter nur „klarstellende“ Funktion haben sollen (näher Lampert, IStR 2012, 513 [516]). 2 Siehe anstatt vieler M. Lang, SWI 1996, 412 (414) sowie die Nachweise bei Lampert, IStR 2012, 513 (515) in Fn. 21. 3 Zuletzt BFH v. 9.2.2011 – I R 54,55/10, BFH/NV 2011, 920 m.w.N. für die frühere Rechtsprechung. 4 Lampert, IStR 2012, 513 (515). 5 Lampert, IStR 2012, 513 (516 ff.). 6 Vgl. z.B. FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 7 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital 2017, 21.11.2017. 8 Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting v. 24.11.2016, Part IV, 19 ff.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.149 Kap. 2

Art. 12 der Vereinbarung betrifft Fälle, in denen die Begründung einer Betriebsstätte durch Einschaltung von Kommissionären und ähnliche Gestaltungen vermieden wird. Hier sieht das Papier der „ad hoc Group“ vor, dass der Begriff der Vertreterbetriebsstätte dahingehend ausgeweitet werden soll, dass die zur Begründung einer Betriebsstätte maßgebliche Schwelle – die sich insb. an der Art und Weise des Tätigwerdens einer Person für ein Unternehmen orientiert – herabgesetzt wird. Art. 13 der Vereinbarung widmet sich Fällen, in denen die Begründung einer Betriebsstätte vermieden wird, indem die wirtschaftliche Betätigung des Unternehmers in den Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA eingeordnet wird. Zukünftig sollen insb. Hilfs- und Nebentätigkeiten (z.B. ein Auslieferungslager) nicht mehr dem Negativkatalog unterfallen, wenn diese wesentliche Aufgaben des Unternehmens durchführen und dadurch eigene Wertschöpfungsbeiträge liefern. Art. 14 befasst sich mit Strategien zur Vermeidung der Begründung von Bau- und Montagebetriebsstätten. Entsprechende Gestaltungen zielen darauf ab, anstelle eines Vertrags sukzessiv mehrere kurzzeitig laufende Verträge zu schließen, die jeweils unterhalb des zur Begründung einer Betriebsstätte erforderlichen Mindestzeitraums liegen. Nach den Vorschlägen der „ad hoc Group“ sollen zukünftig auch nicht zusammenhängende Zeiträume zusammengefasst werden, wenn die jeweiligen Tätigkeiten in einem Zusammenhang stehen und jeweils 30 Tage überschreiten. Einige dieser Punkte greift das Update des OECD-MA 2017 auf. Das Update sieht in Folge des BEPS-Projekts eine deutliche Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs vor.1 So enthält Art. 5 Abs. 4 OECD-MA im Hinblick auf sog. Hilfsbetriebsstätten die bislang generell bestehende Ausschlusswirkung (Rz. 2.143) nur noch dann, wenn die dort genannten Aktivitäten (Geschäftsausübung durch Einrichtungen und Bestände an Waren und Gütern) nach ihrem Gesamtbild vorbereitender oder unterstützender Natur sind. Wird dagegen durch die in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA genannten Aktivitäten die Haupttätigkeit ausgeübt, so greift die Ausschlusswirkung nicht mehr. Dies könnte insb. im Hinblick auf Warenlager, wie sie z.B. im Online-Versandhandel genutzt werden, zu einer erheblichen Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs führen. Ergänzend hierzu werden nach Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA Tätigkeiten ein und desselben Unternehmens sowie eng verbundener Unternehmen („closely related enterprises“) in einem DBA-Vertragsstaat einer Gesamtschau unterzogen. So entfaltet Art. 5 Abs. 4 OECD-MA ebenfalls keine Ausschlusswirkung mehr, wenn zwar bei isolierter Betrachtung Hilfstätigkeiten vorliegen, diese aber einander ergänzen und zusammen als Haupttätigkeit anzusehen sind. Gleiches gilt, wenn eine Hilfstätigkeit die durch eine Betriebsstätte ausgeübte Tätigkeit ergänzt. Offensichtlich soll so Strategien zur Vermeidung der Begründung einer Betriebsstätte in Konzernstrukturen entgegengewirkt werden. Unter welchen Voraussetzungen Unternehmen als „eng verbunden“ anzusehen sind, ergibt sich aus dem neuen Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, der insb. auf die Beherrschungsverhältnisse (Beteiligung von mehr als 50 %) abstellt. Der neue Art. 5 Abs. 5 OECD-MA erweitert daneben den Begriff der Vertreterbetriebsstätte dahingehend, dass es zur Begründung einer Betriebstätte bereits ausreicht, wenn dem Vertreter eine wesentliche Rolle beim Vertragsschluss zukommt. Nach OECD-MK 2014 bedurfte es dagegen noch einer rechtlichen oder faktischen Abschlussvollmacht (Rz. 2.10 und 2.172).2 Zudem wird der Grundsatz, dass ein Kommissionär oder Makler als ein unabhängiger Vertreter gilt, welcher per se keine Vertreterbetriebsstätte begründen kann, aufgegeben. So ist nach Art. 5 Abs. 6 OECDMA die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte nicht ausgeschlossen, wenn der Vertreter entweder ganz oder nahezu exklusiv für ein Unternehmen, mit dem er verbunden ist, tätig wird. Auch hier ist zur Bestimmung des Näheverhältnisses auf den neuen Art. 5 Abs. 8 OECD-MA zurückzugreifen.

1 Hierzu Bendlinger, SWI 2017, 450. 2 Art. 5 Rz. 32 f. OECD-MK 2014.

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Kap. 2 Rz. 2.150 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung g) Beispiele

2.150 Die Rspr. hat folgende Fälle von Betriebsstätten behandelt: – Abstellplatz für Lkw FG München v. 11.3.1992 – 1 K 1067/87, EFG 1992, 438 – Ambulantes Gewerbe RFH v. 15.4.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469: Milchverteiler; FG Münster v. 27.1.1972, EFG 1972, 325: Kaltbäcker – Angestellter RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStBl. 1937, 67; BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 5.10.1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; FG Hess. v. 28.10.1999, BK 3423/98, EFG 2000, 530. Räume des Angestellten als Betriebsstätte – Automat Spielautomaten in Gaststätten, Getränkeautomaten, Geldautomaten, Bräunungsanlagen BFH v. 5.10.1965 – I B 387/62 U, BStBl. III 1965, 668; FG Thür. v. 13.3.1996 – I 178/95, DB 1996, 1310; – Arbeitsgemeinschaft BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577 – Bankkonto BFH v. 7.6.1966 – I B 124/164, BStBl. III 1966, 548 – Bauaufsicht FG München v. 18.3.1975 – II 43/72, EFG 1975, 489; FG Hess. v. 22.4.1997 – 6 K 3417/94, EFG 1997, 1063 – Bauausführung BFH v. 27.4.1954 – I B 136/53 U, BStBl. III 1954, 179 (Montagebegriff); v. 30.10.1956 – I B 71/ 56 U, BStBl. III 1957, 8 (Frist); v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71 (Subunternehmer); v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140 (Fristberechnung, Unterbrechungen); v. 8.2. 1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479 (Fristberechnung, Unterbrechungen); v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527 (Hoch- u. Tiefbau); v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241 (Fenstereinbau); FG Düsseldorf v. 7.8.1980 – X 11/80, EFG 1981, 182 (Erdaushub); FG Köln v. 30.6.1983 – IX 104/80 G, EFG 1984, 187 (zeitlich überschneidende); BFH v. 4.5.1998 – I B 5/98, BFH/NV 1998, 520; v. 16.12.1998 – I R 74/98, BStBl. II 1999, 365; v. 24.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314; v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846; FG Nds. v. 19.6.2001 – 15 K 794/98, EFG 2002, 281; BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BFH/NV 2004, 559 – Baubude RFH v. 17.9.1941 – B 15/41, RStBl. 1941, 764; BFH v. 27.4.1954 – I B 136/53 U, BStBl. III 1954, 179; v. 16.6.1959 – I B 214/58, BStBl. III 1959, 349 (Umkleidebaracke) – Bausparkasse BFH v. 10.12.1965 – I B 282 62, BStBl. III 1965, 690; v. 24.1.1968 – I B 125/64, BStBl. II 1968, 313 (Beratungsstelle) – Berater im Rahmen von Planungs- und Überwachungsarbeiten in fremden Unternehmen FG Hess. v. 8.3.1973 – IV 784/68, EFG 1973, 496; vgl. Art. 5 Rz. 4.3 OECD-MK – Berater: Überlassung von Räumen FG Hess. v. 8.3.1973 – IV 784/68, EFG 1973, 496 194 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.150 Kap. 2

– Beratungsunternehmen in fremden Räumen FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055 – Bergbauunternehmen RFH v. 20.2.1935 – I A 218 34, RStBl. 1935, 572 – Büro (siehe auch Geschäftsräume) BFH v. 15.7.1986 – VIII R 134/83, BStBl. II 1986, 744 – Büroecke in Wohnung BFH v. 15.7.1986 – VIII R 134/83, BStBl. II 1986, 744 – Delegierung von Angestellten ins Ausland RFH v. 29.1.1935 – I A 244/32, RStBl. 1935, 759 – Einrichtungsgegenstände BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227: Betriebsstätte durch Einrichtungsgegenstände von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht beim ständigen Vertreter – Filmstudio FG München v. 11.12.1985 – 147/80 L 1, EFG 1986, 259 – Flughafen FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – 1139/70 G, EFG 1978, 503 (Lager und Räume) – Garage BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, HFR 1963, 260 – Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte nach DBA-Regelungen RFG v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStBl. 1935, 840; i.S. des DBA-Niederlande – FG Münster v. 28.2. 1966 – IIa 417/65, EFG 1966, 501 – Geschäftsleitung RFH v. 3.12.1936 – III A 161/36, RStB1.1937, 67; BFH v. 26.5.1970 – II 29/65, BStBl. II 1970, 759 – Geschäftsräume BFH v. 26.11.1986 – I R 256/83, BFH/NV 1988, 82; v. 28.1.1987 – I B 113/86, n.v.; v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755 – Grundvermögen RFH v. 27.5.1941 – I 112/41, RStBl. 1941, 393; BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/78, BStBl. II 1979, 18 – Haltestelle RFH v. 15.2.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469; BFH v. 18.10.1962 – IV 319/60 U, BStBl. III 1963, 38 – Hochspannungsleitung BFH v. 7.6.1966, BStBl. III 1966, 567 – Hotel Leitung durch Managementgesellschaft BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462 – Hygienische Einrichtungen BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349 Lampert | 195

Kap. 2 Rz. 2.150 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Import von Lebendvieh RFH v. 19.12.1934 – VI A 231 und 232/84, RStB1.1935, 491 – Kabelverlegung für Telefonnetz BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BFH/NV 2004, 559 – Kiesgrube siehe Schutthalde – Kommissionslager RFH v. 24.3.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; v. 4.7.1940 – III 133/39, RStBl. 1940, 676 – Kopfschlächter Arbeitsplatz im Schlachthof, FG Düsseldorf v. 24.6.1992 – 13 K 560/88, EFG 1993, 42; FG Rh.Pf. v. 25.4.1985 – 3 K 68/84, EFG 1985, 593 (Ausbeiner) – Korrespondenzreeder FG Hamburg v. 2.8.1977 – V 108/76, EFG 1978, 138 – Lagerraum BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624 – Landungsbrücke FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503 – Landwirtschaftlich genutztes, grenzüberschreitendes Grundstück BFH v. 2.4.2014 – I R 68/12, BStBl. II 2014, 875 – Lizenzvergabe ins Inland BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, AWD 1974, 169 – Revier eines Seelotsen als weiträumige Betriebsstätte BFH v. 29.4.2014 – VIII R 33/10, BStBl. II 2014, 777 – Managementgesellschaft BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764 (Rz. 2.147 a.E.) – Marktverkaufsstelle FG Münster v. 28.2.1966 – IIa 417/65, EFG 1966, 501; BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148 – Messestand FG München v. 15.10.1992 – 16 K 4179/91, EFG 1993, 707 – Milchverteilbezirk RFH v. 15.4.1942 – VI B 4/42, RStBl. 1942, 469 (gilt auch für Milchsammelbezirk) – Minigolfanlage FG Berlin v. 27.6.1969 – III 141/67, EFG 1970, 59 – Montagestelle gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO 1977 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983 – Montagestelle gem. § 16 StAnpG BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527 – Mülltonnen-Stellplatz BFH v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735 196 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.150 Kap. 2

– Nutzung der Geschäftseinrichtung des Auftraggebers FG Münster v. 22.8.2012 – 10 K 2722/11 K; FG Nds. v. 6.10.2011 – 6 K 333/09, BeckRS 2012, 96336; Thüringer FG v. 7.7.2015 – 2 K 646/12, EFG 2015, 1496; s. auch Rz. 2.147, dort auch zu BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03 – Pipeline BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111; v. 7.6.1966 – I B 61/63, BStBl. III 1966, 567; v. 12.10.1977 – I R 227/75, BStBl. II 1978, 160 – Plakatsäule BFH v. 13.5.1958 – I B 49/58 U, BStBl. III 1958, 379 – Schiff RFH v. 6.3.1935 – IV A 210/34, RStBl. 1935, 605; BFH v. 13.2.1974 – I R 218/71, BFHE 111, 416; FG Hamburg v. 2.2.1977 – V 108/76, EFG 1978, 138 – Schiffsanleger BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201 – Schulungsraum FG BW v. 17.4.1991 – 2 K 373/87, EFG 1992, 117 – Schutthalde FG Düsseldorf v. 11.3.1970 – II 520-529/66 G, EFG 1970, 460 – Schweißarbeiten BFH v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404 – Server (vgl. Rz. 2.154) – Sozialeinrichtungen BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58, BStBl. III 1959, 349 (Umkleideräume); v. 29.1.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52 (Erholungsheim) – Sportler BFH v. 16.3.1951 – IV 197/50 U, BStBl. III 1951, 97; v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 8.1.1963 – 1317/61 U, BStBl. III 1963, 148 – Standplatz bei Taxi BFH v. 18.10.1962 – I V 319/60 U, BStBl. III 1963, 38 – Station i.S.d. § 16 Abs. 3 StAnpG RFH v. 14.2.1939 – I 101/39, RStBl. 1939, 755; v. 11.10.1939 – VI B 15/39, RStBl. 1939, 1095 – Stilllegung von Fabrikationsstätte BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59 U, BStBl. III 1960, 468; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52 – Straßenbau FG Saarl. v. 21.1.1976 – 371/75, EFG 1976, 263 – Studio BFH v. 30.10.1973 – I R 50/71, BStBl. II 1974, 107; FG München v. 11.12.1985 – I 47/80 L1, EFG 1986, 259 – Tätigwerden in fremden Räumlichkeiten als Subunternehmer in einer Versicherungsagentur FG Köln v. 18.9.2014 – 4 K 1753/11, EFG 2014, 2115 Lampert | 197

Kap. 2 Rz. 2.150 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Tankstelle einer Mineralölfirma RFH v. 28.6.1935 – IV B 20/34, RStBl. 1935, 1023; v. 11.9.1935 – IV 11/35, RStBl. 1935, 1231; BFH v. 16.8.1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. II 1962, 227; v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; v. 30.6.2005 – III 47/03, BStBl. II 2006, 78 – Tonaufnahmestudio FG Hamburg v. 5.2.1982 – II 22/80, EFG 1982, 395 – Tongrube FG Düsseldorf v. 10.4.1957 – 131-33/56, EFG 1957, 415 – Umspannwerk BFH v. 28.10.1987 – I R 275/83, BStBl. II 1988, 292 RFH v. 5.11.1929 – I A a 648/29, RStBl. 1930, 54 – Verpachtung von Betriebsvermögen BFH v. 30.8.1960 – I B 148/59 U, BStBl. III 1960, 468; v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776; v. 12.4.1978 – I R 136/77, HFR 1978, 362; v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 16.8. 1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1965 – IV B 411/62 U, BStBl. III 1965, 324; v. 10.6. 1966 – VI B 31/63, BStBl. III 1966, 598; FG Münster v. 18.11.1976 – VII 1641/74 F, EFG 1977, 399 – Verpachtung/Betriebsaufspaltung BFH v. 10.6.1966 – VI B 31/63, BStBl. III 1966, 598; FG Düsseldorf v. 22.5.1979 – IX 694/77 G, EFG 1980, 34; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 – Versicherungsunternehmen RFH v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStB1.1935, 840 – Viehbuchten in einem Grenzbahnhof RFH v. 19.12.1934 – VI A 230/34, RStBl. 1935, 490 – Warenlager RFH v. 4.3.1927 – I B 1/27, RStBl. 1927, 112; v. 12.7.1929 – VfB 7/28, RStBl. 1929, 480; v. 30.10. 1935 – III A 267/34, RStBl. 1940, 676; v. 24.3.1942 – I 445/40, RStBl. 1942, 714; BFH v. 16.8. 1962 – I B 223/61 S, BStBl. III 1962, 477 – Weihnachtsmarkt BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396 – Windkraftanlage FG Sa.-Anh. v. 14.1.1999 – I 438/96, EFG 1999, 668 – Wohnung In den privaten Wohnbereich einbezogene Räume; BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, HFR 1963, 260; v. 19.8.1998 – XI R 90/96; BFH/NV 1999, 41; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665; v. 24.3.1999, BFH/NV 1999, 1314; v. 25.11.1999 – IV R 44/99, BFH/NV 2000, 699; v. 23.5. 2002 – III R 8/00, BStBl. II 1002, 512 – Wohnung, vgl. Angestellter, Büroecke RFH v. 9.6.1939 – I R 254/38, RStBl. 1939, 788; BFH v. 10.5.1961 – I V 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; FG Hamburg v. 10.10.1991 – V 298/88, EFG 1992, 332 – Wohnwagen auf Campingplatz, BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655 – Zweigniederlassung BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560 198 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.154 Kap. 2

h) Betriebsstätte und elektronischer Handel Das Betriebsstättenkonzept als im 19. Jahrhundert entwickeltes Anknüpfungsmerkmal1 hat vor allem Produktions- und Handelsbetriebe vor Augen. Die Elemente Raum (= feste Geschäftseinrichtung) und Zeit (= Dauer) sind wesentliche Bausteine des Konzepts. Mit dem Aufkommen des Internets und den Möglichkeiten, dieses für die Geschäftstätigkeit zu nutzen, traten völlig neue Probleme auf, da die Elemente Raum und Zeit für das Internet keine oder eine geringe Rolle spielen. Beim elektronischen Handel2, (E-Commerce), lassen sich zwei Formen unterscheiden:

2.151

– Die Vertragsanbahnung erfolgt per Internet, die Lieferung im Wege des Versandhandels (Offline-Geschäft). – Die Lieferung erfolgt auf elektronischem Wege (Dateien, Programme, Bücher, Musik, Bilder) (Online-Geschäft). Das Internet setzt beim Unternehmer, der die Produkte anbietet (Content-Provider [CP]), den Zugang zum Netz voraus, der ihm vom Internet-Service-Provider (ISP) ermöglicht wird. Der Kunde seinerseits muss Zugang zum Internet haben. Der ISP ermöglicht dem CP den „Internetauftritt“ mittels einer Website. Insgesamt lassen sich dabei physikalische Einheiten, die beteiligten Computer und das Leitungsnetz sowie die „virtuellen“ Inhalte unterscheiden. Beim internationalen E-Commerce ist die Ansässigkeit von Unternehmen und Kunde relativ einfach zu bestimmen, da sie den traditionellen Regeln folgt. Schwieriger ist es, die eigentlichen Internet-Faktoren zu lokalisieren. Dabei können i.d.R. die Leitungsnetze vernachlässigt werden, vor allem wenn die Inhalte per Funkwellen verbreitet werden (Internet per Mobiltelefon). Eine zentrale Funktion kommt jedoch der Computer-Anlage zu, auf der die Inhalte gespeichert sind und die Operationen ablaufen, wobei dies nicht auf einer einzigen Anlage (Server) erfolgen muss.

2.152

Steuerrechtlich stellte sich zuerst die Frage, ob auf das überkommene Betriebsstättenkonzept zurückgegriffen oder ob der E-Commerce die Entwicklung neuer Modelle erforderlich macht.3 Vor allem die OECD4 befürwortete es, die sich hieraus ergebenden Probleme unter Anwendung der bewährten Konzepte zu lösen. Somit dreht es sich im Kern um die Frage, welche Elemente des Internethandels eine Betriebsstätte begründen können. Dass die Website als solche hierzu nicht geeignet ist, entspricht einer weitverbreiteten5 Ansicht, obwohl technisch die Website meistens auch für einen gewissen Zeitraum auf einem Server fixiert ist. Sie stellt aber selbst bei weitestem Verständnis keine Anlage oder Geschäftseinrichtung bzw. „place of business“ dar. Vielmehr handelt es sich nur um durch die Software bereitgestellte Information. Das Gleiche gilt für das Programm, mittels dessen die Operationen abgewickelt werden, wenn es dann überhaupt auf einem Server gespeichert ist und nicht von anderen zugespielt wird.

2.153

Als feste Geschäftseinrichtung bzw. Anlage können nur die Server angesehen werden, sofern sie nicht mobil und von wechselnden Standorten aus ans Internet angeschlossen werden. Ein Server besteht grundsätzlich aus dem physischen Host-Computer und den auf diesem gespeicherten Daten sowie der erforderlichen Software. Dabei muss zwischen einem dezidierten Server und einem virtuellen Server unterschieden werden. Der dezidierte Server6 steht mitsamt der physischen Hard-

2.154

1 Vgl. Mössner in FS Vogel, 947 m.w.N. 2 Vgl. auch Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 43 ff.; zur Frage, inwieweit ein Server als Betriebsstätte angesehen werden kann, s. insb. Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 27 ff.; Heggmair/Riedl/Wutschke, IStR 2015, 92(95); Findeis/Eickmann, DStZ 2008, 139; Rogge, BB 2015, 1825 (1826). 3 Hierzu Doernberg/Hinnekens, Electronic commerce, 106 ff. 4 Vgl. OECD, Taxation and Electronic Commerce, Paris 2001, vgl. Kessler/Peter, IStR 2001, 238 m.w.N. 5 Art. 5 Rz. 42.3 OECD-MK; Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 32; Labermeier in: Die Ertragsbesteuerung des Electronic Commerce im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, 116; a.A. Spanien, Portugal, Art. 5 Rz. 45.6 OECD-MK. 6 Ein dezidierter Server ist ein Internetserver, der einem einzigen Kunden des Internet-Service-Providers exklusiv zur Verfügung steht.

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Kap. 2 Rz. 2.155 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung ware („Host-Computer“) in der alleinigen Verfügungsmacht des Unternehmens, welches diesen nutzt, und ist somit aufgrund des geografischen Bezugs eine Betriebsstätte.1 Hingegen ist ein virtueller Server2 mangels fester physischer Komponente gerade nicht als Betriebsstätte anzusehen.3 Für den ISP dürfte der Server i.d.R. eine Betriebsstätte darstellen, da er sein Hauptgeschäft – Zugang zum Internet, Rechnerkapazität – mit dessen Hilfe seinen Kunden anbietet.4 Auch hat der ISP Verfügungsmacht über das Gerät, sein Personal wartet und betreibt diesen. Möglich ist jedoch auch, dass der Server in fremden Räumen steht und von Dritten gewartet wird, sobald dies erforderlich ist. Der ISP steuert den Computer fern, so dass beim Betrieb kein Personal des ISP zugegen ist und das Gerät selbsttätig arbeitet. Ob innerhalb der Geschäftseinrichtung eine dem Unternehmen zurechenbare menschliche Aktivität ausgeübt werden muss, ist noch nicht abschließend geklärt. Der BFH hatte im sog. Pipeline-Fall5 die Anwesenheit von Personen in der Betriebsstätte für entbehrlich gehalten. Diese Ansicht hat Widerspruch6 gefunden. Gleichwohl dürfte ein internationaler Konsens7 dahin gehend bestehen, dass die Anwesenheit von Personen nicht unbedingt erforderlich ist, wenn die Geschäfts-“Tätigkeit“ ohne eine solche erfolgt. Das Unternehmen (Content Provider) hat im Allgemeinen keine Verfügungsmacht über den Server des ISP:8 Er kann nicht bestimmen, auf welchem konkreten von mehreren Geräten das Programm abläuft und wie auf den jeweiligen Computer die Zuordnung erfolgt. Auch auf den Kunden-PC begründet das Unternehmen durch Download bzw. Upload ggf. von Cookies mangels Verfügungsmöglichkeit keine Betriebsstätte.9

2.155 Kennzeichen des Internets ist seine dynamische Entwicklung mit immer neuen technischen Er-

scheinungsformen, die das internationale Steuerrecht vor immer neue Probleme stellen, die kaum noch mit den überkommenen Konzepten zu lösen sind. Die neueste Entwicklung der sog. Cloud10 ändert nichts daran, dass letztlich der Ablauf der Programme und die Speicherung der Daten auf Servern auf festen Geräten erfolgen. Jedoch verwenden die CP beim Cloud Computing in Abgrenzung zur Nutzung eines dedizierten Servers nur gewisse Komponenten, denn der CP hat gerade keinen Zugriff auf die Hardware des Cloud-Anbieters, sondern nur auf virtuelle Server. Somit wird ausschließlich die Bereitstellung eines virtuellen Dienstes oder Werks geschuldet, auf die mit einer Vielzahl von Geräten von unterschiedlichen Positionen zugegriffen werden kann, so dass es bezüglich des CP an einem örtlichen Anknüpfungsmerkmal fehlt.11 Anders stellt sich dies für 1 Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 30 f.; Rogge, BB 2015, 1823 (1826). 2 Ein virtueller Server ist im Netzwerk nur simuliert und auf einem Teil eines physischen Servers gespeichert. Die Virtualisierung erlaubt den gleichzeitigen Betrieb mehrerer unabhängiger Server unter der Benutzung unabhängiger Betriebssysteme auf derselben Hardware durch einen oder mehrere Anwender, was eine effizientere Nutzung der Hardware erlaubt. 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 336 ff.; Watrin, IStR 2001, 425 (426). 4 Anders z.B. die britische Finanzverwaltung, welche selbst den inländischen Server nicht als Betriebsstätte ansieht, wenn er dem ausländischen Unternehmen gehört und zur Erbringung der unternehmenstypischen Leistungen eingesetzt wird (International Manual Nr. 266100). 5 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; hierzu vgl. Mössner in FS Vogel, 959, Buciek, DStZ 2003, 142 f. 6 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33a, dessen Merkmal der Sichtbarkeit zwar praktisch überzeugend, aber rechtlich irrelevant ist, siehe auch Görl in V/L6, Art. 5 OECDMA Rz. 24, 28 (differenzierend); a.A. Riemenschneider, IStR 2002, 561 (562). 7 Art. 5 Rz. 42.6 OECD-MK. 8 BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683; FG Schl.-Holst. v. 6.9.2001 – II 1224/97, EFG 2001, 1535. 9 Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 33 f. 10 Tappe, IStR 2011, 870; Heinsen/Voß, DB 2012, 1231 ff. 11 Dabei wird aufgrund der Vielfältigkeit der Anwendung von Cloud Computing in drei Cloud-Computing-Modelle, die verschiedenen Bedürfnissen entsprechen, unterschieden: IaaS, PaaS und SaaS. Hierzu vor allem: OECD (2015), Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 60; Heinsen/Voß, DB 2012, 1231 (1232); Pinkernell, Ubg 2012, 331 (333 ff.).

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.158 Kap. 2

den ISP dar, der die benötigte Hardware (i.d.R. Host-Computer in sog. Serverfarmen) bereitstellt.1 Allerdings wird die Zuordnung von erbrachten Leistungen zu einzelnen Rechenzentren immer schwieriger. Die Provider verfügen oft in verschiedenen Ländern über entsprechende Zentren und können die Datenbestände je nach Auslastung hin- und herschieben. Dies geschieht oftmals unter Zuhilfenahme von sog. „Mirrorservern“, also Server, welche ausschließlich eine Kopie des überlasteten Servers darstellen, jedoch meist an einer vollkommen unterschiedlichen Position stehen.2 Dadurch wird es immer schwieriger, den Beitrag des einzelnen Zentrums zum Gesamtergebnis zu bestimmen. Man wird hier immerhin an die Kosten (Gebäude, Geräte, Wartung) anknüpfen können. 4. Ständiger Vertreter Inländische Einkünfte bezieht ein ausländisches Unternehmen auch, wenn für es im Inland ein ständiger Vertreter3 bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Damit tritt neben die sachliche Anknüpfung der Betriebsstätte eine weitere persönliche Anknüpfung. Bei ihrer Einführung im Jahre 1922 wurde sie damit begründet, dass beim ständigen Vertreter, trotz des Fehlens einer festen Anlage, die wirtschaftlichen Verhältnisse im Wesentlichen die gleichen seien wie bei der Betriebsstätte, d.h. wesentliche Unternehmensfunktionen wie der Vertragsabschluss im Inland ausgeführt werden.4 Was ein ständiger Vertreter ist, wurde vom Gesetz nicht definiert, so dass die Rspr.5 den Begriff ausgefüllt hat. Mit der AO 1977 wurde in § 13 AO eine Legaldefinition eingeführt: Danach ist Voraussetzung, dass eine Person „nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt.“ Als Beispiele werden Vertragsabschlussagenten und Unterhaltung eines Warenlagers, von dem Auslieferungen vorgenommen werden, genannt.

2.156

Bedeutung gewinnt diese Anknüpfung durch Kommissionärsstrukturen6 und in internationalen Konzernen, etwa wenn ein Konzernunternehmen seine Produktpalette durch Angebote der Produkte anderer Konzernunternehmen abrundet. Auch im Bereich des Global Trading können bei Banken entsprechende Fragen auftreten, wenn eine rechtlich selbständige „Abteilung“ zentral aus Gründen des Risk-Managements bestimmte Funktionen ausübt, der Handel aber dezentral in den einzelnen ausländischen Gesellschaften erfolgt.7

2.157

Entstehungsgeschichte und systematischer Zusammenhang belegen, dass die Anknüpfung über den ständigen Vertreter subsidiär zur Betriebsstätte ist.8 Dies ist so zu verstehen, dass nach deutschem Steuerrecht der ständige Vertreter unabhängig neben der Betriebsstätte steht,9 aber zurücktritt, wenn das ausländische Unternehmen insoweit über eine Betriebsstätte verfügt, so dass § 13 AO nur als Auffangtatbestand in Betracht kommt.10 Dies schließt aber nicht aus, dass Betriebsstätte und ständiger Vertreter nebeneinander mit unterschiedlichen Aufgaben in einem Staat gegeben sind. Nach heutigem Verständnis11 soll die Erfassung ausländischer Unternehmen über ständige

2.158

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

11

Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 339 ff. Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 92. Grundlegend Leisner-Egensperger, IStR 2013, 889 ff. RT-Drucks. 1921, Nr. 2867, 5, abgedruckt im BStBl. II 1972, 788. RFH v. 29.6.1934 – I A 56/33, RStBl. 1934, 1125; v. 13.9.1929 – I Aa 263/29, RFHE 25, 352. Faix/Wangler, IStR 2001, 65; Prinz, FR 1996, 479; Timmermanns, IWB 2000, Fach 3, Gruppe 2, 805; Kroppen/Hüfmeier, IWB 1995, Fach 3, Gruppe 2, 637; Kroppen, IWB 2000, Fach 3, Gruppe 1, 1587. Lüdicke in Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern, 37. So Reg.-Begr. § 12 AO, BT-Drucks. VI/1982, 104; Storck, Ausländische Betriebsstätten, 194 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 47; für das DBA-Recht ebenso Art. 5 Rz. 34 OECD-MK; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 122. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 70. Dies ist h.M. (vgl. Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 4), überzeugt aber nicht; es ist denkbar, dass neben einer Betriebsstätte auch ein ständiger Vertreter im Inland vorhanden ist; differenzierend zu Recht Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 1; zutreffend auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 192. So Loukota, SWI 1996, 101.

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Kap. 2 Rz. 2.159 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Vertreter gleiche Wettbewerbsverhältnisse zwischen solchen Unternehmen, die mit inländischen Niederlassungen arbeiten, und solchen, die inländische Kunden durch Vertreter betreuen, sichern. Aber es sollen nicht nur am inländischen Markt präsente Auslandsfirmen erfasst werden, sondern es soll verhindert werden, dass inländische Firmen Produktionen ins Ausland verlagern, um aber gleichwohl den inländischen Markt „ohne adäquate Steuerleistung“ zu beliefern. Das Konzept des ständigen Vertreters hat sich derart verfestigt, dass kritisch nicht mehr über seine Rechtfertigung nachgedacht wird. Der Kern des Problems liegt darin, welcher Gewinn des Unternehmens der inländischen Besteuerung bei Bejahung eines ständigen Vertreters unterworfen ist. Beispiel: Das Unternehmen A produziert elektronische Artikel. Produktionskosten pro Stück sind 100. Zu 150 gibt A die Produktion an den Handel ab. Dieser verkauft sie überwiegend zu 250. A hat eine eigene Verkaufsstätte, in der sie Artikel zu 240 verkauft, wobei noch eigene Kosten von 50 entstehen. Im ausländischen Staat Alpha unterhält A eine Verkaufsstätte. Dort werden die Waren zu 250 verkauft, wobei Kosten von 60 entstehen. Im Staat Beta vertreibt A die Produkte über einen Vertreter V für 250. Für seine Vermittlungstätigkeit erhält V eine Provision von 20 bei eigenen Kosten von 10. Die Lieferung erfolgt aus dem Stammhaus (weitere Versandkosten 40). Wie hoch wäre der in Beta zu versteuernde Gewinn, wenn V ständiger Vertreter wäre? Es kommen in Betracht: 1. 110 (250 ./. 40 ./. 100), 2. 40 (250 ./. 150 ./. 20 ./. 40), 3. 0 (20 ./. 20). Gegen 1. spricht entschieden, dass der gesamte Gewinn in Beta erfasst würde, obgleich sich kaum eine Funktion von A abspielt. Bei 2. würde auch der Liefergewinn Beta zugeordnet, obwohl die Lieferung vom Stammhaus aus erfolgte. 3. erfasst zutreffend die Funktion der Vertragsvermittlung, mündet aber in ein Nullsummenspiel1 (siehe Rz. 2.163). Zu einem anderen Ergebnis kommt man nur, wenn man von einer reinen Zuordnung ohne Gewinnaufschlag ausgeht.

2.159 Ist der Vertreter selbst im betreffenden Land steuerpflichtig, so lässt sich an der Berechtigung einer

Steuerpflicht des Prinzipals zweifeln, es sei denn, man würde dem ständigen Vertreter Gewinnanteile zuordnen, die nicht seiner Tätigkeit (Vertragsabschluss) entsprechen. Obwohl die bloße Lieferung ins Inland nicht zur Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens führt, würde man eine solche dann doch auch diesbezüglich bejahen. Die Antwort hängt davon ab, welcher Natur der „Gewerbebetrieb“ (Vermittlungsbetrieb, Lieferbetrieb) ist, für den der Vertreter bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Art. 5 Rz. 34 OECD-MK stellt hierzu fest: „… so besteht eine Betriebsstätte des Unternehmens in dem Ausmaß, in dem die Person für das Unternehmen tätig wird, d.h. nicht nur insoweit, als die Person die Anschlussvollmacht im Namen des Unternehmens ausübt“ (im Discussion Draft v. 2.8.20042).

2.160 Das Konzept des ständigen Vertreters hat auch durch § 13 AO keine eindeutigen Konturen erhal-

ten. Hierzu kommt die „Überlagerung“ durch die DBA-Regelungen, die z.T. abweichende Konzepte verfolgen. Schließlich hat die Verwaltung in R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012 für Kommissionäre und Makler Sonderbedingungen geschaffen. Nach deutschem Recht3 wird der ständige Vertreter durch folgende Merkmale bestimmt: – Person (Rz. 2.163), – Geschäftsbesorgung (Rz. 2.165), 1 Dagegen die OECD, Report 2008, Rz. 279; wie hier Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 731; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 217. 2 Discussion Draft on the attribution of profits to permanent establishment – Part I (general considerations) unter www.OECD.org, 60 ff. 3 Zum russischen Konzept der Repräsentanzen vgl. Chebounov/Wassermeyer, IStR 2002, 372.

202 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.163 Kap. 2

– Nachhaltigkeit (Rz. 2.164), – Weisungsgebundenheit (Rz. 2.166). In R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012 werden beispielhaft der Vertreter mit Abschlussvollmacht und der Vertreter mit Auslieferungslager genannt. R 49.1 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012 verlangt für Kommissionäre und Makler, dass sie – außerhalb des Rahmens ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit – für das ausländische Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten. Damit ist eine Abgrenzung der beiden Anknüpfungen voneinander erforderlich. Es ist unzutreffend, wenn zu § 16 StAnpG der ständige Vertreter als fiktive Betriebsstätte bezeichnet wird.1 Vielmehr galt eine Geschäftseinrichtung des Unternehmens auch dann als dessen Betriebsstätte, wenn sie vom ständigen Vertreter genutzt wurde. In diesem Fall „dient“ die feste Einrichtung dem Betrieb des Unternehmens, so dass § 16 Abs. 2 Nr. 2 RAO nur klarstellende Bedeutung besaß. Da es entscheidend auf das Verfügungsrecht des Unternehmens ankommt (Rz. 2.106), liegt eine Betriebsstätte dann vor, wenn die Räume vom Unternehmen selbst oder von seinen Angestellten für die Zwecke des Unternehmens erworben oder angemietet werden. Sind zur Ausübung der Unternehmenstätigkeit keine festen Einrichtungen erforderlich, z.B. Wartungen technischer Anlagen, Reisende etc., so lehnt es die Rspr.2 ab, Privatwohnungen oder Hotelzimmer der Reisenden zu Geschäftseinrichtungen des Unternehmens umzudeuten; denn diese dienen nicht unmittelbar den Unternehmenszwecken. Bei rechtlich selbständigen Vertretern verfügt das ausländische Unternehmen überhaupt nicht über eine feste Einrichtung. Schon daran scheitert das Merkmal der Betriebsstätte. Verfügen Unternehmer und selbständiger Vertreter gemeinsam über Geschäftseinrichtungen, so stellt die Rspr. darauf ab, inwieweit das ausländische Unternehmen selbst in den gemeinsamen Räumen tätig werden kann.3 Im Einzelfall ist dies Tatfrage.

2.161

Somit ist die Anknüpfung an den ständigen Vertreter möglich – bei Angestellten eines ausländischen Unternehmens, wenn keine Geschäftsräume im Inland vorhanden sind, – bei selbständigen Vertretern und – bei unklaren Verhältnissen hinsichtlich der Verfügungsmacht über inländische feste Einrichtungen.

2.162

Nach § 13 AO machen drei Kriterien eine Person zum selbständigen Vertreter: – Nachhaltigkeit, – Geschäftsbesorgung und sachliche Weisungsgebundenheit. Auch beim ständigen Vertreter sind die Sonderregelungen der DBA zu beachten. Als Vertreter (Rz. 2.156) kommen natürliche und juristische Personen in Betracht.4 So kann auch eine inländische GmbH oder AG, wenn sie mit einer ständig ausgeübten Abschlussvollmacht als Verkaufsagentin ihres ausländischen Gesellschafters tätig ist, dadurch die Betriebsstättenbesteuerung des ausländischen Prinzipals herbeiführen. Die ausländische Gesellschaft wird hier beschränkt steuerpflichtig in Bezug auf diejenigen Einkünfte, die aus der Tätigkeit des Vertreters resultieren. Das sind i.d.R. die Vertreterprovisionen, selten jedoch auch der Gewinn aus den Verkaufsgeschäf1 So Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 1. 2 RFH v. 11.3.1942 – VI B 1/41, RStBl. 1942, 801 = RFHE 47, 259; BFH v. 21.2.1963 – I B 98/61, StRK StAnpG § 16 R. 24. 3 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317 (318); v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365. 4 Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 7.

Lampert | 203

2.163

Kap. 2 Rz. 2.164 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung ten selbst.1 Denn der Betriebsstätte sind nur diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie die gleiche Tätigkeit – also die Handelsvertretertätigkeit – als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte. Diese Vertreterprovisionen scheiden also als eigene Einkünfte der GmbH oder AG aus und sind bei der beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gesellschaft als deren Einkünfte zu erfassen (siehe Rz. 2.158). Die tatsächlich an den Vertreter gezahlten Beträge stellen allerdings keine Betriebsausgaben dar, allenfalls in der Höhe, in der ein Angestellter zu entlohnen wäre. Wegen der Eigenständigkeitsfiktion kommt es jeweils auf die Verhältnisse des Einzelfalls an (im Übrigen vgl. Rz. 2.167).

2.164 Nachhaltigkeit. Wie die Betriebsstätte eine gewisse Dauer haben muss, so führt auch nur der stän-

dige Vertreter zur Anknüpfung. § 13 AO verwendet demgemäß zweimal das Wort „nachhaltig“. Nur die Verbindung durch eine dauernde Vertretung zum Inland begründet die beschränkte Steuerpflicht; die nur gelegentliche Entsendung von Reisenden reicht nicht aus.2 Wann allerdings dem Erfordernis der Nachhaltigkeit Genüge getan ist, sagt das Gesetz nicht. Da die Anknüpfung nicht an eine feste Einrichtung, sondern an das Verhalten eines Menschen erfolgt und da der Gesetzgeber wirtschaftliche Gleichheit beider Kriterien unterstellt, kann es weder auf die Absicht, wiederholt tätig zu werden, noch auf bloße Wiederholungen ankommen. Entscheidend ist die Planmäßigkeit des Handelns von Anfang an.3 Insbesondere drückt sich diese in den vertraglichen Abmachungen der Beteiligten aus. Das Moment der Dauer bezieht sich dabei sowohl auf die zwischen dem ausländischen Unternehmen und dem ständigen Vertreter getroffene Regelung über die Vertretungsmacht als auch auf den inländischen Aufenthalt des Vertreters, denn die Selbständigkeit bezieht sich auch auf das Inland. Ob sich die Kriterien des gewöhnlichen Aufenthaltes, insbesondere die Sechs-Monats-Frist, anbieten,4 erscheint fraglich, da es nicht darauf ankommt, dass der ständige Vertreter unbeschränkt steuerpflichtig ist, sondern dass die Vertretung ständig im Inland wahrgenommen wird. Insofern findet sich auch hier eine objektive, wenn auch durch Personen vermittelte, Anknüpfung. Aber sicher wird ein Vertreter ein ständiger sein, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Im Übrigen kommt es auf die Regelmäßigkeit an, mit der sich der Vertreter im Inland aufhält. Auch dieser Aufenthalt muss nachhaltig sein, so dass man ihn als ständig bezeichnen kann.5 Andernfalls würde es über das Kriterium des Vertreters auch für gewerbliche Einkünfte zum Tätigkeitsprinzip (Rz. 2.87) kommen.6 Daher verdient das BMF v. 11.10.20027 keine Zustimmung.

2.165 Geschäftsbesorgung. Der Vertreter muss Geschäfte für das Unternehmen besorgen. Der Begriff

der Geschäftsbesorgung ist hierbei nicht i.S. eines rechtlichen Fachterminus gemeint, vielmehr soll er umschreiben, dass der Vertreter im Rahmen des Unternehmens wirtschaftlich tätig wird. Der Vertreter wird gleichsam als Teil des Unternehmens im Inland tätig, indem er anstelle des Unternehmens Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb fallen.8 Dies ist nicht die Ausführung von Überweisungen durch eine Bank.9 Dass es sich um Hilfsgeschäfte handelt, ist jedoch unerheblich. Auch wenn das Gesetz vom Vertreter spricht, ist damit nicht das Vorliegen einer Vertretungsmacht i.S.d. §§ 164 ff. BGB erforderlich.10 Es entscheidet die faktische „Geschäftsbesorgung“, nicht die rechtliche Ausgestaltung. § 13 Satz 2 AO nennt als Beispiele: Vertragsabschluss, Vertrags1 Vgl. Sieker, BB 1996, 985, siehe auch Rz. 2.114; a.A. Runge in Maßbaum u.a., Unternehmensbesteuerung, 1994, 972; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 730 f.; Endres, IStR 1996, 4. 2 BFH v. 3.6.1954 – V 262/53 U, BStBl. III 1954, 238; v. 27.11.1963 – 1335/60 U, BStBl. III 1964, 76; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 3 So auch Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 6. 4 So Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 10. 5 Ebenso Lüdicke, IStR 2003, 164 (165); einschränkend Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 121. 6 Vgl. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, RIW 1991, 356; FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055. 7 BMF v. 11.10.2002 – IV B 6 - S 1301 Ndl-39/02, BStBl. I 2002, 957. 8 BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776; v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 (628). 9 Scholtz in Koch/Scholtz, § 13 AO Rz. 4. 10 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (496).

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.166 Kap. 2

vermittlung, das Einholen von Aufträgen, Unterhaltung von Lägern und Auslieferung aus diesen.1 Neben rechtsgeschäftlichen Handlungen kommen auch tatsächliche in Betracht.2 Auch diese Beispiele machen deutlich, dass die Fremdnützigkeit wichtiger als die Form des Auftretens ist. Daher ist auch gleichgültig, in wessen Namen der Vertreter nach außen hin auftritt.3 Die Anknüpfung geschieht, weil sich Tätigkeit des Unternehmens im Inland verwirklicht. Nur dies rechtfertigt die Zurechnung. Damit entfällt auch die früher von der Rspr. erhobene Forderung, der Vertreter müsse außerhalb seines eigenen Gewerbes für das Unternehmen tätig sein.4 Dies hatte der BFH bereits mit Urt. v. 28.6.19725 aufgegeben. Ständiger Vertreter kann auch sein, wer ausschließlich die Geschäfte des Unternehmens besorgt. Dies leuchtet auch ein. Denn, wenn ein Vertreter nur für ein einziges Unternehmen tätig ist, so ist die Anknüpfung eher gerechtfertigt, als wenn der Vertreter noch eine umfangreiche eigene Tätigkeit entfaltet. Es geht ja immer darum, ob das ausländische Unternehmen selbst beschränkt steuerpflichtig ist. Somit kommen alle Geschäfte in Betracht, mit denen die Unternehmenszwecke unmittelbar gefördert werden.6 Ausgeführt können sie werden durch Agenten, Handelsvertreter, Kommissionäre, Spediteure, Makler, Agenten und dergleichen.7 Sachliche Weisungsbefugnis. Nach § 13 AO ist ständiger Vertreter, wer den „Sachweisungen“ des ausländischen Unternehmens unterliegt. Damit grenzt das Gesetz sachliche von persönlichen Weisungen ab. Eine persönliche Abhängigkeit hatte der BFH bereits im Urt. von 19728 nicht mehr verlangt. Unproblematisch sind die Fälle, in denen die persönliche Abhängigkeit besteht, wie dies bei Arbeitnehmern des Unternehmens der Fall ist, z.B. Prokurist, Handlungsbevollmächtigter. Eine besondere Stellung nehmen Organe juristischer Personen, vor allem Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Geschäftsführer von GmbH ein.9 Deren Handlungen werden der juristischen Person als deren eigene zugerechnet.10 Nach der sog. Organtheorie können sie nicht zugleich ständiger Vertreter sein.11 Sie sind das Unternehmen gleichsam selbst. Bei anderen entscheidet, ob der Wille des ausländischen Unternehmens maßgebend das Handeln des Vertreters bestimmt: Dann ist die Anknüpfung hinsichtlich des Unternehmens gerechtfertigt. Daher kann auch ein selbständiger inländischer Unternehmer ständiger Vertreter sein. Die Fragen, ob hierbei eine allgemeine Weisungsgebundenheit ausreicht oder ob das ausländische Unternehmen aktiv und ständig in die Geschäftsführung des Vertreters eingreifen muss,12 werfen in der Praxis kaum Probleme auf. Die Befugnis, Einzelanweisungen zu erteilen, muss genügen, wenn der Vertreter zur Zufriedenheit des Vertretenen handelt. Dass der Vertretene sich letztlich durchsetzen kann, entscheidet, nicht wie beide miteinander faktisch auskommen. 1 Anschauliche Tätigkeitsbeschreibung FG München v. 11.6.2002 – 13 K 3487/01, EFG 2002, 1426 = DStRE 2003, 23 – Rev. BFH v. 23.7.2003 – I R 62/02, juris. 2 BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. 3 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 4 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 24.1.1968 – I B 125/64, BStBl. II 1968, 313 (314 f.); v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776 (778). 5 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 6 Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 4. 7 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (496); v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77 (80); Kumpf, Besteuerung, 51. 8 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 9 FG Nürnberg v. 27.11.1984 – I (VI) 27/80, n.v.; FG Nds. v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055; FG Düsseldorf v. 16.2.2002 – 15 K 8624/99, DStRE 2003, 1059; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 114; Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 5a; a.A. FG München v. 28.5.1998 – 7 V 1/98, DStRE 1998, 177; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b. 10 Der Unternehmer kann aber nicht sein Vertreter sein. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; zumindest dies ist unstreitig, vgl. z.B. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b. 11 Wie hier Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 3; Schwarz/Frotscher, § 13 AO Rz. 5; Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 7.1; a.A. Musil in H/H/Sp, § 13 AO Rz. 5a. 12 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (497): durch den Willen des Unternehmers entscheidend bestimmt.

Lampert | 205

2.166

Kap. 2 Rz. 2.167 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.167 Obwohl die Kriterien klar und eindeutig erscheinen, ist deren Anwendung im Einzelfall oft pro-

blematisch. Nur eine exakte Analyse der rechtlichen und faktischen Verhältnisse erlaubt ein Urteil. Dies zeigt sich bspw. bei Künstleragenturen.1 Diese sind vertraglich verpflichtet, die Karriere des (ausländischen) Künstlers im Inland zu fördern und zu diesem Zweck Beschäftigungsmöglichkeiten für diesen im Inland zu suchen. Selbst wenn der Künstler sich den förmlichen Vertragsschluss vorbehält, wird doch faktisch die gesamte Vertragsabwicklung (Vertragsverhandlung, Organisation des Auftritts, Abrechnung) von der Agentur erbracht, so dass durchaus eine Geschäftsbesorgung vorliegt. Wie jedoch die Weisungsbefugnisse zwischen Künstler und Agentur verteilt sind, hängt faktisch vom Bekanntheitsgrad des Künstlers ab. Der internationale Star bestimmt, was die Agentur zu tun hat, der unbekannte Newcomer muss springen, wenn die Agentur ihn ruft. Da sich die Verhältnisse im Laufe der Zeit, ja vielleicht von Auftritt zu Auftritt ändern können, sollten nicht nur die Verträge eindeutig gefasst sein, sondern auch die Anwendung von § 13 AO möglichst restriktiv erfolgen, indem sie auf eindeutige Umstände gestützt wird.

2.168 Ständiger Vertreter nach DBA. Obgleich alle deutschen DBA2 die persönliche Anknüpfung über

einen ständigen Vertreter anerkennen, bestehen dennoch erhebliche Unterschiede zum nationalen Recht. Bereits rechtstechnisch schlagen die DBA einen anderen Weg ein. Da Art. 7 OECD-MA für die Unternehmensbesteuerung – anders als § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG – nur die Betriebsstätte als Anknüpfungskriterium kennt, fingiert Art. 5 Abs. 5 OECD-MA bei einem ständigen Vertreter eine Betriebsstätte des Unternehmens. Sachlich unterscheidet sich diese Vertreterbetriebsstätte von § 13 AO dadurch, dass gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA der Begriff nach Abkommensrecht – nur nichtselbständige Vertreter umfasst, nicht aber unabhängige (Rz. 2.170 f.), – Abschlussvollmacht und deren gewöhnliche Ausübung voraussetzt (Rz. 2.172) und – bei ausschließlicher Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit (Rz. 2.143) entfällt. Zu den jüngsten Entwicklungen bzgl. des Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA siehe Rz. 2.149.

2.169 Somit ist der Abkommensbegriff enger als der des § 13 AO, so dass es zu einer entsprechenden

Eingrenzung der beschränkten Steuerpflicht kommt (Rz. 2.138 f.). Eine „Vertreterbetriebsstätte“ ist nicht gegeben, wenn es sich um einen unabhängigen Vertreter3 handelt (Art. 5 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 OECD-MA (Rz. 2.170) und dieser sich mit seiner Tätigkeit für das Unternehmen im Rahmen seiner eigenen „ordentlichen“ (ordinary) Geschäftstätigkeit hält (Rz. 2.171). Nach OECD-MK4 „versteht es sich von selbst“, dass ein eigenständiges Unternehmen keine Betriebsstätte eines anderen darstellen könne, so dass Art. 5 Abs. 6 OECD-MA nur klarstellende Funktion besitze. Wird eine der beiden Voraussetzungen der Ausnahme nicht erfüllt, so kommt sie nicht zur Anwendung.

2.170 Die Ausnahme des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA ist wie zuvor erörtert ganz von der Vorstellung be-

stimmt, dass ein eigenständiges Unternehmen nicht Betriebsstätte eines anderen Unternehmens sein könne. Der Begriff der Unabhängigkeit5 ist folglich unter diesem Aspekt auszulegen. Zunächst

1 Auch Model-Agenturen u.Ä., vgl. Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, 165 f.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 160 f. 2 Übersicht Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 122. 3 Als Beispiele sind der Makler, der Kommissionär oder ein anderer unabhängiger Vertreter genannt. 4 Art. 5 Rz. 35 f. OECD-MK. 5 Der Begriff der „Abhängigkeit“ wird nunmehr durch BEPS-Aktionspunkt Nr. 7 konkretisiert. Demnach wird es gemäß Art. 5 Abs. 6a OECD-MA zukünftig eine Abhängigkeit geben, wenn ein Vertreter ausschließlich oder fast ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen tätig wird, mit dem/denen der Vertreter eng verbunden ist (vgl. OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status – Action 7: 2015 Final Report, 26, abrufbar unter www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm); dazu Schoppe/Reichel, BB 2016, 1245 ff.

206 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.171 Kap. 2

ist festzustellen, dass die Unabhängigkeit sowohl rechtlich als auch faktisch gegeben sein muss.1 Art. 5 Rz. 38 OECD-MK macht die Unabhängigkeit vom „Ausmaß der Verpflichtungen des Vertreters gegenüber dem Unternehmen“ abhängig. Als Kriterien für eine Abhängigkeit nennt er: eingehende Anweisungen, umfassende Aufsicht, Übernahme des Unternehmerrisikos. Der BFH2 hat die sachliche von der persönlichen Abhängigkeit unterschieden. Sachliche Abhängigkeit bedeute Weisungsbindung, persönliche die Eingliederung in den Betrieb des Unternehmens. Sachliche Abhängigkeit würde nicht ausreichen, um die Unabhängigkeit des Vertreters zu beseitigen, „denn sachlich abhängig, d.h. weisungsgebunden, ist jeder Makler, Kommissionär oder Vertreter, mit dem das ausländische Unternehmen im Inland Geschäftsbeziehungen unterhält.“ Sachliche Abhängigkeit ist notwendig, um überhaupt von einem Vertreter sprechen zu können.3 Daher müsse neben der sachlichen Weisungsgebundenheit auch die persönliche Abhängigkeit in einem dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht vergleichbarem Maße vorliegen.4 Diese Auslegung berücksichtigt m.E. die Hinweise im OECD-MK nicht ausreichend. Aus dem Zusammenspiel von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA folgt, dass nicht die Abhängigkeit definiert wird – sie ist nach Abs. 5 die Regel –, sondern die Unabhängigkeit als Ausnahme nach Abs. 6. Die h.M. kehrt diese Beziehung um, indem sie Unabhängigkeit durch fehlende Abhängigkeit ersetzt. Wann liegt z.B. eine „dem Arbeitsverhältnis vergleichbare umfassende Arbeitspflicht“ vor, die nicht zu einem Arbeitsverhältnis führt? Das Abkommensrecht stellt auf das Ausmaß der Abhängigkeit ab und nicht darauf, ob sie inhaltlich einem Arbeitsrechtsverhältnis ähnlich ist. Allerdings: Detailliertes und umfassendes Direktionsrecht, sowie fehlendes persönliches, wirtschaftliches Risiko kennzeichnen auch die Stellung von Arbeitnehmern, die aber auch darüber hinaus noch organisatorisch in den Betrieb eingegliedert sind. Entscheidend kommt es für Art. 5 Abs. 6 OECD-MA auf die wirtschaftlichen und tatsächlichen Umstände an.5 Wer faktisch oder rechtlich umfassend weisungsgebunden ist, wird nicht bereit sein, das wirtschaftliche Risiko für Maßnahmen zu tragen, auf die er überhaupt keinen Einfluss hat.6 Die Unterscheidung zwischen sachlicher und persönlicher Abhängigkeit verliert ihre Bedeutung, wenn die sachliche Weisungsbefugnis umfassend ist. Ob ein Arbeitsverhältnis oder ein diesem vergleichbares Rechtsverhältnis besteht, ist demgegenüber unerheblich.7 Wegen der Gesetzgebungstechnik von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA – Abhängigkeit als Regel, Unabhängigkeit als Ausnahme – ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Vertreter einen gewissen eigenen Entscheidungsspielraum besitzt und ganz oder teilweise das wirtschaftliche Risiko trägt. Da somit der Begriff des unabhängigen Vertreters relativ weit gefasst ist, verlangt Art. 5 Abs. 6 OECD-MA als zweite Bedingung, dass dieser „im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit“ handelt. Daraus ergibt sich zweierlei: 1. Der Vertreter muss einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten. 2. Er darf den Bereich dieser Geschäfte nicht überschreiten. Fehlt es hieran, so begründet auch ein unabhängiger Vertreter eine (fiktive) Betriebsstätte. Der Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit soll sich nach einem Urt. des BFH von 1975 an der Verkehrsüblichkeit nach Lage des Einzelfalles ausrichten.8 Dies ist so zu verstehen, dass auf das 1 2 3 4 5 6 7 8

So Art. 5 Rz. 37 f. OECD-MK; verneinend: Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 145 ff. BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 zu Art. 5 DBA-Niederlande = OECD-MA. So Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 145. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 145; ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Anm. 25; Kumpf, Besteuerung, 51 f. Ebenso Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 147. Deshalb erklärt Art. 5 Rz. 38 OECD-MK als wichtiges Merkmal, wer das Unternehmerrisiko zu tragen habe. Ebenso sollen weder die exklusive Tätigkeit einer Vertriebsgesellschaft für ihren Prinzipal noch ein Beherrschungsverhältnis innerhalb eines Konzernverbunds allein ausreichend sein, um die Unabhängigkeit eines Vertreters abzulehnen (Ditz/Bärsch/Schneider, Ubg 2013, 493 [500]). So BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626 (628).

Lampert | 207

2.171

Kap. 2 Rz. 2.172 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung allg. Übliche im Rahmen des betreffenden Berufes abzustellen ist, so dass im Zweifel durch ein Gutachten der zuständigen Kammer der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft zu ermitteln wäre. Dafür spricht auch der englische Begriff des „ordinary course of business“. Ordentlich sind solche Geschäfte, die der Vertreter gewöhnlich im Rahmen seines Geschäftes abwickelt. So hatte das FG Hamburg1 auf das aktuelle Tätigkeitsfeld abgestellt. Dies hat der BFH bestätigt.2 Nicht kommt es darauf an, dass der Vertreter selbst üblicherweise entsprechende Geschäfte getätigt hat. Er bestimmt zwar sein Tätigkeitsfeld, aber nicht, was innerhalb dessen üblich ist.3 Auch wenn nur ein einziger Berufsangehöriger eine solche Tätigkeit ausübt,4 diese jedoch nach der Verkehrsanschauung innerhalb des Berufsbildes liegt und dem Aufgabenbereich des Geschäftszweiges entspricht, so liegt sie im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit. Der Begriff ist somit weit auszulegen, so dass es zu einer nicht unerheblichen Begrenzung nationalen Rechts kommen kann. Dies hat der BFH 1994 bestätigt.5 Maßgebend ist für das Gericht, dass es nur dann zur vom DBA angestrebten klaren Regelung kommt, wenn ein objektivierter abstrakter Vergleichsmaßstab zugrunde gelegt werde. Dies kann bei Berufen mit branchenüblichen, weiten Geschäftsbereichen zu einer entsprechenden Einschränkung des Betriebsstättenbegriffs führen.

2.172 Der Vertreter muss Abschlussvollmacht6 besitzen und diese nachhaltig („gewöhnlich“) ausüben

(siehe aber auch Rz. 2.149 zum Update 2017). Dabei muss sich die Vollmacht auf Tätigkeiten erstrecken, die die eigentliche Unternehmenstätigkeit darstellen, und sie muss im anderen Staat ausgeübt werden.7 Vollmacht bedeutet das Recht, für einen anderen zu handeln, ihn also rechtlich zu binden.8 Da Makler und Kommissionäre ihre Auftraggeber nicht mit Außenwirkung binden können, erfüllen sie diese Voraussetzung nicht.9 Dies ist mittlerweile in einigen europäischen Ländern höchstrichterlich bestätigt worden.10 Auch bei der Anscheins- und Duldungsvollmacht besteht rechtliche Bindungsmacht. Fraglich ist, ob der Begriff noch darüber hinausgeht und auch solche Fälle erfasst, in denen der Vertreter die Verträge „abschlussreif“ macht, diese jedoch formaliter vom Unternehmen im anderen Staat unterschrieben werden. Einigkeit besteht im Ergebnis darin, dass ein derartiges Verhalten der Spaltung kaufmännischer und rechtlicher Befugnisse nicht eine ansonsten gegebene Vertreterbetriebsstätte aufhebt.11 Dies mit einer faktischen, wirtschaftlichen Abschlussvollmacht zu begründen12 überzeugt mehr, als eine Umgehung nach § 42 AO zu konstruieren. Entspricht es der ständigen Praxis, dass die unterschriftsreifen Verträge des Vertreters 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10

11 12

FG Hamburg v. 12.2.1981 – II 149/78, EFG 1981, 479. BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. III 1984, 94 (96). Ähnlich Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 150. Es handelte sich um sog. Container-Operating durch einen Schiffsmakler. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. Bisher war erforderlich, dass ein ständiger Vertreter eine rechtliche oder faktische Abschlussvollmacht hat. Die Neufassung von Art. 5 Abs. 6 OECD-MA sieht nun vor, dass darüber hinaus jede Präsentation von Waren oder Dienstleistungen, die zu einem Verkauf führt, eine Vertreterbetriebsstätte begründet. Dies soll auch dann gelten, wenn der Vertreter nicht an den Verhandlungen beteiligt ist. Für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte nach dem BEPS-Aktionspunkt Nr. 7 kommt es nunmehr alternativ auch auf das Handeln an, das dazu bestimmt ist, regelmäßig zu Abschlüssen von Verträgen für ein Unternehmen, auch unter standardisierten Bedingungen, zu führen (vgl. OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status – Action 7: 2015 Final Report, abrufbar unter: www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm, 17); dazu Schoppe/Reichel, BB 2016, 1245 ff. Art. 5 Rz. 83 OECD-MK 2017. FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/89, EFG 1970, 327. Zu anderen Vorstellungen im common law siehe Avery Jones/Ward, BTR 1993, 354. Ditz/Bärsch/Schneider, Ubg 2013, 493 (497) unter Verweis auf Corte Suprema di Cassazione v. 9.3. 2012, Nr. 3769 bis 3773; Høyesterett v. 2.12.2011, Dell Products v. Staten/Skatt Øst, HR-2011-02245A; Conseil d’État v. 31.3.2010, Sociétè Zimmer Ltd v. Ministre de l’Économie, des Finances et de l’Industrie, Nr. 304715 und 308525. Strobl/Kellmann, AWD 1969, 405 (406); Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 149. So DBA-Malaysia, Prot. Nr. 3 zu Art. 5; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 149; Strobl/Kellmann, AWD 1969, 405 (406).

208 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.174 Kap. 2

im Unternehmen nur abgezeichnet werden, so entsteht ein faktischer Zwang zur Unterschrift, um den Vertreter nicht zu desavouieren. Diese Auslegung wird dadurch bestärkt, dass das Verhalten nachhaltig sein muss, also einmaliger oder gelegentlicher Abschluss nicht ausreicht. Dabei muss nicht immer die gleiche Person handeln, es reicht eine Vertreterstelle1 aus, solange die Funktion der Stelle gleichbleibt. Auch wenn die einzelnen deutschen DBA prinzipiell dem OECD-MA folgen,2 so können sie doch in Details Abweichungen3 enthalten. Diese betreffen Versicherungen, die in Art. 5 Rz. 38 OECDMK angesprochen und in den Abkommen mit Ägypten, Argentinien, Belgien, Brasilien, Elfenbeinküste, Frankreich, Indonesien, Jamaika, Kenia, Luxemburg, Philippinen, Tunesien und den USA 1989 hervorzuheben sind. Kernpunkt ist, dass die Gelegenheit des versicherten Risikos eine Betriebsstätte begründet, bzw. wird es als ausreichendes Anknüpfungskriterium anerkannt.4 In den Abkommen mit Österreich und einer Reihe von Entwicklungsländern5 wird der „Bestellvertreter mit Auslieferungslager“ als Betriebsstätte behandelt, wobei einige Abkommen auch eine Vollmacht zur Auslieferung verlangen.6

2.173

Weitere Besonderheiten enthalten die DBA mit Indien, Pakistan, Sri Lanka, Thailand, Österreich und Kanada. Nach den DBA mit Indien und Thailand wird eine Person, die in einem der Gebiete für ein Unternehmen des anderen gewerblich tätig ist, u.a. auch dann als Betriebsstätte behandelt, wenn sie in dem Gebiet gewöhnlich Aufträge ausschließlich oder fast ausschließlich für das Unternehmen selbst oder für Konzernunternehmen einholt.7 Hier wird also nicht auf die Abschlussvollmacht abgestellt, sondern auf die besonders starke Bindung zum ausländischen Unternehmen.

IV. Einkünfte aus Kapitalvermögen 1. Überblick Die beschränkte Steuerpflicht bei Kapitaleinkünften ist unübersichtlich geregelt. Dies beruht zum einen darauf, dass bereits § 20 EStG die Kapitaleinkünfte nicht mit einer Generalklausel definiert, sondern einzeln aufzählt, und zum anderen darauf, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht alle in § 20 EStG genannten Arten aufnimmt und kein einheitliches Kriterium für die Inlandseigenschaft verwendet. Der eingeschränkten Themenstellung dieses Buches entsprechend konzentriert sich die folgende Darstellung auf die Besteuerung von Dividenden und stillen Gesellschaften. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Art der Kapitaleinkünfte

Inlandskriterium

Gewinnanteile an Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 EStG)

Geschäftsleitung oder Sitz der Kapitalgesellschaft im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG)

Stille Gesellschaft (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG)

Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz des Unternehmens bzw. Unternehmers im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG)

Hypotheken und Grundschulden (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG)

Belegenheit des Grundstücks im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG)

1 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 143. 2 Zu den älteren Abkommen, die insbesondere auch beim Vertreter die Kriterien einer Betriebsstätte, d.h. eine Geschäftseinrichtung des Unternehmens, voraussetzen, vgl. Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 3. Aufl. 1973, S. 36. 3 Zusammenstellung bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 156 ff. 4 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 155 f. mit weiteren Einzelheiten. 5 Übersicht Kumpf, Besteuerung, 53; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 155. 6 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 147 ff. 7 Art. II Abs. I ee iii DBA-Indien; Art. 5 Vc DBA-Thailand.

Lampert | 209

2.174

Kap. 2 Rz. 2.175 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Art der Kapitaleinkünfte

Inlandskriterium

Zinsen bei Lebensversicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG)

Geschäftsleitung oder Sitz der Versicherung im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG)

Zinsen im Allgemeinen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG)

Nur bei Sicherung durch Grundbesitz (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG)

Die das deutsche Einkommensteuerrecht im Bereich der Kapitaleinkünfte prägende Unterscheidung1 zwischen dem Vermögensstamm und den Erträgen aus diesem ist durch die Einführung2 von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ab Veranlagungszeitraum 2009 für Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen aufgegeben worden; gleichwohl werden für die entsprechenden Veräußerungsgewinne unterschiedliche Inlandskriterien vorgesehen (vgl. Rz. 2.204 ff.). 2. Dividenden

2.175 Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören Dividenden zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Um Dividenden handelt es sich nach dieser Bestimmung, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:

– Gewinnanteile, Ausbeuten oder sonstige Bezüge, – aus Aktien, – Genussscheinen, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, – aus Anteilen an GmbH, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Kolonialgesellschaften und an Bergbau betreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben sowie – verdeckte Gewinnausschüttungen (vgl. Rz. 2.184).

2.176 Damit werden alle Ausschüttungen von Gewinnen erfasst, gleich in welcher Gestalt (vgl. Rz. 2.185),

auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen an den näher aufgeführten Gesellschaften. Rückzahlungen von Eigenkapital, soweit diese nicht aus Einlagen der Gesellschafter gebildet wurden (sonst vgl. Rz. 2.185), stellen keine Dividende dar. Es handelt sich vielmehr in ihrem Falle um Vorgänge in der Vermögenssphäre, die je nachdem, ob sie im Privatvermögen oder Betriebsvermögen realisiert werden, unterschiedlich behandelt werden. Kennzeichnend für die Eigenkapitalfinanzierung durch die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind in Abgrenzung zur Fremdkapitalfinanzierung: Merkmal

Eigenkapital

Fremdkapital

Ausweis bei KapGes

als Eigenkapital

als Fremdkapital

Mitwirkungsrechte

Gegeben

nicht gegeben

Entgelt

gewinnabhängig (variabel)

fix

Rückzahlungsbetrag

abhängig vom Liquidationserlös fix (variabel)

Dauer

Existenz der Gesellschaft

feste Laufzeit

Durch unterschiedliche Kombination der einzelnen Merkmale lassen sich hybride Finanzinstrumente3 (Rz. 2.188) konstruieren. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt im Zusammenhang mit Genussrechten4 auf die Variabilität der Vergütung und des Rückzahlungsbetrags ab, um sie Dividenden zuzuordnen. 1 Jochum/Wassermeyer in K/S/M, § 20 EStG Rz. A 37 ff. 2 Durch das UntStRG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2207, 1912. 3 Hierzu Lang, Hybride Finanzierungen im internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Briesemeister, Hybride Finanzierungsinstrumente im Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 2006, 12 ff. 4 Vgl. hierzu FG Köln v. 11.12.2003 – 2 K 7273/00, EFG 2004, 659.

210 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.178 Kap. 2

Grundlage dieser Regelung ist das sog. Trennungsprinzip, nach dem der Gewinn der Körperschaften, die eigene Steuerrechtsubjekte sind, diesen zugerechnet wird. Bei den Gesellschaftern wird er steuerlich erst zu dem Zeitpunkt erfasst, in dem er diesen zufließt. Die Unterscheidung der Gewinne in thesaurierte und ausgeschüttete bestimmt somit das System. In § 1 Abs. 1 KStG werden die Körperschaften, die eigene Steuersubjekte sind, bestimmt. Der Vergleich mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergibt, dass einige Körperschaften i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG nicht als ausschüttende Gesellschaften in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt sind.1 Ob es sich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG um eine abschließende oder beispielhafte Aufzählung handelt, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Gesetz. Soweit jedoch Mitgliedschaftsrechte Möglichkeiten der Einflussnahme eröffnen und die Gesellschaft Gewinn erzielt, entspricht es dem Trennungsprinzip, Gewinntransfer von der Körperschaft auf ihre Mitglieder bei diesen als Kapitaleinkünfte zu behandeln.2

2.177

Entscheidend ist, dass der ausländische Gesellschafter etwas „bezogen“ hat, ihm etwas zugeflossen ist. Auf welche Weise dies erfolgt ist, ist demgegenüber gleichgültig, so dass jede Form der Ausschüttung zur Steuerpflicht führt. Von praktischer Bedeutung wird dies vor allem für vGA, wenn die inländische Körperschaft – z.B. Verein – ihrem ausländischen Mitglied Güter oder Leistungen zu marktunüblichen Konditionen überlässt. Dividenden sind dann inländische, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz3 im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) hat, d.h., die unbeschränkte Steuerpflicht (Rz. 2.12, 2.49) der ausschüttenden Gesellschaft begründet die hinreichende Inlandsbeziehung. Durch die Möglichkeit, dass eine Kapitalgesellschaft im Inland ihren Sitz und im Ausland ihre Geschäftsleitung hat (vgl. Rz. 2.52 f.), bleibt sie zwar unbeschränkt steuerpflichtig, gilt aber i.S.d. Abkommens als im Ausland ansässig.4 Sie ist auch im Ausland i.d.R. unbeschränkt steuerpflichtig. Auf Dividenden dieser Gesellschaft, die an im Inland ansässige Gesellschafter ausgeschüttet werden, finden die Art. 10 OECD-MA entsprechenden Vorschriften der DBA Anwendung.5 Dadurch wird geregelt, welche Quellensteuer der Staat, in dem sich die Geschäftsleitung befindet, vom im Inland ansässigen Gesellschafter erheben darf. Im Verhältnis zu Drittstaaten führt der inländische Sitz dazu, dass Gesellschafter in Drittstaaten Dividenden aus dem Inland beziehen.6 Nach Einführung7 des neuen Systems der Körperschaftsteuer einschl. der sog. Abgeltungssteuer gelten unterschiedliche Regeln je nachdem, ob der ausländische Dividendenbezieher eine Kapitalgesellschaft oder eine natürliche Person ist. Letztere unterliegt dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG), wenn sie die 1 Dies sind Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und Zweckvermögen privaten Rechts, sowie sonstige juristische Personen des privaten Rechts. 2 BFH v. 23.9.1970 – I R 22/67, BStBl. III 1971, 47; v. 9.8.1983 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; Schmidt, FR 1987, 289; Ahmann, DStR 1988, 58 (62); Wassermeyer, FR 1990, 1 (7); BMF v. 14.8.1987 – IV B 7 S 2742 - 30/87, BStBl. I 1987, 631; RFH v. 26.2.1929 – I Aa 89/29, RStBl. 1929, 253; v. 23.5.1933 – I A 362/32, RStBl. 1933, 910 (913); BFH v. 14.7.1976 – I R 239/73, BStBl. II 1976, 731 (732); v. 19.6.1974 – I R 94/71, BStBl. II 1974, 586 (587); v. 14.3.1984 – I R 223/80, BStBl. II 1984, 496; a.A. BFH v. 11.2. 1987 – I R 43/83, BStBl. II 1987, 643 (644); v. 9.8.1989 – I R 4/84, BStBl. II 1990, 237; v. 8.2.1995 – I R 73/94, BStBl. II 1995, 552; Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 32. 3 Der in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG erwähnte Wohnsitz kommt nur bei natürlichen Personen in Betracht (Rz. 2.19). 4 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA; siehe auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 91 ff. 5 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 34 ff. 6 Zugleich bezieht der im Drittstaat ansässige Gesellschafter auch die Dividenden aus dem Staat, in dem sich die Geschäftsleitung befindet. Besteht zwischen dem Drittstaat und Deutschland ein DBA, so kann eine Lösung darin liegen, den Sitz nicht als ortsbezogenes Merkmal i.S.d. DBA-Ansässigkeit gelten zu lassen, hierfür Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42; a.A. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 110; Kroschewski in Haase, Art. 4 OECD-MA Rz. 70; die DBA regeln derartige Dreiecksverhältnisse unzureichend, Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 7 ff. m.w.N.; dem Drittstaat ist es vor allem verwehrt, Deutschland ein Besteuerungsrecht zu verweigern, weil es im DBA mit dem Staat der Geschäftsleitung dessen vorrangiges Besteuerungsrecht anerkannt habe. 7 StEntlG v. 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402.

Lampert | 211

2.178

Kap. 2 Rz. 2.179 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Beteiligung in ihrem Betriebsvermögen (§ 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG) hält oder an einer gewerblichen Personengesellschaft beteiligt ist.

2.179 – Der ausländische Gesellschafter ist eine Kapitalgesellschaft: Gemäß § 8b Abs. 1 KStG bleiben Gewinnausschüttungen, die eine Kapitalgesellschaft von einer anderen erhält, „außer Ansatz“,1 wenn sie zu mindestens 10 v.H. am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG).2 Dies gilt auch für eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft, die an einer inländischen Gesellschaft beteiligt ist.3 Allerdings sieht § 43 Abs. 1 Satz 3, Abs. 1 Nr. 1 EStG im Grundsatz vor, dass unabhängig vom Bestehen einer Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG eine Quellensteuer zu erheben ist (Kapitalertragsteuer – KapESt). Dieser Steuerabzug beträgt gem. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG 25 % des Kapitalertrags (d.h. der Dividende). Damit ergibt sich folgendes Grundschema: Beispiel: D-GmbH (Gewinn) KSt Dividende4 KapESt 25 %5 Dividende – netto

100,00 ./. 15,00 85,00 21,25 63,756

Soweit die Dividende für die empfangende ausländische Kapitalgesellschaft im Inland steuerfrei ist, kann die Erhebung der Quellensteuer nur vorläufig sein. Ergibt sich die Steuerbefreiung aus einem DBA oder der MTR7 – beides setzt eine Mindestbeteiligung8 voraus –, hat der beschränkt Steuerpflichtige einen Anspruch auf Erstattung der Quellensteuer (§ 50d Abs. 1 Sätze 2–11 EStG). Alternativ kann die Freistellung im Steuerabzugsverfahren beantragt werden (§ 50d Abs. 2 EStG). Anders liegen die Dinge, wenn die Voraussetzungen des § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 KStG erfüllt sind (also eine Beteiligung von mind. 10 v.H. besteht), die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach der MTR oder einem DBA aber nicht vorliegen. Da § 8b KStG auch für beschränkt Steuerpflichtige gilt, müsste auch hier eine Steuererstattung gewährt werden. Jedoch statuiert § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, dass die Quellensteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten abgeltende Wirkung hat, falls die Dividende nicht durch einen inländischen Betrieb vereinnahmt wird.9 Es bleibt dann in Deutschland bei einer Bruttobesteuerung der Dividende i.H.v. 25 v.H. Diese Rechtslage betrifft allerdings nur Drittstaatensachverhalte, so dass Unionsrecht allenfalls i.R.d. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) auf Drittstaaten berührt sein könnte. 1 Begr.: Vermeidung einer Kumulierung von KSt, Geißer in Mössner/Seeger2, § 8b KStG Rz. 1. 2 Zum unionsrechtlichen Hintergrund der Einführung der Mindestbeteiligungsquote anstatt vieler Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 182 m.w.N. 3 Geißer in Mössner/Seeger2, § 8b KStG Rz. 2; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 10; Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 60. 4 Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag bleiben unberücksichtigt. 5 § 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG. 6 Bleibt somit die Dividende auch für die beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft bei Erfüllung der Mindestbeteiligungsquote außer Ansatz, so hat dies zur Folge, dass auch § 8b Abs. 5 KStG anzuwenden ist und daher 5 % der Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgaben gelten. Dies würde zu einer Steuerlast von 15 % auf die 5 % = 0,75 % der Dividende – im Beispiel wäre noch eine deutsche Körperschaftsteuer von 0,64 zu berücksichtigen, so dass die Nettodividende 63,11 betrüge. 7 V. 23.7.1990 – 90/435/EWG, ABl. Nr. L 225. 8 Diese beträgt bei der MTR 10 %, vgl. § 43b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. 9 Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 182; für § 8b Abs. 5 KStG hat die Abgeltungswirkung die Folge, dass sie gleichsam auch die wegen der Nichtabziehbarkeit von Ausgaben anfallende Steuer abgilt, § 8b Abs. 5 KStG insofern also ins Leere läuft (so Mitsch, INF 2004, 218). Dies dürfte dann nicht gelten, wenn die KapESt letztlich nicht erhoben wird.

212 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.183 Kap. 2

Liegt die Beteiligung des beschränkt Steuerpflichtigen an einer inländischen Gesellschaft unter 10 v.H. (Portfolio-Beteiligung), kommt eine Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG ebenso wenig in Betracht wie nach der MTR. Eine Privilegierung rein innerstaatlicher Beteiligungsverhältnisse gegenüber Inbound-Konstellationen wie sie vor Einführung der Mindestbeteiligungsquote in § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG bestand, existiert insoweit nicht mehr.1 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Steuerabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG weiterhin abgeltende Wirkung hat. Da Grundlage des KapESt-Abzugs die Bruttodividende ist, kann der beschränkt Steuerpflichtige seinen Erwerbsaufwand im Gegensatz zum unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht geltend machen. Dieses Ergebnis dürfte unter Zugrundelegung der „Gerritse“-Rspr. des EuGH2 kaum mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sein, zumal es an einer § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG entsprechenden Möglichkeit zur Veranlagung fehlt.3

2.180

– Der ausländische Gesellschafter ist eine natürliche Person:4

2.181

Für sie gilt im Prinzip die gleiche Berechnung, obgleich nach § 3 Nr. 40 EStG 40 % der Dividende steuerfrei sind und dies nicht durch §§ 49 ff. EStG eingeschränkt wird. Eine Reduzierung ist nur aufgrund eines DBA möglich.5 Eine Erstattung der Abgeltungssteuer bei Dividenden ist nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen vorgesehen (§ 44b Abs. 1 EStG). Die Erhebung der KapESt ist endgültig (§ 50 Abs. 2 EStG),6 so dass auch hier Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem primären Unionsrecht bestehen (vgl. Rz. 2.180). – Die Anteile gehören zum Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte:7

2.182

Durch die Betriebsstätte unterliegt der Ausländer (natürliche Person, Kapitalgesellschaft) der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 i.V.m. § 1 Abs. 4 EStG, § 2 Nr. 1 KStG. Zum Betriebsstättengewinn gehören – funktionale Zugehörigkeit der Beteiligung vorausgesetzt – dann auch die Dividenden, so dass die Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG) und die Körperschaftsteuer (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG) angerechnet wird, da die Abgeltungswirkung nicht gilt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).8 Zugleich findet § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG Anwendung. Dies bedeutet: – Anteilseigner im Ausland ist eine natürliche Person: 40 % der Dividende sind steuerfrei, so dass 60 bei einer Dividende von 100 mit einer ESt zwischen 0 und 45 % besteuert werden. Die Einkommensteuer beträgt dementsprechend zwischen 0 und 27 was zur anteiligen Erstattung der Kapitalertragsteuer bzw. einer zu zahlenden Einkommensteuer von bis zu 2 führt. – Anteilseigner ist eine ausländische Kapitalgesellschaft: Wegen § 8b Abs. 1 KStG entsteht keine Körperschaftsteuer.9 Die Kapitalertragsteuer wird erstattet. Somit zeigt sich, dass sich durch Zwischenschaltung einer inländischen Betriebsstätten-Holding, etwa in Form einer Personengesellschaft, nur bei natürlichen Personen, auch mittels einer Personengesellschaft, deutliche Minderungen der deutschen Steuer erzielen lassen, vorausgesetzt die Beteiligung gehört zur Betriebsstätte. Dass die sachliche Anknüpfung auf einer persönlichen basiert, zeigt sich vor allem daran, dass es nicht darauf ankommt, wo die Körperschaft selbst ihren Gewinn erwirtschaftet hat. Ist die Körper1 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287a. 2 EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:154 = BStBl. II 2003, 859. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287a m.w.N.; Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 182 m.w.N.; s. zu diesem Problemkreis auch die Vorlauflage dieses Werks in Rz. 2.180. 4 Auch Gesellschafter einer in- oder ausländischen Personengesellschaft. 5 Übersicht Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67: überwiegend 15 %. 6 von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 40/89; Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 61. 7 Auch ständiger Vertreter, Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 28; Gosch in Kirchhof13, § 50 EStG Rz. 19; ohne eigene Entscheidung BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185. 8 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 68. 9 Abgesehen von der 5 %-Schachtelstrafe gem. § 8b Abs. 5 KStG.

Lampert | 213

2.183

Kap. 2 Rz. 2.183 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung schaft bspw. überwiegend oder sogar ausschließlich auf Auslandsmärkten, vielleicht sogar im Lande des Gesellschafters, tätig, so ändert dies nichts daran, dass es sich um Gewinne der Körperschaft handelt, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Bezieht eine deutsche Kapitalgesellschaft Einkünfte aus einem ausländischen Staat, so unterliegen diese aufgrund des Welteinkommensprinzips (Rz. 2.49) der deutschen Körperschaftsteuer. Dividenden, die sie aus der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft bezieht, sind gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG grds. „außer Ansatz“ zu lassen mit dem Ergebnis der Steuerfreiheit (allerdings unter der Einschränkung des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Folglich kann eine auf die Dividenden erhobene Quellensteuer nicht angerechnet werden (Rz. 2.381). Folgerichtig wäre es nun aber, auf die gem. § 8b Abs. 5 KStG entstehende Körperschaftsteuer die ausländische Quellensteuer anzurechnen.1 Eine gegenteilige Auffassung2 verneint die Anrechenbarkeit, da die Einkünfte, auf die die Anrechnung abstellt, steuerfrei seien. Sind vGA im Inland aufgrund des „Korrespondenzprinzips“ gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 oder 3 KStG zu versteuern, wird die ausländische Quellensteuer anrechenbar. Beispiel: Die F.-S.A. (Paris) ist an der D-GmbH in Hamburg zu 100 % beteiligt. Die D-GmbH ist überwiegend auf ausländischen Märkten tätig.

– Freigestellte Auslandseinkünfte Beispiel: Die D-GmbH erzielt in einem DBA-Staat X durch eine Betriebsstätte einen Gewinn von 100. X erhebt eine Körperschaftsteuer von 30 % Es gilt die Freistellungsmethode. Die Dividende wird an F weitergeleitet. D-GmbH erzielt freigestellte BS-Einkünfte von 100 (BS-Gewinn) 100,00 Ausländische Steuer 30,00 Deutsche KSt3 0,00 Dividende an F 70,00 KapESt 25 % 17,50 Nettodividende F 52,50 Die Abkommensvorteile, die D im Verhältnis zu X hat, werden nicht an den Gesellschafter F weitergeleitet. Erst durch die Erstattung der KapESt tritt dieser Effekt dann ein. Da die MTR anwendbar ist, entfällt gem. § 43b EStG die KapESt, so dass F letztlich 70 erhält.

– Auslandseinkünfte mit Anrechnung Beispiel: Die D erzielt im Nicht-DBA-Staat Betriebsstätten-Einkünfte von 100, die dort mit einer Quellensteuer von 30 % besteuert werden. Im Übrigen gleicher Fall. Auslandseinkünfte 100,00 KSt – Ausland 30,00 Ausländische Einkünfte 100 Deutsche KSt 15,00 Anrechenbare Steuer 15,00 Dividende an F 70,00 KapESt 17,50 Nettodividende F 52,50

Es zeigt sich, dass auch in dieser Situation die Erhebung der KapESt entscheidend ist. Ebenfalls kann diese durch die MTR oder das DBA mit dem Staat der F gemindert werden. Systematisch richtig wäre es allerdings, die ausländische Steuer auf die KapESt anzurechnen. Im Übrigen siehe Rz. 2.180.

1 Schnitger, IStR 2003, 298; Roser in Gosch2, § 26 KStG Rz. 3; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 62.10; Siegers in D/J/P/W, § 26 KStG Rz. 169. 2 Vgl. Lieber in H/H/R, § 26 KStG Anm. 21; Wilke in Mössner/Seeger2, § 26 KStG Rz. 22. 3 Dies ergibt sich sowohl aus § 8b Abs. 1 KStG als auch nach DBA: Gröbl/Adrian in Erle/Sauter3, § 8b KStG Rz. 45; eingehend Geißer in Mössner/Seeger2, § 8b KStG Rz. 84 f.

214 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.185 Kap. 2

– „Durchgeschüttete“ Auslandsdividende Beispiel: Eine ausländische Kapitalgesellschaft A, an der D beteiligt ist, erzielt Gewinn von 100. Der ausländische Staat X erhebt eine Körperschaftsteuer von 25 % auf den Gewinn von A. A schüttet den Gewinn voll aus. Auf die Dividende erhebt X eine Quellensteuer von 25 % (10 v.H.; 0 v.H.). Gewinn der A 100,00 100,00 100,00 Ausländische KSt 25,00 25,00 25,00 Dividende an D 75,00 75,00 75,00 ./. Quellensteuer 18,75 7,50 0,00 Deutsche Körperschaftsteuer 0,00 0,00 0,00 – da gem. § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz § 8b Abs. 5 KStG1 0,525 0,525 0,525 Dividende D an F 55,725 69,975 74,475 KapESt2 13,93 17,49 18,62 Netto-Dividende 41,795 52,485 55,855

Die endgültige Steuerbelastung aus der Sicht der F hängt einmal von der in X erhobenen Quellensteuer ab. Diese kann durch die MTR oder DBA zwischen Deutschland und X gemindert sein. Zum anderen kommt es auf die Besteuerung der von D an F ausgeschütteten Dividende an. Neben dem DBA zwischen Deutschland und dem Staat der F kommt innerhalb Europas die MTR in Betracht. Günstigstenfalls erhält F eine Dividende von 75 abzüglich der Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG. Bei verdeckten Gewinnausschüttungen lassen sich zwei Grundsituationen unterscheiden:

2.184

1. Die Gesellschaft zahlt für eine oder keine Leistung ihres Gesellschafters ein überhöhtes Entgelt (z.B. überhöhtes Gehalt, Darlehen mit zu hohen Zinsen). 2. Der Gesellschafter zahlt für eine Leistung der Gesellschaft ein zu geringes Entgelt (Darlehen mit zu niedrigen Zinsen, Waren mit zu niedrigem Preis). Die Fälle unterscheiden sich dadurch, dass im Fall 1 die Gesellschaft erhöhte Aufwendungen trägt, ihr im Fall 2 hingegen Ertrag entgeht. Demgemäß unterscheidet der BFH3 die Vermögensminderung und die entgangene Vermögensmehrung. Anders ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die inländische Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht den Gesellschaftern, sondern einer diesen nahe stehenden Person zuwendet. In diesem Fall hat der Gesellschafter nur dann einen Vorteil erhalten, wenn die Leistung sich bei ihm vermögenserhöhend auswirkt. Dies ist nur dann der Fall, wenn der nahe stehenden Person Waren unter Preis geliefert wurden, nicht aber wenn ihr lediglich eine unentgeltliche Nutzung, z.B. Darlehen, zugewandt wurde.4 Hat der Steuerausländer einen Anspruch auf eine Dividende, dann macht es für § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG eigentlich keinen Unterschied, ob er diesen Anspruch unmittelbar realisiert oder ob er ihn versilbert. Deshalb wurde bis VZ 2008 beschränkt steuerpflichtig auch derjenige, der einen Divi1 Anwendbar trotz DBA-Freistellung: Geißer in Mössner/Seeger2, § 8b KStG Rz. 340; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG § 8b Rz. 85A; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter3, § 8b KStG Rz. 277; da gem. § 8b Abs. 5 KStG Voraussetzung ist, dass es sich um „Bezüge i.S. des Abs. 1“ handelt, was Schachteldividenden aus dem Ausland zweifelsohne sind, die „bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben“, was auf die Regelung des Abs. 1 verweist, kann man m.E. Abs. 5 als nicht auf Dividenden, die aufgrund eines DBA steuerfrei sind, anwendbar ansehen. Da aber das nationale Außer-Ansatz-Lassen bereits zur Steuerfreiheit führt, geht die DBA-Freistellung ins Leere. 2 Zugleich die Steuer nach § 8b Abs. 5 KStG abgeltend. 3 Grundlegend BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475. 4 BFH v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612 (613) m.w.N.; die gegenteilige Ansicht im Urt. v. 23.10.1985 – I R 248/81, BStBl. II 1986, 178 (180 f.) lässt sich nach BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1877, 348 nicht mehr halten.

Lampert | 215

2.185

Kap. 2 Rz. 2.186 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung dendenschein veräußert (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG). Dies ergab sich daraus, dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG den § 20 Abs. 2 EStG für entsprechend geltend erklärt.1 Steuerschuldner blieb auch in diesem Fall der Inhaber des Stammrechts, d.h. der Gesellschafter. Dadurch wurde verhindert, dass ein ausländischer Gesellschafter durch Veräußerung des Dividendenscheins an einen unbeschränkt Steuerpflichtigen seine Besteuerung vermeidet. Mit der Änderung 2009 ist Folgendes eingetreten: § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG verweist nunmehr auf § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6 und 9. In § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG werden Besonderheiten nach dem Investmentsteuergesetz behandelt. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG betrifft § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG. Überraschenderweise verweist dann § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. a, 9, 10 und Satz 2 EStG. Von diesen begründet nur § 43 Abs. 1 Nr. 10 EStG die beschränkte Steuerpflicht für § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG. § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG wird in § 43 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannt. Darauf verweist aber § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht. Damit ergibt sich folgende Situation: Gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist bei der Veräußerung eines Dividendenscheins KapESt zu erheben. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG unterliegt ein entsprechender Veräußerungsgewinn aber nicht der Steuer. Somit erfolgt die Erhebung der KapESt ohne Rechtsgrund und ein Erstattungsanspruch gem. § 37 Abs. 2 AO ist begründet. Dem steht aber § 50 Abs. 2 EStG entgegen, der anordnet, dass die Abzugsteuer abgeltende Wirkung hat. Nur: Wie kann etwas abgegolten werden, für das keine Verpflichtung besteht? Das BMF geht in seinem Schreiben vom 26.7.20132 davon aus, dass Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenansprüchen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zwar keine beschränkte Steuerpflicht des Veräußerers nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG begründen, die beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aber nicht ausgeschlossen wird. Das BMF begründet seine Auffassung damit, dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG nur Fälle der tatsächlichen Besteuerung des Veräußerungserlöses erfasse. Die sich aus § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG ergebende Sperrwirkung ggü. Abs. 1 – welche die Unanwendbarkeit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nach sich zieht – fände dagegen keine Anwendung, wenn die tatsächliche Besteuerung des Veräußerungserlöses unterbleibe. Nach dem Wortlaut des Satzes 2 trete § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an die Stelle der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 EStG. Dadurch werde eine Doppelbesteuerung der Dividendenzahlung und zusätzlich des Veräußerungserlöses aus der Übertragung des Gewinnanspruchs vermieden. Nur in Fällen, in denen vom Inhaber des Stammrechts der Veräußerungserlös nach § 20 Abs. Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu versteuern ist, werde die Dividendenzahlung nicht mehr besteuert. Im Schrifttum ist diese Auffassung auf Kritik gestoßen.3

2.186 Durch die Verweisung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wurde jede Form

dividendenähnlichen Ertrages erfasst, also auch Erträge aus Wandelanleihen und Genussrechten.4 Nach der Neuregelung 2009 ist dies nicht mehr eindeutig. Loschelder5 meint, dass dies nach einer zutreffenden h.M. eher nicht für Wandelanleihen zutrifft. Genussrechte i.S.v. § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG unterliegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG durch Verweis auf § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie verbrieft sind. Bei unverbrieften Genussrechten soll6 eine planwidrige Regelungslücke gegeben sein, die durch Analogie in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG zu schließen sei. Angesichts der klaren Gesetzesregelung, dass es auf die Verbrie1 Siehe BFH v. 14.2.1973 – I R 77/71, BStBl. II 1973, 452 (453); § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG wurde durch das 2. StÄndG 1973 eingeführt. 2 BMF v. 26.7.2013 – IV C 1 - S 2410/11/10001:003 – DOK 2013/0710470, BStBl. I 2013, 939; kritisch zum BMF-Schr. Helios/Klein, FR 2014, 110; Wiese/Berner, DStR 2013, 2674. 3 Dass die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG unter den Vorbehalt der tatsächlichen Besteuerung des Veräußerungserlöses gestellt werde, widerspreche dem Wortlaut, der Gesetzessystematik sowie der Gesetzgebungshistorie; s. hierzu Wiese/Berner, DStR 2013, 2674, Helios/Klein, FR 2014, 110. 4 Früher: Heinicke in Schmidt26, § 49 EStG Rz. 61; Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 129a ff. 5 Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 99. 6 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 194.

216 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.188 Kap. 2

fung ankomme (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d Doppelbuchst. bb EStG), ist kein Raum für eine steuerbegründende Analogie. Bezüge aus einer Kapitalherabsetzung oder nach Liquidation zu den Einkünften (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), soweit das Kapital nicht durch Einlagen der Gesellschafter gebildet wurde,1 sind nach nicht unumstrittener Auffassung2 Veräußerungsgewinne i.S.v. § 17 EStG und damit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG zuzuordnen.

2.187

Ein sonstiger Bezug ist es auch, wenn der Steuerausländer nicht eine Dividende in bar, sondern in Gestalt von unechten Gratisaktien (Gratisanteilen) erhält; denn diese beruhen auf einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, wobei in dem Gewinnverteilungsbeschluss festgesetzt wird, dass der ausgewiesene Gewinn der AG oder GmbH in Form von unechten Gratisaktien (Gratisanteilen) ausgeschüttet wird. Anders ist es, wenn die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln aus bereits versteuerten Rücklagen in Kapital umgewandelt und darauf Zusatzaktien (Zusatzanteile) ausgegeben werden.3 Nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG fallen ferner Veräußerungserlöse, die ein Steuerausländer dadurch erzielt, dass er sein konkretes Bezugsrecht auf den Erwerb junger Aktien, wie es nach § 186 AktG aufgrund eines Kapitalerhöhungsbeschlusses besteht, veräußert. Denn das Bezugsrecht verkörpert keinen Anspruch auf Gewinn, sondern einen Anspruch auf Beteiligung am Kapital. Es wird nicht Vermögen der Gesellschaft gemindert (= Ausschüttung).4 Art. 10 OECD-MA reduziert die Besteuerung von Dividenden im Quellenstaat auf 5 % bzw. 15 % der Bruttoerträge. Der Begriff der Dividende richtet sich gem. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA nach dem Recht des Quellenstaates, so dass der deutsche Begriff für die beschränkte Steuerpflicht nicht eingeschränkt wird. Die Begrenzung der Quellensteuer betrifft deren Höhe.5 Dennoch wird verfahrensmäßig die volle Quellensteuer erhoben (§ 50d EStG) und auf Antrag des Ausländers in Höhe der Differenz des nach dem jeweiligen DBA zulässigen Satzes erstattet.6 In der jüngeren Vergangenheit sind zunehmend sog. hybride Finanzierungen in den Fokus der OECD7, EU8 und damit auch des nationalen Gesetzgebers geraten. Eine sog. hybride Finanzierung ist bei einer Hingabe von solchem Kapital gegeben, das in einem Staat als Fremdkapital, im anderen Staat jedoch als Eigenkapital qualifiziert wird, so dass das Entgelt für die Überlassung von Fremdkapital im Quellenstaat als Betriebsausgabe abgezogen wird und überdies im Empfängerstaat als Dividende ermäßigt oder überhaupt nicht besteuert wird (Deduction/non inclusion).9 Um dies zu vermeiden, existieren grds. zwei Möglichkeiten: Zum einen kann die Abzugsfähigkeit des Entgelts im Quellenstaat davon abhängig gemacht werden, dass die Bezüge im Staat des Zahlungsempfängers besteuert werden. Zum anderen kann der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Bezüge vice versa die Steuerfreistellung davon abhängig machen, dass die Zahlung der Bezüge im Quellenstaat die Bemessungsgrundlage nicht gemindert hat. Während insb. mit § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG10 eine Regelung 1 Zu Einzelheiten, vgl. Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 69 ff. 2 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt36, § 17 EStG Rz. 44 ff. 3 Vgl. im Einzelnen Ratschow in Blümich, § 20 EStG Rz. 88415; Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 72. 4 Ratschow in Blümich, § 20 EStG Rz. 87. 5 Übersicht über die Besonderheiten der einzelnen Abkommen bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 93 f. 6 Einzelheiten unten Henkel, Rz. 6.86. 7 OECD, Final Report v. 5.10.2015 zu Punkt 2 des BEPS-Aktionsplans: „Hybrid Mismatch Arrangements“. 8 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts v. 28.1.2016, COM (2016) 271 final. 9 Vgl. Herzig, IStR 2000, 482; Schnitger/Weiss, IStR 2014, 509; Staats, IStR 2014, 751. 10 Mit Einfügung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 wurden auch § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 f. EStG und § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG entsprechend angepasst.

Lampert | 217

2.188

Kap. 2 Rz. 2.189 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung im letztgenannten Sinne getroffen wurde, fehlt es im deutschen Recht (noch) an einer Regelung, welche eine korrespondierende Besteuerung durch ein Verbot des Abzugs des Entgelts für die Kapitalüberlassung zu verwirklichen sucht. Die Auffassung des Bundesrats, eine solche Regelung in § 4 Abs. 5a EStG aufzunehmen, konnte sich bislang nicht durchsetzen. Ohne eine solche Regelung bleiben „deduction/non inclusion“-Konstellationen bei abfließenden Zahlungen zwar möglich, doch werden die fiskalischen Folgen dadurch weitgehend abgemildert, dass Deutschland als Quellenstaat vielfach zur Besteuerung von Vergütungen für die Überlassung hybriden Kapitals berechtigt bleibt.1 3. Stille Gesellschaft und partiarisches Darlehen

2.189 Einnahmen aus einer Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) unterliegen der beschränkten Steuerpflicht, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes bzw. der Darlehensnehmer (vgl. Rz. 2.193) Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG). Dies entspricht dem Grundsatz, die unbeschränkte Steuerpflicht des Schuldners der Kapitalerträge zum inländischen Anknüpfungskriterium zu machen. Einerseits ist die (typische) stille Gesellschaft gegen die atypische stille Gesellschaft abzugrenzen, die als Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu gewerblichen Einkünften führt (Rz. 2.97). Andererseits muss das partiarische Darlehen von dem üblichen Darlehen unterschieden werden, da Zinsen aus normalen Darlehen nicht zur beschränkten Steuerpflicht führen.

2.190 Eine stille Gesellschaft2 bedeutet wirtschaftlich die Beteiligung am Geschäftserfolg eines Unternehmens durch Kapitaleinlage in dasselbe. Sie ist in §§ 230 ff. HGB dadurch bestimmt, dass

– zwischen dem „Stillen“ und dem Inhaber des Handelsgewerbes ein Gesellschaftsvertrag3 abgeschlossen wird; – der Stille eine Vermögenseinlage leistet, die in das Vermögen des Unternehmers übergeht; – es sich beim Unternehmen um ein Handelsgewerbe i.S.d. §§ 1–6 HGB handelt; – der Stille am Gewinn des Unternehmens beteiligt ist. Mangels anderweitiger Vereinbarung nimmt der stille Gesellschafter auch am Verlust teil (§ 231 Abs. 2 HGB), begrenzt bis zur Höhe der Einlage (§ 232 Abs. 2 HGB).

2.191 Der stille Gesellschafter tritt nach außen nicht in Erscheinung. Er ist am Erfolg, nicht am Ver-

mögen des Unternehmens beteiligt, d.h., beim Ausscheiden erhält er seine Einlage zurück; selbst wenn er Ausgleichszahlungen wegen Geldentwertungen erhält. Das Auseinandersetzungsguthaben gem. § 235 HGB zielt nicht darauf ab, den stillen Gesellschafter an den Wertänderungen des Unternehmensvermögens zu beteiligen, sondern es dient einer korrekten Abrechnung des bis zum Ausscheidungszeitpunkt erzielten Geschäftserfolges. Die Kontrollrechte sind gem. § 233 HGB beschränkt. Die Rechtsform, in der das Unternehmen betrieben wird, ist gleichgültig. Die stille Gesellschaft kann daher an einem Einzelunternehmen, einer Personengesellschaft4 oder einer Kapitalgesellschaft bestehen. Zur Vermögenseinlage eignen sich alle Vermögenswerte, d.h. Sachen, Rechte und sonstige wirtschaftliche Vorteile.5 Diese gehen in das Eigentum des Unternehmens über. An die Stelle des Eigentums tritt der Anspruch nach § 235 HGB. Daher kommen nur Fremde als stille Gesellschafter in Betracht. Gesellschafter einer Personengesellschaft können nicht zugleich deren stille Gesellschafter sein,6 wohl aber die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft.7 1 2 3 4 5 6 7

Siehe Körner, IStR 2015, 449 (451). Zu deren Besteuerung siehe Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 76 ff. Ein Arbeitsvertrag reicht nicht; vgl. im Einzelnen Ratschow in Blümich, § 20 EStG Rz. 216 ff. Korrekt: an dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen. BFH v. 27.2.1975 – I R 11/72, BStBl. II 1975, 611 (613) betr. Know-how. RFH v. 17.7.1935 – VI A 304/34, RStBl. 1935, 1452; v. 20.1.1944 – III 38/43, RStBl. 1944, 435. Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 80; von Beckerath in Kirchhof16, § 20 EStG Rz. 80.

218 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.196 Kap. 2

Das partiarische Darlehen ist gesetzlich nicht geregelt.1 Es handelt sich bei ihm um eine Kreditgewährung, bei der anstelle des oder neben den Zins ein Anteil am Gewinn tritt. Anders als bei der stillen Gesellschaft findet keine Verlustbeteiligung statt. Auch ist ein partiarisches Darlehen nicht auf Handelsgewerbe beschränkt, sondern kann für alles gewährt werden, was mit Gewinn verbunden ist.

2.192

Die beschränkte Steuerpflicht besteht bei einer stillen Gesellschaft mit einem partiarischen Darlehen an ein Einzelunternehmen, wenn der Betriebsinhaber seinen Wohnsitz (Rz. 2.19)2 im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG, auch § 43 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 EStG) hat. Bei einem Einzelunternehmer begründet somit nur der inländische Wohnsitz, nicht aber auch der ständige Aufenthalt das Inlandskriterium. Dies führt dann dazu, dass in dem Fall, dass der Inhaber eines inländischen Einzelunternehmens seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, die beschränkte Steuerpflicht des stillen Gesellschafters endet, obwohl der Betriebsinhaber möglicherweise wegen eines fortbestehenden ständigen Aufenthalts im Inland unbeschränkt steuerpflichtig bleibt. Erst recht endet die beschränkte Steuerpflicht, wenn auch der gewöhnliche Aufenthalt im Inland beendet wird. Die Anknüpfung an die Geschäftsleitung, die möglicherweise im Inland verbleibt, hilft bei Einzelunternehmen nicht, da es auf den Schuldner ankommt und eine Betriebsstätte nicht Schuldner ist. Da die Einlage des Stillen in das Betriebsvermögen erfolgt, wäre es systematisch richtiger, auf das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte abzustellen. Dies würde aber zu erheblichen Abgrenzungsproblemen führen, wenn das Unternehmen auch ausländische Betriebsstätten besitzt.

2.193

Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, so muss diese ihren Sitz (Rz. 2.63) oder ihre Geschäftsleitung (Rz. 2.66) im Inland haben. In beiden Fällen ist der „Schuldner“ unbeschränkt steuerpflichtig. Die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (Rz. 2.50 ff.) ändert daher nichts an der beschränkten Steuerpflicht des Stillen; dies selbst dann nicht, wenn auch die inländische Betriebsstätte aufgegeben wird.

2.194

Erfolgt die stille Beteiligung an einer Personengesellschaft, so kommt es darauf an, wer „Schuldner“ i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG ist. Die Gesellschaft ist nicht selbst Steuersubjekt. Man könnte daher auf den Wohnsitz der Gesellschafter abstellen. Dies würde jedoch zu unüberwindbaren Schwierigkeiten bei Personengesellschaften führen, wenn deren Gesellschafter nicht sämtlich im Inland ihren Wohnsitz haben. Zivilrechtlich ist die Gesellschaft selbst „Schuldnerin“ (§ 124 HGB), auch wenn die Gesellschafter letztlich für die Schulden der Gesellschaft haften (§ 128 HGB). Folglich kommt es darauf an,3 wo die Personengesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung4 hat, obgleich dadurch nur eine beschränkte Steuerpflicht begründet wird (Rz. 2.140). Es ist daher möglich, dass alle Gesellschafter im Ausland ansässig sind, dort die Geschäfte getätigt werden, sich im Inland nur die Geschäftsführung befindet und dennoch die beschränkte Steuerpflicht für einen stillen Gesellschafter begründet wird. Vergleichbar hat der BFH für § 50a Abs. 5 EStG entschieden.5

2.195

Im OECD-MA wird die stille Gesellschaft nicht ausdrücklich behandelt. Sie wird jedoch, da sie keinen Gesellschaftsanteil darstellt, wie in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA für eine Dividende verlangt, als Forderung i.S.v. Art. 11 Abs. 3 OECD-MA anzusehen sein.6 Erst recht trifft dies für das partiarische Darlehen zu, da Art. 11 Abs. 3 OECD-MA bei der Definition von „Zins“ ausdrücklich auch die Beteiligung am Gewinn des Schuldners erwähnt.7 Entscheidend ist, ob der Kapitalgeber

2.196

1 Vgl. Sprau in Palandt77, § 705 BGB Rz. 9; Schäfer in MünchKomm BGB6, Vor § 705 Rz. 108 ff.; siehe auch BFH v. 25.3.1992 – I R 41/91, BStBl. II 1992, 889. 2 Gewöhnlicher Aufenthalt (Rz. 2.33) reicht nicht! 3 Ebenso Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 187; Ramackers in L/B/P, § 42 EStG Rz. 435. 4 Zum Sitz einer Personengesellschaft Roth in Baumbach/Hopt37, § 106 HGB Rz. 8: immer am Ort der Geschäftsleitung. 5 BFH v. 20.7.1988 – I R 175/85, BStBl. II 1989, 87. 6 Ebenso Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 210; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.333. 7 Art. 11 Rz. 18 OECD-MK.

Lampert | 219

Kap. 2 Rz. 2.197 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung das Risiko eines Gläubigers oder Unternehmerrisiko trägt. Letzteres kann man beim stillen Gesellschafter nicht annehmen.1 Somit findet auf stille Gesellschaften und partiarisches Darlehen der Zinsartikel der DBA Anwendung. In diesem wird die Besteuerung im Quellenstaat zwar anerkannt, zugleich aber in ihrer Höhe auf 10 % der Bruttobeträge beschränkt (Art. 11 Abs. 2 OECD-MA).2 In den deutschen Abkommen mit den skandinavischen Staaten sowie in denjenigen mit Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, USA und den osteuropäischen Staaten3 wird die Quellenbesteuerung aufgehoben, während in den Abkommen mit Entwicklungsländern überwiegend höhere Sätze zugelassen werden.

2.197 Abweichend von der Regelung des OECD-MA unterwerfen jedoch die meisten4 DBA Deutsch-

lands die Einkünfte aus stillen Gesellschaften und auch aus partiarischem Darlehen den Regeln über die Dividenden (Art. 10 OECD-MA). Dabei handelt es sich um eine Fiktion, die die Rechtsfolgen der Dividendenartikel zur Anwendung bringt, ohne dass deren Voraussetzungen vorliegen müssen. Somit sind nicht nur stille Gesellschaften an Kapitalgesellschaften erfasst,5 sondern auch solche an Einzelunternehmen oder Personengesellschaften.6 Dass es nur um die Anwendung der für Dividenden vorgesehenen Quellensteuerbegrenzungen (d.h. um die Rechtsfolgen), nicht aber um Definitionen als Rechtsvoraussetzungen geht, machen die Formulierungen der Abkommen nicht hinreichend deutlich. So definiert z.B. Art. 10 DBA-Schweiz 1971 in seinem Abs. 4 n.F. den Begriff der Dividenden und führt dabei dann Einnahmen aus sonstigen Gesellschaftsanteilen auf, die Einnahmen aus Aktien gleichgestellt sind, einschließlich der Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder aus partiarischem Darlehen. Dieser Aufbau des Abkommens könnte in der Tat nahelegen, die Regelung auf stille Gesellschaften bei Kapitalgesellschaften zu beschränken. Der Sache nach ist jedoch gemeint,7 dass die Begrenzungen für Dividenden in gleicher Weise auch für Einnahmen aus stillen Gesellschaften gelten sollen, gleichgültig in welcher Rechtsform das Handelsgewerbe betrieben wird. Hinter der vorgeblichen Definition verbirgt sich eine Verweisung – gesetzgeberisch ist dies gewiss kein Meisterstück.

2.198 Die Gleichstellung der Einnahmen aus stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen mit Divi-

denden wirkt nur auf die Art. 10 OECD-MA entsprechenden Verteilungsregeln des Dividendenartikels der DBA, nicht aber auch auf den Methodenartikel (Art. 23 OECD-MA). Dort sind die entsprechenden Einnahmen Zinsen. Somit richtet sich die Gleichstellung mit den Dividenden an den Quellenstaat und verweist diesen darauf, auf Einnahmen aus stiller Gesellschaft oder partiarischem Darlehen die Quellensteuerregeln für Dividenden anzuwenden.8 Im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers kommen dann die Regeln über die Zinsen zur Anwendung. Folglich kann dort auf diese Einnahmen nicht der Methodenartikel für Schachteldividenden angewendet werden.9 Dies bedeutet aber nicht, dass im Quellenstaat ohne Weiteres die Regelungen hinsichtlich der Schachteldividenden entsprechend Art. 10 Abs. 2 OECD-MA anwendbar wären. Diese setzen

1 So Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 63, bei Unternehmerrisiko würde er zum atypisch Stillen, hierzu BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812. 2 Siehe Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48 über die Regelungen in den einzelnen Abkommen. 3 Sonderregelung Russland (UdSSR) vgl. Art. 8 Abs. 2 DBA-UdSSR, Prot. Nr. 4. 4 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 165. 5 Dafür Horst Vogel, DB 1978, 1021 (1023 f.); dagegen zu Recht BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374 (377). 6 Im Übrigen vgl. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 ff. 7 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. 8 Aus deutscher Sicht, um die KapESt gem. § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG erheben zu können, Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 143. 9 So jetzt auch BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; v. 19.5.2010 – I R 75/09, BStBl. II 2011, 208; h.M. Siegers/Steichen in Wassermeyer, MA, Art. 10 DBA-Luxemburg Rz. 125, 212; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 92: „alternative, einander ergänzende Regelungen“; a.A. nur Fries, IStR 2005, 805.

220 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.201 Kap. 2

nämlich eine Beteiligung am Kapital in einem gewissen Mindestumfang der Gesellschaft voraus, was eine stille Beteiligung nicht vermittelt.1 Besteht neben der stillen Beteiligung auch eine Schachtelbeteiligung am Kapital der Dividenden zahlenden Gesellschaft,2 dann soll nach h.M.3 die Schachtelvergünstigung auch für die Einnahme aus der stillen Gesellschaft gelten. Hierfür sollen Wortlaut und systematischer Zusammenhang des Abkommen sprechen. Wenn der Dividendenartikel eine Absenkung des Quellensteuersatzes für Dividenden vorsieht, die an eine Gesellschaft gezahlt werden, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile der ausschüttenden Gesellschaft gehören, und im gleichen Art. auch Einnahmen aus einer stillen Gesellschaft als Dividenden definiert werden, so kann man daraus schließen, dass auch für die Einnahmen aus der stillen Beteiligung der Quellensteuersatz für Schachteldividenden gilt. Damit sei der Wortlaut so eindeutig, dass eine andere Auslegung nicht möglich sei.4 Fragt man aber nach dem Sinn und Zweck der Schachtelvergünstigung im DBA,5 so kann man daran zweifeln. Aufseiten des zahlenden Unternehmens sind die Zahlungen an den Stillen Betriebsausgaben, mindern folglich den Gewinn des Unternehmens. Dies unterscheidet sie von Gewinnausschüttungen. Sollen die Schachtelvergünstigungen die wirtschaftliche Doppelbelastung bei Dividenden beseitigen, so führt deren Anwendung auf die stille Gesellschaft zu einer doppelten Vergünstigung im Quellenstaat.6 Die Zukunft sollte eigenen DBA-Regeln für stille Gesellschaften7 gehören. Dies zeigt sich am DBA-Schweiz. Dort wird ein eigener Quellensteuersatz für stille Beteiligungen von 30 % in Art. 10 Abs. 2b DBA-Schweiz festgelegt, von dem die Behandlung der Schachteldividende (Abs. 3) völlig unabhängig ist. Auch im DBA-USA 1989 findet sich in Art. 10 Abs. 6 eine Regelung für stille Gesellschaften, die unabhängig von den Schachteldividenden ist.8 Hintergrund derartiger Regeln ist, dass die Zahlungen als Betriebsausgaben abziehbar sind und dass daher eine (höhere) Quellensteuer gerechtfertigt ist. Zum Problemkreis der sog. hybriden Finanzierungen siehe auch Rz. 2.188.

2.199

Für partiarische Darlehen gilt die gleiche Regelung: Enthält das DBA keine besondere Regel, so finden die Artikel über Zinsen Anwendung. Werden Einnahmen aus partiarischen Darlehen den Dividenden gleichgestellt, so gelten dieselben Überlegungen wie bei stillen Gesellschaften. Der BFH9 hat daher unter Berücksichtigung der Sonderregelung im DBA-USA (Rz. 2.199) entschieden, dass Zinsen aus partiarischen Darlehen, die aus den USA gezahlt werden, nicht wie Dividenden, sondern wie Zinsen im Methodenartikel besteuert werden.

2.200

4. Zinsen Zinsen aus Kapitalforderungen begründen nur dann die beschränkte Steuerpflicht, wenn das Kapitalvermögen im Inland in besonderer Weise gesichert ist (§ 49 Abs. 5 Buchst. c EStG).10 „Normale“ Darlehen eines Ausländers an einen Steuerinländer, Sparbucheinlagen, Kredite an Unternehmen sind in ihren Erträgen von der deutschen Steuer freigestellt. Dies macht es für ausländische 1 H.M. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 167. 2 Dies ist möglich BFH v. 28.10.1964 – I 198/62 U, BStBl. III 1965, 119 (120); v. 18.3.1966 – IV 218/65, BStBl. III 1966, 197. 3 Weber, InstFSt Brief 204, 35; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 138, 168; a.A. Vosely/ Kumpf, RIW 1977, 309 (313). 4 So auch BFH v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574 (575) bzgl. des insoweit übereinstimmenden Art. VI Abs. 3 u. Abs. 8 DBA-USA. 5 Vgl. hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 78. 6 Was diesen veranlassen kann, wie in § 8a KStG, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Richtigerweise sollten daher die Schachtelvergünstigungen nicht angewendet werden. Der Widerspruch gegen den Wortlaut der Abkommen bliebe dann aber bestehen. 7 Siehe hierzu ausf. so Lipp, IWB 2014, 760. 8 Wolff in Wassermeyer, Art. 10 USA Rz. 161. 9 BFH v. 19.5.2010 – I R 75/09, BStBl. II 2011, 208. 10 Vgl. BFH v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743.

Lampert | 221

2.201

Kap. 2 Rz. 2.202 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Gesellschafter deutscher Kapitalgesellschaften besonders verführerisch, diese Darlehen anstelle einer Kapitalbeteiligung zu gewähren (thin capitalization). Zinszahlungen stellen dann aufseiten der Gesellschaft gewinnmindernde Betriebsausgaben dar, beim ausländischen Darlehensgeber werden sie nicht als steuerpflichtige inländische Einkünfte erfasst. Im Ergebnis erfolgt dann keine Besteuerung in Deutschland. Dies hat ausländische Muttergesellschaften veranlasst, ihren deutschen Tochtergesellschaften anstelle von Eigenkapital ein z.T. Vielfaches an Darlehen zu gewähren. Diese sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen haben nach einer umfangreichen, jahrelangen Diskussion1 nunmehr in § 8a KStG eine Regelung gefunden.

2.202 Es spräche nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG durch einen unein-

geschränkten Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG so änderte, dass alle inländischen Zinszahlungen die beschränkte Steuerpflicht auslösen.2 Dies wäre mit den Grundsätzen des internationalen Steuerrechts vereinbar, wonach ein Staat auf abfließende Zinsen eine Quellensteuer erheben kann.3 In diesem Fall wären die Zinszahlungen weiterhin Betriebsausgaben, die den Gewinn des inländischen Schuldners mindern; sie würden allerdings mit einer inländischen Quellensteuer belegt, deren Höhe ggf. durch entsprechende DBA-Normen begrenzt würde. Stattdessen wurde versucht,4 über Missbrauchsregeln „verdecktes Nennkapital“ anzunehmen, was der BFH5 nicht mitmachte. Nachdem auch der Versuch, das Problem über Umqualifizierung der Zinsen in Dividenden zu lösen, gescheitert war, hat man den Weg der Zinsschranke beschritten, anstatt eine Quellensteuer auf Zinsen einzuführen. Bedenken6 gegen eine Vereinbarkeit der Zinsschranke mit Art. 11 OECDMA sind nicht gerechtfertigt. Der ausländische Darlehensgeber erhält den vereinbarten Zins ohne steuerliche Belastung in Deutschland, wie im Abkommen vorgesehen. Dass der Gewinn des inländischen Darlehensnehmers geschmälert wird, ist eine rein innerstaatliche Angelegenheit ohne Auswirkung auf das DBA.

2.203 Gewährt ein ausländischer Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft7 ein Darlehen, so

bezieht er gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch die Zinsen gewerbliche Einkünfte in Gestalt sog. Sondervergütungen.8 Die Anwendbarkeit von § 15 EStG setzt gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG als hinreichenden Inlandsbezug (Rz. 2.3, 2.237 ff.) das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Inland und die Zuordnung der Darlehensforderung als Grundlage für die Sondervergütung zu dieser voraus. Die Beteiligung an der Personengesellschaft mit einer Betriebsstätte im Inland9 vermittelt dem ausländischen Gesellschafter einen Anteil an dieser Betriebsstätte. Nach deutschem Steuerrecht soll10 die Darlehensforderung als Sonderbetriebsvermögen zum Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft gehören. Der II. Senat des BFH hat jedoch entschieden, dass eine gegen eine Personengesellschaft gerichtete Forderung selbst dann nicht zum Vermögen der durch die Beteiligung vermittel1 Vgl. zur Entwicklung Oellerich in Mössner/Seeger2, § 8a KStG Rz. 16 ff.; siehe auch Cahiers de Droit Fiscal International LXXXIb (1996), International aspects of thin capitalisation. 2 So in der Tat für den Zeitraum vom 1.1.-30.6.1989 geschehen. 3 Vgl. Höhn, Generalbericht, Cahiers de Droit Fiscal International LXVIIa, 15 (38). 4 BMF v. 16.3.1987 – IV B 7 JK 2742 - 3/87, BStBl. I 1987, 373 = FR 1987, 199. 5 BFH v. 14.8.1991 – I B 240/90, BStBl. II 1991, 935; v. 5.2.1992 – I R 79/89, BFH/NV 1992, 629; v. 5.2. 1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 6 Homburg, FR 2007, 725; Köhler, DStR 2007, 604. 7 Hierzu siehe eingehend Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 63 m.w.N. 8 Vgl. Loschelder in Schmidt36, § 50d EStG Rz. 60 m.w.N. 9 St. Rspr. BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 10 In der Entscheidung BFH v. 17.10.2010 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 wird dies für das deutsche Steuerrecht als unstreitig unterstellt; Wolff in FS Wassermeyer, 659 bezieht sich wie andere Angehörige der Finanzverwaltung auf die Betriebsstättengrundsätze (BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.3, geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354), die allerdings darauf abstellen, ob die den Zinsen zugrundeliegenden Vermögenswerte tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Eine Rechtsgrundlage ist den Grundsätzen nicht zu entnehmen.

222 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.207 Kap. 2

ten Betriebsstätte des Gesellschafters gehört, wenn sie auf eine Sondervergütung gerichtet ist.1 Dem ist zuzustimmen. Im Vermögen der durch die Beteiligung an der Mitunternehmerschaft vermittelten Betriebsstätte des Ausländers befindet sich die Darlehensschuld, nicht aber die Forderung. Überlegungen,2 das Sonderbetriebsvermögen einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Gesellschafters zuzuordnen, führen nicht weiter, da diese im Ausland läge. Begründen lässt sich generell die Zugehörigkeit des Sonderbetriebsvermögens nur mit der Auffassung des BFH,3 dass § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Sondervergütungen nicht eine Qualifikationsnorm, sondern primär eine Zuordnungsnorm darstelle, weil die Sondervergütungen in die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft einbezogen würden. Diese bilanziell begründete Zuordnung ist deutlich von der tatsächlichen Zugehörigkeit, die in den DBA verlangt wird, zu unterscheiden. Daher ist dem BFH4 zuzustimmen, dass § 50d Abs. 10 EStG zwar die Sondervergütungen einseitig zu Unternehmenseinkünften umqualifiziert, nicht jedoch dem Betriebsstättenvermögen zuordnet.5

V. Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften werden umfassend besteuert. Dabei wird danach unterschieden, ob die Anteile im inländischen Betriebsvermögen gehalten werden oder ob es sich bei ihnen um Privatvermögen handelt. Insgesamt ist die Regelung der beschränkten Steuerpflicht für die Einkünfte unübersichtlich und kompliziert. Dies erklärt sich daraus, dass die Art und Weise der Ermittlung des Veräußerungsgewinns, vor allem die Möglichkeit, Ausgaben zu berücksichtigen, die Behandlung von Verlusten und die Art der Besteuerung unterschiedlich erfolgen. Ob diese Unterschiede gerechtfertigt sind, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Gelegenheit zur Steuervereinfachung bietet sich reichlich.

2.204

Im Betriebsvermögen unterliegen sie gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht, wenn das Vermögen steuerlich verhaftet ist, d.h. wenn es sich um das Vermögen einer inländischen Betriebsstätte handelt und die Anteile funktional der inländischen Betriebsstätte dienen.6 Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein ausländisches Unternehmen im Inland Waren produziert und diese über eine inländische Vertriebs-GmbH absetzt.

2.205

Werden die Anteile im Privatvermögen des Ausländers gehalten, so unterliegen sie der beschränkten Steuerpflicht, wenn es sich um nach dem 31.12.20087 erworbene Anteile an Kapitalgesellschaften handelt. Dies ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG, der auf § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG verweist, der wiederum § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Bezug nimmt. Allerdings schränkt § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG dies sogleich auf bestimmte Fälle8 ein. Dadurch sind vor allem Tafelgeschäfte betroffen. Ansonsten bleiben die Veräußerungsgewinne im Inland unbesteuert (siehe aber Rz. 2.207).

2.206

Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG erklärt9 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn sie „unter den Voraussetzungen des § 17 erzielt werden, wenn es sich um An-

2.207

1 BFH v. 9.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758. 2 Rosenberg in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerecht2, Rz. 11.14; dort auch Erwägungen zur Zuordnung zu weiteren Betriebsstätten. 3 Grundlegend BFH v. 18.7.1979 – I R 199/75, BStBl. II 1979, 750 gegen die sog. Subsidiaritätsthese. 4 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 5 Zur Analyse des deutschen Sondervergütungskonzepts in DBA-Fällen im Hinblick auf § 50d Abs. 10 EStG Kollruss, FR 2015, 351 ff. 6 Ausführungen zur Zuordnung von Vermögen zur Betriebsstätte bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 916 ff., D1206; für Beteiligungen Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 272; auch BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 7 § 52a Abs. 10 EStG; für die frühere Rechtslage siehe Vorauflage. 8 Zu diesen vgl. Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 102. 9 Jetzige Fassung durch StBereinigungsG 1985, die durch eine Klarstellung zur früheren Textfassung bestehender Kritik (Bellstedt, DB 1971, 937) begegnen will, und Steuermissbrauchsbekämpfungs- u. Steuerbereinigungsgesetz v. 21.12.1993, das die Einbeziehung verdeckter Einlagen klarstellen will.

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Kap. 2 Rz. 2.208 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung teile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat.“1 Damit wird die Inlandsbeziehung von gewerblichen Einkünften über die Betriebsstätte oder den ständigen Vertreter hinaus erweitert, weil der Anteilsbesitz an inländischen Kapitalgesellschaften keine Betriebsstätte begründet. Daher wurde bereits 19342 eine entsprechende Sonderregelung in das Gesetz aufgenommen. Dabei muss unterschieden werden, ob die wesentliche Beteiligung zum 1. Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte (Rz. 2.205, 2.211), 2. ausländischen Betriebsvermögen (Rz. 2.210) oder 3. Privatvermögen des Ausländers (Rz. 2.209) gehört.

2.208 Nach zutreffender h.M. betrifft § 17 EStG ausschließlich Anteile im Privatvermögen.3 Dies könnte bedeuten, dass Beteiligungen gem. § 17 EStG in einem ausländischen Betriebsvermögen nicht erfasst werden. Es wäre aber merkwürdig, wenn diese nicht erfasst werden. Es geht um die Auslegung der Formulierung „unter den Voraussetzungen des § 17“. Diese seltsame Formulierung ist ein Beispiel für die Unfähigkeit des Gesetzgebers, in klaren Worten seinen Willen zu äußern. Erst im Zusammenhang erklärt sich, was gemeint ist. Dass § 17 EStG nur Anteile im Privatvermögen erfasst, ergibt sich daraus, dass solche im Betriebsvermögen bereits über § 15 oder § 18 erfasst werden. In § 17 EStG selbst kommt eine Beschränkung auf das Privatvermögen nicht zum Ausdruck. Deshalb sind folgende Voraussetzungen von § 17 EStG gemeint:

– Beteiligung von mindestens 1 %, – Beteiligung, unmittelbar oder mittelbar, – an einer Kapitalgesellschaft, – innerhalb der letzten fünf Jahre zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Veräußerung.

2.209 Der Veräußerungsgewinn ist ein inländischer und begründet somit die beschränkte Steuerpflicht, wenn die Kapitalgesellschaft Sitz (Rz. 2.63) oder Geschäftsleitung (Rz. 2.66) im Inland hat. Unproblematisch in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG ist daher der Fall der wesentlichen Beteiligung im Privatvermögen eines Ausländers (Alt. 3 Rz. 2.207).4

2.210 Folgt man der h.M. (vgl. Rz. 2.208) von der Geltung des § 17 EStG nur für Privatvermögen, so

bereitet die Anwendung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG auf im ausländischen Betriebsvermögen gehaltene Anteile (Fall 2, Rz. 2.207) Schwierigkeiten, denn dann würde § 49 EStG Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen, die bei unbeschränkter Steuerpflicht nicht dem § 17 EStG, sondern § 15 EStG unterliegen.5 Das Prinzip, dass die sachliche Steuerpflicht nicht durch § 49 EStG, sondern durch §§ 13–24 EStG festgelegt wird, und § 49 EStG nur die Inlandskriterien bestimmt, würde verletzt werden. Ließe man hingegen einen solchen Veräußerungsgewinn steuerfrei, so wäre dies eine nicht zu rechtfertigende Vergünstigung gegenüber Inländern generell und Ausländern, die die Anteile im Privatvermögen halten. Dies widerspräche auch der eindeutig erklärten Absicht des Gesetzgebers. Da eine andere Norm fehlt, werden auch diese Anteile erfasst. Konstruktiv bieten sich zwei Wege an, die zum gleichen Ergebnis führen. Entweder wendet man § 49 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 2.237 ff.) an. Nach der hier vertretenen Auffassung führt das Fehlen einer inländischen Betriebsstätte dazu, dass die Norm des § 15 EStG nicht auf die be1 Zu den Umwandlungsfällen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 126. 2 Vgl. Gesetzesbegr., RStBl. 1935, 59. 3 BFH v. 6.2.1970 – VIR 186/87, BStBl. II 1970, 400, st. Rspr.; Weber-Grellet in Schmidt36, § 17 EStG Rz. 12; Vogt in Blümich, § 17 EStG Rz. 60 f.; Frotscher, § 17 EStG Rz. 1. 4 Vgl. BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379; v. 13.12.1989 – I R 40/87, BStBl. II 1990, 381. 5 Mit der Folge, dass sie nur beim Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig wären.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.212 Kap. 2

schränkte Steuerpflicht in diesem Fall anwendbar ist.1 Dann gibt es auch keine Unterscheidung in Betriebs- und Privatvermögen.2 Oder man ist der Ansicht, dass § 17 EStG entgegen der h.M. auch Veräußerungen von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen erfasst, zugleich aber als subsidiäre Norm3 zurücktritt, wenn der Veräußerungsgewinn durch andere Normen (z.B. § 15 i.V.m. §§ 4, 5 EStG) erfasst wird. Mangels Zugehörigkeit zu einem inländischen Betriebsvermögen kommt es zur Anwendung der subsidiären Norm. § 17 EStG behält seine Geltung für diese Anteile. Unerheblich ist, an wen die Veräußerung erfolgt: Inländer oder Ausländer. Somit beansprucht der deutsche Fiskus auch dann deutsche Steuer, wenn z.B. ein ausländisches Unternehmen seine 30 %ige Beteiligung an einer inländischen GmbH mit Gewinn an ein anderes ausländisches Unternehmen verkauft.4 Ob es der Finanzverwaltung gelingt, in diesen Fällen immer den deutschen Steueranspruch durchzusetzen, erscheint durchaus fraglich, denn von solchen Veräußerungsgewinnen wird sie nur ausnahmsweise Kenntnis erlangen. Und wenn, so hat sie keine Möglichkeiten, gegen den Veräußerer vorzugehen. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wie ein Veräußerungsgewinn besteuert wird, wenn die Anteile von einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Körperschaft) gehalten werden. Insbesondere geht es dabei um die Anwendbarkeit von § 8b KStG einschl. der 5 %Regelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG.5 Da das KStG keine eigenständige Inlandskriterien für die beschränkte Steuerpflicht enthält, sondern in § 2 Nr. 1 KStG nur anordnet, dass die inländischen Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, bezieht sich der damit gegebene Verweis auf das EStG nur auf die Inlandskriterien des § 49 Abs. 1 EStG. Die Besteuerung selbst wird aber den Bestimmungen des KStG gemäß durchgeführt. Es ist unbezweifelbar, dass ausländische Körperschaften mit ihren inländischen Einkünften der deutschen Körperschaftsteuer unterliegen: dies ordnet § 1 Nr. 1 KStG an. Wie die Besteuerung erfolgt, ergibt sich dann aus dem KStG und damit auch § 8b Abs. 1 KStG. Als Folge bleiben Gewinne ausländischer Körperschaften aus der Veräußerung von § 17-Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften daher gem. § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz, unterliegen jedoch gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG der „Wegelagererbesteuerung“ von 5 %. Gehören die Anteile zu dem Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte (Fall 3, Rz. 2.207), so gehören Gewinne aus ihrer Veräußerung zum regulären Gewinn, unabhängig davon, ob 1 % der Anteile gehalten werden oder nicht. Sie werden auch uneingeschränkt der normalen6 Steuer unterworfen. Verfügt das ausländische Unternehmen über eine inländische Betriebsstätte, so kann es daneben durchaus Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft halten, da das deutsche Steuerrecht keine Attraktivkraft der Betriebsstätte kennt.

2.211

Hinsichtlich des Steuersatzes (allg. siehe Rz. 2.84) ist § 34 EStG anzuwenden.7 Dies setzt das Vorliegen außerordentlicher Einkünfte i.S.v. § 34 Abs. 2 EStG voraus. Für die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommen als solche gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG „die das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft“ in Betracht, wobei bei der Liquidation der Gesellschaft noch § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG zu beachten ist, wodurch die Abgrenzung von laufenden Dividendenerträgen zu Veräußerungsgewinnen erfolgt. Da § 34 EStG als „Progressionsglätter“ nicht bei Kapitalgesellschaften als Anteilseignern gilt, findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn der ausländische Anteilseigner als natürliche Person die Anteile unmittelbar bzw. über eine Personengesellschaft in seinem Privatvermögen oder in einem Betriebsvermögen

2.212

1 So die h.M., vgl. Link in H/H/R, § 49 EStG Anm. 577; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 124; Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 54; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 240. 2 So BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 13.12.1961 – I 203/60 U, BStBl. II 1962, 85. 3 Eilers/R. Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Anm. 20; Jäschke in Lademann, § 17 EStG Rz. 30. 4 Link in H/H/R, § 49 EStG Anm. 575. 5 Kempf/Hohage, IStR 2010, 806; Nitzschke, IStR 2012, 125; nach Ansicht des FG Hessen (v. 28.4.2015 – 4 K 1366/14, juris, Rev. BFH v. 31.5.2017 – I R 37/15, ZIP 2017, 2352) ist die Hinzurechnung nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG auf den inländischen Veräußerungsgewinn einer ausländischen Körperschaft, die im Inland keine Betriebsstätte besitzt, anwendbar. 6 Ausnahme für eine 100 %ige Beteiligung, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 7 Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 19; Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. D 8.

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Kap. 2 Rz. 2.213 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung hält. Für im Privatvermögen gehaltene Anteile tritt wegen § 20 Abs. 8 EStG die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG zugunsten von § 17 EStG zurück. Veräußerungsgewinne gem. § 17 EStG führen jedoch nicht zu außerordentlichen Einkünften i.S.v. § 34 Abs. 2 EStG, sondern unterliegen dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Bucht. c EStG). Somit kommen nur Anteile im Betriebsvermögen in Betracht; die durch deren Veräußerung erzielten Gewinne unterliegen dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG, der sich auf den Veräußerungspreis gem. § 16 Abs. 2 EStG bezieht, der wiederum auf § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verweist. Die dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG unterliegenden außerordentlichen Einkünfte – hier Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft1 – schließen § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG von der Vergünstigung des § 34 EStG aus. Im Ergebnis scheidet daher § 34 EStG aus. Dies ist auch sinnvoll, da in jedem Fall die Vergünstigung des Teileinkünfteverfahrens gilt.2

2.213 Die beschränkte Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne im Quellenstaat wird durch Art. 13 Abs. 5 OECD-MA aufgehoben und das alleinige Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen,3 ausgenommen allerdings die Fälle, in denen die Beteiligung zum Betriebsvermögen einer Betriebsstätte (Art. 13 Nr. 2 OECD-MA) gehört (Rz. 2.205).

2.214 Die einzelnen DBA der Bundesrepublik sehen jedoch unterschiedliche Regelungen vor und folgen

nicht alle dem OECD-MA. Es gibt solche, die explizit die Besteuerung in dem Staat der Ansässigkeit der Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, aufrechterhalten.4 Das DBA-Brasilien ließ beiden Staaten die Besteuerungsbefugnis. Zwei Abkommen enthalten überhaupt keine Bestimmung.5 Somit ist gem. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA die Besteuerung nur im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers möglich.6

VI. Lizenzen 2.215 Unter einer Lizenz versteht man die Erlaubnis zur Nutzung eines einem anderen zustehenden

Rechts (Patent, Urheberrecht, Warenzeichen, Marke, Konzernname und andere gewerbliche Schutzrechte). Nicht als Lizenz im engeren Sinn wird die Übertragung eines derartigen Rechts bezeichnet. Erweiternd wird unter diesem Begriff auch die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrungen (sog. Know-how) subsumiert.7 Eine eigenständige Kategorie „Lizenzeinkünfte“ kennt das deutsche Steuerrecht im Gegensatz zu Art. 21 OECD-MA nicht. Einnahmen aus der Lizenzüberlassung müssen folglich einer der sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG) zugeordnet werden. In Betracht kommen hierfür Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG), sofern die Lizenzen gewerbs- bzw. berufsmäßig vergeben werden, sowie im Übrigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der Form der zeitlichen Überlassung von Rechten. Je nachdem wird die beschränkte Steuerpflicht durch unterschiedliche Normen begründet.

2.216 Lizenzeinnahmen unterliegen der beschränkten Steuerpflicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb,

wenn sie einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen gewerblichen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) oder freiberuflichen (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 EStG) Unternehmens zuzurechnen sind. Dies setzt einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Betriebsstätte 1 Von Beckerath in Kirchhof16, § 3 EStG Rz. 95 ff. 2 Wacker in Schmidt36, § 16 EStG Rz. 161 f. zur verbliebenen, eingeschränkten Bedeutung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. 3 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 179 ff. 4 Zu weiteren Einzelheiten Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 5 Australien, Trinidad und Tobago. 6 Vgl. im Übrigen die 3. Aufl. von Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. B193 zu älteren Auffassungen, die angesichts der weitgehenden Regelungen in den neueren Abkommen nur historisches Interesse besitzen. 7 Art. 12 Rz. 8 OECD-MK; zu Know-how siehe Art. 12 Rz. 11 OECD-MK.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.218 Kap. 2

und der Lizenz voraus. Die Unterscheidung zwischen der eigentlichen Lizenz als einer zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung und der Übertragung des Rechts selbst verliert dann an Bedeutung. In beiden Fällen handelt es sich um Betriebsstätteneinkünfte gem. § 49 Abs. 1 2 Buchst. a EStG. Eine Zuordnung des Rechtes zur Betriebsstätte ist im Allgemeinen gegeben, wenn das Recht oder die Kenntnisse in der inländischen Betriebsstätte entwickelt wurden, Entwicklungskosten also Betriebsausgaben der Betriebsstätte waren. Der Betriebsstättenstaat wird sich auf den Standpunkt stellen, dass er ein Recht habe, die Erträge zu besteuern, da er auch die Kosten getragen habe. Ist das gewerbliche Schutzrecht, z.B. ein Patent, im Stammhaus oder einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens in einem anderen Staat entwickelt worden, so wird man einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer inländischen Betriebsstätte annehmen können, wenn die Art der Tätigkeit der Betriebsstätte eng mit der Lizenzvergabe zusammenhängt, etwa wenn es sich um gleiche Branchen handelt und enge wirtschaftliche Beziehungen zum Lizenznehmer bestehen. Dies setzt aber auch die Überführung des Rechts in das Vermögen der inländischen Betriebsstätte voraus, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG als sog. Verstrickung zum gemeinen Wert erfolgt. Die buchmäßige Behandlung kann in Zweifelsfällen auch als Anhaltspunkt dienen.1 Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass hier nur von dem Fall die Rede ist, dass ein ausländisches Unternehmen eine Lizenz an einen Dritten vergibt und die Lizenzeinnahmen wirtschaftlich der im Inland befindlichen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Ganz andere Probleme stellen sich, wenn Schutzrechte und technisches Wissen des Stammhauses in der eigenen Betriebsstätte angewandt werden. Dies ist dann eine Frage der konkreten Gewinnabgrenzung. Gewährt ein ausländischer, freier Erfinder Lizenzen an inländische Lizenznehmer, so kann er Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG) beziehen, wenn seine erfinderische Tätigkeit wissenschaftlicher Natur ist.2 In diesem Fall wird die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.R. dadurch begründet, dass der ausländische Erfinder das Ergebnis seiner Erfindungstätigkeit im Inland verwertet. Die Vergabe einer Lizenz ist eine typische Form der Verwertung selbständiger Tätigkeit.3 Der ausländische, selbständige Erfinder unterliegt daher mit seinen Einnahmen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG der beschränkten Steuerpflicht, die er für die Nutzung seines Patents durch einen Inländer bezieht. Aber auch die Übertragung des Rechts stellt eine Verwertung dar. Ebenfalls fällt unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Überlassung von Urheberrechten durch Künstler bei Ton- und Bildaufnahmen.4

2.217

§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG kennt als weiteres Kriterium eines Inlandsbezuges noch die Ausübung der Erfindertätigkeit im Inland. Dies setzt die Anwesenheit des Ausländers im Inland voraus, ohne dass er dadurch zum unbeschränkt Steuerpflichtigen wird. Die Erfindertätigkeit muss während der Anwesenheit im Inland erfolgen. Dann können gem. § 50 Abs. 1 EStG auch die mit den Lizenzen wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben im Inland berücksichtigt werden. Das Gesetz sagt nicht, ob der beschränkten Steuerpflicht nur die Vergabe der Lizenz ins Inland unterliegt oder ob auch die Vergabe ins Ausland erfasst wird. Da der Ausübungs- und der Verwertungstatbestand unabhängig5 nebeneinanderstehen, wobei die Ausübung die Verwertung einschließt, ist vom Wortlaut her auch die Vergabe einer im Inland gemachten Erfindung ins Ausland erfasst. Der BFH6 hat entschieden, dass auch nachträgliche Einkünfte aus Erfindertätigkeit, die im Inland ausgeübt worden ist, beschränkt steuerpflichtig sind. Im entschiedenen Fall hatte ein zu-

2.218

1 RFH v. 19.12.1935 – I A 236/35, RStBl. 1936, 590. 2 BFH v. 1.6.1978 – IV R 152/73, BStBl. II 1978, 545; v. 14.3.1985 – IV 8/84, BStBl. II 1985, 424 (426). 3 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76 (78); v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372 (373); v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377 (378); v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379 (380); v. 12.11.1986 – I R 320/83, BStBl. II 1987, 381 (382); v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383 (384). 4 BFH v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; Rabe, RIW 1991, 317; BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. 5 Vgl. Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 42. 6 BFH v. 28.10.2010 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019.

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Kap. 2 Rz. 2.219 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung nächst unbeschränkt steuerpflichtiger Erfinder seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Da die Einnahmen aus den während der unbeschränkten Steuerpflicht gemachten Erfindungen weiterhin im Inland steuerpflichtig sind, hat der BFH eine Betriebsaufgabe durch den Wegzug verneint. Der betreffende Erfinder bezog für seine Erfindungen Lizenzeinnahmen auch aus der Schweiz. Auch insofern nahm der BFH keine Entstrickung an, was nur möglich ist, wenn auch die Lizenzvergabe ins Ausland von der beschränkten Steuerpflicht erfasst wird.

2.219 Können die Lizenzeinnahmen nicht einer inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden oder stellen sie sich nicht als Verwertung der Tätigkeit eines Selbständigen dar, so kommt eine beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn

1. es sich um Einkünfte „aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten1 insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten“ (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG) handelt (= Steuerobjekt) und 2. diese Rechte im Inland belegen oder in ein öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtungen verwertet werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) (= Inlandskriterium). Entscheidend ist für die erste Voraussetzung das Kriterium der zeitlich begrenzten Überlassung.2 Diese wird sich aus dem Vertrag ergeben, wobei ausreicht, dass bei Vertragsabschluss durchaus ungewiss ist, wann genau die Überlassung endet.3

2.220 § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG spricht von „Rechten“4 und zählt „insbesondere“ Urheberrechte auf. Diesen

ist gemeinsam, dass sie das Ergebnis einer geistigen Leistung sind und gesetzlich (z.B. §§ 1, 2 UrhG) geschützt werden.5 Von diesen sind die Persönlichkeitsrechte,6 wie z.B. das Recht am eigenen Bild, zu unterscheiden. Diese können nicht im eigentlichen Sinne „überlassen“ werden. Der Rechtsinhaber hat ein Abwehrrecht gegen Dritte. Der BGH7 hat es daher zu Recht nicht als Rechtsüberlassung im eigentlichen Sinne angesehen, wenn der Veranstalter eines Sportfestes gegen Entgelt dessen Fernsehübertragung zulässt. Gleiches gilt, wenn sich ein Model ablichten lässt und dem Fotografen erlaubt, die Bilder während eines bestimmten Zeitraums etwa zu Werbezwecken im Inland zu benutzen.8 Das Model erzielt dann im Gegensatz zum Fotografen keine Einkünfte aus einer Rechtsüberlassung. Es fehlt somit am Steuerobjekt. Anders ist es, wenn die betreffende Person diese Rechte einem anderen überlassen hat und dieser sie im Inland verwertet.9 In „Abgrenzung“ hierzu hat der BFH dann mit Urteil vom 19.12.200710 entschieden, dass die Nutzungsüberlassung am Namen und am Bild eines Sportlers im Wege der Selbstvermarktung auch unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG fällt.11 Ob dies den Besonderheiten des entschiedenen Falls geschuldet war oder generell gelten soll, ist der Entscheidung nicht eindeutig zu entnehmen, da sie die frühere gegenteilige Entscheidung von 2007 nicht aufgibt, sondern sich nur von ihr abgrenzt. Die Frage ist noch umstritten.12 1 Aber nicht auch hieraus abgeleitete Vertriebslizenzen wie FG München v. 6.3.1985 – I 2/82 E, EFG 1985, 351 meint; hierzu vgl. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102): nur eigene Anbringung eines Warenzeichens. 2 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512). 3 BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 (356). 4 Zur Überlassung von Standardsoftware als Überlassung von „Rechten“ Petersen, IStR 2013, 896 (900 ff.). 5 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 61, I 69 ff. 6 Vgl. ausführlich Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 204. 7 BGH v. 14.3.1990 – KVR 4/88, BGHZ 110, 371 (384). 8 Siehe hierzu Wild/Eigelshoven/Reinfeld, DB 2003, 1867; Schmidt-Heß, IStR 2006, 690. 9 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. 10 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398 gegen h.M. 11 Ebenso BMF v. 2.8.2005 – IV C 8 - S 2411 - 8/05, BStBl. I 2005, 844. 12 Siehe die gegenteiligen Ansichten jeweils m.w.N. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 201 – Namensrecht; Nieland in Lademann, § 50a EStG Rz. 224.

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.223 Kap. 2

Bei Lizenzverträgen über eingetragene Patente und Warenzeichen ist eine zeitliche Begrenzung üblich und folgt auch schon aus der vom PatG und WZG vorgesehenen begrenzten Schutzdauer dieser Rechte.1 Fehlt es an einer Befristung im Vertrag, so treten Probleme auf: Die Schutzdauer eines Warenzeichens kann vom Zeicheninhaber verlängert werden, die eines Patents oder Urheberrechts nicht. Folglich ist eine vertraglich unbefristete Warenzeichenlizenz nicht zeitlich begrenzt; die beschränkte Steuerpflicht entsteht nicht.2 Eine vertraglich unbefristete Patent- oder Urheberrechtslizenz dagegen ist kraft Gesetzes befristet auf die gesetzliche Schutzdauer; eine beschränkte Steuerpflicht besteht, es sei denn, die Umstände des Einzelfalles sprechen für einen Verkauf3 des Schutzrechtes, wenn z.B. der Lizenznehmer Unterlizenzen vergeben kann. Auch die „verbrauchende Nutzungsüberlassung“ führt zu einer endgültigen Überlassung. Sieht der Patentlizenzvertrag die Fortzahlung der Lizenzgebühr auch nach Ablauf der Schutzfrist vor, dann besteht möglicherweise die beschränkte Steuerpflicht nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist unter dem Gesichtspunkt fort, dass sich der Gegenstand des Lizenzvertrages in ein im Inland nicht registriertes Erfahrungswissen (Know-how) verwandelt. Siehe auch Rz. 2.225.

2.221

Diese Einkünfte sind inländische, wenn das gewerbliche Schutzrecht in ein inländisches Register eingetragen ist.4 Als öffentliche Register kommen in der Bundesrepublik in Betracht: Patent-, Markenschutz- und Gebrauchsmusterregister. Besteht dort eine Eintragung, so ist irrelevant, wo die unter Lizenz hergestellten Produkte hergestellt oder vertrieben werden. Dies kann auch im Ausland erfolgen. Nicht entscheidend ist, ob sich der Schutz auf das Inland erstreckt.5 Ausreichender Inlandsbezug besteht weiterhin auch, wenn die Rechte in einer inländischen Betriebsstätte des Lizenznehmers6 verwertet werden, d.h. wenn das Recht im Rahmen der eigenen Tätigkeit der Betriebsstätte genutzt wird. Lizenznehmer kann nicht der Rechtsinhaber selbst sein. Möglich ist aber, dass es sich um eine Tochtergesellschaft handelt. Demgemäß können auch Konzernumlagen wegen der Nutzung von Patenten und Warenzeichen zur beschränkten Steuerpflicht führen.7 Somit ist die beschränkte Steuerpflicht auch dann gegeben, wenn ein im Ausland registriertes Schutzrecht einem inländischen Betrieb eines anderen zur Nutzung überlassen wird und dieser die unter Verwendung der Lizenz hergestellten Produkte auf ausländischen Märkten vertreibt.8 Dieser Zusammenhang wird erst dann unterbrochen, wenn der inländische Lizenznehmer die Produkte über eine ausländische Betriebsstätte vertreibt und die Lizenzgebühr für die Nutzung im Ausland – etwa Verwendung des Warenzeichens – gezahlt wird. In Höhe dieses Anteils entsteht keine beschränkte Steuerpflicht für die Lizenzgebühren.9

2.222

Seit 1986 tritt neben die inländische Betriebsstätte (Rz. 2.100) die „andere Einrichtung“. Dieser – neue – Begriff ist gesetzlich nicht definiert. Der Gesetzesbegründung10 nach dient diese Erweiterung der Klarstellung. Offenbar sollen Einrichtungen erfasst werden, bei denen Merkmale des § 12 AO nicht erfüllt werden. Andererseits verwendet das Gesetz den Begriff der „Einrichtung“, der auch in § 12 AO vorkommt. Damit kann es sich nicht lediglich um eine Klarstellung gehandelt haben.11 Da eine Betriebsstätte auch bei selbständiger Tätigkeit gegeben sein kann,12 handelt es sich um

2.223

1 Offengelassen durch BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355 (356). 2 Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 77; ausführlich zu Warenzeichen Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 201 – Warenzeichen. 3 Siehe die Aufzählung bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 71. 4 RFH v. 7.6.1932 – I A 274/31, RStBl. 1932, 739; v. 28.6.1932 – I A 56/3, RStBl. 1932, 759. 5 So zutreffend Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 751. 6 RFH v. 13.7.1937 – I A 309/36, RStBl. 1937, 1020; wird sie in einer Betriebsstätte des ausländischen Lizenzgebers verwertet, so ist nicht § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG betroffen, sondern vielmehr das unter Rz. 2.216 Erörterte; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 208. 7 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 210. 8 BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289). 9 Vgl. Kraft in H/H/R, § 49 EStG Anm. 51. 10 BT-Drucks. 10/4513, 23. 11 So auch Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 754. 12 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 20.

Lampert | 229

Kap. 2 Rz. 2.224 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung „andere Einrichtungen“, wenn sie nicht einem Unternehmen, gewerblich, land- und forstwirtschaftlich oder freiberuflich dienen.1 Als solche kommen etwa Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Anstalten2 in Betracht. Im Übrigen müssen aber die Voraussetzungen von § 12 AO erfüllt sein, insbesondere muss es sich um eine feste (Rz. 2.105) und dauernde Einrichtung handeln.

2.224 Die bisher dargestellten Varianten erfassen noch nicht alle möglichen Fälle von Lizenzgebühren, die aus dem Inland an Ausländer gezahlt werden:

1. Ein ausländisches Unternehmen vergibt die Lizenz, ohne dass sie einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung (Rz. 2.216) zugeordnet wird. 2. Ein ausländisches gewerbliches Unternehmen oder eine Kapitalgesellschaft,3 die keine Einkünfte gem. § 18 EStG erzielen können, vergibt die Lizenz (vgl. Rz. 2.217). 3. Die Rechte sind nicht in einem inländischen Register eingetragen. 4. Die Überlassung erfolgt nicht zeitlich begrenzt, sondern endgültig.

2.225 Offen ist vor allem Fall 4, da § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG bei der unbefristeten bzw. vollständigen Über-

tragung des Rechts entfällt. Erfahrungen (Know-how)4 können ihrer Natur nach nicht befristet einem anderen zur Nutzung überlassen werden.5 Erhält dieser von den Erfahrungen Kenntnis, so kann er sie nutzen, ohne dass ihm dies untersagt werden könnte. Derartige Erfahrungen stellen keine schutzfähigen Rechte dar.6 Ebenfalls entfällt die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wenn Rechte endgültig übertragen werden.7 Um diese Lücke zu schließen, wurde mit dem 2. StÄndG 1973 v. 18.7.19748 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG in das Gesetz mit Wirkung ab 1974 eingefügt.9 Gelungen ist diese Bestimmung nicht. Zunächst spricht sie von „sonstigen Einkünften i.S. von § 22 Nr. 3“, ergänzt dies dann dadurch, dass es sich um die „Überlassung der Nutzungen oder des Rechtes auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fähigkeiten, z.B. Plänen, Mustern und Verfahren“ handeln muss. Damit scheint es so, als ob die Ergänzungen auch immer Fälle des § 22 Nr. 3 EStG darstellen würden.10 Dies ist aber nicht der Fall. Zwar fällt die zeitlich unbefristete Nutzungsüberlassung von Rechten unter den Begriff der Leistung in § 22 Nr. 3 EStG,11 nicht jedoch ein Veräußerungsvorgang, bei dem ein Entgelt dafür gezahlt wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird.12 Eine Know-how-Überlassung und die Rechtsübertragung bewirken aber gerade die endgültige Aufgabe der Vermögenssubstanz. Sie ist unter § 22 Nr. 3 EStG nicht steuerpflichtig, sondern nur als Spekulationsgewinn (§ 23 EStG). Wenn § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG trotzdem die 1 H.M. Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 40; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 754; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 209. 2 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 118 f., I 120 – nicht Einrichtungen Privater. 3 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512). 4 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. I 201 – Know-how. 5 So BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II, 567; v. 20.2. 1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102), aber auch BFH v. 27.4.1977 – I R 211/74, BStBl. II 1977, 623 (624) (Know-how-Überlassung als Nebenpflicht zur Patentüberlassung), anders z.T. BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99; v. 5.11. 1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 6 Weidenkaff in Palandt77, Einf v. § 581 BGB Rz. 8. 7 Vgl. FG München v. 24.11.1982 – 1336/81, EFG 1982, 351. 8 2. StÄndG 1973 v. 18.7.1974, BGBl. I 1974, 1489. 9 Betrifft auch Leasing durch ausländische Leasinggeber. 10 Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 112 ff. sieht darin eine „Auslegung des § 22 Nr. 3 EStG durch den Gesetzgeber“. 11 BFH v. 11.9.1969 – IV 304/65, BStBl. II 1970, 306; Weber-Grellet in Schmidt36, § 22 EStG Rz. 139; Nacke in Blümich, § 22 EStG Rz. 166. 12 BFH v. 14.11.1978 – VIII R 72/76, BStBl. II 1979, 298 (st. Rspr.); v. 25.9.1979 – VIII R 34/78, BStBl. II 1980, 114 (115).

230 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.227 Kap. 2

Know-how-Überlassung in die beschränkte Steuerpflicht einbezieht und dies als eine beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG bezeichnet, so wird damit das Prinzip verlassen, dass die beschränkte Steuerpflicht sachlich nicht über den Umfang der unbeschränkten hinausgeht: § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG würde folglich eine eigene Einkunftsart konstituieren.1 Dies ist allerdings nicht der Fall: § 22 Nr. 3 EStG kommt aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit den anderen Einkunftsarten innerstaatlich nur bei privaten Rechtsüberlassungen in Betracht. Bei diesen bleibt die Veräußerung des Rechtes außerhalb der Spekulationsfrist steuerfrei, da sonst § 23 EStG überflüssig wäre. Das bedeutet aber nicht, dass § 22 Nr. 3 EStG nicht auch betriebliche und berufliche Vorgänge betrifft. Innerstaatlich tritt diese Norm i.d.R. wegen ihrer Subsidiarität gegenüber §§ 13, 15, 18 EStG zurück. Dies trifft jedoch nicht für die beschränkte Steuerpflicht zu, wenn keine der anderen Nummern von § 49 Abs. 1 EStG einschlägig ist. Da § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG somit nicht anwendbar ist, wenn Einkünfte bereits nach § 49 Abs. 1 Nr. 1–8 EStG steuerpflichtig sind, und da die endgültige Übertragung entscheidet, entfällt § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, wenn der Übertragende endgültig auf die Nutzung des Know-hows verzichtet.2 Andere Rechte werden nicht von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst.3 So ergänzt § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG letztlich § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG hinsichtlich der Nutzungsüberlassung von Erfahrungswissen, das nicht rechtlich geschützt ist. Die Inlandsbeziehung besteht darin, dass das Recht oder Know-how im Inland „genutzt“ wird oder worden ist. Eine Nutzung im Inland bedeutet, dass die Tätigkeit, zu der das Recht berechtigt oder die Übermittlung des Know-hows befähigt, im Inland vorgenommen wird.4

2.226

Wird eine einheitliche Gebühr für die zeitliche Überlassung von Schutzrechten und dem damit verbundenen Know-how gezahlt, so ist eine Aufteilung auf die einzelnen Arten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 9 EStG) gewerblicher und sonstiger Einkünfte, d.h. § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 9 EStG, vorzunehmen. Die Verwaltung akzeptiert aber bei Aufteilungsschwierigkeiten die vollständige Zuordnung zu § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG.5 Sieht man – wie hier vertreten – in § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG einen Anwendungsfall von § 22 Nr. 3 EStG, so muss auch der Freibetrag des § 22 Nr. 3 EStG für die beschränkte Steuerpflicht gelten.6 Stellt hingegen § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG einen über § 22 EStG hinausgehenden eigenen Steuertatbestand dar, so gibt es keinen Freibetrag.7 Anders als das nationale Steuerrecht kennt das Recht der DBA eine eigene Kategorie der Lizenzgebühren, der „royalties“. Art. 12 OECD-MA sieht für diese das alleinige Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates vor; so dass der deutsche Steueranspruch entfällt. Art. 12 Abs. 2 OECD-MA gibt eine sehr weitgehende Definition, die neben der Nutzung von Urheberrechten, Patenten, Mustern etc. auch die Mitteilung von Know-how erfasst. Immer muss es sich jedoch um eine Nutzungsüberlassung handeln.8 Rechtsveräußerungen werden von Art. 13 OECD-MA geregelt, der ebenfalls die Quellensteuer aufhebt. Allerdings hat Deutschland in seinen DBA vielfach die Zulässigkeit von Quellensteuern i.H.v. 10 oder 15 % vereinbart.9 Diese Quellensteuern dürften aber nicht im Interesse der Bundesrepublik vereinbart worden sein, sondern in demjenigen Staat der Partnerländer, bei denen es sich überwiegend um Staaten der Dritten Welt handelt, in denen kaum Lizenzgeber für deutsche Unternehmen sitzen dürften. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Unklar Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 226. FG München v. 24.11.1982 – 1349/79 E, EFG 1983, 353. BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. BFH v. 10.4.2013 – I R 22/12, BStBl. II 2013, 728; ausführlich zum Tatbestandsmerkmal „Nutzung im Inland“ Haberland, DStR 2012, 1115 (1118 ff.). R 49.3 Abs. 3 EStR 2012. So Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 127; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 817; Scholtz, DStZ 1974, 241 (246). So folgerichtig Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 170; Kühr in Klein/Flockermann, § 49 EStG Rz. 10d f. Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 49. Zusammenstellung bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29.

Lampert | 231

2.227

Kap. 2 Rz. 2.228 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

VII. Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen 2.228 Ausländische Schiff- oder Luftfahrtunternehmen, die im Inland eine Betriebsstätte unterhalten,

werden nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig (Rz. 2.95 ff.). Hier ist an eigene Buchungsbüros oder Abfertigungsstellen zu denken. Häufiger, vor allem bei der Schifffahrt, lassen sich die ausländischen Unternehmen im Inland durch Schiffsmakler vertreten. Früher1 galten diese nicht als ständige Vertreter i.S.d. deutschen Steuerrechts, da sie nicht persönlich abhängig und nur im Rahmen ihres eigenen Geschäftsbetriebes tätig waren. Dies hat sich mit Urt. des BFH v. 28.6.1972 geändert und wurde durch § 13 AO 1977 bestätigt (Rz. 2.166).

2.229 Neben dieser Betriebsstättenbesteuerung ausländischer Luft- und Schifffahrtsunternehmen ist

19712 der „Ergänzungs- und Sondertatbestand“3 der Beförderungsbesteuerung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG)4 und die Besteuerung der Pool-Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) getreten. Außerdem sehen § 49 Abs. 3 und 4 EStG – ebenfalls 1971 eingefügt – weitere Besonderheiten für diese Geschäftszweige vor. Dabei stand für den deutschen Gesetzgeber die Praxis vieler Staaten Pate, Schiff- und Luftfahrtsunternehmen schon dann zu einer Ertragsteuer heranzuziehen, wenn Schiffe oder Flugzeuge Transportleistungen ins Inland erbringen, wenn also bspw. ein Schiff im Hafen Ladung aufnimmt oder löscht. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG werden Einkünfte aus Beförderungen mit eigenen oder gecharterten Schiffen der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wenn die Beförderung zwischen inländischen Häfen, sog. internationale Binnenschifffahrt oder Cabotage, oder von inländischen zu ausländischen Häfen erfolgt.5 § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergänzt diesen Tatbestand durch Einkünfte aus eben solchen Beförderungen, an denen ein Unternehmen erfolgsmäßig teilhat, die aber von einem anderen Unternehmen erbracht werden.6 Solche internationalen Betriebsgemeinschaften kommen vor allem im internationalen Luftverkehr vor, wenn mehrere Luftfahrtgesellschaften Strecken gemeinsam bedienen und unter ihnen ein Ausgleich stattfindet, soweit nur eine tatsächlich die Beförderungsleistung erbringt (code-sharing).

2.230 Die ergänzenden Anknüpfungsmerkmale stehen selbständig neben dem der Betriebsstätte oder des

ständigen Vertreters. Damit bestehen vier Anknüpfungsmöglichkeiten für ausländische Schiffund Luftfahrtunternehmen: 1. inländische Betriebsstätte, 2. ständiger Vertreter im Inland, 3. Verkehr zwischen inländischen Häfen oder vom Inland in das Ausland, 4. Pool-Einkünfte.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Umfang der Einkünfte unterschiedlich ist. Bei den beiden ersten unterliegen die der Betriebsstätte bzw. dem Vertreter zuzurechnenden Inlandseinkünfte der Besteuerung, bei den anderen nur die Beförderungsleistungen bzw. Pool-Anteile. Für die Beförderungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ordnet Abs. 3 eine pauschale Besteuerung7 von 5 % der vereinbarten Entgelte an, die auch dann gilt, wenn eine Betriebsstätte oder ein Vertreter vorhanden ist, nicht aber für die Pool-Einkünfte oder – ab 19948 – im Falle eines DBA mit uneingeschränktem Quellensteuerrecht. Somit bewirkt der Vorrang der Beförderungsleistungs1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 27.11.1963 – 1335/60 U, BStBl. III 1964, 76. StÄndG 1971 v. 23.12.1970, BGBl. I 1970, 1856. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 2, dort auch Kritik an der „hypotrophen“ Regelung. Ab 20.12.1985; StBereinigsG 1986 v. 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2436. Zu Einzelheiten vgl. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 28 ff. So Reg.-Begr. BT-Drucks. 10/1636, 64; vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 101. Darin liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eines DBA, BFH v. 19.4.1994 – I 40/94, BFH/NV 1995, 376 = IStR 1995, 79 m. Anm. Wassermeyer; Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 134. 8 Zur Begr. vgl. BR-Drucks. 612/93, 66.

232 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.232 Kap. 2

besteuerung, dass dann nur noch darüber hinausgehende Einkünfte der Betriebsstätte bzw. Vertreter der regulären beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Hat eine Betriebsstätte keine anderen Einnahmen als aus den nach § 49 Abs. 1 Nr. 2b EStG steuerpflichtigen, so ist der gesamte Betriebsstättengewinn nur mit 5 % zu besteuern. Werden über die Betriebsstätte aber sowohl Import- wie Exportbeförderungen abgewickelt, so werden die Exporte1 zu 5 % der vereinbarten (Brutto-)Entgelte, die Importe hingegen zum regulären Steuersatz netto besteuert. Nach § 49 Abs. 4 EStG – einer Vorschrift, die eine Steuervergünstigung für die betroffenen Unternehmen aus verkehrspolitischen Gründen und zur Steuervereinfachung vorsieht – bleiben Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, d.h. aus allen vier (Rz. 2.230) Arten, steuerfrei, wenn der beschränkt Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat hat und die Einkünfte durch den Betrieb eigener oder gecharterter Schiffe oder Flugzeuge aus einem Unternehmen bezieht, dessen Geschäftsleitung sich in diesem Staate befindet. Aus den Merkmalen des Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes folgt, dass nach dem Gesetzestext die Steuerfreiheit nur natürlichen Personen bzw. Personengesellschaften zugutekommt. Ausländische Schifffahrts- oder Luftfahrtsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft scheiden nach dieser Formulierung aus. Die h.M.2 lässt gleichwohl die Vergünstigung auch ausländischen Kapitalgesellschaften zugutekommen, wenn diese im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung haben. Dies soll sich aus dem Zusammenspiel von § 8 KStG mit den Vorschriften des EStG ergeben. Es trifft zwar zu, dass sich daraus die Anwendbarkeit des § 49 EStG auf Körperschaften ergibt.3 Dies ändert aber nichts am Wortlaut des § 49 Abs. 4 EStG. § 8 Abs. 1 KStG ordnet nicht die analoge, sondern die direkte Anwendung der Gewinnermittlungsvorschriften des EStG an. Da § 49 Abs. 4 EStG als verkehrspolitisch motivierte Steuervergünstigung anzusehen ist, spricht vieles für die analoge Anwendung auf Körperschaften. Ob dies die Gerichte so sehen, ist jedoch noch offen. Weiterhin muss das Unternehmen im ausländischen Aufenthalts- oder Wohnsitzstaat seine Geschäftsleitung haben, was bei Einzelunternehmen Probleme bereiten kann, wenn sie als selbständige Schiffer, sog. Partikuliere, sich ständig auf dem Schiff aufhalten und von dort aus ihr Unternehmen betreiben. Dann würde die Steuerbefreiung nicht eingreifen, was sachlich jedoch kaum gerechtfertigt ist. Weitere Voraussetzungen sind, dass

2.231

– der betreffende ausländische Staat deutschen Unternehmen eine entsprechende Steuerfreiheit gewährt (Gegenseitigkeit)4 und – der Bundesverkehrsminister die Steuerbefreiung für verkehrspolitisch unbedenklich erklärt. Letzteres richtet sich gegen die billigen Flaggen.5 Die Feststellung der Gegenseitigkeit kann durch Notenaustausch erfolgen. Erforderlich ist dies nicht.6 Diese einseitigen Befreiungen werden ergänzt durch die Regelungen der DBA, mögen es allgemeine oder solche speziell für die Schiff- und Luftfahrt7 sein. Diese folgen weitgehend der Linie des Art. 8 Abs. 1 OECD-MA, wonach Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr8 nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Die Anwendung des sonst bei unternehmerischer Tätigkeit geltenden Betriebsstättenprinzips würde wegen der Natur der Verkehrsunternehmen 1 Dies gilt auch, wenn eine Route gewählt wird, bei der ein deutscher Hafen nur als Zwischenhalt angelaufen wird (z.B. Skandinavien – Hamburg – Indien) BFH v. 2.3.1988 – I R 57/84, BStBl. II 1988, 596. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 195; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 448; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 1411; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. M 10. 3 BFH v. 6.7.2000 – I B 34/00, BStBl. II 20002, 490; R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2004. 4 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. M 23. 5 Wolter/Diedenhofen, DB 1971, 12 (14); BT-Drucks. VI/1313, Anl. I, I, III. 6 Eine Zusammenstellung der Länder enthält Anhang 12 EStH 2011; für diese ist auch die Unbedenklichkeitserklärung abgegeben; siehe auch Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35, 52. 7 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35 mit einer entsprechenden Übersicht. 8 Zu diesem Begriff Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 20.

Lampert | 233

2.232

Kap. 2 Rz. 2.233 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung zu einer unübersehbaren Aufteilung des Gewinns im Zweifel auf jeden Hafen führen können, sofern dort eine Betriebsstätte oder ein Vertreter tätig ist bzw. Aufnahme und Löschen von Ladung erfolgt.1 Durch diese Regelung wird die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland aufgehoben.

2.233 Auch wenn das OECD-MA den Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung zum primär steuer-

berechtigten Staat erklärt, so macht der OECD-MK deutlich,2 dass dies nicht die einzig vernünftige Zuordnung ist. Man kann ebenso gut auf den Sitz- bzw. Wohnsitzstaat des Unternehmens bzw. des Unternehmers abstellen. Schließlich können beide Prinzipien nebeneinanderstehen mit einer Regelung für den Fall, dass Ort der Geschäftsleitung und Wohnsitz auseinanderfallen. Auch für diese Fälle sieht der OECD-MK Mustervereinbarungen vor.

2.234 Die deutschen DBA folgen überwiegend dem OECD-MA. Einige Abkommen sehen jedoch die

Wohnsitzstaatsbesteuerung vor.3 Dies hebt in gleicher Weise die Quellenbesteuerung auf. Im Übrigen gibt es eine Reihe von Detailregeln.4 Für die beschränkte Steuerpflicht sind die Abkommen von Bedeutung, in denen die deutsche Quellensteuer zugelassen wird. Dies sind die Abkommen mit den Philippinen,5 Sri Lanka6 und Thailand.7 Im DBA-Philippinen ist ein Höchststeuersatz von 1,5 % der Bruttoeinnahmen im Quellenstaat zugelassen, zugleich aber mit einer Meistbegünstigungsklausel verbunden. Die übrigen Abkommen begrenzen die Höhe der Quellensteuer auf 50 % der innerstaatlichen Steuersätze. Da § 49 Abs. 3 EStG bereits einen günstigen Satz vorsieht, soweit Beförderungsleistungen betroffen sind, kann für die deutsche beschränkte Steuerpflicht diese Einschränkung nur darüber hinausgehende Einkünfte betreffen, d.h. solche einer Betriebsstätte oder eines Vertreters, die nicht mit den Beförderungsleistungen zusammenhängen.

VIII. Geschäftsführertätigkeit 2.235 Das Steueränderungsgesetz 20038 hat § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG einen neuen Buchst. c eingeführt,

wonach Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland unabhängig vom Tätigkeitsort (Rz. 2.119) zu inländischen Einkünften erklärt werden. Damit hat der deutsche Gesetzgeber die Grundprinzipien der Festlegung von Inlandskriterien (Rz. 2.87) verlassen: Kein Element des Tatbestandes der Einkünfteerzielung ereignet sich im Inland. Lediglich kommt eine Tätigkeit im Ausland einer inländischen Gesellschaft zugute, was jedoch keine Verwertung darstellt. Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist die Entwicklung der Rspr. des BFH. Dieser hatte lange Zeit9 angenommen, dass der Ort der Tätigkeit von Leitungsorganen (Rz. 2.72 ff.) von Kapitalgesellschaften am Ort der Ansässigkeit der Gesellschaft liegt, weil dort die Leitungsentscheidungen umgesetzt werden.10 Dies hatte der I. Senat11 auf das Verhältnis zur Schweiz beschränkt,12 so dass der Gesetzgeber eine Besteuerungslücke empfand. Die gesetzliche Regelung ist nicht gelungen und wirft vielfältige Fragen auf: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Hund, BIFD 1982, 113; Übersicht: Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. Art. 8 Rz. 2 f. OECD-MK. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 39 ff. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 38 ff. Art. 8 Abs. 1, 2. Art. 8 Abs. 1, 2. Art. 8 Abs. 1. Steueränderungsgesetz 2003 v. 15.12.2003, BGBl. I 2003, 2645; zur Entstehungsgeschichte siehe Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 163. BFH v. 15.11.1971 – Grs 1/71, BStBl. II 1972, 68; hierzu siehe Mössner, Rechtsprechungsreport Internationales Steuerrecht, Rz. 624 ff. BFH v.28.8.1991 – I R 3/89, BStBl. II 1992, 107. Ungenau insoweit Strunk, IWB 2003, Fach 3, Gruppe 3, 1377 f. BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; vgl. Mössner, IWB, Fach 3a, Gruppe 1, 535 (536, Rz. 75).

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C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.237 Kap. 2

– Die Begriffe „Geschäftsführer, Prokurist, Vorstandsmitglied“ sind i.S.d. deutschen Gesellschaftsrechts auszulegen.1 Auf faktische Geschäftsführer sind sie nicht anwendbar.2 – Nur soweit Vergütung für die Leitungstätigkeit gezahlt wird, unterliegt sie der beschränkten Steuerpflicht. Erhält der Leiter einer ausländischen Tochtergesellschaft auch Prokura für die inländische Muttergesellschaft,3 so unterliegen seine Bezüge für die Tätigkeit im Ausland nicht der deutschen Steuer. – Die Abstimmung mit § 34d Nr. 5 EStG ist nicht erfolgt.4 Der im Inland ansässige, die inländische Gesellschaft aber vom Ausland aus leitende Geschäftsführer bezieht ausländische Einkünfte im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht, wohingegen der im Ausland ansässige Geschäftsführer inländische Einkünfte bezieht. – § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG kommt nur zur Anwendung, wenn die Gesellschaft den Ort ihrer Geschäftsleitung im Inland hat; wird sie aber ausschließlich vom Ausland geleitet, so unterbleibt die steuerliche Erfassung. Die Regelung setzt folglich voraus, dass wenigstens teilweise die Geschäftsführung im Inland erfolgt. Sie greift nicht, wenn ein Einzelgeschäftsführer vom Ausland aus die Geschicke leitet. – Das Gesetz spricht von einer „Gesellschaft“. Ob damit auch Personengesellschaften gemeint sind, ist nicht eindeutig.5 Da Kapitalgesellschaften gem. § 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn ihr Ort der Geschäftsleitung sich im Inland befindet, lässt sich die steuerliche Einbeziehung der Geschäftsführergehälter unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass der deutsche Fiskus das gesamte Gehalt als Betriebsausgabe zum Abzug zulässt. Der Ort der Geschäftsleitung führt bei Personengesellschaften6 aber nur zur beschränkten Steuerpflicht, so dass auch nur der der Geschäftsleitung zuzuordnende Anteil am Gewinn im Inland besteuert wird. Soweit das Gehalt des ausländischen Geschäftsleiters auch Tätigkeiten entgilt, die nicht der geschäftlichen Oberleitung (Rz. 2.66 ff.) zuzurechnen sind, dürfte es auch nicht im Inland steuerlich erfasst werden. Ist der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der Personengesellschaft, so stellt sein Gehalt eine Sondervergütung dar, die als gewerbliche Einkünfte nur gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegt.7 – Die meisten DBA8 enthalten keine Ausnahmen für Geschäftsführer, so dass der Tätigkeitsort für die Besteuerung im zwischenstaatlichen Verhältnis entscheidet und § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG eingeschränkt wird.

2.236

IX. Isolierende Betrachtungsweise Nach § 49 Abs. 2 EStG bleiben „im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten.9“ Diese 197410 in das EStG eingefügte Bestimmung wird als isolierende Betrach1 Ebenso Strunk, IWB 2003, Fach 3, Gruppe 3, 1377 f. 2 Hidien in K/S/M, § 49 Rz. G 181; Wied in Blümich § 49 EStG Rz. 165; Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 66. 3 Neyer, IStR 2001, 587 (588). 4 Neyer, IStR 2001, 587 (588). 5 Bejahend Strunk, IWB 2003, Fach 3, Gruppe 3, 1377 f., verneinend Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 52. 6 Beispiel: Eine in Belgien errichtete Personengesellschaft mit Gesellschaften aus Belgien, Niederlanden und Frankreich unterhält in Aachen ein Büro mit einigen Angestellten, die auf Weisung eines deutschen und belgischen Geschäftsführers tätig werden. 7 Vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 165. 8 Ausgenommen Belgien, Dänemark, Japan, Schweden, Schweiz, Türkei; zu Österreich siehe Schuch/ Haslinger in Wassermeyer, Österreich Art. 9 Rz. 39. 9 Grundlegend zur isolierenden Betrachtungsweise Hawlitschek, IStR 2016, 177 ff. 10 2. StÄndG 1973 v. 18.7.1974, BGBl. I 1974, 1489.

Lampert | 235

2.237

Kap. 2 Rz. 2.238 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung tungsweise bezeichnet.1 Die Bezeichnung ist unglücklich gewählt. In ihr spiegelt sich die zunächst gegebene Begründung für sie wider. Aus dem objektsteuerartigen Charakter der beschränkten Steuerpflicht (Rz. 2.84) wurde abgeleitet, dass nur die im Inland verwirklichten Tatbestandselemente beachtlich und die im Ausland gegebenen ohne Bedeutung wären. Von ihnen sei zu abstrahieren.2 Allerdings soll dies in einem „verfeinerten Sinne verstanden werden“, dass die Verhältnisse im Ausland insofern zu beachten seien, „als die für das Inland geforderten Besteuerungsmerkmale von den Verhältnissen im Ausland abhängen.“ Die Gesetzesformulierung erweckt den Eindruck, als sei sie dieser Ansicht gefolgt. Zum richtigen Verständnis3 von § 49 Abs. 2 EStG muss daran erinnert werden (Rz. 2.87), dass bei der Besteuerung von Ausländern hinsichtlich ihrer inländischen Einkünfte zwei Voraussetzungen zusammentreffen müssen: 1. Die Einkünfte müssen den Tatbestand einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG erfüllen, wobei diese Arten grundsätzlich denen der unbeschränkten Steuerpflicht entsprechen. 2. Es müssen die für die jeweilige Einkunftsart in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Inlandsbeziehungen erfüllt sein. Rechtsdogmatisch (Rz. 2.12) setzt die Anwendung einer Norm auf einen Sachverhalt voraus, dass die Norm auf den Sachverhalt überhaupt anwendbar ist. § 49 Abs. 1 EStG enthält Anwendungsnormen (Rz. 2.87). Wie das Zusammenspiel von § 1 Abs. 4 EStG und § 49 Abs. 1 EStG mit § 2 Abs. 1 EStG zeigt, kommen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur diejenigen Normen zur Anwendung, deren Inlandsvoraussetzungen erfüllt sind. Einnahmen aus der Vermietung von Grundbesitz bspw. können zu den Einkunftsarten „Vermietung und Verpachtung“ (§ 21 EStG), „Gewerbebetrieb“ (§ 15 EStG) oder „selbständige Tätigkeit“ (§ 18 EStG) gehören. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht kommen gem. § 2 Abs. 1 EStG alle sieben Einkunftsarten in Betracht, bei der beschränkten Steuerpflicht jedoch nur diejenigen, die der beschränkt Steuerpflichtige „als inländische Einkünfte“ bezieht. Sind z.B. die Inlandsvoraussetzungen von § 49 Abs. 2 und 3 EStG nicht erfüllt, so gibt es bei Vermietung inländischen Grundbesitzes nur inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).

2.238 Fehlt eine der beiden Voraussetzungen, so besteht keine beschränkte Steuerpflicht für diese Ein-

künfte. Die einzelnen Einkunftsarten sind in §§ 13–23 EStG nicht so definiert, dass es für bestimmte Einnahmen nur eine einzige Zuordnungsart gibt. Vielmehr kann ein Vorgang unter mehrere Einkunftsarten fallen. Da jedoch für die Besteuerung die Zuordnung zu nur einer Art erfolgen muss, sieht das EStG4 Regeln für solche Konkurrenzen vor. So sind etwa Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung subsidiär gegenüber jenen aus Gewerbebetrieb (§ 21 Abs. 3 EStG). Diese Konkurrenzregeln betreffen im komplexen Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht nur die Einkunftsarten, nicht aber die Inlandskriterien der Einkünfte. Ihre Anwendung setzt eine Konkurrenzsituation von Einkunftsarten voraus. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht bedeutet dies, dass die Konkurrenzregeln nur dann anwendbar sind, wenn mindestens zwei Inlandskriterien für einen Sachverhalt vorliegen – z.B. eine inländische Betriebsstätte vermietet ihr zuzurechnenden Grundbesitz (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 und 6 EStG) –, nicht aber, wenn nur ein Tatbestand erfüllt wird – z.B. eine ausländische Kapitalgesellschaft vermietet inländischen Grundbesitz (nur § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).5

2.239 Derartige Konkurrenzsituationen treten im besonderen Maße bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auf. Ein gewerbliches Unternehmen stellt eine Zusammenfassung verschiedener Produkti-

1 Zunächst als „isolierte“ oder „abstrahierende“ bezeichnet, Debatin, DB 1961, 785 (786 f.). 2 So Debatin, DB 1961, 785 (787). 3 Grundlegend Mössner in FS Flick, 939; wie hier auch Kluge, Das Internationales Steuerrecht der Bundesrepublik, 206 ff.; im Wesentlichen gleich Gosch in FS Wassermeyer, 263. 4 Land- und Forstwirtschaft, sowie selbständige Tätigkeit gehen Gewerbebetrieb vor – § 15 Abs. 2 EStG; im Übrigen §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1, 3 EStG („soweit“). 5 Diese Zusammenhänge werden von Walter, Die sog. isolierende Betrachtungsweise, Diss., Heidelberg 1978, nicht gesehen.

236 | Lampert

C. Sachliche Anknüpfungskriterien der deutschen Steuerhoheit | Rz. 2.241 Kap. 2

onsfaktoren dar (vgl. Rz. 2.87). Grundbesitz, Kapital, Arbeitskraft, Erfindungen usw. tragen zum Unternehmenserfolg bei, ohne dass sich ihr jeweiliger Beitrag genau bestimmen ließe. Vielmehr tritt das Unternehmen in der Kombination dieser Produktionsfaktoren am Markt auf und erzielt dadurch seine Einkünfte. § 49 Abs. 1 EStG ordnet für einzelne Produktionsfaktoren unterschiedliche Inlandskriterien an, für das Gewerbe als Zusammenfassung aller Faktoren gilt das Betriebsstättenprinzip (siehe Rz. 2.87). Existiert keine Betriebsstätte im Inland, so stehen die einzelnen Faktoren für sich. Es wird folglich nicht von ausländischen Besteuerungsmerkmalen abgesehen, vielmehr fehlt die für gewerbliche Einkünfte kennzeichnende, notwendige Zusammenfassung der einzelnen Produktionsfaktoren im Inland, da das Unternehmen nur mit einzelnen von diesen, nicht aber in unternehmerischer Zusammenfassung auf dem inländischen Markt auftritt. In diesem Sinne kann man davon sprechen, dass die Betrachtung im Inland „isoliert“ von den Verhältnissen im Ausland erfolgt. Die hier vertretene Sichtweise liegt auch der Rechtsprechung zugrunde, die ihre Grundlage im Urt. des RFH v. 7.2.1929 findet.1

2.240

Beispiel: Eine ausländische AG bezog aus dem Inland Hypothekenzinsen. Die AG verfügte im Inland weder über eine Betriebsstätte, noch war ein ständiger Vertreter bestellt. Der RFH nahm keine gewerblichen Einkünfte der AG an, was er damit begründete, dass bei einer solchen Annahme die ausländische AG (aber auch ein ausländischer Gewerbetreibender) gegenüber anderen ausländischen Beziehern gleichartiger Einnahmen bessergestellt würde. Eine solche Absicht des Gesetzgebers sei nicht anzunehmen, sondern, „dass für die deutsche steuerliche Beurteilung lediglich das Vorhandensein des ausländischen Gewerbebetriebes unbeachtet bleiben soll, dass aber die Einkünfte … so zu versteuern sind, wie es der Fall wäre, wenn sie außerhalb eines gewerblichen Betriebes angefallen wären.“2

Der BFH hat diese Rspr. übernommen und fortgeführt.3 Dabei gibt er die zusätzliche Begründung vom objektsteuerähnlichen Charakter4 der beschränkten Steuerpflicht und bemerkt, dass die Verwaltung im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale nicht überprüfen könne. Letzteres Argument kann wohl nicht ganz ernst genommen werden, denn dann müsste jegliche Besteuerung ausländischer Einkünfte und Vermögen entfallen. Dass der BFH dann doch über diese Begründung hinausgeht, zeigt sich in seiner Rspr. zu ausländischen Kapitalgesellschaften, die gem. § 8 Abs. 2 KStG immer gewerbliche Einkünfte erzielen. Würden wirklich alle im Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale außer Betracht bleiben, dann müsste auch die Tatsache, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, unberücksichtigt bleiben. Soweit geht der BFH aber nicht. Dies begründet er damit, dass das Absehen von ausländischen Merkmalen „indes nur in den Fällen zu sinnvollen Ergebnissen führen [kann], in denen die Verhältnisse im Inland eine abschließende Beurteilung gestatten, ob die in Frage stehenden Einkünfte einer der in § 49 EStG genannten Einkunftsarten zuzuordnen sind.“5 Ist dagegen nur ein Teil des gesetzlichen Steuertatbestandes im Inland verwirklicht, der nicht erkennen lässt, ob der zu beurteilende Sachverhalt unter eine der sieben Einkunftsarten – und ggf. unter welche von ihnen – subsumiert werden kann, so müssen die im Ausland bestehenden Verhältnisse insoweit in die Betrachtung miteinbezogen werden, als dies erforderlich 1 RFH v. 7.2.1929 – I A 377/28, RStBl. 1929, 193. 2 Siehe auch RFH v. 12.5.1936 – I A 55/36, RStBl. 1936, 968; v. 5.8.1936 – VI A 208/36, RStBl. 1936, 1132; v. 28.6.1938 – I 419/37, RStBl. 1938, 852. 3 BFH v. 20.2.1959 – III 66/58 U, BStBl. III 1959, 133; v. 13.12.1961 – 1209/60, BStBl. III 1962, 85; v. 29.1.1964 – I 153/619, BStBl. III 1964, 165; v. 30.11.1966 – 1215/65, BStBl. III 1967, 400; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430); v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567; v. 29.4.1970 – I R 113/67, BStBl. II 1970, 762; v. 16.12.1970 – I R 137/68, BStBl. II 1971, 200; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771 (772); v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289); v. 20.2.1974 – I R 217/ 71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 18.12.1974 – I R 161/73, BStBl. II 1975, 464 (465); v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513 (514); v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150 (153); v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213 (214). 4 Ebenso Crezelius, StVj 1992, 327. 5 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430).

Lampert | 237

2.241

Kap. 2 Rz. 2.242 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung ist, um die Einkünfte ihrem objektiven Wesen nach zu bestimmen.1 Daher können ausländische Gewerbetreibende und Kapitalgesellschaften, aber auch Landwirte keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielen.2 Dementsprechend verlangt das Merkmal „selbständige Tätigkeit“, dass das Steuersubjekt solche höchstpersönlichen Einkünfte überhaupt beziehen kann. Würde man in § 49 EStG den Begriff der selbständigen Tätigkeit anders verstehen als in § 18 EStG, so würde eine eigenständige Einkunftsart für Ausländer begründet. Ist aber die allg. anerkannte Grundthese, dass § 49 EStG nur besagt, unter welchen weiteren Bedingungen Einkünfte von Ausländern steuerpflichtig sind, so kann dies nur zu einer Einschränkung, nicht aber zu einer Erweiterung gegenüber der unbeschränkten Steuerpflicht führen.

2.242 Mit der Einführung des § 49 Abs. 2 EStG wurde streitig, ob die Rspr. des BFH bestätigt werde oder ob eine Änderung eingetreten sei.3 Der BFH hat sich zu Recht dahin gehend geäußert, dass § 49 Abs. 2 EStG seine Rspr. bestätige.4 Insbesondere hat er es abgelehnt, selbständige Tätigkeiten gem. § 18 EStG bei ausländischen Kapitalgesellschaften anzunehmen. Schließlich nimmt er ausdrücklich auf die Subsidiaritätsregeln Bezug,5 was die theoretische Erklärung (Rz. 2.238) bestätigt.

2.243 Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung, dass § 49 Abs. 1 EStG nur die Inlandskriterien i.S.v. Rechtsanwendungsnormen enthält, kommen nur diejenigen Einkunftsarten überhaupt in Betracht, deren Inlandskriterien vorliegen. § 49 Abs. 2 EStG wird hier semantisch wie folgt gelesen:

(2) Es unterliegen nur diejenigen Einkunftsarten der beschränkten Steuerpflicht, für die die Inlandskriterien gem. Abs. 1 erfüllt sind. Für die praktische Rechtsanwendung empfiehlt es sich daher, zunächst zu prüfen, welche Inlandsmerkmale gem. § 49 Abs. 1 EStG erfüllt werden. Wird z.B. eine ausländische Kapitalgesellschaft freiberuflich beratend im Inland tätig, ohne über eine Betriebsstätte zu verfügen, so fehlt die Anwendungsvoraussetzung für § 15 EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb), diejenige für § 18 EStG – Tätigkeit im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) – wird jedoch erfüllt. Es ist dann zu prüfen, ob eine Gesellschaft den Tatbestand des § 18 EStG erfüllen kann.6 Schematisch ist somit wie folgt vorzugehen. 1. Welche Inlandskriterien i.S.v. § 49 Abs. 1 EStG liegen vor? 2. Liegen die Voraussetzungen der Einkunftsarten vor? Beispiel:7 Der im Ausland ansässige A betreibt in Liebhaberei die Zucht von Rennpferden mit insgesamt erheblichen Verlusten. Bei einem Rennen im Inland erzielt eines seiner Pferde eine Siegprämie. Die Inlandsbelegenheit wird durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG hergestellt, so dass § 15 EStG zur Bestimmung des Steuergegenstandes anzuwenden ist. Dieser verlangt eine Gewinnerzielungsabsicht, die bei A nicht vorhanden ist.

1 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430). 2 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 (430); v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287 (289); v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511 (512); v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; auch früher ähnlich BFH v. 29.11.1966 – I 216/64, BStBl. III 1967, 392; a.A. Krabbe in Blümich, § 49 EStG Rz. 31; Bilsdorfer, RIW 1983, 850 (854). 3 Keine Änderung: Clausen, DStZ 1974, 317 (320); Crezelius, StVj 1992, 325; zum Streitstand Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 133; Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 105; siehe auch Tullius, BB 1974, 314 (316); Bilsdorfer, RIW 1983, 850; Flies, DStZ 1995, 431; BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. 4 BFH v. 1.12.1982 – I R 238/8 1, BStBl. I 1983, 213 (214). 5 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620 (621). 6 Dafür Clausen in H/H/R, § 49 EStG Anm. 1250 f. 7 Nach BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861.

238 | Lampert

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.245 Kap. 2

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung Literatur: Anger/Wagemann, Zweifelsfragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2014, 611; Austry u.a., The proposed OECD Multilateral Instrument amending tax treaties, BIFD 2016, 683; Becker/Loose, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; Bublitz, Zur Besteuerung von Auslandsmitarbeitern in der Entwicklungszusammenarbeit, IStR 2014, 140; Desens, Der neue Anrechnungshöchstbetrag in § 34c Abs. 1 S. 2 EStG – ein unionsrechts- und verfassungswidriges, fiskalisches Eigentor, IStR 2015, 77; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, 48; Ellerbeck/Eggesiecker, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2007, 1281; Gradl/Jochimsen, Normhierarchische Einordnung von Treaty Override, IStR 2015, 236; Höfer, Deutsche Doppelbesteuerungsabkommen, Grundlagen und aktuelle steuerpolitische Entwicklungen, in Festschrift Flick, S. 805; IFA, The notion of tax and the elimination of international double taxation and douible non-taxation (Cahiers de droit fiscal international 101b), Den Haag 2016; Ismer/Baur, Verfassungsmäßigkeit von Treaty Override, IStR 2014, 421; Ismer, Verwirrung beim Anrechnungshöchstbetrag: Unionsrechtliche Probleme der geplanten Neufassung des § 34c EStG, IStR 2014, 925; Kamphaus/Nitzschke, Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages bei Steueranrechnung durch den Organträger, IStR 2017, 96; Kessler/Dietrich, Den Worten sollten Taten folgen: die Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, IStR 2011, 10; Lang, Michael, Avoidance of Double Non-Taxation, Wien 2003; Lang, Michael, Auslegung des multilateralen Instruments, SW 2017, 11; Lehner, Keine Verfügung des Parlaments über seine Normsetzungsautorität, IStR 2014, 189; Lüdicke, Jürgen, Subject-to-Tax-Clauses in Tax Treaties – A German experience, in: Jochum u.a. (Hrsg.), Practical problems of European and International tax law, Festschrift Mössner, Amsterdam 2016, S. 285; Massoner/Stürzlinger, Anrechnungsmethode als geringster und gemeinschaftskonformer Eingriff in die Besteuerung von Portfoliodividenden, SWI 2007, 400; Mössner, Die Methoden der Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Vogel, Grundfragen des internationalen Steuerrechts (DStJG 8), Köln 1985, S. 135; Musil, Treaty Override als Dauerproblem des Internationalen Steuerrechts, IStR 2014, 192; Polatzky/Balliet/Steinau, Neue Hürden für die DBA-Anwendung durch das Multilaterale Instrument, IStR 2017, 226; Reese/Hehlmann, Die Berücksichtigung mittelbarer Aufwendungen bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages nach § 34c Abs. 1 S. 4 EStG ist europarechtswidrig, IStR 2015, 461; Reimer, Meilenstein des BEPS-Programms: Das Multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung der DBA-relevanten Maßnahmen, IStR 2017, 1; Reinert, § 50d Abs. 3 EStG im Rahmen des neuen DBA-Niederlande: wirksame Verhinderung des treaty shopping?, IStR 2014, 553; Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, München 2007, S. 108 ff.; Siegel/ Diller, Fünftelregelung und Progressionsvorbehalt, DStR 2008, 178; Sülflow-Schworck, Die Neue Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages nach § 34c Abs. 1 EStG, IStR 2015, 802; Vogel, New Europe bids farewell to treaty override, BIFD 2004, 5; Vogel, Progressionsvorbehalt und Progressionsermäßigung, in Festschrift Selmer, 2003, S. 959; Vogel, Der Grundsatz der Rücksichtnahme im deutschen innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, in Festschrift Ritter, S. 771; Wagner, Die Anwendung des Methodenartikels eines DBA auf Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte einer ausländischen Betriebsstätte, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1067.

I. Begriff und Ursachen der Doppelbesteuerung Die unabgestimmte Ausübung der Steuerhoheit durch die Staaten (Rz. 2.1) führt bei grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit dazu, dass Unternehmen der Steuerhoheit der beteiligten Staaten unterworfen sind und daher einer mehrfachen Besteuerung unterliegen. Von internationaler Doppelbesteuerung spricht man i.S.d. „juristischen internationalen Doppelbesteuerung“ (Doppelbesteuerung i.e.S.) und grenzt sie von der „wirtschaftlichen internationalen Doppelbesteuerung“ (oder auch „Doppelbelastung“)1 ab.

2.244

1. Internationale juristische Doppelbesteuerung Nach Rz. 1 Einleitung OECD-MA wird unter der internationalen juristischen Doppelbesteuerung „üblicherweise die Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei (oder mehreren) Staaten von demselben Steuerpflichtigen, für denselben Steuergegenstand und für denselben Zeitraum verstanden.“2 1 Einl. Tz. 1 vor Art. 1 OECD-MA; vgl. vertiefend Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 5–9a; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 2; Krause, ifst (2003), Nr. 405, 8. 2 Siehe auch Mössner in Vogel (Hrsg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8, Köln 1985, 135 ff.

Mössner | 239

2.245

Kap. 2 Rz. 2.246 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.246 Erforderlich sind also – Identität des Steuersubjekts, d.h. einer natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Einheit, die selbständig einer Steuer unterworfen werden kann, – Identität des Steuergegenstandes, d.h. des wirtschaftlichen Vorgangs oder Zustandes, der zur Erhebung einer Steuer führen kann, – Identität des Besteuerungszeitraums hinsichtlich des von zwei oder mehreren Staaten erhobenen Steueranspruchs sowie – Vergleichbarkeit der erhobenen Steuern.

2.247 Dieser herkömmliche Begriff der Doppelbesteuerung lässt sich sowohl in einzelnen seiner Ele-

mente als auch in seiner Unzulänglichkeit insgesamt kritisieren.1 Von einer Doppelbesteuerung sollte eher dann gesprochen werden, wenn eine die Neutralität der internationalen Besteuerung verletzende Steuererhebung erfolgt. Dies würde dem Grundprinzip Rechnung tragen, dass eine grenzüberschreitende Tätigkeit für sich betrachtet keine Rechtfertigung für eine höhere oder niedrigere Besteuerung darstellt. Allerdings ist der Begriff „Doppelbesteuerung“ dann nicht mehr passend. Er erklärt sich aus der Rechtsentwicklung, bei der das Phänomen der doppelten Besteuerung zuerst in den Fokus getreten ist. Angesichts des heutigen Entwicklungstandes ist es daher angebrachter, die Neutralität als Grundprinzip zu betonen. Diese Neutralität wird auch dann nicht gewahrt, wenn die internationale Besteuerung insgesamt zu einer niedrigeren Besteuerung (Rz. 2.251) führt als diejenige in den betroffenen Staaten mit dem niedrigeren Steuersatz. Die Folge der Nicht-Wahrung der grenzüberscheitenden Neutralität der Besteuerung führt zu einer Wettbewerbsverzerrung, sei es durch eine zu hohe, sei es durch eine zu niedrige Besteuerung. Diese Wettbewerbsverzerrung begünstigt oder benachteiligt international agierende Unternehmen gegenüber rein national tätigen Unternehmen. Allerdings ist diese Neutralität nicht einfach zu erreichen. Zum einen führt es zu einem Wettbewerbsnachteil eines Unternehmens in einem lokalen Markt, wenn es abweichend von den in diesem Markt üblicherweise geltenden steuerlichen Bedingungen zur Steuer herangezogen wird. Die kann durch den Staat erfolgen, in dem die wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt (Kapitalimportneutralität); es kann aber auch auf Maßnahmen des Heimatstaats des Unternehmens zurückzuführen sein (vgl. Rz. 2.251).

2.248 Ursache der internationalen juristischen Doppelbesteuerung sind in erster Linie die sich überlagernden Besteuerungsansprüche der beteiligten Fisci bzw. die jeweiligen gesetzlichen – oder sonstigen – Definitionen der unbeschränkten (Rz. 2.12 ff.) und beschränkten (Rz. 2.84 ff.) Steuerpflicht.

Beispiel: Legt das Steuerrecht eines Staates A fest, dass seinem Steueranspruch das weltweite Einkommen oder Vermögen der in seinem Staatsgebiet ansässigen natürlichen oder juristischen Personen unterliegt (unbeschränkte Steuerpflicht), und werden Einkommensteile dieser Personen im Staat B deshalb besteuert, weil die Vermögensteile dort belegen sind (z.B. Grundbesitz) bzw. Teile der Einkünfte dort ihre Quelle haben (z.B. wiederum aus dort belegenem Grundbesitz), so ergibt sich hieraus eine „echte“, d.h. juristische internationale, Doppelbesteuerung.

Eine Variante hierzu bildet der Fall, dass ein Staat seine Staatsbürger auch dann noch der unbeschränkten Steuerpflicht unterwirft, wenn diese im Ausland ansässig sind und ihre Einkünfte aus dortiger Quelle erzielen bzw. dort belegenes Vermögen haben. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die USA, die ihre Staatsbürger „lebenslang“ der US-Einkommensteuer unterwerfen, jedoch durch ein verfeinertes System der Anrechnung ausländischer Steuern die sich daraus ergebende juristische Doppelbesteuerung abmildern bzw. aufheben. Eine weitere Ursache der internationalen juristischen Doppelbesteuerung kann auch in den persönlichen Verhältnissen des Steuersubjekts liegen, z.B. in dem Doppel- oder Mehrfach-Wohnsitz 1 Mössner in Vogel (Hrsg.), Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, DStJG 8, Köln 1985, 139 f.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 3.

240 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.251 Kap. 2

einer natürlichen Person, die aufgrund dieser Tatsache der unbeschränkten Steuerpflicht mehrerer Staaten unterliegt. Die unbeschränkte Steuerpflicht ergibt sich aus den Kriterien des jeweiligen internen Rechts und ist von der „Ansässigkeit“ i.S.d. DBA, zu Zwecken dessen Ansässigkeit nur in einem der beiden Staaten bestehen kann, streng zu trennen. Letztlich ist die Besteuerung des Welteinkommens1 nach – in erster Linie – dem Ansässigkeitsprinzip und – in zweiter Linie – dem Staatsangehörigkeitsprinzip für die Entstehung der internationalen juristischen Doppelbesteuerung verantwortlich, die dann nicht auftreten könnte, wenn sich die Staaten in weiser Selbstbeschränkung damit begnügten, lediglich jeweils die auf ihrem Gebiet belegenen Vermögensgegenstände bzw. die aus in ihrem Gebiet belegenen Einkommensquellen stammenden Einkommen der in ihrem Staatsgebiet ansässigen oder nichtansässigen Personen zu besteuern (territoriale Besteuerung). Aber selbst dann wird das Problem der Doppelbesteuerung nicht vollständig beseitigt, solange nicht die Staaten die Inlandseigenschaft von Steuergegenständen einheitlich und abgestimmt definieren. 2. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung Von einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder von Doppelbelastung spricht man, wenn ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang innerhalb desselben oder eines anderen Besteuerungszeitraums zwei verschiedenen Steuersubjekten in zwei Staaten zugerechnet wird. Dies betrifft insbesondere international verbundene Unternehmen. Sie stellen wirtschaftlich eine Einheit dar, die in rechtlich selbständigen Gesellschaften in den einzelnen Staaten tätig werden. Als Folge wird der von einer Untergesellschaft erwirtschaftete Gewinn bei dieser, aber auch bei der Obergesellschaft im Falle seiner Ausschüttung grundsätzlich erfasst. Zur Vermeidung dieser Form der Doppelbelastung dienen z.B. die Schachtelvergünstigungen (Rz. 7.43). Eine andere Möglichkeit der Doppelbelastung besteht, wenn bei dem Unternehmen des einen Staates Verrechnungspreise oder Dienstleistungsentgelte korrigiert werden und der entsprechend um die höhere Gewinnspanne bzw. das vereinnahmte Dienstleistungsentgelt vermehrte Gewinn bereits in dem anderen Staat besteuert wurde und keine Gegenberichtigung erfolgt.

2.249

Auch wenn in einem Staat Aufwendungen, die in dem anderen Staat steuerpflichtig sind, nicht abgezogen werden können, kann es zu wirtschaftlicher Doppelbesteuerung kommen. Unterwirft ein Staat eine in seinem Gebiet ansässige Gesellschaft als solche der Steuer, während ein anderer Staat die auf seinem Gebiet ansässigen Gesellschafter dieser Gesellschaft – natürliche oder juristische Personen – der Steuer auf das Einkommen der Gesellschaft, weil er diese nicht als juristische Person anerkennt, unterwirft, kommt es zur Doppelbelastung.

2.250

Die Ursache der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung folgt somit daraus, dass die Steuergüter unterschiedlichen Steuersubjekten zugerechnet werden. 3. Internationale Doppel-Nichtbesteuerung Zur internationalen juristischen Doppel-Nichtbesteuerung2 kommt es in Umkehrung der oben gegebenen Definition, wenn zwei oder mehrere Staaten jeweils für denselben Steuergegenstand und Steuerzeitraum keine vergleichbare Steuer erheben. Die doppelte Nichtbesteuerung, die zu sog. weißen Einkünften führt, wird zunehmend als nicht hinnehmbar empfunden. Insofern hat es einen 1 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 2.6, 6.53 ff.; krit. zu diesem Prinzip Mössner/Adonnino, Das Welteinkommensprinzip; Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Berlin 2000, 253 ff.; s. grundlegend die Theorien wertend Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen, 2015, 205 ff. 2 Lang, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXVIIIa, 197; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.522 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.140; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 2009; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 12 ff.

Mössner | 241

2.251

Kap. 2 Rz. 2.252 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Paradigmenwechsel in den vergangenen Jahren gegeben. Dieser wie auch die gesamte BEPS-Aktion belegen, dass die Erzielung von ungerechtfertigten Steuervorteilen durch bewusste Gestaltung der internationalen Steuerverhältnisse zunehmend in den Fokus der Staaten gerät. Ob allerdings bereits zutreffende Kriterien zur Abgrenzung gerechtfertigter von ungerechtfertigten Steuervorteilen gefunden sind oder ob man das Kind mit dem Bade ausschüttet, erscheint im Augenblick noch mehr als fraglich. Die Ursachen einer internationalen doppelten Nichtbesteuerung sind mehrfach: – Der Steuerpflichtige ist in keinem Staat ansässig, da er nicht die Ansässigkeitsvoraussetzungen eines Staates erfüllt. Somit entfällt die Besteuerung ausländischer Einkünfte. Es bleibt aber die Besteuerung der inländischen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Zur Nichtbesteuerung kommt es dann jedoch, wenn zusätzlich die Inlandskriterien der jeweiligen Staaten vermieden werden. Beispiel: A ist nicht im Staat X ansässig, da er weder einen Wohnsitz hat, noch sich 183 Tage dort aufhält. Im Staat Y hält er sich ebenfalls nicht 183 Tage auf. A bezieht Zinsen von einem Darlehensnehmer in X. X besteuert nicht Zinsen von Nicht-Ansässigen. In Y liegt nicht die Quelle der Zinsen.

– Der Staat, dessen Besteuerungsrecht ein DBA nicht einschränkt, erhebt keine entsprechende Steuer, wohingegen der andere Staat die entsprechenden Einkünfte nach dem DBA freistellt. Früher wurde darin kein Problem gesehen.1 Die Abkommen wurden lange Zeit so verstanden, dass sie nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine sog. virtuelle Doppelbesteuerung verhindern sollten. Dadurch wurde der Gedanke der Kapitalimportneutralität verwirklicht. Beispiel: Der Steuerpflichtige, der im Staat X Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit bezieht und im Staat Y ansässig ist, zahlt in beiden Staaten keine Einkommensteuer hierauf, weil der Ansässigkeitsstaat Y im DBA mit X auf das Besteuerungsrecht bzgl. derartiger Einkünfte bei Darbietungen im anderen Staat verzichtet hat, Staat X jedoch Einkommensteuer auf künstlerische Auftritte von Ausländern nicht erhebt.

Die juristische doppelte Nichtbesteuerung ergibt sich in derartigen Fällen aus dem Zusammenspiel zwischen nationalem Recht und DBA. Zunehmend wird in neuerer Zeit jedoch das Entstehen von „weißen“ Einkünften als nicht von den Abkommen intendiert gewürdigt. In der Abkommenspraxis sind inzwischen verschiedene Methoden (Remittence-Base-Prinzip, Subject-toTax-Klausel, Rückverweisung der Besteuerung an den Wohnsitzstaat) entwickelt worden, die doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Aber auch national, z.B. § 50d Abs. 8 und 9 EStG, versuchen die Staaten derartige Fälle der Nichtbesteuerung zu verhindern. Diese Entwicklung ist im Grundsatz zu begrüßen, da sie dem Prinzip der Neutralität der Besteuerung (Rz. 2.247) dient. – Eine juristische doppelte Nichtbesteuerung kann dadurch entstehen, dass die beteiligten Staaten die Einkunftsquelle oder das Vermögen ein und desselben Steuerpflichtigen jeweils unterschiedlich einordnen und dadurch zu der Auffassung gelangen, dass jeweils nur der andere Staat zur Besteuerung berechtigt sei – sog. Qualifikationskonflikt (siehe Rz. 1.171, 2.422). Die OECD hat inzwischen in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA eine Regelung für diese Fälle vorgeschlagen, die erst in wenige deutsche DBA aufgenommen wurde.2

2.252 Schließlich können aus denselben Gründen wie bei der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung – je-

doch mit umgekehrten Vorzeichen – Fälle wirtschaftlicher internationaler Doppel-Nichtbesteuerung entstehen, bei denen z.B. beide beteiligten Steuersubjekte infolge unterschiedlicher Zurechnung des Steuergutes durch die beteiligten Staaten der Besteuerung entgehen oder auch die in einem Staat abzugsfähige Ausgabe bei dem dort ansässigen Steuerpflichtigen abzugsfähig ist, während sie bei dem im anderen Staat ansässigen Empfänger keine steuerpflichtige Einnahme darstellt. 1 RFH v. 29.2.1940 – III 206/39, RStBl. 1940, 532; BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. 2 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 243 ff., Rz. 252 – Liechtenstein, Luxemburg, Ungarn.

242 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.256 Kap. 2

II. Bedeutung des Doppelbesteuerungsbegriffs Einigkeit1 herrscht darüber, dass weder der Begriff der internationalen juristischen Doppelbesteuerung noch der der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung Rechtsbegriffe in dem Sinne sind, dass aus ihnen unmittelbar Rechtsfolgen abgeleitet werden können. Vor allem gibt es kein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung oder eine unionsrechtliche Verpflichtung, Doppelbesteuerung zu beseitigen.2 Auch die Abkommen enthalten nicht den Begriff der Doppelbesteuerung. Selbst in Art. 25 OECD-MA ist nur von einer nicht dem Abkommen entsprechenden Besteuerung die Rede.

2.253

Auch beschränkt sich die Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Abkommen nicht auf die juristische Doppelbesteuerung, sondern erfasst durchaus auch Fälle wirtschaftlicher Doppelbesteuerung, z.B. vermittels der im Abkommen (Art. 9 OECD-MA) aufgestellten rechtlichen Grundsätze bzgl. der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen nach dem Prinzip des „dealingat-arm’s-length“.

2.254

III. Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung haben sich einige Methoden eingebürgert,3 die sowohl unilateral aufgrund nationalen Steuerrechts oder bilateral4 aufgrund von zwischenstaatlichen Abkommen zur Anwendung kommen:

2.255

– Freistellung der ausländischen Einkünfte von der deutschen Steuer, meist bilateral vereinbart, – Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländischen Steuer, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt; – Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage der inländischen Steuer; – völliger oder teilweiser Erlass der auf ausländische Steuergüter entfallenden Steuer; – Ermäßigung oder Pauschalierung der Steuer. Mit wachsender Zahl der internationalen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die sich vornehmlich der Freistellungs- und der Anrechnungsmethode bedienen, verlieren die Maßnahmen des internen, auch des deutschen Steuerrechts zunehmend an eigenständiger Bedeutung und ergänzen die Normen der DBA, die die Anrechnungsmethode nicht in ihren Einzelheiten festlegen. Welche Methode ein Staat bevorzugt, beruht auf Tradition, Gerechtigkeitsvorstellungen, Praktikabilitätserwägungen. Die verschiedenen Methoden kommen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. Tendenziell bevorzugen die Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises die Anrechnungsmethode und die des kontinental-europäischen Rechtskreises die Freistellungsmethode, ohne dass dies ausschließlich zuträfe. Beide haben Vor- und Nachteile. In der deutschen Praxis bildet sich zunehmend eine Mischform aus. Zwar stellt Deutschland in seinen Abkommen ausländische Einkünfte i.d.R. steuerfrei, sieht aber die Anrechnungsmethode zur Vermeidung unerwünschter Effekte vor. Hierzu dienen Aktivitätsklauseln, switch-over-Klauseln u.Ä.

1 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 8 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerecht4, Rz. 17.3 ff. 2 Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 13 f. 3 Grundlegend noch immer Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem, 1938; Mössner, DStG 8, (1985) 142 ff.; siehe auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 46 ff.; Dürrschmidt in V/L6, Vor 6–22 OECD-MA Rz. 4 f. und Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 15 ff., 37 ff., 119 ff., 149 ff.; ausführliche Darstellung bei Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.16 ff. 4 Zu multilateralen Abkommen siehe Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 39.

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2.256

Kap. 2 Rz. 2.257 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung 1. Freistellungsmethode (exemption)

2.257 Der Freistellungsmethode, die auf die deutsche Vertragspraxis zurückgeht,1 liegt das wirtschaftliche

Prinzip zugrunde, dass die Höhe der Steuer die Wettbewerbsposition eines Unternehmens beeinflusst und folglich alle Unternehmen, die auf einem Markt operieren, den gleichen steuerlichen Bedingungen unterworfen sein sollen (Kapitalimportneutralität2). Folglich wird die Besteuerung im Quellenstaat der Einkünfte aufrechterhalten und die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat aufgehoben. Die Umsetzung dieses Verzichtes erfolgte nach Auffassung des RFH derart, dass mit den freigestellten Einkünften im Inland in keiner „Weise mehr zu rechnen“ sei.3 Die Wissenschaft4 verstand diese „Zuweisung eines Steuergutes“ als eine der nationalen Besteuerung vorgelagerte Kollisionsnorm: Nationales Steuerrecht kann nur in dem Maße zur Anwendung kommen, wie das DBA den Staat hierzu ermächtigt.

2.258 Dieses Verständnis ist nicht haltbar. Grundlage des Besteuerungsrechts eines Staates im interna-

tionalen Verhältnis ist seine Souveränität.5 Die Vertragsstaaten eines DBA könnten nicht gemeinsam „Besteuerungsrechte“ schaffen und zuweisen, wenn sie diese nicht bereits besäßen. Deshalb vereinbaren Staaten in DBA, wie sie ihre originären nationalen Steueransprüche (Rz. 2.1, 2.420) zurücknehmen (System gegenseitiger Steuerverzichte). Ob man dies als Verzicht, Verteilung oder Zuweisung bezeichnet, ist gleichgültig, solange man aus der Wortwahl keine Folgerungen zieht (Rz. 2.464 f.). Das DBA verpflichtet die Staaten, gibt aber auch den Steuerpflichtigen das Recht, sich auf die für sie günstigen Bestimmungen des DBA zu berufen.6 Die h.M.7 sieht in der Freistellung ausländischer Einkünfte eine objektive Steuerbefreiung. Dies bedeutet, dass sich die Steuerhoheit des Ansässigkeitsstaats auch auf diese Einkünfte erstreckt, er aber seine Besteuerung zurücknimmt. Dies zeigt sich u.a. am Progressionsvorbehalt (Rz. 2.259).

2.259 Die Freistellung ausländischer Einkünfte vermeidet nicht nur die Doppelbesteuerung, sondern sie bewirkt einen unberechtigten Steuervorteil dadurch, dass die einzelnen Einkommensteile auf mehrere Staaten aufgeteilt werden und somit bei progressiven Steuertarifen nicht der dem Welteinkommen entsprechende Steuersatz im Ansässigkeitsstaat angewandt wird.8 Dies hat man9 zunächst als wünschenswert betrachtet, nach 194510 enthalten die DBA jedoch zunehmend11 die Regelung, dass die Freistellung nicht der Anwendung des dem Welteinkommen entsprechenden Steuersatzes auf die verbliebenen Einkünfte entgegensteht (Progressions- oder Tarifvorbehalt). Nachdem die Rspr. zunächst die Rechtsgrundlage für die Anwendung des Steuersatzes nach dem

1 Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 13 ff. 2 Mössner, DStG 8 (1985), 166; Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 25; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 7; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 5.2; 17.17 ff.; 18.113 f.; 18.125 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 50 ff. 3 RFH v. 25.1.1933, RStBl. 1933, 478; so noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (281 ff.). 4 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 72 ff.; Bühler, Internationales Steuerrecht und Privatrecht; Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, 328 ff.; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. IV, III; Dorn, Welche Grundsätze empfehlen sich für das internationale Vertragsrecht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages 1925, 495 ff. (543). 5 Frotscher, Internationales Steuerrecht, § 5 Rz. 1; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 16.1 ff.; vgl. auch Grotherr in G/K/G, Grundlagen OECD-MA Rz. 33. 6 K. D. Wolff, Die Individualberechtigungen aus Abkommen im internationalen Steuerrecht, 72 ff. 7 Wassermeyer in Wassermeyer Art. 23A OECD-MA Rz. 52. 8 Vgl. bereits Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem, 328 ff. 9 Dorn, Welche Grundsätze empfehlen sich für das internationale Vertragsrecht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung, Verhandlungen des 33. Deutschen Juristentages 1925, 495 ff. 10 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 59 ff. 11 Nunmehr Art. 23A OECD-MA.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.260 Kap. 2

Welteinkommen im DBA selbst gesehen hat,1 leitet sie dies richtigerweise2 aus nationalem Recht (§ 32b EStG) ab. Wie genau die Freistellung auf das nationale Steuerrecht wirkt, kann unterschiedlich gesehen werden. Das OECD-MA spricht davon, dass die Einkünfte von der Besteuerung ausgenommen werden. Bei einem wörtlichen Verständnis bedeutet dies, dass die auf die ausländischen Einkünfte entfallende inländische Steuer nicht erhoben wird, wie dies bspw. in den Niederlanden der Fall ist (modifizierte Freistellungstheorie).3 Hierdurch wird die Kapitalimportneutralität4 weitgehend verwirklicht. In den deutschen Abkommen lautet die Formulierung meistens anders. Danach sollen die entsprechenden Einkünfte von der Bemessungsgrundlage ausgenommen werden, was die Rechtsprechung als objektive Steuerbefreiung versteht (Rz. 2.258). Der Unterschied der Auffassungen macht sich bei ausländischen Verlusten bemerkbar.5 Aber auch andere Auswirkungen (vgl. Rz. 2.465) ergeben sich, die nur schwer mit einer an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ausgerichteten Belastung vereinbar sind. Aber auch die Freistellung mit Progressionsvorbehalt führt nicht zu einer neutralen Besteuerung, da im Quellenstaat keine Besteuerung auf der Basis des Welteinkommens erfolgt und sich daraus gleichwohl Progressionsvorteile ergeben, die bei der Anrechnungsmethode vermieden werden. Da die Besteuerung der im Quellenstaat zu besteuernden Einkünfte eine Angelegenheit dieses Staats ist, ist dieser nicht daran gehindert, seine Besteuerung das Welteinkommen zugrunde zu legen. Der deutsche Gesetzgeber hat beim Wechsel zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht in § 2 Abs. 7 EStG die Einbeziehung der inländischen Einkünfte, die während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht bezogen werden, in die Veranlagung der unbeschränkten Steuerpflicht angeordnet. Durch § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG kommt es dann zu einer gewissen Progressionserstreckung. Die hieran geübte Kritik6 ist unberechtigt.7 Der BFH hat auch anders entschieden.8 2. Anrechnungsmethode (tax credit) Im Gegensatz zur Freistellungsmethode, die aus Wettbewerbsgründen (Rz. 2.257) auf die steuerlichen Verhältnisse im Quellenstaat der unternehmerischen Einkünfte abstellt, legt die Anrechnungsmethode die steuerlichen Verhältnisse im Ansässigkeitsstaat zugrunde. Sie verwirklicht das Welteinkommensprinzip9 in Form der Kapitalexportneutralität, indem sie es als Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ansieht, dass die ausländischen Einkünfte eines Steuerpflichtigen in gleicher Weise besteuert werden wie die inländischen Einkünfte. Diese Begründung trägt nur partiell,10 da das Leistungsfähigkeitsprinzip keine Kriterien für die Aufteilung der Besteuerung zwischen den Staaten liefert und die im Ausland gezahlte Steuer als die Leistungsfähigkeit mindernd zu berücksichtigen ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip besagt lediglich, dass Personen mit gleicher Leistungsfähigkeit gleich besteuert werden sollen. Hier geht es aber darum, welcher Staat besteuert. In diesem Zusammenhang kann Leistungsfähigkeitsprinzip nur bedeuten, dass die Besteuerung beider Staaten nicht die Neutralität der Besteuerung verletzt. Aus diesem Prinzip lässt sich aber nichts dafür ableiten, welcher Staat was und wie besteuert. Bei der Anrechnungsmethode bleibt die Besteuerung durch die beteiligten Steuerhoheiten unangetastet. Der Ansässigkeitsstaat 1 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; s. aber auch v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302. 2 BFH v. 6.12.1979 – VI R 18/76, BStBl. II 1980, 237. 3 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 51. 4 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. 5 Hierzu vgl. die zutreffenden, kritischen Ausführungen von Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 52 ff., 56. 6 Lüdicke in FS Lutz Fischer, S. 745 ff. m.w.N.; Ismer, in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 234. 7 Vgl. Mössner, IStR 1997, 225 ff.; Wassermeyer, IStR 2002, 289. 8 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2002, 660. 9 Vgl. nur Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. A 16; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.16 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 62. 10 Vgl. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 258; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.9 ff.

Mössner | 245

2.260

Kap. 2 Rz. 2.261 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung des Steuerpflichtigen rechnet dann die im ausländischen Quellenstaat erhobene Steuer auf die ihm für diese Einkünfte geschuldete Steuer wie eine eigene Steuervorauszahlung an. Im Ergebnis stellt der Ansässigkeitsstaat somit die ausländischen Einkünfte in dem Maße frei, in dem der ausländische Staat diese besteuert, indem er seine entsprechende inländische Steuer nicht erhebt. Während bei der Freistellungsmethode die inländische entsprechende Steuer insgesamt nicht erhoben wird, gleichgültig wie der andere Staat seinerseits besteuert, bewirkt die Anrechnung eine anteilige Freistellung in Höhe der ausländischen Steuer.

2.261 Daraus folgt, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer überhaupt nur so weit gehen kann,

wie diese die inländische Steuer nicht übersteigt (ordinary tax credit). Eine Anrechnung auch der die inländische Steuer übersteigenden ausländischen Steuer mit der Folge, dass der anrechnende Fiskus ausländische Steuern vergütet, gibt es nicht.1 Dies führt dann im Ergebnis zu einer höheren Steuerlast, was der Rechtfertigungsthese von der Herstellung gleicher Leistungsfähigkeit widerspricht.2 Für die Vertreter der Freistellungsmethode ergibt sich dieser Widerspruch nicht, da sie nicht auf die Leistungsfähigkeit abstellen. Die Anrechnungsmethode geht daher im Grunde von niedrigeren ausländischen Steuern aus und egalisiert diese. Vor allem in der politischen Diskussion wird dies oft als Vorzug der Anrechnungsmethode gesehen. Damit wird die Kritik an der Freistellung verbunden, dass diese Steuerpflichtige dazu einlade, ihre Aktivitäten in ein niedrig besteuerndes Ausland zu verlagern. Die Anrechnungsmethode ist im Grunde die Methode von Hochsteuerstaaten.

2.262 Im Ergebnis bedeutet dies: – Ist die steuerliche Belastung im Quellenstaat niedriger als im Ansässigkeitsstaat, so erfolgt die Besteuerung auf dem Niveau des Letzteren (Heraufschleusung). – Besteuert der Quellenstaat höher als der Ansässigkeitsstaat, so bleibt es bei dessen höherem Steuerniveau (keine Herabschleusung). Im Ergebnis setzt sich somit die höhere der beiden Steuern durch.3 Man kann daher auch in der Anrechnungsmethode nicht die Verwirklichung der Kapitalexportneutralität sehen.4 Diese tritt nur bei der ersten Alternative ein, während die zweite der Kapitalimportneutralität entspricht. Aber auch Kapitalexportneutralität wird dann nicht voll gewahrt, wenn die sog. per-country-limitation zur Anwendung gelangt, d.h. wenn der Ansässigkeitsstaat nicht alle Auslandseinkünfte als Einheit ansieht (sog. overall-limitation), sondern die Begrenzung (Rz. 2.294) für jeden Quellenstaat gesondert vornimmt.

2.263 Eine besondere Spielart der Anrechnungsmethode stellt schließlich der tax sparing credit bzw.

matching credit dar, der die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Quellensteuer durch den Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen vorsieht, obwohl der Quellenstaat die Quellensteuer tatsächlich ermäßigt hat. Diese Art der Anrechnung ist ebenfalls dem deutschen internen Steuerrecht fremd und findet sich nur in einigen wenigen von Deutschland geschlossenen DBA.5 Sie dient vor allem entwicklungspolitischen Zielsetzungen. Im Ergebnis wirkt sie wie eine Freistellung. 3. Abzug ausländischer Steuer von der Bemessungsgrundlage

2.264 Bei dieser „Methode“ wird der inländischen Besteuerung nur der nach Abzug der ausländischen Steuer verbleibende Nettozufluss unterworfen und die ausländische Steuer wie ein Kostenfaktor

1 Vgl. auch EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221. 2 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.30 spricht zu Recht von einem „Systembruch“. 3 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 6 f.; Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 159 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.30. 4 Tipke/Lang, Steuerrecht22, § 2 Rz. 46; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. 5 Vgl. die Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.269 Kap. 2

behandelt.1 Da Steuern vom Einkommen zu den nicht abziehbaren Aufwendungen gehören,2 bedarf es für deren Berücksichtigung einer Ausnahmebestimmung, die sich in § 34c Abs. 3 EStG findet, wonach ein Abzug ausländischer Steuern möglich ist, wenn es an der fehlenden Vergleichbarkeit der erhobenen Steuern fehlt, die Besteuerung in einem anderen Staat als demjenigen, aus dem die Einkünfte stammen, erfolgt sowie wenn das deutsche Steuerrecht das Vorliegen ausländischer Einkünfte verneint. In den DBA ist diese Methode nicht vorgesehen. 4. Erlass, Teilerlass, Ermäßigung, Pauschalierung Die Wirkung des Erlasses der deutschen Steuer auf ausländische Einkünfte kommt der Freistellung gleich (abgesehen von der dort fast ausschließlich vorbehaltenen Progression), die des teilweisen Erlasses einer teilweisen Freistellung. Auch Ermäßigung und Pauschalierung sind ähnlich einzuordnen, wobei Letztere vornehmlich der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dient.3

2.265

IV. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer 1. Rechtsgrundlagen Die Rechtsgrundlagen der unilateralen Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Einkommensteuer finden sich in §§ 34c und 34d EStG sowie §§ 68a und 68b EStDV für unbeschränkt Steuerpflichtige und in § 50 Abs. 6 EStG für beschränkt Steuerpflichtige.

2.266

Der Gesetzgeber sieht sich immer4 wieder zu Änderungen in den maßgebenden Vorschriften veranlasst. Seit der Vorauflage (2012) ist eine für die Anrechnung relevante Gesetzesänderung erfolgt: – Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften:5 Anpassung der Höchstbetragsformel an die EuGH-Rechtsprechung (vgl. Rz. 2.291).

2.267

2. Regelungsinhalt des § 34c EStG § 34c EStG steht nach dem IV. Teil (Tarif) des EStG und ist somit nach h.M. eine Tarifvorschrift.6 Doch daran lässt sich zweifeln, da der V. Teil mit „Steuerermäßigungen“ überschrieben ist und § 2 Abs. 6 EStG von einer Minderung der tariflichen Einkommensteuer spricht. Die Norm regelt die Anrechnung bzw. den Abzug ausländischer Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen (bzw. nicht entsprechen), auf die bzw. von der deutschen Einkommensteuer. Sie bewirkt folglich eine Steuerbetragsermäßigung.7 Außerdem regelt § 34c EStG die Methode der in einem DBA vorgesehenen Steueranrechnung für den Fall, dass diese nicht im Abkommen näher geregelt ist.

2.268

3. Übersicht über § 34c EStG § 34c Abs. 1–2 EStG enthält die allgemeinen Regeln der Anrechnung ausländischer Steuern bzw. des Steuerabzugs auf Antrag in Anrechnungssituationen. § 34c Abs. 1 letzter Halbs. i.V.m. Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG nimmt der Abgeltungssteuer nach § 32d EStG unterliegende Kapitalein1 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.35. 2 Gemäß § 10 Nr. 3 KStG, hierzu BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; § 12 Nr. 3 EStG, BFH v. 2.10.1963 – I 308/61 U, BStBl. III 1964, 5. 3 Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.36 ff. 4 Siehe die Zusammenstellungen der Gesetzesfassungen bei Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 1–25. 5 Gesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417 (2425). 6 Heinicke in Schmidt36, § 34c EStG Rz. 1; Frotscher in Frotscher, § 34c EStG Rz. 3. 7 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. A 131; nach BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91 sind Steuerermäßigungen tarifäre Minderungen der Steuerbelastung; siehe auch BFH v. 15.3.1995 – I R 98/ 94, BStBl. II 1995, 580.; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454.

Mössner | 247

2.269

Kap. 2 Rz. 2.270 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung künfte von der Anrechnung und dem Abzug nach § 34c aus. In § 43a Abs. 3 EStG ist ein eigenes Anrechnungsverfahren für diese Einkünfte geschaffen worden.1 § 34c Abs. 3 EStG regelt das Abzugsverfahren für die Fälle der Nichtvergleichbarkeit der Steuern, der Erhebung der Steuer in einem anderen als dem Quellenstaat sowie des Fehlens ausländischer Einkünfte i.S.d. § 34d EStG. § 34c Abs. 5 EStG enthält eine Ermächtigungsgrundlage für Verordnungen über Erlass, Teilerlass und Pauschalierung.2 § 34c Abs. 6 EStG regelt das Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA. § 34c Abs. 7 EStG ist die Grundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen bzgl. Einkünften aus mehreren ausländischen Staaten, den Nachweis der Zahlung der ausländischen Steuern sowie die Auswirkungen späterer Steuernacherhebungen oder Erstattungen im Ausland.3 4. Verhältnis des § 34c EStG zu den DBA

2.270 Die etwas umständlichen4 Verweisungen und Teilverweisungen des § 34c Abs. 6 EStG können wie folgt zusammengefasst werden:

Unter zwei Voraussetzungen kommt gem. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG die Anrechnungs- bzw. Abzugsmethode nach den Abs. 1–3 nicht zur Anwendung: – Es muss sich um Einkünfte handeln, die aus einem ausländischen Staat stammen5 und – mit diesem Staat besteht ein DBA und – das DBA muss sich auf eine Steuer vom Einkommen dieses Staates beziehen (§ 34c Abs. 6 Satz 4 EStG). Somit schließt nicht bereits das Bestehen eines DBA6 mit dem besteuernden Staat die Anwendbarkeit des § 34c EStG aus. Auch die Einkünfte müssen aus diesem Staat „stammen“. Ob sich das „Stammen“ nach deutschem Steuerrecht richtet7 oder aus den DBA8 abzuleiten ist, ist nicht geklärt. Da es um die vorrangige Anwendbarkeit der Beseitigung der Doppelbesteuerung handelt und für diese ein Stammen im Sinne des Abkommens erforderlich ist, muss der Begriff des „Stammens“ i.S. des Abkommens verstanden werden.9 Außerdem kommt es auf die Regelung des DBA 1 Zu Details m.w.N. siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 26 f.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 178.1 ff. 2 Ergangen sind Montageerlass (bis 1983), abgelöst durch Auslandstätigkeitserlass (BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470), Pauschalierungserlass (BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252 u. v. 30.12.1993 – S 1301, BStBl. I 1994, 97, wobei Letzteres (teilweise) aufgehoben durch BMF v. 29.3.2007 – IV C 6 - O 1000/07/0018, BStBl. I 2007, 369). 3 Hierzu siehe §§ 68a–68c EStDV, z.T. a.F.; § 68 ab VZ 1996 aufgehoben. 4 Siehe im Einzelnen Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 341–347; C. Kraft in K/K/B2, § 34c EStG Rz. 73–79. 5 BFH v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; v. 19.4.1999 – I R 141/98, BFH/NV 1999, 1317; v. 1.4.2003 – I R 39/02; Wassermeyer, IStR 1998, 476; maßgebend ist die Regelung des DBA, so dass seine Subject-to-Tax-Klausel, die bestimmt, ob die Einkünfte aus dem ausländischen Staat stammen, zu beachten ist, Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 720. 6 So der missglückte Wortlaut. Irgendein DBA kann aber nicht gemeint sein, sondern nur ein solches, das sich auf die Einkommensteuer bezieht; so auch Frotscher in Frotscher/Drüen, § 26 KStG Rz. 49; Weggenmann in F/W/B/S, §34c EStG Anm. 722. 7 So FG BW v. 19.3.1997 – 3 K 171/92, EFG 1997, 984; FG München v. 22.4.2008 – 1 K 5245/04, EFG 2008, 1628; vgl. BFH v. 2.3.2010 – I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820. 8 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 5; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 201; Frotscher in Frotscher/ Geurts, § 34c EStG Rz. 82; FG Hamburg v. 17.5.2013 – 6 K 73/12, EFG 2013, 1671; offengelassen durch BFH v. 17.11.2010 – I R 76/09, BFH/NV 2011, 674. 9 Ebenso Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 719.

248 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.272 Kap. 2

an. Dass nationale Normen, wie z.B. § 50d Abs. 9 EStG, zu einer Besteuerung im Inland führen, ändert nichts daran, dass die Einkünfte aus dem ausländischen Staat stammen.1 Beispiel: Inländer I hat in X eine Kapitalgesellschaft gegründet, die Einkünfte aus dem Inland bezieht, die in X sowohl bei der Gesellschaft als auch bei Ausschüttung mit einer Quellensteuer besteuert werden. Zwischen Deutschland und X besteht ein DBA, das die Besteuerung seitens X nicht tangiert und keine Anrechnung der Quellensteuern vorsieht. Deutschland betrachtet jedoch die Gesellschaft als missbräuchliche Gestaltung und rechnet I die Einkünfte unmittelbar zu, sodass die Einkünfte somit aus Deutschland stammen. Da eine Voraussetzung von § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG fehlt, ist eine Anrechnung zumindest der Quellensteuer möglich.2 Dies verhindert jetzt § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG.3

Dies bedeutet vor allem, dass dann, wenn das DBA die Freistellung ausländischer Einkünfte von der deutschen Einkommensteuer vorsieht, eine Anrechnung nicht möglich ist.4 Dies gilt aber nur, wenn sich das Abkommen auf die Steuern vom Einkommen bezieht. Gibt es im ausländischen Staat Steuern vom Einkommen, auf die sich das DBA nicht bezieht – z.B. Einkommensteuern eines Gliedstaates, die nicht im Abkommen geregelt werden, dann kommt für diese die Anrechnung oder der Abzug zur Anwendung. Ist die Freistellung ungünstiger als die Anrechnung, so hat der Steuerpflichtige dies hinzunehmen.5 Auch ein Abzug der ausländischen Steuer ist dann nicht gestattet, wenn dies für den Steuerpflichtigen günstiger wäre, wie z.B. in einem Verlustjahr.6 Die Zuordnungsregel für Ausgaben gem. § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG (Rz. 2.299 f.) ist gem. § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG auch dann „entsprechend“ anzuwenden, wenn diese Einkünfte nach dem DBA nicht in diesem (Quellen-)Staat besteuert werden können. Die Anwendung des § 34c Abs. 5 EStG bei Bestehen eines DBA ist ausgeschlossen, soweit diese Norm auf Abs. 1 Bezug nimmt. Wenn § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG die Anrechnung ausschließt, dann kann ihre Anwendung auch nicht besonders schwierig sein. Zwar schließt § 34c Abs. 6 EStG den Abs. 5 nicht ausdrücklich aus,7 aber § 34c Abs. 5 EStG erlaubt den genannten Behörden auch einen Steuererlass oder eine Pauschalierung, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist. Die Frage ist, ob dies auch dann gilt, wenn ein DBA besteht.8 Der BFH9 hat entschieden, dass keine entsprechende Befugnis besteht, wenn das DBA für die betreffenden Einkünfte die Freistellung vorschreibt. Dies versteht sich eigentlich von selbst; denn, wenn im Inland keine Besteuerung erfolgt, so besteht auch kein Anlass für eine Billigkeitsmaßnahme. Die Frage bleibt, aus welchem Grunde die Verwaltung von der im DBA angeordneten Anrechnung sollte abweichen können. Auch wenn es einer in der Literatur vorherrschenden Auffassung entspricht, bestehen doch Bedenken gegen eine generelle Ermächtigung. Sieht ein DBA vor, dass die Reduzierung bzw. Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt, so kann die Verwaltung nicht generell eine Freistellung im Erlasswege anordnen.

2.271

Sieht ein DBA die Anrechnung der ausländischen auf die deutsche Einkommensteuer vor, so ist § 34c EStG nicht Rechtsgrundlage der Anrechnung, diese hat sich aber nach der im § 34c Abs. 1 Sätze 2–5 EStG vorgesehenen Methode zu richten (entsprechende Anwendung). In vielen Abkommen wird ausdrücklich auf die Anrechnung nach den Methoden des internen Rechts verwiesen,

2.272

1 Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 721. 2 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869. 3 Eingeführt durch Steuerbereinigungsgesetz v. 22.12.1999, BGBl. I 1999, 2601; vgl. C. Kraft in K/K/B2, § 34c EStG Rz. 79. 4 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856. 5 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 4. 6 St. Rspr.: BFH v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317. 7 So Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 2. 8 Dafür wohl Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 421. 9 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/NV 1992, 248, dabei ging es vor allem um die Einbeziehung der nach dem Montageerlass steuerfrei gestellten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt.

Mössner | 249

Kap. 2 Rz. 2.273 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung d.h. auf die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages und der anrechenbaren ausländischen Steuern1 (Rechtsfolgenverweisung).

2.273 Auch wenn das DBA dies nicht ausdrücklich vorsieht, ist stets alternativ zur im DBA vorgesehe-

nen Anrechnung der Abzug der an sich anzurechnenden ausländischen Steuer zugelassen (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG: entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 2 EStG2); da der Abzug nur auf Antrag erfolgt und das Wahlrecht im Übrigen nur dann ausgeübt werden wird, wenn dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist als die Anrechnung, wird das Abkommen hierdurch nicht unterlaufen.3 Allerdings sieht eine mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1996 eingefügte Änderung4 (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG) vor, dass der Abzug – nach § 34c Abs. 2 EStG – bei lediglich nach dem Abkommen als gezahlt geltenden – also fiktiven – ausländischen Steuern nicht mehr zugelassen ist. Hier ist nur die Anrechnung möglich.

2.274 Enthält das DBA eine günstigere Regelung als § 34c Abs. 1 EStG, z.B. die Anrechnung fiktiver aus-

ländischer Steuern, so geht die günstigere DBA-Regel als lex specialis (§ 2 AO) vor. Die Begrenzung des § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG greift nicht, wohl aber die Zuordnungsregel des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG. Ein Abzug der ausländischen Steuern ist nicht möglich.

2.275 Bis zum JStG 2007 enthielt § 34c Abs. 6 Satz 4 EStG eine Auffangklausel für alle Fälle der Nicht-

beseitigung der Doppelbesteuerung bei aus dem DBA-Staat stammenden Einkünften, indem die Anrechnung vorgesehen war. Dies betraf auch Fälle, in denen die Vorschriften eines DBA die Doppelbesteuerung nicht beseitigten. Der Gesetzgeber5 hat diese Vorschrift als überflüssig angesehen. Geblieben ist die Anrechnung von Steuern vom Einkommen, auf die sich das DBA nicht bezieht.6 Dies kann z.B. der Fall sein, wenn nur ein Spezialabkommen, z.B. über Erbschaftsteuern, existiert oder bestimmte Einkommensteuern nicht einbezogen sind, z.B. Steuern von Gliedstaaten in einem Bundesstaat.

2.276 Bei Bestehen eines DBA gilt § 34c Abs. 3 EStG – Abzug in den Fällen nicht entsprechender aus-

ländischer Steuern, der Besteuerung von Einkünften aus Drittstaaten sowie des Nichtvorliegens ausländischer Einkünfte – nicht. Entstehen hier infolge unterschiedlicher Auffassung Doppelbesteuerungen, so können sie nur im Wege des Verständigungsverfahrens beseitigt werden. Gemäß § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG ist der Abzug – und nur dieser – gem. § 34c Abs. 3 EStG dann möglich, wenn der ausländische Staat Einkünfte besteuert, die nicht aus diesem Staat nach deutscher Ansicht stammen. Dies wird aber wiederum seit 2007 in Fällen missbräuchlicher Gestaltungen eingeschränkt.7

2.277 In § 50d Abs. 8 und Abs. 9 EStG wird unter den dort beschriebenen Voraussetzungen8 „die Frei-

stellung ungeachtet des Abkommens nicht gewährt.“ Damit unterliegen die betroffenen ausländischen Einkünfte wieder uneingeschränkt der inländischen Steuer. Für die Fälle des § 50d Abs. 9 EStG ordnet § 34c Abs. 6 Satz 5 EStG die Anrechnung bzw. den Abzug nach § 34c Abs. 6 Satz 6 EStG an. Da hier von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode übergegangen wird – sog. switch-over – ist es folgerichtig,9 auch § 34c EStG anzuwenden. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 EStG für diesen Übergang geht es vor allem um Fälle, in denen keine Steuer im Ausland erhoben wird (subject-to-tax-clause). Zur Anrechnung kommt es nur, Vgl. die Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. Ausnahmen für Abgeltungssteuer. R 34c EStR 2008. EStG 1997 v. 16.4.1997, BGBl. I 1997, 823 (880). BT-Drucks. 16/2712, 97; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 13. Vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 13; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 219 Alt. 2. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 15. Hierzu siehe Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Anm. 51 ff.; Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 52 ff.; Weggenmann in F/W/B/S, §34c EStG Anm. 771. 9 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 16.

1 2 3 4 5 6 7 8

250 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.279 Kap. 2

wenn der andere Staat aufgrund einer abweichenden Auslegung des DBA nur einen begrenzten Steuersatz anwendet (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG). Eine entsprechende Anordnung der Anwendung von § 34c EStG ist für § 50d Abs. 8 EStG nicht erforderlich, da dessen Voraussetzung ist, dass im Ausland keine Steuer gezahlt wurde.1 Eine Anrechnung scheidet daher aus. 5. Persönlicher Anwendungsbereich § 34c EStG sieht die Anrechnung ausländischer Steuern (Rz. 2.285) nur für unbeschränkt Steuerpflichtige i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 2 EStG vor. Keine Rolle2 spielt es, ob ein im Inland unbeschränkt Steuerpflichtiger zugleich auch in weiteren Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist, da weder dies noch die Regelung der Ansässigkeit durch ein bestehendes DBA seine in Deutschland nach § 1 Abs. 1 oder 2 EStG bestehende unbeschränkte Steuerpflicht in irgendeiner Weise berührt.3 Da die Anrechnungsmethode eine Folge der Besteuerung ausländischer Einkünfte auf der Basis des Welteinkommensprinzips ist, setzt sie die Besteuerung ausländischer Einkünfte im Inland voraus. Dies ist bei unbeschränkter Steuerpflicht der Fall. Bei der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG werden nur die inländischen Einkünfte wie bei einer unbeschränkten Steuerpflicht besteuert.4 Im Fall der Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG scheidet daher eine Anrechnung aus.5

2.278

Beschränkt Steuerpflichtige kommen folgerichtig nicht in den Genuss des § 34c EStG, allerdings wird ihnen durch § 50 Abs. 3 EStG in gewissem Umfang6 Entlastung durch Anrechnung ausländischer Steuern oder deren Abzug gewährt, wenn in ihrem inländischen Betriebsstätteneinkünften ausländische Einkünfte enthalten sind und diese nicht aus ihrem Ansässigkeitsstaat stammen. Durch das Kriterium des Betriebes im Inland kommen nur Gewinneinkünfte in Betracht.7

2.279

Kommt es während eines Jahres zum Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, so sind die während der beschränkten Einkommenssteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in die Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht einzubeziehen (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG) und die ausländischen Einkünfte, die nicht der deutschen Steuer unterliegen, d.h. während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht bezogen8 werden, bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen. (§ 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG). Daraus ergeben sich folgende Probleme: 1. Bei den während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen ausländischen Einkünften erfolgt die Anrechnung gem. § 34c EStG unmittelbar.9 2. In den während der Zeit der beschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünften sind ausländische, im Inland besteuerte Einkünfte enthalten. § 34c EStG ist dann über § 50 Abs. 3 EStG anwendbar.10 3. Was geschieht mit den auf den im Rahmen von § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigten ausländischen Einkünften ruhenden ausländischen Steuern? Beispiel: 2003 hat A folgende Einkünfte: Januar bis April = 30.000 Euro inländische Einkünfte, 10.000 Euro ausländische Einkünfte mit 2 500 Euro ausländischen Steuern. Mai bis Dezember = 10.000 Euro inländische Einkünfte, 60.000 Euro ausländische Einkünfte, auf die A im Ausland 28.000 Euro Steuern zahlt. Auf die 10.000 Euro inländische Einkünfte erhebt der ausländische Staat 4 600 Euro Steuern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

M. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 112; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. J 9. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 5; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 50. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 121; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 50. Gosch in Kirchhof16, § 1 EStG Rz. 17; Heinicke in Schmidt36, § 1 EStG Rz. 70. Ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 15; a.A. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 50. Details bei Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 11 ff. Unionsrechtlich problematisch: Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 13. Zufluss – BFH v. 29.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. Ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 16; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 124. Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 51; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 10; unklar Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 17.

Mössner | 251

Kap. 2 Rz. 2.280 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Lösung: A unterliegt 2003 der unbeschränkten Steuerpflicht mit 30.000 Euro, in diese Veranlagung werden einbezogen 10.000 Euro. Diese 40.000 Euro werden zum Steuersatz von 100.000 Euro (= Gesamte Einkünfte) besteuert, d.h. zu 38 % (angenommen) anstelle von 25 %: Die im Ausland gezahlten 28.000 Euro bleiben unberücksichtigt. Eine andere Frage ist es, wie das ausländische Recht die inländischen Steuern berücksichtigt.1

2.280 Personengesellschaften sind als solche nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so dass es bei der Steu-

eranrechnung darauf ankommt, ob der jeweilige Gesellschafter in Deutschland nach § 1 Abs. 1 oder 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist – dann gilt § 34c EStG – oder beschränkt steuerpflichtig – dann gilt § 50 Abs. 3 EStG.2

2.281 Die Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Abzug ausländischer Steuern hat

die Personenidentität – auch Subjektidentität – zur Voraussetzung.3 Somit muss der inländische Steuerpflichtige selbst, für den es um die Anrechnung auf seine Steuer geht, derjenige sein, der im Ausland der Einkommensteuer unterliegt.4 Dies folgt aus dem Identitätserfordernis beim Begriff der Doppelbesteuerung (Rz. 2.246). Dabei geht es um die Steuerpflicht, nicht um die Zahllast. Auch wenn im Ausland der Zahlende die Steuer als Quellensteuer abführt, ist es doch die Steuer des Steuerpflichtigen. Ob die Steuer vom Steuerpflichtigen, der die Anrechnung anstrebt, erhoben wird, lässt sich nicht ohne Einbeziehung des ausländischen Steuerrechts entscheiden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bestimmungen des ausländischen Rechts für das Inland verbindlich wären. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, wem die betreffenden Einkünfte im Ausland zugerechnet werden und wer dementsprechend der Steuerschuldner ist. Damit ist dann die Zurechnung der Einkünfte im Inland zu vergleichen. Kommen ausländisches und inländisches Steuerrecht zu den gleichen Ergebnissen, ist die Rechtslage unproblematisch. Kommen aber Ausland und Inland zur Zurechnung zu unterschiedlichen Personen, so muss sich die inländische Zurechnung durchsetzen. Dies betrifft insbesondere Fälle der Organschaft, Treuhand, Nießbrauch und Investmentfonds.5 Beispiel: Der unbeschränkt steuerpflichtige A erzielt über einen Treuhänder Einkünfte aus dem Ausland. Dort werden die Einkünfte dem Treuhänder zugerechnet, der somit Steuerpflichtiger nach dem ausländischen Steuerrecht ist. In Deutschland werden die Einkünfte dem Treugeber A zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).

2.282 Derartige Probleme entstehen insbesondere bei der Beteiligung von Steuerinländern an auslän-

dischen Gesellschaften, die aus deutscher und ausländischer Sicht unterschiedlich als Personengesellschaften bzw. als Kapitalgesellschaften angesehen werden.6 Die steuerliche Einordnung ausländischer Rechtsgebilde als Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie auch der Rechtsbeziehungen zwischen ihnen und ihren Gesellschaften erfolgt nach dem Typenvergleich (Rz. 2.55 und Rz. 2.58) unbeschadet der Frage, ob das ausländische Rechtsgebilde als rechtsfähige Person anzusehen ist oder nicht und das deutsche Zivilrecht diese ausländische Qualifikation in Anwendung der Grundsätze des internationalen Privatrechts nachvollzieht. Wenn § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Tätigkeit einer Mitunternehmerschaft den Mitunternehmern zurechnet, so dass sie selbst anteilig eine ausländische Betriebsstätte unterhalten, dann muss folgerichtig die von der Mitunternehmerschaft geschuldete Steuer den Mitunternehmern zur Anrechnung anteilig zugerechnet werden. 1 Aus deutscher Sicht wären 3.800 Euro auf 10.000 Euro (Einkünfte) zugrunde zu legen und auf die 4.600 Euro anzurechnen. 2 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 12. 3 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 19 ff.; Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 2; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 129. 4 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. 5 Im Einzelnen vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 132; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 35 f. 6 Siehe Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 2; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 26 ff.; Kuhn in H/H/ R, § 34c EStG Anm. 61; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 130.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.286 Kap. 2

Ausländische Steuern, die ein einer deutschen Personengesellschaften vergleichbares Rechtsgebilde unmittelbar zahlt, sowie eine darüber hinaus noch evtl. erhobene Quellensteuer auf Dividenden werden als eine direkt vom deutschen Gesellschafter erhobene Steuer behandelt.1 Dies unabhängig davon, wie das Ausland die Mitunternehmerschaft qualifiziert. Selbst wenn die Mitunternehmerschaft im Ausland als eigenständiges Rechtsubjekt behandelt wird, es folglich eigentlich an der Subjektidentität fehlt, da die ausländische Steuer von einem anderen Rechtssubjekt erhoben wird, kann die ausländische Steuer im Inland von den Mitunternehmern angerechnet werden. Aus deutscher Sicht ist eben die Mitunternehmerschaft besteuert worden. Wird die ausländische Gesellschaft hingegen – nach deutschen Kriterien – als Kapitalgesellschaft eingeordnet, so fehlt die für § 34c EStG erforderliche Identität des Steuerpflichtigen auch dann, wenn er selbst nach ausländischem Recht als Steuerpflichtiger behandelt wird und ihm die Einkünfte unmittelbar zugerechnet werden. Aus deutscher Sicht ist dies dann als Ausschüttung des Gewinns an den Gesellschafter zu werten, sodass er „Dividenden“ belastet mit ausländischer Steuer bezogen hat.2

2.283

Besondere Aspekte sind zu beachten, wenn es sich um eine missbräuchliche Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft handelt. Dann werden (fiktiv) gem. § 42 AO die Einkünfte dem inländischen Steuerpflichtigen zugerechnet, so dass dieser inländische Einkünfte erzielt.3 Voraussetzung für die Anrechnung ist jedoch das Vorliegen ausländischer Einkünfte. Dies kann dann nur ein Fall des Abzugs der ausländischen Steuer in der Variante sein, dass ausländische Einkünfte nicht vorliegen (Rz. 2.332).

2.284

6. Sachlicher Anwendungsbereich, Vergleichbarkeit der Steuer Gemäß § 34c EStG muss die ausländische Steuer, die auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden soll, der deutschen Einkommensteuer entsprechen.4 Nicht entsprechende ausländische Steuern können nur bei der Ermittlung der Einkünfte (bis zum Veranlagungszeitraum 1991: Gesamtbetrag der Einkünfte) abgezogen werden (§ 34c Abs. 3 EStG). Es kommt also darauf an, dass es ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d EStG5 sind und dass auf diese eine Steuer vom Einkommen erhoben wird. Ohne dass dies ausdrücklich gesagt wird, müssen diese ausländischen Einkünfte auch der inländischen Einkommensteuer im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Wenn sie im Inland nicht steuerbar sind, so kann es keinen identischen Steuergegenstand geben.6 Eine Identität des Steuergegenstandes ist gegeben, wenn im Ausland die Einkünfte wegen Überschreitens einer Freigrenze besteuert, im Inland aber wegen einer höheren Freigrenze nicht besteuert werden. Mangels inländischer Steuerschuld kommt es nicht zur Anrechnung. Zur Frage, ob dann, wenn der Steuerpflichtige weitere oder andere Einkünfte aus dem ausländischen Staat bezieht, die im Inland der Steuer unterliegen, die ausländische Steuer auf die im Inland unbesteuerten Einkünfte anrechnen kann, siehe Rz. 2.306.

2.285

Ohne Rücksicht auf die Höhe des Steuersatzes und die Art und Weise der Erhebung (Veranlagungssteuer oder Quellensteuer) wird eine ausländische Steuer dann als der deutschen Steuer ent-

2.286

1 Erlass OFD Frankfurt v. 25.8.1994, StEK EStG § 34c Nr. 175 Rz. 3.5; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 30. 2 Debatin, DB 1977, Beilage 13; Debatin, DB 1989, 1692 f.; Wassermeyer, IStR 1995, 49; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 31; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 14; a.A. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 61. 3 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; v. 2.3.2016 – I R 73/14, BStBl. II 2016, 887; vgl. eingehend Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 37 ff. 4 Ausführlich Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 88 ff. 5 Vgl. für den Fall, dass Einkünfte, die im Ausland erzielt werden, zwar im Ausland als dort erzielt behandelt werden, jedoch nicht ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d EStG sind Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 68. 6 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187, zustimmend Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 3; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 60.

Mössner | 253

Kap. 2 Rz. 2.287 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung sprechend angesehen, wenn sie direkt vom Einkommen oder von Teilen des Einkommens einschließlich der Veräußerungsgewinne erhoben wird. Es muss sich hier nicht unbedingt um eine Steuer des ausländischen Staates selbst handeln, vielmehr sind auch auf das Einkommen erhobene Steuern von Gebietskörperschaften unterhalb der staatlichen Ebene, also Gemeinde-, Kantonaloder Provinzsteuern, anrechnungsfähig, sofern sie nur das gesamte Einkommen oder Teile hiervon, auch Veräußerungsgewinne, betreffen. Unterscheidet das Ausland reguläre Einkünfte und Veräußerungsgewinne dergestalt, dass auf Letztere eine spezielle Veräußerungsgewinnsteuer – z.B. capital gains tax – erhoben wird, so ändert dies nichts daran, dass es sich um eine Einkommensteuer nach deutschen Vorstellungen handelt. Auch die weiteren Einzelheiten der ausländischen Steuer, abgesehen vom Steuergegenstand, müssen nicht der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage,1 die durch eigene Quantifizierungsmethoden, Abschreibungsregeln, Freibeträge usw. von der deutschen Bemessungsgrundlage abweichen kann bzw. im Regelfall sogar abweicht.

2.287 Ausgeschlossen von der Anrechnung sind damit Steuern, die nicht vom Einkommen erhoben werden, wie Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern, Realsteuern (z.B. eine der deutschen Gewerbesteuer vergleichbare Steuer), Vermögensteuern, sonstige Abgaben, Gebühren und Beiträge sowie wegen Verletzung der öffentlichen Pflichten erhobene Zuschläge (Säumnis- und Verspätungszuschläge, Strafzuschläge – „penalties“).

Aus eher technischen Gründen scheidet die Anrechnung nach § 34c EStG auch bei den der Abgeltungssteuer unterliegenden Einkünften aus (§ 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Für diese enthält § 32d Abs. 5 EStG eine eigene Anrechnungsnorm.2

2.288 Die bekannten, der deutschen Einkommensteuer entsprechenden ausländischen Steuern von

Nicht-DBA-Staaten sind in Anhang 12 II EStH 2011 aufgeführt. Diese Liste wird laufend, wenn auch oftmals mit erheblicher zeitlicher Verzögerung, auf den neuesten Stand gebracht. Hierbei ist es auch denkbar, dass eine ausländische Steuer, die auf Lieferungs- oder Leistungsentgelte erhoben wird, nur als teilweise der deutschen Einkommensteuer entsprechend angesehen wird (wie es z.B. bei der algerischen – seit 1984 nicht mehr geltenden – taxe forfaitaire der Fall war), sodass nur ein Teil der ausländischen Steuer zur Anrechnung kommt. 7. Regelung des § 34c EStG im Einzelnen a) Steueranrechnung

2.289 Bei der Anrechnungsmethode erfolgt die Berechnung der inländischen Einkommensteuer in einem ersten Schritt ohne Berücksichtigung der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Beispielsweise werden die von einer Betriebsstätte im Ausland erwirtschafteten Gewinne im Inland ebenso besteuert wie die Gewinne einer inländischen Betriebsstätte. Ein Interesse an der Einkünfteverlagerung ins Ausland besteht daher nicht: Bei einer niedrigeren Besteuerung im Ausland wird nur diese geringe Steuer angerechnet, die Steuerbelastung also auf das höhere Inlandsniveau heraufgeschleust (Rz. 2.262). Will man dies verhindern, so kann man etwa durch Gründung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im ausländischen Staat die Zurechnung der Einkünfte zu einem inländischen Steuerpflichtigen vermeiden (Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft).

2.290 Sodann wird in einem zweiten Schritt der Betrag der deutschen Einkommensteuer ermittelt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Wenn die Anrechnung wie ein anteiliger Verzicht auf die Besteuerung wirkt (Rz. 2.260), dann kann nicht auf mehr verzichtet werden als auf die entstandene deutsche Steuer auf diese Einkünfte (sog. ordinary-credit). Dies ist notwenige Folge, dass es keine 1 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 61; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 134 ff.; Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 3. 2 Hierzu vgl. Lambrecht in Kirchhof16, § 32d EStG Rz. 19.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.291 Kap. 2

Herabschleusung (Rz. 2.262) auf ein niedrigeres inländisches Steuerniveau gibt. Daher sieht § 34c Abs. 1 EStG einen Anrechnungshöchstbetrag vor. Dazu muss bestimmt werden, inwieweit die deutsche Steuer auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Bei einem progressiven Steuertarif lässt sich jedoch nicht sagen, welcher Einkommensteil welche Progressionsstufe verursacht. Da die Steuer nach der gesamten Bemessungsgrundlage ermittelt wird, ist es systematisch richtig, von der auf dem Gesamteinkommen beruhenden Steuer auszugehen und diese auf die ausländischen und die anderen Einkünfte aufzuteilen. Der Höchstbetrag ergibt sich durch Anwendung des durchschnittlichen Steuersatzes auf die ausländischen Einkünfte (§ 34c Abs. 2 Satz 2 EStG n.F.) An die Stelle der früheren Formel tritt nun die Berechnung wie folgt: Auf die ausländischen Einkünfte = ausländische Einkünfte × Durchschnittsteuersatz entfallende deutsche Steuer Da der Durchschnittssteuersatz aus der Anwendung des Tarifs gem. § 32a EStG auf das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG) folgt, kann man die Formel entwickeln wie folgt: Durchschnittsteuersatz = Einkommensteuer (§§ 32a, 32b. 34, 34a, 34b EStG) zu versteuerndes Einkommen oder Auf die ausländischen Einkünfte = ausländische Einkünfte × Einkommensteuer entfallende deutsche Einkommensteuer zu versteuerndes Einkommen oder Höchstbetrag der anrechenbaren = Einkommensteuer × ausländische Einkünfte ausländischen Steuer zu versteuerndes Einkommen Vergleicht man dies mit der alten Formel der Höchstbetragsrechnung, so erkennt man, dass im Nenner die Summe der Einkünfte durch das zu versteuernde Einkommen ersetzt wurde. Vereinfacht kann man dies auch so berechnen, dass man auf der Basis des Welteinkommens den durchschnittlichen Steuersatz ermittelt und diesen dann auf die ausländischen Einkünfte anwendet. Beispiel: Das zu versteuernde Welteinkommen beträgt 94.000 Euro. Hierauf entfällt nach der Grundtabelle eine Steuer von 31.240 Euro bzw. 33,23 %. Die ausländischen Einkünfte betragen 30.000 Euro. Der höchstens anrechenbare Steuerbetrag, d.h., der Teil der deutschen Steuer, der auf diese Einkünfte entfällt, beträgt 30.000 Euro × 33,23 % = 9.969 Euro.

Damit hat der deutsche Gesetzgeber die Folgerung aus der hier bereits früher vertretenen Auffassung gezogen. Folgendes Beispiel macht dies deutlich: Beispiel: A erzielt Einkünfte von 50, davon 40 im Inland, 10 im Ausland mit einer Quellensteuer von 40 % (= 4). Abzüge hat A insgesamt von 10 (Sonderausgaben etc.). Durchschnittssteuersatz sei 40 %. Die Bemessungsgrundlage beträgt somit 40 und die deutsche Steuer 16. Früherer Anrechnungshöchstbetrag: 16 × 1/ 5 = 3,2.

Dies bedeutet, dass – auch bei identischem Steuersatz im In- und Ausland – der Anrechnungshöchstbetrag anteilig um die Sonderausgaben und die weiteren persönlichen Abzüge gekürzt wird. Im Beispiel sind dies 20 v.H. der durch den Sonderausgabenabzug geminderten Steuer (= 4). Allgemein wird jedoch anerkannt,1 dass es allein Aufgabe des Ansässigkeitsstaates sei, die persönlichen Abzüge zu berücksichtigen, so ist das Verhältnis der ausländischen zu den inländischen Ein1 Anerkannt auch vom EuGH in st. Rspr., grundlegend EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, ECLI:EU:C:1995:31.

Mössner | 255

2.291

Kap. 2 Rz. 2.292 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung künften nicht 1 : 5, wie in der Formel zugrunde gelegt, sondern 1:4, so dass wie folgt zu rechnen wäre: Anrechnungshöchstbetrag: 16 × 1/4 = 4. Die frühere Formel von § 34c EStG bedeutete, dass das Anrechenbarkeitsvolumen durch die den ausländischen Einkünften pro rata entsprechenden Sonderausgaben etc. gekürzt wird. In der Rs. C-385/00 (de Groot) hat der EuGH entschieden,1 dass die Anwendung der Formel zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages, die er als „proportionality factor“ kennzeichnet, eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellt, wenn sie bewirkt, dass ein Teil der persönlichen Abzüge, die bei rein innerstaatlichen Fällen möglich sind, nicht berücksichtigt werden.2 Danach war unionsrechtlich die frühere Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht haltbar.3 Der BFH hat daraufhin4 dem EuGH die Frage im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Breker ist am 28.2.2013 ergangen.5 Im Wege geltungserhaltender Reduktion hat der BFH6 eine Lösung gefunden, die dann durch gesetzliche Neuregelung (Rz. 2.267) abgelöst wurde.7 Die Neuregelung wird aber ebenfalls als nicht unionsrechtskonform kritisiert,8 da der Grundfreibetrag nicht berücksichtigt wird. Eine wirklich zufriedenstellende Lösung bringt nur die fraktionierte Besteuerung.9

2.292 Eine über den Anrechnungshöchstbetrag hinausgehende Berücksichtigung der ausländischen Steuer ist im Gesetz nicht vorgesehen, weder als Vor- oder Rücktrag eines Überhanges10 noch als Billigkeitsmaßnahme.

Beispiel: I hat inländische und ausländische Einkünfte von je 100. Die Steuer im Ausland beträgt 35, im Inland 60. AHB = 60 × 100/200 = 30. Der Anrechnungsüberhang von 5 wird im Inland nicht berücksichtigt.

Das Niveau der verbleibenden Belastung entspricht also der jeweils höheren Steuer eines der beiden Staaten während der gleichen Periode. Beruhen die Anrechnungsüberhänge darauf, dass die ausländischen Einkünfteermittlungsvorschriften Erträge und Aufwendungen anderen Perioden zurechnen als die inländischen Vorschriften, so gleichen sich die Einkünfte zwar über mehrere Perioden aus, nicht aber die Steuern. Beispiel: U unterhält die Betriebsstätte in X. Im Jahr 01 wird nach den Vorschriften von X ein Ertrag von 100 als realisiert behandelt, der nach deutschem Recht erst im Jahr 02 als realisiert gilt. In 01 erhebt X eine Steuer, die in Deutschland mangels entsprechender Einkünfte nicht zu einer Steuer führt, auf die die ausländische Steuer angerechnet werden könnte. In 02 erhebt Deutschland die Steuer, aber nicht X.

Da es sich aber um die gleichen Einkünfte handelt, die in den beteiligten Staaten nur zu anderen Zeitpunkten der Besteuerung unterliegen, ist die im Jahr 01 angefallene Steuer eine auf die Einkünfte erhobene ausländische Steuer i.S.d. § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG. Auch § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, ECLI:EU:C:2002:750, Tz. 50 ff. EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, ECLI:EU:C:2002:750, Tz. 99 ff. Ebenso Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 110. BFH v. 9.2.2011 – I R 71/10, BStBl. II 2011, 500. EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker, ECLI:EU:C:2013:117 = ISR 2013, 134 mit Anm. Pohl; EuGH, Schlussantr. GA Mengozzi v. 12.7.2012 – Rs. C-168/11 – Beker, ECLI:EU:C:2012:452. BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BStBl. II 2015, 361 = ISR 2014, 174 mit Anm. Pohl. Zur den Übergangsproblemen vgl. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 28a f. Ismer, IStR 2014, 925; Desens, IStR 2015, 77; Heinicke in Schmidt36, § 34c EStG Rz. 13; Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 28a; a.A. Sülflow-Schworck, IStR 2015, 808. Siehe hierzu van Raad, Fractional taxation of multi-state income of EU resident individuals, Liber Amicorum Sven Olof Lodin, 2001, 211; Mössner, Source versus residence – an EU perspective, BIT 2006, 501. Hierzu eingehend Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 156 ff.

256 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.295 Kap. 2

stellt darauf ab, dass die ausländischen Steuern auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Demgemäß ist keine zeitliche Identität der Steuererhebung erforderlich und die im Ausland auf die Einkünfte in 01 erhobene Steuer ist in 02 im Inland anzurechnen.1 Schwierig wird es jedoch, wenn die zeitliche Abfolge umgekehrt ist: wenn die Betriebsstätteneinkünfte in 01 in Deutschland, in 02 im Ausland besteuert werden. Man muss dann die früher erfolgte deutsche Veranlagung ggf. im Billigkeitswege gem. § 227 AO korrigieren, da die nachfolgende ausländische Besteuerung keine Tatsache ist, die erst nachträglich bekannt wird, sondern eine, die nachträglich eintritt, sodass § 172 AO als Korrekturnorm ausscheidet. Auch § 175 AO kommt nicht in Betracht, da die ausländische Besteuerung in 02 kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung ist.2 Nach § 34c Abs. 1 EStG ist jedoch die ausländische Steuer abzurechnen, die im Ausland auf die im Inland besteuerten Einkünfte erhoben wird. Irgendeine zeitliche Restriktion enthält das Gesetz nicht. Eine weitere Eingrenzung sieht ab VZ 2003 § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG vor.3 Danach werden ausländische, im Quellenstaat unbesteuerte Einkünfte bei der Ermittlung des anzurechnenden Betrags nicht berücksichtigt (vgl. auch Rz. 2.306).

2.293

Beispiel:4 A hat folgende Einkünfte aus der Schweiz: 120.000 Vermietung, 50.000 Dividenden, 10.000 Zinsen. Auf die Zinsen wurde keine schweizerische Steuer erhoben. Im Übrigen betrug die schweizerische Steuer 70.000. Die Summe der gesamten Einkünfte ist 2 Mio. und es entsteht eine deutsche Steuer von 1,1 Mio. Nach der alten Formel bestimmte sich der Anrechnungshöchstbetrag wie folgt: AHB = 1.100.000 × 180.000/2.000.000 = 99.000 In der neuen Formel werden die in der Schweiz unbesteuerten Zinsen nicht berücksichtigt. AHB = 1.100.000 × 170.000/2.000.000 = 93.500

Bei einer Mehrzahl von Steuerpflichtigen, z.B. bei Personengesellschaften, erfolgt die Berechnung für jeden Gesellschafter einzeln.5 Bei Einkünften aus mehreren ausländischen Staaten erfolgt die Berechnung des Höchstbetrages gesondert für jeden einzelnen ausländischen Staat und dessen Steuer, jedoch unter Zusammenfassung der Einkünfte, die sich aus den einzelnen im ausländischen Staat bestehenden Einkunftsquellen ergeben („per-country-limitation“),6 § 34c Abs. 7 Nr. 1 EStG i.V.m. § 68a Satz 2 EStDV. Damit werden ausländische Steuern, die über dem Tarif der deutschen Einkommensteuer liegen, auch nicht durch Einkünfte aus einem Niedrigsteuerland, z.B. aus einer Steueroase, gemindert. Andererseits führen aber auch Verluste aus einem ausländischen Staat nicht zu einer Minderung der Anrechnung der Steuern auf positive Einkünfte aus einem anderen ausländischen Staat, wie es bei der z.B. in den USA möglichen „overall-limitation“ der Fall ist.

2.294

Die deutsche Einkommensteuer ist die sich nach den §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b EStG ergebende Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen inkl. der ausländischen Einkünfte. Es sind

2.295

1 Ebenso Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 138; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 98 ff.; vgl. Rz. 2.307. 2 Anders, wenn eine ursprüngliche Steuerfestsetzung im Ausland nachträglich geändert wird, ebenso Heinicke in Schmidt36, § 34 EStG Rz. 31. 3 Vgl. hierzu Müller-Dott, DB 2003, 1468 ff.; Grotherr, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1935 ff.; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 132 ff.; Heinicke in Schmidt36, § 34c EStG Rz. 16: Schließung einer Besteuerungslücke. 4 Nach BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 5 Siehe u.a. BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88 – BStBl. II 1992, 187: Bei Personengesellschaften ist über die Ermäßigung nach § 34c Abs. 1 EStG auch dann im Festsetzungsverfahren zu entscheiden, wenn die ausländischen Einkünfte im Gewinnfeststellungsbescheid der Gesellschaft festzustellen sind. Eine Bindung an den Feststellungsbescheid besteht nur hinsichtlich des Entstehungsgrundes, der Höhe und der zeitlichen Zuordnung dieser Einkünfte. 6 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 171 ff.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 176 ff. mit Berechnungsbeispielen.

Mössner | 257

Kap. 2 Rz. 2.296 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung also vor Anrechnung der Progressionsvorbehalt sowie die Steuerermäßigungen nach § 34 und § 34b EStG zu berücksichtigen,1 da die Steuer auf der Basis der Bemessungsgrundlage ermittelt wird.

2.296 Weitere Tarifvergünstigungen sind vor der Anrechnung nach § 34c EStG nicht zu berücksichti-

gen.2 Die Vorschrift des § 32c EStG bewirkte als Steuerermäßigung eine Minderung des Anrechnungsvolumens. Sie hat verschiedene Funktionen erfüllt und war gem. § 52 Abs. 44 EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden.3

2.297 Ergibt sich infolge inländischer Verluste bzw. Verlustabzüge oder -vorträge keine deutsche Ein-

kommensteuer, so geht eine Anrechnungsmöglichkeit ins Leere. Ein Vor- oder Rücktrag der ausländischen Steuer auf andere Veranlagungszeiträume ist auch hier (vgl. Rz. 2.292) nicht vorgesehen. Da die inländischen Verluste das Welteinkommen im betreffenden Veranlagungszeitraum mindern, wird eine zu hohe Steuer erhoben, deren Ursache in der territorialen Besteuerung des Quellenstaates liegt. Ein Quellenstaat ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Besteuerung eines beschränkt Steuerpflichtigen ausländische Verluste zu berücksichtigen. Dies hat der EuGH in der Rs. Futura Participations4 bestätigt.

Beispiel: (1)

(2)

(3)

01

02

02 mit Verlustvortrag

02 mit Vortrag des Anrechnungsübertrags

Ausländische Einkünfte

100





0

Ausländische Steuer

30





30

– 100

100

0

100



30





Gesamteinkünfte

0

100

100

100

Steuer

30

30





60

30

30

Inländische Einkünfte Inländische Steuer

Gesamtsteuer

Die verschiedenen Fälle belegen, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Jahre 01 und 02 ein uneingeschränkter Verlustvortrag im Ansässigkeitsstaat zu einer – wenn auch zeitversetzten – zutreffenden Besteuerung ebenso führt wie der Vortrag des Anrechnungsüberhangs ohne Verlustvortrag. Daher hat der EuGH in der Rechtssache AMID5 die Versagung des Verlustvortrags im Hinblick auf die positiven ausländischen Einkünfte in 01 nicht zugelassen. Es gibt folglich zwei Möglichkeiten zur Vermeidung der Beschränkung der Grundfreiheiten des AEUV/EGV. Nach deutschem Steuerrecht scheidet jedoch ein Verlustvortrag aus (siehe Fall 1), so dass eine Unionsrechtswidrigkeit besteht.6 Als Ausweichlösung wäre nur der Abzug der ausländischen Steuer möglich (siehe auch Rz. 2.255), der aber nicht die Nachteile voll ausgleicht, sondern sie nur in Höhe des Steuersatzes mindert.

2.298 Es muss sich bei den Auslandseinkünften um Einkünfte aus einer der sieben Einkunftskategorien

des § 2 EStG handeln. Nicht hierunter fallende Einkünfte, d.h. nach deutscher Sichtweise nicht 1 BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 143 ff.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 166. 2 BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78. 3 Von Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 184 nicht berücksichtigt. 4 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura, ECLI:EU:C:1997:239. 5 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696. 6 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 161 ff.

258 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.300 Kap. 2

steuerbare oder steuerfreie Einkünfte, berechtigen nicht zur Anrechnung ausländischer Steuern und können infolgedessen auch nicht indirekt, durch Hereinnahme in den Zähler des oben bezeichneten Bruchs, zu einer Erhöhung des Anrechnungshöchstbetrages führen, da auf diese keine deutsche Steuer erhoben wird.1 Vgl. aber auch Rz. 2.310. Beispiel: I erhält bei Ausscheiden aus seinem Arbeitsverhältnis von seinem ausländischen Arbeitgeber eine Abfindung, die im Ausland besteuert wird. Im Inland ist die Abfindung steuerfrei (§ 3 Nr. 9 EStG).

Im Übrigen erfolgen die Definition, Ermittlung und Abgrenzung der ausländischen Einkünfte voll und ganz nach deutschem Steuerrecht: Welche Einkunftsarten als ausländische Einkünfte anzusehen sind, bestimmt § 34d EStG (siehe hierzu auch Rz. 2.357 ff.). Die Berechnung der ausländischen Einkünfte erfolgt nach deutschen Vorschriften, d.h. §§ 4 ff., §§ 8 ff. EStG. Den ausländischen Einnahmen sind die durch sie veranlassten Aufwendungen zuzuordnen. Aus dem Rechtsgedanken des § 3c Abs. 1 EStG ist abzuleiten, dass ein unmittelbarer Veranlassungszusammenhang zwischen den ausländischen Einnahmen und den zugehörigen Ausgaben bestehen muss. Dies zieht notwendig Probleme nach sich, wenn im Ausland die Steuer vom Bruttobetrag, im Inland hingegen vom Nettobetrag erhoben wird. Der Anrechnungshöchstbetrag (Rz. 2.290) wird dadurch gemindert.2

2.299

Das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG)3 hat mit § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG eine weitere Beschränkung (Rz. 2.369) eingeführt, die als Reaktion auf das BFH-Urt. v. 29.3.20004 zu verstehen ist. In diesem Urteil hatte der BFH entschieden, dass Refinanzierungskosten ausländischen Kapitaleinkünften nur dann zugeordnet werden können, wenn sie „in einem direkten wirtschaftlichen Zusammenhang zu der Einnahmeerzielung stehen.“ Dies setzt voraus, dass eine „konkret-objektbezogene“ Refinanzierung nachgewiesen wird. Eine allgemeine, etwa anteilige Umlage von derartigen Kosten auf ausländische Einkünfte wurde abgelehnt. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen nunmehr alle, auch nur mittelbar mit den ausländischen Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte berücksichtigt werden. Obgleich im Gesetzgebungsverfahren auf die Folgen und die mangelnde Klarheit des Gesetzes hingewiesen wurde, hat das Parlament dies so beschlossen. In Stellungnahmen5 wurde versucht, einengende Kriterien aufzustellen. Da die Quellensteuern meistens auf Bruttobasis erhoben werden, führt eine Zuordnung allgemeiner Kosten zu den ausländischen Einkünften dazu, dass in der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages ein niedriger Nettobetrag der ausländischen Einkünfte im Rahmen der Höchstbetragsformel angesetzt wird und so die ausländische Steuer teilweise nicht angerechnet wird. Damit werden die sehr restriktiven deutschen Regelungen mit ordinary credit und per-country-limitation ohne Vortrag eines Anrechnungsüberhanges noch weiter zulasten des Steuerpflichtigen eingeschränkt6 und die Fälle effektiver Doppelbesteuerung vermehrt.7 Während der BFH lediglich zu ausländischen Kapitaleinkünften entschieden hatte, dehnt § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. dies auf weitere Einkunftsarten8 (selbständige Tätigkeit, Veräußerungsgewinne, Vermietung und Verpachtung, sonstige Leistungen) aus, soweit diese Einkünfte zum Gewinn eines inländischen Betriebes gehören. Durch den Verzicht auf das Merkmal der Unmittelbarkeit9 werden nunmehr auch allgemeine, nicht speziell zuordenbare Kosten anrechnungs-

2.300

1 Zu nach ausländischem Recht steuerfreien Einkünften siehe Rz. 2.293, 2.306. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 142 will in diesem Fall als ausländische Einkünfte in der Formel den Bruttobetrag ansetzen. 3 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 4 BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; st. Rspr. BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657. 5 Z.B. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 15: zweckgerichteter Bezug; ebenso C. Kraft in K/K/B2, § 34c EStG Rz. 38. 6 Heinicke in Schmidt36, § 34c EStG Rz. 16: Anrechnungskürzung. 7 Krit. auch Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469 f.). 8 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 93; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 122 ff. 9 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 129.

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Kap. 2 Rz. 2.301 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung mindernd angesetzt.1 Wo jedoch genau die Grenzlinie zwischen den den ausländischen Einkünften zuzuordnenden und den nicht zuzuordnenden Aufwendungen verläuft, müssen nun die Gerichte klären. Das FG Münster2 hat den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs denkbar weit ausgedehnt. Dem ist der BFH3 nicht ganz gefolgt. Für ihn wird der wirtschaftliche Zusammenhang durch das Veranlassungsprinzip4 ausgefüllt. Dieses ist nicht mit einer Kausalität gleichzusetzen. Es ist daher nicht zu fragen, ob die inländischen Aufwendungen entfallen würden, wenn es die ausländischen Einkünfte nicht gäbe, ob also eine Kausalität zwischen Aufwendungen und Einkünften besteht, sondern, ob die ausländischen Einkünfte bei „wertender Betrachtung“ einen Bezug zu den Aufwendungen haben. Der Unterschied der Betrachtungsweisen lässt sich bei Gemeinkosten erkennen. Diese entstehen in der Regel unabhängig auch in der Höhe davon, ob ausländische Einkünfte erzielt werden oder nicht. Aber irgendwie haben auch die ausländischen Einkünfte einen Bezug zu den Gemeinkosten, z.B. zu den Gebäudekosten für das Unternehmen im Inland. Dieses „Irgendwie“ ist aber nicht mit „mittelbar“ gleichzusetzen. Konkreter kann die Auslegung des Gesetzes erst durch Fälle werden. In der BFH-Entscheidung ging es um einen Versicherungsverein a.G., der über einen Investmentfonds ausländische Kapitalerträge erzielte. Das Finanzamt berücksichtigte als mit den ausländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Aufwendungen rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen, die der Verein bei Zuführungen zu Rückstellungen berücksichtigt hatte, sowie einen Teil der für die Verwaltung von Kapitalanlagen aufgewandten Kosten. Der BFH sah einen wirtschaftlichen Zusammenhang nur bei den Verwaltungskosten als gegeben an.5 Bei wertender Betrachtung des „auslösenden Moments“ sei hinsichtlich der Rückstellungen der Zusammenhang mit dem inländischen Versicherungsgeschäft vorrangig. Die Verwaltungskosten seien aufzuteilen, da auslösendes Moment von Verwaltungskosten für Kapitalanlagen sowohl die inländischen wie auch die ausländischen Kapitalanlagen seien. Anders als das FG verzichtet der BFH somit nicht darauf, die Aufwendungen im Einzelnen in ihren Bezügen zu analysieren. Wie konkret der Bezug sein muss, lässt sich allgemein dem Urteil nicht entnehmen.

2.301 Ausländische Verluste verdienen im System der Anrechnung besondere Aufmerksamkeit. Im

„Normalfall“, wenn die Einkünfteermittlung nach deutschem und ausländischem Steuerrecht, insbesondere bei Betriebsstätten, zu einem Verlust führt, ergibt sich Folgendes: Im Ausland wird keine Steuer erhoben, die im Inland angerechnet werden könnte; der Auslandsverlust verringert zugleich die inländische Bemessungsgrundlage; je nachdem, ob im Ausland ein Verlustvortrag erfolgt oder nicht, erfolgt in späteren Gewinnjahren ein Ausgleich.6 Weichen allerdings in- und ausländische Ermittlung – z.B. ein Land errechnet einen Gewinn, das andere einen Verlust – voneinander ab, so ergeben sich Probleme. Das Ausland wird bei einem Gewinn nach seinem Steuerrecht Steuer erheben, die in Deutschland nicht angerechnet wird, wenn das deutsche Steuerrecht von einem Verlust ausgeht. Selbst wenn dieser Unterschied auf Zuordnungsdifferenzen zu einzelnen Besteuerungsperioden beruht, findet in späteren Jahren kein Ausgleich statt, wenn z.B. aufgrund unterschiedlicher Abschreibungsregelungen später im Ausland ein Verlust und im Inland ein Gewinn entsteht. Auch im umgekehrten Fall – Verlust im Ausland und Gewinn im Inland – findet kein späterer Ausgleich statt. Noch schwieriger wird es, wenn das Ausland trotz des Ver1 Zweifelnd hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Unionsrecht Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 28; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 131. 2 FG Münster v. 17.9.2014 – 10 K 1310/12, EFG 2015, 303. 3 BFH v. 6.4.2016 – I R 61/14, BStBl. II 2017, 48 = ISR 2016, 326 mit Anm. Lüdicke = IStR 2016, 666 mit Anm. Wacker. 4 Hierzu s. grundlegend BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672; v. 4.7.1990 – GrS 2/88, BStBl. II 1990, 817. 5 Hierauf stellt vor allem J. Lüdicke, ISR 2016, 326 ab. 6 Im Verlustentstehungsjahr wird die inländische Steuer gemindert; im nachfolgenden Gewinnjahr wird im Ausland bei einem Verlustvortrag die ausländische, im Inland anzurechnende Steuer entsprechend gemindert, sodass die inländische Steuer auf den Gewinn gleichsam nacherhoben wird. Fehlt es an einem Verlustvortrag im Ausland, so wird im Gewinnjahr uneingeschränkt Steuer erhoben und die Verlustragung im Inland wird endgültig.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.304 Kap. 2

lustes einer Betriebsstätte Quellensteuern erhebt, z.B. als sog. „branch tax“.1 Diese Steuern sollen die Steuer einer Betriebsstätte an diejenige der Kapitalgesellschaften angleichen. Auch inwieweit ausländische Verluste ausgleichs- oder vortragsfähig sind, richtet sich nach deutschem Steuerrecht. Sind Verluste nicht abziehbar (§§ 2a,2 15a EStG etc.), so erhöhen sie den Zähler des o.a. Bruchs im Jahre der ausländischen Einkünfte, wodurch sich der Höchstbetrag der anrechnungsfähigen ausländischen Steuer ebenfalls erhöht:3

2.302

Anrechnungs- = deutsche Steuer × ausländ. Einkünfte + ausländ. Verluste gem. § 2a und § 15a EStG zu versteuerndes Einkommen höchstbetrag Nachdem das JStG 2009 § 2a EStG „europäisiert“4 hat, schließt diese Norm nur noch gewisse Verluste aus „Drittstaaten“, d.h. nicht EU-Mitgliedsstaaten und EWR-Staaten mit Amtshilfeabkommen (§ 2a Abs. 2a EStG), aus. Damit ist die Bedeutung der Norm erheblich eingeschränkt worden.5 Hinsichtlich dieser Verluste besteht eine auf die entsprechenden ausländischen Einkünfte eingeschränkte Vortragsmöglichkeit.6 In den folgenden Jahren vermindert sich dadurch der Höchstbetrag der Anrechnung durch Verminderung des Zählers um den nur auf ausländische Einkünfte vortragsfähigen Verlust:7

2.303

Anrechnungs- = deutsche Steuer × ausländische Einkünfte ./. ausländische Verlustvorträge höchstbetrag zu versteuerndes Einkommen Selbst entsprechende spätere ausländische Gewinne vorausgesetzt führen diese Begrenzungen nicht immer zu einer periodenversetzten Verlustberücksichtigung: Im Verlustentstehungsjahr könnte eine Anrechnung erfolgen, es wird aber keine ausländische Steuer erhoben.8 In den Folgejahren ist zu unterscheiden: 1. Gewährt das ausländische Recht keinen Vortrag des Verlustes, so werden die ausländischen Steuern wegen des verminderten Anrechnungsbetrages im Inland nicht berücksichtigt. 2. Bei einem Verlustvortrag mindert sich auch die ausländische Steuer. Eine Doppelbelastung tritt folglich nur bei entsprechender ausländischer Regelung ein. Ein generelles, aber kaum zu lösendes Problem der Anrechnungsmethode besteht darin, dass die ausländische Steuer auf die nach Vorstellungen des deutschen Steuerrechts ermittelten Einkünfte erhoben sein muss. Entspricht das ausländische Steuerrecht nicht der deutschen Umschreibung des Steuerbaren oder folgt es einer anderen Kategorisierung, so kann die Anrechnung ebenso scheitern wie bei unterschiedlichen Einkünfteermittlungsarten. Beispiele: 1. Im Ausland werden Veräußerungsgewinne privaten Vermögens immer besteuert (capital gains taxation). Die ausländische Steuer ist nicht anrechenbar, wenn gem. § 23 EStG die Haltefristen überschritten sind. Es gibt dann keine deutsche Steuer auf diese Einkünfte. 1 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 17, Tischbirek in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 261; diese werden aber regelmäßig nur von Gewinnen erhoben; vgl. ebenda Rz. 270. 2 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 37; Wagner in Blümich, § 2a EStG Rz. 39; Probst in H/H/R, § 2a EStG Anm. 36. 3 Bis Veranlagungszeitraum 1991: Gesamtbetrag der Einkünfte, danach Summe der Einkünfte bis Neuregelung. 4 Gosch in Kirchhof16, § 2a EStG Rz. 3. 5 Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 2010, 62 ff. 6 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 79 ff. 7 Vgl. hierzu Beckermann/Jarosch, FR 1984, 108. 8 Unter der Annahme, dass inländisches und ausländisches Steuerrecht zur gleichen Verlusthöhe gelangen.

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2.304

Kap. 2 Rz. 2.305 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung 2. Das ausländische Recht nimmt die Abgrenzungen der Einkünfte anders vor als § 2 Abs. 1 EStG. So kennt es nur eine Einkunftsart selbständiger Einkünfte anstelle von Land- und Forstwirtschaft, Gewerbe und selbständiger Tätigkeit oder die Kriterien der Abgrenzungen sind andere als im deutschen Recht – nach ausländischem Recht nichtselbständig, nach deutschem Recht selbständig. Gleichwohl ist die ausländische Steuer anrechenbar, da die ausländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden.1 Die unterschiedliche Kategorisierung ist unerheblich; entscheidend kommt es darauf an, dass die ausländische Steuer auf die im Inland steuerbaren Einkünfte erhoben wird. 3. Im Ausland werden die Einkünfte besteuert, im Inland sind sie steuerbefreit. Die Steuer ist nicht anrechenbar. 4. Der ausländische Staat erhebt eine Steuer, weil er nach seinem Recht von positiven Einkünften ausgeht, nach deutschem Recht ergibt sich ein Verlust. Hier scheitert mangels deutscher Steuer die Anrechnung. Gibt es aber weitere Einkünfte aus diesem Land, die nach deutschem Recht positiv sind, so sind die Steuern anrechenbar, da es auf die Summe der Einkünfte ankommt: A erzielt in X Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 100 und solche aus Vermietung von 50. Die ausländische Steuer beträgt insgesamt 50. Nach deutschem Steuerrecht (z.B. wegen anderer AfA-Regeln) betragen die gewerblichen Einkünfte 200, die aus der Vermietung 20. Deutsche Steuer entfällt hierauf i.H.v. 80. Die ausländische Steuer ist voll anrechenbar.2 Anders ist es, wenn die ausländischen Einkünfte im Ausland steuerbefreit sind (Rz. 2.306).

2.305 Der vom BFH3 vorgenommenen Herabsetzung der ausländischen Steuer im Verhältnis der beiden Bemessungsgrundlagen ist das BMF am 18.2.19924 zu Recht5 nicht gefolgt. Das Prinzip lautet demnach: – Ausländische und inländische Steuer müssen von demselben Steuerobjekt erhoben werden. – Steuerobjekt ist das Einkommen i.S.d. Summe der Einkünfte des § 2 Abs. 2, 3 EStG.

2.306 Letzteres hat der Gesetzgeber im StVergAbG6 teilweise durchbrochen (vgl. Rz. 2.293). Nunmehr ver-

langt das Gesetz (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG), dass die Anrechnung gleichsam einkunftsartbezogen – „per-item-limitation“ – durchgeführt wird. Einkünfte, die nach inländischem Recht besteuert werden, jedoch in dem Staat, aus dem sie stammen, d.h. im Ausland steuerfrei sind, werden bei der Anrechnung nicht berücksichtigt. Begründet wird dies damit, dass insoweit keine Doppelbesteuerung gegeben sei.7 Damit wollte die Verwaltung das Urt. des BFH v. 20.12.19958 aus der Welt schaffen.9 Doch enorme praktische Probleme sind die Folge. In einem ersten Schritt ist nunmehr festzustellen, was nach deutschem Recht die ausländischen Einkünfte sind und ob sie – nach deutschem Recht – steuerbar sind. Sodann muss erstens ermittelt werden, aus welchem Staat die Einkünfte stammen,10 und zweitens, ob diese Einkünfte in diesem Staat nicht besteuert werden.11 Für eine derartige Feststellung ist eine genaue Kenntnis des ausländischen Steuerrechts erforderlich, da die deutsche Kategorisierung der Einkunftsarten nicht der ausländischen entsprechen muss.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 91 m.w.N. Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, 108. BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187 ff.; anders v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. BMF v. 18.2.1992 – IV C 6 - S 2293 - 17/91, BStBl. I 1992, 123. Wassermeyer, FR 1991, 680; Kaufmann, IStR 1994, 419. StVergAbG v. 16.5.2003, BStBl. I 2003, 660. BR-Drucks. 866/02, 61. BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; ebenso FG BW v. 23.2.1994 – 5 K 410/89, EFG 1994, 793. Krit. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 26; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 132 ff.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 193 ff. Hierzu vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 145 ff. Offen ist, ob es auf die tatsächliche Besteuerung oder die Steuerbarkeit ankommt, vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 195. Zu den Problemen der „Atomisierung“ der Einkünfte und der Notwendigkeit der Kenntnis ausländischen Rechts vgl. Lüdicke in FS Mössner, S. 290 ff.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.307 Kap. 2 Beispiel:1 Nach deutschem Recht erzielt A gewerbliche Einkünfte von 100 und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 50 aus X. Nach dem Recht X hat A nur gewerbliche Einkünfte von 120. Es muss nun ermittelt werden, ob X die VuV-Einkünfte im Rahmen der gewerblichen Einkünfte miterfasst oder ob sie nicht steuerbar sind.

Vor allem bei Personengesellschaften lassen sich vielfältige Zuordnungs- und Klassifikationsprobleme erwarten. Problematisch ist auch, dass nicht eine wirkliche „per-item-limitation“ vorgenommen wird, sondern nur nicht besteuerte Einkünfte ausgeschieden werden. Somit kommt es bei der geringsten Besteuerung nicht zur Begrenzung. Dies kann zu unverhältnismäßigen Folgen im Einzelfall führen, vor allem dann, wenn die Steuerfreiheit im Ausland auf einem DBA beruht, da gem. § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG auch hierauf die Begrenzung anzuwenden ist. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG ordnet diese Formel auch dann an, wenn ein DBA die Anrechnung statt der Freistellung vorsieht. Dies dürfte ein Fall von treaty overriding (Rz. 2.454) sein.2 Schließlich ist problematisch, dass die Kürzung nur im Zähler, aber nicht auch im Nenner3 erfolgt. Die Neuregelung überzeugt wenig. In einem synthetischen Einkommensteuersystem setzt sich das – besteuerte – Einkommen aus mehreren Elementen zusammen. Dabei sehen die Staaten oft Sonderregelungen für einzelne Einkunftsarten vor sowie unterschiedliche Ermittlungsmethoden, Freibeträge, Rückstellungen, Steuervergünstigungen usw. Sind etwa Zinseinkünfte in der Schweiz nicht besteuert worden, weil sie unterhalb einer Freigrenze liegen, so werden sie nicht berücksichtigt. Werden sie jedoch besteuert, weil sie die Freigrenze auch nur minimal übersteigen, so werden sie insgesamt berücksichtigt. Dies alles muss mit der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags in Einklang gebracht werden.4 Weitere Voraussetzung der Anrechnung ist, dass die ausländische Steuer „auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt“ (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG), wobei § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG eingrenzt, dass die ausländische Steuer „auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen“ muss. Auf welchen Zeitraum die Steuer im Ausland entfällt und wann sie erhoben wird, ist demnach gleichgültig.5 Die ausländische Steuer muss demnach den in einem bestimmten Veranlagungszeitraum im Inland veranlagten ausländischen Einkünften so zuzurechnen sein, dass sie für die Einkünfte dieses VZ gezahlt werden.6 Nicht erforderlich ist, dass die ausländische Steuer auch in diesem Veranlagungszeitraum festgesetzt und gezahlt wurde, ebenso muss sie nicht für denselben Veranlagungszeitraum festgesetzt sein. Letzteres wäre z.B. in dem Fall, dass der ausländische Veranlagungszeitraum von dem deutschen – der dem Kj. entspricht – abweicht (wie z.B. in England, dessen Steuerjahr vom 6.4. bis zum 5.4. läuft) oder bei einer praenumerando-Besteuerung wie in der Schweiz7 auch praktisch nicht möglich. Da es nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung, sondern auf die Zuordnung zum VZ ankommt, sind auch später erfolgende Zahlungen zu berücksichtigen, z.B. bei Zahlungen für mehrjährige Tätigkeiten. Dies hat entscheidende Bedeutung bei Stock-Options- und ähnlichen Plänen, wenn der Zufluss im Ausland und im Inland zu unterschiedlichen Zeitpunkten angenommen wird.8 Beispiel: A ist im Rahmen eines internationalen Unternehmens beschäftigt und nimmt an dessen StockOption-Plan teil. Während seiner Tätigkeit in der Zweigniederlassung im Staat X erhält er 2009 Aktien1 Weitere siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 138. 2 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 3 Wie von der Regierung vorgeschlagen, vom Finanzausschuss aber in Verkennung der Situation abgelehnt, BT-Drucks. 15/481. 4 Siehe hierzu die vielen Berechnungsbeispiele bei C. Kraft in K/K/B2, § 34c EStG Rz. 40. 5 H.M., vgl. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 20. 6 Ebenso Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 210; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 98 ff. 7 Vgl. BMF zum DBA Deutschland-Schweiz v. 26.3.1975 – IV C 6 - S 1301 – Schweiz, BStBl. I 1975, 479; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Anm. 163; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 139 ff.; BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; v. 13.9.2000 – I B 126/99, juris. 8 Mössner, Cahiers de droit fiscal international, Vol. LXXXVb, 66.

Mössner | 263

2.307

Kap. 2 Rz. 2.308 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung optionen, die in X als bei Einräumung der Option zugeflossen gelten und dementsprechend 2009 besteuert werden. 2011 übt er die Option aus, als er wieder im deutschen Stammhaus tätig ist. Die 2009 in X gezahlte Steuer wird in Deutschland 2011 angerechnet.

2.308 Angerechnet wird nur eine Steuer, die festgesetzt und gezahlt ist. Dies muss im Zeitpunkt der

Veranlagung im Inland der Fall sein,1 da die Anrechnung dann erfolgt. Diese so einfach klingende Voraussetzung bringt in der Praxis jedoch erhebliche Probleme mit sich. Grundlegend stellt sich dabei das Zeitproblem, weil die Festsetzung und Zahlung im Ausland vor der inländischen Veranlagung erfolgen muss. Der Steuerpflichtige muss demnach vorrangig die Festsetzung im Ausland betreiben, zumindest aber warten, bis diese erfolgt, ehe er die Steuererklärung im Inland abgibt. Das deutsche Veranlagungsverfahren ist an den Abschluss des ausländischen Festsetzungsverfahrens gekoppelt. Außerdem wird auf die Festsetzung im Ausland abgestellt. Dass nicht eine Steuerfestsetzung deutschen Vorstellungen entsprechend verlangt werden kann, bedarf keiner Begründung.2 Es kommt auf das übliche Verfahren im Ausland an. Bei Ländern, die keine förmliche Festsetzung seitens der Steuerbehörden kennen, etwa wegen der Anwendung eines Selbstveranlagungsverfahrens, muss dies als „Festsetzung“ genügen. Beim Quellenabzugsverfahren3 soll die Anmeldung wegen Anwendung des Rechtsgedankens von § 168 AO ausreichen.4 Kennt das ausländische Recht keine Anmeldung, so muss die Abführung ausreichen. Die kann der deutsche Steuerpflichtige aber nur schwer nachweisen, weil er zwar den Steuerabzug bei der Zahlung an ihn feststellt, aber nicht weiß, ob der Zahlungsverpflichtete die einbehaltene Steuer auch tatsächlich abgeführt hat. Weitere Voraussetzung ist die Zahlung der Steuer im Ausland. Eine Stundung oder ein Erlass der Steuern steht daher einer Anrechnung entgegen.5 Entscheidend ist, dass die Steuerschuld zum Erlöschen gekommen ist. Daher muss die Zahlung nicht durch den Steuerpflichtigen selbst erfolgen. Der Abzug an der Quelle im Ausland oder eine Nettolohnvereinbarung mit Zahlung durch den ausländischen Arbeitgeber führt daher zu einer gezahlten Steuer. Festsetzung und Zahlung sind durch Vorlage geeigneter Unterlagen auf Verlangen des FA in deutscher Übersetzung nachzuweisen (§ 68b EStDV). Dies wird dem Steuerpflichtigen nicht immer möglich sein.6 Bei Zahlung in fremder Währung ist der Kurs am Zahlungstag zugrunde zu legen.7 Daraus ergeben sich dann ungerechtfertigte Abweichungen, wenn der Kurs der Währung zum Zahlungszeitpunkt im Ausland mit dem zum Zurechnungszeitpunkt im Inland nicht übereinstimmt. Nachträgliche Änderungen der Festsetzung oder Zahlung führen gem. § 175 AO zur Änderung in Deutschland.8

2.309 Durch das JStG 20079 wurde eingeführt, dass die ausländische Steuer um einen Ermäßigungs-

anspruch zu kürzen ist.10 Dadurch soll dem entgegengewirkt werden, dass der Steuerpflichtige ihm im Ausland zustehende Erstattungsansprüche nicht wahrnimmt, weil über die Anrechnung es für ihn gleichgültig ist, ob er die Steuer im Ausland oder im Inland bezahlt. Zugunsten des deutschen Fiskus muss er sich somit im Ausland „ins Zeug“ legen. Es kommt nach der Neufassung des Gesetzeswortlauts nicht darauf an, ob er erfolgreich den Ermäßigungsanspruch geltend gemacht hat, sondern darauf, ob ein solcher11 besteht. Es kann bezweifelt werden, ob diese Norm in der jetzigen Fassung praktikabel ist. Ihre Anwendung setzt genaue Kenntnis des ausländischen Steuerrechts und der Fakten voraus. Hat z.B. der Steuerpflichtige Betriebsausgaben im Ausland 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11

Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 165. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 73. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 157. BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 75. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 165: Grenze des Machbaren und Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Zu den Einzelheiten vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 77. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 156. Zur Entstehung vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 161. Vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 78 ff. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 164.

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D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.311 Kap. 2

nicht geltend gemacht, weil er sie – fälschlicherweise – für nicht abziehbar hielt, so müsste die deutsche Finanzverwaltung dies berücksichtigen. Doch wie erfährt sie davon? Wie beurteilt sie, ob sie doch abziehbar waren? Was gilt, wenn der Steuerpflichtige im Ausland zwar den Rechtsweg beschritten hat, letztlich aber einem Vergleich zustimmt? Nur teilweise der deutschen Steuer unterliegende ausländische Einkünfte1 – z.B. aufgrund von Steuerermäßigungen – gehen in die Höchstbetragsrechnung nur mit den entsprechenden Anteilen ein,2 ohne dass jedoch eine entsprechende Kürzung der ausländischen Steuer stattfände (Rz. 2.306). Dies kann dazu führen, dass die Steuerermäßigung ins Leere geht. In diesem Zusammenhang ist auch der Fall zu sehen, dass die Einkünfte im Ausland besteuert werden, aber im Inland steuerfrei sind. Dies ist praktisch die Umkehrung der per-item-Situation (Rz. 2.306). Aus der Voraussetzung des identischen Steuergegenstandes (Rz. 2.285) wird gefolgert, dass insofern keine Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgen kann. Man muss hier differenzieren. Handelt es sich um die einzigen Einkünfte, die der inländische Steuerpflichtige in diesem Staat erzielt, so gibt es nach deutschen Vorstellungen keine Einkünfte, die aus diesem Staat stammen (Rz. 2.298), und dementsprechend keine deutsche Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt. Streitig3 ist hingegen, wie der Anrechnungshöchstbetrag zu berechnen ist, wenn der inländische Steuerpflichtige mehrere Einkünfte aus dem Staat bezieht, von denen ein Teil im Inland steuerfrei ist.

2.310

Beispiel: Inländer A bezieht aus dem Staat X folgende Einkünfte: Mieteinnahmen 100, eine Abfindung gem. § 3 Nr. 9 EStG von 30. Der Steuersatz auf beide Einkünfte im Ausland beträgt 30 (Steuer 39). Insgesamt unter Berücksichtigung weiterer Einkünfte von 1000 wird in Deutschland eine Steuer von 300 erhoben. Wie hoch ist der Anrechnungshöchstbetrag? 1. Alternative: AHB = 300 × 130/1100 = 35,45 2. Alternative: AHB = 300 × 100/1100 = 27,27

Prokisch leitet aus dem Wortlaut („dieser ausländischen Einkünfte“) aus § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG (im Ausland unbesteuerte Einkünfte) und dem Telos ab, dass gem. Alt. 1 zu verfahren sei. Dem kann nicht zugestimmt werden, da in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG „diese ausländischen Einkünfte“ identisch sind mit den ausländischen Einkünften, die im zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Daher ist Alt. 2 zutreffend. Erhebt der ausländische Staat Steuern auf Einkünfte, die nach deutschem Steuerrecht nicht aus diesem Staat stammen, sondern als inländische Einkünfte oder als Einkünfte aus Drittstaaten gelten, so ist nur der Teil der von dem ausländischen Staat erhobenen Steuer anrechenbar, der auf aus diesem Staat stammenden Einkünften erhoben wird. Schließlich sind noch die Fälle zu betrachten, in denen infolge Doppelwohnsitzes4 oder wegen der Besteuerung nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip, eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Hier besteht evtl. die Möglichkeit einer doppelten Anrechnung: Deutschland rechnet die ausländische Steuer an, sodass die deutsche Steuer sinkt; das Ausland rechnet die deutsche Steuer an, sodass die ausländische ebenfalls sinkt. Beispiel: A hat Einkünfte von 100 aus X. X erhebt 40 an Steuern, ebenso Deutschland. Rechnet D 40 an, schuldet A keine deutsche Steuer, rechnet X 40 deutsche Steuer an, verbleibt keine ausländische Steuer.

Dazu kommt es aber nur, wenn die beiden Staaten jeweils die Einkünfte als aus dem anderen Staat stammend ansehen. Behandelt X die Einkünfte als aus X stammend, so wird nicht die deutsche 1 2 3 4

Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 141. BFH v. 28.10.1987 – I R 85/84, BStBl. II 1988, 78. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 142. Siehe auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 5 ff.

Mössner | 265

2.311

Kap. 2 Rz. 2.312 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Steuer in X angerechnet. Ist dies nicht der Fall, so setzt sich die Besteuerung in dem Staat durch, der zuerst besteuert.

2.312 Die Anrechnung der ausländischen Steuer geschieht von Amts wegen ohne besonderen Antrag

des Steuerpflichtigen1 – dieser ist dagegen erforderlich bei dem wahlweise zugelassenen Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG. Selbstverständlich ist durch Vorlage geeigneter Urkunden, wie Steuerbescheiden oder Quittungen, der Nachweis über die Zahlung der ausländischen Steuer zu führen (§ 68b Satz 1 EStDV). Nach § 68b Satz 2 EStDV kann die Finanzverwaltung die beglaubigte Übersetzung fremdsprachlicher Urkunden verlangen.

2.313 Gestattet ein DBA2 aus entwicklungspolitischen Gesichtspunkten die volle Anrechnung von Steu-

ern, die tatsächlich gemindert wurden, d.h. eine fiktive Anrechnung (matching tax credit), so ist der Zahlungsnachweis natürlich nicht möglich und infolgedessen auch nicht notwendig.

2.314 Die Umrechnung der Fremdwährung erfolgt gem. R 34c Abs. 1 EStR 2008 nach dem im (elektronischen) Bundesanzeiger veröffentlichten, amtl. festgesetzten Devisenkurs des Tages der Zahlung der ausländischen Steuer (vgl. Rz. 2.308).3

2.315 Früher4 enthielt § 68c EStDV eine Regelung für die Fälle, in denen nach Ergehen des deutschen Steuerbescheides für einen Veranlagungszeitraum erstmals eine ausländische Steuer festgesetzt wird, sowie für den Fall nachträglicher Erstattung oder Erhöhung. Es war dann eine Berichtigungsveranlagung durchzuführen, wenn sich die deutsche Steuer ermäßigte oder erhöhte. Grundlage der Änderung des deutschen Steuerbescheides ist dann § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Unklar ist, ob auch nach Ablauf der deutschen Festsetzungsfrist eine Änderung erfolgen kann. Die Bestandskraft hindert keine Berichtigung. Erfolgt eine Berichtigung und ist der Steuerpflichtige der Ansicht, dass diese fehlerhaft erfolgt, so ist nach § 351 AO der Einspruch und das etwaige Gerichtsverfahren auf die Änderung beschränkt.

2.316 Wünschenswert wäre es, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber ein klares Verfahren vorsehen

würde. Wie in anderen Fragen auch zeigt sich die Komplexität der Anrechnungsmethode, der die gesetzliche Regelung nur unzureichend gerecht wird.

2.317 Kommt es im Ausland zu einer Erstattung der ausländischen Steuer, die im Inland angerechnet

wurde, so hat der Steuerpflichtige gem. § 153 AO dem FA eine entsprechende Mitteilung zu machen. Ob die praktischen Probleme durch die Gesetzesänderung (Rz. 2.309) gelöst sind, erscheint nicht sicher. Gemäß § 34c Abs. 7 Nr. 2 EStG i.V.m. § 68b EStDV hat der Steuerpflichtige Nachweise über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer zu erbringen.5 Ohne diese erfolgt keine Anrechnung. Doch damit sind die Probleme nachträglicher Änderungen nicht gelöst. Durch spätere Änderungen sowohl im Ausland als auch im Inland (vgl. Rz. 2.315 ff.) kann sich der Anrechnungshöchstbetrag erhöhen oder mindern. Erfolgt bspw. nach einer entsprechenden Prüfung seitens der Finanzverwaltung die Festsetzung einer höheren Steuer, die in Deutschland anrechenbar wäre, so fragt sich, ob die Vorlage entsprechender Nachweise über Festsetzung und Zahlung die nachträgliche Vorlage einer Bescheinigung i.S.v. § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ist, sodass eine nachträgliche Änderung nicht erfolgen könnte. Prokisch6 sieht darin die Vorlage eines Beweismittels gem. § 173 AO. Da es dabei aber nicht um ein nachträglich bekannt werdendes Beweismittel, sondern um ein nachträglich entstandenes handelt, ist § 173 AO nicht anwendbar.7 1 2 3 4 5 6 7

Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 174. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 190 ff. Im Detail siehe Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 77. Aufgehoben durch JStG 1996, da nur deklaratorischer Natur, BT-Drucks. 13/901, 142. Im Detail vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 84 ff. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 86. Loose in T/K, § 175 AO Rz. 26.

266 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.320 Kap. 2

b) Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage Das EStG sieht zwei Möglichkeiten des Abzugs der ausländischen Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte vor.

2.318

Beispiel: I erzielt ausländische Einkünfte von 100, die mit 50 im Ausland besteuert sind. Im Inland erzielt I einen Verlust von 100. Die ausländische Steuer kann nicht angerechnet werden, da das Gesamteinkommen 0 beträgt und keine inländische Steuer entsteht. Es besteht auch keine Möglichkeit des Übertrags des Anrechnungsüberhangs. Beim Abzug werden die ausländischen Einkünfte mit nur 50 berücksichtigt, sodass das Gesamteinkommen zu einem Verlust von 50 wird, der rück- oder vorgetragen werden kann.

Der Abzug kommt in Betracht: – auf Antrag anstelle der Anrechnung (§§ 34c Abs. 2 EStG); – von Amts wegen, wenn Voraussetzungen der Anrechnung nicht vorliegen. Der Abzug erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte. Von VZ 1980–1991 wurde der Abzug bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte (§ 2 Abs. 4 EStG) vorgenommen. Überschritten die abzuziehenden ausländischen Steuern den Gesamtbetrag, so konnten sie über den Verlustrücktrag und -vortrag nach § 10d EStG geltend gemacht werden. Dies hat sich nicht geändert. Seit 19921 ist auf die Ermittlung der Einkünfte abzustellen. Es heißt nicht: Summe der Einkünfte. Damit ist die ausländische Steuer bei der einzelnen Einkunftsart abzuziehen.2 Ob dies wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei der Ermittlung der Einnahmen oder bei der Bildung des Betrages der Einkunftsart erfolgt, ist nicht festgelegt, macht aber keinen Unterschied.

2.319

Beispiel: I bezieht aus dem Staat X aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft 100 und aus einer eigenen gewerblichen Betriebsstätte 100. In beiden Fällen wird im Ausland eine Steuer von 40 (= 80 insgesamt) erhoben. Im Inland erwirtschaftet sein Betrieb einen Verlust von 200. Seine gewerblichen Einkünfte betragen insgesamt 0. I beantragt den Abzug nach § 34c Abs. 2 EStG. Ob nun bei der Ermittlung der Einkünfte zweimal 60 oder einmal 120 berücksichtigt werden, ist gleichgültig. In beiden Fällen erzielt I einen gewerblichen Verlust von 80.

Da sich der Betrag der gewerblichen Einkünfte – nicht erst die Summe der Einkünfte – vermindert, wirkt sich dies nicht nur im Einkommensteuerrecht bei der Bildung der Bemessungsgrundlage aus, sondern auch über § 7 Abs. 1 GewStG auf die Gewerbesteuer, sofern die ausländischen Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen. Bei ausländischen Betriebsstätteneinkünften bleibt der Abzug unberücksichtigt (§ 9 Nr. 3 GewStG). Das JStG 20073 lässt den Abzug nur zu, soweit die deutsche Steuer auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind. Damit wird sichergestellt, dass der Abzug nur bei gem. § 34c Abs. 1 EStG anrechenbaren Steuern gewährt wird. Auch wenn der „soweit“-Satz nicht ausdrücklich sagt, ob es sich um steuerfreie Einkünfte im Ausland (Rz. 2.306) oder Inland (Rz. 2.310) handelt, kann es sich nicht um die in § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG erwähnten, im Ausland steuerfreien Einkünfte handeln. Sind die ausländischen Einkünfte im Ausland steuerfrei, so gibt es weder eine anrechenbare noch abziehbare ausländische Steuer auf diese Einkünfte. Verstünde man den „soweit“-Satz auf diese Einkünfte bezogen, so handelte es sich in der Tat um einen „weißen Schimmel“.4 Sind die Einkünfte im Ausland hingegen versteuert worden und im Inland steuerfrei, dann verhindert der „soweit“-Satz die Anrechnung der darauf gezahlten ausländischen Steuer. Dies ergibt sich allerdings auch schon aus der Formulierung, dass der Abzug „statt der Anrechnung“ erfolgen kann. 1 2 3 4

BGBl. I 1992, 297. Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 110; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 259. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. So Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 262.

Mössner | 267

2.320

Kap. 2 Rz. 2.321 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.321 Das Wahlrecht des Abzugs ausländischer anrechenbarer Steuern kann gem. R 34c Abs. 4 EStR

2008 für die Einkünfte aus jedem einzelnen ausländischen Staat nur einheitlich ausgeübt werden, d.h., alle anrechenbaren Steuern aus einem bestimmten ausländischen Staat werden entweder angerechnet oder abgezogen. Für eine derartige Einschränkung bietet der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil ist auf die einzelnen Einkünfte Bezug genommen. Ein Fall, in dem für die einen Einkünfte die Anrechnung und für andere Einkünfte aus dem gleichen Staat der Abzug in Betracht käme, ist kaum vorstellbar.1

2.322 Sind Einkünfte aus verschiedenen ausländischen Staaten vorhanden, kann das Wahlrecht da-

gegen für jeden einzelnen Staat ausgeübt werden. Hierbei ist die Auswirkung des Steuerabzugs auf den Anrechnungshöchstbetrag zu beachten sowie auf eventuelle Steuervergünstigungen (z.B. §§ 16, 34 EStG), die von der durch den Abzug beeinflussten tariflichen Einkommensteuer abhängen. In der Regel ist die Steueranrechnung günstiger.

2.323 Der Steuerabzug empfiehlt sich, wenn infolge Fehlens eines deutschen zu versteuernden Einkom-

mens keine deutsche Einkommensteuer anfällt, sodass eine Anrechnung ins Leere ginge: Hier führt der Steuerabzug immerhin zu einem vor- oder rücktragsfähigen Verlust. Dies sind insbesondere die Fälle, in denen den positiven ausländischen Einkünften andere negative in- oder ausländische Einkünfte, soweit diese im Inland zu berücksichtigen sind, gegenüberstehen. Auch dann, wenn die ausländische Steuer infolge eines höheren Steuersatzes oder wegen Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage die deutsche Steuer erheblich übersteigt, kann der Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG vorteilhafter als die Anrechnung sein.2

2.324 Der Antrag auf Anrechnung kann bis zur Bestandskraft des Steuerbescheides gestellt werden, spä-

testens also bis zur mündlichen Verhandlung eines etwaigen finanzgerichtlichen Verfahrens. Bei Personengesellschaften muss das Antragsrecht nicht einheitlich durch alle Gesellschafter ausgeübt werden.3

2.325 Nach § 34c Abs. 3 EStG können auch nicht anrechenbare ausländische Steuern, d.h. solche, die

nicht die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, bei der Ermittlung der Einkünfte (vgl. Rz. 2.319) der Einkünfte abgezogen werden. Dies stellt eine wichtige Ergänzung der Anrechnungsmethode dar, um im Wege einer Auffangnorm4 einige Mängel der Anrechnungsmethode auszugleichen. Nicht mehr abgezogen werden können ab dem Veranlagungszeitraum 1996 lediglich fiktive ausländische Steuern, d.h. solche, die nach dem Abkommen als gezahlt gelten.5

2.326 § 34c Abs. 3 EStG sieht die folgenden Fälle des Abzugs nicht anrechenbarer ausländischer Steuern vor:

– Die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Einkommensteuer (Rz. 2.285). – Die ausländische Steuer wurde in einem anderen Staat erhoben als in dem, aus dem die Einkünfte nach deutscher Beurteilung stammen. – Es liegen keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG vor. Die übrigen Voraussetzungen der Anrechnung – wie Steuerpflicht, Subjektidentität, der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte, Identität des Steuergegenstandes – müssen vorliegen. § 34c 1 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 9. 2 Ebenso jetzt auch Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 257; Berechnungsbeispiele bei Michels, DB 1981, 22; Scheffler, RIW 1985, 641; Scheffler in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 97; Richter, BB 1999, 613; Kussmaul/Beckmann, StuB 2000, 1188; diese sind aber an die inzwischen erfolgten Änderungen des § 34c EStG anzupassen; vgl. allg. auch Roser, EStB 2007, 227. 3 Einzelheiten Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 1985, 111 ff. 4 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 11. 5 Änderung durch das Steuerbereinigungsgesetz und Mißbrauchsbekämpfungsgesetz v. 21.12.1993, BGBl. I 1993, 2310.

268 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.330 Kap. 2

Abs. 3 EStG nennt abschließend1 diejenigen Voraussetzungen, die nicht gegeben sein brauchen. Daher ist eine Erweiterung nicht möglich. So können etwa Steuern, die der Vertragsstaat entgegen den Bestimmungen eines DBA erhebt (abkommenswidrige Besteuerung), nicht im Inland abgezogen werden.2 Auch der Abzug nach § 34c Abs. 3 EStG setzt wie derjenige nach § 34c Abs. 2 EStG (Rz. 2.318) entsprechend der Anrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG voraus, dass die ausländische Steuer auf steuerpflichtige Einkünfte i.S.d. deutschen Steuerrechts entfällt,3 d.h., auch der Steuerabzug ist ausgeschlossen, wenn die ausländischen Einkünfte nicht steuerbar sind (nicht in eine der sieben Einkunftskategorien des EStG fallen) oder aufgrund einer Spezialvorschrift von der deutschen Steuer befreit sind. Dies ist mit dem JStG 2007 nun ausdrücklich in § 34c Abs. 2 letzter Halbs. EStG aufgenommen worden. Hintergrund4 dieser Gesetzesergänzung war, dass beim Bezug ausländischer Dividendeneinkünfte durch natürliche Personen, die gem. § 3 Nr. 40 EStG dem Halb(bzw. Teil-)Einkünfteverfahren unterliegen, der Abzug ausländischer Steuer in voller Höhe möglich war. Seit VZ 2008 ist nur noch der Abzug in Höhe des steuerbaren Anteils (zurzeit 60 v.H.) möglich.

2.327

Voraussetzung des Abzugs ist weiterhin dass die ausländische Steuer wie nach § 34c Abs. 1 EStG bei der Anrechnung festgesetzt und gezahlt sein muss, sowie keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegt (Rz. 2.309 f.).5 Insbesondere kürzt auch hier das Bestehen eines Ermäßigungsanspruchs den Abzugsbetrag.

2.328

Nicht entsprechende Steuern: Seitdem auch ausländische Provinz-, Kanton- oder Gemeindesteuern als der deutschen Einkommensteuer entsprechend angesehen werden können (seit VZ 1978) und damit bereits nach Abs. 1 und 2 anrechnungsfähig bzw. abziehbar sind, bleibt für die Anwendung dieser Alternative praktisch kein Raum mehr.6 Handelt es sich nicht um eine Personensteuer, so fallen sie nicht unter § 12 Nr. 3 EStG und sind als Betriebsausgaben abziehbar.7 Die Regelung ist kryptisch. Sie kann nur eine Steuer treffen, die einerseits nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht und andererseits eine Steuer vom Einkommen oder eine sonstige Personensteuer ist. Es ist schon logisch unmöglich, dass etwas eine Eigenschaft hat und zugleich nicht hat. Man kann in dieser überflüssigen Formel wiederum das Bestreben des Gesetzgebers erblicken, kein irgendwie denkbares Schlupfloch zu lassen.

2.329

Steuern aus Drittländern: In der Begründung zu § 34c Abs. 3 EStG findet sich das Beispiel, dass der Steuerpflichtige eine Betriebstätte in einem anderen Staat hat, die aus einem Drittstaat Einkünfte bezieht und dort besteuert wird, z.B. aufgrund von Liefergewinnen.8 Die Drittstaatsteuer kann in diesem Falle nur nach Abs. 3 abgezogen werden, da die Einkünfte in Anwendung der deutschen Abgrenzungskriterien aus dem Staat stammen, in dem die Betriebstätte belegen ist. Dessen Steuer ist nach Abs. 1 anzurechnen, bzw. nach Abs. 2 abzuziehen,9 und zwar, falls der Betriebsstättenstaat die Anrechnung oder den Abzug der Drittstaatsteuer gestattet, nur in dem nach dieser Milderung verbleibenden Umfang. Ein typischer Anwendungsfall ist folgende Konstellation:

2.330

1 Nach Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 12 verfassungsrechtlich problematisch. 2 BFH v. 2.3.2010 – I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820. 3 Ebenso Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 115; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 87; Kritik bei Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 12. 4 BT-Drucks. 16/2712, 54. 5 Der von Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 320; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 115. 6 Ebenso Wied in Blümich, § 34c EStG Rz. 78; Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 32; Lüdicke in F/W/ B/S, § 34c EStG Anm. 307; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 15; die Kommentare überbieten sich darin, einen etwaigen Anwendungsfall zu konstruieren. 7 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 15. 8 Vgl. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 33. 9 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 118; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 79.

Mössner | 269

Kap. 2 Rz. 2.331 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Beispiel: Inländer I ist an einer Personengesellschaft in Spanien beteiligt. Diese ist an einer Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat, mit dem Spanien ein DBA abgeschlossen hat (entspricht dem OECD-MA), mehrheitlich beteiligt. Da Spanien die Personengesellschaft intransparent besteuert, ist sie nach dem DBA abkommensberechtigt. Auf Dividenden der Kapitalgesellschaft erhebt Spanien keine Steuern, der Drittstaat jedoch. Nach deutschen Vorstellungen sind die Dividenden Einkünfte des I aus einer Betriebsstätte in Spanien.

2.331 Weitere Fälle der Drittstaatsteuer können durch doppelte unbeschränkte Steuerpflicht entstehen,1

sei es, dass der zweite Wohnsitzstaat Steuern auf Einkünfte aus Drittstaaten erhebt, sei es, dass er infolge der unbeschränkten Steuerpflicht auch inländische Einkünfte des Steuerpflichtigen besteuert. In letzterem Falle wäre aber zumindest eine etwa in dem zweiten Wohnsitzstaat bestehende Möglichkeit der Anrechnung inländischer Steuer auszuschöpfen (Rz. 2.311).

2.332 Nichtausländische Einkünfte: Seit dem Veranlagungszeitraum 1980 ist der Abzug bei der Ermitt-

lung des Gesamtbetrages der Einkünfte auch dann möglich, wenn keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG vorliegen. Der wichtigste Anwendungsfall ist die Besteuerung von Liefergewinnen bei ausländischen Bau- und Montagestellen: In Ermangelung einer ausländischen Betriebsstätte, der die Einkünfte in Anwendung der allgemeinen Prinzipien zugerechnet werden könnten, liegen hier inländische Einkünfte vor.2 Keine ausländischen Einkünfte liegen auch dann vor, wenn diese dem inländischen Steuerpflichtigen wegen einer missbräuchlichen Gestaltung durch Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft unmittelbar zugerechnet werden. Die im Ausland von dieser Gesellschaft erhobene Steuer muss folgerichtig vom Inländer abgezogen werden können. Der BFH3 hat jedoch einen Abzug nicht zugelassen mit dem wenig überzeugenden Argument, es läge keine Subjektidentität vor (Rz. 2.284).4 c) Pauschalierung und Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte

2.333 § 34c Abs. 5 EStG gestattet es den oberen Finanzbehörden der Länder mit Zustimmung des Bun-

desministers für Finanzen, die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Steuer ganz oder teilweise zu erlassen oder in einem Pauschalbetrag festzusetzen, wenn es – aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder – die Anwendung der Anrechnungsvorschriften besonders schwierig ist. Diese Maßnahmen können als Einzelfallregelungen oder generell vorgesehen werden.

2.334 In Anwendung des § 34c Abs. 5 EStG sind zwei Erlasse ergangen, und zwar – der Pauschalierungserlass5 und – der Auslandstätigkeitserlass,6 der ab 1984 den bis dahin geltenden Montageerlass abgelöst hat. Letzterer gilt für die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auf bestimmten Sektoren. Bei ihnen handelt es sich um Billigkeitsmaßnahmen, die nicht abschließend sind. Auch wenn die Voraussetzungen der Erlasse nicht erfüllt sind, können die Finanzbehörden im Einzelfall Steuern erlassen 1 So auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 17. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. D 18; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 314 ff. mit weiteren Beispielen. 3 BFH v. 2.3.2016 – I R 73/14, BStBl. II 2016, 887 = ISR 2016, 352 mit Anm. Pohl. 4 Kritisch auch Wassermeyer, IStR 2016, 825. 5 BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252, hierzu Krabbe, RIW 1985, 51; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 16 ff.; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 514 ff.; siehe auch BMF v. 24.11.2003 – IV B 4 - S 2293 - 46/03, BStBl. I 2003, 747 für die Geltung für die Körperschaftsteuer (siehe auch Rz. 2.380). 6 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470, hierzu Reinhart, BB 1983, 2246; Sprenger, INF 1998, 583 (612); Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 22 ff.

270 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.340 Kap. 2

oder herabsetzen, wenn eine Unbilligkeit vorliegt. Es handelt sich um eine Auffangbestimmung für Sonderfälle. Die Vorschrift des § 34c Abs. 5 EStG ist verfassungsgemäß.1 Anders ist es mit der Unionsrechtskonformität. Für den Auslandstätigkeitserlass (Rz. 2.345) hat der EuGH2 wegen der im Erlass vorgesehenen Inlandskriterien einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit bejaht. Die Finanzverwaltung hat den Erlass noch nicht an die Anforderungen des Unionsrechts angepasst. Meines Erachtens ist er damit unanwendbar geworden. Nach dem Pauschalierungserlass werden die folgenden vier Gruppen ausländischer Einkünfte mit einem Pauschalsteuersatz von 25 v.H. besteuert:

2.335

– Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte, – Einkünfte aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, – Einkünfte aus einer ausländischen freiberuflichen Betriebsstätte, soweit die dort ausgeübte Tätigkeit in der technischen Beratung, Planung und Überwachung von Anlageeinrichtungen besteht, – Einkünfte einer Muttergesellschaft aus der Beteiligung an einer ausländischen Tochtergesellschaft. Sinn des Erlasses ist es, die deutschen Unternehmen vor allem in bestimmten Entwicklungsländern gewährten steuerlichen Vergünstigungen bei Investitionen nicht durch die volle Heraufschleusung der Steuerbelastung auf das deutsche Niveau wieder zunichte zu machen. Dieser Effekt tritt bei der Anwendung der Anrechnungsmethode ein.

2.336

Die Anwendung des Erlasses führt i.d.R. dennoch nicht zu dem gleich günstigen Ergebnis wie ein DBA, das Freistellung (unter Progressionsvorbehalt, der aber oft – infolge des bereits anwendbaren deutschen Höchstgrenzsteuersatzes – keine erhebliche Auswirkung hat) oder aber Anrechnung, im Falle mancher Entwicklungsländer sogar eine über die tatsächlich von dem ausländischen Staat erhobene Steuer hinausgehende Anrechnung, vorsieht: Hiermit bleibt ein Anreiz für den Abschluss von – die Gegenseitigkeit gewährleistenden – DBA mit den betreffenden Ländern erhalten.

2.337

Der Pauschalierungserlass ist ausschließlich auf unbeschränkt Steuerpflichtige anwendbar; bei der letzten der o.a. Einkunftsgruppen – Schachteldividenden – war (vgl. Rz. 2.383) darüber hinaus der Anwendungsbereich auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (i.S.d. § 1 KStG) beschränkt. Bei Personengesellschaften ist gegebenenfalls der Erlass auf den einzelnen Gesellschafter anwendbar; eine einheitliche Anwendung auf alle Gesellschafter einer Personengesellschaft ist nicht notwendig.

2.338

Bei Bestehen eines DBA ist der Erlass nicht anwendbar. Dies entspricht der ausschließlichen Funktion des Erlasses als Lückenbüßer im Falle des Fehlens eines DBA. Zwingend3 ist dies nicht und von § 34c Abs. 5 EStG nicht gefordert. Ist nach dem DBA die Anrechnungsmethode anzuwenden, so kommt es zu einer vergleichbaren Situation. Die vom Erlass betroffenen Einkünfte werden üblicherweise in einem DBA von der deutschen Steuer freigestellt, gegebenenfalls unter Progressionsvorbehalt. Der Erlassgeber ging daher davon aus, dass in einem DBA die steuerlichen Beziehungen mit dem anderen Staat bereits abschließend so geregelt sind, dass die Doppelbesteuerung durch Freistellung gelöst wird.

2.339

Die Anwendung des Pauschalierungserlasses auf bestimmte Einkünfte schließt die Steueranrechnung bzw. den Steuerabzug (§ 34c Abs. 1–3 EStG) bei anderen Einkünften nicht aus, wobei im

2.340

1 BFH v. 8.12.2010 – I B 98/10, BFH/NV 2011, 596; Zum Ganzen siehe auch Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 35; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 472 ff.; C. Kraft in K/K/B2, §34c EStG Rz. 64 ff. (67). 2 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-544/11 – Petersen und Petersen, ECLI:EU:C:2013:124 = BStBl. II 2013, 847 = ISR 2013, 136 mit Anm. Pohl; vgl. Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 36. 3 Vgl. auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 17.

Mössner | 271

Kap. 2 Rz. 2.341 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Übrigen die pauschalbesteuerten Einkünfte bei den weiteren Berechnungen (Anrechnung, Abzug) außer Ansatz bleiben, was ja auch Sinn einer Pauschalierung ist. Die pauschal besteuerten Einkünfte vermindern also sowohl den Zähler als auch den Nenner des zur Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages anwendbaren Bruchs.

2.341 Im Einzelnen begünstigt der Erlass: – Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte. Da hier kein DBA den Betriebsstättenbegriff modifiziert, gilt die Definition des § 12 AO. Die Anwendung ist auf die Betriebsstätte, d.h. den organisatorisch getrennten ausländischen Teilbetrieb eines inländischen Unternehmens, beschränkt; nicht begünstigt ist dagegen der komplette ausländische Betrieb eines inländischen Steuerpflichtigen. – Einkünfte aus der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft, die zu einem inländischen gewerblichen Betriebsvermögen gehört. Beteiligungen im Privatvermögen und Beteiligungen, die im Rahmen selbständiger Tätigkeit gehalten werden, sind dagegen nicht von der Pauschalierungsregel begünstigt. Auch die ausländische Personengesellschaft muss eine der in § 2a Abs. 2 EStG aufgeführten Tätigkeiten ausüben. – Einkünfte aus einer inländischen Betriebsstätte im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, die in der technischen Beratung, Planung und Überwachung bei Anlageerrichtung besteht. Diese Begriffe sind im Erlass im Einzelnen geregelt.

2.342 Der Antrag auf Pauschalierung kann nur einheitlich für alle (pauschalierungsfähigen) Einkünfte aus einem bestimmten ausländischen Staat gestellt werden.1

2.343 Wie beim Anrechnungs- und Abzugsverfahren erfolgt die Ermittlung der ausländischen Ein-

künfte unter Anwendung deutschen Steuerrechts. Positive und negative Einkünfte aus demselben Staat sind zunächst auszugleichen. Ein verbleibender Negativbetrag ist weder vor- noch rücktragsfähig.

2.344 Der Pauschalsteuersatz beträgt einheitlich 25 v.H. der pauschalierten Einkünfte. Die Wahl zwi-

schen Pauschalierung und Anrechnung der ausländischen Steuer (§ 34c Abs. 1 EStG) hängt also davon ab, ob die ausländische Steuer höher oder niedriger als die Differenz zwischen dem deutschen Spitzensteuersatz und 25 v.H. ist. Die Pauschalierung regelt weiter endgültig die Besteuerung der betreffenden Einkünfte, sodass weder der Progressionsvorbehalt zur Anwendung kommt, noch ein Ansatz bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages erfolgt. Zur Pauschalierung der Körperschaftsteuer vgl. Rz. 2.380.

2.345 Der Erlass der deutschen Einkommensteuer auf ausländische Einkünfte ist generell-abstrakt nur im

Auslandstätigkeitserlass v. 31.10.1983 geregelt, der die bisher geltenden Montageerlasse der Länder abgelöst hat.2 Er ermöglicht es, bei Arbeitnehmern eines im Inland ansässigen Arbeitgebers3 den auf die Auslandstätigkeit entfallenden Lohn von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Sein Zweck ist vor allem volkswirtschaftlich motiviert und soll den Einsatz qualifizierter Arbeitskräfte im Ausland ermöglichen, um die deutsche Exportwirtschaft zu fördern. Dies betrifft insbesondere den Anlagenbau, der seine Arbeitnehmer ins Ausland „auf Montage“ schickt. Er hat auch vereinfachende Wirkung, da er die im Einzelfall oft schwierige Prüfung, ob der Arbeitnehmer einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet ist, entbehrlich macht. Wegen der Unionsrechtswidrigkeit vgl. Rz. 2.334. 1 Einzelheiten Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 21. 2 Ausführliche Kommentierung in F/W/B/S, Anh. zu § 34c Abs. 5 EStG (entnommen); vgl. auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 22 ff. 3 Zur Zwischenschaltung eines ausländischen Arbeitgebers und zur Europarechtswidrigkeit der Beschränkung auf inländische Arbeitgeber vgl. Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 24. Vgl. zur Unionsrechtswidrigkeit dieser Beschränkung Rz. 2.334.

272 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.352 Kap. 2

Das Verfahren beginnt mit dem Antrag auf eine Freistellungsbescheinigung beim Betriebsstättenfinanzamt, der vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gestellt werden kann. Vom Antrag wird das BZSt informiert, das ggf. einen Informationsaustausch mit dem ausländischen Staat unternimmt. Der Arbeitgeber lässt dann i.d.R. die Auslandseinkünfte beim Lohnsteuerabzugsverfahren steuerfrei, was auf dem Lohnkonto und den Bescheinigungen des Arbeitgebers ausgewiesen wird. Unabhängig1 davon kann der Arbeitnehmer bei seiner Veranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) die Steuerfreiheit beantragen.

2.346

Der Auslandstätigkeitserlass gilt, wie der Pauschalierungserlass, nur bei Fehlen eines DBA2 mit dem betreffenden Staat, das die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit regelt, und ist im Übrigen auf bestimmte (nichtselbständige) Tätigkeiten beschränkt. Dies sind Tätigkeiten für einen inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer oder Inhaber ausländischer Mineralaufsuchungs- oder -gewinnungsrechte im Zusammenhang mit

2.347

– der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau, der Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter; außerdem ist das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt, – dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, – der Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf Vorhaben i.S.d. Nr. 1 oder 2 oder – der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit. Nicht begünstigt sind die Tätigkeiten des Bordpersonals auf Seeschiffen und die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern, für deren Arbeitgeber die Arbeitnehmerüberlassung Unternehmenszweck ist, sowie die finanzielle Beratung mit Ausnahme der Nr. 4. Nicht begünstigt ist ferner das Einholen von Aufträgen (Akquisition), ausgenommen die Beteiligung an Ausschreibungen.

2.348

Der Erlass gilt nicht nur für unbeschränkt, sondern auch für beschränkt Steuerpflichtige, die für einen inländischen Arbeitgeber im o.a. Rahmen tätig werden.

2.349

Zeitliche Voraussetzung des Steuererlasses (Freistellung unter Progressionsvorbehalt bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die eine der o.a. Tätigkeiten ausüben) ist die Ausübung der Tätigkeit während mindestens dreier ununterbrochener Monate im Nicht-DBA-Land. Eine Begründung für diese Mindestfrist könnte darin liegen, dass man sich an das Tätigkeitsortprinzip des Art. 15 OECD-MA angelehnt hat, ohne dessen Unterscheidung von kurzfristigen und länger dauernden Tätigkeiten zu übernehmen.

2.350

Urlaubs- oder krankheitsbedingte Unterbrechungen des Aufenthalts sind unschädlich, allerdings bei der Berechnung der Drei-Monats-Frist nicht mitzurechnen. Weiter ist eine kürzere vorübergehende Rückkehr ins Inland oder ein kürzerer unterbrechender Aufenthalt in einem DBA-Land, die der weiteren Durchführung oder der Vorbereitung der begünstigten Auslandstätigkeit dienen, ebenfalls unschädlich, wenn die Unterbrechung insgesamt zehn Tage nicht überschreitet. Nach einer längeren als insgesamt zehntägigen Unterbrechung beginnt eine neue Frist.3

2.351

Die Drei-Monats-Frist beginnt mit dem Antritt der Reise ins Ausland und endet mit der endgültigen Rückkehr ins Inland. Die Frist kann sich auf zwei Kalenderjahre, z.B. Dezember 01 bis März 02, verteilen.

2.352

1 FG Köln v. 22.3.2001 – 7 K 1709/99, EFG 2001, 974. 2 Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 28 mit Hinweisen auf den Fall eines rückwirkend in Kraft tretenden DBA. 3 Schieber, DStR 1984, 59; siehe auch Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. E 27.

Mössner | 273

Kap. 2 Rz. 2.353 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.353 Der Umfang der freigestellten Tätigkeitsvergütungen ist im Erlass erschöpfend geregelt. Hierunter fallen sowohl der laufende Arbeitslohn als auch Sonder- und Einmalzuwendungen jeglicher Art (Zulagen, Prämien, Zuschüsse, Weihnachtsgelder, Erfolgsprämien, Tantiemen, Urlaubsgelder oder Urlaubsabgeltungen und krankheitsbedingte Lohnfortzahlungen). Werden solche Zuwendungen nicht gesondert für die begünstigte Tätigkeit geleistet, so sind sie im Verhältnis der Kalendertage (Auslandstage: Gesamtarbeitstage) aufzuteilen.

2.354 Bezüglich Werbungskosten, die nur zusammen mit den freigestellten Lohneinkünften anfallen, gilt § 3c EStG, d.h., die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den gezahlten Einnahmen stehenden Werbungskosten sind nicht abziehbar.

2.355 Die Steuerbefreiung wird unter Progressionsvorbehalt gewährt. Diese wird jedoch erst bei der

Veranlagung und nicht bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigt. Der Arbeitgeber darf weder die Lohnsteuer nach dem voraussichtlichen Arbeitslohn (permanenter Jahresausgleich) ermitteln, noch einen Lohnsteuerjahresausgleich durchführen, damit nicht der Fiskus zuvor erstattete Steuern zurückfordern muss.

2.356 Bei der Beantragung der Freistellungsbescheinigung (Rz. 2.346) ist kein Nachweis der Erhebung ei-

ner der deutschen Lohnsteuer entsprechenden Steuer im Tätigkeitsstaat erforderlich. Der freigestellte Arbeitslohn ist auf allen lohnsteuerlichen Unterlagen (Konto, Lohnsteuerkarte bzw. Bescheinigung, Lohnzettel) gesondert auszuweisen, die Bescheinigung ist als Beleg zum betreffenden Lohnkonto zu nehmen. Die Freistellungsbescheinigung ist kein Grundlagenbescheid für die Veranlagung. 8. Ausländische Einkünfte

2.357 § 34d EStG enthält die Kriterien, die Einkünfte zu „ausländischen“ i.S.v.§ 34c EStG machen. Steu-

ern auf nicht-ausländische Einkünfte gem. § 34d EStG können nur gem. § 34c Abs. 3 EStG abgezogen werden (Rz. 2.332). § 34d EStG geht von den sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 EStG) und deren Definitionen in §§ 13–24 EStG aus und legt für die jeweilige Einkunftsart die Auslandskriterien fest. Sind die Kriterien erfüllt, so handelt es sich nach Ansicht des Gesetzes um einen Auslandssachverhalt. Dem Welteinkommensprinzip entsprechend werden in- und ausländische Sachverhalte prinzipiell steuerlich gleichbehandelt, aber aus der Natur der Sache heraus gibt es gewisse Unterschiede. § 34d EStG zieht in diesem Zusammenhang die Grenzlinie zwischen Inland und Ausland. § 34d EStG sagt, wann Steuerinländer ausländische Einkünfte haben.1 Er ist somit § 49 Abs. 1 EStG ähnlich, der besagt, wann Steuerausländer inländische Einkünfte haben. Doch verfolgen beide Normen unterschiedliche Ziele, sodass sie sich nicht abschließend ergänzen.2 Man vergleiche hierzu nur die jeweilige Nr. 2 von § 34d Abs. 1 EStG und § 49 Abs. 1 EStG.

2.358 § 34d EStG legt die Auslandskriterien, nicht aber die Zuordnung der einzelnen Einkünfte bei der inländischen Besteuerung fest.

Beispiel: Die inländische A-GmbH, die im Inland einen Produktionsbetrieb unterhält, erwirbt ausländischen Grundbesitz, um eine Auslandsniederlassung zu eröffnen. Bevor es dazu kommt, wird der Besitz vermietet. Es handelt sich um ausländische Einkünfte aus Vermietung, die jedoch im Inland als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert werden.

Manche3 sprechen von umgekehrter isolierender Betrachtungsweise. Damit ist gemeint, dass die Verhältnisse im Ausland ohne Berücksichtigung der im Inland gegebenen Merkmale beurteilt wer1 Über die Bedeutung der Vorschrift über § 34d EStG hinaus vgl. Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 4. 2 Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Anm. 10 f.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 8; Klein/Link in H/H/ R, § 34d EStG Anm. 4; C. Kraft in K/K/B2, § 34d EStG Rz. 3. 3 Handzik in L/B/P, § 34d EStG Rz. 12; Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Anm. 14; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 9, Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 2; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 5; C. Kraft in K/K/B, § 34d EStG Rz. 3.

274 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.362 Kap. 2

den sollen. Allerdings enthält § 34d EStG keine § 49 Abs. 2 EStG entsprechende Regelung. Der wesentliche Unterschied zu § 49 EStG besteht darin, dass § 34d EStG keine Rechtsanwendungsnorm wie § 49 EStG (Rz. 2.237 ff.) ist, sondern eine materielle Norm im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht darstellt. Daher beschränkt sich ihre Funktion darauf, die Auslandseigenschaft von Einkünften zu definieren, wo das materielle Ertragsteuerrecht von ausländischen Einkünften – wie z.B. in § 34c EStG – spricht. Zum Ausland gehören das ausländische Staatsgebiet, angeschlossene fremde Hoheitsgewässer, Lufträume, Freihäfen und Zollanschlüsse sowie die Festlandsockel ausländischer Hoheitsgebiete.1

2.359

Als ausländische werden folgende Einkünfte angesehen:

2.360

– Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), wenn im Ausland ein entsprechender Betrieb unterhalten wird (§ 34d Nr. 1 EStG).2 Dies ist der Fall, wenn landwirtschaftlich genutzte Flächen im Ausland belegen sind. – Gewerbebetrieb3 (§ 34d Nr. 2 EStG), wenn die Einkünfte durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte oder durch einen in einem ausländischen Staat tätigen ständigen Vertreter erzielt werden (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG).4 Die verwendeten Begriffe der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters sind die der §§ 12, 13 AO, jedoch muss hier der ständige Vertreter im Ausland tätig sein. Unter die ausländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb fallen auch Gewinne aus der Veräußerung von ausländischen Betrieben, Teilbetrieben und von Anteilen an Personengesellschaften, ferner nach dem Gesetz Einkünfte, die aus Bürgschafts- und Avalprovisionen erzielt werden, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat (§ 34d Nr. 2b EStG),5 und schließlich die durch den Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen aus internationalen Beförderungen und damit zusammenhängende, sich auf das Ausland erstreckende Beförderungsleistungen (§ 34d Nr. 2 Buchst. c EStG).6 Bei den letztgenannten Einkünften ist die Existenz einer ausländischen Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters nicht erforderlich. Zur Bestimmung der ausländischen Einkünfte, die im Rahmen einer ausländischen Betriebsstätte erzielt werden, wird eine Gewinnzuordnung (Abgrenzung) erforderlich, die nach der indirekten oder direkten Methode erfolgt (vgl. Rz. 5.94 ff.).7

2.361

– Ausländische Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 34d Nr. 3 EStG).8 Diese Einkünfte werden zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Nr. 2) gerechnet, wenn sie zu diesen gehören. Die Unterscheidung zwischen gewerblichen Einkünften und Einkünften aus selbständiger Tätigkeit hat dann im Rahmen des § 34c EStG keine Bedeutung mehr. Die selbständige Arbeit muss in einem ausländischen Staat ausgeübt oder verwertet werden oder worden sein. Dies kann dazu führen, dass Einkünfte gleichzeitig ausländische und inländische sind, z.B. wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt und im Ausland verwertet wird. Bei der Ausübung der Tätigkeit im Ausland kommt es auf die persönliche physische Anwesenheit im Ausland an.9 Wodurch die Leistung erbracht wird, hängt von der jeweiligen Eigenart der Tätigkeit ab. Verwertet wird die Tätigkeit im Aus-

2.362

1 Vgl. auch BFH v. 14.6.1991 – VI R 185/87, BStBl. II 1991, 926; siehe Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 6; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 14; C. Kraft in K/K/B2, § 34d EStG Rz. 5. 2 Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Anm. 34; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 23; Klein/Link in H/H/ R, § 34d EStG Anm. 13 ff. 3 Vgl. Gosch in Kirchhof16, EStG § 34d Rz. 7 f. 4 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 21 ff.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 25 ff. 5 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 40 ff. 6 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 47 ff. 7 Vgl. vertiefend Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 6 ff.; Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 5; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 30 ff. 8 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 56 ff.; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 39. 9 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 58 mit Beispielen und m.w.N.

Mössner | 275

Kap. 2 Rz. 2.363 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung land, wenn sie zu einem selbständig verwertbaren Ergebnis geführt hat.1 Der Steuerpflichtige muss zugleich der Verwertende sein.2 Überlässt er die Verwertung einem anderen, so kann darin eine Rechtsüberlassung liegen, wenn sie zeitlich begrenzt erfolgt. Eine Tätigkeit wird nicht dadurch verwertet, dass sie einer anderen Person zugutekommt. Mit dieser Rspr. hat der BFH in einer Serie von Entscheidungen v. 12.11.19863 der von der Finanzverwaltung vorgenommenen Ausdehnung des Begriffs Grenzen gesetzt. Die Ausübung steht an sich unabhängig neben der Verwertung. Verfasst z.B. ein Rechtsanwalt im Inland ein Rechtsgutachten für einen ausländischen Mandanten, dann wird die Tätigkeit im Inland ausgeübt und im Ausland verwertet. Da jedoch das bloße Anfertigen des Gutachtens nicht zu Einkünften führt, sondern erst dessen Weitergabe an den Mandanten, gehört insoweit die „Verwertung“ noch zur Ausübung.

2.363 – Veräußerung von Wirtschaftsgütern (§ 34d Nr. 4 EStG).4 Als ausländische Einkünfte gelten die Einkünfte aus den Veräußerungen von

– Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines inländischen Betriebs gehören, wenn die Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Gesellschaft Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat.

2.364 Diese Vorschrift berücksichtigt die Tatsache, dass in manchen Staaten Systeme der generellen Be-

steuerung von Veräußerungsgewinnen (aus Immobilien, Wertpapieren etc.) bestehen, die bei Nichtansässigen nicht das Vorhandensein einer Betriebsstätte voraussetzen, der die betreffenden Gewinne zuzurechnen wären. § 34d Nr. 4 EStG betrifft aber nur ein Betriebsvermögen, und zwar zum Anlagevermögen gehörende Wirtschaftsgüter sowie Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften. Eine bestimmte Höhe der Beteiligung ist im letzteren Falle nicht verlangt5 (ebenso wenig wie die Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen). Besteht in dem ausländischen Staat eine Betriebsstätte, der das Wirtschaftsgut oder die Beteiligung zuzurechnen ist, fällt der Veräußerungsgewinn bereits unter eine der Vorschriften des § 34d Nr. 1–3 EStG.

2.365 – Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 34d Nr. 5 EStG).6 Als ausländische Einkünfte gel-

ten vor allem Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, die in einem ausländischen Staat ausgeübt wird oder, ohne im Inland ausgeübt zu werden oder worden zu sein, in einem ausländischen Staat verwertet wird oder worden ist. Die Verwertung steht hier, anders als bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, nicht gleichwertig neben der Ausübung, sodass trotz Verwertung im Ausland keine ausländische Einkünfte vorliegen, wenn die Tätigkeit im Inland ausgeübt wird.7 Bei der Ausübung kommt es auf die physische Anwesenheit des Arbeitnehmers im Ausland an.

2.366 Problematisch kann die Zuordnung sowohl der Einnahmen als auch der Werbungskosten sein,

wenn die Tätigkeit teils im Inland und teils im Ausland ausgeübt wird. Hierbei können die im Auslandstätigkeitserlass (Rz. 2.347 ff.) enthaltenen Grundsätze herangezogen werden. Auf den

1 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; zur Verwertung m.w.N. vgl. Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 48. 2 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377. 3 Z.B. BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; siehe auch BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377. 4 Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 12. 5 Wie hier Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 12; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 69; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 42; a.A. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 18.93: nur Anteile i.S.v. §§ 17, 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG; angesichts der Ausweitung in § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist der Meinungsunterschied ab 2009 unerheblich. 6 Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 13. 7 Kritisch hierzu Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 45 mit Hinweis auf die Einengung des Verwertungsbegriffs durch die Rspr.; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 106.

276 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.368 Kap. 2

Ort der Auszahlung des Arbeitslohns kommt es in keinem Fall an, ebenso wenig auf den Zeitpunkt der Auszahlung.1 – Sonstige ausländische Einkünfte gem. § 34d Nr. 6–8 EStG gelten weiter als ausländische Einkünfte:

2.367

– Nr. 6: Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG),2 wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist; nach BFH-Urt. v. 16.3.19943 können bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte aus Kapitalvermögen Wertverluste von Darlehensforderungen und Beteiligungen nicht berücksichtigt werden;4 – Nr. 7: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG),5 soweit das unbewegliche Vermögen oder die Sachinbegriffe in einem ausländischen Staat belegen oder die Rechte zur Nutzung in einem ausländischen Staat überlassen worden sind; bei der Überlassung von Rechten kommt es auf die Nutzung im Ausland an. Know-how ist einer zeitlich begrenzten Überlassung und Nutzung nicht zugänglich6 und fällt deshalb nicht unter Nr. 6, möglicherweise aber unter Nr. 8 Buchst. c. Überhaupt setzt die Überlassung eine zeitliche Begrenzung voraus, d.h., die endgültige Überlassung – die Veräußerung – fällt nicht unter Nr. 7;7 – Nr. 8: Sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 EStG,8 – wenn der zur Leistung der wiederkehrenden Bezüge Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat; – bei Spekulationsgeschäften die veräußerten Wirtschaftsgüter in einem ausländischen belegen sind, d.h. sich dort befinden; bei Forderungen kommt es für die Belegenheit auf den Wohnsitz des Schuldners an; – bei Einkünften aus Leistungen einschließlich der Einkünfte aus Leistungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, wenn der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat. Für die Besteuerung im Rahmen der Gesamteinkünfte spielt die genaue Abgrenzung der ausländischen von den inländischen Einkünften keine entscheidende Rolle. Auch ist es nicht von Bedeutung, ob Kosten inländischen oder ausländischen Einkünften zugeordnet werden. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wird dadurch nicht verändert. Im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages ist es jedoch entscheidend, ob die Kosten den in- oder ausländischen Einnahmen zuzuordnen sind. Beispiel: A hat ausländische Einnahmen von 100 und inländische von 140. Kosten hat er von 40. Die Gesamteinkünfte betragen 200. Bei Zuordnung der Kosten nur zu den inländischen Einnahmen entfällt die Hälfte der deutschen Steuer auf die ausländischen Einkünfte. Werden die Kosten dem Ausland zugeordnet, so entfallen nur 3/10 (60/200) der Steuer auf die ausländischen Einkünfte.

Die Zurechnung von Betriebsausgaben und Werbungskosten zur ausländischen Einkunftsquelle setzt einen wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang9 mit den Einnahmen voraus. Das le1 2 3 4 5 6 7 8 9

BFH v. 2.2.1982 – VIII R 3/79, BStBl. II 1982, 459. Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 14; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 86 ff. BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799. Hierzu vgl. Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 14. Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 15; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 94 ff. BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 4.3.1970 – I R 86/69, BStBl. II 1970, 567. BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Anm. 86 ff. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. III 1994, 799; v. 9.4. 1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577.

Mössner | 277

2.368

Kap. 2 Rz. 2.369 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung diglich steuerbefreite Einkünfte betreffende Abzugsverbot des § 3c EStG mit dem Erfordernis des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs ist hier nicht anwendbar.1

2.369 Mit dem StVergAbG2 hat der Gesetzgeber für betriebliche Einkünfte die Zuordnung von Aus-

gaben zu ausländischen Einnahmen angeordnet, wenn lediglich ein „wirtschaftlicher Zusammenhang“ zwischen ihnen besteht (Rz. 2.299). Abgesehen von verfassungsrechtlichen Bedenken3 bereitet die praktische Anwendung erhebliche Probleme. Müller-Dott meint, der Gesetzgeber habe durch einen „kühnen Griff in die Begriffskiste ein Chaos“ angerichtet. Offenbar sollen nunmehr auch solche Ausgaben den ausländischen Einnahmen zugeordnet werden, die nur indirekt mit diesen zusammenhängen. Dies sind solche Kosten, die sich im Betrieb nicht eindeutig zuordnen lassen, da sie dem Betrieb insgesamt dienen. Um sie sachgerecht ausländischen Einnahmen zuordnen zu können, bedarf es jedoch klarer Aufteilungsmaßstäbe, die nicht erkennbar sind. Im Einzelnen kann vermutlich von der Zuordnung folgender Kosten ausgegangen werden: – Verwaltungskosten, sofern eine Beziehung besteht, z.B. Finanzabteilung bei Zinsbezug, Patentabteilung bei Lizenzen, – Refinanzierungskosten bei Investition, sofern nicht bereits direkt zuordenbar, – Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen und Investitionen.

2.370 Sind ausländische Einkünfte anzunehmen, so ist die volle hierauf im Ausland erhobene Steuer an-

zurechnen, und zwar auch dann, wenn sich die ausländische Bemessungsgrundlage von der deutschen unterscheidet. Die Begrenzung erfolgt hier gegebenenfalls durch den Ansatz der niedrigeren, nach deutschem Steuerrecht ermittelten Bemessungsgrundlage in dem Zähler des Bruchs, mit dem der Anrechnungshöchstbetrag ermittelt wird.

2.371 Die Umrechnung der ausländischen Einkünfte erfolgt wie die der ausländischen Steuern nach dem

Kurs, der für den Tag ihres steuerlichen Zuflusses als amtlich festgesetzter Devisenkurs im (elektronischen) Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.4

2.372 Das Ergebnis einer ausländischen Betriebstätte oder eines ausländischen Betriebes kann gem. § 146

Abs. 2 AO zunächst nach ausländischem Recht und in ausländischer Währung ermittelt werden. Die Anpassungen an das deutsche Steuerrecht und die Umrechnung in deutsche Währung erfolgen dann zum Bilanzstichtag zum Stichtagskurs. Währungsgewinne oder -verluste im wirtschaftlichen Zusammenhang mit ausländischen Einkünften sind diesen zuzuordnen.5 9. Vermeidung der Doppelbesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 50 Abs. 3 EStG)

a) Anrechnung und Abzug

2.373 Gemäß § 50 Abs. 3 EStG sind § 34c Abs. 1–3 EStG bei Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft,

Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, für die im Inland ein Betrieb unterhalten wird, entsprechend anzuwenden, soweit darin nicht Einkünfte aus einem ausländischen Staat enthalten sind, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen wird: In diesem Falle muss der ausländische Staat die Doppelbesteuerung vermeiden. Dies folgt aus der generellen Verantwortung des Ansässigkeitsstaats, die Besteuerung des Welteinkommens auf der Basis der individuellen Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Der Quellenstaat besteuert nur die in seinem Gebiet erwirtschafteten Erträge (Ter1 Vgl. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; Gosch in Kirchhof16, § 34d EStG Rz. 5. 2 StVergAbG v. 16.3.2003, BGBl. I 2003, 660. 3 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 4 Zum Umrechnungsverfahren siehe BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 5 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 75; R 34c EStR.

278 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.374 Kap. 2

ritorialprinzip). Dabei bestimmt er autonom, welche Einkünfte aus seinem Gebiet stammen. Vor allem bei Betriebsstätten ist es denkbar, dass zu den Einkünften der Betriebsstätte auch Einkünfte aus einem Staat gehören. Dabei handelt es sich vor allem um Einkünfte aus Kapitalvermögen: Beispiel: A unterhält im Staat X eine Betriebsstätte, zu deren Vermögen funktional die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Y-Corp. im Staate Y gehört. Y schüttet eine Dividende aus, auf die Y einen Steuerabzug an der Quelle von 25 % vornimmt. X besteuert die Dividenden als Einnahmen der Betriebsstätte.

Dies ist die Situation, die § 50 Abs. 3 EStG im Auge hat, wobei Deutschland der Staat X und A nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Gelöst wird die drohende Doppelbesteuerung dadurch, dass Deutschland die Quellensteuer, die Y erhebt, bei der Besteuerung der Betriebsstätte anrechnet. Dadurch allerdings verringert sich die deutsche Steuer, sodass bei Anwendung der Anrechnungsmethode im Ansässigkeitsstaat von A ein geringeres Anrechnungsvolumen besteht. Beispiel: A ist in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte, zu deren Vermögen eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft gehört. Deren Dividende von 100 wird in ihrem Staat mit einer Quellensteuer von 25 belastet. Deutschland besteuert die Dividende als Einkunft von 100 als Betriebsstätteneinkünfte – angenommen zur Vereinfachung und Verdeutlichung – mit einer Steuer von 25, rechnet aber die Quellensteuer an, sodass keine deutsche Steuer erhoben wird. A wird in seinem Heimatstaat ebenfalls bei Einkünften von 100 mit einer Steuer von 25 belegt, die aber mangels einer deutschen Steuer, die anrechenbar wäre, ungeschmälert erhoben wird.1

Der Ausschluss der Anrechnung von Quellensteuern, wenn die inländische Betriebsstätte eines Ausländers aus seinem Ansässigkeitsstaat Einnahmen erzielt, die mit einer Quellensteuer belegt ist, scheint auf den ersten Blick unberechtigt. Das Gesetz2 geht aber zutreffend davon aus, das der Ansässigkeitsstaat die deutsche Steuer anrechnen wird. Das Gesetz spricht wie in § 50 Abs. 2 Nr. 1 EStG von einem inländischen Betrieb. Dies ist ein eher ungewöhnlicher Begriff.3 Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO wie auch Beteiligungen beschränkt Steuerpflichtiger an inländischen Personengesellschaften (15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) fallen hierunter. Dies ist eindeutig. Sprachlich problematisch erscheint es, ob durch die Bestellung eines ständigen Vertreters ein Betrieb unterhalten wird. Der BFH hat sich der in der Literatur vertretenen, dies bejahenden Ansicht4 angeschlossen.5 Ein ständiger Vertreter kann, muss aber nicht eine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Da das Gesetz von einem inländischen Betrieb spricht und nach allgemeiner Ansicht6 reine Darbietungen oder Ausführungen im Inland nicht darunterfallen, fällt es schwer, sich vorzustellen, wie ein ständiger Vertreter ohne irgendeine Art von Betriebsstätte, z.B. Geschäftsleitung, dem Geschäftsherrn einen „Betrieb“ im Inland vermitteln soll. Die allgemein vorgenommene Ausdehnung des Begriffs lässt damit rechtfertigen, dass ein inländischer Betrieb die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 EStG) ausschließt. Werden dem ständigen Vertreter ausländische Einkünfte zugeordnet, die zu inländischen Einkünften des beschränkt Steuerpflichten werden, so ist es folgerichtig, die auf diesen Einkünften lastenden ausländischen Steuern anzurechnen. Eine solche Situation dürfte nur sehr ausnahmsweise der Fall sein. Denkbar ist, dass eine im Ausland 1 Auch aus deutscher Sicht würde das Problem nicht gelöst, wenn A im Inland ansässig wäre und die Betriebsstätte in einem Staat läge, mit dem kein DBA besteht. Nach § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG würden die Dividenden zu den Betriebsstätteneinkünften gehören, die aus dem Betriebsstättenstaat stammen. Dort wird aber keine Steuer erhoben. Allenfalls könnte man daran denken, in der Anrechnung der Steuer aus dem Drittstaat auch eine Zahlung der Steuer im Betriebsstättenstaat zu sehen. 2 BT-Drucks. 8/3648. 3 Link in H/H/R, § 50 EStG Anm. 324: „betriebswirtschaftlich-materieller Begriff“. 4 Link in H/H/R, § 50 EStG Anm. 451; Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 28; so auch jetzt Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 6. 5 BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185. 6 Siehe nur Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 28.

Mössner | 279

2.374

Kap. 2 Rz. 2.375 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung ansässige Person für ein Unternehmen in einem ausländischen Staat im Inland als ständiger Vertreter tätig ist und gelegentlich das Unternehmen in einem Drittstaat vertritt, ohne dort zum ständigen Vertreter zu werden. Der Drittstaat allerdings müsste dann diese Einkünfte besteuern.

2.375 Eine Steueranrechnung wird bzgl. der ausländischen Einkünfte gewährt, die im Inland der Steuer

unterliegen und die in dem ausländischen Staat tatsächlich besteuert werden, in dem der betreffende Steuerpflichtige nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies sind demnach die Fälle, in denen der ausländische Staat die auf seinem Gebiet erzielten Einkünfte besteuert. Sollte es sich dabei um eine Betriebsstätte handeln, die ihrerseits Auslandseinkünfte erzielt, die im Betriebsstättenstaat besteuert werden, so kann die darauf ruhende Steuer nur angerechnet werden, wenn nach deutschen Vorstellungen die Einkünfte aus dem Betriebsstättenstaat stammen.

2.376 Im Übrigen ist § 50 Abs. 3 EStG auch bei Bestehen eines DBA anwendbar,1 es sei denn, dass

bereits durch ein DBA zwischen dem Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen und dem (dritten) Quellenstaat, aus dem die betreffenden Einkünfte stammen, die Doppelbesteuerung gemildert wird oder dass die inländische Personengesellschaft als Person i.S.d. Abkommens gilt oder die Gesellschaft als im Sitzstaat der Personengesellschaft ansässig gilt, sodass der Abkommensschutz sich auf die Gesellschaft bzw. auf alle Gesellschafter erstreckt. b) Pauschalierung und Erlass

2.377 Nach § 50 Abs. 4 EStG kann die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen auch ganz

oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschalbetrag festgesetzt werden, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder eine gesonderte Berechnung der Einkünfte besonders schwierig ist.2 Ein Beispielsfall der Anwendung ist die Steuerfreiheit ausländischer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland.

V. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer 1. Rechtsgrundlagen

2.378 Die speziellen Rechtsgrundlagen der unilateralen Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Körperschaftsteuer finden sich im § 26 KStG. Die Vorschrift hat erhebliche Wandlungen3 durchgemacht. Wiederholte sie zunächst in nahezu identischen Worten § 34c EStG, wurde sie danach weitgehend durch Verweise auf § 34c EStG „verschlankt“. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Anrechnung bei Körperschaften in gleicher Weise wie bei natürlichen Personen erfolgen soll. Die notwendig gewordenen Änderungen der Höchstbetragsberechnung (Rz. 2.291) konnten nicht auf Körperschaften angewendet werden, da diese keine persönliche Sphäre – Sonderausgaben, Familienlasten usw. – besitzen. Daher wurde in § 26 Abs. 2 KStG die frühere Formel beibehalten. Ob dies mit Unionsrecht vereinbar ist, wird bestritten.4 § 26 Abs. 1 KStG ordnet die entsprechende Geltung von § 34c Absatz 1 bis 3 und 5 bis 7 und § 50d Abs. 10 EStG für unbeschränkt steuerpflichtige und § 50 Abs. 3 und § 50d Abs. 10 EStG für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften an. Über die Verweisung sind auch §§ 68a und 68b EStDV anwendbar. Mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens5 wurde der Bezug von ausländischen Dividenden durch inländische Körperschaften außer Ansatz (§ 8b Abs. 1 KStG) gestellt, von der 5 %-Regelung in § 8b Abs. 5 KStG (sog. Schachtelstrafe) abgesehen. Dadurch wurden alle früheren Normen überflüssig, die sich mit Schachtelbeteiligungen und mit der indirekten Anrechnung befassen (§ 26 Abs. 2–5 KStG a.F.). Auf Bezüge i.S.v. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, die nach § 8b Abs. 1 Satz 2 und 3 KStG nicht außer 1 2 3 4 5

H.M., vgl. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 3. Früher Abs. 7, vgl. näher Link in H/H/R, § 50 EStG Anm. 470 ff. Siehe im Einzelnen zur Rechtsentwicklung Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 21 ff. Ismer, IStR 2014, 925. StEntlG 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402.

280 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.382 Kap. 2

Ansatz bleiben (Korrespondenzprinzip), sind – soweit Abs. 2 keine Ausnahme vorsieht – § 34c Abs. 1 bis 3 und Abs. 6 Satz 6 EStG entsprechend anzuwenden. 2. Übersicht über die Methoden des § 26 KStG Mit § 26 Abs. 1 KStG wird durch die Verweisungen auf § 34c Abs. 1 EStG die grundsätzliche Regelung über die Anrechnung der Steuern anwendbar, die im Ausland auf Gewinne der Körperschaft erhoben werden und die in der Bundesrepublik ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Durch die Verweisungen gelangen somit insgesamt weitgehend die gleichen Normen zur Anwendung wie bei der Einkommensteuer, einschließlich des Abzugs ausländischer Steuern sowie der Pauschalierung ausländischer Erträge (zum Pauschalierungserlass siehe Rz. 2.380). Auch die Anwendung der nationalen Regeln über die Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG) im Rahmen bestehender DBA wird klargestellt. § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG enthält dann die Formel zur Berechnung des Höchstbetrags der Anrechnung. § 26 Abs. 2 Satz 2 KStG enthält eine Sonderregelung beim Abzug der ausländischen Steuer.1 Schließlich findet sich in § 26 Abs. 2 Satz 3 KStG eine Übergangsregelung für bestimmte EU-Beitrittsstaaten.2

2.379

Das Anrechnungsverfahren gem. § 26 KStG folgt somit den Regeln des § 34c EStG, sodass generell auf diese verwiesen wird. Gleichwohl ergeben sich eine Reihe von Sonderaspekten, die vor allem durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 % durch das UntStRefG 20083 entstehen. Da ausländische Quellensteuern i.d.R. einen gleichen oder höheren Steuersatz haben, wirkt sich die Senkung der Körperschaftsteuer nicht bei ausländischen Einkünften aus. Bei höheren Steuersätzen im Ausland wirkt sich dies als Begünstigung von Inlandsinvestitionen aus und führt bei den ausländischen Einkünften zu Anrechnungsüberhängen. Umso größere Bedeutung kommt dann der Abzugsmöglichkeit zu.4 Bei ausländischen Dividenden und Veräußerungsgewinnen, soweit sie im Inland besteuert werden, sieht § 8b Abs. 1 und 2 KStG die Steuerfreiheit im Inland vor. Mangels inländischer Steuer kann es auch nicht zur Anrechnung kommen. Es wäre folgerichtig, dann wenigstens die ausländischen Quellensteuern insoweit zur Anrechnung heranzuziehen, als aufgrund der Schachtelstrafe gem. § 8 Abs. 2 und 5 KStG deutsche Körperschaftsteuer entsteht. Dies wird jedoch abgelehnt (vgl. Rz. 2.383). Da der Pauschalierungserlass (Rz. 2.335) einen Steuersatz von 25 v.H. vorsieht, war er mit der Senkung des Körperschaftssteuersatzes auf zunächst 25 v.H. und dann 15 v.H. überholt. Er ist daher nicht mehr auf die Körperschaftsteuer anwendbar.5

2.380

3. Verhältnis des § 26 KStG zu den Doppelbesteuerungsabkommen § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG verweist auf § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG, was zur Nichtanwendung der Vorschriften des § 34c Abs. 1 bis 3 EStG führt. Damit sind die Steueranrechnung und der Steuerabzug bei Bestehen eines DBA, das sich auf die Körperschaftsteuer bezieht, nicht anwendbar. Es versteht sich, dass dies auch dann gilt, wenn ein Abzug oder eine Anrechnung zu einem günstigeren Ergebnis für die steuerpflichtige Körperschaft führen würde.6

2.381

Sieht das DBA dagegen Anrechnung vor, so richtet sich diese gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. den in § 34c Abs. 1 EStG enthaltenen Regeln, es sei denn, das DBA enthielte eigene Anrechnungsregeln. Sieht das DBA für verschiedene Einkunftsarten je nachdem Freistellung oder Anrechnung vor, so ist selbstverständlich, dass die Anrechnung auf diejenigen Einkunftsquellen begrenzt ist, für die die Anrechnung vorgeschrieben ist. Nur für diese, nicht für die anderen – durch DBA frei-

2.382

1 2 3 4

Vgl. im Einzelnen Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 391 ff. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 471 ff. UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 396; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 136 ff.; Siegers in D/P/M, § 26 KStG Rz. 273. 5 BMF v. 24.11.2003 – IV B 4 - S 2293 - 46/03, BStBl. I 2003, 747. 6 Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 341.

Mössner | 281

Kap. 2 Rz. 2.383 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung gestellten – Einkünfte ist die Höchstbetragsberechnung durchzuführen.1 Handelt es sich dabei um mehrere Einkünfte, so werden sie zusammengefasst und der Höchstbetrag nicht einzeln für jede Einkunftsquelle ermittelt.2 Unter der Voraussetzung des Verweises des DBA auf das nationale Recht kann dann die Abzugsmethode (Rz. 2.381) ebenfalls angewendet werden.3

2.383 Die meisten deutschen DBA enthalten das sog. Schachtelprivileg,4 wonach bei gewissen Mindest-

beteiligungen – meist 25 v.H.5 – Dividenden, die von einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften von einer ausländischen Kapitalgesellschaft bezogenen werden, im Inland von der Körperschaftsteuer befreit sind. Dies wirkt als objektive Steuerbefreiung (Rz. 2.465). Eine Anrechnung oder ein Abzug ausländischer Steuern auf die Dividende, sofern dies ausnahmsweise zulässig sein sollte, scheidet daher aus.6 Zugleich ordnet § 8b Abs. 1 KStG an, dass Dividenden und vergleichbare Gewinnausschüttungen, die eine Körperschaft bezieht, bei ihr „außer Ansatz“ bleiben. Dies betrifft zunächst die Gewinnausschüttungen, die etwa wegen Nichterreichens der Beteiligungsquote nicht vom DBA-Schachtelprivileg umfasst sind. Dann betrifft es auch die DBASchachteldividenden, die dadurch bereits nach nationalem Steuerrecht steuerfrei sind. Das DBA geht insofern ins Leere.7 § 8b Abs. 5 KStG führt jedoch über den „Trick“ des pauschalierten Betriebsausgabenabzugsverbots zu einer effektiven Belastung mit Körperschaftsteuer mit einem Satz von 0,75 v.H. Dass dies mit der MTR, die außerdem noch eingreift, vereinbar ist, ist nicht zweifelhaft.8 Bedenken9 bestehen jedoch, ob diese Besteuerung mit den DBA vereinbar ist, denn sie führt zu einer nicht hinweg zu diskutierenden, wenn auch geringen, Körperschaftsteuer. Dass die Steuer nicht unmittelbar auf das Einkommen, sondern auf einen fingierten Nichtabzug von Kosten erhoben wird, macht keinen Unterschied. § 8b Abs. 5 KStG erklärt nur, dass 5 v.H. der außer Ansatz bleibenden Bezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben gelten. Dadurch wird aber noch keine Basis für die Steuererhebung gelegt. Erst die Nichtabziehbarkeit begründet dann gem. § 8 KStG ein Einkommen, welches gem. § 7 KStG als Bemessungsgrundlage dient.

2.384 § 34c Abs. 2 und 3 EStG (Abzug statt Anrechnung und nicht der Körperschaftsteuer entsprechende

Steuer bzw. nicht aus dem Staat stammende Einkünfte) gilt auch bei Bestehen eines DBA, das keine eigenen Vorschriften über die Anrechnung enthält, entsprechend für die Körperschaftsteuer.10

2.385 § 34c Abs. 5 EStG (Erlass, Teilerlass und Pauschalierung) sind gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG in

jedem Falle, auch bei Bestehen eines DBA, anwendbar. Der Auslandstätigkeitserlass (Rz. 2.335 ff.) betrifft aber nur Arbeitnehmer und ist daher auf Körperschaften nicht anwendbar. Zum Fortbestand des Pauschalierungserlasses siehe Rz. 2.380. Da neben dem Pauschalierungserlass die pauschale Festsetzung der Steuer möglich ist (Rz. 2.340), der Erlass für die Körperschaftssteuer nicht mehr gilt, ist für eine pauschale Steuerfestsetzung im Einzelfall bei der Körperschaftsteuer Raum.11

2.386 Weiter ist über § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG auch die Vorschrift des § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG anwend-

bar, der Anrechnung und Abzug auch bei Bestehen eines DBA erlaubt, wenn dies die Doppelbesteuerung nicht beseitigt oder sich nicht auf eine Einkommensteuer des betreffenden Staates (sondern einer Untereinheit wie z.B. eines Bundesstaates, eines Kantons oder einer Provinz) bezieht. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 371. Vgl. BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 345. Vgl. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 52 ff. Deutsche Verhandlungsgrundlage schlägt 10 v.H. vor, vgl. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECDMA Rz. 56, 121 ff. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 129, 310; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 109; Siegers in D/P/M. § 26 KStG Rz. 103 ff. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 88. Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 162, 167; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 94. Siehe auch Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 110. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 341, 371. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 441; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 168 ff.

282 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.391 Kap. 2

4. Direkte Steueranrechnung gemäß § 26 Abs. 1 KStG Anrechnungsberechtigt sind gem. Abs. 1 unbeschränkt Steuerpflichtige, d.h. die in § 1 Abs. 1 Nr. 1–6 und § 3 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland. Die doppelte unbeschränkte Steuerpflicht in zwei Staaten infolge Auseinanderfallens von Sitz und tatsächlichem Ort der Geschäftsleitung hat keine negative Auswirkung auf das Recht zur Steueranrechnung.1

2.387

Über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 50 Abs. 3 EStG kommen seit dem Veranlagungszeitraum 1980 auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften im Rahmen der letztgenannten Vorschrift in den Genuss einer Steueranrechnung (siehe hierzu Rz. 2.373 ff. und R 74 Abs. 4 KStR 2004: Die betreffenden ausländischen Einkünfte müssen einem inländischen „Betrieb“ zuzurechnen sein, d.h., es muss eine Betriebstätte zumindest in der Form eines „ständigen Vertreters“ vorhanden sein.

2.388

Die ausländischen Einkünfte dürfen jedoch nicht aus einem Staat stammen, in dem sie „in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen herangezogen werden“, was der Fall ist, wenn der ausländische Staat das Welteinkommensprinzip anwendet und hierbei an die Geschäftsleitung oder den Sitz oder ein entsprechendes Merkmal anknüpft.2 Zu einer solchen Situation kommt es bei doppelt ansässigen Gesellschaften, die in zwei Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind.

2.389

Bei Körperschaften, die Gesellschafter von Personengesellschaften mit ausländischen Einkünften sind, erfolgt wie bei natürlichen Personen die Anrechnung auf der Ebene des Gesellschafters.3

2.390

Bei Organschaftsverhältnissen mit Ergebnisabführungsvertrag ist nach der in geringem Ausmaß erfolgten Internationalisierung4 der Organschaft zu unterscheiden:

2.391

– Organträger und Organgesellschaft sind inländische Unternehmen: Die Organgesellschaft bezieht ausländische Einkünfte, mit denen sie im Ausland einer vergleichbaren Besteuerung unterlegen hat. Das Einkommen wird dem Organträger zugerechnet und nach § 19 Abs. 1 KStG erfolgt die Anrechnung unter Beachtung der Voraussetzungen so, wie sie bei der Organgesellschaft erfolgt wäre.5 Die gegenteilige Auffassung6, die aus der Verwendung des Begriffs „Summe der Einkünfte“ als Nenner des Bruchs der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags in § 26 Abs. 2 KStG anstelle des Begriffs „Einkommen“ ableitet, dass die ausländischen Einkünfte der Organ zwar im Zähler, aber nicht im Nenner angesetzt werden, führt zu widersinnigen Ergebnissen und ist daher abzulehnen. – Die Organgesellschaft hat ihren Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz in einem EU- oder EWR-Staat (§ 14 Abs. 1 KStG). Die Organgesellschaft ist im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Dies ist sie auch im Ausland. Sie kann gem. § 26 KStG die ausländische Steuer anrechnen, die auf ihre ausländischen Einkünfte erhoben werden (Rz. 2.387). – Der Organträger ist eine im Ausland ansässige Körperschaft mit einer Betriebsstätte im Inland, der die Beteiligung an der inländischen Organgesellschaft zuzurechnen ist. Dies ist der von § 19 Abs. 3 KStG geregelte Fall. Das Bestehen einer Organschaft ist möglich, seitdem Voraussetzung für die Organschaft ist, dass eine inländische Betriebsstätte des Organträgers vorhanden ist.7 Die 1 2 3 4

Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 73. Vgl. Krabbe, BB 1980, 1146. Vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 91 ff. Müller in Mössner/Seeger, § 14 KStG Rz. 9; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 14 KStG Rz. 74 f. 5 Müller in Mössner/Seeger, § 19 KStG Rz. 21 ff.; Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 19 KStG Rz. 25 ff., 28 ff.; BFH v. 31.5.2005 – I R 83/02, BFH/NV 2005, 1462; Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 96; Kamphaus/Nitzschke, IStR 2017, 98 ff. 6 Z.B. Jochimsen in Schnitger/Fehrenbach, § 26 KStG Rz. 237. 7 Vgl. Müller in Mössner/Seeger, § 19 KStG Rz. 56; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 29.

Mössner | 283

Kap. 2 Rz. 2.392 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Anrechnung ist dann aber an die Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 EStG, der gem. § 26 Abs. 1 Nr. 2 KStG anzuwenden ist, gebunden. Danach scheidet eine Anrechnung ausländischer Steuern dann aus, wenn der ausländische Organträger, dessen Betriebsstätte das Organeinkommen zugerechnet wird, im anderen Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Eine Anrechnung von ausländischen Steuern kommt daher nur bei in Drittstaaten erhobenen Steuern in Betracht. – Der Organträger ist über die inländische Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig und die Organgesellschaft hat ihre Geschäftsleitung im Inland und ihren Sitz im EU- oder EWR-Ausland. Rödder/Joisten1 vertreten die Ansicht, dass eine Anrechnung nicht möglich sei, wenn die Einkünfte der Organgesellschaft nicht in einem anderen Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. In dieser Situation ist zunächst § 19 Abs. 3 KStG anzuwenden, der auf eine entsprechende Anwendung von § 19 Abs. 1 KStG verweist. Danach ist die Anrechnung beim Organträger so vorzunehmen, „als wären die Voraussetzungen bei ihm selbst erfüllt“. Dies ist nicht eindeutig. Die Organgesellschaft ist unbeschränkt steuerpflichtig. Dies spricht dafür, die Anrechnung zuzulassen. Andererseits: Hätte der Organträger die Einkünfte selbst bezogen, so schiede eine Anrechnung gem. § 50 Abs. 3 EStG aus. Auch der „soweit“-Satz in § 19 Abs. 3 KStG spricht für die zweite Auslegungsmöglichkeit. Auch die sog. Bruttomethode2 beurteilt das Vorliegen bestimmter Steuermerkmale auf der Ebene des Organträgers. Allerdings fehlt eine § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG entsprechende explizite Regelung in § 19 KStG.

2.392 Ist Organträger eine Personengesellschaft, so ist das Anrechnungsverfahren auf der Ebene der

Gesellschafter durchzuführen, wobei – wie auch sonst bei Personengesellschaften – die ausländische Steuer zwischen den Gesellschaftern aufzuteilen ist (§ 19 Abs. 4 KStG).3

2.393 Auch hier setzt die Anwendung der Maßnahme zur Beseitigung oder Milderung der Doppel-

besteuerung die sich aus dem Begriff derselben ergebende Identität des Steuerpflichtigen voraus. Diese Identität ist zwischen einer ausländischen, Dividenden ausschüttenden und der inländischen, Dividenden empfangenen Körperschaft nur insoweit gegeben, als im Rahmen der direkten Anrechnung die auf die Dividende erhobene Kapitalertrag-(Quellen-)Steuer berücksichtigt wird, nicht aber bzgl. der auf den Gewinn der ausländischen ausschüttenden Gesellschaft erhobenen Steuern.

2.394 Die Hinzurechnung von Einkünften einer ausländischen Basisgesellschaft zu den Einkünften des

inländischen Gesellschafters führt nicht zur Subjektidentität, so dass die von der Basisgesellschaft im Sitzstaat erhobenen Steuern nicht anrechenbar sind.4

2.395 Bei unterschiedlicher Qualifikation ausländischer Rechtsgebilde treten Probleme auf, deren Lö-

sung auch hier auf der einheitlichen Qualifikation nach deutschen Kriterien beruht, in den Einzelheiten aber umstritten ist.5

2.396 Die ausländische Steuer muss der deutschen Körperschaftsteuer entsprechen und auf ausländische Einkünfte i.S.d. abschließenden Aufzählung des § 34d EStG (siehe hierzu Rz. 2.357 ff.) erhoben worden sein, die zugleich im Inland besteuert wurden: „Identität“ des Abgabegegenstandes. Bei Fehlen dieser Identität, weil z.B. die ausländischen Einkünfte in einem der beiden Staaten nicht steuerbar oder steuerbefreit sind, erfolgt keine Anrechnung, da keine doppelte Besteuerung vorliegt.

1 Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 19 KStG Rz. 56; unklar Neumann in Gosch3, § 26 KStG Rz. 18. 2 Siehe Müller in Mössner/Seeger, § 15 KStG Rz. 53; Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann § 15 KStG Rz. 48 f. 3 Rödder/Joisten in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 19 KStG Rz. 58 ff. 4 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 97. 5 Staats in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 26 KStG Rz. 48; Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 94; Krabbe, RIW 1976, 135; Debatin, DB 1977, Beilage 13, 2.

284 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.401 Kap. 2

Anders ist es dagegen, wenn das deutsche und das ausländische Steuerrecht infolge unterschiedlicher Gewinnermittlungsvorschriften zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Erzielt z.B. eine deutsche Körperschaft aus zwei verschiedenen ausländischen Quellen Einkünfte, die nach ausländischem Recht positiv sind, von denen aber nach deutschem Recht eine ein negatives Ergebnis aufweist, so ist auf die deutsche Körperschaftsteuer die ausländische Körperschaftsteuer anrechenbar, die auf beide ausländischen Einkunftsquellen entfällt. Dies folgt daraus, dass alle Einkünfte aus einem ausländischen Staat, auch aus verschiedenen Quellen, zusammenzurechnen sind.1

2.397

Zur Vergleichbarkeit der Steuern sowie zum Katalog der ausländischen Einkünfte gelten die unter Rz. 2.285 zur Einkommensteuer gemachten Ausführungen. Obwohl Körperschaften nach § 8 Abs. 2 KStG stets nur gewerbliche Einkünfte haben, ist wegen der Notwendigkeit der Feststellung der Identität des Abgabengegenstandes eine Aufteilung der ausländischen Einkünfte auf die in § 34d EStG aufgeführten Einkunftskategorien vorzunehmen. Dies erfolgt unter Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise, die allein auf den (hier) im Ausland gegebenen Sachverhalt abstellt und nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die im Inland gegeben sind (z.B. Existenz eines Gewerbebetriebs und daraus folgende Zurechnung zu den gewerblichen Einkünften).2

2.398

Das Verzeichnis in Anhang 12 II EStH 2011 enthält auch – nicht abschließend – die der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuern von Nicht-DBA-Staaten. Im Übrigen gelten die zur Einkommensteuer gemachten Anmerkungen (Rz. 2.285 ff.) bzgl. der Festsetzung, Zahlung, späteren Ermäßigung und Umrechnung der ausländischen Steuer entsprechend.

2.399

Die Anrechnung, die wie bei der Einkommensteuer im Abzug der ausländischen Steuer von der deutschen Steuer besteht, erfolgt gem. § 68a EStDV pro ausländischen Staat („per country limitation“).

2.400

Beispiel: Die unbeschränkt steuerpflichtige A-GmbH erzielt im WJ 01 – inländische Einkünfte i.H.v. 100.000 Euro, – ausländische Einkünfte – Land A – i.H.v. 40.000 Euro, – ausländische Einkünfte – Land B – i.H.v. 30.000 Euro. Die deutsche Körperschaftsteuer beträgt 15 % von 170.000 Euro = 25.500 Euro. Die Steuer im Land A beträgt 4 000 Euro, die im Land B 10.000 Euro. Bei der Anrechnung sind die Einkünfte und die Steuern der Länder A und B gesondert zu behandeln, d.h., es dürfen nicht jeweils ausländische Einkünfte und ausländische Steuern zusammengerechnet werden: Bezüglich des Landes B entsteht deshalb ein Überschuss an ausländischer Steuer von 10.000 Euro – (30.000 Euro × 15 %) 4.500 Euro = 5.500 Euro, der nicht in die Anrechnung auf die Körperschaftsteuer auf die Einkünfte aus dem Land A angerechnet werden darf. Anrechnung für A = (40.000 × 15 %) 6.000 Euro – 4.000 Euro = 2.000 Euro „Guthaben“. Auf die deutsche Steuer von 25.500 sind daher nur 8.500 anzurechnen.

Die Anrechnung ist im Übrigen wie bei § 34c EStG einerseits auf den festgesetzten, gezahlten und keinem Ermäßigungsanspruch3 mehr unterliegenden ausländischen Steuerbetrag beschränkt und andererseits auf den Betrag der deutschen Körperschaftsteuer, der auf die Einkünfte aus dem ausländischen Staat entfällt, die, wie bei der Einkommensteuer, nach deutschem Steuerrecht ermittelt werden.4 Es gilt also die Formel: 1 2 3 4

Vgl. Beckermann/Jarosch, FR 1984, 113. Vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Anm. 14. Siehe im Detail Gosch in Kirchhof16, § 34c EStG Rz. 22. FinVerw 1961, StEK EStG § 34c Nr. 3; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Anm. 82; Streck, BB 1972, 1363, Streck, BB 1973, 32; BFH v. 1.10.1992 – I B 42-43/92, BFH/NV 1993, 156.

Mössner | 285

2.401

Kap. 2 Rz. 2.402 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Anrechnungshöchstbetrag (AHB) = deutsche ESt × ausländische Einkünfte Summe der Einkünfte

2.402 Die deutsche Körperschaftsteuer, die hierbei in Betracht zu ziehen ist, entspricht der Tarifbelas-

tung des § 23 KStG von derzeit 15 v.H., des Betrages vor Anwendung von §§ 37, 38 KStG, d.h. Körperschaftsteuerminderungen oder -erhöhungen sind erst nach Anrechnung ausländischer Steuern zu berücksichtigen, solange noch die Übergangsvorschriften zum Halbeinkünfteverfahren anwendbar sind. Ungelöst ist noch die Frage, wie bei Gewinnausschüttungen zu verfahren ist, die eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft von einer ausländischen Kapitalgesellschaft erhält (siehe Rz. 2.183). Diese bleiben gem. § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz (Rz. 2.383). Soweit das Schachtelprivileg greift, scheidet eine Anrechnung aus. Für Portfolio-Dividenden, auf die im Ausland eine Quellensteuer erhoben wird, stellt sich jedoch die Frage der Anrechnung auf die durch § 8b Abs. 5 KStG hervorgerufene Körperschaftsteuer. Dabei ist entscheidend, was das Gesetz damit meint, dass die Körperschaftsteuer „auf Einkünfte aus diesem Staat entfällt.“ Während der Abzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bei „steuerfreien“ Einkünften, was sich für § 8b Abs. 1 KStG gut vertreten lässt,1 ausgeschlossen ist, kann man durchaus die Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG als eine auf die Dividenden entfallende Steuer ansehen. Dies spricht dafür, die Anrechnung zuzulassen.2

2.403 Wie bei der Einkommensteuer erfolgt die Anrechnung nur der ausländischen Steuer, die den in einem bestimmten Veranlagungszeitraum veranlagten Einkünften zuzurechnen ist (siehe Rz. 2.307). 5. Steuerabzug gemäß § 26 Abs. 1 und 2 Satz 2 KStG

2.404 Gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind entsprechend anwendbar – § 34c Abs. 2 EStG: Dies eröffnet ein Wahlrecht, Abzug statt Anrechnung zu wählen (vgl. Rz. 2.318, 2.408). – § 34c Abs. 3 EStG: Mit diesem Verweis wird auch Körperschaften die Möglichkeit gegeben, ausländische Steuern abzuziehen, bei denen nicht die Voraussetzungen der Anrechnung erfüllt sind (Rz. 2.320, 2.408). – § 34 Abs. 5 EStG: Auch die Ermächtigung für Pauschalierungen und die Erlassmöglichkeiten (Rz. 2.333 ff.) stehen Körperschaften offen.

2.405 Statt der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer kann die deutsche Körperschaft seit 1980

den Abzug der ausländischen Körperschaftsteuer bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte wählen (§ 26 Abs. 6 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG). Die Ausübung dieses Wahlrechts empfiehlt sich z.B. dann, wenn infolge eines negativen inländischen Gesamteinkommens oder weil die ausländischen Einkünfte nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften negativ sind, keine deutsche Körperschaftsteuer anfällt, auf die die ausländische Steuer anrechenbar wäre.3 Da nicht die Höchstbetragsbegrenzung der Anrechnung gilt, kann die ausländische Steuer in voller Höhe abgezogen werden.4 1 H.M. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 133. 2 Vgl. Mössner in Mössner/Seeger, § 26 KStG Rz. 134 m.w.N. 3 Zu den Auswirkungen des Abzugs auf die Gewerbesteuer vgl. Müller-Dott, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 621; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Anm. 251 ff.; Krabbe, BB 1980, 1148; BFH v. 3.4.1962 – I 196/59 U, BStBl. III 1962, 254; v. 14.11.1968 – I R 11/66, BStBl. II 1969, 140; v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920. 4 Pohl in Blümich, § 26 KStG Rz. 103; Müller-Dott in F/W/B/S, KStG § 26 Anm. 245.

286 | Mössner

D. Beseitigung der Doppelbesteuerung | Rz. 2.410 Kap. 2

Der Abzug der ausländischen Steuer mindert die Bemessungsgrundlage, was gegebenenfalls zu einem Verlustvor- oder -rücktrag führt.1

2.406

Voraussetzung des Abzugs ist, dass die Steuer an sich anrechenbar ist (siehe hierzu Rz. 2.320). Der Abzug erfolgt auf Antrag, der bis zur Rechtskraft der Veranlagung und nur einheitlich für jeden ausländischen Staat gestellt werden kann. Im Rahmen einer Organschaft ist der Antrag von der die ausländischen Einkünfte erzielenden Organgesellschaft zu stellen, bei einer Personengesellschaft von den einzelnen Gesellschaftern.

2.407

Der Abzug bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte erfolgt – ohne Wahlrecht – wenn eine Anrechnung nicht möglich ist (§ 26 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 3 EStG), und zwar in den folgenden Fällen:

2.408

– die ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Körperschaftsteuer (Rz. 2.285, 2.329); – es handelt sich nicht um eine Steuer des Ursprungsstaates, sondern um eine Drittstaatensteuer (z.B. Liefergewinnsteuer, die im Drittstaat aufgrund der von der im Zweitstaat belegenen Betriebsstätte getätigten Lieferungen erhoben wird; Rz. 2.330); – die Einkünfte sind nicht als ausländische anzusehen (z.B. Liefergewinnbesteuerung, siehe hierzu Rz. 2.332). Die Rechtsfolgen sind dieselben wie bei § 34c Abs. 2 EStG, d.h., beim Abzug wird kein Unterschied zwischen den der deutschen Körperschaftsteuer entsprechenden und den der deutschen Körperschaftsteuer nicht entsprechenden Steuern gemacht. Die Höchstbetragsbegrenzung des § 34c EStG ist auch hier (Rz. 2.405) im Übrigen nicht anwendbar, abzugsfähig ist die ausländische Steuer in der Höhe, in der sie ohne Begrenzung anrechenbar wäre.

2.409

VI. Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer 1. Allgemeines Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliegen nur inländische Gewerbebetriebe mit ihren Ergebnissen der Gewerbesteuer. Die Gefahr einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung ist deshalb aus der Natur der Gewerbesteuer als Objektsteuer heraus geringer als die der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung. Diese Gefahr besteht auch deshalb nicht, weil überwiegend im Ausland eine der Gewerbesteuer entsprechende Steuer nicht erhoben wird. Der Grundsatz der Territorialität der Gewerbesteuer besagt allerdings nicht, dass ausländische Einkünfte eines inländischen Gewerbebetriebes nicht erfasst werden. Soweit nicht die Kürzungen gem. § 9 Nr. 3, 7 und 8 GewStG eingreifen, werden auch Einkünfte aus dem Ausland besteuert (Rz. 2.416). Das GewStG enthält jedoch keine Vorschrift über die Anrechnung ausländischer Steuern.2 Letztere scheidet damit aus.3 Anders ist es jedoch mit dem Abzug ausländischer Steuern (Rz. 2.318). Diese ermäßigen die Bemessungsgrundlage der Einkommen- und Körperschaftsteuer, sodass sie über §§ 7 GewStG auch diejenige der Gewerbesteuer mindern. Hier sieht dann § 8 Nr. 12 GewStG die Hinzurechnung der abgezogenen Steuern vor, allerdings nur dann, wenn die Gewinne nicht der Gewerbesteuer unterliegen, da es sonst zu einer Doppelbegünstigung käme. Dies betrifft die Fälle, dass die Gewinne nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages erfasst werden – z.B. ausländische Betriebsstättengewinne – oder gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG gekürzt werden.4

1 Umstritten, vgl. BFH v. 21.10.1981 – I R 149/77, BStBl. II 1982, 177; Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Anm. 245. 2 Gosch in Blümich, § 7 GewStG Rz. 55. 3 Ebenso Becker/Loose, IStR 2012, 58. 4 Zu Einzelheiten vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 210.

Mössner | 287

2.410

Kap. 2 Rz. 2.411 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.411 Wegen des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer enthält das GewStG Regelungen, die im Er-

gebnis eine Doppelbesteuerung vermeiden. Zum einen unterliegt der deutschen Gewerbesteuer, die den Gewerbebetrieb als solchen betrifft, ohnehin nur das stehende Gewerbe, soweit es im Inland betrieben wird, d.h. soweit im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Folgerichtig wird der Gewerbeertrag um den Gewerbeertrag ausländischer Betriebsstätten gekürzt (§ 9 Nr. 3 GewStG, siehe Rz. 2.413). Man könnte daher durchaus von einer unilateralen Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne sprechen. Der Kürzung entspricht eine Hinzurechnung der Gewerbeverluste ausländischer Betriebsstätten.1

2.412 Die anderen Kürzungsvorschriften betreffen Erträge aus ausländischen Beteiligungen. 2. Übersicht über die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Gewerbesteuer

2.413 Gemäß § 9 Nr. 3 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um

den Teil des Gewerbeertrages eines inländischen Unternehmens, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt. Dies ergibt sich eigentlich schon aus § 2 Abs. 1 GewStG und wird bei den Kürzungsnormen zwecks Klarstellung wiederholt.2 Die Kürzung setzt voraus, dass das Ergebnis der ausländischen Betriebsstätte Teil des Gewerbeertrages ist. Hierunter sind Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO zu verstehen. Die Probleme liegen jedoch in der Ermittlung des ausländischen Betriebsstättenergebnisses. Hierzu sind grundsätzlich die Methoden der Betriebsstättengewinnermittlung (Rz. 5.94 ff.) geeignet.3 R 2.8 f. GewStR wollen die Zerlegung gem. §§ 29 ff. GewStG sinngemäß anwenden, was als Schätzungsmethode in der Praxis durchaus geeignet sein kann, solange keine eindeutigeren Kriterien gegeben sind. Im Übrigen ist nicht der ausländische Ertrag schlechthin von der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auszunehmen, sondern nur der der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnende Anteil.4 Infolge der Kürzung sind auch die auf die Auslandsbetriebsstätte entfallenden sonstigen Hinzurechnungen und Kürzungen zu neutralisieren.

2.414 § 9 Nr. 2 GewStG sieht die Kürzung auch um die Anteile am Gewinn einer ausländischen Per-

sonengesellschaft vor, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Den Kürzungen entspricht die Verpflichtung, einen negativen Ertrag aus einer solchen Beteiligung, soweit er bei der Ermittlung des Gewerbeertrages abgezogen wurde, wieder hinzuzurechnen (§ 8 Nr. 8 GewStG). Diese Norm dient der Abgrenzung der Gewerbesteuersubjekte, da Personengesellschaften selbst der Gewerbesteuer unterliegen. Da ausländische Personengesellschaften als solche nicht gewerbesteuerpflichtig sind, wurden die Gewinnanteile an ihnen als gewerbesteuerpflichtig behandelt.5 Für die Ausdehnung der Kürzung auf diese waren vornehmlich wirtschaftspolitische Gründe ausschlaggebend.6 Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften können sowohl direkte als auch mittelbare Beteiligungen sein. Nach BFH7 gilt die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG nicht für rein vermögensverwaltende Gesellschaften. Voraussetzung der Kürzung ist, dass eine ausländische Personengesellschaft in dem ausländischen Staat einer der Gewerbesteuer entsprechenden Steuer unterliegt und deshalb eine Maßnahme zur Vermeidung der doppelten Besteuerung notwendig ist.8 Nicht zu dem Kürzungsbetrag gehört der sich aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils ergebende Veräußerungsgewinn.

1 BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744. 2 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 212, dort auch Erläuterung der Besonderheiten bei Seeschifffahrtsunternehmen. 3 BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743. 4 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405. 5 BFH v. 7.12.1971 – VIII 16/65, BStBl. II 1972, 388; anders Lempenau, DB 1972, 743. 6 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 132. 7 BFH v. 7.4.1967 – VI 294/65, BStBl. II 1967, 559; v. 7.2.1985 – IV R 31/83, BStBl. II 1985, 372. 8 BFH v. 7.12.1971 – VIII 16/65, BStBl. II 1972, 388.

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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.417 Kap. 2

Schließlich stellt die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG unter den Voraussetzungen der Schachtelbeteiligung und der aktiven Tätigkeit auch die Erträge bzw. die Anteile an ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften von der deutschen Gewerbesteuer frei.1 Hierbei handelt es sich um eine einseitige nationale Maßnahme, um Dividenden, die ein inländisches Unternehmen von aktiv tätigen ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften bezieht, von der Gewerbesteuer auszunehmen. Da das Gesetz mit § 9 Nr. 2a GewStG inländische Schachtelbeteiligungen begünstigt, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, im Sinne einer Gleichbehandlung2 auch ausländische Schachtelbeteiligungen auszunehmen. Man hätte gegen die Notwendigkeit der Gleichbehandlung einwenden können, dass das inländische Schachtelprivileg der Vermeidung der Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft und dem die Dividenden empfangenden Unternehmen dient3 und dass ausländische Kapitalgesellschaften nicht mit ihrem Gewinn der deutschen Gewerbesteuer unterliegen, es folglich nicht zur Doppelbelastung kommt. Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht. Der Gewerbesteuer in ihrer heutigen Form als reine Ertragsteuer entspricht durchaus die Körperschaftsteuer, die die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat entrichtet. Insbesondere nach der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 v.H. erhält die Gewerbesteuer den Charakter einer überwiegenden Unternehmensteuer für Kapitalgesellschaften. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg wird ab dem Veranlagungszeitraum 2008 ab einer Mindestbeteiligung von 15 v.H. (bis 2007: 10 v.H.) gewährt. Neben der Mindestbeteiligung seit Beginn des Erhebungszeitraumes wird vorausgesetzt, dass die Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft ausschließlich oder „fast ausschließlich“ aus aktiven Tätigkeiten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG stammen.4

2.415

Wie in Rz. 2.410 bereits dargelegt unterliegen die ausländischen Einkünfte, die nicht Betriebsstätteneinkünfte sind, der Gewerbesteuer. Dies gilt insbesondere für Dividenden, bei denen die Mindestbeteiligung (Rz. 2.415) nicht erreicht wird (sog. Portfolio-Dividenden). Aber auch Zins- und Lizenzeinnahmen, die zu den gewerblichen Einkünften gehören (§ 7 GewStG), ebenso andere gewerbliche Einkünfte wie z.B. aus Immobilieninvestitionen im Ausland sind gewerbesteuerpflichtig. Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf diese Einkünfte vgl. Rz. 2.515.

2.416

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge Deutschland hat mit seinen wichtigen Handelspartnern5 Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen, die weitgehend6 dem Abkommensmuster der OECD (OECD-MA)7 folgen. Kern dieser DBA ist die gemeinsame, abgestimmte Beseitigung der Doppelbesteuerung. Als bilaterale Methoden kommen überwiegend die Freistellungsmethode – oder Befreiungsmethode (exemption) – und die Anrechnungsmethode (credit) zur Anwendung. Bei Letzterer wird weitgehend auf die unilaterale Anrechnung verwiesen. Diese Abkommen wurden und werden zwischen zwei Staaten abgeschlossen. Diese Tatsache erschwert erheblich die Anpassung der einzelnen Abkommen an neuere Entwicklungen, da in einem derartigen Fall alle bestehenden Abkommen neu verhandelt und entsprechend angepasst werden müssen. Dies kann Jahre in Anspruch nehmen. Um die durch die Umsetzung der BEPS-Aktionen erforderlichen Änderungen der DBA wurde in Aktionspunkt 15 die Entwicklung eines multilateralen Instruments zu Änderung der Abkommen vorgeschlagen, das als Multilateral Convention to implement Tax Treaty related Measures to prevent Base Erosion and Profit Shifting am 24.11.2016 1 2 3 4 5 6

Zu Details vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 286 ff. Vgl. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 288. Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 161. Vgl. hierzu wie im Übrigen die detaillierte Darstellung von Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 304 ff. Zusammenstellung der deutschen Abkommen regelmäßig im BStBl. I. Zur deutschen Vertragspolitik vgl. Ritter, BB 1991, 353; siehe auch Menck in FS Debatin, 305; Höfer in FS Flick, 805 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008. 7 Letzte Ausgabe; OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital, Paris, 2010.

Mössner | 289

2.417

Kap. 2 Rz. 2.418 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung in Paris von der OECD vorgelegt und am 7.6.2017 unterzeichnet wurde.1 So bestechend die Idee ist, mit einem multilateralen Abkommen alle bestehenden DBA anzupassen, so vielfältig sind die rechtlichen, noch ungeklärten Probleme des Vorschlags. Das Multilaterale Instrument ist kein umfassendes DBA, sondern enthält nur punktuelle, vom BEPS-Projekt geforderte Änderungen.2 Zudem erlaubt es den einzelnen Staaten bei einer Unterzeichnung eine gewisse Flexibilität. Dies führt aber nicht zur Vereinfachung der Anwendung, sondern zur großen Vielfalt der Anwendung, so dass die Auswirkung auf die Abkommen eines Staats mit den anderen Staaten je nach Umfang der vom anderen Staat gemachten Vorbehalte unterschiedlich ist. Dies alles führt nicht zur Vereinfachung der Anwendung des jeweiligen DBA. Wie diese Probleme gelöst werden, ist noch nicht abschließend erkennbar. Zudem ist auch offen, welche Wirkung das Multilaterale Instrument bei künftigen bilateralen Neuverhandlungen eines DBA entfaltet. Es werden zwar Möglichkeiten der Umsetzung diskutiert, aber erst mit Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs wird sich der Nebel lichten.

I. Wesen und Geltungsbereich der Staatsverträge auf steuerlichem Gebiet 1. Wesen der Doppelbesteuerungsabkommen

2.418 DBA werden als Staatsverträge Deutschlands mit anderen Staaten gem. Art. 59 GG abgeschlossen. Sie begründen, wenn sie in einem ordnungsgemäßen Verfahren3 zustande gekommen sind, Rechte und Pflichten zwischen ihren Vertragspartnern, d.h. den Staaten als Völkerrechtssubjekten. Ihrem Inhalt nach beeinflussen sie aber auch das innerstaatliche Steuerrecht der beteiligten Staaten bei der Besteuerung, sie entfalten somit auch Wirkung im deutschen Steuerrecht. Mit Art. 59 Abs. 2 GG sind4 sowohl die – vorzugswürdige – Adoptionstheorie5 als auch die – veraltete – modifizierte Transformationstheorie6 vereinbar. Die Haltung der FG ist unklar, obwohl der BFH letzterer Theorie zuzuneigen scheint.7 Damit der Steuerpflichtige eine Individualberechtigung8 aus den DBA ableiten kann, ist Voraussetzung, dass – eine Norm des DBA ihm eine günstige Rechtsposition verleiht und – diese Norm self-executing ist, d.h. so klar und eindeutig ist, dass sie keines Umsetzungsaktes in deutsches Recht bedarf. Die DBA haben innerstaatlich den Rang von Bundesgesetzen, da sie gem. Art. 59 Abs. 2 GG – mittels Zustimmungsgesetz – von den gesetzgebenden Körperschaften beschlossen werden.

2.419 Der Aufbau der DBA folgt einem gleichbleibenden Schema: Nach einleitenden, den Anwendungsbereich festlegenden und allgemeine Definitionen enthaltenden Bestimmungen (Art. 1–5 OECDMA) folgen die „Verteilungsnormen“9 in den Art. 6–22 OECD-MA, die durch den sog. Methoden-

1 2 3 4 5 6 7

8 9

Siehe Reimer, IStR 2017, 1 ff. Siehe auch Polatzky/Balliet/Steinau, IStR 2017, 226 ff. Vgl. Streinz in Sachs, Art. 59 GG Rz. 47 ff. Vgl. die grundlegende Analyse DGVR – Berichte Bd. 6 (1964), 156 ff. Auch Vollzugs- oder Adaptionstheorie; vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 32 II; Schweitzer, Staatsrecht III, Rz. 418 ff.; Pernice in Dreier, Art. 59 GG Rz. 48. Vgl. Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, Tübingen 1967. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BFH/NV 1997, 760, siehe auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECDMA Rz. 7a mit differenzierter Stellungnahme; zur Haltung der anderen Gerichte Schweitzer, Staatsrecht III, Rz. 443; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 32 II; vgl. BVerfG v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76, BVerfGE 46, 342 (363); v. 18.12.1984 – 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1 (85); v. 12.7.1994 – 2 BvE 3/92 u.a., BVerfGE 90, 286 (358). Allgemein vgl. Streinz in Sachs, Art. 59 GG Rz. 67. Hierzu Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1a ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 41–49; anders Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1: Steuerermäßigungsnormen.

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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.420 Kap. 2

artikel (Art. 23A/B OECD-MA) komplettiert werden.1 Aus dem Zusammenspiel dieser Normgruppen ergibt sich: – eine eigenständige Aufteilung in Kategorien von Einkünften, die teils mit den nationalen Einkunftsarten korrespondieren, teils ganz eigenen Einteilungen folgen, z.B. 14 „Einkunftsarten“ im OECD-MA und 7 Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 EStG; – eine Gliederung in drei Fallgruppen2 bei den Einkunftsarten: 1. Der Quellenstaat darf keine Steuern erheben, sodass ausschließlich der Ansässigkeitsstaat besteuert. Die „Verteilungsnorm“ ist dann self-executing, der Steuerpflichtige kann sich unmittelbar auf den Ausschluss der Quellenbesteuerung berufen. 2. Die Besteuerung im Quellenstaat wird vom DBA nicht eingeschränkt. Die Abkommen unterscheiden zwei Gruppen: a) Es besteht ein ausschließendes Besteuerungsrecht im Quellenstaat. Das Abkommen spricht dann davon, dass „nur“ der Quellenstaat besteuern darf. b) Das DBA sagt lediglich, dass der Quellenstaat besteuern „darf“. 3. Im Quellenstaat findet zwar eine Besteuerung statt, diese wird allerdings auf einen bestimmten Steuersatz begrenzt. In den Fällen 2 und 3 überträgt der Methodenartikel dem Ansässigkeitsstaat die Aufgabe, die Doppelbesteuerung zu beseitigen, wobei unklar ist, ob im Fall 2a sich die Wirkung im Ansässigkeitsstaat bereits aus der Verteilungsnorm selbst ergibt.3 Grundlage dieses Ansatzes ist die von Schanz4 und Garelli5 entwickelte Vorstellung der wirtschaftlichen Zugehörigkeit von Einkunftsarten zum Quellen- oder Ansässigkeitsstaat oder beiden, je nach dem Beitrag, den diese zur Erzielung der Einkünfte leisten.6 Somit wirken DBA einschränkend auf die nach nationalem Steuerrecht kraft der Souveränität der Staaten autonom erhobenen Steuern ein. Die Besteuerung erfolgt immer auf der Grundlage nationalen Rechts. Dieses legt fest, wer, was und wie mit welcher Steuer belegt wird. Das DBA verpflichtet die Staaten, ihren nationalen Steueranspruch zurückzunehmen (sog. Schrankenwirkung7). Die französische Steuerwissenschaft verwendet hierfür den anschaulichen Begriff der Subsidiarität des DBA. Grund und Umfang des Steueranspruchs ergeben sich aus dem nationalen Steuerrecht.8 Theoretisch könnten allerdings Staaten in einem Staatsvertrag die Grundlagen der Besteuerung regeln, doch dies ist nicht die Aufgabe der bestehenden DBA, die traditionsgemäß ein System gegenseitiger Steuerverzichte9 darstellen. Dem Gedanken der wirtschaftlichen Zugehörigkeit (Rz. 2.419) einzelner Steuergüter treten die Prinzipien der Kapitalexportneutralität und -importneutralität zur Seite.10 1 Die weiteren Art. betreffen Fragen der Diskriminierung und der Verwaltung; vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 550–560. 2 Vgl. Einleitung Tz. 20 OECD-MA. 3 Vgl. Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 12, Art. 23A OECD-MA Rz. 10; BFH v. 21.1.2016 – I R 49/14, BFHE 253, 115: Grundlage in Art. 23. 4 Schanz, FA N.F. 13, 1 ff. (1896). 5 Garelli, Il diritto internazionale tributario, Turin 1899, 35 ff. 6 Eine der Markteinkommenstheorie verwandte Vorstellung; vgl. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 211. 7 Der Begriff stammt von Debatin, RIW 1989, 551; Debatin, DStR 1992 Beihefter 23, 1; ablehnend Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1, Art. 1 OECD-MA Rz. 9, Kluge, Das Internationale Steuerrecht, Rz. 22. 8 Vogel in FS Klein, S. 361; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 130 ff. 9 Erstmals Dorn, StuW 1926, 98; Debatin in Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik I, 36. 10 Unterscheidung durch Musgrave nach Vogel, Worldwide vs. source taxation of income – A review and re-evaluation of arguments, intertax vol. 16, 1988, abgedruckt bei Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, 1991, 77.

Mössner | 291

2.420

Kap. 2 Rz. 2.421 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Erstere stellt auf die Gleichheit der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat ab, indem in- und ausländische Einkünfte unter dem Aspekt der Leistungsfähigkeit gleichgesehen werden,1 während Letztere auf die Wettbewerbsgleichheit im Staate der Erzielung der Einkünfte abstellt. Den Prinzipien entsprechen das Wohnsitzprinzip mit dem Welteinkommensprinzip einerseits und das Territorialitätsprinzip oder Quellenprinzip andererseits. Verwirklicht werden sie durch die Freistellung entweder im Quellen- oder im Wohnsitzstaat. Die Anrechnungsmethode nimmt eine Zwitterstellung ein. Je nachdem, in welchem Staat die Steuer höher ist, wird das eine oder das andere Prinzip verwirklicht (Rz. 2.257, 2.262).

2.421 Somit zielen DBA nicht auf eine Harmonisierung oder Angleichung der Steuersysteme ab, sondern

beschränken lediglich die Auswirkungen der nationalen Steuersysteme in dem Falle, dass eine Doppelbesteuerung vorliegt.2 Dies hat zur Folge, dass jeweils drei unterschiedliche Rechtskreise mit ihren eigenen Begriffen zu beachten sind: die Steuerrechte der beiden beteiligten Staaten und die Begriffe des Abkommens selbst. So ist es bspw. denkbar, dass ein Bezug von Zinsen in einem Vertragsstaat als gewerbliche Einkünfte, im anderen als freiberufliche Einkünfte und im DBA als Zinseinkünfte charakterisiert wird. Da die DBA naturgemäß Begriffe verwenden, die auch in den nationalen Steuerrechten der Vertragsstaaten vorkommen, ist es eine Frage der Abkommensauslegung, ob die Begriffe i.S.d. nationalen Steuerrechts (sog. nationale Theorie) zu verstehen sind. Die umstrittene3 Regel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA löst letztlich wegen ihrer Unklarheiten die Probleme nicht. Die nationale Theorie birgt die Gefahr, dass die Vertragsstaaten je nach ihrem nationalen Recht auf dieselben Einkünfte unterschiedliche DBA-Artikel anwenden (sog. Qualifikationskonflikt)4. Die Folgen können doppelte Besteuerung oder Nichtbesteuerung sein, sodass das DBA seine Aufgabe verfehlt und die Situation schlechter als ohne DBA ist. Beispiel:5 Der deutsche Gesellschafter G einer US-Partnership gewährt dieser ein Darlehen. Nach USRecht erzielt G Zinseinkünfte, die nach dem DBA nicht in den USA besteuert werden. Nach deutschem Recht gehören die Zinsen als Sondervergütungen zu den gewerblichen Einkünften einer US-Betriebsstätte, die nicht in Deutschland besteuert werden.

2.422 Es ist die Tendenz zu beobachten,6 dass der Ansässigkeitsstaat der Qualifikation der Einkünfte sei-

tens des Quellenstaates folgt.7 Dies lässt sich so begründen: Gemäß Art. 23A Abs. 1 OECD-MA hat der Ansässigkeitsstaat diejenigen Einkünfte freizustellen, die der Quellenstaat „nach dem Abkommen besteuern kann.“ Lässt das DBA die Besteuerung im Quellenstaat zu, z.B. als Betriebsstätteneinkünfte, so hat der Ansässigkeitsstaat entsprechend Freistellung zu gewähren, selbst wenn es sich nach seinem Verständnis um Zinseinkünfte handelt, die nur er nach dem DBA besteuert. Diese Auffassung verdient Zustimmung. Entscheidend ist, ob die Besteuerung im Quellenstaat in Übereinstimmung mit den Regeln des Abkommens erfolgt: Kommt er in seiner Auslegung des DBA – ggf. – unter Anwendung seines nationalen Steuerrechts gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zu dem Ergebnis, dass das Abkommen sein Besteuerungsrecht nicht tangiert, so besteuert er in Übereinstimmung mit dem Abkommen, woran Art. 23 OECD-MA die Verpflichtung des Ansässigkeitsstaates knüpft, per Anrechnung oder per Freistellung, um die Doppelbesteuerung zu vermeiden.

1 Schaumburg in FS Tipke, S. 125; krit. Mössner in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, 253 (258 f.). 2 Zur Verhinderung einer doppelten Nichtbesteuerung vgl. Lang (Hrsg.), Avoidance of double non-taxation, Wien 2003. 3 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 97 ff. m.w.N. 4 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 150 ff.; krit. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, S. 418 ff. 5 Überholt seit BFH v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; siehe auch v. 21.7.1999 – I R 71/98, BStBl. II 2000, 336. 6 Grundlegend Dery/Ward, Interpretation of double tax conventions, CDFI LXXVIIIa, Canada, 259 (281 ff.); Art. 23 Rz. 32.1 ff. OECD-MK; Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 176 ff. 7 So schon Debatin in Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik IV, 139 („Qualifikationsverkettung“); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.552.

292 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.427 Kap. 2

Die sich aus der Anwendung der DBA ergebenden Einschränkungen des nationalen Steuerrechts erfolgten traditionsgemäß ohne Rücksicht darauf, ob der andere Staat jeweils von seinem Doppelbesteuerungsrecht Gebrauch macht oder nicht: Sieht z.B. ein DBA die Freistellung von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen eines Staates vor, die dieser in dem anderen Staat erzielt, so wurde die Freistellung unabhängig davon gewährt, ob der andere Staat diese Einkünfte tatsächlich besteuert. Die DBA vermieden also nicht nur die tatsächliche, sondern auch die virtuelle Doppelbesteuerung.1

2.423

Dieser Grundsatz unterliegt einem allmählichen Wandel2 der Rechtsvorstellungen, in dem zunehmend DBA die Zuweisung des Besteuerungsrechts bestimmter Einkünfte an einen anderen Staat von der Bedingung abhängig machen, dass dieser Staat auch tatsächlich von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht, sog. „subject-to-tax-clause“3 (Rz. 2.467 ff.). Das OECD-MA sieht seit 2000 in Art. 23A Abs. 4 das Absehen von der Freistellung vor, wenn der Quellenstaat gem. seiner Auslegung des Abkommens dazu kommt, dass sein eigenes Besteuerungsrecht aufgehoben ist.

2.424

Andere Abkommen wiederum machen die Abkommenserleichterung im Quellenstaat davon abhängig, dass die betreffenden Einkünfte in den Wohnsitzstaat überwiesen („remitted“) werden4 (Rz. 2.474).

2.425

2. Geltungsbereich der Doppelbesteuerungsabkommen a) Persönlicher Anwendungsbereich Gemäß Art. 1 OECD-MA ist ein DBA auf Personen anwendbar (Abkommensberechtigung), die in einem oder beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Die Begriffe „Person“ und „ansässig“ werden in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 4 OECD-MA definiert.5 Beide Begriffe – Person, Ansässigkeit – bedürfen der Auslegung.

2.426

„Personen“ sind demnach natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; als Gesellschaften werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA) juristische Personen oder Rechtsträger angesehen, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden.6 Die Anwendung dieser Bestimmung bereitet vor allem bei Personengesellschaften7 erhebliche Probleme, wenn die beteiligten Staaten Personengesellschaften steuerlich einerseits transparent, andererseits intransparent behandeln. Bei diesem Qualifikationskonflikt (Rz. 1.249 f.) ist eigentlich nur geklärt,8 dass eine Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat intransparent besteuert wird, d.h. wie eine Kapitalgesellschaft steuerlich behandelt wird, für diesen Staat abkommensberechtigt ist, weil sie in diesem Staat aufgrund ihres Sitzes der unbeschränkten Steuerpflicht als Gesellschaft unterliegt. Sie kann daher ihrem Sitzstaat gegenüber sich auf alle Abkommensbestimmungen berufen,

2.427

1 St. Rspr., vgl. BFH v. 8.3.1989 – X R 181/87, BStBl. II 1989, 541; v. 19.5.1993 – I R 64/92, BFH/NV 1994, 11 – krit. beleuchtet wird dieser allg. als selbstverständlich hingenommene Grundsatz von Mössner, Rechtsprechungsreport IStR 1980–1989, Herne 1991, Rz. 489; siehe auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 74 f. 2 Lang, IStR 2002, 609. 3 Siehe Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19 ff. 4 Siehe Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18 f.; siehe auch BFH v. 29.11.2000 – I R 102/99, BStBl. II 2001, 195; zu den Auslegungsregeln s. auch Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 78 ff. 5 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 4 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.169 ff.; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 ff. 6 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 13 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18 f.; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 34 ff. 7 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.177 ff.; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 40 ff. 8 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.179 m.w.N.

Mössner | 293

Kap. 2 Rz. 2.428 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung die für Kapitalgesellschaften gelten. Bezieht sie aus dem anderen Vertragsstaat bspw. Dividenden, so ist schon strittig, ob der andere Staat sie als Kapitalgesellschaft behandeln muss, ihr also z.B. die Schachtelvergünstigung bei Quellensteuern auf den Dividendenbezug gewähren muss. Ebenso ist strittig, wie die in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter zu behandeln sind. Beispiel: Der in Deutschland ansässige I ist an einer spanischen Personengesellschaft beteiligt, die in Spanien intransparent besteuert wird. Die Gesellschaft ist an einer deutschen GmbH beteiligt und erhält von dieser eine Dividende. Nach deutschen Vorstellungen vermittelt die Gesellschaft dem I eine Betriebsstätte in Spanien. Deren Einkünfte sind im Inland unter Progressionsvorbehalt freigestellt. Es kommt darauf an, ob die Beteiligung an der GmbH funktional zur Betriebsstätte gehört. Ist dies nicht der Fall, bezieht I die Dividende unmittelbar. Nach spanischem Recht bezieht die Gesellschaft die Dividende. Würde Deutschland die Behandlung in Spanien für sich übernehmen, dann könnte es die an die Gesellschaft ausgeschüttete Dividende nicht besteuern (Schachtelvergünstigung). Erfolgt dann später von der spanischen Gesellschaft eine Ausschüttung an I, so müsste Deutschland dies nicht als Repatriierung steuerfreier Betriebsstätteneinkünfte, sondern als Dividende besteuern. Hierfür fehlt aber die Rechtsgrundlage.

2.428 Als „ansässig“ in einem Vertragsstaat gilt nach Art. 4 Nr. 1 OECD-MA eine Person, die dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres persönlichen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen Merkmals steuerpflichtig ist, unter Ausschluss von Personen, die in dem betreffenden Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat belegenen Vermögensteilen steuerpflichtig sind.1 Diese Definition steht ausschließlich im Zusammenhang mit den „operativen“ Art. 6–22 OECD-MA, bei denen jeweils zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem Quellenstaat unterschieden wird. Sie verändert nicht die nach nationalem Steuerrecht gegebene unbeschränkte Steuerpflicht Rz. 2.432).

2.429 Steuerpflichtige, die in beiden Vertragsstaaten nur aufgrund dort belegener Vermögensteile oder

aufgrund von Einkünften aus dortigen Quellen steuerpflichtig sind, sind nicht abkommensberechtigt: In mindestens einem der Staaten muss die unbeschränkte Steuerpflicht bestehen. Betriebsstätten sind keine „Personen“ und demgemäß als solche nicht abkommensberechtigt.2 Abkommensberechtigt ist nur der Inhaber der Betriebsstätte, wenn er eine in einem der beiden Vertragsstaaten ansässige Person ist. Besteht in keinem Staat die unbeschränkte Steuerpflicht mit Welteinkommensbesteuerung, so kommt es nach Vorstellung des DBA nicht zur Doppelbesteuerung, da das Abkommen idealtypisch die Konkurrenz von beschränkter Steuerpflicht in einem Staat und unbeschränkte Steuerpflicht in einem anderen Staat vor Augen hat. Den Konflikt, der daraus entsteht, dass zwei Staaten dieselben Einkünfte nur im Rahmen beschränkter Steuerpflicht besteuern, löst ein DBA nicht, da es aufgrund der dann territorialen Besteuerung nicht zur Doppelbesteuerung kommt.

2.430 Selbstverständlich besteht die Abkommensberechtigung auch dann, wenn der betreffende Steuerpflichtige in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig ist. Das OECD-MA stellt also für die Abkommensberechtigung auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht eines oder beider Vertragsstaaten ab.3

2.431 Die Staatsangehörigkeit ist damit, anders als in älteren Abkommen, nicht mehr ausschlaggebend

für die Abkommensberechtigung.4 Nach deutschem Steuerrecht ergibt sich die Ansässigkeit i.S.d. Abkommen aus den einzelgesetzlichen Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht, d.h. § 1 EStG und § 1 KStG.

2.432 Erst wenn die Frage der Abkommensberechtigung geklärt ist, wird nach den Kriterien des Abkom-

mens selbst (Art. 4 Nr. 2 und 3 OECD-MA – sog. tie-breaker-rule) bestimmt, in welchem der bei1 2 3 4

Vgl. Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 32, 37. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 8, zur unionsrechtlichen Problematik siehe ebenda Rz. 12. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.164. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 6.

294 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.436 Kap. 2

den Vertragsstaaten die Person für die Zwecke der Abkommensanwendung als ansässig gilt. Die deutschen DBA entsprechen in diesem Punkte überwiegend dem OECD-MA.1 Dabei wird anhand gestuft anzuwendender Kriterien die Ansässigkeit i.S.d. Abkommens für einen Staat festgelegt. Dies ist zum Funktionieren der Verteilungsnormen erforderlich. Die Feststellung der Ansässigkeit für Zwecke der Anwendung der DBA hat jedoch, entgegen einer in der Praxis weitverbreiteten Annahme, keine Auswirkung2 auf die unbeschränkte Steuerpflicht, die zuvor bei der Prüfung der Abkommensberechtigung festgestellt wurde: Ist ein aufgrund seines Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtiger zugleich in einem anderen Vertragsstaat unbeschränkt steuerpflichtig und gilt er für die Anwendung des Abkommens, d.h. für die Zuordnung des „Besteuerungsrechts“ bzgl. bestimmter Einkunfts- oder Vermögensteile, als in dem anderen Staat „ansässig“, so werden seine durch das Abkommen der Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte hier nach den Regeln der unbeschränkten Steuerpflicht besteuert.3 Er wird etwa nicht zum beschränkt Steuerpflichtigen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass im Verhältnis zu einem Drittstaat die Dinge anders liegen können.

2.433

Beispiel: A hat in Deutschland einen Wohnsitz, in Frankreich ebenfalls. Seine Familie lebt in Paris. Einkünfte erzielt er aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Im Verhältnis D–F ist A in F ansässig. Im Verhältnis D-CH in D.

Damit kann sich A auf die beiden DBA unabhängig voneinander berufen; er ist nicht etwa i.S.d. Abkommen D-CH in Frankreich ansässig und somit nicht nach diesem Abkommen abkommensberechtigt. Finanzbehörden versuchen immer wieder, mit Berufung auf die Regelungen eines Abkommens Steuerpflichtigen die Rechte aus anderen Abkommen streitig zu machen. Außer für die Abkommensberechtigung ist die Ansässigkeit auch Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Wohnsitz-(Ansässigkeits-)Staat gegenüber der Besteuerung im Quellenstaat, d.h. für die Entscheidung darüber, auf welcher Seite welche Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden ist.4

2.434

Besondere Probleme entstehen, wie dargelegt, bei Personengesellschaften und sonstigen Personenzusammenschlüssen, die in einem Vertragsstaat als Steuersubjekt behandelt werden, während im anderen Vertragsstaat ihre Einkünfte und Vermögen auf der Ebene der Gesellschafter besteuert werden.5 Während das Merkmal „Person“ in Art. 1 OECD-MA gem. Art. 3 Abs. 1 OECD-MA auch Personenvereinigungen umfasst, scheitert die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft am Merkmal der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 OECD-MA, wenn die Gesellschaft steuerlich transparent ist. 1999 hat die OECD die sich daraus ergebenden Probleme analysiert6 und die Ergebnisse der Studie als Rz. 2–6, 7 in Art. 1 OECD-MK übernommen.7 Die Staaten folgen diesen Empfehlungen nur zögernd. Der BFH lehnt sie ab.8

2.435

Die von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA regeln die Problematik der Abkommensberechtigung bei Personengesellschaften bzw. ihren Gesellschaftern so unterschiedlich, dass keine allgemeine Auslegung der DBA aus diesen Regeln herausgearbeitet werden kann.9

2.436

Übersicht bei Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 140. Zur Unabhängigkeit der Ebenen voneinander vgl. BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 9 ff.; Wassermeyer/Kaeser, Art. 4 OECD-MA Rz. 2. Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.174. Siehe die ausführliche Darstellung bei Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 40–79. Bericht „The application of the OECD-Model Tax Convention of partnerships“, Paris 1999. Zu Einzelheiten siehe Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.168 ff.; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 13–50. 8 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 9 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 61.

1 2 3 4 5 6 7

Mössner | 295

Kap. 2 Rz. 2.437 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

2.437 Auch bei Kapitalanlagegesellschaften ergeben sich ähnliche Probleme bzgl. der Abkommens-

berechtigung, die ebenfalls noch nicht abschließend geklärt sind und je nach DBA-Vertragspartner auch unterschiedlich gelöst werden.1 b) Sachlicher Anwendungsbereich

2.438 Während Art. 1 OECD-MA den persönlichen Anwendungsbereich der DBA i.S.d. Abkommens-

berechtigung des Steuerpflichtigen regelt, bestimmt Art. 2 OECD-MA sowohl, für welche Steuerarten das DBA gilt („sachlicher Anwendungsbereich“),2 als auch, für welche Steuergläubiger das Abkommen gilt („persönlicher Anwendungsbereich“).

2.439 Nach Art. 2 Abs. 1 OECD-MA gelten die DBA – für die Steuern vom Einkommen sowie – für die Steuern vom Vermögen, – die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, und zwar – „ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“.

2.440 Die „Erläuterung“ des Art. 2 Abs. 2 OECD-MA, die als Steuer vom Einkommen und Steuer vom Vermögen alle Steuern bezeichnet, die vom Gesamteinkommen, von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden,3 ist eine Tautologie, da die Begriffe „Einkommen“ sowie „Vermögen“ durch sich selbst definiert werden. Was als Einkommen und Vermögen unter das DBA fallen kann, muss deshalb aus dem Zusammenhang mit den Art. 6–22 OECD-MA herausgearbeitet werden.

2.441 Für den Begriff der „Steuern“, der in Art. 2 OECD-MA ebenfalls nicht definiert wird, ist auf das innerstaatliche Recht des anwendenden Staates zurückzugreifen, auf deutscher Seite also auf die Definition der Steuer in § 3 Abs. 1 AO.4

2.442 Art. 2 Abs. 3 OECD-MA sieht eine Aufzählung der im Zeitpunkt des Abkommens in den vertrag-

schließenden Staaten geltenden und unter das Abkommen fallenden Steuern vor, das nach Art. 2 Rz. 5 OECD-MK grundsätzlich ein vollständiges Verzeichnis dieser Steuern enthalten soll.

2.443 Alle von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten ein solches Verzeichnis,5 das nicht abschließend ist. Nach Art. 2 Abs. 4 OECD-MA gilt das Abkommen auch für Steuern „gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art“, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden.6

2.444 Aus deutscher Sicht gehören zu den von den DBA abgedeckten Ertragsteuern die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer sowie auch die Gewerbesteuer.7

1 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 72; siehe im Detail Kronat, Die Internationale Besteuerung von Wertpapier-Investmentfonds, 95 ff.; weiter zur Abkommensberechtigung von Investmentfonds OECD, The granting of treaty benefits with respect to income of collective investment vehicles, Paris 2010. 2 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.189: „sachlicher Geltungsbereich“. 3 Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 12. 4 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 19. 5 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 28. 6 Zusammenstellung bei Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 39. 7 Wassermeyer/Kaeser, Art. 2 OECD-MA Rz. 30 f.

296 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.451 Kap. 2

Als Steuergläubiger bezeichnet Art. 2 Abs. 1 OECD-MA die Vertragsstaaten und ihre Gebietskörperschaften, für deren Rechnung die Steuern erhoben werden1. Auch diese Begriffe werden wiederum durch das OECD-MA und im Übrigen auch in den einzelnen Abkommen nicht definiert, sodass auch hier wieder auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zurückgegriffen werden muss. Die weite Definition des OECD-MA umfasst sämtliche staatlichen Untergliederungen wie Einzelstaaten, Provinzen, Departements, autonome Gemeinden und Gemeindeverbände.

2.445

Die deutsche Kirchensteuer ist, da sie nicht für Rechnung des Staates oder einer Gebietskörperschaft erhoben wird, keine Steuer i.S.d. DBA. Die Ermäßigung der Einkommensteuer durch ein DBA wirkt sich aber, da sie Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer ist, mittelbar auf Letztere aus.2

2.446

Die deutschen DBA erfassen als Steuergläubiger auf deutscher Seite den Bundesstaat, die Länder sowie Gemeindeverbände und Gemeinden. Auf der Gegenseite sind die oben aufgezählten Untergliederungen in den Fällen der DBA mit Brasilien, USA und Kanada sowie den Staatshandelsländern nicht einbezogen. Eine sich z.B. aus der Besteuerung in den Einzelstaaten der USA (state income tax) ergebende doppelte Besteuerung kann deshalb nur durch die dargestellten Maßnahmen des innerstaatlichen Rechts (siehe Rz. 2.244 ff.) vermieden oder beseitigt werden.

2.447

c) Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich der DBA ist auf deutscher Seite durch den Geltungsbereich des Grundgesetzes (Art. 23 GG) bestimmt.3

2.448

Obwohl der Festlandssockel (Schelfmeer), anders als das Küstenmeer, nicht zum Hoheitsgebiet gehört, gelten die Abkommen auch für die im Bereich des deutschen Festlandssockels aus der Erforschung und Ausbeutung der Naturschätze des Meeresbodens und Untergrundes stammenden Einkünfte. Teils ergibt sich dies ausdrücklich aus den DBA, teils daraus, dass sich der Begriff des Inlands nach innerstaatlichem Recht richtet und die Bundesrepublik Deutschland ihr Hoheitsrecht über den Festlandssockel durch Proklamation v. 20.1.19644 und Gesetz v. 24.7.19645 geregelt hat.

2.449

Die vertragschließenden Staaten haben teilweise im Abkommen den geografischen Anwendungsbereich konkretisiert, z.B. Frankreich, indem die überseeischen Departements (D.O.M.) ausdrücklich mit einbezogen werden.

2.450

Zum räumlichen Anwendungsbereich der DBA gehört auch der Luftraum über den vertragschließenden Staaten. Dies hat zu der konsequenten, aber im Ergebnis bizarr anmutenden Rspr. geführt, wonach Personen, die den vertragschließenden Staat überfliegen, als dort anwesend angesehen werden, was z.B. nach dem alten DBA-Italien dazu führte, dass bei einem unselbständig Tätigen (Pilot) der auf den „Auslandsaufenthalt“ entfallende Gehaltsanteil von der deutschen Einkommensteuer zu befreien war.6

2.451

1 Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 16 f. 2 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.182; Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 8; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 mit dem zutreffenden Hinweis, dass die Kirchensteuer an die Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage anknüpft, so dass die DBA mittelbar wirken. 3 Z.B. Zuleeg in Dreier, Alternativ-Kommentar, Art. 59 GG Rz. 37. 4 Gesetz v. 20.1.1964, BGBl. I 1964, 104. 5 Gesetz v. 24.7.1964, BGBl. I 1964, 479 und s. auch BGBl. I 1974, 2149. 6 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319.

Mössner | 297

Kap. 2 Rz. 2.452 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung

II. Verhältnis der Doppelbesteuerungsabkommen zum nationalen Steuerrecht 1. Kein Vorrang der DBA vor Bundesgesetzen

2.452 Gemäß Art. 59 Abs. 2 GG bedürfen DBA der Zustimmung durch die zuständigen gesetzgebenden Körperschaften (Bundestag und Bundesrat), wodurch sie nach allgemeiner Ansicht1 den Rang von (einfachen) Bundesgesetzen erhalten (Rz. 2.418). Im Sinne der Normenpyramide nehmen sie folglich den gleichen Rang unterhalb der Verfassung und allgemeinen Normen des Völkerrechts (Art. 25 GG) wie Bundesgesetze ein. Im Falle unterschiedlicher Regelungen gelten daher die gleichen Konkurrenzregeln wie zwischen anderen gleichrangigen Normen. – lex posterior derogat priori: Das spätere Gesetz geht dem früheren vor. – lex specialis derogat generali: Das speziellere Gesetz geht dem allgemeinen vor. Nach der ersteren Regel kann man Konflikte zwischen jüngeren DBA und älteren Steuergesetzen lösen. Angesichts der permanenten Steuerrechtsänderungen in Deutschland kommt dieser Regel keine praktische Bedeutung zu. Ein Gesetz ist dann spezieller,2 wenn sein Tatbestand alle Elemente des allgemeinen Gesetzes und zusätzlich weitere Elemente enthält. In diesem Sinne sind Normen eines DBA nicht lex specialis.3 Aus ihrer Funktion (Rz. 2.420) folgt, dass sie Ausnahmeregeln enthalten und insoweit überhaupt keine Kollisionsregeln darstellen.4 Je ihrem Inhalt nach sind es Steuerbefreiungs- oder Steuerermäßigungsnormen,5 d.h. Normen, die andere Normen für bestimmte Situationen ergänzen, abwandeln oder einschränken. Sie sind nur in einem untechnischen Sinn besondere speziellere Normen.

2.453 Etwas anderes scheint sich aus § 2 AO zu ergeben. Gemäß dieser Vorschrift gehen „Verträge mit

anderen Staaten i.S.d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung …, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor.“ Dieses scheint den DBA einen Vorrang einzuräumen. § 2 AO verleiht ihnen aber nicht den Charakter „höherrangigen“ Rechts wie z.B. im Verhältnis von Verfassungsrecht und einfachem Recht: Weder beinhaltet Art. 59 Abs. 2 GG eine solche Höherrangigkeit, noch verleiht sie ihnen, als ebenfalls nur „einfaches Gesetz“, die AO. In der Literatur6 wird dies überwiegend im Sinne – einer dann überflüssigen – lex-specialisRegel verstanden. Richtigerweise handelt es sich um eine Auslegungsregel7 dahin gehend, dass die Normen eines DBA trotz anderslautenden nationalen Steuerrechts angewendet werden sollten, es sei denn, der Gesetzgeber bringe klar einen gegenteiligen Willen zum Ausdruck (treaty overriding).8 2. Treaty overriding

2.454 Zum treaty overriding9 kommt es, wenn der Gesetzgeber bewusst und gewollt eine gesetzliche Re-

gelung in Kraft setzt, die derjenigen in einem DBA widerspricht. Dadurch verletzt Deutschland 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.37. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, II., Kap. 3e. So auch Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 165. Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 1a. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 38; Scholtz in Koch/Scholtz, § 2 AO Rz. 5. Kluge, Internationales Steuerrecht, 650; Seer, IStR 1997, 484. BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781. Vgl. grundlegend Langbein, RIW 1988, 875; Mössner in Fischer, Besteuerung internationaler Konzerne, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 3, 1993, 113 f.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 3.25, Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.39; aus der Vielzahl der Aufsätze vgl. Gosch, IStR 2008, 412; ausführlich Musil, Deutsches Teaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000; Schönfeld/ Häck in S/D, Systematik Rz. 146 ff.; Mössner, Wird § 1 AStG noch durch DBA begrenzt?, in Lüdicke, Internationale Geschäftstätigkeit in der Nach-BEPS-Welt, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 46, Köln 2018, S. 49 ff.

298 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.456 Kap. 2

seine völkerrechtlichen Pflichten. Dies berechtigt den Inhaber der betroffenen Rechtsposition, d.h. den anderen Vertragsstaat, zu Reaktionen. Solche sind in der Praxis aber nicht bekannt geworden. Der Grund ist unklar. Es kann sein, dass es dem ausländischen Staat als Vertragspartner Deutschlands gleichgültig ist, wie Deutschland seine eigenen Steuerpflichtigen behandelt. Es kann sein, dass er ebenfalls vom Abkommen abweicht. Es kann sein, dass er keine Kenntnis hat. Der betroffene Steuerpflichtige jedenfalls kann nicht die Rechte des fremden Staats vornehmen.1 Für ihn ist mit einem treaty overriding die mit dem Zustimmungsgesetz angeordnete innerstaatliche Anwendbarkeit des DBA aufgehoben. Vogel hat mehrfach2 diese h.M. kritisiert. Seine Argumente sind überzeugend, das Bundesverfassungsgericht hat sich aber nicht überzeugen lassen3. Meines Erachtens wird von der h.M. nicht hinreichend gewürdigt, dass ein Staatsvertrag nicht das Produkt einer einseitigen hoheitlichen Normsetzung ist, sondern die Rechtsregel durch das Zusammenwirken zweier Rechtserzeugungssubjekte (hier: Staaten) auf den Konsens gegründet wird. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit bei der Entstehung eines DBA. Auch wenn die gesetzgebenden Körperschaften dem Vertrag zugestimmt haben und der Vertrag nebst Zustimmungsgesetz ordnungsgemäß verkündet ist, existiert die Norm noch nicht, solange nicht völkerrechtlich durch Austausch der Ratifikationsurkunden der Vertrag zustande gekommen ist. Dies beweist, dass das nationale Gesetz durch den völkerrechtlichen Vertrag bedingt ist. Es wäre nun zumindest schwer erklärbar, dass ein nationales Gesetz, welches für sich die Norm in ihrer Verbindlichkeit nicht konstituiert, in der Lage wäre, der Norm ihre Verbindlichkeit zu nehmen.4 Dies ginge nur vom Standpunkt der Transformationstheorie aus, die Vertrag und Gesetz völlig unabhängig voneinander sieht. Wenn Bundestag und Bundesrat mit dem Zustimmungsgesetz nur insgesamt dem DBA zustimmen oder es ablehnen können,5 dann gilt dies auch für das Zustimmungsgesetz, welches wegen des „Allesoder-Nichts“-Prinzips6 nicht partiell vom Gesetzgeber modifiziert werden kann. Deshalb verdienen diejenigen Zustimmung, die ein treaty overriding ablehnen.7 Auch wenn man dem nicht folgt, muss man anerkennen, dass treaty overriding völkerrechtlich rechtswidrig ist und Schadensersatzansprüche des ausländischen Vertragsstaats begründet. Daher muss der Gesetzgeber nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter als ultima ratio zu einem treaty override greifen können, worunter nicht die Mehrung nationaler Steuereinnahmen zählt. Nicht darf ein treaty override dazu eingesetzt werden, etwas, was man in den Verhandlungen mit dem ausländischen Staat nicht erreicht hat, danach einseitig doch durchzusetzen. Dies würde eine Gefährdung der DBA mit sich bringen. Die Vorlagebeschlüsse des BFH haben die Argumente pro und contra umfassend gewürdigt und dabei auch eine Entwicklung in der Rechtsprechung des BVerfG aufgezeigt. Das Minderheitenvotum König zeigt einen Weg zur Fortentwicklung der Rechtsdogmatik auf.

2.455

Nach der Rspr. des BFH8 bezieht sich das DBA auf das jeweils geltende nationale Recht. Dieses dynamische Verhältnis von nationalem Recht und DBA macht es immer wieder erforderlich, die

2.456

1 BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 12. 2 Vogel, BIFD 2004, 5; Vogel, JZ 1997, 161; Vogel, in FS Lerche, 95 ff. 3 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 nach Vorlage des BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, IStR 2012, 426 mit Ergänzung 10.6.2015, IStR 2015, 627 zu § 50d Abs. 8 EStG; BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 = ISR 2014, 94 mit Anm. Hagemann/Kahlenberg zu § 50d Abs. 10 EStG. 4 In diesem Sinne auch Rust, Hinzurechnungsbesteuerung, S. 108; a.A. Lehner, IStR 2014, 190. 5 Lehner, Die Rolle des Parlaments beim Zustandekommen von DBA, Steuern im Verfassungsstaat (Symposion zu Ehren von Klaus Vogel), 95 ff. (102); unzutreffend insoweit BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 6 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, 385. 7 Becker, ET 1988, 383; Becker/Würm, intertax 1988, 257; Eckert, RIW 1992, 386; Lüdicke, DB 1995, 748; Ritter, JbFSt 1975/76, 339 (343); Schollmeier, EWS 1992, 137; Wohlschlegel, FR 1993, 48. 8 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379.

Mössner | 299

Kap. 2 Rz. 2.457 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung nationalen Rechtsentwicklungen am Recht der DBA zu messen.1 Andererseits verfolgt der BFH bei der Auslegung des DBA selbst eine statische Auslegungsmethode.2 Dies bezieht sich jedoch vor allem darauf, welche Fassung des OECD-MK für die Auslegung von Bedeutung sein kann: die aktuelle oder diejenige, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA gegolten hat.3 Da der BFH zu Recht im OECD-MK nur die Äußerung einer Verwaltungsmeinung sieht, lehnt er Erweiterungen des DBA durch den Kommentar ab. Dies verdient Zustimmung. Die ursprüngliche Fassung des Kommentars kann zur Erläuterung des Gewollten dienen. Allerdings ist ein Gesetzestext immer offener, als der Gesetzgeber beim Erlass glaubt. Ein DBA ist auch auf neuere Entwicklungen anzuwenden, die bei seinem Abschluss unbekannt waren. Der Wortlaut ist dabei die Grenze der Auslegung. Aus ihm sind die Prinzipien abzuleiten. 3. Prüfungsreihenfolge

2.457 Die Frage, in welcher Reihenfolge – zuerst Abkommensrecht oder zuerst innerstaatliches Recht – man in der Praxis eine Untersuchung vornehmen soll,4 beantwortete sich nach Zweckmäßigkeitsaspekten.5 Lässt sich „auf den ersten Blick“ aus dem innerstaatlichen Recht das Nichtbestehen einer deutschen Steuerpflicht ablesen, so kommt es auf ein DBA nicht mehr an. Eine Prüfung des Inhalts des Abkommens, das ja keine, nach innerstaatlichem Recht nicht bestehende, deutsche Steuerpflicht herbeiführt, ist dann nicht mehr erforderlich. Ergibt sich eine Steuerfreistellung unzweifelhaft aus dem DBA, so kann die Prüfung der Steuerpflicht nach internem Recht unterbleiben, denn selbst wenn sie bestünde, wäre sie durch das DBA aufgehoben.

III. Anwendung der Freistellungsmethode 1. Grundlagen

2.458 Anders als bei der Anrechnungsmethode existieren für die Freistellungsmethode keinerlei innerstaat-

lichen Normen außer für die Regelung des Teilproblems der Berechnung des Progressionsvorbehaltes in § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG. Somit muss aus allgemeinen rechtstheoretischen Prinzipien abgeleitet werden, wie sich das Zusammenspiel zwischen Vertragsrecht (DBA) und nationalem Steuerrecht vollzieht. Angesichts der Komplexität der sich stellenden Fragen ist im Detail manches unklar und umstritten.

2.459 Auszugehen ist davon, dass die Freistellung ausländischer Einkünfte in den DBA derart erfolgt,

dass der Methodenartikel vorschreibt, dass Einkünfte, die nach den „Zuteilungsnormen“ (= Art. 6–22 OECD-MA entsprechend) dem Quellenstaat zur Besteuerung überlassen werden, im Ansässigkeitsstaat „von der Besteuerung auszunehmen“ (so Art. 23A OECD-MA) sind. Der englische Wortlaut des OECD-MA in Art. 23A Abs. 1 ist, dass der Staat diese Einkünfte „exempt such income from tax“. Dies bedeutet dem Wortsinn nach, dass die Steuer, die auf diese Einkünfte entfällt, nicht erhoben wird. Dies lässt sich theoretisch auf verschiedenen Wegen erreichen: 1. Die Einkünfte werden als steuerfrei behandelt, also beim Steuerobjekt (§ 2 Abs. 1 EStG) ausgeschieden (objektive Steuerbefreiung). 2. Die Einkünfte werden nach Bildung der Summe der Einkünfte, aber vor Bildung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 3–5 EStG) irgendwo berücksichtigt (Abzugsbetrag). 3. Bei der Festsetzung der tariflichen Steuer (§ 2 Abs. 6 EStG) wird die auf die freigestellten Einkünfte entfallende deutsche Steuer ausgenommen (Steuerausnahme). 1 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 2 Z.B. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488, v. 16.1.2014 – I R 30/12, BStBl. II 2014, 721 (st. Rspr.) = ISR 2014, 163 mit Anm. Böhmer. 3 Hierzu vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 97 ff. 4 Vogel, DB 1986, 507. 5 Anders wohl Grotherr in G/K/G, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 48–57.

300 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.462 Kap. 2

Die meisten1 deutschen DBA weichen jedoch vom Wortlaut des OECD-MA ab und verwenden die Formulierung, dass die Einkünfte von der „Bemessungsgrundlage auszunehmen“ seien. Dies wird heute in allen deutschen DBA damit verbunden, dass bei der Bestimmung des Steuersatzes für die übrigen, nicht freigestellten Einkünfte Deutschland die freigestellten Einkünfte berücksichtigen darf (sog. Progressions- oder Tarifvorbehalt).

2.460

Das damit angestrebte Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung und somit die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands ist erreicht, wenn Deutschland nicht seine auf die ausländischen freigestellten Einkünfte entfallende Steuer erhebt (Rz. 2.459 Fall 3). In dieser Sichtweise wird bei der Freistellungsmethode der Anrechnungshöchstbetrag nicht erhoben, wohingegen bei der Anrechnungsmethode die deutsche Steuer im Rahmen dieses Höchstbetrages nur insoweit nicht erhoben wird, wie im Ausland Steuer gezahlt wurde. Diese als modifizierte Freistellung2 bezeichnete Vorgehensweise wird von einigen Staaten ausdrücklich in ihren DBA (so Niederlande) vereinbart. Sie bereitet die geringsten Probleme, entspricht der völkerrechtlichen Verpflichtung und ist daher vorzugswürdig. Im Ergebnis entspricht sie der Freistellung unter Progressionsvorbehalt.

2.461

Die deutsche Praxis folgt jedoch nicht der modifizierten Freistellung. Dies dürfte im Wesentlichen historisch bedingt sein. Das EStG 19203 behandelte die Freistellung als eine Frage der persönlichen Steuerpflicht. Dies führte zur Ansicht,4 die DBA enthielten Kollisionsnormen und begründeten durch die „Zuweisung“ erst die nationalen Besteuerungsrechte, sodass in der „Umkehrung“, d.h. der Freistellung, das Besteuerungsrecht sich nicht mehr auf diese Einkünfte erstreckt. Der RFH5 formulierte dies so, dass wegen der Freistellung die betreffenden Einkünfte in keiner Weise mehr innerstaatlich vorhanden seien.6 Spätestens mit der Aufnahme des Progressionsvorbehaltes in die DBA7 traf diese Sichtweise aber nicht mehr zu. Von 19588–19749 sah § 3 Nr. 41 EStG a.F. eine Steuerfreiheit für die freigestellten Einkünfte vor, was als eine objektive Steuerbefreiung bei der Einkünfteermittlung gem. § 2 Abs. 1 EStG verstanden wurde.10 Die Norm wurde, da sich bereits aus der unmittelbaren Anwendung des DBA ergebend, als überflüssig aufgehoben.11 Dies war auf die ständige Rspr. des BFH12 zurückzuführen. Dieser gründete in der Nachfolge des RFH seine Rspr. auf folgende Thesen:

2.462

– Rechtsgrundlage der Freistellung ist das DBA selbst. Sie bewirkt eine objektive Steuerbefreiung der Einkünfte. – Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehaltes ist ebenfalls die Regelung im Abkommen selbst.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

13

Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 51. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 42. § 2 EStG 1920. Dorn, VSchrStFinR 1927, 189 (207); Herzfeld, Problem des internationalen Steuerrechts, Heidelberg 1932, abgedruckt in VSchrStFinR 1932, 423 (457); siehe auch Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 72 ff. RFH v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358; unter Bezugnahme auf Dorn, VSchrStFinR 1927, 189 (207). Ebenso noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431 (434): „gelten als nicht vorhanden“. Vgl. Vogel in FS Selmer, S. 959 ff. BGBl. I 1958, 479. BGBl. I 1974, 1769. BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, BStBl. II 1970, 569; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 52. BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; v. 11.10. 1967 – I R 86/67, BStBl. III 1967, 729; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 4.8.1976 – I R 152-153/74, BStBl. II 1976, 622; v. 11.7.1979 – I R 149/76, BFHE 128, 248; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; anders BFH ab 1.8.1986 – VI R 181/83, BStBl. II 1986, 902. BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 11.10.1967 – I R 86/67, BStBl. III 1967, 729.

Mössner | 301

Kap. 2 Rz. 2.463 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel i.S.d. terminus technicus des § 2 Abs. 2 EStG zu verstehen sei und umfasst folglich positive wie negative Einkünfte, Gewinne und Verluste.1

2.463 Gegen diese Thesen gibt es überzeugende Einwände.2 Inzwischen hat der BFH auch entschieden: – Der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel ist nicht notwendig als terminus technicus des deutschen Rechts, d.h. als Saldo, i.S.v. § 2 Abs. 7 EStG auszulegen.3 Er kann je nach Art der betroffenen Einkünfte einen Bruttobetrag oder einen Nettobetrag meinen. Damit entfällt zwar die These, in Art. 23A OECD-MA bzw. den entsprechenden DBA-Artikeln seien „Einkünfte“ i.S.d. terminus technicus zu verstehen; das Problem taucht aber erneut bei den einzelnen Verteilungsartikeln auf. So stellt sich z.B. bei Art. 7 OECD-MA die Frage, ob „Gewinn“ (profit) auch „Verlust“ (loss) meint.4 – Die Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehalts ist alleine das nationale Steuerrecht.5 Vor allem nachdem durch § 2a Abs. 1 EStG auch der negative Progressionsvorbehalt ausgeschlossen wurde,6 konnte die These von seiner Grundlage in Abkommen nicht aufrechterhalten werden, wollte der BFH nicht einen Widerspruch zum Abkommen annehmen. Auch die neue7 Vorschrift des § 32b Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 7 EStG erzwang die Aufgabe8 der alten Rspr. 2. Wirkung im innerstaatlichen Recht

2.464 Daran allerdings, dass Grundlage der Freistellung das DBA selbst sei, hält er allerdings fest.9 Möglicherweise liegt dies darin begründet, dass es keine innerstaatliche Vorschrift gibt, die die Wirkung und das Verfahren der Freistellung regelt.10 Eine solche Norm ist aber erforderlich, um die DBA-Verpflichtung im deutschen Recht wirksam werden zu lassen. Dies würde auch erklären, warum der BFH die Freistellung bereits vor Bildung der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG) eingreifen lässt, obgleich der überwiegende Abkommenstext vom Ausnehmen bei der Bildung des Gesamtbetrages der Einkünfte spricht; denn angesichts der vielen Abzugsbeträge zwischen Bildung der Summe der Einkünfte und der des Gesamtbetrages der Einkünfte müsste festgelegt werden, an welcher Stelle die freigestellten ausländischen Einkünfte abzuziehen wären, wofür aber jeder Anhaltspunkt im DBA fehlt. Einzig die – mögliche – Interpretation i.S.d. modifizierten Freistellungstheorie (Rz. 2.461) würde diese Probleme vermeiden.

2.465 Nach h.M.11 wirkt die Freistellung im Sinne einer objektiven Steuerbefreiung.12 Die betreffenden Einkünfte werden somit vor Bildung der Summe jeder Einkunftsart i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG, d.h. bei der Ermittlung des Ergebnisses der Einkunftsarten, ausgeschieden.

1 Siehe auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 2 Vgl. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 56 ff. m.w.N. 3 Vgl. insbesondere BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; wie hier M. Lang, DStJG 34 (2011) S. 353 f.; s. auch Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23 OECD-MA Rz. 28 ff. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 5 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100. 6 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 27 ff. m.w.N. 7 Eingeführt durch JStG 1996; vgl. Mössner, IStR 1997, 225. 8 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; siehe auch Wassermeyer, IStR 2002, 289; Sabatschus, IStR 2002, 623. 9 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; v. 13.11.2002 – I 13/02, BStBl. II 2003, 795. 10 Kritisch auch Wolff in Wassermeyer, Art. 23 USA Rz. 150. 11 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 52. 12 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 52.

302 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.468 Kap. 2 Beispiel: Inländer A erzielt inländische gewerbliche Einkünfte von 1 Mio. und solche aus einer ausländischen Betriebsstätte von 500.000. In die Bildung der Summe der Einkünfte gehen nur die Einkünfte von 1 Mio. ein.

Dies bedeutet, dass im Steuerbescheid bei der Aufführung der Besteuerungsgrundlagen die freigestellten Auslandseinkünfte betragsmäßig nicht mehr erscheinen. Behandelte man die Freistellung nicht als objektive Steuerbefreiung, so wären die freigestellten Auslandseinkünfte in den Beträgen der einzelnen Einkunftsarten enthalten, sie würden dann irgendwo neben den in § 2 Abs. 3–5 EStG aufgeführten Beträgen abgezogen. Im Gesamtbetrag der Einkünfte sind sie jedenfalls nach h.M. nicht mehr enthalten.1 Dies hat u.a. Auswirkungen für die Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen. Beispiel:2 Inländer I bezieht seine Einkünfte im Wesentlichen aus einem österreichischen Betrieb. In 2004 erzielt er so 5 Mio. Euro im Inland gem. DBA an freigestellten Einkünften. Seine inländischen Einkünfte betragen nur 5.000 Euro an Zinsen. In 2004 hat er wegen einer komplizierten Heilbehandlung 6.000 Euro an Krankheitskosten zu tragen. Seine zumutbare Eigenbelastung beträgt gem. § 33 Abs. 3 EStG 5 v.H. des „Gesamtbetrages der Einkünfte“, d.h. 250 Euro, sodass er im Inland kein zu versteuerndes Einkommen erzielt.

Sind an den freigestellten Auslandeinkünften mehrere Personen beteiligt, so werden diese gem. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO gesondert durch Bescheid freigestellt, soweit sie für die inländische Besteuerung von Bedeutung sind. Dies trifft insbesondere für den Progressionsvorbehalt zu. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil die freigestellten Einkünfte nach h.M. nicht steuerpflichtig sind. Nicht in diese Feststellung einbezogen werden Auslandseinkünfte, die keine Bedeutung im Inland haben, wie z.B. Auslandeinkünfte einer inländischen Personengesellschaft, die auf einen ausländischen Gesellschafter entfallen.3

2.466

3. Bedingte Freistellung Die Freistellung verwirklicht die Kapitalimportneutralität. Wird im Quellenstaat auf die freizustellenden Einkünfte keine Steuer erhoben, so besteht dort Wettbewerbsgleichheit des Steuerausländers mit Steuerinländern, sodass prinzipiell nichts zu beanstanden ist. Aber zunehmend wird die Freistellung im Ansässigkeitsstaat ohne Doppelbesteuerung, d.h. die Vermeidung der sog. virtuellen Doppelbesteuerung, als ungerechtfertigt empfunden. Daher wird die Freistellung im Ansässigkeitsstaat daran gebunden, dass der Quellenstaat die Einkünfte besteuert. Deutschland hat mit einer Reihe von Staaten solche Subject-to-Tax-Klauseln4 abgeschlossen.5 Das BMF6 hat am 20.6.2013 ein Schreiben zur Anwendung von Subject-to-Tax-, Remittance-Base- und Switchover-Klauseln erlassen. Damit reagiert die Finanzverwaltung auf ein Urteil des BFH7.

2.467

Diese Klauseln sind in den einzelnen Abkommen durchaus unterschiedlich formuliert. Die Rechtsprechung des BFH war schwankend.8 Teils wurde das „Stammen aus“ als in diesem Staat besteu-

2.468

1 Wie sie dann „bei der Beurteilung inländischer Besteuerungsmerkmale gedanklich einbezogen werden“ können, so Wassermeyer in Wassermeyer Art. 23A OECD-MA Rz. 5, bleibt jedoch systematisch unklar. 2 Nach BFH v. 12.9.1977 – VI R 105/75, BStBl. II 1978, 9. 3 Grützner, IStR 1994, 65. 4 Über deren Ursprung in der Anrechnungsmethode siehe Vogel, IStR 1997, Beihefter zu Heft 24; vgl. Mössner in Esser/de Bont/Kemmeren, The compatibility of anti-abuse provisions in tax treaties with EC Law, Deventer 1998, 99; Lüdicke in FS Mössner, S. 285 ff. 5 Vgl. Ismer in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 31 ff. 6 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2-S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 7 BFH v. 17.10.2012 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953; vgl. auch Lüdicke, IStR 2013, 721; Schönfeld, IStR 2013, 757 (Fallbeispiele); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760. 8 Vgl. z.B. BFH v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; v. 17.11.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260.

Mössner | 303

Kap. 2 Rz. 2.469 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung ert verstanden, also auf die Besteuerung durch den anderen Staat abgestellt, teils wurde dies nach deutschen steuerrechtlichen Kriterien beurteilt. Inzwischen hat eine Abkehr vom Grundsatz der Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung stattgefunden, was auch in Art. 22 Abs. 1 Deutsche Verhandlungsgrundlage erkennbar ist.1 Dadurch werden die Wettbewerbsbedingungen deutscher Unternehmen im Ausland verschlechtert (Verstoß gegen die Kapitalimportneutralität). Streitig ist, ob ein Umkehrschluss möglich ist, wenn wie etwa in Art. 23 Abs. 2 letzter Satz DBAUSA bestimmt wird, dass für die Anwendung der Methoden „Gewinne oder Einkünfte … als aus Quellen in den Vereinigten Staaten stammend [gelten], wenn sie in Übereinstimmung mit diesem Abkommen in den Vereinigten Staaten besteuert werden.“ Ob Einkünfte aus dem Inland oder Ausland stammen, ergibt sich zunächst aus nationalem Recht.2 Jeder der Vertragsparteien eines DBA bestimmt aufgrund seines Steuerrechts, ob es sich bei Einkünften um aus seiner Sicht inländische oder ausländische handelt. Je nach dieser territorialen Zuordnung sieht er sich als Quellenstaat der Einkünfte. Im Zusammenspiel mit den Regeln über die Ansässigkeit (Rz. 2.428, 2.433) ergeben sich dann folgende Situationen: 1. Staat wertet die Einkünfte als inländische, den Steuerpflichtigen als nicht ansässig. Folge: Er ist Quellenstaat i.S.d. DBA. 2. Staat wertet sie als ausländische, den Steuerpflichtigen als ansässig. Folge: Er ist Ansässigkeitsstaat. 3. Staat wertet Einkünfte als ausländische, Steuerpflichtigen als nicht ansässig. Folge: Er besteuert nicht, für ihn keine Situation eines DBA. 4. Staat wertet Einkünfte als inländische, Steuerpflichtigen als ansässig. Da es keine abgestimmten Regeln gibt, können verschiedene Kombinationen bei zwei Staaten auftreten: 1. und 2.: Regelfall der Anwendung eines DBA; 1. und 3.: mangels Ansässigkeit kein Anwendungsfall eines DBA; 1. und 4.: positive Allokationsdivergenz; 2. und 3.: negative Allokationsdivergenz; 2. und 4.: wird über tie-breaker-rule (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) gelöst; 3. und 4.: kein Konflikt. Lösungsbedürftig sind die Fälle der Allokationsdivergenz.

2.469 Bei der positiven Allokationsdivergenz betrachten beide Staaten die Einkünfte als inländische. Zur Lösung dieses Konflikts bestehen zwei Möglichkeiten:

1. Das DBA bestimmt, aus welchem Staat die Einkünfte stammen. 2. Der Ansässigkeitsstaat hat die Beurteilung des Quellenstaates zu respektieren, sodass er zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet ist. Das OECD-MA verwendet zur Kennzeichnung der Herkunft der Einkünfte folgende Formulierungen: – Eine Person bezieht (engl. „derives“) Einkünfte (Art. 6, 13, 15, 17, 23 OECD-MA); – Gewinne werden zugeordnet (engl. „attributes“) = Art. 7 OECD-MA; 1 S. hierzu ausführlich Schönfeld/Ditz/Häck in S/D, Anh. 4 Rz. 137 ff. 2 Ganz h.M.: BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 20.10.1986 – I R 52/83, BStBl. II 1988, 521.

304 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.471 Kap. 2

– Zahlungen (engl. „paid“) erfolgen = Art. 10, 11, 18, 19, 20 OECD-MA; – Einkünfte entstehen (engl. „arise“)1 = Art. 11, 12, 21 OECD-MA. Die deutschen Abkommen folgen weitgehend dem Sprachgebrauch, verwenden aber im Methodenartikel den Ausdruck, dass die Einkünfte aus dem anderen Staat „stammen“.

2.470

Wassermeyer2 versteht den Begriff des „Stammens“ als abkommensrechtlichen Ausdruck, sodass für ihn die Lösung ad 1 maßgebend ist. Wenn er jedoch darauf abstellt, ob das Abkommen das Besteuerungsrecht von Abkommen anerkannt wird, so besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses, es sei denn, das DBA enthält Kriterien der Zuordnung, so, wenn es auf einen Zahlungsvorgang abstellt (Art. 10, 11, 18, 19, 20 OECD-MA) oder eine Zuordnung vornimmt, wie in Art. 15 OECDMA zum Tätigkeitsort. Dies löst in der Tat eine Reihe von Fällen. Die Lösungsmöglichkeit ad 2 stellt einfach auf die Tatsache der Besteuerung durch den Quellenstaat ab. Vor diesem Hintergrund kommt der Subject-to-Tax-Klausel die Aufgabe zu, im Wege einer Fiktion Einkünfte zu ausländischen zu erklären, die nach nationalem Recht inländische sind, damit die Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Freistellung im Inland vermieden wird. Dies ist unstreitig. Der BFH3 hatte4 jedoch in dieser DBA-Norm eine allgemeine Regel des Abkommensrechts gesehen, die abschließend das „Stammen“ von Einkünften auch gegenüber nationalem Recht bestimmt, sodass mit ihr auch der negative Allokationskonflikt gelöst wird, d.h., Einkünfte eines im Inland ansässigen, die nach deutschen Vorstellungen ausländische sind, dann zu inländischen werden, wenn sie im Ausland nicht besteuert werden. Aus der hinreichenden Bedingung – „ausländisch, falls im Ausland besteuert“ – wird in logisch unzulässiger Weise eine notwendige Bedingung – „ausländische, nur wenn im Ausland besteuert“. Ein Umkehrschluss ist folglich nicht möglich.5 In der praktischen Anwendung stößt die Gegenansicht auf viele Schwierigkeiten,6 insbesondere wenn sie über die Lösung der negativen Allokationsdivergenz hinaus als allgemeine Regel zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ausgeweitet wird. Einige sind: Voraussetzung der Anwendung der Klausel ist die Feststellung der Steuerfreiheit der Einkünfte im anderen Staat. Während in der Textfassung des Abkommens der Nachweis, dass die Einkünfte im Ausland besteuert wurden, dem Steuerpflichtigen obliegt, müsste beim Umkehrschluss die Finanzverwaltung die Nichtbesteuerung nachweisen. Dabei ist dann unklar, was darunter zu verstehen ist. Kommt es darauf an, dass die Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegen, weil sie nicht steuerbar sind oder unterhalb von Freibeträgen bzw. Freigrenzen liegen? Wie ist der Fall zu behandeln, dass der Steuerpflichtige keine oder eine fehlerhafte Erklärung abgibt und deshalb eine Besteuerung unterbleibt? Was, wenn dies nach Jahren entdeckt und die Steuer nachverlangt wird? Genügt eine noch so geringe Steuer, z.B. beim Überschreiten von Freibeträgen bzw. Freigrenzen, oder wird dann der Betrag in einen besteuerten und einen nichtbesteuerten Teil aufgespalten? Offen ist, ob die Klausel auch dann zur Anwendung kommt, wenn im Ausland aufgrund der dort geltenden Ermittlungsbestimmungen ein Verlust, im Inland jedoch ein Gewinn vorliegt.7 Da sich in den 1 2 3 4

In der deutschen Fassung ist dies mit „stammen“ übersetzt. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 43. BFH v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117; v. 5.2.1992 – I R 158/90 BStBl. II 1992, 660. Aufgegeben mit BFH v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260; hierzu vgl. Grotherr, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1145 ff. 5 Ebenso Wolff in Wassermeyer, Art. 23 USA Rz. 285; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/ 99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.6 (geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 bzw. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354); Arthur Andersen, Art. 23 DBA-USA Rz. 47; Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 40, 42. 6 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 23 USA Rz. 286. 7 Ähnlich Wolff in Wassermeyer, Art. 23 USA Rz. 286.

Mössner | 305

2.471

Kap. 2 Rz. 2.472 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Folgejahren die Verhältnisse umdrehen können – z.B. bei degressiver AfA im Ausland, linearer im Inland –, würde in den Verlustjahren (im Ausland) ein Gewinn im Inland besteuert, wohingegen bei inländischen Verlusten und gleichzeitigen ausländischen Gewinnen die Freistellung erfolgte. Kommt es nicht zur DBA-Freistellung, so gelten die allgemeinen Regeln über die Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG).

2.472 Daher wird die Subject-to-Tax-Klausel auch als Rückfallklausel bezeichnet.1 Da aber das Fehlen

einer ausländischen Steuer Voraussetzung des Rückfalls ist, gibt es nichts anzurechnen, sodass im Ergebnis einfach die objektive Steuerbefreiung entfällt, sodass man besser von einer „Besteuerungsklausel“ spricht. Neben den Subject-to-Tax-Klauseln hat die Vertragspraxis weitere Klauseln entwickelt, die dazu führen, dass an die Stelle der Freistellungsmethode die Anrechnung tritt. Diese sind:

2.473 – Switch-over-Klausel Mit dieser Klausel2 sollen Doppel- und Nichtbesteuerungen vermieden werden, die durch eine unterschiedliche Anwendung des Abkommens durch die Vertragsparteien, sog. Qualifikationskonflikt, entstehen und nicht durch Konsultation beseitigt werden können. Ihr Zweck liegt somit darin, dass ein Nichtfunktionieren der Freistellungsmethode als ultima ratio3 durch Anwendung der Anrechnungsmethode aufgefangen werden soll.

2.474 – Remittance-Basis4 Manche Staaten, z.B. Großbritannien, Zypern, besteuern Personen, die zwar unbeschränkt steuerpflichtig, aber nur „resident“ und nicht „domiciled“5 sind, mit ihren ausländischen Einkünften nur, soweit diese ins Inland überwiesen werden.6 Beispiel: Der deutsche Manager M verlegt seinen Wohnsitz nach seiner Pensionierung nach London. Er erhält eine Betriebspension des deutschen Unternehmens. Aufgrund Art. XV DBA-Großbritannien steht das Besteuerungsrecht nur Großbritannien zu. Deutschland kann die Pension nicht besteuern, Großbritannien legt seiner Steuer nur die nach England überwiesenen Beträge zugrunde.

Um die sich hieraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, enthalten einige DBA7 eine Klausel, dass die Nichtbesteuerung im Ansässigkeitsstaat dem Quellenstaat sein Recht zur Besteuerung belässt.8 Somit wirkt diese Klausel anders als die beiden anderen zugunsten des Quellenstaats.

2.475 In einer Reihe von Abkommen9 wird die Freistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte und Schachtelbeteiligungen davon abhängig gemacht, dass im Ausland die Betriebsstätte oder Kapitalgesellschaft eine aktive Tätigkeit ausübt (Aktivitätsklausel). Teils folgen diese Klauseln dem Aktivitätskatalog von § 8 Abs. 1 AStG. Der BFH10 wendet diese Aktivitätsklauseln einkünftebezogen an.

1 Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 69; Lampe, IStR 1999, 249; Sorgenfrei, IStR 1999, 201; Valova/Bodenloher/Koch, IStR 2002, 405. 2 Siehe Protokoll Nr. 21 DBA-USA; Art. 23 Abs. 1 DBA-Schweden. 3 Siehe Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 162. 4 Ismer in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18. 5 Hierzu Mössner in FS Ritter, S. 195 ff. 6 Vgl. IBFD (Kesti ed.), European Tax Handbook 2004, 273. 7 Art. II Abs. 2 DBA-Großbritannien; Schlussprot. Nr. 3 DBA-Indonesien; Art. II Abs. 2 DBA-Irland; Art. 2 Abs. 2 DBA-Israel; Art. 3 Abs. 3 DBA-Jamaika; Schlussprot. Nr. 2 DBA-Malaysia; Art. 2 Abs. 6 DBA-Malta; Schlussprot. Nr. 1 DBA-Trinidad und Tobago; Schlussprot. Nr. 2 DBA-Zypern. 8 Siehe hierzu BFH v. 29.11.2000 – I R 102/99, BStBl. 2001, 195. 9 Fast alle neueren Abkommen, vgl. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 75; Übersicht bei Schwenke in Wassermeyer, Art. 23A/B OECD-MA Anlage; siehe auch Wassermeyer, IStR 2000, 65. 10 BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; a.A. Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4.

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E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.479 Kap. 2 Beispiel: Zum Betriebsvermögen der schweizerischen Betriebsstätte der deutschen X-GmbH gehört die Beteiligung an der schweizerischen Y-AG. Die Y schüttet Dividenden aus, die Einnahmen der Betriebsstätte darstellen. Betriebsstätteneinkünfte aus der Schweiz werden in Deutschland freigestellt (Art. 24 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 DBA-Schweiz). Da der Bezug von Dividenden nach der Aktivitätsklausel des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz zu passiven Einkünften führt, sind sie nicht freizustellen.1

Unklar ist,2 ob diese Dividenden dann dem Dividendenartikel gem. mit eingeschränkter Quellenbesteuerung oder dem Betriebsstättenartikel entsprechend mit uneingeschränkter Quellenbesteuerung belegt werden, da der BFH sich nur mit der Freistellung in Deutschland beschäftigt hat. Da nach seiner Ansicht die Anrechnungsmethode anzuwenden ist, sind die in der Schweiz gezahlten Steuern anzurechnen. 4. Folgen der Freistellung Sieht das DBA Freistellung vor, so ist dies für den Steuerpflichtigen zwingend. Er hat – anders als nach § 34c Abs. 2 EStG – kein Wahlrecht auf Abzug der ausländischen Steuer oder Anrechnung derselben.

2.476

Nach Ansicht der h.M.3 bedeutet Freistellung, dass alle Einnahmen und Ausgaben, die der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen sind, aus der inländischen Besteuerung ausscheiden. Zunächst ist zu prüfen, ob Einnahmen inländische oder ausländische sind. Hierzu kann § 34d EStG, obgleich diese Norm nur die unilaterale Anrechnung betrifft, zur Bestimmung der Auslandseigenschaft von Einnahmen herangezogen werden. In einem zweiten Schritt sind diesen Einnahmen die zugehörigen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zuzuordnen. Dies bestimmt sich alles nach den deutschen Einkünfteermittlungsnormen, sodass es auf die Veranlassung der Ausgaben durch die Einnahmeerzielung ankommt. Dies bedeutet nach der h.M., dass sich die Freistellung (= Steuerfreiheit) der Einnahmen auch auf die durch sie veranlassten Ausgaben erstreckt, was zu deren Freistellung = Nicht-Abziehbarkeit führt. Dies gilt auch für vorweggenommene Ausgaben, selbst dann, wenn es nicht zu – freizustellenden – ausländischen Einnahmen kommt (vergebliche Aufwendungen).4

2.477

Die Argumentation des BFH basiert entscheidend darauf, dass nach seiner Ansicht der Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel eines DBA i.S.d. deutschen Steuerrechts zu verstehen sei, sodass zur Bildung des Saldos Einnahmen und Ausgaben vorrangig der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen sind. Bei vorweggenommenen Aufwendungen seien für die Beurteilung die nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit gegebenen steuerlichen Verhältnisse maßgebend.5 Diese Auslegung ist jedenfalls folgerichtig, da es keinen Unterschied machen kann, ob die Kosten höher als die Einnahmen sind oder ob Ersteren überhaupt keine Einnahmen gegenüberstehen. In beiden Fällen ergibt sich ein Verlust.

2.478

Im Urt. v. 28.4.19836 hatte der IV. Senat dieses Ergebnis unrichtigerweise auch auf § 3c EStG gestützt, weil diese Vorschrift den Betriebsausgabenabzug auch dann verbiete, „wenn steuerfreie Einnahmen gegenwärtig noch nicht vorliegen, sondern erst zukünftig erwartet werden.“ Demgegenüber hatte der I. Senat bereits am 21.4.19717 entschieden, dass der unmittelbare wirtschaftliche

2.479

1 Vgl. Mössner, RIW 2003, 294 (296); st. Rspr. RFH v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 958; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531, v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.11.2003 – I R 13/ 02, BStBl. II 2003, 795. 2 Siehe hierzu Wagner, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 1067. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 56 ff. 4 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732. 5 So BFH v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732. 6 BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 297 „fehlerhaft“. 7 BFH v. 21.4.1979 – I R 97/68, BStBl. II 1971, 694.

Mössner | 307

Kap. 2 Rz. 2.480 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung Zusammenhang der Ausgaben mit steuerfreien Einnahmen voraussetze, dass im jeweiligen Veranlagungszeitraum steuerfreie Einnahmen bezogen werden. Den offensichtlichen Widerspruch zu den Entscheidungen zu den vergeblichen Aufwendungen löste erst das Urt. v. 29.5.19961 in einer ausführlichen Begründung dadurch auf, dass er nunmehr mit dem Begriff „Einkünfte“ im Methodenartikel (Art. 6–22 OECD-MA) einen Brutto- oder Nettobetrag meine. Soweit es sich um einen Bruttobetrag handle, wie bei Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzen (Art. 12 OECD-MA), komme § 3c Abs. 1 EStG zur Anwendung, in den übrigen Fällen gelte das zuvor beschriebene Veranlassungsprinzip. Nur bei einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit tatsächlichen bezogenen steuerfreien Einkünften werden die Ausgaben dem Ausland zugeordnet und dadurch im Inland nicht abzugsfähig. Beispiel: D-GmbH hat mit Kredit die Anteile an der ausländischen F-SA erworben. Die Kreditzinsen sind nur dann im Inland nicht abzugsfähig, wenn die F steuerfreie Dividenden ausschüttet. Werden keine Dividenden ausgeschüttet, kann D die Kreditzinsen abziehen (sog. Ballooning).

5. Steueranrechnung

2.480 Die DBA sehen auch die Anrechnungsmethode vor. Dabei wird regelmäßig die gewöhnliche An-

rechnung vorgesehen, bei der der zur Anrechnung verpflichtete Staat die ausländische Steuer nur bis zur Höhe der von ihm selbst auf dasselbe Steuergut erhobenen eigenen Steuer anrechnet, wodurch die Gesamtsteuerbelastung der höheren der beiden Steuern entspricht (vgl. Art. 23B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Die in Art. 23A Abs. 2 Satz 2 OECD-MA bzgl. Zinsen und Dividenden ebenfalls ausgesprochene gewöhnliche Begrenzung der Anrechnung geht, da in den allermeisten Fällen die Steuer des Quellensatzes niedriger ist als die des Wohnsitzstaates, praktisch ins Leere.

2.481 Anders als die Freistellung ist die Durchführung der Anrechnung im OECD-MA zumindest teilweise näher geregelt: Der in Art. 23A Abs. 2 Satz 2 und Art. 23B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA definierte Anrechnungshöchstbetrag entspricht dem des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG und den entsprechenden Vorschriften zur Körperschaftsteuer. Die Einschränkungen durch das StVergAbG (Rz. 2.369) verstoßen jedoch gegen diese Regelung in den DBA.2

2.482 Darüber hinaus enthalten die DBA keine weiteren Regelungen der Anrechnungstechnik,3 sodass insoweit die Regeln des innerstaatlichen Rechts gelten (siehe Rz. 2.289, 2.400).

2.483 Nicht im internen Recht, aber in einigen Abkommen,4 insbesondere den mit Entwicklungsländern

abgeschlossenen, ist die Anrechnung fiktiver Steuern vorgesehen, d.h. die Anrechnung einer ausländischen (Quellen-)Steuer in der Höhe, wie sie an sich durch das DBA zugelassen ist, obwohl sie tatsächlich zu einem ermäßigten Steuersatz erhoben wurde (tax sparing credit). Sinn des tax sparing credit ist es, den Steueranreiz für Investitionen, den der Quellenstaat mit der Senkung seiner Quellensteuer schafft, nicht durch die Heraufschleusung der Steuerbelastung auf das deutsche Steuerniveau wieder zunichtezumachen. 6. Auslandsverluste

2.484 Unabhängig von der anzuwendenden Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung werden die ausländischen Einkünfte für die Bestimmung der darauf entfallenden deutschen Steuer bei der Anrechnung oder für die Freistellung nach deutschen Vorschriften ermittelt. Ein Auslandsverlust liegt folglich dann vor, wenn nach den deutschen steuerlichen Vorschriften diese auslän-

1 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63. 2 Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469). 3 Übersicht über die Regelung der Anrechnung in den deutschen DBA bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 4 Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191.

308 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.488 Kap. 2

dischen Einkünfte negativ sind. Davon unabhängig erfolgt die Ermittlung derselben Einkünfte durch den ausländischen (Quellen-)Staat. Neben dem – eher unwahrscheinlichen – Fall, dass inländische und ausländische Ermittlungsmethoden zum identischen Ergebnis gelangen, sind die Situationen denkbar, dass beide Staaten zwar zu Verlusten, aber in unterschiedlicher Höhe gelangen oder sogar in dem einen ein Gewinn, in dem anderen ein Verlust ermittelt wird. Bei der Anrechnungsmethode geht ein Auslandsverlust (Rz. 2.487) in die inländische Einkünfteermittlung ein und mindert die Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer. Dies ist Folge des Welteinkommensprinzips. Ermittelt das Ausland hingegen einen Gewinn und erhebt Steuern hierauf – z.B. weil eine Quellensteuer auf die Bruttoeinnahme ohne Berücksichtigung der Kosten erhoben wird –, so kann diese Steuer mangels einer entsprechenden deutschen Steuer nicht angerechnet werden.

2.485

Beispiel: Inländer I hat die Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft K z.T. mit Kredit von 2000 zu 6 % (= Zins p.a. 120) finanziert. K schüttet eine Dividende an I von 100 aus, worauf eine Quellensteuer von 25 erhoben wird. I muss nach dem Teileinkünfteverfahren 60 versteuern und hat Finanzierungskosten, die gem. § 3c Abs. 2 EStG mit 60 abgezogen werden.

Innerhalb der EU ist jedoch aufgrund der Gerritse-Entsch.1 die Erhebung von Quellensteuern ohne Rücksicht auf zugehörige Kosten (Bruttoerträge) eingeschränkt. Ein verbleibender Anrechnungsüberhang kann nicht auf zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Dies dürfte mit den Prinzipien der AMID-Entsch. des EuGH2 nicht zu vereinbaren sein (vgl. Rz. 2.297).

2.486

Die Behandlung von Auslandsverlusten bei der Freistellungsmethode ist höchst strittig.3 Der BFH verweigert bei Einkünften, die im Inland gem. DBA freizustellen sind, die Berücksichtigung der Verluste. Seit dem Urt. v. 29.5.1996 (vgl. Rz. 2.479) lässt sich diese Auffassung nicht mehr in den Fällen halten, in denen das DBA Bruttoerträge freistellt. Gemäß dem dann geltenden § 3c Abs. 1 EStG4 werden die die Einnahmen übersteigenden Kosten nicht vom Abzug ausgeschlossen.

2.487

Beispiel: D-GmbH hat ihrer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft T ein Darlehen gegeben, das sie refinanziert. In 2003 zahlt die T 100.000 an Zinsen an D aus, die nach dem DBA in Deutschland freizustellen sind. D hat Refinanzierungskosten von 120.000, 20.000 sind abzugsfähig. Allerdings dürfte eine derartige Situation selten sein, da diese Einkünfte nach den DBA nicht freigestellt werden.

Der österreichische VGH5 hat in Abkehr seiner langjährigen Praxis, dem BFH zu folgen, in einem viel beachteten Entscheid die innerstaatliche Berücksichtigung von Auslandsverlusten auch bei der Freistellungsmethode zugelassen. Der BFH ist dem bisher nicht gefolgt.6 Stattdessen stellt er in jüngerer Zeit auf die sog. Symmetriethese ab, wonach aus der Freistellung der positiven Einkünfte folge, dass die negativen Einkünfte im Inland unberücksichtigt bleiben müssten. Diese These überzeugt wenig, da – wie der österreichische VGH zutreffend erkannt hat – die Freistellung eine Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung darstellt. Eine Doppelbesteuerung droht aber nur bei positiven Einkünften, die in zwei Staaten besteuert werden. Bei Verlusten geht es nicht um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, sondern um die richtige Zuordnung von wirtschaftlichen Ergebnissen zu einem Staat. Schlüssig wäre die Argumentation des BFH nur dann, wenn er in 1 EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340 = FR 2003, 779. 2 EuGH v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, ECLI:EU:C:2000:696 = FR 2001, 157. 3 Vgl. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 45, 58; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57. 4 Hierzu Heinicke in Schmidt36, § 3c EStG Rz. 19. 5 VGH v. 25.9.2001 – 99/14/0217, IStR 2001, 754 m. Anm. Wassermeyer; vgl. zu dieser Entsch. Jirousek, ÖStZ 2001, 569; Lang, SWI 2002, 86 (92); Loukota, SWI 2001, 466; Trenkwalder/Firlinger, SWI 2001, 514; Vogel, IStR 2002, 91; Zorn, SWI 2001, 456. 6 BFH v. 13.11.2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; zuletzt bestätigt durch BFH v. 9.6.2010 – I R 100/ 09, BStBl. II 2010, 1065.

Mössner | 309

2.488

Kap. 2 Rz. 2.489 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung der Freistellung eine derartige Zuordnung sähe. Rechtfertigen ließe sie sich damit, dass der Staat, in dessen Staatsgebiet ein wirtschaftlicher Erfolg erzielt wird, das alleinige Besteuerungsrecht dafür besitzen würde. Dies widerspricht aber dem Welteinkommensprinzip, dem Progressionsvorbehalt und den diversen Rückfallklauseln. Richtigerweise ist daher von einer vorrangigen Besteuerungshoheit des Quellenstaates auszugehen, was nicht ausschließt, die Verluste trotz Freistellung im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen, wenn sie im Quellenstaat nicht mehr berücksichtigt werden können. Die Rspr. des EuGH (Rz. 1.191 ff.) von den „finalen“ Verlusten dürfte generell der Vorzug gebühren.

2.489 Soweit Auslandsverluste im Inland abzugsfähig sind, sieht § 2a Abs. 1 und 2 EStG eine Reihe von Einschränkungen vor, um volkswirtschaftlich unerwünschte Auslandsinvestitionen zu unterbinden.1 Über die Auswirkungen auf den Progressionsvorbehalt siehe Rz. 2.504.

2.490 Über die Behandlung von Auslandsverlusten (Rz. 2.487 f.) im Hinblick auf unmittelbar anwendbare Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts siehe Rz. 1.170.

2.491 Von 1969 bis 1998 hat der Gesetzgeber2 in europarechtskonformer3 Weise den Abzug freigestellter

Auslandsverluste aus gewerblichen Betriebsstätten mit Hinzurechnung in folgenden Gewinnjahren zugelassen.4 Die Aufhebung durch das StEntlG5 war gemeinschaftsrechtswidrig.6 7. Progressionsvorbehalt

2.492 Um bei progressiven Tarifen den durch die Aufteilung des Gesamteinkommens auf verschiedene Staaten entstehenden Vorteil einer jeweiligen Minderung des Steuersatzes zu vermeiden, sieht das OECD-MA den sog. Progressionsvorbehalt in Art. 23A Abs. 3 OECD-MA vor. Danach können

– Einkünfte oder Vermögen – einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, – die in diesem Staat nach dem Abkommen von der Besteuerung ausgenommen wird, – gleichwohl bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen und Vermögen der Person einbezogen werden.

2.493 Mit dem JStG 20097 hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die EuGH-Entscheidung in der Rechts-

sache REWE Zentralfinanz,8 die nur die Unionsrechtswidrigkeit des Ausschlusses gewisser Auslandsverluste gem. § 2a EStG betrifft, auch § 32b EStG erheblich verändert und dessen Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt. Der EuGH hatte nur die Nichtberücksichtigung innerhalb der EU bestimmter, in § 2a EStG aufgeführter Verluste im Inland bei der Anrechnungsmethode und den Ausschluss des negativen Progressionsvorbehalts (vgl. u. Rz. 2.504) in diesen Fällen beanstandet. Der Gesetzgeber hat daraufhin die Verlustabzugsbeschränkung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG auf Verluste aus Drittstaaten beschränkt. Somit sind diese Verluste innerhalb der EU abziehbar. Unmittelbar kommt dies aber nur zu Anwendung, wenn ein DBA keine Freistellung 1 Siehe hierzu die ausführlichen Erläuterungen von Probst in H/H/R, § 2a EStG; Mössner in K/S/M, § 2a EStG. 2 Zunächst in § 3 AIG, später ab 1990 in § 2a Abs. 3 EStG. 3 Vgl. Entwurf Verlustrichtlinie, vorgelegt als Kommissionsdokument COM/90/595 v. 6.12.1990. 4 Vgl. im Detail Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. D 1 ff. 5 StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402. 6 Kessler/Schmidt/Janson, IStR 2001, 729 (735 f.); hierzu auch Kessler/Schmidt/Janson, IStR 2003, 307; Kessler, Inländische Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste (IFSt Nr. 241), Institut Finanzen und Steuern, Bonn, 2004. 7 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 8 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194.

310 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.495 Kap. 2

für die betroffenen Einkünfte vorsieht.1 Im Falle der Freistellung werden die – positiven wie negativen – freigestellten Einkünfte beim Steuersatz berücksichtigt. Nunmehr schließt § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG Einkünfte aus „anderen als aus einem Drittstaat“ stammend vom Progressionsvorbehalt aus, soweit diese im Kern zu den in § 2a Abs. 1 EStG inkriminierten Einkünften gehören. Dies bedeutet,2 dass innerhalb der EU diese (schlechten) Einkünfte beim Progressionsvorbehalt unberücksichtigt bleiben. Beispiel: Der im Inland ansässige Hotelier S betreibt im europäischen Ausland ein Hotel.3 Sowohl die mit dem Hotel erzielten Gewinne als auch die erlittenen Verluste werden im Inland nicht über den Progressionsvorbehalt berücksichtigt. Würde S dagegen eine Produktionsstätte für Kleider im EU-Ausland betreiben, so würden deren Gewinne und Verluste im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt.

2.494

Dies gilt für folgende Einkünfte aus EU-Staaten: – Land- und forstwirtschaftliche Betriebsstätten, – nach § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG „schlechte“ gewerbliche Betriebsstätten, – Einkünfte auf Vermietung und Verpachtung von Immobilien und Sachgesamtheiten, – bestimmte entgeltliche Überlassung von Schiffen, – Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverluste bei Immobilien, Sachgesamtheiten und Schiffen. Die Neuregelung erscheint konsequent insofern, als innerhalb der EU der Gesetzgeber beim Progressionsvorbehalt mit diesen „schlechten“, volkswirtschaftlich unerwünschten Einkünften nichts tun haben will. Die Verluste daraus sollen nicht berücksichtigt werden, aber auch mit den Gewinnen will der Gesetzgeber nichts zu tun haben. Allerdings geht dadurch die Parallelität der Behandlung der Verluste in § 2a EStG verloren. Dies ist jedoch eher eine theoretische Bemerkung, da § 2a EStG innerhalb der EU beim Bestehen eines dichten Abkommensnetzes kaum noch einen direkten Anwendungsbereich besitzt.

2.495

Die Neuregelung besagt im Ergebnis Folgendes: – Gewinne und Verluste aus Drittstaaten werden bei Progressionsvorbehalt uneingeschränkt berücksichtigt. – Innerhalb der EU (= Nicht-Drittstaat i.S.v. § 2a Abs. 2a EStG) ist zu unterscheiden: – Nicht gem. § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG „inkriminierte“ Einkünfte werden beim positiven wie negativen Progressionsvorbehalt berücksichtigt. – Die in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Einkünfte bleiben beim Progressionsvorbehalt unberücksichtigt, gleichgültig ob es sich um Gewinne oder Verluste handelt. Es ist zuzugeben, dass dieses Ergebnis nicht einfach dem Gesetz zu entnehmen ist, da § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG in seltener Weise sprachlich verunglückt ist.4 Einkünfte aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte werden in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG behandelt. Dies bedeutet: Gemäß Art. 7 DBA (i.S.d. OECD-MA) sind ausländische Betriebsstättenergebnisse im Inland freigestellt, werden aber gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG beim Progressionsvorbehalt berücksichtigt. § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG schließt die Anwendung des Progressionsvorbehaltes für Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen, gewerblichen Betriebsstätte aus. Dies sind Betriebsstätten in EU-Staaten, da diese andere als Drittstaaten sind. Der 2. Halbs. schränkt 1 2 3 4

Gosch in Kirchhof16, § 2a EStG Rz. 7. Siehe Mössner in Lüdicke/Kempf/Brink (Hrsg.), Verluste im Steuerrecht, 2010, 126 f. Nach § 2a Abs. 2 EStG führen Fremdenverkehrsanlagen zu „schlechten“ Verlusten. Wagner in Blümich, § 32b EStG Rz. 67; a.A. Heinicke in Schmidt36, § 32b EStG Rz. 34.

Mössner | 311

Kap. 2 Rz. 2.496 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung dann jedoch diese Regelung dahin gehend ein, dass diese Betriebsstätten nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllen dürfen. Wenn sie demnach die dort aufgeführten Einkünfte erzielen, findet die Nichtanwendung des Progressionsvorbehaltes auf sie keine Anwendung. Der 2. Halbs. ist keine Rückausnahme zum 1. Halbs., sondern dessen Anwendungsvoraussetzung. Hinsichtlich der übrigen in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Einkünfte wird der Progressionsvorbehalt innerhalb der EU klar ausgeschlossen, da es sich um „passive“ Einkünfte i.S.d. § 2a EStG handelt.

2.496 Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Beseitigung der Doppelbesteuerung im Ansäs-

sigkeitsstaat in den Fällen, in denen das Besteuerungsrecht des Quellenstaates unangetastet (Rz. 2.419) bleibt, und begrenzt die Wirkung der Freistellung auf das Herausnehmen der betroffenen Einkünfte auf die Bemessungsgrundlage der Steuern. Nicht betroffen ist von dieser Regelung die Besteuerung im Quellenstaat, der nur einen Ausschnitt aus der Gesamtleistungsfähigkeit erfasst. Beispiel: Staaten X und Y besteuern Einkünfte von 100 mit 30 v.H. und von 200 mit 40 v.H. A, ansässig in X, erzielt Einkünfte aus X und Y von jeweils 100. Y erhebt demgemäß 30, X besteuert nach Freistellung der 100 aus Y selbst 100, aber mit dem Satz von 40 %. Im Ergebnis entrichtet A nur 70 an Steuern, obgleich nach dem Recht beider Staaten insgesamt 80 zutreffend wäre.

2.497 Diese verbleibenden Progressionsvorteile werden nur dann beseitigt, wenn auch der Quellenstaat

den Steuersatz des Welteinkommens anwendet.1 Art. 23A Abs. 3 OECD-MA steht einer derartigen Besteuerung im Quellenstaat nicht entgegen: Er begrenzt nur den Umfang der Freistellung, der Quellenstaat stellt nicht frei. Wie der Quellenstaat kraft seines Steuerrechts die Einkünfte besteuert, ist ihm überlassen.2 Dass dieses Verständnis zutreffend ist, sieht man in dem Fall der doppelten Ansässigkeit einer Person. Sie bleibt in dem Staat, in dem sie nach der tie-breaker-rule des Abkommens nicht ansässig ist, unbeschränkt steuerpflichtig (Rz. 2.433, 2.498). Der Steuergegenstand und die Quantifizierung der Einkünfte werden von nationalem Recht bestimmt.

2.498 Die Ansässigkeit ergibt sich aus Art. 4 OECD-MA (Rz. 2.428). Der Progressionsvorbehalt knüpft an die Ansässigkeit nach dem DBA und damit indirekt an die unbeschränkte Steuerpflicht an: Ist ein Steuerpflichtiger in beiden vertragschließenden Staaten nach deren Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig, aber aufgrund der in Art. 4 OECD-MA enthaltenen Kriterien nur in einem der beiden Staaten ansässig, so gilt dies nur für das Abkommen selbst. Nach den Regeln des Quellenstaates bleibt er unbeschränkt, d.h. mit seinem Welteinkommen, steuerpflichtig, es werden nicht die Regeln über die beschränkte Steuerpflicht angewandt.3

2.499 Nimmt man an, dass es „keiner Anwendung des Methodenartikels durch den Ansässigkeitsstaat“

bedürfe,4 wenn die operativen Artikel (Art. 6–22 OECD-MA) dem Quellenstaat ausschließlich das Besteuerungsrecht zuweisen (Rz. 2.419: „darf nur“), so müsste dann der Ansässigkeitsstaat uneingeschränkt, d.h. ohne Progressionsvorbehalt, freistellen.5 Dagegen spricht jedoch, dass Art. 23A Abs. 3 OECD-MA den Progressionsvorbehalt für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat immer zu1 So in der Schweiz: Art. 7 I Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, vgl. Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Bd. I, § 13 Rz. 38. 2 Ebenso BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; siehe auch Djanani/Hartmann, IStR 2000, 321; Wassermeyer, IStR 2002, 289; Mössner, RIW 2003, (294) 295; dies verkennen Grotherr in G/K/G, Art. 23A/B, OECD-MA Rz. 136; Probst in H/H/R, § 32b EStG Anm. 27; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 232; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.541, 19.544; vgl. auch Vogel in FS Selmer, S. 959 (965 ff.) mit Hinweis auf die unklare Haltung der OECD. 3 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 10. 4 Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 12. 5 So in der Tat die schweizerische Auffassung, Höhn, Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz, Rz. 11.1 und 21.22; ebenso Grotherr in G/K/G, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 142; Art. 23 Rz. 14 DBA-Kanada.

312 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.502 Kap. 2

lässt, wenn die Einkünfte aus dem Quellenstaat „in Übereinstimmung mit irgendeiner Bestimmung des Abkommens“ (with any provision) im Ansässigkeitsstaat freizustellen sind. Damit bezieht sich Art. 23A Abs. 3 OECD-MA nicht nur auf die Fälle des Art. 23 Abs. 1 OECD-MA.1 Wie die Einbeziehung der freigestellten ausländischen Einkünfte zur Bemessung des auf die steuerpflichtigen Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes erfolgt, bestimmt sich allein aus den Regeln des innerstaatlichen Rechts. Während der BFH früher2 systematisch zutreffend für die Bestimmung des dem Welteinkommen entsprechenden Steuersatzes eine Schattenveranlagung unter Einbeziehung der freigestellten Einkünfte vornahm, ordnet seit dem JStG 1996 § 32b EStG nicht mehr an, dass die freizustellenden Einkünfte „bei der Berechnung … einzubeziehen sind“, sondern nunmehr ist vorgesehen, dass zur Berechnung „das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen“ um die freizustellenden Beträge „vermehrt oder vermindert“ wird. Dadurch entfällt sowohl eine Neuberechnung der einkommensabhängigen Größen als auch ein Einfluss auf den Verlustrücktrag.3 Grundlage ist danach nur das „nach § 32a EStG zu versteuernde Einkommen“. Was nicht in dieser Bemessungsgrundlage enthalten ist, ist auch nicht zu berücksichtigen. Dies gilt vor allem auch für die Steuervergünstigung des § 34a EStG.4

2.500

Enthält das DBA keinen Progressionsvorbehalt, so dürfen die freigestellten Einkünfte bei der Bemessung des Steuersatzes gleichwohl berücksichtigt werden.5 Rechtsgrundlage des Progressionsvorbehaltes ist § 32b EStG und nicht das DBA. Die gegenteilige h.M.6 verkannte das Zusammenspiel von DBA und nationalem Steuerrecht (vgl. Rz. 2.452 ff.). Selbst nach der Rspr. des BFH beschränkt sich die Wirkung der Freistellung auf die objektive Steuerbefreiung. Wie die übrigen, nicht freigestellten Einkünfte besteuert werden, ist ebenso wenig eine Angelegenheit des Abkommens, wie dieses auch nicht die Ermittlung der Einkünfte oder den Steuertarif vorschreibt. Somit hat die Vereinbarung eines Progressionsvorbehaltes im DBA nur deklaratorische Wirkung.

2.501

Höchst umstritten war die Berechnungsweise, wenn Progressionsvorbehalt und Fünftelregelung gem. § 34 EStG zusammentreffen.7

2.502

Beispiel: Inländer hat inländische – regulär – besteuerte Einkünfte von 100.000 und außerordentliche Einkünfte von 240.000. Zugleich hat er im Ausland 50.000 durch DBA freigestellte Einkünfte bezogen.

Zur Lösung werden die integrative8 und die additive9 Vorgehensweise vorgeschlagen. Der BFH10 hat sich für die integrative Methode entschieden.11 Neben dem Wortlaut stützt sich das Gericht vor allem auf den systematischen Zusammenhang von § 34 EStG und § 32b EStG. Danach sind die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden, im Inland steuerfreien Einkünfte bei der Steuerberechnung nach § 34 EStG erst bei der Ermittlung der Einkommensteuer zu berücksichtigen, die sich an 1 Im Ergebnis ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122. 2 BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 29.4.1992 – I R 102/91, BStBl. II 1993, 149. 3 Vgl. BFH v. 13.11.1991 – I R 3/91, BStBl. II 1992, 345; hierzu Wassermeyer, DBA Art. 23A OECDMA Rz. 132. 4 Bodden, FR 2012, 68 (72). 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 123. 6 Aus der Rspr. z.B. BFH v. 4.10.1967 – I 422/62, BStBl. II 1968, 101; v. 12.1.1993 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; kritisch hierzu Mössner, RIW/AWD 1968, 258 ff.; Mössner, RIW/AWD 1970, 569; aus der Literatur Frenz in K/S/M, § 32b EStG Rz. A 57; Probst in H/H/R, § 32b EStG Anm. 27. 7 Siegel, BB 2004, 914; Siegel, DStR 2007, 978; Siegel, FR 2008, 666; Siegel/Diller, DStR 2008, 178; Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz. D 29 ff.; Eggesiecker/Ellerbeck, DStR 2007, 1281. 8 So R 34.2 EStR; H 34.2 EStH 2015. 9 Vor allem von Siegel, BB 2004, 914 (920). 10 BFH v. 15.11.2007 – VI R 66/03, BStBl. II 2008, 375; v. 17.1.2008 – VI R 44/07, BStBl. II 2011, 21; v. 1.4.2009 – IX R 87/07, BFH/NV 2009, 1787. 11 Berechnungsbeispiel bei Sieker in K/S/M, § 34 EStG Rz. D 34.

Mössner | 313

Kap. 2 Rz. 2.503 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung die Fünftelung anschließt. Dabei gilt dies nur für positive, außerordentliche Einkünfte, nicht aber für Verluste, z.B. aus Veräußerungen, die somit uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.1

2.503 Der besondere Steuersatz wird somit ab VZ 1996 wie folgt berechnet: 1. Zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) +/– freigestellte ausländische Einkünfte = Steuersatzeinkommen 2. Ermittlung des durchschnittlichen Steuersatzes gem. § 32a EStG vom Steuersatzeinkommen 3. Anwendung dieses Satzes auf das zu versteuernde Einkommen. Beispiel: I hat Einkünfte von 50.000; darin sind 5.000 ausländische Arbeitseinkünfte, die gem. DBA im Inland freizustellen sind. Sonderausgaben kann I 3.000 geltend machen. Daraus folgt: Summe der Einkünfte = 45.000, Einkommen = 42.000; Bemessungsgrundlage = 42.000. Gemäß § 32b Abs. 2 EStG wird der „besondere Steuersatz“ so ermittelt, dass die Bemessungsgrundlage um die freigestellten Einkünfte erhöht wird (= 47.000), was einen Durchschnittssteuersatz2 von 26,34 v.H. entspricht, sodass für eine Einkommenssteuerschuld von 12.379 (statt 10.332 – ohne Tarifvorbehalt) entsteht.

2.504 Handelt es sich bei den freigestellten Einkünften um einen Auslandsverlust, so führt dies zu einer Minderung des Steuersatzeinkommens im Verhältnis zum zu versteuernden Einkommen (sog. negativer Progressionsvorbehalt).3

Beispiel: I hat ein Welteinkommen von 50.000, darin sind enthalten 20.000 ausländische Verluste. Die „Freistellung“ führt nach h.M. zu einer Summe der Einkünfte von 70.000. Abzüglich der Sonderausgaben etc. von 10.000 führt dies zu einem zu versteuernden Einkommen (Bemessungsgrundlage) von 60.000. Hierauf ist der dann um die „freigestellten“ Verluste verminderte Steuersatz anzuwenden: Steuersatzeinkommen = 40.000 Steuersatz = 23,9 v.H. angewandt auf 60.000 = 14.340 (statt 18.158 ohne Tarifvorbehalt). Bei Berücksichtigung des Verlustes wären es aber nur 9558, was der tatsächlichen Leistungsfähigkeit von 40.000 entspräche.

2.505 Gegebenenfalls kann dies zu einem durchschnittlichen Steuersatz von 0 v.H. führen, wenn die

ausländischen Verluste die Höhe der übrigen Einkünfte erreichen, sodass keine Steuer entsteht. Erwirtschaftet der Steuerpflichtige im Folgejahr einen Gewinn mittels der Einkunftsquelle im Ausland und gewährt der ausländische Staat einen Verlustvortrag, so greift gleichwohl die Freistellung im Folgejahr. Dies führt zu einer doppelten Verlustberücksichtigung, gemildert nur durch den Progressionsvorbehalt.

Beispiel (wie vorstehend): Im folgenden Jahr erzielt I einen ausländischen Gewinn von 20.000. Wegen eines Verlustvortrags entsteht im Ausland keine Steuerschuld. Im Inland wird I nur nach den Verhältnissen des folgenden Jahres besteuert, wobei der Gewinn „freigestellt“ bleibt.

2.506 Die Nichtberücksichtigung von Auslandsverlusten gem. § 2a Abs. 1 EStG schließt nach h.M.4 auch

den negativen Progressionsvorbehalt aus. § 2a Abs. 1 EStG wirkt bei der Ermittlung der Einkünfte,5 sodass die ausgeschlossenen Verluste nicht im Welteinkommen enthalten sind. Werden die nicht berücksichtigten Verluste entsprechend der Ausgleichsregelung von § 2a Abs. 1 EStG6 in 1 BFH v. 1.2.2012 – I R 34/11, BFH/NV 2012, 850. 2 Angenommene Steuersätze. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 124.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.537 f. 4 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136 (st. Rspr.); Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 27 ff. 5 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 11. 6 Vgl. Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 79 ff.

314 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.511 Kap. 2

den Folgejahren berücksichtigt, so werden das Welteinkommen und somit der besondere Steuersatz gem. § 32b EStG gemindert. Nach h.M.1 ist der Progressionsvorbehalt nicht auf die Körperschaftsteuer anwendbar, sodass auch ausländische Verluste unberücksichtigt bleiben: kein negativer Progressionsvorbehalt für Körperschaften. Dafür spricht, dass es eine der Tarifvorschrift des § 32b EStG entsprechende Norm im KStG nicht gibt. Die Begründung, der Vorbehalt setze einen progressiven Tarif voraus, woran es bei der Körperschaftsteuer fehle, ist dann wenig überzeugend, wenn die ausländischen Verluste das Gesamteinkommen auf null oder in den Bereich der Freibeträge bringen. Auch bei der Einkommensteuer wird der Progressionsvorbehalt angewendet, wenn der individuelle Grenzsteuersatz im proportionalen Bereich liegt.

2.507

Der Progressionsvorbehalt kann dazu führen, dass auch ein wegen seiner Geringfügigkeit ansonsten nicht zu versteuerndes Einkommen, d.h. ein unter dem Grundfreibetrag liegendes Einkommen, versteuert wird.2

2.508

Bei Ehegatten ist die Anwendung des Progressionsvorbehaltes im Rahmen der Zusammenveranlagung auch zulässig, wenn nur einer der Ehegatten steuerpflichtige Einkünfte, der andere dagegen nur ausländische, durch ein DBA steuerbefreite Einkünfte hat.3 Bei ausländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kommt es darauf an, ob eine Veranlagung nach § 46 EStG durchzuführen ist.

2.509

Bei der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG sind auch nach § 2 Abs. 5 AStG die ausländischen Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen.4 Dies gilt auch bei Bestehen eines DBA mit dem neuen Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen. Deutschland ist dann Quellenstaat und kann (vgl. Rz. 2.492) den Steuersatz des Welteinkommens auf die seiner beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte anwenden.5 Die zweifelnde Ansicht von Ismer6 beruht auf seinem anderen Verständnis des Progressionsvorbehalts, das nicht geteilt wird.

2.510

IV. Auswirkung der DBA auf die Gewerbesteuer An erster Stelle ist zu klären, ob ein DBA Deutschlands mit einem ausländischen Staat auch auf die Gewerbesteuer anwendbar ist. Art. 2 OECD-MA sieht vor, dass das Abkommen auf Steuern vom Einkommen, die vom Staat oder seinen Gebietskörperschaften erhoben werden, was im Absatz 2 noch näher definiert wird, anwendbar ist. Dass die Gewerbesteuer, vor allem in ihrer heutigen Ausgestaltung, eine „Steuer vom Einkommen“ i.S.d. Abkommensrechts ist, wird nicht ernsthaft bestritten.7 Darüber hinaus ist sie in den deutschen DBA8 ausdrücklich aufgeführt. Ein DBA entfaltet verschiedene Wirkungen. Dabei geht es für die Gewerbesteuer um die folgenden Aspekte: – Wirkung eines DBA auf die Gewerbesteuer bei beschränkter Steuerpflicht eines Ausländers, – Behandlung der – falls erhoben – Gewerbesteuer im Ansässigkeitsstaat des Ausländers (Rz. 2.513),

1 2 3 4 5

Herzig, RIW 1979, 545; Probst in H/H/R, § 32b EStG Anm. 18; Frenz in K/S/M, § 32b EStG Rz. A 72 f. BFH v. 9.8.2001 – III 50/00, BStBl. II 2001, 778. BFH v. 25.5.1970 – I R 77/69, BStBl. II 1970, 640; v. 6.10.1982 – I R 121/79, BStBl. II 1983, 34. Steierberg in Fuhrmann, § 2 AStG Rz. 156 ff. Ebenso Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 159; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, 3, Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 2.0.2.1 – Grundsätze der Anwendung des AStG. 6 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 234 m.w.N. 7 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 73; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 erwähnen die Gewerbeertragsteuer zu Recht ohne weitere Begründung. 8 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 53 (Übersicht), 75 f.

Mössner | 315

2.511

Kap. 2 Rz. 2.512 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung – Wirkung des DBA auf die Erhebung der Gewerbesteuer auf ausländische Einkünfte eines inländischen Betriebs (nachstehend Rz. 2.514), – Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer nach DBA (nachstehend Rz. 2.515). Abkommensberechtigt ist, obwohl die Gewerbesteuer als Objektsteuer den Gewerbebetrieb als solchen zum Gegenstand hat, der Unternehmer, d.h. die „Person“, die den Gewerbebetrieb unterhält.1

2.512 Ein ausländischer Unternehmer, der im Inland eine gewerbliche Betriebsstätte unterhält und in

seinem Wohnsitzstaat mit seinem Welteinkommen der Besteuerung unterliegt, wird mit seiner inländischen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO gem. § 2 GewStG in gleicher Weise wie ein inländischer Unternehmer gewerbesteuerpflichtig.2 Eine beschränkte Gewerbesteuerpflicht gibt es im eigentlichen Sinne daher nicht.3 Es kommt daher i.d.R. zu einer doppelten Besteuerung der Betriebsstättengewinne im Inland wie im Ausland. Daher ist die Anwendung eines DBA angebracht. Für inländische Betriebsstättengewinne bedeutet dies, dass Art. 7 OECD-MA entsprechend die Besteuerung im Quellenstaat – d.h. Deutschland – nicht eingeschränkt wird, was auch für die Gewerbesteuer gilt. Zu beachten ist das Verhältnis des Betriebsstättenbegriffs des § 12 AO zu demjenigen des DBA (siehe Rz. 2.136 ff.). Ist der Begriff im DBA weiter als im nationalen Recht, d.h., erfasst er mehr Fälle, so kommt es nur auf den nationalen Begriff des § 12 AO an. Die weitere Erlaubnis des Abkommens wird dann vom nationalen Recht nicht ausgenutzt. Im anderen Fall – DBA-Begriff ist enger als § 12 AO – schränkt das Abkommen die nationale Besteuerung ein, sodass auch die Erhebung der Gewerbesteuer ausgeschlossen wird. Da andere als gewerbliche Betriebsstätteneinkünfte nicht der Gewerbesteuer unterliegen, werden andere Einkünfte aus dem Inland – z.B. Zinsen, Dividenden, Lizenzen, Immobilieneinkünfte – nicht erfasst, es sei denn, sie gehören zu den Betriebsstätteneinkünften.

2.513 Im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers kommen die vereinbarten Regeln zur Vermeidung der

Doppelbesteuerung nach Art. 23 OECD-MA entsprechend zur Anwendung. Bei vereinbarter Freistellung von Betriebsstättengewinnen bleibt es bei der deutschen Besteuerung. Ist die Anrechnungsmethode vereinbart, so wird die deutsche Gewerbesteuer mit angerechnet.4 Dies jedenfalls nach zutreffender Auslegung des DBA.

2.514 Auf ausländische Einkünfte eines Unternehmens, die der Gewerbesteuer unterliegen (Rz. 2.410),

wirken die DBA indirekt ein. Da der Gewerbeertrag gem. § 7 GewStG auf dem einkommensteuerlichen und körperschaftssteuerlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb beruht, führen abkommensrechtliche Freistellungen auch dazu, dass die entsprechenden Einkünfte nicht im Gewerbeertrag enthalten sind. Wenn § 9 Nr. 8 GewStG bei Schachtelprivilegien eines DBA die Beteiligungsquote herabsetzt, so setzt dies voraus, dass die Bestimmungen des DBA auch auf die Gewerbesteuer einwirken. Im Unterschied zum eigenständigen, nationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG (Rz. 2.415) erstreckt sich dieses nicht auf Enkelgesellschaften.

2.515 Sieht ein DBA nicht die Freistellung ausländischer Einkünfte, sondern die Anrechnung der Quellen-

steuern im Ansässigkeitsstaat des empfangenden Unternehmens vor, so ist strittig, ob die ausländischen Steuern auch auf die Gewerbesteuer angerechnet werden können.5 Das GewStG enthält keine Vorschrift zur Anrechnung (vgl. Rz. 2.410). § 34c EStG und § 26 KStG sind nicht auf die Gewerbesteuer anwendbar. Bei ihnen handelt es sich nicht um Normen für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die über § 7 GewStG wirksam werden könnten, sondern um Normen im Rahmen der Ermittlung der zu zahlenden Steuer. Dadurch, dass mit der Unternehmenssteuerreform 2008 die Steuer1 2 3 4 5

Siehe auch Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 73. Drüen in Blümich, § 2 GewStG Rz. 301. Gosch in Blümich, § 5 GewStG Rz. 13. Ebenso Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 80. Hierzu eingehend Becker/Loose, IStR 2012, 57 ff.

316 | Mössner

E. Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Staatsverträge | Rz. 2.516 Kap. 2

sätze, insbesondere bei der Körperschaftsteuer, gesenkt wurden, kommt es in vielen Fällen zur Situation, dass die nach dem DBA zulässige Quellensteuer, die auf Bruttoeinkünfte erhoben wird, höher ist als die inländische Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf die Nettoeinkünfte. Da im nationalen Recht es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage fehlt, käme nur in Betracht, auf das Abkommen selbst die Anrechnung zu stützen. Dabei sind drei Fälle zu unterscheiden: 1. Das DBA enthält eine ausdrückliche Regelung. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz schließt die Anrechnung schweizerischer Quellensteuern explizit aus. Soweit ersichtlich sieht kein Abkommen die Anrechnung auf die Gewerbesteuer vor. Randziffer 10e des Protokolls zum DBA-Australien sieht immerhin den Abzug des Anrechnungsüberhangs bei der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer vor. 2. Das DBA beschränkt die Anrechnung auf die „zu erhebende deutsche Einkommen- und Körperschaftsteuer … unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern.“1 Bei einem derartigen Abkommenstext ist kein Raum für eine Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer auf die ausländischen Einkünfte.2 Vor allem der Hinweis auf die deutschen Vorschriften über die Anrechnung führt nicht zu einer Erweiterung des nationalen Rechts.3 Bereits dem Wortlaut des Abkommens kann kein Hinweis auf die Gewerbesteuer entnommen werden. Eine Ausdehnung des nationalen Rechts lässt sich nicht begründen. Dies ist auch nicht ernsthaft bestritten. 3. Das DBA ordnet eine Anrechnung auf die deutschen Steuern vom Einkommen an. Verbunden mit der generellen Anwendbarkeit des DBA auf die Gewerbesteuer wird vertreten, dass bei einem derartigen Abkommenstext auch eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer zu erfolgen habe.4 Da es an einer entsprechenden nationalen Vorschrift für die Gewerbesteuer fehlt, könnte Rechtsgrundlage das DBA selbst sein. Voraussetzung ist dann, dass die DBA-Norm self-executing ist. Dies ist sie nicht, wenn sie ausdrücklich nur eine Verpflichtung des Staates zur Umsetzung enthält – was zu verneinen ist – oder so allgemein und wenig konkret ist, dass sie im innerstaatlichen Recht nicht angewandt werden kann. Oder anders gewendet: Sie muss so konkret sein, dass sie innerstaatlich anwendbar ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Einerseits würde dies die Anrechnung auf mehrere deutsche Steuern mit unterschiedlichen Steuergläubigern bedeuten: Einkommensteuer und Körperschaftsteuer auf der einen Seite und Gewerbesteuer auf der anderen Seite. Es wäre völlig unklar, wie die Anrechnung erfolgen sollte: verhältnismäßig bei ESt/KSt und GewSt? Oder: vorrangig ESt/KSt und nur der Überschuss bei der GewSt? Oder umgekehrt?5 Andererseits ist völlig ungewiss, wie die Anrechnung bei Erhebung der Körperschaftsteuer durch mehrere Gemeinden mit unterschiedlichen Hebesätzen vorgenommen werden sollte. Mangels hinreichender Bestimmtheit muss der self-executing-Charakter verneint werden. Dies bedeutet nicht, dass eine Erweiterung der Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht systematisch richtiger wäre. Man kann so weit gehen und aus dem Abkommen eine (völkerrechtliche) Verpflichtung Deutschlands zur entsprechenden Regelung im GewStG ableiten. Dies begründet aber keine subjektiven Rechte der Steuerpflichtigen, sondern kann nur vom Vertragspartner Deutschlands gefordert werden. Die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bleiben nach h.M.6 von den DBA unberührt. Begründet wird dies mit dem Fehlen der Subjektidentität, die dazu führt, dass es lediglich zu einer wirt1 So in der Mehrzahl der deutschen Abkommen, z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden. 2 So auch Becker/Loose, IStR 2012, 59 f.; Grotherr in G/K/G, Art. 23 OECD-MA Rz. 325; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 OECD-MA Rz. 104; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 172. 3 Ebenso Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 108. 4 Vor allem mit Nachdruck Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108 mit Klarstellung in IStR 2011, 953. 5 Erwägungen de lege ferenda bei Lüdicke, Überlegungen, 109. 6 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 79 m.w.N.

Mössner | 317

2.516

Kap. 2 Rz. 2.517 | Doppelbesteuerung und deren Beseitigung schaftlichen Doppelbelastung führt, wenn z.B. die Zinsen beim Empfänger besteuert und beim Zahlenden hinzugerechnet werden. Da der ausländische Darlehensgeber trotz der Hinzurechnung im Inland beim Darlehensnehmer die Zinsen ungekürzt erhält, liegt auch kein Verstoß gegen Europarecht vor.1 Die Hinzurechnungen gem. § 8 GewStG betreffen allein die inländische Besteuerung der im Inland belegenden Betriebsstätte eines Unternehmens.

2.517 Aus dem gleichen Grunde scheitert auch eine Anrechnung der durch die Hinzurechnung ausgelösten deutschen Gewerbesteuer beim ausländischen Darlehensgeber bzw. Entgeltempfänger.

1 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar Technology, ECLI:EU:C:2011:499.

318 | Mössner

Kapitel 3 Grenzüberschreitender Electronic Commerce A. Electronic Commerce I. Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsteuerliche Besonderheiten . . B. Inboundgeschäft I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betriebsstätteneinkünfte 1. Inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG . a) Internetserver und sonstige IT-Infrastruktur . . . . . . . . . . . b) Warenlager und Logistikanlagen c) Nutzung von Banner Space und Microsites . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorliegen einer DBA-Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte a) DBA-Betriebsstättenprinzip für Unternehmensgewinne . . . . . . b) Server als feste Geschäftseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . c) Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch den Server . . . . d) Sonstige IT-Infrastruktur . . . . . e) Gewinnaufteilung . . . . . . . . . . f) Kritische Würdigung . . . . . . . .

. . . .

. . . . . .

III. Vertreter und Vermittler 1. Inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG . . a) Vertrieb unter Einschaltung einer inländischen Online-Plattform . . . b) Inanspruchnahme inländischer Vermittler und sonstiger Dienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lagerhalter und Logistikdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inländischer DENIC-Ansprechpartner für die Domainregistrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorliegen einer DBA-Vertreterbetriebsstätte a) Vertreterbetriebsstätte . . . . . . . . b) Websites, Webhosting und Cloud Computing . . . . . . . . . . . c) Einschaltung inländischer Vermittler und Vertreter . . . . . . d) Warenlager und Logistikanlagen .

__ _ _ __ _ _ _ __ __ _ _ _ _ _ _ _ __

3.1 3.7 3.9

3.11 3.12 3.21 3.22

3.23 3.27 3.31 3.39 3.40 3.42

3.43 3.45 3.46 3.47 3.49 3.50 3.52 3.53 3.55

IV. „Betriebsstättenlose“ inländische gewerbliche Einkünfte 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standardsoftware a) Softwareüberlassung an Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Softwareüberlassung an Unternehmen und Universitäten . . . . 3. Videos, Bilddateien, Audiodateien und Texte (E-Books) . . . . . . . . . . 4. Datenbanken und Bitcoin-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Cloud Computing (insbesondere Software as a Service) . . . . . . . . . 6. Domainnamen . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

V. Sonstige inländische Einkünfte . . . 1. Nutzung beweglicher Sachen im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überlassung von Know-how . . . . . . VI. Fazit zum Inboundgeschäft . . . . . . C. Outboundgeschäft I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Direktgeschäft . . . . . . . . . . . . . . III. Ausländische Betriebsstätteneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausländische Vermittler und Vertreter (insbesondere Plattformvertrieb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermittlung und offene Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kommissionsgeschäfte . . . . . . . . . 3. Eigenhändler und Reseller . . . . . . . V. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . D. Auswirkungen des BEPS-Projekts I. Steuerliche Herausforderungen der Digital Economy . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Projekts . . . . . . . . . . . . III. Neuverteilung der Besteuerungsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.56 3.58 3.59 3.63 3.66 3.69 3.73 3.74 3.75 3.77 3.80 3.81 3.82 3.83

3.86 3.87 3.89 3.90 3.91

_ _ __

3.94 3.95 3.97 3.99

Literatur: Ackermann, Beschränkte Steuerpflicht bei der grenzüberschreitenden Überlassung von Software, ISR 2016, 258; Fehling, Neues zu den Herausforderungen für die Besteuerung der Digitalen Wirtschaft, IStR 2015, 797; Holthaus/Volkmann, Besteuerung von Vergütungen nach § 13b UStG sowie nach § 50a EStG bei elektronischer Datennutzung, DStZ 2015, 550; Kahle/Baschnagel/Kindich, Aktuelle Aspekte der Ertrags-

Pinkernell | 319

Kap. 3 Rz. 3.1 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce besteuerung von Server-Betriebsstätten, FR 2016, 193; Kessler/Wald, Datenbankanwendungen – Quellensteuerabzug aufgrund automatischer Rechteverwertung oder nicht steuerbares Direktgeschäft?, IStR 2015, 889; Kofler/Mayr/Schlager, Digitalisierung und Betriebsstättenkonzept, BB 2017, 1751 (Teil 1) u. 1815 (Teil 2); Kraft/Hentschel/Apler, Besteuerungsstrukturen von Auslieferungslagern im Kontext sich abzeichnender BEPS-Entwicklungen, Ubg 2017, 318; Leisner-Egensperger, Betriebsstättenbegriff und Besteuerung des E-Commerce, StuW 2014, 298; Malinski, Internationale Besteuerungsprobleme im Bereich der Software-Entwicklung und -Vermarktung, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. 2011, 1411; Maßbaum/Imhof, Beschränkte Steuerpflicht und Steuerabzug bei grenzüberschreitender Überlassung von Software und Datenbanken, FR 2018, 6; Maßbaum/Müller, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Abzugsteuer gem. § 50a bei Lizenzzahlungen, BB 2015, 2031; OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, 2015; Petersen, Quellensteuer bei Überlassung von Standardsoftware, IStR 2013, 896; Petersen, Quellensteuer bei Softwareüberlassung, IStR 2016, 975; Pinkernell, Cloud Computing – Besteuerung des grenzüberschreitenden B2B- und B2C-Geschäfts, Ubg 2012, 331; Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift Nr. 494 (2014); Pinkernell, Beschränkte Steuerpflicht bei Vergütungen für Software und Datenbanken, Ubg 2017, 497; Rehfeld, Vertreter- und Logistikbetriebsstätten post BEPS 7, IWB 2017, 209; Tappe, Steuerliche Betriebsstätten in der „Cloud“, IStR 2011, 870; Wolff-Seeger/Saliger, Funktionsverlagerung durch Digitalisierung?, ISR 2017, 235.

A. Electronic Commerce I. Grundbegriffe 3.1 Unter „Electronic Commerce“ (E-Commerce) versteht man den Verkauf oder Kauf von Waren

oder Dienstleistungen über ein Computernetzwerk unter Verwendung eigens dafür entwickelter Methoden zur Entgegennahme oder Aufgabe einer Bestellung.1 Maßgebend für die typologische Einordnung des Geschäftsvorfalls sind also die Modalitäten des Vertragsabschlusses, der immer unter Einsatz von Telemedien erfolgt (z.B. Website, E-Mail, AppStore, EDI).2 Unerheblich für die Einordnung ist dagegen, ob die vertragstypische Leistung als elektronische Leistung bzw. „Onlinegeschäft“ ebenfalls über ein Computernetzwerk erbracht wird (z.B. Download einer Datei) oder in einer physischen Warenlieferung bzw. einer „offline“ erbrachten Dienstleistung besteht.3

3.2 Die begrifflichen Wurzeln des E-Commerce liegen im amerikanischen Einzelhandel: Verkauft ein

Unternehmen Waren in einem Ladengeschäft, handelt es sich um stationären Einzelhandel („brick-and-mortar business“). Kann der Kunde die Ware dagegen per Mausklick im Webshop des Unternehmens kaufen, liegt aufgrund des Online-Vertragsabschlusses ein Geschäftsvorfall im E-Commerce vor. Das gilt nicht nur dann, wenn der Kunde die über das Internet bestellte Ware per Post erhält (Online-Versandhandel), sondern auch wenn er sie selbst im Ladengeschäft des Unternehmers abholt („click and brick“, „click and collect“). Unterhält ein Online-Versandhändler keine Ladengeschäfte, liegt ein reines E-Commerce-Geschäftsmodell vor („pure play“).

3.3 Die Anbieter unterscheiden dabei zwischen zwei Kundensegmenten, weil das Geschäft mit gewerb-

lichen Kunden (Business-to-Business, B2B) andere Anforderungen als das Geschäft mit Verbrauchern (Business-to-Consumer, B2C) hat. Kostenlose Portalseiten und Social-Media-Anbieter haben sich als Eingangstüren zum Internet positioniert und nutzen den ständigen Kontakt zum Verbraucher für mehrseitige Geschäftsmodelle. Hier „bezahlen“ die Nutzer mit der Überlassung von Daten für eine vermeintlich kostenlose Internetleistung und der Anbieter verwertet die Daten durch Er1 OECD, Addressing the Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, Paris, 2015, Tz. 118. 2 Vgl. § 312i Abs. 1 BGB (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr). 3 Dagegen unterscheidet das EU-Mehrwertsteuerrecht zwischen elektronisch erbrachten Dienstleistungen (eeD) einerseits und sonstigen Dienstleistungen bzw. Lieferungen andererseits. Bei eeD handelt es sich um Dienstleistungen, die weitgehend automatisiert über ein elektronisches Netzwerk erbracht werden (Art. 7 Abs. 1 MwStVO).

320 | Pinkernell

A. Electronic Commerce | Rz. 3.6 Kap. 3

bringung entgeltlicher und zielgenauer Werbeleistungen an Dritte („Monetarisierung“ von Nutzerdaten).1 Die zunehmende Verbreitung mobiler Endgeräte (Smartphones, Tablets) hat weitere Bezahlmodelle geschaffen, denn das mitgelieferte Betriebssystem dient als Verkaufsplattform des Anbieters und verfügt über mindestens ein integriertes Zahlungssystem (z.B. Abrechnung über den Mobilfunkanbieter). Selbstverständlich werden auch hier wieder die Nutzerdaten durch Werbung „monetarisiert“, was im Hinblick auf die gleichzeitig übermittelten GPS-Standortdaten besonders lukrativ ist. Weitere prägende Merkmale des E-Commerce sind eine hochgradige Arbeitsteilung entlang der Wertschöpfungskette sowie das Outsourcing von Geschäftsprozessen an den kostengünstigsten Anbieter. E-Commerce-Unternehmen beauftragen andere Websitebetreiber, für sie Werbemaßnahmen durchzuführen („affiliate marketing“), bieten ihre Produkte auf dem Internet-Marktplatz oder der Versteigerungsplattform eines Dritten an („market place“, AppStore), lassen Vertragsabschluss und Zahlungsvorgang von spezialisierten Dienstleistern abwickeln („reseller“, „payment service provider“), und oft wird sogar die gesamte Logistik einschließlich Einkauf, Lagerhaltung und Versand auf Dritte ausgelagert („fulfillment“). Das technische Fundament bilden die Telekommunikationsunternehmen, welche die drahtgebundenen und drahtlosen Netzwerke betreiben. Internet Service Provider (ISP) ermöglichen den Zugang zum Internet und Webhoster unterhalten Rechenzentren bzw. „server farms“, auf denen die Webshops von Händlern und Inhaltsanbietern sowie andere Teile des „E-Commerce-Ökosystems“ gehostet bzw. untergebracht werden. Jedes mit dem Internet verbundene Gerät erhält eine einmalige Internetadresse (IP-Adresse), damit es Datenpakete senden und empfangen kann. Die IP-Adressen werden landesbezogen verwaltet, wobei die jeweilige Registrierungsstelle auch für die Vergabe der landesspezifischen Top-Level-Domain (TLD) zuständig ist.2 Das „Cloud Computing“ ist ebenfalls im Bereich des Outsourcings von IT-Leistungen angesiedelt. Wesentliches Merkmal ist das Angebot, vollautomatischer, dynamischer und skalierbarer Ressourcen.

3.4

Der E-Commerce profitiert nicht nur von der Globalisierung, sondern hat sie auch maßgeblich vorangetrieben. Denn die Netzwerktechnologie für den Austausch von Datenpaketen (Internet Protocol), die Darstellung von HTML-Seiten im World Wide Web, E-Mail-Kommunikation und Übertragung von Multimediainhalten folgen weltweit einheitlichen Standards. Da viele Länder ihren Bürgern einen mehr oder weniger freien Zugang zum Internet gestatten, kann die Markteintrittsschwelle für ausländische Anbieter sehr niedrig sein. In vielen Branchen hat sich bereits ein globaler Markt entwickelt, der sich zudem anschickt, mit Bitcoin auch noch eine eigene, dezentrale „Cyberwährung“ hervorzubringen.3 Die Globalisierung öffnet nicht nur den Zugang zu Kunden in beliebigen Ländern, sondern ermöglicht internationalen Konzernen auch die optimale geografische Verteilung von solchen Unternehmensfunktionen, die sich outsourcen lassen oder mobil sind. Das Ergebnis ist dann eine grenzüberschreitende oder sogar globale Wertschöpfungskette, die ein großer Vorteil im Wettbewerb mit rein nationalen Anbietern sein kann.

3.5

Die E-Commerce-Unternehmen sind ein Vorreiter bei der konsequenten Nutzung von Computern, Netzwerken, Software und Daten. Nur die weitgehende Automatisierung aller Unternehmensprozesse ermöglicht die kosteneffiziente Abwicklung der großen Anzahl von Geschäftsvorfällen, die benötigt wird, um das jeweilige Geschäftsmodell profitabel werden zu lassen. Mittlerweile hat die Informationstechnologie aber sämtliche Branchen erfasst, weshalb sie zu einer wesentlichen

3.6

1 Nach Ansicht von Melan/Pfeiffer, DStR 2017, 1072 (1073) liegt für Zwecke der Umsatzsteuer sogar ein tauschähnlicher Umsatz zwischen Anbieter und Nutzer vor (Internetleistung gegen „Datenverwertungsrecht)“. 2 Die Vergabe von Domains mit der Endung „.de“ erfolgt durch die privatwirtschaftlich organisierte DENIC e.G. Daher bezeichnet „www.beispiel.de“ einen Webserver (www) mit dem Domainnamen „beispiel“, der unter der TLD „de“ registriert ist. Eine Domain kann mehrere Subdomains haben, z.B. „support.beispiel.de“ und „technik.beispiel.de“. 3 Siehe dazu Pinkernell, Ubg 2015, 19; Frase, BB 2016, 26; Richter/Augel, FR 2017, 937 und 1131.

Pinkernell | 321

Kap. 3 Rz. 3.7 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce Grundlage moderner Volkswirtschaften geworden ist. Man kann daher eine moderne Volkswirtschaft auch als „Digital Economy“ bzw. „Digitalwirtschaft“ bezeichnen.1 Dies gilt insbesondere für die deutsche Wirtschaft, die sich gerade von einer Industrie- bzw. Dienstleistungsgesellschaft zu einer Digitalwirtschaft entwickelt. Exemplarisch dafür steht das von der Bundesregierung und verschiedenen Verbänden ins Leben gerufene Projekt „Industrie 4.0“.2 Angestrebt wird die Vernetzung von Maschinen und Geräten zu mehr oder weniger großen Verbünden, die automatisch Sensordaten erheben, Entscheidungen treffen, Produktionsabläufe steuern und Waren transportieren. Endstufe ist das „Internet der Dinge“, das in der Lage ist, große, unstrukturierte Datenmengen auszuwerten („Big Data“) und Maschinen in die Lage versetzt, autonom und in Echtzeit zu agieren („smart factory“, „smart car“). Der – doch etwas erschreckende – Endpunkt dieser Entwicklung ist eine weitgehende Automatisierung sämtlicher Wertschöpfungsschritte, die einerseits die Grenzkosten für jedes zusätzliche Produkt gegen Null sinken lässt, andererseits die menschliche Arbeitskraft überflüssig zu machen droht.

II. Ertragsteuerliche Besonderheiten 3.7 Der E-Commerce führt ertragsteuerlich kein Eigenleben, insbesondere handelt es sich nicht um

eigene Einkunftsart. Zwar kann es in Bezug auf bestimmte Branchen steuerpolitisch sinnvoll sein, geografisch mobile Einkünfte ausschließlich am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens zu besteuern (Beispiel: Einkünfte aus internationaler Schiff- und Luftfahrt gem. Art. 8 OECD-MA).3 Jedoch wäre die eingangs erwähnte betriebswirtschaftliche Definition des E-Commerce, die an den Vertriebsweg anknüpft, gar nicht für eine sinnvolle ertragsteuerliche Abgrenzung geeignet.4 Der Befund der fehlenden Abgrenzbarkeit betrifft übrigens die Digitalwirtschaft insgesamt, weshalb sich die OECD im Rahmen des BEPS-Projekts bislang gegen die Einführung besonderer ertragsteuerlicher Regeln für digital geprägte Leistungen ausgesprochen hat.5

3.8 E-Commerce und digitale Geschäftsvorfälle bilden somit eine Querschnittsmaterie, die im Rahmen

der bestehenden Tatbestände aufgearbeitet werden muss. Dabei lassen sich allerdings einige ertragsteuerliche Besonderheiten erkennen, die den Rechtsanwender vor Probleme stellen, für die es oft noch keine eindeutige Lösung gibt. Ein wesentliches Merkmal des E-Commerce ist sicher die herausgehobene Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter, zu denen insbesondere Software und Datenbestände unterschiedlichster Art gehören. Diese Wirtschaftsgüter bilden nicht nur als Anlagevermögen eine Grundlage der automatisierten Unternehmenstätigkeit, sondern können auch als „content“ bzw. Produkt in Form von digitalen Kopien über das Internet vertrieben werden. Daraus ergibt sich die Frage, ob es sich bei der konkreten Leistung um eine Handelstätigkeit (z.B. Lieferung von Sachen), eine Dienstleistung oder gar um die Nutzungsüberlassung von Rechten handelt. Die Abgrenzung betrifft nicht nur die Einkünftequalifikation gem. §§ 49 Abs. 1, 34d EStG, sondern auch die DBA-Verteilungsnormen, die u.a. eine Abgrenzung zwischen Unternehmensgewinnen, Lizenzgebühren und Veräußerungsgewinnen vornehmen. Die intensive Verwendung von IT-Anlagen und -Plattformen wirft die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsstätte entsteht (§ 12 AO bzw. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA). Eng damit verbunden ist die Bestimmung des Orts

1 OECD, Addressing the Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, Paris, 2015, Rz. 363 f. 2 Die Plattform „Industrie 4.0“ koordiniert die verschiedenen Unterprojekte, www.plattform-i40.de (zuletzt abgerufen am 16.1.2018). 3 Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, 426 f. 4 Die Art und Weise des Vertragsabschlusses ist vor dem Hintergrund der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit irrelevant. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum der Vertragsabschluss über das Internet andere Besteuerungsfolgen als der Vertragsabschluss per Telefon oder Telefax auslösen sollte. 5 OECD, Addressing the Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, Paris, 2015, Tz. 364. Ebenso Valta, ISR 2014, 391 (392); Fehling, IStR 2014, 638 (640); Pinkernell, DK 2015, 57 (60).

322 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.10 Kap. 3

der Wertschöpfung, die am Anfang der Gewinnaufteilung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus steht (§ 1 Abs. 5 AStG, Art. 7 Abs. 2 OECD-MA).1 Und welcher Staat darf eigentlich die Gewinne global tätiger E-Commerce-Unternehmen besteuern, die sich aus den (kostenlosen) Leistungen der Nutzer sowie Netzwerkeffekten ergeben? Die folgende Darstellung befasst sich zunächst mit den ertragsteuerlichen Besonderheiten des Inboundgeschäfts (Abschnitt B). Sodann werden besonders praxisrelevante Aspekte des Outboundgeschäfts erläutert (Abschnitt C). Den Schluss bildet ein Überblick zu den Auswirkungen des BEPS-Projekts der G20/OECD, das sich intensiv mit den steuerlichen Herausforderungen der Digital Economy befasst hat (Abschnitt D).

B. Inboundgeschäft I. Überblick Das Inboundgeschäft spielt im E-Commerce eine große Rolle, da viele internationale Anbieter den deutschen Markt vom Ausland aus bedienen. Dabei kommen mitunter inländische Betriebsstätten und ständige Vertreter zum Einsatz, der Schwerpunkt liegt jedoch im Direktgeschäft ohne festen Stützpunkt im Inland.2 Bei den ausländischen Anbietern handelt es sich in aller Regel um Kapitalgesellschaften, weshalb im Folgenden nur die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht behandelt wird (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Dabei ist für jeden Inbound-Geschäftsvorfall zu prüfen, ob einer der Katalogtatbestände des § 49 Abs. 1 EStG verwirklicht ist. Erzielt der ausländische Anbieter inländische Einkünfte, muss in einem zweiten Schritt die Art und Weise der Steuererhebung geklärt werden. Dabei ist zwischen der Steuerveranlagung gem. § 31 Abs. 1 KStG und dem Steuerabzug gem. §§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG zu unterscheiden, der zunehmend von Bedeutung ist. Denn mittlerweile beziehen fast alle inländischen Unternehmen immaterielle bzw. digitale Eingangsleistungen von Steuerausländern. In einem dritten Schritt erfolgt dann die Prüfung, ob die beschränkt steuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaft nach einem DBA oder der Zinsen- und Lizenzgebühren-RL Anspruch auf eine Vergünstigung hat und ob die Geltendmachung dieser Vergünstigung weitere Handlungen erfordert (z.B. Einholung einer Freistellungsbescheinigung beim BZSt).

3.9

Die grenzüberschreitenden E-Commerce-Geschäftsmodelle lassen sich trotz ihrer Vielfalt auf einen Kern typischer Geschäftsvorfälle reduzieren. Dieser besteht im Wesentlichen aus online abgeschlossenen Verträgen, die sich auf die Lieferung physischer Waren (z.B. Versandhandel), die Erbringung realer Dienstleistungen (z.B. Hotelbuchung), die Überlassung „digitaler Produkte“ (z.B. Download von Kinofilmen) und die Erbringung automatisierter Dienstleistungen (z.B. OnlineWerbeleistungen) an einen Steuerinländer beziehen. Damit scheiden aus dem umfangreichen Katalog des § 49 EStG solche Tatbestände aus, die einen gänzlich anderen Leistungsinhalt haben oder schon gar nicht auf ausländische Kapitalgesellschaften anwendbar sind (z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus selbständiger Arbeit). Nach dieser Vorauslese bleiben aus dem Katalog des § 49 Abs. 1 EStG noch folgende Tatbestände übrig, die für den E-Commerce praktisch relevant sind:

3.10

(1) Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG, 12 AO), (2) Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland ein ständiger Vertreter bestellt ist (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG, 13 AO), 1 Zur Verrechnungspreisbestimmung im Bereich des e-Business s. Ditz in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 6.611 ff.; Heggmair/Riedl/Wutschke, IStR 2014, 323. 2 Der E-Commerce ermöglicht einen direkten Marktzugang trotz großer räumlicher Entfernung (Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 337). Zudem lässt sich das niedrigere Steuerniveau des Ansässigkeitsstaats des ausländischen Anbieters nur vollständig nutzen, wenn der Anbieter eine Quellenbesteuerung im Inland vermeidet.

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Kap. 3 Rz. 3.11 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce (3) „betriebsstättenlose“ Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die eine ausländische Kapitalgesellschaft durch Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung von Sachinbegriffen oder Rechten erzielt, die einen Inlandsbezug aufweisen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG)1 und (4) sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG), die von einem der vorstehenden Tatbestände nicht erfasst werden, d.h. insbesondere Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland sowie Einkünfte aus der Überlassung von Know-how.

II. Betriebsstätteneinkünfte 1. Inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG

3.11 Inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG liegen vor, wenn die auslän-

dische Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebsstätte unterhält und insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Zwar gilt die Gewerblichkeitsfiktion des § 8 Abs. 2 KStG nur für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften. Die ausländischen Anbieter erzielen gleichwohl gewerbliche Einkünfte i.S.d. §§ 8 Abs. 1 KStG, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, da es sich bei den verschiedenen E-Commerce-Geschäftsvorfällen um die originär gewerbliche Haupttätigkeit des ausländischen Unternehmens handelt (z.B. Handel mit Waren, Erbringung von gewerblichen Dienstleistungen). Nach § 12 Satz 1 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, eine Betriebsstätte. Dabei gelten gem. § 12 Satz 2 AO insbesondere Geschäftsleitungsstätten, Geschäftsstellen, Warenlager sowie Ein- und Verkaufsstellen als Betriebsstätten. Daraus ergeben sich die im E-Commerce typischen Fragestellungen der Begründung einer Betriebsstätte2 durch – Benutzung eines im Inland belegenen Internetservers oder anderer IT-Infrastruktur, – Unterhaltung von inländischen Warenlagern und Logistikanlagen sowie – Nutzung von Banner Space und Microsites, die von einem Steuerinländer zur Verfügung gestellt werden. a) Internetserver und sonstige IT-Infrastruktur

3.12 Eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung mit einer festen Beziehung zur

Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.3 Eine Geschäftseinrichtung oder Anlage dient der Tätigkeit des Unternehmens, wenn sie dazu bestimmt ist, den Unternehmenszweck zu fördern.4 Da der BFH bereits vor etlichen Jahren im Pipeline-Urteil entschieden hat, dass das Tatbestandsmerkmal „der Unternehmenstätigkeit dienen“ nicht die ständige Anwesenheit von Unternehmenspersonal erfordert, können auch automatisch betriebene technische Anlagen eine Betriebsstätte begründen.5 Deshalb sind insbesondere der im Inland belegene Internetserver6 1 § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG wird durch den vorrangigen Sondertatbestand der betriebsstättenlosen gewerblichen Nutzungs- und Veräußerungseinkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG verdrängt, wenn die Einkünfte von einer ausländischen Kapitalgesellschaft erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG). 2 In der Praxis sind gelegentlich auch Supportleistungen und Teleworker relevant, s. dazu Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift 494, 35 f. und 46 f. 3 Grundlegend BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91 und 81/91, BStBl. II 1993, 462; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.1.1 – im Folgenden BS-VWG. 4 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12, 14. 5 Es genügt, wenn das Unternehmen seine Tätigkeit mit der technischen Anlage ausübt, BFH v. 30.10. 1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; krit. dazu Mössner in FS Vogel, 945, 959. 6 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 340; FG Schleswig-Holstein v. 6.9.2001 – II 1224/ 97, DStRE 2002, 518 (Datenverarbeitungsanlage ohne Personal); offengelassen in BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683.

324 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.15 Kap. 3

sowie automatische Lärmmessanlagen1 eine Betriebsstätte, wenn die übrigen Voraussetzungen hinsichtlich Unternehmenstätigkeit, Dauerhaftigkeit und Verfügungsmacht erfüllt sind. Das Kriterium der Dauerhaftigkeit umschreibt ein zeitliches Mindesterfordernis, das nach nationalem Recht immer erfüllt ist, wenn die feste Geschäftseinrichtung länger als sechs Monate genutzt wird.2 Hinsichtlich der Verfügungsmacht hatte die Rspr. ursprünglich eine Rechtsposition verlangt, die dem Steuerpflichtigen ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann (Eigentum, Miete, Leihe).3 In jüngerer Zeit hat der BFH aber wiederholt entschieden, dass die in Frage kommende Rechtsposition weder ausdrücklich vereinbart noch auf einen bestimmten Raum oder Arbeitsplatz bezogen sein muss; es genügt vielmehr, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung steht.4 Gleichwohl genügt das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten eines inländischen Vertragspartners für sich genommen nicht, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Denn für das Vorliegen einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.5

3.13

Wendet man diese Kriterien auf den E-Commerce an, so ergibt sich, dass nur der eigene physische Internetserver des ausländischen Unternehmens bzw. ein dauerhaft zur eigenen Nutzung überlassener physischer Server („dedizierter Server“) eine inländische (Server-)Betriebsstätte begründen können.6 Unterhält das ausländische Unternehmen einen Bestand an eigenen Servern im Inland („Datencenter“, „Serverfarm“), die seiner Unternehmenstätigkeit dienen, liegt ohne weiteres eine Betriebsstätte vor. Denn die zur Serverfarm gehörenden Rechner sind üblicherweise in Regalen („server racks“) in einem klimatisierten Raum untergebracht, der in der Verfügungsmacht des Betreibers der Serverfarm steht und zusammen mit den Rechnern eine feste Geschäftseinrichtung bildet („Betriebsstätte mit Server“).7

3.14

Bei einem dedizierten Server handelt es sich um einen konkreten physischen Server (Computer), der zwar einem Dritten gehört (Webhosting-Unternehmen), aber aufgrund Mietvertrags oder einer ähnlichen Rechtsposition in der ausschließlichen Verfügungsmacht des ausländischen Unternehmens steht („dedicated root server“).8 Ein dedizierter Server befindet sich üblicherweise innerhalb der Serverfarm des Webhosters, stellt jedoch eine „Herrschaftsenklave“ des ausländischen Unternehmens dar, was die Einordnung als Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens rechtfertigt.9 Die zunehmende Miniaturisierung der Serverkomponenten („Microserver“) macht die Lokalisierung eines einzelnen dedizierten Servers allerdings immer schwieriger. Jedoch können auch kleine körperliche Gegenstände eine „Geschäftseinrichtung“ i.S.v. § 12 AO sein, wie der BFH in einem

3.15

1 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. Die Messanlagen arbeiteten vollautomatisch und übermittelten ihre Daten mittels Modem über das öffentliche Telefonnetz an die Flughafenzentrale. 2 BS-VWG, Tz. 1.1.1.1; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.22. 3 BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91, BStBl. II 1993, 462; v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154. 4 BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154 m.w.N. aus der Rspr. 5 BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. 6 Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 834 (841). Der Begriff „Server“ bezeichnet eigentlich nur ein Computerprogramm, das Anfragen anderer Computer (Clients) beantwortet (Tappe, IStR 2011, 870 [871]). In der steuerlichen Diskussion steht der Begriff „Internetserver“ aber für eine Funktionseinheit von Hardund Software (Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 337). 7 Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (195). 8 „Root“ steht für den Administratorzugriff auf das Wurzelverzeichnis des Betriebssystems, d.h., der Kunde verfügt über ein uneingeschränktes Benutzerkonto und kann den Server selbst mittels SSH (secure shell) und FTP verwalten. 9 Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (196).

Pinkernell | 325

Kap. 3 Rz. 3.16 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce obiter dictum ausgeführt hat.1 Entscheidend ist daher nicht die Größe des dedizierten Servers, sondern dessen Ortsfestigkeit sowie die dauerhafte Verfügungsmacht des ausländischen Unternehmens.2 Dient der dedizierte Server der Unternehmenstätigkeit des ausländischen Anbieters, liegt eine Betriebsstätte vor. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Server einen Webshop beherbergt oder im Rahmen eines Co-Location-Agreements mit dem Börsenbetreiber für High-FrequencyTrading bzw. Algo-Trading eingesetzt wird.3

3.16 In den Fällen der nicht ausschließlichen Servernutzung fehlt es dagegen an der Verfügungsmacht

des ausländischen Unternehmens, weshalb auch keine inländische Betriebsstätte vorliegt. Dies gilt insbesondere für – das typische Webhosting mehrerer Websites verschiedener Unternehmen auf demselben physischen Server eines inländischen Webhosters,4

– das Webhosting der Website nur eines Unternehmens auf einem virtuellen Server des inländischen Webhosters (der virtuelle Server ist kein körperlicher Gegenstand)5 und – die Nutzung dynamischer Hardware-Ressourcen im Rahmen des Cloud-Computings.6 Sieht der Webhostingvertrag nicht ausnahmsweise die Nutzung eines dedizierten Servers vor, wird der Webhoster die Website des Kunden auf einem beliebigen Server unterbringen, den er auch zur Erbringung von Leistungen an andere Kunden verwendet. In diesem Fall hat keiner der Kunden Verfügungsmacht über den Server; es handelt sich um eine feste Geschäftseinrichtung des Webhosters. Fraglich könnte allenfalls sein, ob die Daten und Software des Kunden, die auf dem Server gespeichert sind und die die Website bilden, für sich betrachtet eine Betriebsstätte ergeben. Zwar sind Software und Daten nach h.M. „Sachen“ i.S.v. § 90 BGB, sofern sie auf einem Datenträger wie z.B. einer Festplatte gespeichert und damit verkörpert sind.7 Es liegt aber schon deshalb keine feste Geschäftseinrichtung des Kunden vor, weil der Webhoster die Website des Kunden üblicherweise auf wechselnden Servern unterbringt (und unterbringen darf), um eine möglichst effiziente Nutzung seiner Hardware zu erreichen. Der Kunde hat keinen physischen Zugang zu dem jeweils genutzten Server und in den meisten Fällen hat er nicht einmal eine Vorstellung darüber, an welchem Ort sich seine Daten gerade befinden. Zudem ist die Website als solche nicht „greifbar“; es fehlt daher an einer hinreichenden Verwurzelung im Inland.8

3.17 Nach § 12 Satz 2 Nr. 6 AO sind insbesondere „Verkaufsstellen“ als Betriebsstätte anzusehen. Fraglich ist daher, ob der im Inland gehostete Webshop eines ausländischen Unternehmens eine inländische Betriebsstätte begründen kann, obwohl sich der Server in der Verfügungsmacht eines selb-

1 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396 („z.B. der Laptop und Orderblock eines Verkäufers im Außendienst und seine Mustermappe oder der Bauchladen eines reisenden Händlers“). 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 338 f. 3 Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (196); Kahle/Kindich in Lübbehusen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, 2016, 110. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 339. Der Server begründet nur eine Betriebsstätte des Webhosters. 5 Leisner-Egensperger, StuW 2014, 298 (301); Tappe, IStR 2011, 870 (872). Auch wenn der virtuelle Server ausschließlich dem ausländischen Unternehmen zur Verfügung steht, fehlt es an der erforderlichen Verfügungsmacht über einen körperlichen Gegenstand. Der physische Host-Computer befindet sich im Besitz des Webhosters, der damit sein eigenes Webhostinggeschäft betreibt. 6 Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (196); Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 161. Die Hardware begründet nur eine Betriebsstätte des Cloud-Computing-Providers. 7 BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394; Baur/Stürner, Sachenrecht18, § 3 Rz. 2 m.w.N.; a.A. Fritzsche in Beckscher Online-Komm. BGB38, § 90 BGB Rz. 26 (Stand: Januar 2016). 8 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 338; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.153; Dies entspricht dem internationalen Konsens (siehe Art. 5 Rz. 124 OECD-MK: „the web site is not tangible“).

326 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.19 Kap. 3

ständigen Webhosting-Unternehmens befindet. Das systematische Verhältnis der einzelnen Beispiele des § 12 Satz 2 AO zur allgemeinen Betriebsstättendefinition in § 12 Satz 1 AO ist nicht abschließend geklärt.1 Der BFH hat jedoch speziell zur Verkaufsstelle i.S.d. Nr. 6 entschieden, dass dieselben Anforderungen wie im Rahmen der allgemeinen Betriebsstättendefinition gelten, da der Tatbestand anderenfalls konturlos und impraktikabel wäre.2 Daher kommt es auch im Fall des im Inland gehosteten Webshops entscheidend darauf an, ob es sich um einen eigenen bzw. dedizierten Server des ausländischen Anbieters handelt. Die Anknüpfung der Verfügungsmacht an einen körperlichen Gegenstand („feste Geschäftseinrichtung“) erlaubt es dem ausländischen E-Commerce-Unternehmen, seine Leistungen unter Einschaltung inländischer IT-Dienstleister zu erbringen, ohne dass dadurch eine inländische Betriebsstätte entsteht. Dies gilt sowohl für die Nutzung inländischer Datenleitungen, die den Telekommunikationsunternehmen gehören und für den Transport der IP-Datenpakte unerlässlich sind,3 als auch für die Leistungen inländischer Webhoster bzw. Cloud-Computing-Dienstleister, sofern nicht ausnahmsweise ein dedizierter Server angemietet wird. An diesem Befund ändert sich selbst dann nichts, wenn das ausländische Unternehmen eine „.de“-Internetdomain verwendet und die Unternehmenswebsite von einem Dienstleister ausschließlich in Deutschland gehostet wird. Denn die Registrierung und Verwendung einer „.de“-Domain ist kein Umstand, der für sich betrachtet eine beschränkte Steuerpflicht auslösen könnte. Auch die Unternehmenswebsite als solche, die aus Software und Daten besteht, ist nach allgemeiner Meinung mangels physischer Verkörperung keine Geschäftseinrichtung des ausländischen Unternehmens.4

3.18

Ausländische E-Commerce-Anbieter nutzen mitunter IT-Anlagen, die einer inländischen Konzerngesellschaft gehören. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn es auf die kurze Reaktionszeit einer Website ankommt und/oder Daten sowie Software nicht in fremde Hände gelangen sollen. Diese Anlagen sind dem ausländischen Anbieter selbst dann nicht als eigene zuzurechnen, wenn er die inländische Gesellschaft als Alleingesellschafter beherrscht.5 Erbringt die inländische Tochtergesellschaft ihre Leistungen aber ausschließlich an die ausländische Muttergesellschaft, kann sich die Frage ergeben, ob – wirtschaftlich betrachtet – eine Dienstleistung oder eine verdeckte Server-Nutzungsüberlassung vorliegt. Die Entscheidung hängt m.E. davon ab, ob die Rechtsbeziehung zwischen beiden Gesellschaften als echter Dienst- bzw. Werkleistungsvertrag oder als schlichte Nutzungsüberlassung von Teilen des Betriebsvermögens der Tochtergesellschaft einzuordnen ist. Erbringt die Tochtergesellschaft eine vollwertige Webhostingleistung zu fremdüblichen Bedingungen,6 hat die ausländische Muttergesellschaft keine Verfügungsmacht über die Server die Tochtergesellschaft.7 Denn die Tochtergesellschaft nutzt die Server in ihrem eigenen Geschäftsbetrieb als selbständiger Webhoster, sofern eine entsprechende Ausstattung mit Personal und Sachmitteln gegeben ist. Beschränkt sich die Tätigkeit der Tochtergesellschaft aber darauf,

3.19

1 Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 29.1 (Stand: Mai 2011). 2 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 3 Die Weiterleitung von Daten über öffentliche Netze stellt eine Dienstleistung des Netzbetreibers dar. Auch der OECD-MK verneint die Zurechnung der Datenleitungen an den Kunden, dessen Daten transportiert werden (Art. 5 Rz. 64 OECD-MK). 4 Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (195); Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.26. Vgl. auch Art. 5 Rz. 123 OECD-MK. 5 Das Trennungsprinzip verhindert den Durchgriff, sofern nicht ausnahmsweise wirtschaftliches Eigentum gem. § 39 Abs. 2 AO vorliegt. Auf DBA-Ebene steht auch die „Anti-Organ-Klausel“ in Art. 5 Abs. 7 OECD-MA der Zurechnung entgegen. 6 Der Web-Hosting-Vertrag ist ein Dienstleistungsvertrag bzw. ein Werkvertrag, wenn der Webhoster die jederzeitige Erreichbarkeit der Website schuldet; BGH v. 4.3.2010 – III ZR 79/09, NJW 2010, 1449 („Internet-System-Vertrag“). 7 Vgl. Art. 5 Rz. 118 OECD-MK, wonach die feste Geschäftseinrichtung eines verbundenen Unternehmens, das damit Dienstleistungen an eine andere Konzerngesellschaft erbringt, keine Betriebsstätte der anderen Konzerngesellschaft begründet.

Pinkernell | 327

Kap. 3 Rz. 3.20 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce ihre Server passiv der Muttergesellschaft zur Verfügung zu stellen, reduziert sich der wirtschaftliche Gehalt der Leistung auf eine Nutzungsüberlassung. Der Serverbestand könnte dann eine inländische Betriebsstätte der Muttergesellschaft begründen, wenn neben der Verfügungsmacht auch die übrigen Tatbestandselemente des § 12 AO erfüllt sind.

3.20 Das BFH-Urteil zur vollautomatischen Lärmmessstation1 zeigt, dass auch die maschinelle Daten-

erhebung durch Sensoren der Unternehmenstätigkeit dienen kann. Daher dürfte ein inländischer Server, der sich in der Verfügungsmacht eines ausländischen Internet-Werbeunternehmens befindet, bereits dann eine Betriebsstätte bilden, wenn er für das systematische Sammeln von personenbezogenen und nicht personenbezogenen Nutzerdaten verwendet wird.2 Jedoch lässt das bloße Sammeln von Daten noch keine Einkünfte entstehen, die im Inland besteuert werden könnten. Denn die Überlassung der Daten ist nicht mit dem Zugang einer Forderung bzw. einzeln bewertbarer Wirtschaftsgüter verbunden,3 und die Herstellungskosten für ein etwaiges selbstgeschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut „Datenbestand“ würden sogar zu negativen Einkünften führen, weil der zum Anlagevermögen gehörende Datenbestand nicht aktiviert werden darf (§ 5 Abs. 2 EStG). Es kommt auch nicht zur Realisierung eines bestimmbaren Umsatzerlöses aus einem wie auch immer gearteten Tauschgeschäft.4 Erst die anschließende Verwertung der Daten durch Erbringung von entgeltlichen Werbeleistungen an Dritte begründet die ertragsteuerlich maßgebliche Gewinnrealisierung (vgl. § 253 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB). Ob Deutschland dann diese Werbeeinkünfte besteuern kann, ist eine Frage der DBA-Anwendung und der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. b) Warenlager und Logistikanlagen

3.21 Der Versandhandel mit physischen Waren kann je nach Geschäftsmodell den Zugriff auf ein ei-

genes inländisches Warenlager (§ 12 Satz 2 Nr. 5 AO) bzw. – etwas moderner – „Logistikzentrum“ erfordern, vor allem, wenn das eigene Logistikkonzept maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Der Umstand, dass es sich bei der Lagerhaltung an sich um eine Hilfstätigkeit eines Handelsunternehmens handelt, spielt im nationalen Recht keine Rolle und wird erst auf Abkommensebene relevant (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA). Wird das Warenlager von einem selbständigen Dritten betrieben, kann gleichwohl eine Betriebsstätte des Einlagerers bestehen, wenn der Einlagerer dem Lagerhalter Weisungen erteilen kann und Verfügungsmacht über einen Teil des Lagers hat.5 Fehlt es an der Verfügungsmacht des ausländischen Unternehmens, liegt keine Betriebsstätte vor. Daher lässt sich durch Einschaltung einer inländischen Tochtergesellschaft als Lagerhalterin die Entstehung einer beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG vermeiden (zum Lagerhalter als ständigem Vertreter gem. § 13 AO s. Abschn. III.1.). In der Vergangenheit ist vereinzelt diskutiert worden, ob das Bereithalten von „digitalen Waren“ auf einem inländischen Server eine Warenlager-Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 5 AO entstehen lässt. Da es auch im Fall des Warenlagers auf die Verfügungsmacht des ausländischen Unternehmens ankommt,6 gelten m.E. die oben dargestellten Grundsätze zum „dedizierten Server“ entsprechend. Danach muss dem ausländischen Unternehmen ein individualisierter physischer Server dauerhaft zur Verfügung stehen, was beim einfachen Webhosting gerade nicht der Fall ist. Unterhält das ausländische Unter-

1 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. 2 Dagegen gelten gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA 2014 Anlagen, die dem Einkauf und der Informationsbeschaffung dienen, nicht als Betriebsstätte. In der Neufassung des Betriebsstättenartikels gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 steht die Ausnahme aber unter dem Vorbehalt, dass es sich im konkreten Einzelfall nicht um eine wesentliche Tätigkeit handelt (Art. 5 Rz. 59 OECD-MK). 3 Der Nutzer gestattet lediglich das Erheben, Speichern und Verarbeiten der Daten für die geschäftlichen Zwecke des Unternehmens (§§ 4 Abs. 1, 4a, 28 Abs. 3 Satz 1 BDSG). 4 Melan/Pfeiffer vertreten für den Bereich der Umsatzsteuer eine andere Auffassung (Melan/Pfeiffer, DStR 2017, 1072 [1073]). 5 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 28 (Stand: April 2017). 6 Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 35 (Stand: Mai 2011).

328 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.23 Kap. 3

nehmen aber einen dedizierten Server, liegt eine „feste Geschäftseinrichtung“ vor, die dem Unternehmen dient und bereits eine Betriebsstätte gem. § 12 Satz 1 AO begründet. c) Nutzung von Banner Space und Microsites Inländische, selbständige Website-Betreiber „vermieten“ in großem Umfang Werbeflächen („Banner Space“) an ausländische Unternehmen. Daneben gewinnt die Einrichtung eigener Internetpräsenzen innerhalb einer fremden Website („Microsites“) wegen des wechselseitigen Nutzens zunehmend an Beliebtheit (vergleichbar mit einem Supermarkt, in dem sich auch eine Bäckereifiliale befindet).1 Am Beispiel des Google-AdSense-Programms wird deutlich, dass diese Form der Präsenz im Inland zu ganz erheblichen Einkünften des ausländischen Anbieters führen kann.2 Funktional betrachtet überlassen die inländischen Website-Betreiber „leere“ Werbetafeln an den ausländischen Anbieter, die dieser wiederum zur flexiblen Anzeige der Angebote seiner Werbekunden einsetzt. Eine inländische Betriebsstätte des ausländischen Anbieters liegt in diesen Fällen aber nicht vor, da der Banner Space bzw. die Microsites nicht die Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtung erfüllen. Es handelt sich um virtuelle Werbeflächen, die – im Unterschied zu Werbetafeln und Litfaßsäulen – keine körperlichen Gegenstände sind. Der inländische Website-Betreiber kann aber als ständiger Vertreter des ausländischen Unternehmens einzuordnen sein, wenn er neben der Werbeleistung auch eine nachhaltige Vermittlungsleistung erbringt (§ 13 Satz 2 Nr. 1 AO; s. dazu Rz. 3.46).

3.22

2. Vorliegen einer DBA-Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte a) DBA-Betriebsstättenprinzip für Unternehmensgewinne Nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA darf der Quellenstaat Unternehmensgewinne nur besteuern, wenn sie einer dort belegenen Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA zuzurechnen sind.3 Wird die Betriebsstättenschwelle nicht erreicht, handelt es sich um „Direktgeschäfte“, und das Besteuerungsrecht liegt ausschließlich beim Ansässigkeitsstaat. Zwar gilt das DBA-Betriebsstättenprinzip nur für Unternehmensgewinne, d.h. originär unternehmerische Einkünfte4 (einschließlich selbständiger Arbeit). Bei den Einkünften aus E-Commerce-Geschäftsvorfällen handelt es sich aber typischerweise um Unternehmensgewinne in diesem Sinne.5 Denn der Abkommensbegriff „Unternehmensgewinne“ erfasst nicht nur gewerbliche Einkünfte aus dem Handel mit Waren, sondern in aller Regel auch die Erbringung gewerblicher Dienstleistungen durch eine Kapitalgesellschaft.6 Daher werden insbesondere der Internet-Versandhandel sowie Webhosting- und ähnliche IT-Dienstleistungen den Unternehmensgewinnen zugeordnet.7 Auch Vergütungen für den Download von Software und anderen „digitalen Waren“ fallen in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 1 OECDMA, sofern es sich um Geschäfte mit B2B- oder B2C-Endanwendern handelt, die die Programmkopie bzw. das Produkt lediglich selber nutzen oder konsumieren.8 Nur wenn der Kunde ausnahmsweise die Befugnis erhält, das hinter der Kopie stehende Urheberrecht des Rechtsinhabers durch eigene kommerzielle Nutzungshandlungen zu verwerten, ist die Vergütung als „Lizenzgebühr“ i.S.d. Art. 12 OECD-MA zu qualifizieren.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zum „Shop-in-Shop-Konzept“ beim Verkauf physischer Waren s. Zech, ISR 2013, 113. Pinkernell, StuW 2012, 369. Art. 7 Rz. 2 OECD-MK. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. Einzelheiten zur DBA-Einkünftequalifikation bei Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift 494 (2014), 69 ff. und 111 ff. (tabellarischer Überblick). Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 30. Jedoch ordnen einige deutsche DBA Vergütungen für technische Dienstleistungen den Lizenzgebühren zu (z.B. Art. 12 Abs. 1 und 4 DBA-Indien). Zur Unternehmenstätigkeit der Webhoster und Internet Service Provider s. Art. 5 Rz. 42.3 und 42.9 OECD-MK. Art. 7 Rz. 14 und 17.3 OECD-MK; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 99 f. Art. 12 Rz. 13.1 und 17.4 OECD-MK; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 99 f.

Pinkernell | 329

3.23

Kap. 3 Rz. 3.24 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce

3.24 Die DBA-Definition der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte ist enger als die des nationalen Rechts.

Zwar gelten im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale „feste Geschäftseinrichtung“ und „Festigkeit“ ähnliche Kriterien wie in § 12 AO.1 Es besteht aber ein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die maßgeblichen Unternehmensfunktionen, da Art. 5 Abs. 1 OECD-MA die Ausübung einer Unternehmenstätigkeit durch die Betriebsstätte erfordert, wobei Vorbereitungs- und Hilfsfunktionen gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 auch dann nicht als Betriebsstätte gelten, wenn sie mittels einer festen Geschäftseinrichtung im Quellenstaat ausgeübt werden.2 Dies ist der Hintergrund für die langjährige OECD-Diskussion um die vollautomatische „Serverbetriebsstätte“ („Server PE“), die im Quellenstaat belegen ist, aber ohne Personal auskommt.3

3.25 Unterhält ein ausländisches Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte, die sowohl mit Personal

als auch mit Sachmitteln ausgestattet ist, und gehören zur Geschäftseinrichtung auch IT-Anlagen, stellen sich die besonderen Fragen der vieldiskutierten Serverbetriebsstätte4 nicht. Denn es handelt sich nicht um eine „Serverbetriebsstätte“, sondern um eine „Betriebsstätte mit Server“, die nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt wird.5 Dabei ist lediglich im Rahmen der Gewinnaufteilung zu prüfen, welchen Einfluss das Vorhandensein eines Internetservers bzw. von IT-Infrastruktur auf die Funktions- und Risikoanalyse hat. Fraglich ist dagegen, ob die „reine“ Serverbetriebsstätte, die vollautomatisch arbeitet und ohne (ständiges) Personal auskommt, ebenfalls die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte erfüllen kann.

3.26 Nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA bedeutet der Ausdruck „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrich-

tung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Art. 5 Abs. 2 OECD-MA nennt sodann Regelbeispiele („insbesondere“) für Betriebsstätten, von denen unter dem Aspekt des E-Commerce nur die „Zweigniederlassung“ und die „Geschäftsstelle“ in Betracht kommen könnten.6 Die Zweigniederlassung („branch“) scheidet aber von vornherein aus, weil darunter eine wirtschaftlich und geschäftlich verselbständigte Untereinheit des Unternehmens zu verstehen ist, die selbständig weiterbestehen könnte.7 Auch das Regelbeispiel der Geschäftsstelle („office“) passt nicht auf IT-Infrastruktur, denn damit sind Büros und andere Verwaltungseinrichtungen gemeint.8 Maßgebend ist daher ausschließlich die allgemeine Definition in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA mit den Tatbestandsmerkmalen „feste Geschäftseinrichtung“ und „Ausübung der Geschäftstätigkeit“, wobei bestimmte Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten aber ausgenommen sind (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA). b) Server als feste Geschäftseinrichtung

3.27 Der OECD-MK unterscheidet bezüglich der Geschäftseinrichtung zwischen körperlichen und un-

körperlichen Gegenständen: Daten und Software, die auf einem Server gespeichert werden, seien keine Sachen und könnten deshalb auch nicht als feste Geschäftseinrichtung („fixed place of business“) angesehen werden; dies gelte auch für die Website, die auf einem Server gehostet wird und

1 Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 2 Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. In der Neufassung des Betriebsstättenartikels gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 steht die Ausnahme aber unter dem Vorbehalt, dass es sich im konkreten Einzelfall nicht um eine wesentliche Tätigkeit handelt (Art. 5 Rz. 59 OECD-MK). 3 Siehe dazu Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift 494 (2014), 85 ff. 4 Überblick bei Tappe, IStR 2011, 870 ff. (Betriebsstätten in der „Cloud“). 5 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.28 f. 6 Die anderen Regelbeispiele sind „Ort der Leitung“, „Werkstätte“, „Fabrikationsstätte“, „Bergwerk“, „Öl- oder Gasvorkommen“, „Steinbruch“ sowie „andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen“. 7 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. Auch ein vollautomatischer Server, der wie ein Warenautomat vollständige Verkaufstransaktionen abwickeln kann, ist kein selbständiger Unternehmensteil. Es fehlt bereits an der Fähigkeit, unternehmerische Entscheidungen zu treffen. 8 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 43.

330 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.29 Kap. 3

sich aus Daten und Software zusammensetzt.1 Eine Website ist daher – für sich betrachtet – selbst dann keine Betriebsstätte, wenn sie auf dem Server eines Dienstleisters im Inland gehostet wird, von einem inländischen Kunden aufgerufen und zur Erbringung einer Online-Leistung an den inländischen Kunden verwendet wird.2 Diese Festlegung des OECD-MK wird von einigen OECDMitgliedstaaten3 und Schwellenländern4 angezweifelt, weil sie das Quellenbesteuerungsrecht angeblich zu sehr zurückdrängt. Aus deutscher Sicht ergibt sich aber keine Einschränkung von Besteuerungsrechten gem. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, 12 AO, denn die im Inland gehostete Website ist auch nach nationalem Recht keine Geschäftseinrichtung. Anders verhält es sich dagegen bei der Computerhardware, die für das Hosting der Website verwendet wird. Gemäß Art. 5 Rz. 41 und 127 OECD-MK kann eine feste Geschäftseinrichtung allein aus Maschinen oder Ausrüstungsgegenständen („machinery or equipment“) bestehen, die Sachqualität aufweisen („tangible property“). Eigene Räumlichkeiten des ausländischen Unternehmens werden nicht zusätzlich verlangt; die Maschinen oder Ausrüstungsgegenstände müssen aber einen örtlichen Bezug haben,5 d.h. eine bestimmte Fläche beanspruchen („place of business“).6 Dabei kann sich der Belegenheitsort der Geschäftseinrichtung auch innerhalb der Geschäftsräume eines anderen Unternehmens befinden.7 Computerhardware fällt in die Kategorie „machinery or equipment“, nimmt eine bestimmte Fläche in Anspruch und kann daher als Geschäftseinrichtung eingeordnet werden.8 Dies entspricht der Rechtslage gem. Art. 12 AO, wonach eine Geschäftseinrichtung auch aus einzelnen beweglichen Sachen bestehen kann, wenn die beweglichen Sachen einen festen Bezug zur Erdoberfläche aufweisen.

3.28

Die nächste Frage ist dann, ob der Server dem ausländischen Unternehmen als dessen Geschäftseinrichtung zuzurechnen ist. Das maßgebliche Kriterium hierfür ist – wie im deutschen Recht – die Verfügungsmacht („at the disposal of“). Der OECD-MK stellt in den Hostingfällen darauf ab, wer den Server betreibt.9 Betreiber des Servers ist in den typischen Webhostingfällen das Hostingunternehmen, das mit dem Server seine eigene Geschäftstätigkeit ausübt und Dienst- oder Werkleistungen an den Hostingkunden erbringt. Diese Argumentation lässt sich m.E. auch auf das Cloud Computing übertragen, bei dem es sich in der Regel um eine Dienst- oder Werkleistung des Cloud-Computing-Anbieters handelt. Dagegen liegt eine Geschäftseinrichtung des ausländischen Hostingkunden vor, wenn der Hostingkunde Verfügungsmacht über einen physischen Server hat, z.B. aufgrund eines Servermietvertrags.10 Ist das ausländische Unternehmen sogar Eigentümer des Servers, ist ihm der Server ebenfalls als Geschäftseinrichtung zuzurechnen.11 Diese Abgrenzung entspricht der Unterscheidung zwischen „dediziertem Server“ und Hostingdienstleistung im Rahmen von § 12 AO. Da zusätzliche eigene Räumlichkeiten des ausländischen Unternehmens

3.29

1 Art. 5 Rz. 123 OECD-MK. Das entspricht zwar nicht der zivilrechtlichen Sicht, liegt aber auf der Linie des BFH, der Software und Daten unabhängig von ihrer konkreten Erscheinungsform als immaterielle Wirtschaftsgüter einordnet (BFH v. 18.5.2011 – X R 26/09, BStBl. II 2011, 865; v. 30.10.2008 – III R 82/06, BStBl. II 2009, 421). 2 Beispiel: Ein inländischer Kunde ruft die im Inland gehostete Website auf und kauft eine MP3-Datei, die er per Kreditkarte bezahlt und anschließend auf seinen Computer herunterlädt. Auf die Frage, ob das ausländische Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch die Website ausübt, weil die Website eine Bestell-, Zahlungs- und Verkaufsfunktion hat, kommt es nicht an. 3 Chile und Griechenland haben Vorbehalte geltend gemacht, Art. 5 Rz. 177 OECD-MK. 4 Die indische Finanzverwaltung hat versucht, Websites als Betriebsstätten einzuordnen, ist damit aber vor dem Kolkata Income Tax Appellate Tribunal gescheitert, vgl. Kamath, TNI 2013 (Vol. 70), 510. 5 Art. 5 Rz. 21 OECD-MK („link between the place of business and a specific geographical point“). 6 Art. 5 Rz. 10 OECD-MK. 7 Art. 5 Rz. 10 OECD-MK (z.B. Lagerfläche in einem Zolllager). Dann ist aber noch zu prüfen, ob das ausländische Unternehmen Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung hat. 8 Art. 5 Rz. 123 OECD-MK. 9 Art. 5 Rz. 124 und 131 OECD-MK. 10 Art. 5 Rz. 124 OECD-MK. 11 Art. 5 Rz. 124 OECD-MK.

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Kap. 3 Rz. 3.30 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce auch nach dem OECD-MK nicht erforderlich sind, erfüllt sogar der in einem Serverregal des Webhosters untergebrachte dedizierte Microserver die Voraussetzungen einer Geschäftseinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA.

3.30 Der OECD-MK leitet aus dem Kriterium der „festen“ Geschäftseinrichtung nicht nur das Erfordernis

eines räumlichen Bezugs zu einem bestimmten geografischen Punkt, sondern auch eine zeitliche Untergrenze her. Danach liegt eine feste Geschäftseinrichtung grundsätzlich nur vor, wenn die Ausübung der Geschäftstätigkeit länger als sechs Monate dauert.1 In der Literatur wird auch die Auffassung vertreten, dass die zeitliche Untergrenze für eine Serverbetriebsstätte in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (Bauausführungen und Montagen) bei mehr als zwölf Monaten liegen sollte.2 Die Zwölfmonatsgrenze für Serverbetriebsstätten mag den Bedürfnissen der Praxis entsprechen, lässt sich aber nicht aus dem OECD-MK herleiten.3 Der OECD-Kommentar erörtert nur die Sechsmonatsgrenze, die in vielen OECD-Mitgliedstaaten maßgeblich ist.4 Bei Tätigkeiten, die ihrer Natur nach auf einen kürzeren Zeitraum angelegt sind, soll sogar gar keine zeitliche Mindestgrenze gelten.5 c) Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch den Server

3.31 Während die Einordnung eines Servers als feste Geschäftseinrichtung nicht kontrovers diskutiert

wird (ähnliche Fragestellungen haben sich schon früher bei Warenautomaten ergeben),6 hat sich bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Ausübung der Geschäftstätigkeit durch die Betriebsstätte“ eine lebhafte Diskussion entwickelt. Ein Streitpunkt betrifft die Frage, ob die Ausübung einer Geschäftstätigkeit den ständigen Einsatz von Personal erfordert bzw. ob – in der modernen Diktion – Unternehmensfunktionen ohne Personal vorstellbar sind.7 Der OECD-MK stellt dazu fest, dass die ständige Anwesenheit von Personal keine Voraussetzung für eine Betriebsstätte ist, sofern die konkrete Geschäftstätigkeit ohne Personal ausgeübt werden kann.8 Daher darf ein vollautomatisch betriebener Internetserver, der nur den gelegentlichen Einsatz von Wartungspersonal erfordert, nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ausgeschlossen werden. Diese Festlegung wird von Teilen der Literatur kritisiert, weil ein Computer mangels eigener Handlungsfähigkeit letztlich immer nur Hilfsfunktionen haben könne.9 Zudem verkenne der OECD-MK die Schwellenfunktion des Betriebsstättenbegriffs, wenn bereits der Betrieb einer automatischen Anlage das Besteuerungsrecht des Quellenstaats eröffnen soll.10

3.32 Der OECD-MK hat dieses teleologische Argument nicht aufgegriffen, sondern versucht, die

Schwellenproblematik inzident im Rahmen der Geschäftstätigkeit einzufangen. Da gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 bestimmte Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht als Betriebsstätte gelten, soll in den folgenden Fällen keine Betriebsstätte gegeben sein:11 Der Server – stellt nur eine Kommunikationsverbindung zwischen Anbietern und Kunden her, – dient nur der Werbung, 1 2 3 4 5 6 7 8

Art. 5 Rz. 28 OECD-MK; ebenso BS-VWG, Tz. 1.2.1.1. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.23. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 19. Art. 5 Rz. 28 OECD-MK. Art. 5 Rz. 28 OECD-MK. Art. 5 Rz. 41 OECD-MK. Vgl. dazu Portner, Ertragsteuerliche Aspekte des E-Commerce (ifst-Schrift 390), 2001, 33 ff. Art. 5 Rz. 127 OECD-MK; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.25; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 340. 9 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 29. 10 Steimel, IStR 2000, 490 (495); Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 29. 11 Art. 5 Rz. 128 OECD-MK. Dagegen entscheiden bei der Anwendung von Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 die konkreten Umstände des Einzelfalls, ob es sich noch um eine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit handelt (Art. 5 Rz. 129 OECD-MK).

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B. Inboundgeschäft | Rz. 3.35 Kap. 3

– gibt als Mirrorserver Informationen wieder, um die Sicherheit oder Effizienz der Datenübertragung zu verbessern,1 – sammelt Marktdaten für das Unternehmen oder – stellt Informationen zur Verfügung. Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und b OECD-MA 2014 wird durch das Unterhalten eines Warenlagers für Ausstellungs- und Auslieferungszwecke keine Betriebsstätte begründet. Daraus hat sich die Frage ergeben, ob das Vorhalten und „Ausliefern“ von digitalen Produkten durch einen dedizierten Server im Quellenstaat schon deshalb kein Besteuerungsrecht des Quellenstaats begründet, weil es sich um eine Hilfstätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 handeln könnte. Der OECD-MK sollte ursprünglich klarstellen, dass dieser Fall nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist, weil digitale Produkte mangels Sacheigenschaft nicht unter die Begriffe „Güter oder Waren“ fallen.2 Zwar hat die OECD die Klarstellung im Hinblick auf das BEPS-Projekt nicht weiterverfolgt. Das Argument der fehlenden Sacheigenschaft bleibt aber weiterhin gültig und trifft inhaltlich auch auf Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 zu.

3.33

Der Server begründet nach Auffassung der OECD immer dann eine Betriebsstätte, wenn das Unternehmen seine eigentliche Unternehmenstätigkeit durch den Server ausübt (Fallgruppe 1) oder zumindest „Kernfunktionen“ („core functions“) auf den Server ausgelagert hat (Fallgruppe 2).3 Ein typisches Beispiel für Fallgruppe 1 ist das ausländische Webhostingunternehmen, das im Quellenstaat eigene Server betreibt, um damit Webhostingleistungen an seine Kunden zu erbringen.4 Dieses Ergebnis lässt sich m.E. auf alle Unternehmen übertragen, deren Unternehmenszweck darin besteht, hardwarebasierte und weitgehend automatisierte gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen (z.B. Cloud Computing). In diesen Fällen erscheint auch die Schwelle der Mindestteilnahme an der Wirtschaft des Quellenstaats erreicht, zumal kein großer Unterschied zu den im Quellenstaat ansässigen Anbietern besteht, deren Server ebenfalls vollautomatisch arbeiten.

3.34

Schwieriger zu beurteilen ist dagegen die Fallgruppe 2. Der OECD-MK bildet hierfür das Beispiel des „E-Tailers“, d.h. eines ausländischen Einzelhändlers, der einen inländischen (dedizierten) Server im Rahmen des Vertriebs einsetzt. Da der Unternehmenszweck in einer Handelstätigkeit besteht, kommt die Annahme einer Server-Betriebsstätte nur in Betracht, wenn der Server Kernfunktionen des Einzelhandelsunternehmens übernimmt. Das ist sicher nicht der Fall, wenn sich die Funktion des Servers auf die Präsentation und Anpreisung der Produkte beschränkt („Online-Warenkatalog“). Nach Auffassung der OECD soll es sich aber um die Ausübung einer Kernfunktion

3.35

1 Damit soll folgendes Problem gelöst werden: Ein ausländisches E-Commerce-Unternehmen wickelt seine Geschäfte über eigene Server im Ansässigkeitsstaat A ab. Parallel dazu unterhält es Spiegelserver (mit identischem Inhalt) im Quellenstaat B, um den dortigen Kunden schnellere Downloads zu ermöglichen. Die Analyse im OECD-MK greift aber zu kurz (ebenso Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.23). Ein virtueller Spiegelserver kann keine Betriebsstätte begründen, wenn es sich um die Dienstleistung eines Cloud-Computing-Anbieters handelt (keine Verfügungsmacht). Dagegen kommt es bei einem dedizierten Spiegelserver entscheidend darauf an, welche Funktionen er hat. Dient der Spiegelserver der Ausübung einer Unternehmenstätigkeit (z.B. Erbringung von gewerblichen Webhostingleistungen), handelt es sich nach den Kriterien des OECD-MK (Art. 5 Rz. 129 f. OECD-MK) um eine Betriebsstätte, es sei denn, der Spiegelserver wird nur kurzfristig „dazugeschaltet“. 2 OECD, Revised Proposals Concerning the Interpretation and Application of Article 5, 19.10.2012, Nr. 14 f. 3 Art. 5 Rz. 129 OECD-MK. Dagegen lehnt Großbritannien die Einordnung eines automatischen Webservers als Betriebsstätte ab, INTM266100: „In the UK, we take the view that a server either alone or together with web sites could not as such constitute a PE of a business that is conducting e-commerce through a web site on the server. We take that view regardless of whether the server is owned, rented or otherwise at the disposal of the business.“ 4 Art. 5 Rz. 130 OECD-MK.

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Kap. 3 Rz. 3.36 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce handeln, wenn auch der Vertragsabschluss, der Zahlungsvorgang und die „Auslieferung“ des digitalen Produkts per Download über den Server erfolgen.1 Man kann diese Aussagen wohl dahingehend verallgemeinern, dass immer dann, wenn ein inländischer dedizierter Server Onlinegeschäfte autonom abwickelt, eine Serverbetriebsstätte vorliegt.2 Erfasst sind daher nicht nur die E-Tailer-Fälle, sondern auch die Erbringung von Online-Werbeleistungen für Dritte, der Betrieb von virtuellen Marktplätzen und Versteigerungsplattformen, der AppStore, das Streaming von Multimediadateien sowie Onlinedatenbanken.

3.36 Der OECD-MK trifft allerdings keine explizite Aussage dazu, wie ein Server zu beurteilen ist, der

in den Abschluss eines Warenkaufvertrags eingebunden ist. Gerade der Online-Versandhandel ist existenziell auf das Internet angewiesen (Beispiel: Amazon), gehört aber zu den Offlinegeschäften. Hier erfolgen Warenpräsentation, Vertragsabschluss und Bezahlung über das Internet, während die physische Ware auf herkömmlichem Weg ausgeliefert wird (z.B. per Paketpost). Auf den ersten Blick könnte der inländische Server eine Betriebsstätte sein, weil der Vertragsabschluss ein zentrales Element des Verkaufsvorgangs ist und der Server die Funktion eines Verkäufers einnimmt. Bei näherem Hinsehen fungiert der Server aber nicht als Vertreter des ausländischen Unternehmens, sondern dient nur der elektronischen Übermittlung von Willenserklärungen (eine Maschine kann nicht rechtsgeschäftlicher Vertreter i.S.v. § 164 BGB sein). Dies reicht m.E. nicht für die Annahme einer Betriebsstätte aus;3 klärende Rechtsprechung bzw. Verwaltungsanweisungen existieren zu dieser Frage aber nicht. Im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 und 4 OECD-MA 2017 ist zudem zu beachten, dass bereits dann keine Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeit vorliegen würde, wenn die Funktion des Servers im konkreten Einzelfall von erheblicher Bedeutung ist.

3.37 Vermietet ein Webhostingunternehmen einen dedizierten Server an einen ausländischen Inhalts-

anbieter, der mittels des Servers Online-Geschäfte tätigt, ist der Server eine Betriebsstätte des Inhaltsanbieters. Am Ort der Vermietung kann jedoch zugleich eine Betriebsstätte des Vermieters vorliegen, wenn der Vermieter dort eine Geschäftseinrichtung unterhält oder über die Vermietung hinausgehende gewerbliche Leistungen erbringt.4 Dadurch kann theoretisch die Situation entstehen, dass ein Serverstandort zwei Betriebsstätten begründet, wenn auch der Webhoster im Ausland ansässig ist.5

3.38 Eine weitere Streitfrage im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA war, ob das Tatbestandsmerkmal „Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch die Geschäftseinrichtung“ enger zu verstehen ist als das „einer Tätigkeit des Unternehmens dienen“ i.S.v. § 12 Satz 1 AO.6 Während die Finanzverwaltung wohl nach wie vor davon ausgeht, dass beide Betriebsstättenbegriffe im Kern identisch sind (mit Ausnahme der Hilfstätigkeiten gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA),7 folgt spätestens aus dem BFH-Ur-

1 Art. 5 Rz. 130 OECD-MK. 2 Ebenso Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.23; vgl. auch FG Schl.-Holst. v. 6.9. 2001 – II 1224/97, DStRE 2002, 518, zur Informationsvermittlung durch einen Server in der Schweiz: „Auch eine bloße Hilfstätigkeit liegt nicht vor. Die Informationsvermittlung stellt den eigentlichen Unternehmensgegenstand der Klägerin dar, wie er sich bereits aus der Satzung ergibt.“ 3 Pinkernell/Ditz, FR 2000, 1193 (1198). Eine Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 4 Abs. 5 OECD-MA kommt nicht in Betracht, da der Server keine „Person“ ist (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA). Ebenso Art. 5 Rz. 131 OECD-MK. 4 Art. 5 Rz. 36 OECD-MK. 5 Beispiel: Die IT-Dienstleistungsgesellschaft eines ausländischen Finanzkonzerns installiert einen eigenen Server am Standort der inländischen Börse (Co-Location Agreement), der an eine andere Konzerngesellschaft vermietet wird, die damit High Frequency Trading betreibt. Der Mietvertrag umfasst Stromversorgung und Internetverbindung. Nach deutschem Recht ist zumindest eine fremdvermietete Immobilie grundsätzlich nur eine Betriebsstätte des gewerblichen Mieters (BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77). 6 Siehe dazu Portner, Ertragsteuerliche Aspekte des E-Commerce (ifst-Schrift 390), 2001, 36 ff.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.23. 7 BS-VWG, Tz. 1.2.1.1.

334 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.40 Kap. 3

teil vom 16.12.2009 (Lärmmessstationen),1 dass § 12 Satz 1 AO weiter gefasst ist als Art. 5 Abs. 1 OECD-MA. Zwar hatte der BFH im Pipeline-Urteil2 noch auf eine unternehmens(zweck-)bezogene Benutzung der automatischen Anlage abgestellt (Transport von Öl), die sogar der Fallgruppe 1 entspricht. Bei den automatisierten Lärmmessstationen eines Flughafens sind jedoch nicht einmal die „Kernfunktionen“ des Flughafenbetriebs betroffen (Fallgruppe 2). Der BFH hat den Bezug zur Unternehmenstätigkeit dementsprechend auch nur mit der ordnungsrechtlichen Bedeutung der fortlaufenden Lärmmessungen für den Flugbetrieb begründet, die sich aus dem Zusammenhang mit der Betriebsgenehmigung ergab („eigenbetrieblicher Veranlassungszusammenhang“). d) Sonstige IT-Infrastruktur Die Aussagen des OECD-MK zur Einordnung eines Servers als Betriebsstätte lassen sich sinngemäß auf sonstige Computerhardware und automatisch arbeitende Netzwerke übertragen, d.h. es kommt insbesondere auf die Ausübung von Kernfunktionen des jeweiligen Unternehmens an. Bei Leitungsnetzen, die trotz ihrer räumlichen Ausbreitung eine feste Geschäftseinrichtung darstellen,3 unterscheidet der OECD-MK in Anlehnung an den deutschen Pipeline-Fall zwischen der Übertragung fremder und eigener Daten:4 Verwendet ein ausländisches (Telekommunikations-) Unternehmen seine im Inland belegenen Leitungen zur Übertragung fremder Daten, übt es mit den Leitungen seine eigentliche Geschäftstätigkeit aus (Datenübertragung gegen Entgelt), und es liegt eine Betriebsstätte vor. Das Leitungsnetz ist aber nicht zugleich eine Betriebsstätte des Kunden, da dieser lediglich Empfänger einer Transportleistung ist und nicht selbst die Verfügungsmacht über das Leitungsnetz hat. Dagegen könnte bei der Übertragung eigener Daten lediglich eine Hilfstätigkeit gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA gegeben sein, wie das Beispiel der Öl-Pipeline eines Raffineriebetriebs zeigt.5 In diesem Fall scheint weder die Fallgruppe 1 (Unternehmenszweck) noch die Fallgruppe 2 (Kernfunktionen) vorzuliegen.

3.39

e) Gewinnaufteilung Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA bzw. § 1 Abs. 5 AStG sind einer Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, die sie als selbständiges und von ihrem Stammhaus unabhängiges Unternehmen unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte erzielen können („Authorised OECD Approach“ – AOA). Das zentrale Kriterium bilden dabei die „wesentlichen Personalfunktionen“ („significant people functions“),6 denn nur eine Betriebsstätte mit Personal kann Funktionen ausüben und Risiken steuern. Dadurch wird der Gewinn einer Betriebsstätte letztlich immer von ihrer Personalausstattung bestimmt.7 Dies bedeutet für die Serverbetriebsstätte, dass ihr mangels Personals nur ein geringer oder gar kein Gewinn zugeordnet werden kann.8 Während der Bericht der Business Profits TAG der OECD aus dem Jahr 2004 der Serverbetriebsstätte noch Risiken und 1 BFH v. 16.12.2009 – I R 56/08, BStBl. II 2010, 492. 2 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 3 Anders verhält es sich dagegen bei dem Gebiet, das durch einen Funksatelliten abgedeckt wird („footprint“). Hier fehlt es an der erforderlichen Verfügungsmacht des Satellitenbetreibers (Art. 5 Rz. 27 OECD-MK). Entsprechendes gilt m.E. für das mobile Internet: Der Mobilfunksender kann eine Betriebsstätte sein, nicht aber das Empfangsgebiet. 4 Art. 5 Rz. 64 OECD-MK. 5 Krit. zur Unterscheidung zwischen dem Transport eigener und fremder Produkte Andresen in W/A/ D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.24. 6 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 62. 7 Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (806). 8 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 66: „In fact, since a server-PE will not be carrying out any significant people functions relevant to the attribution of economic ownership of assets and/or the assumption of risks in the absence of personnel acting on behalf of the enterprise, no asset or risk could be attributed to it under the authorised OECD approach, supporting the conclusion that little or no profit would be attributed to such a PE.“

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3.40

Kap. 3 Rz. 3.41 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce Wirtschaftsgüter im Hinblick auf die technische Dienstleistungsfunktion der Server-Hardware zuweisen wollte (woraus sich aber ebenfalls kein nennenswerter Betriebsstättengewinn ergibt),1 bestätigt die Funktionsanalyse auf der Grundlage des AOA, dass in der Serverbetriebsstätte nicht einmal einfachste Unternehmensfunktionen ausgeübt werden. Die OECD hat damit den bisherigen Streit um die Funktionszuordnung bei Serverbetriebsstätten entschieden.2 Ein Teil der Literatur folgte einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die auf den Substituierungseffekt bzw. auf die Nähe zum Absatzmarkt abstellte. Danach konnte der automatische Vertrieb von digitalen Produkten über einen Internetserver mit einer Vertriebstätigkeit verglichen werden, was die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Vertriebsgewinnen erlauben sollte.3 Die Gegenauffassung favorisierte eine technische Betrachtungsweise, wonach Computerhardware immer nur eine technische Hilfsfunktion haben kann (Kommunikations- und Übertragungsfunktion).4

3.41 Nach den Maßstäben des AOA hat die Serverbetriebsstätte keine technische Dienstleistungsfunk-

tion (z.B. als Webhoster oder Internet Service Provider), weil es am Personal zur Erbringung selbst einfachster Dienstleistungen fehlt bzw. weil die Personalfunktionen nicht „in der Betriebsstätte“ ausgeübt werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV).5 Folglich dürfen der Serverbetriebsstätte auch keine Risiken und Wirtschaftsgüter zugewiesen werden.6 Erst die Ausstattung mit Personal ermöglicht die Ausübung von technischen Routinefunktionen, die mit einer Gewinnzuordnung verbunden sind (z.B. Cost-Plus-Vergütung für einfache Hosting-Dienstleistungen). In diesem Fall besteht das Betriebsstättenvermögen aus der Computerhardware und sonstigen Wirtschaftsgütern, die für die Tätigkeit benötigt werden. Beim Einsatz von selbstgeschaffener Software ist für die Zuordnung zur Betriebsstätte außerdem erforderlich, dass das Personal der Betriebsstätte die Software selbst (mit-)entwickelt hat; anderenfalls liegt nur eine Nutzungsüberlassung seitens des Stammhauses vor.7 Die Konsequenzen des AOA für das deutsche Besteuerungsrecht bei Serverbetriebsstätten liegen auf der Hand: Die Serverbetriebsstätte hat kein Betriebsvermögen; ihr kann nur ein geringer bzw. gar kein Gewinn zugeordnet werden.8 f) Kritische Würdigung

3.42 Dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 ist – isoliert betrachtet – zugutezuhalten, dass er das seit

Jahrzehnten umstrittene Thema der Gewinnabgrenzung bei Serverbetriebsstätten geklärt hat.9 Es ist auch folgerichtig, der Serverbetriebsstätte (fast?) keinen Gewinn zuzuordnen, wenn das für die Gewinnabgrenzung entscheidende Kriterium die „significant people functions“ sind, und insoweit ein internationaler Konsens besteht. Die OECD hat damit implizit der These eine Absage erteilt, dass sich der Ort der Einkünfteentstehung (auch) nach dem Absatzmarkt bestimme („de-

1 OECD, Are the Current Treaty Rules for Taxing Business Profits Appropriate for E-Commerce (Final Report), Tz. 132, http://www.oecd.org/tax/treaties/35869032.pdf. Das entsprach dem damaligen Ansatz der deutschen Finanzverwaltung, vgl. Schwenke/Wichmann in Haas/Bacher/Scheuer (Hrsg.), E-Commerce – Besteuerung und Rechnungslegung, 2005, 161. 2 Vgl. dazu den Überblick bei Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.30 ff. 3 Strunk/Kaminski, IStR 2001, 161 (162). 4 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.31; Ditz, IStR 2002, 210 (214). 5 Kraft/Hentschel/Apler, Ubg 2017, 318 (325). Dementsprechend liegt keine Personalfunktion vor, wenn ein Computer auf der Grundlage von standardisierten Verfahren automatisch Kreditverträge abschließt (VWG-Betriebsstättengewinnaufteilung, Rn. 208). 6 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 66. Ebenso Nientimp/Ludwig, IWB 2013, 638 (641). Nach Busch, DB 2016, 910 (911), soll alternativ weiterhin die Verwendung der Kostenaufschlagsmethode zulässig sein. 7 OECD, Attribution of Profit to a Permanent Establishment involved in Electronic Commerce Transactions, 2001 (Discussion Draft E-Commerce), 33. 8 Krit. dazu Kraft/Hentschel/Apler, Ubg 2017, 318 (326): „Konstruktionsfehler des AOA“. 9 Hier ist nicht der Raum für eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem AOA (vgl. zur Kritik Wassermeyer, IStR 2012, 277; Ditz, ISR 2013, 261).

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B. Inboundgeschäft | Rz. 3.44 Kap. 3

mand-based approach“). Entscheidend ist nunmehr allein der Ort der Erzeugung der Leistung, d.h. der Ort, an dem sich die Produktionsfaktoren befinden („supply-based approach“).1 Der Umstand, dass der ausländische Anbieter bei seinen Direktgeschäften auch den Vorteil der Infrastruktur und des Rechtssystems des Quellenstaats genießt, was eine „Benutzungsgebühr“ nach dem Äquivalenzprinzip rechtfertigen könnte, wird im AOA nicht berücksichtigt.2 Auf der anderen Seite passen die Aussagen des OECD-Betriebsstättenberichts nicht zur Wertung des OECD-MK zu Art. 5 OECDMA,3 wonach eine vollautomatische Anlage die eigentliche Geschäftstätigkeit bzw. Kernfunktionen des Unternehmens zumindest dann ausüben kann, wenn die Tätigkeit keines ständigen Personaleinsatzes bedarf. Dieser Widerspruch führt in der Praxis zu unnötigem Verwaltungsaufwand, weil der Quellenstaat dem Grunde nach ein Besteuerungsrecht für die Serverbetriebsstätte hat. Das ausländische Unternehmen wird genötigt, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eine Steuererklärung abzugeben, die kein Steuersubstrat enthalten kann, was auch aus Verwaltungssicht ineffizient ist. Die Funktionsanalyse im Rahmen des AOA zeigt deutlich, dass in einer Betriebsstätte ohne Personal keine lokale Wertschöpfung stattfindet, die eine beschränkte Steuerpflicht rechtfertigen könnte. Da auch die Inanspruchnahme der Infrastruktur des Quellenstaats minimal ist (der Server muss lediglich mit Strom versorgt und mit dem Internet verbunden werden), erscheint eine Änderung des OECD-MA geboten, um Server- und Automatenbetriebsstätten aus der Definition der Betriebsstätte auszuschließen.4 Die OECD hat diesen Vorschlag aber bereits geprüft und abgelehnt, weil die Automatenbetriebsstätte traditionell ein Quellenbesteuerungsrecht auslöst und eine Anhebung der Betriebsstättenschwelle nicht konsensfähig war.5

III. Vertreter und Vermittler 1. Inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG Inländische Einkünfte liegen auch vor, wenn für den Gewerbebetrieb des ausländischen Unternehmens ein ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG), wobei aber keine Gewerbesteuerpflicht entsteht, weil § 2 Abs. 1 GewStG nur inländische Gewerbebetriebe erfasst.6 Es handelt sich um einen selbständigen Tatbestand, der nicht an die Verfügungsmacht über körperliche Gegenstände, sondern an die Einschaltung einer im Inland handelnden Person anknüpft. Der Vertretertatbestand ist allerdings nur dann zu prüfen, wenn in Bezug auf den konkreten Sachverhalt nicht bereits die Voraussetzungen einer Betriebsstätte vorliegen.7

3.43

Der Begriff des „ständigen Vertreters“ ist recht weit gefasst und sorgt in der Praxis immer wieder für unliebsame Überraschungen, weil sich ausländische Steuerpflichtige an der engeren Definition der Vertreterbetriebsstätte in Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2014 orientieren. Während die in den deutschen DBA ganz überwiegend verwendete Regelung nur wirtschaftlich oder rechtlich abhän-

3.44

1 Vgl. dazu OECD, Public Discussion Draft „Are The Current Treaty Rules For Taxing Business Profits Appropriate for E-Commerce“ v. 26.11.2003, Tz. 38 ff.; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECDMA, 2012, 54 ff. 2 Das Äquivalenzprinzip wäre auch kein geeigneter Maßstab für die Aufteilung der Einkünfte, vgl. dazu Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012, 54. 3 So bereits Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (810). 4 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 5 Technical Advisory Group on Monitoring the Application of Existing Treaty Norms for the Taxation of Business Profits, Final Report: Are the Current Treaty Rules for Taxing Business Profits Appropriate for E-Commerce?, Paris, 2004, Tz. 156 u. 160. 6 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 327. Gegebenenfalls unterliegt aber der ständige Vertreter selbst der Gewerbesteuer. 7 Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 3 (Stand: Mai 2011); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 327.

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Kap. 3 Rz. 3.45 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce gige Personen erfasst, die eine Vollmacht besitzen und diese regelmäßig ausüben, ist ständiger Vertreter jede Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt (§ 13 Satz 1 AO). Es genügt, wenn die Person nachhaltig eine wirtschaftliche Tätigkeit im Interesse des ausländischen Unternehmens ausübt und insoweit weisungsgebunden ist. § 13 Satz 2 AO nennt dafür zwei Beispiele, die aber nicht abschließend sind (Abschluss bzw. Vermittlung von Verträgen und Auslieferung von Waren aus eigener Bestandshaltung). Ständiger Vertreter kann neben dem unselbständigen Vertreter auch ein selbständig handelnder Unternehmer sein, der im Rahmen seines eigenen Geschäftsbetriebs tätig wird und nur in Bezug auf das konkrete Geschäft weisungsgebunden ist (selbständiger Vertreter).1 Gleiches gilt für eine inländische Tochtergesellschaft des ausländischen Unternehmens, die ansonsten selbständig handelt. Die Finanzverwaltung hat allerdings durch eine Billigkeitsregelung die Tätigkeit der selbständigen Makler, Kommissionäre und Handelsvertreter aus dem Anwendungsbereich von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 EStG herausgenommen.2 Daher hat ein ausländischer Unternehmer in diesen Fällen selbst dann keine inländischen Einkünfte, wenn er keinen Abkommensschutz genießt. Die Einordnung als ständiger Vertreter erfordert aber in allen Fällen eine nachhaltige Tätigkeit, die – in Anlehnung an die Betriebsstättendefinition – nur gegeben ist, wenn ein auf Wiederholung angelegtes Handeln von mehr als sechs Monaten vorliegt.3 Bloße Hilfstätigkeiten wie etwa die Entgegennahme von Steuerbescheiden, die an den ausländischen Steuerpflichtigen gerichtet sind, fallen nicht unter § 13 AO.4 Aufgrund der weiten gesetzlichen Definition des Vertreterbegriffs könnten insbesondere die folgenden Geschäfte bzw. Tätigkeiten eine beschränkte Steuerpflicht auslösen: – Vertrieb von Leistungen über inländische virtuelle Marktplätze und Internet-Plattformen, – Inanspruchnahme inländischer Dienstleistungsangebote (z.B. Vermittlungs-, Werbe-, Abwicklungs- und Supportleistungen), – Beauftragung einer inländischen Person mit der Lagerhaltung und Auslieferung von Waren sowie – Bestellung eines inländischen administrativen Ansprechpartners für die DENIC-Domain-Registrierung. a) Vertrieb unter Einschaltung einer inländischen Online-Plattform

3.45 Wird der inländische Betreiber eines virtuellen Marktplatzes nachhaltig als Kommissionär (§ 383 HGB) für das ausländische E-Commerce-Unternehmen tätig, ist der Tatbestand des § 13 AO ohne weiteres erfüllt, da der Kommissionär ein Geschäft des Kommittenten besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt (§ 384 Abs. 1 HGB). Aufgrund der Billigkeitsregelung in Abschn. 49.1 Abs. 1 EStR entsteht gleichwohl keine beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wenn der Kommissionär im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt, d.h. die Einschaltung eines inländischen Kommissionärs ist grundsätzlich unschädlich. Ein Handeln „im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit“ dürfte bei einem Plattformbetreiber in der Regel zu bejahen sein, wenn die Tätigkeit des Plattformbetreibers auf den Vertrieb fremder Waren gerichtet ist.5 Schließt der Plattformbetreiber dagegen als Handelsvertreter Verträge in offener Stellvertretung ab,6 ist wie folgt zu unterscheiden: Das nachhaltige Handeln in fremdem Namen 1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 331. 2 R 49.1 EStR 2012 und BS-VWG, Tz. 1.1.2. Diese Regelung ist vom Wortlaut des § 13 AO nicht gedeckt und rechtlich angreifbar (krit. dazu Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.179). 3 Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 8 (Stand: Mai 2011). 4 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494, 497. 5 Vgl. BS-VWG, Tz. 1.2.2: Ein unabhängiger Vertreter handelt außerhalb des Rahmens seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit, wenn seine Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung außerhalb des Berufsbilds und des Geschäftszweigs liegt. 6 Zur Einordnung eines Online-Hotelportals als Handelsvertreter Emde/Valdini, BB 2016, 899.

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B. Inboundgeschäft | Rz. 3.46 Kap. 3

fällt unter § 13 Satz 2 Nr. 1 AO (Abschluss von Verträgen). Eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Geschäftsherrn entsteht nach der Billigkeitsregelung aber nur, wenn der Handelsvertreter „eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen für das ausländische Unternehmen besitzt“. Dies ist m.E. nicht der Fall, wenn der Handelsvertreter vertretbare Sachen bzw. digitale Produkte zu einem Festpreis anbietet, der durch den ausländischen Prinzipal vorgegeben ist. Daher würde z.B. der Verkauf von MP3-Dateien und E-Books über eine inländische Internet-Plattform keine beschränkte Steuerpflicht auslösen, wenn der Plattformbetreiber zwar im Namen des ausländischen Anbieters Kaufverträge abschließt, dabei aber die Preisvorgaben des Vertretenen einhält.1 In der Praxis beinhaltet das Leistungsangebot des Plattformbetreibers neben der Kommissions- bzw. Vertretertätigkeit oft auch weitere Nebenleistungen wie Rechnungserstellung und Abwicklung des Zahlungsvorgangs. Diese Leistungen können ebenfalls Elemente einer Geschäftsbesorgung enthalten, sind m.E. aber in der Regel unselbständige Bestandteile der Haupttätigkeit des Kommissionärs bzw. Handelsvertreters und fallen ebenfalls unter die Billigkeitsregelung. b) Inanspruchnahme inländischer Vermittler und sonstiger Dienstleister Auch ein inländischer Vermittler bzw. Makler, der nachhaltig für ein ausländisches Unternehmen tätig ist und diesem Verträge vermittelt, ist grundsätzlich als ständiger Vertreter einzuordnen (§ 13 Satz 2 Nr. 1 AO). Aufgrund der Billigkeitsregelung in Abschn. 49.1 EStR unterbleibt jedoch die Besteuerung, wenn der Vermittler bzw. Makler im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Aus diesem Grund führt die dauerhafte Einschaltung eines inländischen Vermittlungsoder Preisvergleichsportals, das Internetnutzer direkt in den Webshop des ausländischen Unternehmens weiterleitet und dafür eine erfolgsabhängige Vergütung erhält (Provision bei Vertragsabschluss), nicht zur Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens. Dies gilt m.E. auch für das Affiliate Marketing. Von der Vermittlungstätigkeit zu unterscheiden sind reine Werbeleistungen, die nicht auf die Vermittlung eines individuellen Kunden gerichtet sind und dementsprechend nicht mit einer erfolgsabhängigen Provision, sondern mit einer Werk- oder Dienstleistungsvergütung entgolten werden. Die Abgrenzung kann im Einzelfall aber Probleme bereiten, wie die folgenden Beispiele zeigen: Beispiel 1: Der im Inland ansässige W platziert auf seiner Website Werbebanner des ausländischen Unternehmers U und erhält dafür 0,01 Euro pro Seitenaufruf („pay per impression“). Es handelt sich um eine Werbeleistung. Da W kein fremdes Geschäft besorgt und auch nicht weisungsgebunden ist, ist er kein ständiger Vertreter des U. Beispiel 2: Die Werbebanner bewerben ein konkretes Produkt des U. U zahlt 0,50 Euro an W, wenn ein Internetnutzer auf das Werbebanner klickt und durch ein Hyperlink zum Webshop des U weitergeleitet wird („pay per click“). Auch in diesem Fall handelt es sich um eine Werbeleistung. Zwar erhält W eine erfolgsabhängige Vergütung, die aber weder von einem Vertragsabschluss noch von der Einholung eines Auftrags abhängt. Beispiel 3: Die Werbebanner bewerben ein konkretes Produkt des U. Klickt ein Internetnutzer auf das Werbebanner, wird er zum Webshop des U weitergeleitet. U kann anhand des verwendeten Hyperlinks oder eines Cookies erkennen, dass der Kontakt von W vermittelt worden ist. Kauft der Internetnutzer ein Produkt des U, erhält W eine Provision („pay per sale“ oder „revenue sharing“ im Rahmen des Affiliate Marketing). Im Unterschied zu Beispiel 2 liegt eine Vermittlungsleistung i.S.d. § 13 Satz 2 Nr. 1 AO vor. Ist W nachhaltig für U tätig, erzielt U inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Die beschränkte Steuerpflicht richtet sich dann gem. Abschn. 49.1 EStR danach, ob W im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Daher greift die Billigkeitsregelung nur, wenn W allgemein als Makler/Vermittler tätig ist (z.B. als Inhaber eines Preisvergleichsportals). Übt W jedoch eine andere Haupttätigkeit aus, so dass die Vermittlung von Kunden an U nur ein Nebengeschäft ist, löst die Vermittlungsleistung eine beschränkte Steuerpflicht des U aus. 1 Dies ist aber keineswegs zwingend. Da die Finanzverwaltung § 13 AO in den Nicht-DBA-Fällen gegen den Wortlaut einschränkt, kann man auch zum gegenteiligen Ergebnis kommen.

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3.46

Kap. 3 Rz. 3.47 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce c) Lagerhalter und Logistikdienstleister

3.47 Unterhält das ausländische Unternehmen ein eigenes Warenlager im Inland, liegt bereits eine Be-

triebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 5 AO vor. Beauftragt es eine andere Person mit der Lagerhaltung, entstehen inländische Einkünfte, wenn der Lagerhalter nachhaltig für das ausländische Unternehmen tätig wird, dessen Sachweisungen unterliegt und die Waren nicht nur aufbewahrt, sondern auch selbst Auslieferungen aus dem Warenlager vornimmt (§ 13 Satz 2 Nr. 2 AO).1 Demgegenüber ist das bloße Ausstellen von Waren z.B. in einem Schauraum mangels Auslieferung nicht als Vertretertätigkeit einzuordnen.2 Auf der Grundlage dieser Kriterien kann die Einschaltung von konzernfremden Dritten oder inländischen Tochtergesellschaften, die ein „Logistikzentrum“ zur Lagerung und Auslieferung der Waren eines ausländischen Versandhandelsunternehmens betreiben, eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens auslösen.

3.48 Fraglich ist dagegen, ob auch das Vorhalten und „Ausliefern“ von digitalen Produkten durch einen

inländischen Server unter § 13 AO fallen kann. Hier sind mehrere Fallgestaltungen zu unterscheiden: Die Verwendung eines eigenen bzw. dedizierten Servers begründet bereits eine Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens gem. § 12 Satz 1 AO; zudem ist der Server keine handlungsfähige Person.3 Befindet sich der Server in der Verfügungsmacht einer anderen Person, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 AO in Bezug auf diese Person zu prüfen. Dabei ist der typische Webhoster, der im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags tätig wird, mangels sachlicher Weisungsabhängigkeit kein ständiger Vertreter des ausländischen Unternehmens,4 und ein Server ist rechtlich nicht handlungsfähig. Schuldet der inländische Vertragspartner aber z.B. die nachhaltige Betreuung eines Webshops und unterliegt er dabei den Weisungen des ausländischen Unternehmens, liegt eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 13 Satz 1 AO vor. Auf die Frage, ob es sich bei den digitalen Produkten um „Waren“ i.S.v. § 13 Satz 2 Nr. 2 AO handelt, kommt es dann gar nicht an, da bereits der allgemeine Tatbestand des ständigen Vertreters nach Satz 1 erfüllt ist. d) Inländischer DENIC-Ansprechpartner für die Domainregistrierung

3.49 Die DENIC eG erlaubt die Registrierung von „.de“-Internetdomains durch im Ausland ansässige

Personen. Der ausländische Domaininhaber muss aber einen inländischen administrativen Ansprechpartner benennen und für ihn eine zustellungsfähige Adresse angeben.5 Ein administrativer Ansprechpartner ist zwar Zustellungsbevollmächtigter des ausländischen Unternehmens, wird aber dadurch nicht zum „ständigen Vertreter“ i.S.v. § 13 AO. Die Voraussetzungen des Satz 2 Nr. 1 sind nicht erfüllt, weil der administrative Ansprechpartner weder Verträge abschließt noch Kunden vermittelt. Ihm kommt in der Regel nur die Funktion eines „qualifizierten Briefkastens“ zu, die sich auf die Entgegennahme und Weiterleitung von Schriftstücken beschränkt (Empfangsbote). Es handelt sich m.E. um eine bloße Hilfsfunktion, die mit der Entgegennahme von Steuerbescheiden vergleichbar ist.6 Die Frage ist aber bislang nicht durch Rechtsprechung oder Verwaltungsanweisungen geklärt.

1 Seltenreich, IStR 2004, 589 (590 f.). 2 Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 11 (Stand: Mai 2011). 3 Der Server kann nicht ständiger Vertreter des ausländischen Anbieters sein (Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 11.27). 4 Der Webhoster erbringt eine standardisierte Leistung an den Kunden. Auch wenn er einen Erfolg schuldet (z.B. garantierte Mindestverfügbarkeit der Website von 99 %), ist er bezüglich der Art und Weise der Leistungserbringung frei. 5 https://www.denic.de/fragen-antworten/faqs-fuer-domaininhaber (abgerufen am 25.8.2017). Der administrative Ansprechpartner wird auch als „Admin-C“ bezeichnet (administrative contact). 6 Vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (497). Auch der „Empfangsbevollmächtigte“ i.S.d. § 123 AO ist kein ständiger Vertreter.

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B. Inboundgeschäft | Rz. 3.52 Kap. 3

2. Vorliegen einer DBA-Vertreterbetriebsstätte a) Vertreterbetriebsstätte Die deutschen DBA verwenden weiterhin ganz überwiegend die eng gefasste Definition der Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014. Danach wird ein nicht ansässiges Unternehmen so behandelt, als habe es eine Betriebsstätte, wenn eine Person, die kein unabhängiger Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 ist, im Quellenstaat für das Unternehmen tätig ist, eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und die Vollmacht dort gewöhnlich ausübt; Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 sind ausgenommen. Die Regelung ist Ausdruck des allgemein anerkannten Grundsatzes, dass der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht hat, wenn zwar keine feste Geschäftseinrichtung vorliegt, das ausländische Unternehmen aber durch einen abhängigen Vertreter vor Ort tätig wird.1 Durch den Verweis auf Art. 5 Abs. 6 OECD-MA werden die dort geregelten unabhängigen Vertreter ausgenommen (z.B. Makler, Kommissionäre), sofern sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Darüber hinaus begründet auch nicht jeder abhängige Vertreter eine Vertreterbetriebsstätte. Denn es muss sich um für das Unternehmen wesentliche Geschäfte handeln,2 weshalb die Vertretung bei Hilfsgeschäften unschädlich ist. Daher ist der inländische DENIC-Ansprechpartner, sofern man ihn überhaupt als ständigen Vertreter i.S.d. § 13 AO einordnen kann, jedenfalls keine Vertreterbetriebsstätte.

3.50

Eine weitere Einschränkung der Vertreterbetriebsstätte ergibt sich nach überwiegender deutscher Rechtsauffassung daraus, dass der abhängige Vertreter „im Namen des Unternehmens“ Verträge abschließen muss („Abschlussvollmacht“). Daher begründet ein Kommissionär, der im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handelt, grundsätzlich keine Vertreterbetriebsstätte, auch wenn er vom ausländischen Geschäftsherrn wirtschaftlich abhängig ist (z.B. als „Einfirmen-Vertreter“). Darauf beruht das „Kommissionärsmodell“, bei dem eine inländische Tochtergesellschaft die Produkte der ausländischen Muttergesellschaft als Kommissionärin vertreibt, um eine Vertreterbetriebsstätte zu vermeiden.3 Die deutsche Rechtspraxis negiert insoweit die möglicherweise abweichende Auffassung des OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA 2014, wonach auch der abhängige Kommissionär unter Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 fallen könnte.4 Die damit verbundenen Auslegungsfragen sind international hochgradig streitig.5 Der Auslegungsstreit wird in Zukunft weiterhin bei solchen DBA relevant sein, die dem OECD-MA 2014 entsprechen. Beruht das jeweilige DBA dagegen auf Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2017, begründet der abhängige Kommissionär eine Vertreterbetriebsstätte.6

3.51

b) Websites, Webhosting und Cloud Computing Aus dem Tatbestandsmerkmal „Person“ folgt, dass weder eine Website bzw. Microsite noch inländische Computerhardware eine Vertreterbetriebsstätte begründen können.7 Auch der inländische Webhoster, der Hostingleistungen an ein ausländisches Unternehmen erbringt, ist in der Regel kein abhängiger Vertreter des ausländischen Unternehmens, da er nicht in den Vertragsabschluss mit dessen Kunden eingeschaltet wird.8 Gleiches gilt für die Erbringung ähnlicher Dienst- oder Werkleistungen im Rahmen des Cloud Computing. 1 Art. 5 Rz. 31 OECD-MK 2014. 2 Art. 5 Rz. 33 OECD-MK 2014. Maßgeblich ist der Bezug zum Unternehmenszweck, z.B. Vollmacht für den Abschluss von Verträgen über den Verkauf von Waren bei einem Handelsunternehmen. 3 Vgl. dazu Rasch, IStR 2011, 6 ff. Die deutsche Finanzverwaltung hat sich noch nicht eindeutig geäußert, Ditz/Bärsch/Schneider, Ubg 2013, 493 (500). 4 Art. 5 Rz. 32.1 OECD-MK 2014. 5 Ditz/Bärsch/Schneider, Ubg 2013, 493. 6 Z.B. Art. 5 Abs. 8 und 9 DBA-Australien 2015. 7 Art. 5 Rz. 131 OECD-MK. 8 Art. 5 Rz. 131 OECD-MK; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 341.

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3.52

Kap. 3 Rz. 3.53 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce c) Einschaltung inländischer Vermittler und Vertreter

3.53 Während gem. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, 13 Satz 2 Nr. 1 AO bereits das Einholen von Auf-

trägen eine beschränkte Steuerpflicht auslöst, erfasst Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 nur den Abschluss von Verträgen durch einen abhängigen Vertreter. Daraus ergeben sich im E-Commerce mehrere Beschränkungen des deutschen Besteuerungsrechts: Die Vermittlungsleistungen der Betreiber von Vermittlungs- und Preisvergleichsportalen sowie Leistungen im Rahmen des Affiliate Marketing fallen mangels Vertragsabschluss durch einen Vertreter schon im Ansatz nicht unter Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014; hier werden dem ausländischen Unternehmen nur Kunden zugeführt, mit denen es dann selbst kontrahiert. Zudem ist die Einschaltung unabhängiger Vertreter, die im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln, unschädlich (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014). Ein ausländischer E-Commerce-Anbieter kann sich daher ohne steuerliches Risiko eines inländischen virtuellen Marktplatzes oder AppStores bedienen, der von einem fremden Dritten betrieben wird. Die Benutzung solcher Portale und Marktplätze begründet keine Vertreterbetriebsstätte, auch wenn der Betreiber aufgrund einer Abschlussvollmacht offen als Vertreter des ausländischen Anbieters auftritt.1

3.54 Nicht ganz so einfach gelagert sind die Fälle, in denen eine inländische Konzerngesellschaft als

Portalbetreiberin auftritt und die Verträge im Namen der ausländischen Muttergesellschaft abschließt. Zwar gilt eine beherrschte Gesellschaft gem. Art. 5 Abs. 7 OECD-MA nicht bereits aufgrund ihrer Konzernangehörigkeit als abhängiger Vertreter der ausländischen Muttergesellschaft („Anti-Organ-Klausel“).2 Es ist aber immer zu prüfen, ob aufgrund anderer Umstände eine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber der Muttergesellschaft vorliegt.3 Die gestalterische Antwort auf dieses mögliche steuerliche Risiko bestand bislang darin, den Vertragsabschluss durch eine inländische Tochtergesellschaft vorbereiten zu lassen, die aber keine Vertretungsmacht hat und den Kunden an das ausländische Mutterunternehmen weiterleitet, das den Vertrag dann selbst abschließt.4 Der OECD-MK 2014 versuchte bislang, offensichtliche Missbrauchsfälle durch Annahme einer „wirtschaftlichen Abschlussvollmacht“ einzufangen.5 Danach soll eine Vertreterbetriebsstätte vorliegen, wenn die handelnde Person alle Bestandteile und Details des Vertrags ausgehandelt und den fertigen Entwurf lediglich zur Unterschrift an die Muttergesellschaft weitergereicht hat. Nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2017 werden diese Fälle künftig als Vertreterbetriebsstätte behandelt, wobei Deutschland diese Erweiterung der Betriebsstättendefinition grundsätzlich nicht in seine DBA übernimmt. d) Warenlager und Logistikanlagen

3.55 Inländische Warenlager bzw. Lagerhalter, die nach nationalem Recht eine Betriebsstätte (§ 12 AO

Satz 2 Nr. 5 AO) begründen oder als ständiger Vertreter einzuordnen sind (§ 13 Satz 2 Nr. 2 AO), gelten auf Abkommensebene traditionell nicht als Betriebsstätte bzw. Vertreterbetriebsstätte. Dies ergibt sich für das Warenlager aus Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und b OECD-MA 2014 (Hilfstätigkeit), und der Lagerhalter ist mangels Abschlussvollmacht kein abhängiger Vertreter. Die höhere Betriebsstättenschwelle des OECD-MA 2014 führt hier zu einer deutlichen Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, die in der Praxis des grenzüberschreitenden Online-Versandhandels 1 Z.B. als Betreiber eines AppStore, der im Namen des ausländischen Anbieters dessen Software verkauft und dafür eine Kommission erhält. 2 Vgl. dazu Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 165. 3 BS-VWG, Tz. 1.2.2. 4 Die Einschaltung eines unabhängigen Maklers würde gem. R 49.1 EStR 2012 zwar auch keine beschränkte Steuerpflicht auslösen. In diesem Fall müsste das ausländische Unternehmen aber eine fremdübliche Provision zahlen, die höher als die übliche Cost-Plus-Vergütung für konzernangehörige Dienstleister ausfallen dürfte. 5 Art. 5 Rz. 33 OECD-MK 2014; BS-VWG, Tz. 1.2.2 („wenn das Unternehmen rechtlich oder wirtschaftlich von dem Vertreter gebunden werden kann“); vgl. dazu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 333.

342 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.57 Kap. 3

auch genutzt wird.1 Zwar sieht die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen mit Entwicklungsländern vor, dass ein Auslieferungslager die fehlende Abschlussvollmacht eines ständigen Vertreters ersetzen kann.2 Diese Modifikation der Vertreterbetriebsstätte spielt jedoch im Verhältnis zu anderen Industrieländern bislang keine Rolle (zu den Änderungen im Rahmen des BEPS-Projekts und des OECD-MA 2017 s. Rz. 3.95 ff.).

IV. „Betriebsstättenlose“ inländische gewerbliche Einkünfte 1. Überblick § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 EStG erfasst „betriebsstättenlose“ gewerbliche Einkünfte aus der Veräußerung oder Vermietung von Rechten, die in ein inländisches Register eingetragen sind oder vom Vergütungsschuldner in dessen inländischer Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden. Dabei gelten die entsprechenden Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft kraft Rechtsform als gewerblich (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG). Stammen diese Einkünfte aus der zeitlich befristeten Nutzungsüberlassung eines Rechts (Satz 1 Doppelbuchst. aa), ist der inländische Vergütungsschuldner gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 EStG zur Vornahme des Steuerabzugs verpflichtet, wobei der kombinierte Steuersatz 15,825 % beträgt (§§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG; 3 Abs. 1 Nr. 6, 4 Abs. 1 Satz 1 SolZG). Der Steuerabzug ist ungeachtet einer etwaigen DBA-Vergünstigung durchzuführen, sofern der ausländische Vergütungsschuldner keine Freistellungsbescheinigung des BZSt vorlegen kann (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei Veräußerungseinkünften (Satz 1 Doppelbuchst. bb) wird eine Veranlagung durchgeführt, wenn das deutsche Besteuerungsrecht nicht durch ein DBA ausgeschlossen ist.

3.56

Der E-Commerce betrifft zahlreiche digitale Produkte, hinter denen urheberrechtlich geschützte Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 UrhG stehen. Dies gilt nicht nur für Fotos und Videos aller Art, die als Lichtbildwerke bzw. Lichtbilder oder Filmwerke geschützt sind, sondern auch für Sprachwerke bzw. E-Books und Computerprogramme. Da Datenbankwerke bzw. Datenbanken ebenfalls unter den Schutz des Urheberrechts fallen, und Urheberrechte kraft der Legaldefinition in § 73a Abs. 2 EStDV „Rechte“ i.S.d. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG sind,3 stellt sich auch bei scheinbar simplen Geschäftsvorfällen die Frage, ob inländische Einkünfte aus der Veräußerung oder Vermietung von Urheberrechten vorliegen. Da für Urheberrechte im Unterschied zu Markenrechten oder Patenten keine inländische Registereintragung vorgesehen ist, kommt dem Tatbestandsmerkmal der Verwertung des Rechts in einer inländischen Betriebsstätte oder festen Einrichtung die entscheidende Bedeutung zu. Die Behandlung dieser Geschäftsvorfälle wurde bislang dadurch erschwert, dass die Finanzämter an der Schnittstelle zwischen Steuerrecht und Urheberrecht ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten haben. Jedoch hat das BMF nunmehr den Versuch unternommen, einen großen Teil der Streitfragen zu klären und am 27.10.2017 ein Anwendungsschreiben zur beschränkten Steuerpflicht bei der grenzüberschreitenden Überlassung von Software und Datenban-

3.57

1 Beispiel bei Pinkernell, DK 2015, 57 (61). 2 In Anlehnung an Art. 5 Abs. 5 Buchst. b UN-MA; vgl. dazu Valta, ISR 2013, 186 (187); Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, 406 f. 3 Erfasst sind gem. § 73a Abs. 2 EStDV aber nur solche Rechte, „die nach Maßgabe des UrhG … in der jeweils geltenden Fassung geschützt sind“. Das deutsche UrhG ist territorial ausgerichtet und verwendet das Schutzlandprinzip (BGH v. 24.9.2014 – I ZR 35/11, juris, Hi Hotel II). Deshalb ist die von Hecht/Lampert vertretene Parallelbetrachtung nach ausländischem Recht zweifelhaft (Hecht/Lampert, FR 2009, 1127 (1130)). Es ist vielmehr zu fragen, ob der Vergütungsgläubiger im Inland Rechte aus dem UrhG herleiten kann (ähnlich Strunk in Korn, § 50a EStG Rz. 46 [Stand: Januar 2016]). Das ist u.a. der Fall, wenn das Werk zuerst im Inland erschienen ist (§ 121 Abs. 1 UrhG), wenn es sich um Werke von EU-/EWR-Staatsangehörigen handelt (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG) oder wenn der ausländische Vergütungsgläubiger die Inländerbehandlung nach einem Staatsvertrag beanspruchen kann (§ 121 Abs. 4 UrhG). In der Praxis hat man es meistens mit solchen Rechten von Drittstaatspersonen zu tun, die in Deutschland nach TRIPS/ RBÜ geschützt sind (z.B. Sprachwerke, Computerprogramme, Datenbanken, Film- und Lichtbildwerke).

Pinkernell | 343

Kap. 3 Rz. 3.58 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce ken veröffentlicht. Danach istl eine Verwertung i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa und Nr. 6 EStG nur anzunehmen, wenn dem inländischen Vergütungsschuldner urheberrechtliche Nutzungsrechte eingeräumt werden, die ihm eine „wirtschaftliche Weiterverwertung“ im Sinne einer finanziellen Nutzbarmachung des Werks bzw. des Leistungsschutzrechts durch Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung und/oder öffentliche Wiedergabe ermöglichen. Dagegen führt die Überlassung eines digitalen Produkts an einen Endanwender, der sich auf den bloßen bestimmungsgemäßen Gebrauch des Werks beschränkt, nicht zu inländischen Einkünften, auch wenn es sich bei dem Endanwender um ein Unternehmen handelt, das z.B. ein Computerprogramm in seiner inländischen Betriebsstätte installiert, vervielfältigt und im Rahmen der betrieblichen Wertschöpfung nutzt.1 Die Unterscheidung zwischen der wirtschaftlichen Weiterverwertung und dem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Software ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie löst nicht nur viele Streitfälle, sondern bewirkt auch einen Gleichlauf mit den DBA-Abgrenzungskriterien für Unternehmensgewinne und Lizenzgebühren, denn die OECD hat in Art. 12 Rz. 12 ff. OECDMK schon viele typische Geschäftsvorfälle mit einer vergleichbaren Argumentation geklärt.2 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BFH den Begriff „Verwerten“ bislang eher weit im Sinne eines Nutzbarmachens ausgelegt hat.3 Im Hinblick darauf vertritt Holthaus die Auffassung, dass das BMF-Schr. teilweise rechtswidrig sein könnte.4 Es bleibt daher abzuwarten, wie die Finanzgerichte die bereits anhängigen Verfahren zur Nutzungsüberlassung von Software und Datenbanken an Endanwender entscheiden werden.5 Daher Die folgende Übersicht behandelt in der Praxis besonders häufig vorkommende Geschäftsvorfälle des Direktgeschäfts mit digitalen Leistungen. 2. Software a) Softwareüberlassung an Verbraucher

3.58 Bei Verkauf und Vermietung von Standardsoftware an Verbraucher ist kein Steuerabzug gem.

§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG vorzunehmen. Selbst wenn man die Überlassung einer Programmkopie als Rechtüberlassung im Sinne einer „gesetzlichen Lizenz“ gem. § 69d UrhG einordnen würde,6 liegen dennoch keine inländischen Vermietungs- oder Veräußerungseinkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG vor, weil Verbraucher die Software jedenfalls nicht in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung nutzen.7 Und bei Einordnung der Programmkopie als „Sache“ könnten im Fall der Vermietung eines Datenträgers zwar sonstige inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG entstehen, da insoweit nur eine Nutzung der beweglichen Sache im Inland erforderlich ist.8 Jedoch ist der entsprechende Steuerabzugstatbestand für die Vermietung beweglicher Sachen mit Wirkung zum 1.1.2009 abgeschafft worden, weil Deutschland das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte auf DBA-Ebene regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat zuweist.9

1 BMF-Schr. „Beschränkte Steuerpflicht und Steuerabzug bei grenzüberschreitender Überlassung von Software und Datenbanken“ v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 3 f. S. dazu Schnitger/Oskamp, IStR 2017, 616; Holthaus, IStR 2017, 729; Pinkernell, Ubg 2017, 497; Maßbaum/Imhof, FR 2018, 6. 2 Der OECD-MK zu Art. 12 differenziert zwischen „Unternehmensgewinnen“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (Überlassung einer Programmkopie an den Endanwender, Rz. 14) und „Lizenzgebühren“ i.S.d. Art. 12 OECD-MA (Recht zur kommerziellen Verwertung des Urheberrechts durch Vervielfältigung und Verbreitung von Programmkopien, Rz. 12.2). Ausf. dazu Pinkernell, Ubg 2017, 497, (502). 3 Z.B. BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 4 Holthaus, IStR 2017, 729 (730). 5 Maßbaum/Imhof, FR 2018, 6 (12). 6 So der Ansatz von Petersen, IStR 2016, 975 (977). 7 Petersen, IStR 2013, 896 (901). 8 Kessler/Maywald/Peter, IStR 2000, 425 (429 f.). Bezieht der inländische Kunde die vermietete Programmkopie per Download und speichert er sie auf eigenem Datenträger ab, liegen mangels Nutzungsüberlassung eines körperlichen Gegenstands schon keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG vor. 9 Gosch in Kirchhof16, § 50a EStG Rz. 17.

344 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.60 Kap. 3

b) Softwareüberlassung an Unternehmen und Universitäten Nach allgemeiner Ansicht war schon bislang bei der endgültigen Veräußerung von Standardsoftware an inländische Endanwender1 im Unternehmens- oder Universitätsbereich kein Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG vorzunehmen.2 Das galt gleichermaßen für die Einräumung einer „perpetual license“ nach amerikanischem Recht, die zivilrechtlich als Veräußerung i.S.d. § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG einzuordnen ist und zur Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrecht des Herstellers führt.3 Unklar war aber bisher, ob – erstens – bereits die Gestattung des bloßen Gebrauchs einer Software den Tatbestand der „Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung“ i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG erfüllt, und ob – zweitens – die endgültige Übertragung eines Nutzungsrechts an Software einen „Rechtekauf“ darstellt, der mangels befristeter Rechteüberlassung nicht dem Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterfällt. Die Finanzverwaltung kommt bei der zweiten Frage zu dem Ergebnis, dass ein „Rechtekauf“ in Bezug auf Software grundsätzlich ausgeschlossen ist, weil Urheberrechte nicht unter Lebenden übertragen werden können (§ 29 Abs. 1 UrhG). Daher ist jeder Vertrag über die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten an Software als befristete Nutzungsüberlassung einzuordnen,4 was den Anwendungsbereich des Steuerabzugs bei Urheberrechten im Vergleich zu den ohne Weiteres abtretbaren Patent- und Markenrechten stark erweitert. Jedoch kommt die Finanzverwaltung bei der ersten Frage den Steuerpflichtigen entgegen und nimmt eine einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „Verwertung“ vor: Sie unterscheidet nunmehr in Anlehnung an die urheberrechtlichen Vorgaben in §§ 69c, 69d UrhG zwischen der Einräumung eines Rechts zur wirtschaftlichen Weiterverwertung durch Vervielfältigung, Verbreitung, Bearbeitung und öffentliches Zugänglichmachen einer Software und dem bloßen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Software durch den Endanwender, der die Software in seiner inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung lediglich installiert und ablaufen lässt und dabei ggf. erforderliche Vervielfältigungshandlungen „zustimmungsfrei“ im Rahmen des § 69d UrhG vornehmen darf (z.B. Erstellung von Sicherungskopien).5

3.59

Auf dieser Grundlage behandelt das BMF-Schr. eine Reihe von Fallkonstellationen und Beispielen, die die Unterscheidung zwischen „bestimmungsgemäßem Gebrauch“ und „wirtschaftlicher Weiterverwertung“ i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG6 verdeutlichen sollen. Danach sind u.a. folgende Geschäftsmodelle bzw. Nutzungshandlungen durch einen Endanwender als bestimmungsgemäßer Gebrauch einzuordnen:

3.60

1 Der Begriff „Endanwender“ (end user) bezeichnet einen Nutzer, der die Software auf der Grundlage eines End-User License Agreements (EULA) lediglich installieren, ausführen, für Sicherungszwecke vervielfältigen und ggf. auch weiterverkaufen darf. Der Endanwender kann Verbraucher oder Unternehmer sein (B2C- und B2B-Geschäft). 2 Hecht/Lampert, FR 2009, 1127 (1131); Pinkernell, ISR 2012, 82 (84); Kessler/Wald, IStR 2015, 889 (894); Petersen, IStR 2013, 896 (904); Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 58 (Stand: Mai 2015); Maßbaum/Müller, BB 2015, 3031 (3032); Ackermann, ISR 2016, 258 (260); Reimer in Blümich, § 49 EStG Rz. 134 (Stand: November 2016). 3 BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13, juris (Used Soft III). 4 Dies gilt insbesondere für den „Total Buyout“ (umfassende Rechteübertragung gegen Einmalzahlung), den die Finanzverwaltung bei Urheberrechten generell nicht anerkennt (BMF. v. 25.11.2010 – IV C 3S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350; v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/ 10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 11; OFD Karlsruhe, Vfg. v. 29.4.2014, DStR 2014, 1554); a.A. Pinkernell, Ubg 2017, 497, 501. 5 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 4. Ähnlich bereits Ackermann, FR 2016, 258 (260). 6 Erzielt eine ausländische Kapitalgesellschaft Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung von Rechten, die in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung verwertet werden, ist ausschließlich § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG anwendbar. Diese Einkünfte gelten als originär gewerblich (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG). Dagegen fallen die entsprechenden Einkünfte ausländischer Universitäten grundsätzlich unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

Pinkernell | 345

Kap. 3 Rz. 3.61 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce – Internet-Direktgeschäft mit Standardsoftware/Apps, egal ob Käufer/Mieter ein Verbraucher (B2C-Geschäft),1 ein Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte (B2B-Geschäft) oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist; – Einräumung von Netzwerk- und Volumenlizenzen an Endanwender, selbst bei eigener Befugnis des Kunden zur Erstellung der erforderlichen Kopien;2 – Gestattung der internetbasierten Nutzung von Software durch Endanwender (Software-as-a-Service u. Application Service Providing);3 – Nutzungsüberlassung einer nach den Bedürfnissen des Auftraggebers erstellten Individualsoftware an einen gewerblichen Endanwender, dem lediglich der bestimmungsgemäße Gebrauch gestattet ist;4 – Vervielfältigung/Anpassung einer Software zwecks Integration in die eigene IT-Umgebung des Endanwenders (z.B. Customizing bei ERP-Software).5 Die Finanzverwaltung will sogar die Einräumung einer Konzernlizenz an eine inländische Beschaffungsgesellschaft, die Unterlizenzen an verbundene Unternehmen i.S.d. § 18 AktG vergeben darf und ihre Einkaufskosten mit einem Aufschlag an die konzerninternen Abnehmer weiterbelastet, als Fall der Überlassung einer Software zum bloßen bestimmungsgemäßen Gebrauch behandeln.6 Dieses Thema war bislang in vielen Betriebsprüfungen aufgegriffen worden und ist nunmehr zugunsten der Steuerpflichtigen geregelt.

3.61 Dagegen handelt es sich um eine Rechteeinräumung zur „wirtschaftlichen Weiterverwertung“ i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG, wenn der Lizenznehmer die Software selbst finanziell verwerten und zustimmungsbedürftige Nutzungshandlungen i.S.d. § 69c UrhG vornehmen darf:

– Einräumung eines Vervielfältigungs-, Verbreitungs- und Bearbeitungsrechts an einer Software zum Zweck der Erstellung und Verwertung einer weiterentwickelten Version („Software Distribution Agreement“);7 – Einräumung eines Vervielfältigungs-, Verbreitungs-, Bearbeitungs- und Veröffentlichungsrechts an einer Software zwecks Einbindung in das eigene Softwareprodukt des inländischen Kunden;8 – Einräumung eines Rechts zur Vervielfältigung, Bearbeitung und öffentlichen Zugänglichmachung einer Software durch den Rechtsinhaber an einen inländischen SaaS-/ASP-Anbieter, der seinerseits SaaS-/ASP-Leistungen an Endnutzer erbringt.9 1 Beim B2C-Geschäft fehlt es auch an dem Anknüpfungspunkt der inländischen Betriebsstätte bzw. anderen Einrichtung. 2 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 13 „Betriebslizenz“ (bisher str.). 3 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 26 f. Zu Software as a Service s. Rz. 3.69 ff. 4 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 12 (bisher str.). 5 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 4, 14. 6 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 16. 7 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 19. Hinweis: Die Anschaffung eines eigenständigen schuldrechtlichen Vertriebsrechts, die als Rechtekauf nicht dem Steuerabzug unterliegt, kommt in dieser Fallkonstellation nicht in Betracht (FG München v. 23.5. 2001 – 1 K 3026/97, DStR 2002, 160, bestätigt durch BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142). 8 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 7. Hinweis: In der Praxis wird bei der Entwicklung eigener Apps oft übersehen, das ein Dritter dem Unternehmen entgeltlich ein Recht zur Einbindung und Verbreitung von Teilen seines Software-Development-Kits (SDK) eingeräumt hat. 9 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 29– 32. Dagegen liegt im Verhältnis zwischen dem Cloud-Anbieter und dem Endnutzer keine Rechteüberlassung vor.

346 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.64 Kap. 3

Das BMF-Schr. kommt im „Massengeschäft“ der Überlassung von Standardsoftware an Endanwender zu zutreffenden Ergebnissen, zumal Deutschland auf DBA-Ebene ohnehin kein Besteuerungsrecht für diese Geschäftsvorfälle hat, weil sie den „Unternehmensgewinnen“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zuzuordnen sind.1 Im Übrigen sollte der inländische Vergütungsschuldner noch folgende Gesichtspunkte beachten: Nach Ansicht der Finanzverwaltung entscheidet der Umfang der Rechteeinräumung, nicht aber die tatsächlich beabsichtigte Nutzung.2 Lässt sich daher ein Endanwender „vorsorglich“ ein Recht zur wirtschaftlichen Weiterverwertung einräumen, löst diese überschießende Rechteeinräumung den Steuerabzug aus.3 Und entwickelt ein Steuerausländer im Rahmen eines Werkvertrags eine Individualsoftware, die der Vergütungsschuldner wirtschaftlich weiterverwerten darf, steht nicht die Werkleistung, sondern die Rechteüberlassung im Vordergrund.4 Der Steuerabzug wird nach umstrittener Ansicht der Finanzverwaltung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Hersteller dem inländischen Kunden sämtliche Rechte an der Software überträgt, denn Software soll im Hinblick auf § 29 Abs. 1 UrhG generell nicht übertragbar sein.5

3.62

3. Videos, Bilddateien, Audiodateien und Texte (E-Books) Bei digitalen Produkten wie z.B. Videos, Bilddateien, Audiodateien und Texten (E-Books), die entgeltlich über das Internet gestreamt oder per Download vertrieben werden, ergeben sich ganz ähnliche Abgrenzungsfragen wie bei Standardsoftware. In Anbetracht der mangelnden Klärung durch Rspr. und Verwaltungsanweisungen kann hier nur der Versuch einer ersten Einordnung vorgenommen werden: Das Streaming von Multimedia-Inhalten an Endanwender, bei denen allenfalls eine flüchtige Zwischenspeicherung erfolgt (§ 44a UrhG), ist als Dienst- oder Werkleistung einzuordnen, die weder eine Vermietung noch eine Veräußerung von Rechten i.S.d. § 73a Abs. 2 UrhG beinhaltet. Der ausländische Inhaltsanbieter erzielt daher schon keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG, sofern er nicht eine inländische Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter eingeschaltet hat. Ist der Inhaltsbieter dagegen im Inland ansässig und hat er sich von einem ausländischen Vergütungsgläubiger das Recht einräumen lassen, dessen geschützte Werke über das Internet an Endanwender streamen zu dürfen, kann im Verhältnis Vergütungsgläubiger und Inhaltsanbieter die Einräumung eines urheberrechtlichen Nutzungsrechts vorliegen (z.B. Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG), das eine Verpflichtung zum Steuerabzug auslöst (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG; 73a Abs. 2 EStDV).

3.63

Beim Download von Video-, Bild-, Audio- und Textdateien (E-Books) durch Endanwender erschöpft sich das Verbreitungsrecht des Rechtsinhabers nicht (keine „Online-Erschöpfung“).6 Nach dem derzeitigen Stand darf der Kunde seine Kopie also nicht weiterverkaufen, und die AGB der Anbieter räumen dem Kunden oft auch nur ein einfaches Nutzungsrecht ein, das bei einem AGB-widrigen Verkauf entfällt. Im Hinblick darauf wird in vielen Fällen nur eine befristete Nutzungsüberlassung gegeben sein. Dies ist zwar im B2C-Geschäft irrelevant, weil Verbraucher keine Betriebsstätte haben, so dass es schon deshalb an einer Verwertung des Rechts i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG fehlt. Im B2B-Geschäft und bei der Überlassung von Multimediadateien an Universitäten könnte jedoch eine Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte bzw. anderen Einrichtung stattfinden, was dann auch eine Verpflichtung zum Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG auslösen würde. Hat der Kunde aber nur das Recht, eine aus einer Daten-

3.64

1 Art. 12 Rz. 14 OECD-MK. Ausführlich dazu Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift 494 (2014), 74 ff. 2 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 18: „Nutzungsungsrechte, die eine wirtschaftliche Weiterverwertung ermöglichen.“ 3 Schnitger/Oskamp, IStR 2017, 616, 621; Holthaus, IStR 2017, 729, 735. 4 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 – S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 23; a.A. Petersen, IStR 2017, 975, 978 (Überwiegen der Werkleistung). 5 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 11, a.A. Pinkernell, Ubg 2017, 497, 507. 6 Hanseatisches OLG v. 24.3.2015 – 10 U 5/11, juris; a.A. Neuber, WRP 2014, 1274, 1279.

Pinkernell | 347

Kap. 3 Rz. 3.65 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce bank heruntergeladene Kopie eines Werks als Endanwender zu betrachten, anzuhören, zu lesen oder zum Zweck der Lektüre auszudrucken, ist der Tatbestand der Verwertung nicht erfüllt.1 Dies entspricht auch der Abgrenzung zwischen Unternehmensgewinnen und Lizenzgebühren im Rahmen des Art. 12 OECD-MA. Diese Einkünfte sind nach Art. 12 Rz. 17.3 OECD-MK ausschließlich als Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA zu qualifizieren. Damit besteht auf Abkommensebene grundsätzlich kein deutsches Besteuerungsrecht.

3.65 In der Praxis kommt aber häufig der Fall vor, dass ein Unternehmen „lizenzfreie“ Fotodateien

(„royalty-free images“) erwirbt, die es dann auf seiner Unternehmenswebsite der Öffentlichkeit zugänglich machen darf. Dabei handelt es sich i.d.R. um ein einfaches Nutzungsrecht i.S.d. §§ 31 Abs. 1, 19a UrhG, für das ein Einmalentgelt zu entrichten ist.2 Hier ist vorsichtshalber ein Steuerabzug vorzunehmen, zumal die Finanzverwaltung nicht einmal den „Total Buy Out“ von Urheberpersönlichkeitsrechten als Veräußerung anerkennt.3 Zudem sollen nach Art. 12 Rz. 17.4 OECDMK z.B. Lizenzgebühren vorliegen, wenn ein Verleger das Recht erhält, ein heruntergeladenes Foto in seine Druckwerke zu übernehmen. 4. Datenbanken und Bitcoin-Transaktionen

3.66 Die Finanzverwaltung hat in letzter Zeit vermehrt Entgelte für die Benutzung ausländischer Da-

tenbanken aufgegriffen, wobei im Hinblick auf den eng gefassten Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG ausschließlich inländische Unternehmen und Universitäten betroffen waren.4 Der Schlüssel zur Lösung dieser Fälle ist die genaue zivil- bzw. urheberrechtliche Analyse der vertraglichen Regelung.5 Deshalb unterscheidet die Finanzverwaltung nunmehr auch bei den Datenbankfällen im Ansatz zutreffend zwischen dem bloßen Gebrauch einer Datenbank und der Einräumung umfassender Nutzungsrechte an der Datenbank bzw. deren geschützten Inhalten.6 Betreibt der ausländische Anbieter die Datenbank auf seinem Server, so dass der Kunde immer nur einzelne Elemente abrufen und gegen Entgelt herunterladen kann, befindet sich die Datenbank im Herrschaftsbereich des Anbieters und dient ihm als automatisierte Vertriebsplattform. Maßgeblich für die steuerliche Einordnung sind dann ausschließlich der abgerufene Inhalt, der in die Sphäre des Kunden gelangt, und das dafür vorgesehene Nutzungsrecht. Handelt es sich z.B. um den Download von Standardsoftware, gelten die unter Rz. 3.58 ff. dargestellten Grundsätze, d.h., beim Kauf von Standardsoftware aus einer Datenbank wie dem AppStore ist kein Steuerabzug vorzunehmen (auch nicht wegen „Datenbanknutzung“). Bei Multimediadateien kann dagegen eine Abzugsverpflichtung bestehen, wenn der Kunde kein bloßes Leserecht, sondern die Befugnis erhält, die heruntergeladene Datei in seine Website einzubinden und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Rz. 3.63 ff.). Besteht der heruntergeladene Inhalt aus bloßen Daten, die mangels Schöpfungshöhe als solche nicht schutzfähig sind7 (z.B. Wetter- oder Börsendaten), liegt insoweit schon keine Veräußerung bzw. Vermietung von Rechten i.S.d. § 73a Abs. 2 UrhG vor. Auch die vertragliche Möglichkeit des Kunden, im Rahmen seines Abonnements auf diese ungeschützten Daten zugreifen zu können, stellt keine Nutzungsüberlassung eines Rechts i.S.d. § 73a Abs. 2 EStDV dar. Zwar können sowohl die Struktur der Datenbank als auch die Datenbanksoftware

1 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 33 f. (zustimmungsfreie Benutzung). 2 Der Begriff „royalty-free“ ist insofern irreführend, denn er besagt lediglich, dass keine wiederkehrenden Zahlungen zu leisten sind. 3 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Rz. 22; OFD Karlsruhe, Vfg. v. 29.4.2014, DStR 2014, 1554. 4 Siehe dazu Kessler/Wald, IStR 2015, 889; Maßbaum/Müller, BB 2015, 3031 (3034). 5 Maßbaum/Müller, BB 2015, 3031 (3034). 6 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 35 u. 38. 7 Zudem besteht an Daten mangels Sachqualität auch kein gesetzliches Eigentumsrecht (Chibanguza/ Schneider, NWB 2017, 2052, 2054).

348 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.69 Kap. 3

gem. §§ 4 Abs. 2, 69a UrhG urheberrechtlichen Schutz genießen. Es liegt jedoch keine Nutzungshandlung des Kunden vor, da er das Datenbankwerk bzw. die Datenbanksoftware weder vervielfältigt, noch in anderer urheberrechtlich relevanter Weise nutzt (solche Nutzungshandlungen nimmt ausschließlich der Anbieter vor, der die Datenbank auf seinem Server betreibt). Daran ändert auch das spezielle Leistungsschutzrecht für Datenbanken gem. §§ 87a, 87b UrhG nichts. Denn hier wird der Hersteller, der den Aufwand für die Zusammenstellung der Daten getragen hat, nur gegen erhebliche bzw. systematische Entnahmen durch dieselbe Person geschützt,1 die bei regulärer Nutzung durch einen Endnutzer nicht vorkommen.2 Demgegenüber kann eine Rechteüberlassung in Bezug auf die Datenbank als solche in dem seltenen Fall vorliegen, dass der Kunde die gesamte Datenbank herunterladen und auf seinem eigenen Rechner installieren darf, um sie sodann Dritten zugänglich zu machen. Denn damit sind nicht nur Vervielfältigungshandlungen verbunden, sondern auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. §§ 19a, 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG. Es handelt sich um inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 EStG, weil dem inländischen Nutzer umfassende Nutzungsrechte zur wirtschaftlichen Weiterverwertung in einer inländischen Betriebsstätte bzw. anderen Einrichtung überlassen werden.3 Gleiches gilt für die Befugnis zu Erteilung von Unterlizenzen. Davon zu unterscheiden ist aber der Fall, dass eine Bank lediglich ihre Suchergebnisse den eigenen Kunden zur Verfügung zu stellen darf,4 was einen gewissen Spielraum bei der Vertragsgestaltung schafft. Und in Bezug auf die Datenbanknutzung durch Hochschulen trifft die Finanzverwaltung sogar die weitergehende Aussage, dass eine wirtschaftliche Weiterverwertung schon im Ansatz ausscheidet, wenn die Hochschule im Rahmen ihres öffentlichen Bildungsauftrags handelt und die Inhalte gebührenfrei oder kostendeckend zugänglich macht.5

3.67

Die kryptografische Cyberwährung „Bitcoin“, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut, beruht auf Einträgen in einer umfangreichen Datenbank („block chain“), die der jeweilige Inhaber mittels des Bitcoin-Netzwerks an eine andere Person senden bzw. übertragen kann. Bitcoins stellen als bloße Datensätze kein absolutes Recht dar, insbesondere genießen sie keinen urheberrechtlichen Schutz i.S.d. §§ 73a Abs. 2 EStDV, 2 Abs. 1 UrhG.6 Aufgrund der fehlenden Einlösungsverpflichtung liegt nicht einmal ein relatives Recht vor; es handelt sich auch nicht um elektronisches Geld i.S.d. § 1a Abs. 3 ZAG. Kauft ein inländisches Unternehmen Bitcoin von einem ausländischen Anbieter (z.B. Online-Tauschbörse), liegen daher keine inländischen Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG aus der Nutzungsüberlassung oder Veräußerung eines Rechts vor; ein Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist nicht vorzunehmen.

3.68

5. Cloud Computing (insbesondere Software as a Service) Unter Cloud Computing versteht man die Verlagerung von Software, Nutzerdaten, Rechenleistung, Speicherplatz und sogar ganzen Entwicklungsplattformen auf die Server eines Dienstleisters, der sämtliche benötigten Ressourcen auf Abruf und in Echtzeit über das Internet zur Verfügung stellt. Die Auslagerung standardisierter und skalierbarer IT-Funktionen („Outsourcing“) soll zu größerer Flexibilität und Kostenvorteilen führen, weil der Kunde nur diejenigen Leistungen in Anspruch nimmt und bezahlt, die er gerade benötigt.7 1 BGH v. 22.6.2011 – I ZR 159/10, juris, Automobil-Onlinebörse. 2 Ausf. dazu Pinkernell, Ubg 2017, 497 (508). A.A. jedoch Holthaus, IStR 2017, 729 (730 f.), wonach bereits der bloße Abruf von Daten eine „Verwertung“ darstellen soll. 3 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 33. 4 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 40. 5 BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 41 ff. 6 Spindler/Bille, WM 2014, 1357 (1360). 7 Zu den Verrechnungspreisaspekten des Cloud Computing s. Ditz in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 6.670 ff.

Pinkernell | 349

3.69

Kap. 3 Rz. 3.70 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce

3.70 Der schuldrechtliche Vertragstyp richtet sich nach dem konkreten Leistungsinhalt:1 Die Bereitstel-

lung von Standardsoftware auf dem Server des Anbieters (Software as a Service – SaaS) wird zivilrechtlich als besitzlose Sachmiete gem. § 535 Abs. 1 BGB eingeordnet.2 Besteht das Angebot aus Rechen- bzw. Speicherkapazität (Infrastructure as a Service – IaaS), dürfte in Anlehnung an die Rspr. zum Internet-System-Vertrag ein typengemischter Vertrag vorliegen, dessen dominierendes Merkmal je nach den konkreten Vereinbarungen eine Vermietungs-, Werk- oder Dienstleistung sein kann.3 Dabei ist aber zu beachten, dass der Kunde in aller Regel keinen unmittelbaren Zugriff auf die Hardware des Anbieters erhält, sondern lediglich virtuelle Ressourcen nutzt, die mittels einer Hypervisor-Software generiert werden (z.B. virtuelle Server). Kombiniert der Anbieter SaaS und IaaS, um dem Nutzer eine komplexe Entwicklungsplattform zur Verfügung zu stellen (Platform as a Service – PaaS), dürfte es sich um ein Leistungsbündel handeln.

3.71 Die ertragsteuerliche Einordnung von Cloud-Leistungen ist bislang weder durch Rspr. noch durch

Verwaltungsanweisungen abschließend geklärt. Die Literatur geht – soweit ersichtlich – einhellig davon aus, dass im Verhältnis zwischen dem ausländischen Cloud-Anbieter und dem inländischen Endanwender keine Überlassung von Rechten i.S.d. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG erfolgt.4 Vielmehr soll dem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Dienst- oder Werkleistung vorliegen, die keine Verpflichtung zum Steuerabzug auslöst.5 Das BMF-Schr. vom 27.10.2017 scheint diesem Ansatz nur für IaaS zu folgen.6 Dagegen wird SaaS unter dem Stichwort „internetbasierte Softwareüberlassung“ angesprochen. Insoweit unterscheidet die Finanzverwaltung zwischen der Überlassung von Software zum bestimmungsgemäßen Gebrauch und der Einräumung eines Rechts zur wirtschaftlichen Weiterverwertung.7 Danach liegen im Verhältnis zum Endanwender keine inländischen Einkünfte vor, weil es an der „Verwertung“ in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung fehlt. Die OECD qualifiziert die von Endanwendern gezahlte Vergütung grundsätzlich als „Unternehmensgewinne“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, hat bislang aber offengelassen, ob es sich um Vergütungen für technische Dienstleistungen handeln könnte, die in älteren DBA dem Lizenzartikel zugeordnet werden.8

3.72 Ist ein inländischer Cloud-Anbieter nicht Rechtsinhaber in Bezug auf die Software, die er seinen Kunden im Internet zur Verfügung stellt, muss er sich vom Rechtsinhaber ein entsprechendes Nutzungsrecht im Hinblick auf die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der Software gem. § 69c UrhG einräumen lassen. Im Verhältnis zwischen Rechtsinhaber und Cloud-Anbieter besteht dann ein Lizenzvertrag, so dass insoweit auch ein Steuerabzug vorzunehmen ist, wenn der Rechtsinhaber im Ausland ansässig ist.9

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Hilber, Handbuch Cloud Computing, Köln 2014, 170 ff. BGH v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394. Splittgerber/Rockstroh, BB 2011, 2179. Der Kunde des Cloud-Anbieters benötigt nicht die Einräumung eines urheberrechtlichen Nutzungsrechts an der auf dem Server des Anbieters befindlichen Software, um die Software zu nutzen (Hilger, Handbuch Cloud Computing, Köln 2014, 313; Splittgerber/Rockstroh, BB 2011, 2179 (2180)). Denn urheberrechtlich relevante Nutzungshandlungen (Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der Software) finden ausschließlich in der Herrschaftssphäre des Cloud-Anbieters statt. Auch der Entwurf eines BMF-Schreibens vom 17.5.2017, – IV C 5 - S 2300/12/10003:004, Rn. 25, kommt zu dem Ergebnis, dass die bloße Inanspruchnahme von SaaS- bzw. IaaS-Leistungen durch einen Endanwender mangels „Verwertung“ i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG nicht zu inländischen Einkünften des ausländischen Anbieters führt. Tappe, IStR 2011, 870 (873); Pinkernell, Ubg 2012, 331 (334); Ackermann, ISR 2016, 258 (260); Kahle/ Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (196 m.w.N.). Ähnl. für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG Schöneborn, NWB 2014, 3496 (3500). BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 25. BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 27. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, 2015, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, Paris, 106. BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 31.

350 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.75 Kap. 3

6. Domainnamen Die Nutzungsüberlassung von bzw. der Handel mit Internetdomains ist kein typisches E-Commerce-Massengeschäft, ist aber in der Beratungspraxis immer mal wieder anzutreffen. Nach Ansicht des BFH handelt es sich bei „generischen“ Domainnamen, die keine Wortmarke enthalten,1 um schutzrechtsähnliche Rechte i.S.d. § 266 Abs. 2 A.I.1 HGB.2 Damit könnte der Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG eröffnet sein, wenn der Vergütungsschuldner die Domain in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung verwertet.3 Bei einer Nutzungsüberlassung wäre dann entsprechend auch der Steuerabzug vorzunehmen, da § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht nur die in § 73a Abs. 3 EStDV genannten gewerblichen Schutzrechte, sondern auch ähnliche Rechte erfasst.4

3.73

V. Sonstige inländische Einkünfte § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG knüpft an § 22 Nr. 3 EStG an und erfasst sonstige Einkünfte aus inländischen unterhaltenden Darbietungen, aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland und der Überlassung von Know-how, das im Inland genutzt wird oder wurde. Zwar ist der Tatbestand aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise gem. § 49 Abs. 2 EStG auch auf originär gewerbliche Einkünfte eines ausländischen Unternehmens anwendbar, die nicht bereits inländische gewerbliche Einkünfte i.S.d. Nr. 2 sind. Jedoch schränken die drei Tatbestandsalternativen den potenziellen Anwendungsbereich im E-Commerce stark ein: Einkünfte aus inländischen unterhaltenden Darbietungen kommen im E-Commerce von vornherein nicht in Betracht, da der Begriff der „Darbietung“ den persönlichen Auftritt natürlicher Personen impliziert.5 Von größerer Bedeutung sind die sonstigen Einkünfte aus der Nutzung (einzelner) beweglicher Sachen im Inland6 und die Knowhow-Überlassung.

3.74

1. Nutzung beweglicher Sachen im Inland Der Tatbestand könnte einen Anknüpfungspunkt für die Besteuerung grenzüberschreitender ITInfrastrukturleistungen und sogar der zeitlich begrenzten Überlassung von Programmkopien bilden.7 Aus dem Wortlaut („Nutzung“) und der systematischen Nähe zu § 22 Nr. 3 EStG („Vermietung beweglicher Gegenstände“) folgt, dass nur Nutzungsüberlassungen, nicht aber Veräußerungen erfasst sind.8 Dadurch wird die Anwendung des Tatbestands auf den Verkauf digitaler Produkte, wie z.B. Standardsoftware, ausgeschlossen, selbst wenn man (Trivial-)Software ertragsteuerlich als „Sache“ einordnen wollte. Eine weitere Konkretisierung des Tatbestands folgt aus dem SatellitenUrteil des BFH. Danach fallen Dienst- und Werkleistungsverträge auch dann nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, wenn die Parteien die geschuldete Leistung unzutreffend als „Nutzung“ bezeich1 Gemeint sind „generische“ Domainnamen, die aus allgemeinen Begriffen bestehen (z.B. „www.schoeneurlaubsreisen.de“). Enthält der Domainname auch eine geschützte Wortmarke, ist insoweit Markenrecht anwendbar. 2 BFH v. 19.10.2006 – III R 6/05, BStBl. II 2007, 301. Zivilrechtlich wird die generische Internetdomain allerdings nicht als absolutes Recht, sondern lediglich als Vermögensrecht (Bündel vertraglicher Ansprüche gegenüber der DENIC-Vergabestelle), das als solches pfändbar ist (BFH v. 20.6.2017 – VII R 27/15, juris). 3 Die Registrierung einer „de“-Domain bei der DENIC e.G. stellt keine Eintragung in ein inländisches Register i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG dar. Ausf. dazu Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 53 f. 4 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Rz. 22. 5 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Rz. 17 f. 6 Im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG genügt die Vermietung einzelner beweglicher Sachen; ein Sachinbegriff ist nicht erforderlich. 7 Ausführlich dazu Kessler/Maywald/Peter, IStR 2000, 425 (427 ff.). 8 Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 94.

Pinkernell | 351

3.75

Kap. 3 Rz. 3.76 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce net, tatsächlich aber einen umfassenden technischen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen haben.1 Der Primat der Auslegung gilt m.E. auch für Cloud-Computing-Verträge, bei denen es sich materiell um Dienst- bzw. Werkleistungsverträge handelt.2 Es ist daher unschädlich, wenn der Vertragsgegenstand unzutreffend als Nutzung einer Software bzw. Nutzung von IT-Infrastruktur definiert ist. In Bezug auf IaaS-Verträge fehlt es zudem schon zivilrechtlich an der Nutzung einer Sache, da die zur Verfügung gestellte Infrastruktur aus virtuellen Servern besteht, die von einer Software simuliert werden.

3.76 Der BGH hat allerdings speziell zum Application Service Providing entschieden, dass der Vertrag

als Sachmiete einzuordnen ist. Dabei sei unerheblich, dass sich die vermietete Sache (= Programmkopie) auf dem Server des Anbieters befinde und der Kunde nicht im Besitz dieser Sache sei.3 Folgt man der zivilrechtlichen Einordnung des Application Service Providing als Sachmiete,4 könnten grenzüberschreitende SaaS-Leistungen im Inland steuerpflichtig sein.5 Der Tatbestand erfordert allerdings die tatsächliche Nutzung der Sache im Inland.6 Im Ergebnis könnte die Erbringung von ASP- bzw. SaaS-Leistungen also nur dann inländische Einkünfte begründen, wenn die genutzte Software erstens für Zwecke des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG als „bewegliche Sache“ einzuordnen ist und sich zweitens auf einem Server im Inland befindet. Hat der ausländische Anbieter Verfügungsmacht über den inländischen Server, dürften allerdings Betriebsstätteneinkünfte nach dem spezielleren Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vorliegen. Fehlt es an einer eigenen Betriebsstätte des ausländischen Anbieters, weil die Software auf dem Server eines inländischen Webhosters installiert ist, verhindert das Betriebsstättenprinzip gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA die Besteuerung der möglichen inländischen Einkünfte. Der inländische Vergütungsschuldner muss auch keinen Steuerabzug vornehmen, weil § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG aus dem Bereich der sonstigen Einkünfte nur die Know-how-Überlassung erfasst. 2. Überlassung von Know-how

3.77 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG aus der Überlassung der

Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, z.B. Plänen, Mustern und Verfahren, die im Inland genutzt werden oder worden sind. Dabei handelt es sich insbesondere um die Überlassung von sog. Know-how, also von Spezialwissen als Ergebnis erfinderischer Tätigkeit, aber auch von Erfahrungswissen, dessen Wert darin besteht, einem Dritten, dem es vermittelt wird, Zeit und Kosten zu ersparen.7 Im Unterschied zu den beiden anderen Nutzungstatbeständen des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG soll darunter auch die unbefristete Überlassung von Know-how fallen, um Besteuerungslücken zu verhindern.8 Der notwendige Inlandsbezug besteht in der Nutzung im Inland, wobei sowohl die Nutzung in einem Gewerbebetrieb als auch im Privatbereich ausreicht. 1 BFH v. 17.2.2000 – I R 130/97, IStR 2000, 438 (vereinbart war Nutzung eines Transponders, gewollt war Erbringung einer Übertragungsleistung). 2 Siehe dazu im Einzelnen Pinkernell, Ubg 2012, 331 (334). 3 Geschuldet ist gem. § 535 Abs. 1 BGB nicht die Besitzverschaffung, sondern lediglich die Gebrauchsüberlassung. 4 Zutreffend ist m.E. die Einordnung als Dienstleistung. Zudem ist Software ertragsteuerlich keine bewegliche Sache, sondern ein immaterielles Wirtschaftsgut. 5 So bereits Kessler/Maywald/Peter, IStR 2000, 425 (430 f.). Zweifelnd Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 94. 6 BFH v. 10.4.2013 – I R 22/12, BStBl. II 2013, 728 = ISR 2013, 349 mit Anm. Holthaus. 7 BFH v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249. Dagegen liegt eine Dienstleistung vor, wenn der beschränkt Steuerpflichtige das Know-how im Auftrag eines inländischen Auftraggebers erstellt, dem originär die Rechte daran zustehen (FG München v. 27.5.2013 – 7 K 3552/10, EFG 2013, 1412: medizinische Studie). 8 Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 94. Eine „Rückgabe“ ist in der Tat nur im Hinblick auf körperliche Gegenstände wie Pläne und Muster vorstellbar. Die Überlassung von Kenntnissen ist dagegen grund-

352 | Pinkernell

B. Inboundgeschäft | Rz. 3.80 Kap. 3

Obwohl der Tatbestand somit B2B- und B2C-Geschäfte erfassen könnte, hat er im E-Commerce praktisch keinen Anwendungsbereich. Der Onlinevertrieb digitaler Produkte wie z.B. Multimediadateien und Standardsoftware ist grundsätzlich nicht mit der Überlassung von Know-how verbunden, denn der Kunde erhält ein fertiges Produkt, das entweder nur der Unterhaltung dient (Musik- und Filmdateien) oder aber einen bestimmten Nutzwert hat, ohne dass es dabei zu einem Wissenstransfer kommt (Software).1 Daher führt insbesondere die Nutzungsüberlassung von Standardsoftware nicht zu inländischen Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG.2 Zwar beruht ein Computerprogramm auf Algorithmen, die im Quellcode umgesetzt und in der Regel sogar als Geschäftsgeheimnis behandelt werden. Die im Computerprogramm umgesetzten technischen Kenntnisse bleiben dem Anwender jedoch verborgen, da er nur eine ausführbare Binärdatei erhält (Objektcode). Keine Know-how-Überlassung ist m.E. auch der Fernunterricht, den ausländische Universitäten im Rahmen von MOOC (Massive Open Online Course) anbieten. Denn hier dürfte es sich in der Regel um die Vermittlung von Grundlagenwissen handeln.

3.78

Nicht ganz so eindeutig ist die Rechtslage beim entgeltlichen Zugriff auf Datenbestände eines ausländischen Anbieters. Hat der inländische Kunde lediglich das Recht, einzelne Daten aus einer Datenbank abzurufen (z.B. Börsenkurse, Finanzinformationen), liegt keine Überlassung von „Erfahrungen“ oder „Fertigkeiten“ vor. In Betracht kommt lediglich die Überlassung „gewerblicher Kenntnisse“, die aber m.E. daran scheitert, dass es sich um „nackte“ Daten handelt, die neben ihrer Existenz keine weitere Aussagekraft haben (es fehlt gewissermaßen am „how“ der Know-howDefinition).3 Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, in dem ein inländischer Kunde einen kompletten Datenbestand erhält, der bereits nach bestimmten Kriterien vorsortiert ist. Der BFH hat in einem Urteil zur Überlassung vorsortierter Adressdaten für Werbezwecke entscheidend darauf abgestellt, dass der Kunde nur das Ergebnis eines Sortiervorgangs (fertiger Datenbestand), nicht aber das Know-how erhalten hat, auf dem die Auswahl der Adressen beruhte.4 Wendet man dieses Abgrenzungskriterium auf die Nutzung von Verbraucherdaten im Rahmen der Online-Werbung an, so dürften in aller Regel keine inländischen Einkünfte entstehen.5 Denn die großen Werbedienstleister verfügen zwar über riesige Datenbestände und erhebliches Know-how bezüglich der Zuordnung von Werbeanzeigen zu bestimmten Nutzergruppen („Targeting“), teilen es aber nicht mit ihren inländischen Werbekunden. Entweder selektiert der Werbedienstleister selbst anhand seiner Datenbank, welche Anzeigen er dem jeweiligen Internetnutzer zeigt. Oder aber er teilt seinen Werbekunden nur die spezifischen Merkmale eines individuellen Internetnutzers mit, der gerade ein Internetangebot aufgerufen hat, und versteigert dann den Werbeplatz im Rahmen des Real Time Bidding an seine Werbekunden. In beiden Fällen verbleiben sowohl die Daten als auch das Knowhow des „Targeting“ der Werbung beim Werbedienstleister, der diese betriebsnotwendigen Geschäftsgeheimnisse auch nicht aus der Hand geben möchte.

3.79

VI. Fazit zum Inboundgeschäft Die Abschnitte I. bis V. haben ergeben, dass die Einkünfte aus den verschiedenen E-CommerceGeschäftsmodellen größtenteils unter Art. 7 Abs. 1 OECD-MA (Unternehmensgewinne) fallen, zu einem geringen Teil auch unter Art. 12 Abs. 1 OECD-MA (Lizenzgebühren). Beide Verteilungsnormen sehen grundsätzlich eine ausschließliche Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des auslän-

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sätzlich dauerhaft, so dass der Tatbestand im Fall der Beschränkung auf zeitlich begrenzte Überlassungsverträge weitgehend leerlaufen würde. Maßbaum/Müller, BB 2015, 3031, 3033. Kessler, IStR 2000, 70 (76 f.); Haase, INF 2006, 741 (744). Ähnlich BMF v. 27.10.2017 – IV C 5 - S 2300/12/10003:004 – DOK 2017/0894289, BStBl. I 2017, 1448, Rz. 37. BFH v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249: „Zur Nutzung überlassen wird nicht das Know-how des Herrichtens, sondern das fertige Produkt.“ Ebenso Maßbaum/Müller, BB 2015, 3031, 3034.

Pinkernell | 353

3.80

Kap. 3 Rz. 3.81 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce dischen Unternehmens vor, weshalb eine etwaige beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 EStG zurücktreten muss (z.B. bei „betriebsstättenlosen“ gewerblichen Einkünften aus der Nutzungsüberlassung von Rechten gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG). Bei bestehendem DBA-Schutz kann ein etwaiger Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG durch Einholung einer Freistellungsbescheinigung vermieden bzw. durch einen Erstattungsantrag kompensiert werden. Bedient sich der ausländische Anbieter aber einer inländischen (Vertreter-)Betriebsstätte, bleibt das Besteuerungsrecht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, §§ 12 und 13 AO auch auf Abkommensebene erhalten. Dabei ist jedoch erstens zu beachten, dass Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 bestimmte Hilfstätigkeiten ausklammert, die nach deutschem Recht eine beschränkte Steuerpflicht auslösen, woraus sich ein gewisses Gestaltungspotenzial ergibt. Neben dieser erhöhten Besteuerungsschwelle wirkt sich zweitens auch der AOA als weitere Beschränkung aus, denn die Anknüpfung der Gewinnabgrenzung an wesentliche Personalfunktionen verhindert im Ergebnis die Besteuerung einer inländischen Serverbetriebsstätte und anderer vollautomatischer IT-Anlagen.

C. Outboundgeschäft I. Überblick 3.81 Der E-Commerce hat den grenzüberschreitenden Leistungsaustausch erheblich erleichtert, weil

etablierte Plattformen und Online-Marktplätze vollautomatische Lösungen für den internationalen Vertrieb anbieten. Im Hinblick auf das deutsche Steuerrecht geht es vor allem um die Qualifikation der Einkünfte nach dem jeweils einschlägigen Tatbestand (z.B. §§ 34d EStG, 8 Abs. 1 AStG). In vielen Fällen entsteht auch eine Steuerpflicht im Quellenstaat, weshalb der grenzüberschreitende E-Commerce praktisch immer von einer Doppelbesteuerung bedroht ist, die man von Anfang an im Blick haben sollte. Zudem entwickelt sich im Zuge der BEPS-Debatte eine Tendenz zur unilateralen Etablierung von neuen Besteuerungsrechten, die nicht nur Schwellenländer, sondern auch OECD-Mitgliedstaaten erfasst hat.1 In der Praxis sind vor allem folgende Themen relevant, die im Anschluss näher erläutert werden sollen: – Einkünfte aus dem Direktgeschäft mit ausländischen Kunden, – Begründung einer ausländischen (Server-)Betriebsstätte, – Vertrieb von Waren und Dienstleistungen über eine ausländische Plattform und – Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischer Tochtergesellschaft.

II. Direktgeschäft 3.82 Beim Direktvertrieb vom Inland in das Ausland, z.B. über eine eigene Website oder Smartphone-

App, muss sich der inländische Inhaltsanbieter proaktiv um die Erfüllung etwaiger steuerlicher Pflichten im Quellenstaat kümmern. Zwar weisen Art. 7 Abs. 1, 12 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht für typische E-Commerce-Geschäftsvorfälle grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zu,2 wobei auch die Unterhaltung von Warenlagern bzw. Warenbeständen im Quellenstaat bislang gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 unschädlich ist. Jedoch kann nach dem nationalen Steuerrecht des Quellenstaats eine beschränkte Steuerpflicht für E-Commerce-Geschäfte bestehen, welcher der inländische Anbieter nur durch Abgabe einer Steuererklärung entgehen kann, in der er die Ab-

1 So hat z.B. Großbritannien vor dem Hintergrund der Google- und Amazon-Diskussion eine „Diverted Profits Tax“ eingeführt, die Gewinnabsaugung und die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten sanktioniert (Nolte, DStZ 2015, 364, 365). Australien versucht, unerwünschte Steuergestaltungen mit einem „Multinational Anti-Avoidance Law (MAAL)“ zu unterbinden, und Indien erhebt eine „Equalisation Levy“ auf bestimmte Internetgeschäfte. Zur Anwendbarkeit von DBA auf diese neuen Steuern s. Ismer/Jescheck, IStR 2017, 501. 2 Art. 12 Rz. 14 u. 17 OECD-MK.

354 | Pinkernell

C. Outboundgeschäft | Rz. 3.84 Kap. 3

kommensvergünstigung aktiv geltend machen muss.1 Besonders ungünstig ist die Rechtslage bei Direktgeschäften, wenn kein DBA mit dem Quellenstaat besteht (z.B. Brasilien) oder wenn nachgeordnete Gebietskörperschaften des anderen Vertragsstaats eigene Ertragsteuern erheben, die nicht in den Anwendungsbereich des DBA fallen („abkommensloser Zustand“).2 Hier ergibt sich in der Praxis regelmäßig das Problem, dass die ausländische (Quellen-)Steuer nicht gem. §§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG, 26 Abs. 1 Satz 1 KStG anrechenbar ist, weil der inländische Anbieter keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG erzielt. Denn der Direktvertrieb der Waren erfolgt ohne Einsatz einer ausländischen Betriebsstätte bzw. Zwischenschaltung eines im Ausland tätigen ständigen Vertreters (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG), und § 34d Nr. 4 Buchst. a EStG erfasst nur die Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Ausland belegen sind. Ganz ähnlich ist die Rechtslage bei den über das Internet erbrachten gewerblichen Dienstleistungen wie z.B. Cloud-Leistungen, weshalb nur der Abzug der ausländischen Steuern von der Bemessungsgrundlage zulässig ist (§ 34c Abs. 3 EStG). Dagegen könnte die zeitlich befristete Nutzungsüberlassung urheberrechtlich geschützter Inhalte (Software, Multimediadateien) als „Vermietung von Rechten“ i.S.d. § 34d Nr. 7 EStG einzuordnen sein, was zu ausländischen Einkünften führen würde.3

III. Ausländische Betriebsstätteneinkünfte Die Errichtung einer Betriebsstätte, die über Sachmittel und eigenes Personal verfügt, weist grundsätzlich keine Besonderheiten auf. Handelt es sich um eine DBA-Betriebsstätte, hat der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht gem. Art. 7 Abs. 1, 5 OECD-MA, und Deutschland beseitigt die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung des Betriebsstättengewinns (Freistellungsbetriebsstätte) oder Anrechnung der ausländischen Steuer auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Im Bereich des E-Commerce, insbesondere beim Versandhandel, kann es aber vorkommen, dass der Quellenstaat Hilfsfunktionen wie die Unterhaltung eines eigenen Warenlagers entgegen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA 2014 als Betriebsstätte einordnet, wenn sie für das E-Commerce-Geschäftsmodell von wesentlicher Bedeutung sind (z.B. Möglichkeit der schnellen Auslieferung).4 Die im Rahmen des BEPS-Projekts beschlossene Einschränkung der Ausnahmen für Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten wird das Problem dieser „Mini-Betriebsstätten“ leider verschärfen.5 Hier sollte der Steuerpflichtige vorab überlegen, ob und wie er eine etwaige Doppelbesteuerung vermeiden kann.

3.83

Verwendet der Steuerpflichtige lediglich vollautomatische IT-Infrastruktur, wie z.B. einen im Ausland belegenen Internetserver, ergeben sich ganz ähnliche Qualifikationsfragen wie im Inboundfall: Eine Betriebsstätte entsteht nur, wenn die Voraussetzungen des § 12 AO bzw. des Art. 5 des jeweiligen DBA erfüllt sind. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob der Steuerpflichtige dauerhaft Verfügungsmacht über den Server hat und ob er damit eine Unternehmenstätigkeit ausübt, die über eine bloße Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA hinausgeht, wobei der Einsatz eigenen Personals kein Definitionsmerkmal der Betriebsstätte ist (s. dazu Rz. 3.12 und 3.31). In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Nutzung von Cloud-Leistungen eines ausländischen Anbieters bzw. die „Anmietung“ von Webspace im Ausland grundsätzlich keine Betriebsstätte des inländischen Kunden begründen kann, sofern es sich nicht ausnahms-

3.84

1 Dies gilt z.B. für Großbritannien. Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht ist die Annahme des Vertragsangebots durch einen im Inland ansässigen Kunden („place-of-contract rule“, INTM263060). 2 Z.B. Körperschaftsteuern der US-Bundesstaaten, die sog. Amazon Laws verabschiedet haben und als Anknüpfungspunkt die Weiterleitung durch einen inländischen Websitebetreiber ausreichen lassen („click-through nexus“) oder sogar auf die im Bundesstaat getätigten Umsätze abstellen („in-state sales“). 3 Siehe dazu Malinski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1411, 1419. 4 Dem Verf. ist ein entsprechender Fall aus Japan bekannt. 5 Siehe dazu Rz. 3.95 f.

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Kap. 3 Rz. 3.85 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce weise um einen dauerhaft angemieteten, individuell zugeordneten physischen („dedizierten“) Server handelt.1 Allerdings weichen einige Staaten vom OECD-MK ab und haben sich vorbehalten, eine im Inland gehostete Website als Betriebsstätte zu behandeln.2 Erfüllt der Server demgegenüber die Voraussetzungen einer DBA-Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, weil durch ihn die eigentliche Unternehmenstätigkeit oder wenigstens „Kernfunktionen“ ausgeübt werden,3 darf der andere Vertragsstaat den Gewinn besteuern, der dem Server zuzurechnen ist. Auf der Grundlage des AOA kann dem Server aber mangels wesentlicher Personalfunktionen kein oder allenfalls ein geringer Gewinn zugeordnet werden (Rz. 3.40 f.). Daher ist die Errichtung einer Serverbetriebsstätte auch dann nicht zur Outbound-Steuergestaltung geeignet, wenn das Steuerniveau des Quellenstaats niedriger ist und das anwendbare DBA die Freistellung von Betriebsstättengewinnen vorsieht.

3.85 Erfüllt der ausländische Server nur die Voraussetzungen des § 12 AO, aber nicht den engeren Tat-

bestand des Art. 5 OECD-MA (Ausübung bloßer Hilfsfunktion, z.B. ausländischer Mirrorserver), hat der Quellenstaat gem. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA kein Besteuerungsrecht. Gewerbesteuerlich liegt bei einer solchen „Hilfsbetriebsstätte“ dennoch eine Auslandsbetriebsstätte vor, weshalb der Gewerbeertrag grundsätzlich um den zuzuordnenden Gewinn bzw. die Kosten dieser Betriebsstätte zu kürzen ist (§ 9 Nr. 3 GewStG),4 sofern es sich nicht um eine passive Auslandsbetriebsstätte handelt (§ 7 Satz 8 GewStG).

IV. Ausländische Vermittler und Vertreter (insbesondere Plattformvertrieb) 3.86 Da viele Plattformbetreiber im Ausland niedergelassen sind (z.B. Luxemburg), weisen die E-Com-

merce-Geschäftsvorfälle selbst dann einen Auslandsbezug auf, wenn Inhaltsanbieter und Käufer im Inland ansässig sind. Die ertragsteuerlichen Rechtsfolgen richten sich grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse, weshalb man die AGB des AppStores bzw. der Plattform sorgfältig auswerten muss. Dabei sind insbesondere folgende Fallgestaltungen zu unterscheiden: 1. Vermittlung und offene Stellvertretung

3.87 Im Fall der bloßen Vermittlung einer Warenlieferung oder Dienstleistung erbringt der Plattform-

betreiber eine Dienstleistung an den Inhaltsanbieter („service provider model“),5 der selbst im eigenen Namen einen Kauf- oder Dienstleistungsvertrag mit dem Kunden abschließt. Auf der Grundlage des OECD-MA haben weder der Ansässigkeitsstaat des Plattformbetreibers noch der Ansässigkeitsstaat des Kunden ein Besteuerungsrecht für den Unternehmensgewinn des Plattformnutzers. Der Server des Plattformbetreibers begründet mangels Verfügungsmacht keine Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte des Inhaltsanbieters (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA). Eine Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 liegt ebenfalls nicht vor, weil der Plattformbetreiber keine Vertretungsmacht besitzt und zudem keine abhängige Person ist. Auch der Ansässigkeitsstaat des Kunden hat kein DBA-Besteuerungsrecht, weil es sich bei den E-Commerce-Einkünften i.d.R. um Unternehmensgewinne handelt, die aufgrund des Betriebsstättenprinzips nur in Deutschland besteuert werden dürfen (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Dies gilt sowohl für Direktgeschäfte im Versandhandel mit Waren6 als auch für die Erbringung „digitaler“ Leistungen wie z.B. Download 1 2 3 4 5

Sinewe/Frase, BB 2011, 2198 (2201). Z.B. Portugal. Art. 5 Rz. 130 OECD-MK. BFH v. 20.7.2016 I R 50/15, BStBl. II 2017, 230 = ISR 2016, 424 mit Anm. Kahlenberg. Siehe dazu Ditz in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 6.630 ff. 6 Die Unterhaltung eines eigenen Warenlagers oder Warenbestands im Quellenstaat gilt gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und b OECD-MA nicht als Betriebsstätte.

356 | Pinkernell

C. Outboundgeschäft | Rz. 3.89 Kap. 3

von Standardsoftware, Multimediadateien, und E-Books, die gem. Art. 12 Rz. 14 und 17.3 OECDMK nicht unter den Lizenzartikel fallen. Selbst bei Einordnung der Vergütung als Lizenzgebühr steht das Besteuerungsrecht gem. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat zu. Hat der Ansässigkeitsstaat des Kunden gleichwohl eine Quellensteuer auf den Download erhoben, darf der Inhaltsanbieter eine abkommenswidrig erhobene Steuer nicht im Inland zur Anrechnung bringen.1 Er muss vielmehr im Quellenstaat einen Erstattungsantrag stellen. In der Praxis wird das Quellensteuerproblem oft dadurch entschärft, dass die Plattform den Download erst freigibt, wenn der Kunde den geschuldeten Betrag ohne Abzug gezahlt hat (ähnlich einer Nettovereinbarung). Die vorstehenden Grundsätze kommen auch zur Anwendung, wenn der Plattformbetreiber in offener Stellvertretung für den Inhaltsanbieter handelt. Zwar besitzt er Vertretungsmacht i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Es liegt jedoch keine Vertreterbetriebsstätte vor, weil der Plattformbetreiber unabhängig ist und im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit als Handelsvertreter agiert (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA). Der Umstand, dass der Plattformbetreiber bei nachhaltigem Tätigwerden als ständiger Vertreter gem. § 13 Satz 2 Nr. 1 AO einzuordnen ist, reicht für die Anwendung der gewerbesteuerlichen Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG nicht aus. Aus diesem Grund ist die Plattformgebühr auch bei der Gewerbesteuer abziehbar, wobei die Finanzverwaltung ohnehin eine separate Verbuchung der Plattformgebühr verlangt.2

3.88

2. Kommissionsgeschäfte Beim Kommissionsgeschäft vertreibt die ausländische Plattform Waren im eigenen Namen, aber für Rechnung des Inhaltsanbieters. Die Einschaltung eines unabhängigen Kommissionärs begründet keine DBA-Vertreterbetriebsstätte des inländischen Inhaltsanbieters (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA); Gewinne aus dem Direktgeschäft mit Waren dürfen auch im Ansässigkeitsstaat des Kunden nicht besteuert werden (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Zwar ist der Plattformbetreiber ein ausländischer ständiger Vertreter i.S.d. § 13 Satz 2 Nr. 2 AO, was sich aber im DBA-Fall nicht auf die Besteuerung des Inhaltsanbieters auswirkt, weil keine ausländischen Steuern anfallen, die angerechnet werden müssten, und die gewerbesteuerliche Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG nur für Auslandsbetriebsstätten gilt. Besonderheiten bestehen bei der Dienstleistungskommission für den Vertrieb digitaler Produkte und die Erbringung automatisierter IT-Leistungen über das Internet. Umsatzsteuerlich greift innerhalb der EU die sog. Portalregelung bzw. „neue Branchenlösung“ gem. Art. 9a MwStVO, § 3 Abs. 11a UStG. Danach erbringt der Plattformbetreiber eine eeD an den Kunden, der eine fiktive eeD des Inhaltsanbieters an den Plattformbetreiber vorangeht (§ 3 Abs. 11 UStG). Umsatzsteuerlich liegt also eine Leistungskette vor, während der Plattformbetreiber zivilrechtlich in umgekehrter Richtung eine Dienstleistung (Kommissionsleistung) an den Inhaltsanbieter erbringt. Die Einschaltung des Plattformbetreibers begründet keine Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA). Die handelsbilanzielle und ertragsteuerliche Zurechnung der Verträge mit den Kunden muss nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht geklärt werden (Quellenstaat, Ansässigkeitsstaat der Plattform, Inland). Die Dienstleistungskommission hat für den inländischen Inhaltsanbieter den Vorteil einer rechtlichen oder zumindest faktischen Abschirmwirkung gegenüber einer etwaigen Quellensteuerbelastung im Ansässigkeitsstaat des Kunden. Allerdings haben die Plattformbetreiber ihrerseits hohe Aufwendungen im Zusammenhang mit der steuerlichen Pflichtenerfüllung in den Ansässigkeitsstaaten der Kunden, die sie zu Recht im Rahmen der Plattformgebühr auf die Inhaltsanbieter überwälzen.

1 H 34c Abs. 5 EStH 2016. 2 Der Steuerpflichtige muss zunächst den Ausgangsumsatz erfassen und dann die Plattformgebühr als Aufwand buchen (OFD Karlsruhe, Vfg. v. 19.2.2015 – S 7200 Karte 18, DStR 2015, 2241).

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3.89

Kap. 3 Rz. 3.90 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce 3. Eigenhändler und Reseller

3.90 Handelt der Plattformbetreiber im eigenen Namen und für eigene Rechnung („distributor mo-

del“),1 liegt beim Verkauf von Waren im Verhältnis zwischen Inhaltsanbieter und Eigenhändler ein normales grenzüberschreitendes B2B-Direktgeschäft vor. Schwieriger zu beurteilen ist dagegen das grenzüberschreitende „Durchhandeln“ von IT-Dienstleistungen bzw. digitalen Produkten. Wird ein Weiterverkäufer bzw. „Reseller“ in den Vertrieb eingeschaltet, ist in einem ersten Schritt anhand der Plattform-AGB zu klären, ob der Reseller nicht doch nur eine Vermittlungs- bzw. Plattformleistung erbringt, was insbesondere naheliegt, wenn er lediglich den Vertragsabschluss und die Zahlung abwickelt, während der Inhaltsanbieter die eigentliche (Dauer-)Leistung erbringt und dafür gegenüber dem Kunden auch eigene AGB verwendet. Die ertragsteuerlichen Folgen dürften dann denen der Vermittlung bzw. offenen Stellvertretung gleichen. Erwirbt der Plattformbetreiber dagegen das Recht, urheberrechtlich geschützte Inhalte („content“), im eigenen Namen und für eigene Rechnung zu vervielfältigen und zu vertreiben, sei es als „white label product“ ohne Kennzeichnung des Urhebers oder als digitales Fremdprodukt unter der Marke des Inhaltsanbieters, dürfte es sich um die kommerzielle Verwertung eines Urheberrechts handeln. Die an den Inhaltsanbieter gezahlte Vergütung ist dann abkommensrechtlich als „Lizenzgebühr“ i.S.d. Art. 12 Abs. 2 OECD zu qualifizieren.2 Daraus kann sich ein DBA-Quellenbesteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Plattformbetreibers ergeben, wenn das DBA abweichend von Art. 12 Abs. 1 OECDMA ein Quellenbesteuerungsrecht vorsieht. In diesem Fall darf der Inhaltsanbieter die in Übereinstimmung mit dem DBA erhobene Quellensteuer in Deutschland zur Anrechnung bringen (§ 34c Abs. 6 EStG).3

V. Hinzurechnungsbesteuerung 3.91 Der Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG stammt im Kern aus dem Jahr 1972 und ist im Hinblick auf die vielschichtigen Tätigkeiten des modernen Wirtschaftslebens überholt.4 Einigermaßen rechtssicher lässt sich noch der Online-Versandhandel mit physischen Waren einordnen, der grundsätzlich unter § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG fällt („Handel mit Waren oder Gütern“) und bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen „aktive“ Einkünfte generiert.

3.92 Jedoch könnte fraglich ein, ob auch der Handel mit Standardsoftware auf Datenträgern erfasst ist.

Dafür spricht, dass der BFH diese Produkte in einer älteren Entscheidung als Waren i.S.d. § 2a Abs. 2 EStG a.F. eingeordnet hat.5 Auch die Vereinfachungsregelung in R 5.5 Abs. 1 EStR 2012, wonach geringwertige Standardsoftware als bewegliches materielles Wirtschaftsgut anzusehen ist, geht in diese Richtung. Auf der anderen Seite hat der BFH mehrfach betont, dass sich Software durch ihren immateriellen Gehalt auszeichnet, weshalb es für die ertragsteuerliche Einordnung gerade nicht auf die Verkörperung in Form eines Datenträgers ankommen könne.6 Nach Ansicht von Lehfeldt ist bei Standardsoftware daher wie folgt abzugrenzen:7 Stellt die ausländische Gesellschaft als Rechtsinhaber selbst die Datenträger her, handelt es sich um die aktive Herstellung von Wirtschaftsgütern gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG, wobei dem anschließenden Vertrieb keine eigenständige Bedeutung zukommt. Dagegen fallen Erwerb und Weiterverkauf von Standardsoftware

1 Siehe dazu Ditz in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 6.620 ff. 2 Art. 12 Rz. 13.1 OECD-MK. Zur Ausnahme für „distribution intermediaries“ s. aber Art. 12 Rz. 14.4 OECD-MK. 3 Zur Steueranrechnung beim internationalen Softwarevertrieb s. Malinski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1411, 1421. 4 Eilers/Hennig, ISR 2015, 422 (429). 5 BFH v. 28.10.2008 – IX R 22/08, BStBl. II 2009, 527. Zweifelnd noch Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. C 11 (Stand: März 2000). 6 BFH v. 18.5.2011 – X R 26/09, BStBl. II 2011, 865. 7 Lehfeldt in S/S/K, § 8 AStG Rz. 76 (Stand: September 2016).

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D. Auswirkungen des BEPS-Projekts | Rz. 3.94 Kap. 3

durch einen Zwischenhändler unter § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG, sind also eine aktive Handelstätigkeit.1 Hat der Rechtsinhaber der ausländischen Gesellschaft ein urheberrechtliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung der Software eingeräumt, so dass sie die Datenträger selbst herstellen und anschließend verkaufen kann, soll § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG aufgrund der funktionalen Gleichwertigkeit mit einer Handelstätigkeit ebenfalls zur Anwendung kommen. Der Umstand, dass Software als immaterielles Wirtschaftsgut eingeordnet werden könne, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, denn es handele sich jedenfalls um „Güter“, die nach dem BFH-Urteil vom 29.11. 20002 ebenfalls Gegenstand einer Handelstätigkeit sein könnten.3 Überträgt man diese Argumentation auf den Online-Softwarevertrieb, wäre z.B. auch der Verkauf von Apps über den AppStore der ausländischen Gesellschaft als aktive Handelstätigkeit einzuordnen. Dieses Ergebnis entspricht der eigenständigen Verkehrsfähigkeit von heruntergeladenen Programmkopien, die – bei rechtmäßigem Erwerb im Rahmen eines Kaufvertrags – auch ohne Zustimmung des Inhabers des Softwareurheberrechts als „gebrauchte“ Software weiterverkauft werden dürfen.4 Aus diesem Grund fällt der Online-Vertrieb von Standardsoftware nicht unter den Tatbestand der Nutzungsüberlassung von Rechten gem. § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG. Es handelt sich vielmehr um die endgültige Übertragung einer Programmkopie, auch wenn der Vertrag mit dem Käufer als „perpetual license“ ausgestaltet ist (s. dazu bereits Rz. 3.59). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung zwischen dem „Handel mit digitalen Gütern“ und der „Vermietung von Rechten“ weder durch Verwaltungsanweisungen noch durch Rechtsprechung geklärt ist. Ebenfalls „Neuland“ ist die Einkünftequalifikation bei automatisch erbrachten IT-Leistungen, wozu insbesondere das Cloud Computing gehört. Ungeachtet der zivilrechtlichen Einordnung von SaaS als „besitzlose Sachmiete“ ist ertragsteuerlich der wirtschaftliche Gehalt als gewerbliche Werk- oder Dienstleistung maßgebend (Rz. 3.59). Dies rechtfertigt es, Cloud-Leistungen der ausländischen Gesellschaft als grundsätzlich aktive Dienstleistungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG zu qualifizieren, die, wenn sie an Dritte erbracht werden, nur im Fall der schädlichen Mitwirkung des Gesellschafters oder einer nahestehenden Person zu passiven Einkünften führen.

3.93

D. Auswirkungen des BEPS-Projekts I. Steuerliche Herausforderungen der Digital Economy Die OECD hat sich im Auftrag der G20-Mitgliedstaaten intensiv mit der internationalen Steuervermeidung in der Digital Economy befasst.5 Federführend war die Task Force on the Digital Economy (TFDE), eine OECD-Arbeitsgruppe, die ihren vorläufigen Abschlussbericht am 5.10.2015 vorgelegt hat.6 Die Arbeit der TFDE ist ein zentraler Baustein des BEPS-Projekts7 und dient dem übergeordneten Ziel, Steuervermeidung und Gewinnverlagerungen in der Digital Economy zu bekämpfen, damit die Besteuerung (wieder) am Ort der wirtschaftlichen Aktivität und der Wertschöpfung erfolgen kann.8 Im Bereich der Ertragsteuern hat die TFDE mehrere Eigenschaften der Digital Economy identifiziert, die der Gewinnverlagerung und Gewinnkürzung in besonderer Weise Vorschub leisten. Dabei handelt es sich u.a. um die herausragende Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter, die „mobile“ Einkünfte generieren und bislang relativ leicht im Konzern verlagert werden konnten. Da auch die Vertriebsfunktion nicht an einen bestimmten Standort gebunden ist, weil sich die KunMalinski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1411, 1422. BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, juris = DStRE 2001, 600. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 76 (Stand: September 2016). BGH v. 11.12.2014 – I ZR 8/13, juris (Used Soft III). Dazu ausf. Fehling, IStR 2015, 797; Pinkernell, DK 2015, 57; Rogge, BB 2015, 2966. OECD, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report, 2015, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, Paris (TFDE-Abschlussbericht). 7 Überblick zum BEPS-Projekt bei Oppel, SteuK 2016, 53. 8 TFDE-Abschlussbericht, 3 und 86 f.

1 2 3 4 5 6

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3.94

Kap. 3 Rz. 3.95 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce den von jedem Land aus über das weltumspannende Internet erreichen lassen, kann ein IT-Unternehmen wesentliche Teile der Wertschöpfungskette in Niedrigsteuerländern ansiedeln.1 Weitere Besonderheiten sind die Wertschöpfung mit Daten, die zu einer Art Rohstoff des Internets geworden sind, sowie Netzwerkeffekte und die Verwertung von Nutzerbeiträgen.2 So genügt es im Bereich Social Media bereits, eine Online-Community zu organisieren, die aus den (kostenlosen) Beiträgen ihrer Nutzer besteht und sich durch Schaltung von Werbung „monetarisieren“ lässt. Der Abschlussbericht der TFDE ist in erster Linie eine Bestandsaufnahme, enthält aber auch konkrete Ergebnisse und legt den Rahmen für weitere Untersuchungen fest. Zentraler Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass sich die Digital Economy nicht sinnvoll von anderen unternehmerischen Tätigkeiten abgrenzen lässt, weil mittlerweile alle Branchen digitale Geschäftsprozesse verwenden. Daher hat die TFDE nicht einmal den Versuch unternommen, ein besonderes Besteuerungssystem für die mobilen Einkünfte der Digitalunternehmen zu entwickeln.3 Stattdessen soll die internationale Minderbesteuerung kurzfristig im Rahmen der übrigen Maßnahmen des BEPS-Projekts bekämpft werden (Rz. 3.95 ff.). Die TFDE hat jedoch auch steuerpolitischen Handlungsbedarf identifiziert, der aus dem offenen zwischenstaatlichen Verteilungskonflikt zwischen „Digitalexporteuren“ und „Digitalimporteuren“ resultiert und mittelfristig untersucht werden soll (Rz. 3.97 f.).

II. Konkrete Maßnahmen im Rahmen des BEPS-Projekts 3.95 Die TFDE erwartet, dass das BEPS-Projekt das Steueraufkommen sowohl des „Marktstaats“ als

auch des Ansässigkeitsstaats der Muttergesellschaft erhöhen wird. Das Besteuerungsrecht des Marktstaats wird insbesondere durch Maßnahme 7 gestärkt (künstliche Vermeidung einer Betriebsstätte). Hierbei geht es um eine gezielte Absenkung der Betriebsstättenschwelle des Art. 5 OECD-MA, die sich auf den Internet-Versandhandel und andere E-Commerce-Geschäftsmodelle auswirken wird, soweit sie in die deutschen DBA übernommen wird.4 Die erste Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs betrifft die Ausnahmen für Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA.5 Deutschland befürwortet den neuen Ansatz des OECD-MA und wird ihn im Rahmen des Multilateralen Instruments in 15 DBA übernehmen.6 An die Stelle einer Gesamtbetrachtung tritt nunmehr eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Aktivität, wobei es auf die konkrete Bedeutung der Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeit für das betroffene Unternehmen ankommt.7 Dies eröffnet die Möglichkeit, das Warenlager eines Online-Versandhändlers als DBABetriebsstätte zu qualifizieren, wenn es für dessen Geschäftsmodell ein besonderes Gewicht hat (z.B. schnelle Auslieferung, besonders fortschrittliches Logistikkonzept), während Warenlager der Unternehmen anderer Branchen weiterhin nur eine Hilfsfunktion hätten.8 Die konkrete Betrachtung von Logistikbetriebsstätten lässt sich steuerpolitisch damit rechtfertigen, dass Lagerhaltung und Auslieferung im Rahmen der Digitalisierung der Handelstätigkeit einen eigenen Beitrag zur Wertschöpfung leisten.9 Die OECD befürwortet auch eine neue Gesamtbetrachtung bei „fragmentierten“ bzw. zersplitterten Aktivitäten von eng verbundenen Unternehmen, die Deutschland aber 1 Der TFDE-Abschlussbericht enthält dazu ab S. 167 einige anschauliche Beispiele (Online Retailer, Internet Advertising, Cloud Computing, Internet AppStore). Weitere Gestaltungsstrukturen erläutern Pinkernell, StuW 2012, 369 (Google/Suchmaschinenwerbung) und Pinkernell, DK 2015, 57 (Internet-Versandhändler) sowie Richter/Hontheim, DB 2013, 1260 (Google, Apple). 2 Zur Quantifizierung von Wertschöpfungsbeiträgen in digitalen Netzwerken s. Schwarz/Stein, DB 2107, 1525 (1528 f.). 3 TFDE-Abschlussbericht, 143. 4 Zum aktuellen Stand der DBA-Änderung im Rahmen des Multilateralen Instruments s. Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1. 5 TFDE-Abschlussbericht, 145. 6 Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (8). 7 Schmidt-Heß, IStR 2016, 165 (166). 8 Schoppe/Popat, BB 2016, 1113 (1115 f.). 9 Rehfeld, IWB 2017, 209, 215.

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D. Auswirkungen des BEPS-Projekts | Rz. 3.97 Kap. 3

grundsätzlich ablehnt1 und nur in ein DBA aufnimmt, wenn der andere Vertragsstaat die AntiFragmentierungsregel in bilateralen Verhandlungen durchsetzen kann.2 Nach Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA 2017 fallen Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten nicht unter die Ausnahme gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017, wenn sie von verbundenen Unternehmen ausgeübt werden und einander ergänzende Funktionen im Rahmen einer zusammenhängenden Geschäftstätigkeit darstellen. Diese Anti-Fragmentierungsregel richtet sich insbesondere gegen die Errichtung von selbständigen Tochtergesellschaften, die im Quellenstaat Routinetätigkeiten wie Online-Marketing, Webhosting, Kunden-Support und Versandlogistik ausüben, die in der Summe praktisch einen vollständigen Geschäftsbetrieb ergeben.3 Maßnahme 7 des BEPS-Aktionsplans erweitert zudem die Definition der Vertreterbetriebsstätte.4 Nach Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2017 sind nunmehr auch die im eigenen Namen handelnden Kommissionäre und solche Vermittler erfasst, die, ohne Vertreter zu sein, Verträge unterschriftsreif vorbereiten. Zudem soll der „Ein-Firmen-Vertreter“, der nur für eng verbundene Unternehmen tätig wird, schon im Ansatz nicht mehr als unabhängiger Vertreter eingeordnet werden. Die Ausnahme für unabhängige Vermittler und Vertreter bleibt aber im Übrigen bestehen, weshalb der unabhängige Betreiber einer Internetplattform weiterhin keine Vertreterbetriebsstätte seines Geschäftsherrn bzw. Auftraggebers begründet. Deutschland wird die Neufassung von Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2017 nicht im Rahmen des Multilateralen Instruments in seine DBA übernehmen.5 Die Aufwertung von Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten zu Betriebsstätten sowie die Erweiterung der Vertreterbetriebsstätte sind aus fiskalischer Sicht jedoch nur sinnvoll, wenn dem höheren Verwaltungsaufwand ein nennenswertes Steueraufkommen gegenübersteht. Da auf der Grundlage des AOA teilweise zweifelhaft ist, ob die neuen Bagatell-Betriebsstätten überhaupt eine nennenswerte Gewinnzuordnung erlauben,6 soll die OECD auch noch ergänzende Regeln zur Gewinnaufteilung vorlegen. Das könnte insbesondere das Ende der „Nullsummentheorie“ für Vertreterbetriebsstätten bedeuten.7 Nach Auffassung der TFDE dürfte der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft vor allem von BEPS-Maßnahme Nr. 3 profitieren.8 Da die OECD aber für die Hinzurechnungsbesteuerung nur unverbindliche Designempfehlungen abgegeben hat,9 wird sich in der Praxis vorerst wenig ändern. Zwar liegen nunmehr auf EU-Ebene in Gestalt der ATAD I vom 12.7.2016 (Richtlinie (EU) 2016/1164) Mindestbestimmungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung vor, jedoch können Drittstaaten wie z.B. die USA den Steuerwettbewerb ungehindert fortsetzen.

3.96

III. Neuverteilung der Besteuerungsrechte? Die Diskussion um die mögliche Neuverteilung von internationalen Besteuerungsrechten für den ECommerce schwelt bereits seit Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts.10 Zunächst hatten sich die OECD-Mitgliedstaaten im Rahmen des Ottawa-Kompromisses von 1998 darauf verständigt, den E-Commerce nicht durch neue ertragsteuerliche Regelungen zu belasten. Zwar begünstigt der grenzüberschreitende E-Commerce, der weder Betriebsstätten noch Vertriebstochtergesellschaften im Quellenstaat benötigt, tendenziell den Ansässigkeitsstaat der leistenden Gesellschaft. Die Quellenstaaten erhielten dafür freie Hand, den Verbrauch von Internetleistungen der Umsatzsteuer zu un1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (8). Wie z.B. im DBA-Australien 2015. Schmidt-Heß, IStR 2016, 165 (169). TFDE-Abschlussbericht, 145. Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (8). Eine Ausnahme bildet das bilateral verhandelte DBA-Australien 2015, das in Art. 5 Abs. 8 und 9 den erweiterten Vertreterbegriff verwendet. Zur Wertschöpfung bei Logistikbetriebsstätten s. Rehfeld, IWB 2017, 209, 216. Schmidt-Heß, IStR 2016, 165 (170). TFDE-Abschlussbericht, 146. Radmanesh, IStR 2015, 895 (896). Siehe dazu Portner, Ertragsteuerliche Aspekte des E-Commerce, ifst-Schrift 390, 2001, 18 ff.; Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifst-Schrift 494, 2014, 18 ff.

Pinkernell | 361

3.97

Kap. 3 Rz. 3.98 | Grenzüberschreitender Electronic Commerce terwerfen, wovon mittlerweile u.a. die EU und Japan Gebrauch gemacht haben. Zudem bestand die Hoffnung, dass sich der Vorsprung der US-Internetwirtschaft zumindest im Verhältnis zu anderen Industriestaaten verringern würde. Zwanzig Jahre später steht einem eher kleinen Lager von Digitalexporteuren, zu denen u.a. die USA, Japan, Großbritannien, China und Deutschland gehören,1 eine große Gruppe von Digitalimporteuren gegenüber, die eine Erweiterung der Quellenbesteuerung einfordern. Daher erörtert der Abschlussbericht drei unilaterale Maßnahmen, welche die G20-Mitgliedstaaten bereits jetzt schon umsetzen dürfen, sofern sie dadurch nicht gegen ihre DBA-Verpflichtungen verstoßen. Dabei handelt sich um eine Nettobesteuerung von Einkünften im Zusammenhang mit einer wesentlichen wirtschaftlichen Präsenz im Quellenstaat („significant economic presence“),2 die im Rahmen einer zweiten Maßnahme durch eine Quellensteuer auf digitale Geschäftsvorfälle flankiert werden kann.3 Alternativ darf der Quellenstaat aber auch eine nicht steuerliche Ausgleichsabgabe („equalisation levy“) auf bestimmte Inboundgeschäfte erheben, die den Wettbewerbsvorteil von niedrig besteuerten ausländischen Anbietern verringern soll.4 Indien hat diese Ermächtigung bereits aufgegriffen und eine quellensteuerähnliche Ausgleichsabgabe auf Internetwerbeleistungen eingeführt.5 Nach Ansicht von Kofler/Mayr/Schlager ist das Konzept der „digitalen Präsenz“ in Gestalt einer „virtuellen Betriebsstätte“ am ehesten geeignet, das Besteuerungsrecht des Quellenstaats zu stärken, wobei man z.B. durch eine Umsatzgrenze Bagatellfälle ausschließen könnte.6

3.98 Die OECD hat bislang keine Empfehlung für eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte aus-

gesprochen, weil dies auch den Handlungsrahmen des BEPS-Projekts sprengen würde. Die steuerlichen Herausforderungen der Digital Economy sollen aber weiterhin beobachtet und untersucht werden. Für das Jahr 2018 ist weiterer Bericht geplant, der auch die aktuellen Entwicklungen bei neuen Technologien wie Robotik und 3D-Druck aufgreifen wird.7 Dabei werden sich die Streitfragen eher verschärfen. Denn der auf Personalfunktionen abstellende AOA kann in Anbetracht vollautomatischer Fabriken steuerpolitisch keine Zukunft haben. Und weiterhin unklar bleibt das Postulat der Besteuerung der Gewinne am Ort der Wertschöpfung bzw. der wirtschaftlichen Aktivität. Dieser politische Formelkompromiss, der dem BEPS-Projekt entsprungen ist, führt nur zur Eliminierung offensichtlich funktionsarmer Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerländern. Den eigentlichen Verteilungskonflikt zwischen dem Staat, in dem die Internetleistung erzeugt wird, und dem Staat der Vermarktung vermag er nicht zu lösen, zumal namhafte Stimmen die eindeutige geografische Zuordnung einer Einkunftsquelle ohnehin für unmöglich halten.8 Erweitern nun viele Staaten ihre Quellenbesteuerung, um die vermeintliche Wertschöpfung in Form von Marktzugang und Verbrauchernachfrage zu erfassen, entsteht eine globale Doppelbesteuerung, die vielen Internetgeschäften die wirtschaftliche Grundlage entzieht.

IV. Ausblick 3.99 Das BEPS-Projekt hat den Fremdvergleichsgrundsatz und damit die mittelbare Aufteilung des Steuersubstrats nach Personalfunktionen bestätigt.9 Jedoch lässt die zunehmende Wertschöpfung

1 Gajo, GmbHReport 3/2015, R43. 2 TFDE-Abschlussbericht, 107 ff. Dieser Vorschlag widerspricht aus deutscher Sicht aber dem Äquivalenzprinzip, das die Nutzung von Ressourcen im Rahmen einer physischen Präsenz erfordert; s. dazu Leisner-Egensperger, StuW 2014, 298 (303); krit. zum Bestimmungslandprinzip auch Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, 2014, 614 f. 3 TFDE-Abschlussbericht, 113 ff. 4 TFDE-Abschlussbericht, 115 ff. 5 Johnston, TNI 2016 (Vol. 81), 1090. 6 BB 2017, 1815 (1819). Die Autoren erwarten, dass Österreich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft 2018 einen entsprechenden Vorstoß unternehmen wird. 7 Fehling, IStR 2017, 339, 34. Zur möglichen Funktionsverlagerung bei Umstellung der Produktion auf 3D-Druck s. Wolff-Seeger/Saliger, ISR 2017, 235. 8 Schön, StuW 2012, 213 (216); Ault, TNI 2013 (Vol. 70), 1195 (1200). 9 Groß, IStR 2016, 233 (234).

362 | Pinkernell

D. Auswirkungen des BEPS-Projekts | Rz. 3.99 Kap. 3

mit intelligenten Maschinen den relativen Anteil menschlicher Arbeits- und Schöpfungskraft sinken. Die Fabriken der Zukunft könnten sogar eine weitgehend autonome Wertschöpfung ermöglichen, wie man sie heute schon bei den Offshore-Windkraftanlagen antrifft. Sind im globalen Konzern am Ende nur noch wenige Menschen beschäftigt, führen die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zur Konzentration des Steuersubstrats am Belegenheitsort der übriggebliebenen Personalfunktionen. Die vergleichbare Entwicklung bei der Gewerbesteuerzerlegung zeigt aber, dass die Steuergläubiger diese Verschiebung nicht hinnehmen werden, sondern mit alternativen Verteilungsregeln reagieren (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG: Anlagevermögen statt Lohnsumme). Daher kann der Fremdvergleichsgrundsatz in der Digital Economy keine Zukunft haben und sollte mittelfristig durch eine formelhafte Aufteilung der Konzerngewinne ersetzt werden, die neben der Lohnsumme bzw. Beschäftigtenanzahl zusätzliche Aufteilungsfaktoren, wie z.B. Sachanlagevermögen und Umsätze, verwendet. Damit würde sich zugleich das leidige Problem der automatischen „Serverbetriebsstätte“ erledigen, das durch den Widerspruch zwischen Art. 5 Abs. 1 OECD-MA („Kernfunktionen“ ohne Personal) und Art. 7 Abs. 2 OECD-MA (keine Gewinnzuordnung mangels Personalfunktionen) verursacht wird. Die Digitalisierung der Unternehmensprozesse eliminiert möglicherweise auch die Arbeitslöhne und damit das Lohnsteueraufkommen. Im Hinblick darauf hat der Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen IT-Unternehmens sogar die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens angeregt, das mit einer Steuer auf die Gewinne der multinationalen IT-Konzerne finanziert werden soll.1

1 Interview mit T. Höttges (Deutsche Telekom AG) in „Die Zeit“, Ausgabe 1/2016 v. 30.12.2015.

Pinkernell | 363

2. Teil Internationale Verrechnungspreise Kapitel 4 Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen A. Grundlegung I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff, Funktion und Bedeutung internationaler Verrechnungspreise III. Internationale Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen internationalen Gewinnverlagerungen und internationaler Doppelbesteuerung B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . II. Kodifizierung des Fremdvergleichs im deutschen Internationalen Steuerrecht 1. Überblick der Rechtsgrundlagen . . . 2. Verdeckte Gewinnausschüttung a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . b) Bewertung der vGA . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 3. Verdeckte Einlage a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausgewählte Aspekte der grenzüberschreitenden vGA im Konzern a) vGA zwischen Schwestergesellschaften („Dreiecks-vGA“) . . . . . b) vGA von (Ur-)Enkel- an Muttergesellschaft („Ketten-vGA“) . . . . c) Ketten-vGA zwischen verschiedenen Beteiligungssträngen . . . . . . 5. § 1 Außensteuergesetz a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . c) Konkurrenzverhältnis zur vGA und verdeckten Einlage . . . . . . . d) Verhältnis zum Europarecht . . . . 6. Gewinnberichtigungsvorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen i.S.d. Art. 9 OECD-MA . . . . . . . . . III. Merkmale des Fremdvergleichs . . . 1. Unabhängigkeit der Geschäftspartner a) Tatsächliche Unabhängigkeit . . . . b) Fiktive Unabhängigkeit . . . . . . .

_ _ _

4.1 4.4

4.11

_ _ __ _ __ _ _ _ __ __ __ __

4.14

4.18 4.26 4.34 4.40 4.50 4.54

4.56 4.63 4.68 4.69 4.79 4.81 4.85 4.89 4.97

4.98 4.100

2. Vergleichbarkeit der Verhältnisse a) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . b) Grad der Vergleichbarkeit . . . . . aa) OECD-Leitlinien . . . . . . . . . bb) Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit . cc) Direkte versus indirekte Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . c) Bestimmungsfaktoren der Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . d) Funktions- und Risikoanalyse aa) Begriff und Gegenstand . . . . bb) Funktionen . . . . . . . . . . . . cc) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eingesetzte Produktionsmittel ee) Unternehmenscharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Aspekte der Vergleichbarkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . IV. 1. 2. 3.

Arten des Fremdvergleichs Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatsächlicher Fremdvergleich . . . . . Hypothetischer Fremdvergleich a) Ordentlicher Geschäftsleiter als Kriterium des hypothetischen Fremdvergleichs . . . . . . . . . . . . b) „Doppelter“ ordentlicher Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . c) Der hypothetische Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG . . . . aa) Innerstaatliche „Konkretisierungen“ des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . bb) Regelungen zur Einigungsbereichsbetrachtung . . . . . . . cc) Aufteilung des Einigungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . dd) Nachträgliche Preisanpassungen (1) Unzutreffender Einigungsbereich/Verrechnungspreisansatz (2) Preisanpassungsklausel . . . . .

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ _ _ _ _ __ __ _ _ __ _ _ _ _ _ _ __

4.104 4.108 4.109 4.111 4.116 4.119 4.122 4.125 4.133 4.146 4.148 4.151 4.155 4.158

4.164 4.175 4.185 4.186 4.190 4.194

4.198 4.201

_

4.209

Baumhoff/Liebchen | 365

Kap. 4 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen II. Klassische Methoden 1. Preisvergleichsmethode a) Vorgehensweise der Preisvergleichsmethode . . . . . . . . . . . . b) Innerer Preisvergleich . . . . . . . . c) Äußerer Preisvergleich . . . . . . . . d) Anwendungsbereiche . . . . . . . . 2. Wiederverkaufspreismethode a) Vorgehensweise der Wiederverkaufspreismethode . . . . . . . . b) Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne . . . . . . . . . . . . c) Anwendungsbereiche . . . . . . . . 3. Kostenaufschlagsmethode a) Vorgehensweise der Kostenaufschlagsmethode . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereiche . . . . . . . . c) Ermittlung der Kostenbasis aa) Anzuwendender Kostenbegriff bb) Relevante Kostenarten . . . . . cc) Zeitbezug der Kosten . . . . . . dd) Sachumfang der Kosten . . . . d) Gewinnaufschlag . . . . . . . . . . . e) Nachteile der Kostenaufschlagsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kombination der klassischen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewinnorientierte Methoden 1. Grundlagen und Rechtsentwicklung 2. Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (PSM) . . . . . . 3. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) . . . . . . 4. Globale Gewinnaufteilungsmethode

. . . .

IV. Rangfolge der Verrechnungspreismethoden 1. OECD-Leitlinien . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungen des § 1 AStG . . . . . . . . V. Preis- und Wertbandbreiten 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einengung von Fremdvergleichsbandbreiten . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verrechnungspreisbestimmung . . . 4. Nachträgliche Einkünftekorrekturen

. . . .

D. Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Liefer- und Leistungsbeziehungen I. Lieferung von Gütern und Waren 1. Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lieferungen von Produktionsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen der Produktion . . . . . . . . . . . . . . . b) Verrechnungspreisermittlung . . .

366 | Baumhoff/Liebchen

__ __ _ __ __ __ __ _ _ _ _ _ __ __ _ __ _

4.213 4.216 4.219 4.221 4.224 4.226 4.236 4.240 4.241 4.243 4.246 4.251 4.264 4.269 4.280 4.282 4.284 4.291 4.297 4.302

4.306 4.313

3. Lieferungen an Vertriebsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verrechnungspreisermittlung . . . II. 1. 2. 3.

Finanzierungsleistungen Verrechnung dem Grunde nach . . . Verrechnung der Höhe nach . . . . . Cash-Pooling . . . . . . . . . . . . . . .

III. Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter 1. Verrechnung dem Grunde nach a) Voraussetzung des betrieblichen Nutzens . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lizenzverrechnung bei firmennamensgleichen Marken . . . . . . 2. Verrechnung der Höhe nach a) Entgeltdeterminierende Faktoren . b) Anwendung der klassischen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung gewinnorientierter Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Dienstleistungen 1. Erscheinungsformen von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verrechnung dem Grunde nach a) Abgrenzungskriterium der betrieblichen Veranlassung . . . . . b) Verrechenbare und nicht verrechenbare Dienstleistungen . . . . 3. Verrechnung der Höhe nach a) Formen der Leistungsverrechnung b) Einzelverrechnung mittels der klassischen Methoden . . . . . . . . c) Konzernumlagen nach dem Leistungsaustauschkonzept . . . . . d) Konzernumlagen nach dem Poolkonzept (Poolumlage) . . . . .

4.318

E. Vorteilsausgleich

4.321 4.328 4.330

II. Vorteilsausgleich und Palettenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Rechtsgrundlage und Begriff . . . . .

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __

4.332

4.337 4.345

II. Funktionsverlagerung dem Grunde nach 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Funktions-)Verlagerung . . . . . . . . 4. Abgrenzungsfragen a) Funktionsverdoppelung/-vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _

4.354 4.360 4.367 4.377 4.387

_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _

4.392 4.398 4.405 4.407 4.410

4.414 4.419 4.422 4.429 4.435 4.449 4.455 4.470 4.478

4.480

4.485 4.487 4.495 4.500

Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen | Kap. 4 b) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen . . . . . . . c) Einzeltransaktionen . . . . . . . . . d) Personalentsendungen . . . . . . . e) Fremdvergleichsgesichtspunkte . f) Übertragung versus Lizenzierung

. . . . .

III. Funktionsverlagerung der Höhe nach 1. Gesamtbewertung a) Bewertungsobjekt: Transferpaket . b) Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich . . . . . . . . c) Ermittlung des Einigungsbereichs für ein Transferpaket aa) Eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren . . . . . . bb) Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme . . . . cc) Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung . . dd) Die Eliminierung des sog. Funktionsgewinns . . . . . . . . ee) Die Ermittlung des Diskontierungsfaktors . . . . . . . . . . . ff) Die Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums . . . . . . . . d) Berücksichtigung von Handlungsalternativen bei der Grenzpreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestimmung des Wertes im Einigungsbereich . . . . . . . . . . . . . . f) Nachträgliche Einkünftekorrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelbewertung als Ausnahme a) Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Verlagerung wesentlicher iWG und Vorteile . . . .

__ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

4.502 4.510 4.511 4.512 4.515

4.521 4.524

4.526 4.529 4.532 4.536 4.540 4.546 4.550 4.552 4.554 4.556 4.558

bb) Summe der Einzelverrechnungspreise entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz . . cc) Verlagerung zumindest eines genau bezeichneten wesentlichen iWG . . . . . . . . . . . b) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen . . . . . . . c) Ansatz von Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

IV. Funktionsverlagerung dem Zeitpunkt nach . . . . . . . . . . . . . . V. Dokumentationspflichten bei Funktionsverlagerungen . . . . . . . . G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung I. Dokumentationsvorgaben der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dokumentationspflichten im Rahmen des nationalen Verfahrensrechts 1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Länderbezogene Berichte von multinationalen Unternehmen . . . . . . . . III. Aufbau und Inhalt einer Verrechnungspreisdokumentation 1. Stammdokumentation (Master File) . 2. Landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation (Local File) . . IV. Sanktionen bei der Verletzung der Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _

4.562 4.564 4.567 4.570 4.574 4.578

_

4.582

_ _ _ _ _

4.593 4.600

4.605 4.609 4.619

Literatur: Ackerman/Halbach, Wirtschaftliche Bewertungsverfahren als eine neue Disziplin?, ISR 2014, 423; Ackerman/Halbach, Einfluss von Handlungsalternativen auf die Aufteilung von Synergien bei Funktionsverlagerungen, DB 2013, 2582; Ackerman/Stock/Halbach, Angemessenheitsdokumentation unter Berücksichtigung der ex-ante- und ex-post-Sicht, DB 2014, 567, Ahmadov, The „Most Appropriate Method“ as the New OECD Transfer Pricing Standard: Has the Hierarchy of Methods Been Completely Eliminated?, ITPC 2011, 184; Andree/Bärsch/Kluge, Licensing of Trademarks and the Use of Group Names, ITPJ 2016, 513; Andresen, Grundsätzliche Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG definiert gleichzeitig Freiräume des BFH, dessen Grundfreiheitswidrigkeit über § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG hinaus festzustellen, IStR 2010, 289; Andresen, Produktionsverlagerung ohne Funktionsverlagerung, IWB 2013, 333; Andresen/Gerlach, Verlustausgleich: Grenzüberschreitendes Franchising – Dauerverluste und Verrechnungspreise, ISR 2015, 148; Bärsch/Engelen, Ermittlung fremdüblicher Zinsen bei konzerninternen Finanzierungen, DB 2016, 191; Bärsch/Engelen/Färber, Die Dokumentation von Verrechnungspreisen und das Country-by-Country Reporting, DB 2016, 972; Bärsch/Luckhaupt/Schulz, Bestimmung angemessener Verrechnungspreise im Zusammenhang mit immateriellen Vermögenswerten, Ubg 2014, 37; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Bauer, Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen bei der Verrechnungspreisplanung und -dokumentation, DB 2008, 152; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln 1986; Baumhoff, Neue Kriterien zur Bestimmung angemessener Verrechnungs-

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Kap. 4 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen preise im internationalen Konzern, DStR 1987, 497; Baumhoff, Steuerliche Aspekte der Verrechnungspreispolitik gegenüber ausländischen Vertriebsunternehmen, IStR 1993, 520; Baumhoff, Die Behandlung der Kostenaufschlagsmethode im neuen OECD-Bericht zu den Verrechnungspreisen, IStR 1996, 53; Baumhoff, Plädoyer für einen einheitlichen Fremdvergleichsmaßstab im deutschen Außensteuerrecht zur Beurteilung internationaler Verrechnungspreise, in Klein/Stihl (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 640; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik gegenüber ausländischen Lohnfertigern, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, FS für Fischer, Berlin 1999, 487; Baumhoff, Die Verrechnung von Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen mit Hilfe von Konzernumlagen, IStR 2000, 696; Baumhoff, Eigenproduzent versus Lohnfertiger – Qualifikation ausländischer Produktionsstätten für Zwecke der steuerlichen Verrechnungspreisplanung, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, 53; Baumhoff, Beweislastverteilung, Mitwirkungspflicht und Schätzung im Zusammenhang mit internationalen Verrechnungspreisen, IStR 2001, 751; Baumhoff, Aktuelle Entwicklungen bei den internationalen Verrechnungspreisen, IStR 2003, 4; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Die steuerliche Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 541; Baumhoff, Der Einfluss der Finanzmarktkrise auf die Festlegung und Prüfung von internationalen Verrechnungspreisen, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 21; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik bei Verlustgesellschaften, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 133; Baumhoff, Praxisprobleme bei der Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, WPg 2012, 396; Baumhoff, „Joint Audits“ als Instrument zur Reduktion von Verrechnungspreisrisiken aus Unternehmens- und Beratersicht, DB 2015, Heft 49 M5; Baumhoff, 30 Jahre „Verwaltungsgrundsätze“ für die Prüfung Internationaler Verrechnungspreise – eine Bestandsaufnahme, ISR 2013, 249; Baumhoff, Verrechnungspreise und alternative Ansätze, in Beck’sche Steuerkommentare, Festgabe zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer, München 2015, 243; Baumhoff, Lizenzierung von Marken im Konzern, in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, FS für Gosch, München 2016, 7; Baumhoff/Bodenmüller, Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 541; Baumhoff/Ditz/Greinert, Grundsätze der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung, DStR 2004, 157; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach den „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“, DStR 2005, 1549; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, IStR 2008, 1945; Baumhoff/Ditz/Greinert, Klärung des Begriffs „Geschäftsbeziehung“ i.S. des § 1 AStG durch das BMFSchreiben vom 12.1.2010, DStR 2010, 476; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG durch das EU-Umsetzungsgesetz, DStR 2010, 1309; Baumhoff/Ditz/Greinert, Verrechnungspreis-Dokumentationspflichten in Deutschland, Österreich und in ausgewählten osteuropäischen Staaten, IStR 2010, Beihefter Heft 20; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerung nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, Ubg 2011, 161; Baumhoff/Greinert, Aufteilung von Standortvorteilen bei der Verrechnungspreis-Ermittlung gegenüber Lohnfertigern – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 16.3.2006, IStR 2006, 789; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urteil des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/ Greinert, Angemessene Lizenzsätze bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, Ubg 2009, 544; Baumhoff/Kluge/Liebchen, Überschießende Verrechnungspreiskorrekturen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG?, IStR 2014, 515; Baumhoff/Kluge, Ausländische Verrechnungspreiskorrekturen – Korrespondierende inländische Gegenkorrekturen, FR 2015, 107; Baumhoff/Liebchen, Seminar G: Steuerfragen im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern, IStR 2014, 711; Baumhoff/Liebchen/Kluge, Die Bildung von Rückstellungen für die steuerliche Verrechnungspreisdokumentation, IStR 2012, 821; Baumhoff/Puls, Der OECDDiskussionsentwurf zu Verrechnungspreisaspekten von „Business Restructurings“ – Analyse und erster Vergleich mit den deutschen Funktionsverlagerungsregeln nach § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2009, 73; Baumhoff/Sieker, Ausgewählte Verrechnungspreisprobleme im Lichte des neuen OECD-Berichts, IStR 1995,

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Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen | Kap. 4 521; Becker, Der ordentliche Geschäftsleiter im deutschen und ausländischen Steuerrecht, in Knobbe-Keuk (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, FS für Döllerer, Düsseldorf 1988, 17; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, Köln 1973; Bendlinger, Multilaterales Instrument zur automatischen Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2017, 2; Benz/Böhmer, BEPS: Das Multilaterale Instrument zur Umsetzung der abkommensrechtlichen Änderungsvorschläge der BEPS-Abschlussberichte, ISR 2017, 27; Bernhardt/van der Ham/Kluge, Die Expansion deutscher Unternehmen ins Ausland: Steuerliche Implikationen der Gründung von Vertriebsgesellschaften – Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen im Fall von „Vertriebsabspaltungen“, IStR 2008, 1; Birnbaum/Nientimp, Namensnutzung im Konzern: Was bringt das BMF-Schreiben vom 07.04.2017?, DB 2017, 1673; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Bogenschütz, Gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit der unterschiedlichen Behandlung von verbundenen Unternehmen nach DBA bei der Vereinbarung von Verrechnungspreisen, DB 2006, 759; Bohr, Die Transferpaket(be)rechnung – die Quadratur des Kreises, IWB 2008, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2285; Borstell, Verrechnungspreispolitik bei konzerninternen Lieferungsbeziehungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 519; Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, 275; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, Berlin 2010; Brandenberg, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, BB 2008, 864; Breuer, Anwendungsmöglichkeiten ökonomischer Modelle im Rahmen der Profit Split Methode, Hamburg 2014; Brüninghaus/Bodenmüller, Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung, DStR 2009, 1285; Buse/Schreiber/Greil, Neuerungen im Bereich der Verrechnungspreisdokumentation, DB 2017, 514; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Crüger/ Wintzer, Funktionsverlagerungen ins Ausland – Aktuelle Neuerungen durch die Unternehmenssteuerreform 2008 und Gestaltungshinweise, GmbHR 2008, 306; Dempfle, Charakterisierung, Analyse und Beeinflussung der Konzernsteuerquote, Wiesbaden 2006; Ditz, Fremdvergleichskonforme Ermittlung eines Umlageschlüssels bei Konzernumlagen, DB 2004, 1952; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten: Ableitung einer rechtsformneutralen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im internationalen Steuerrecht, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 43; Ditz, Übertragung von Geschäftschancen bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, DStR 2006, 1625; Ditz, Praxisfall einer Verrechnungspreisprüfung und Funktionsverlagerung, IStR 2009, 421; Ditz, Praxisfall einer Funktionsverlagerung unter besonderer Berücksichtigung der VWG-Funktionsverlagerung vom 13.10. 2010, IStR 2011, 125; Ditz, § 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf Darlehen an ausländische Tochtergesellschaften?, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 65; Ditz, Die Grenzen des Fremdvergleichs – Zugleich Plädoyer für ein Festhalten am Fremdvergleichsgrundsatz, FR 2015, 115; Ditz/Eberenz/Bärsch/Kluge/Kreuzer/Müller, Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlicher Steuerung und steuerrechtlichen Anforderungen – Ergebnisse einer empirischen Analyse, DB 2015, 2592; Ditz/Engelen, Ermittlung von Darlehenszinsen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 07.12.2016 – 13 K 4037/13, Ubg 2017, 440; Ditz/Just, Besteuerung einer Produktionsverlagerung nach der Funktionsverlagerungsverordnung – Praxisfall, DB 2009, 141; Ditz/Liebchen, Teilwertabschreibungen und Forderungsverzicht auf Gesellschafterdarlehen – Praxisfall zum BMF-Schreiben vom 29.3.2011, IStR 2012, 97; Ditz/Liebchen, Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen, DB 2012, 1470; Ditz/Pinkernell/Quilitzsch, BEPS-Reformvorschläge zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen bei immateriellen Wirtschaftsgütern aus Sicht der Beratungspraxis, IStR 2014, 45; Ditz/Quilitzsch, Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 DBA USA 1989 gegenüber Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG (a.F.) bei Teilwertabschreibung infolge unbesichert begebenen Darlehens, ISR 2015, 121; Ditz/Quilitzsch, Internationale Aspekte des Zollkodex-Anpassungsgesetzes, DStR 2015, 545; Ditz/Schneider, Internationale Rspr. zu Verrechnungspreisen, DB 2011, 779; Ditz/ Tcherveniachki, Abzugsfähigkeit von Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen – Eine Analyse des BFH-Urteils vom 14.1.2009 unter besonderer Berücksichtigung des § 1 AStG, IStR 2009, 709; Eigelshoven/Nientimp, Funktionsverlagerungen und kein Ende – Die Änderungen bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem EU-Umsetzungsgesetz, Ubg 2010, 233; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, Herne/Berlin 2003; Elbert/Münch, Low Value-Adding Services – Diskussionsentwurf zur Modifikation des Kapitel VII der OECD-Leitlinien – Im Westen nichts Neues?, IStR 2015, 341; Endres, Reiches Ausland – Armes Inland: Steuerliche Effekte bei einer Funktionsverlagerung ins Ausland, RIW 2003, 729; Engelen, Ex post-Informationen und Preisanpassungsklauseln – kritische Würdigung der OECD-Ausführungen zu schwer bewertbaren immateriellen Werten, IStR 2016, 146; Engelen/Luckhaupt/ Quilitzsch, Teilwertabschreibung von Gesellschafterdarlehen trotz Rückhalt im Konzern – Zugleich Anmer-

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Kap. 4 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen kung zum Urteil des BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, ISR 2015, 373; Engelen/Quilitzsch, Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG im Dreiecksverhältnis – Anmerkungen zum Urteil des Sächsischen FG vom 26.1.2016 – 3 K 653/11, ISR 2017, 1; Fischer/Looks/im Schlaa, Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise – Aktuelle Erfahrungen mit der Betriebsprüfung und zukünftige Entwicklungen, BB 2010, 157; Förster, Die allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätze des § 1 Abs. 3 AStG – Vergleich mit den aktualisierten Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, IStR 2011, 20; Freudenberg/Ludwig, Chancen für Gestaltungen aufgrund der geänderten Vorschriften zur Funktionsverlagerung, BB 2010, 1268; Freudenberg/Peters, Steuerliche Allokation von Restrukturierungsaufwendungen im Kontext von Funktionsverlagerungen, BB 2008, 1424; Frischmuth, Die Konzeption der Funktionsverlagerungsbesteuerung nach dem UntStRefG 2008, StuB 2007, 386; Frischmuth, Funktionsverdoppelungen im Visier des deutschen Fiskus – Quo vadis?, IWB 2007, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2253; Frischmuth, Schuldrechtliche und bilanzielle Aspekte sowie Preisanpassungen bei Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, StuB 2007, 459; Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n.F., IStR 2007, 485; Frischmuth, Wann genau liegt eine Funktionsverlagerung nach der FVerlV vor?, StuB 2008, 864; Frischmuth, Austausch von Funktionen im Konzern und Bewertung von Transferpaketen, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010, 73; Frotscher, Verfassungsrechtliche Fragen zu den Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen und den Rechtsfolgen ihrer Verletzung, in Gocke/Gosch/ Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005; 391; Frotscher, Grundfragen der Funktionsverlagerung, FR 2008, 49; Fuhrmann, Die Funktionsverlagerungsverordnung, KÖSDI 2008, 16188; Glahe, Vereinbarkeit von § 1 AStG mit europäischen Grundfreiheiten, IStR 2010, 870; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Greil, Fremdvergleich bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen zwischen verbundenen Unternehmen, DStZ 2016, 910; Greil/Greil, Einkünftekorrektur: Kostenumlagevereinbarungen als Instrument für die Gestaltung von Konzernaktivitäten – Steuerliche Anwendungsfragen, IStR 2015, 67; Greil/Kiesow, Tax compliant transfer pricing, DStZ 2013, 389; Greil/Naumann, Funktionsverlagerungen – Praxistest in der Betriebsprüfung, IStR 2015, 429; Greil/Wargowske, Fremdübliche Vergütung für die Überlassung eines Markenzeichens im Konzern, ISR 2014, 324; Greil/Wargowske, „Rückhalt im Konzern“ – Ein Kurzüberblick und Versuch einer Definition, IStR 2016, 272; Greil/Wargowske, Nichtanwendungserlass vom 30.3.2016 betreffend die Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze der BFHUrteile vom 17.12.2014 – I R 23/13 und vom 24.6.2015 – I R 29/14 in vergleichbaren Fällen – Eine erste Würdigung, ISR 2016, 157; Greil/Wargowske, Namensnutzung in multinationalen Unternehmensgruppen, IStR 2017, 12; Greinert, Besonderheiten bei der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise im Fall der Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, RIW 2006, 449; Greinert, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, in Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007, 541; Greinert, Maßgebende Überschussgröße zur Bewertung eines Transferpakets bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, DB 2009, 755; Greinert, Steuerliche Besonderheiten bei der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter im Rahmen von grenzüberschreitenden Transaktionen im Konzern, Ubg 2010, 101; Greinert/Metzner, Neuere Entwicklungen bei der Anerkennung nachträglicher Verrechnungspreisanpassungen, DB 2014, 622; Greinert/Metzner, Die Bedeutung von Risiken bei der Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise – Diskussionsentwurf der OECD zu den Maßnahmen 8, 9 und 10 des BEPS-Aktionsplans, Ubg 2015, 60; Greinert/Metzner, Zur Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG a.F. bei Teilwertabschreibung eines unbesichert begebenen Darlehens im Konzern, Der Konzern 2015, 427; Greinert/Karnath/Siebing, Limits on Royalty Payments: How Germany Plans to Fight IP Boxes, TNI 2017, 997; Greinert/Metzner, Valuation of Intangibles in the World of BEPS, Les Nouvelles 2015, 213; Greinert/Reichl, Einfluss von Besteuerungseffekten auf die Verrechnungspreisermittlung bei Funktionsverlagerungen, DB 2011, 1182; Greinert/Thiele, Steuerliche Behandlung von Funktionsverlagerungen vor 2008, DStR 2011, 1197; Gundel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitenden Lieferbeziehungen mit konzerngebundenen Vertriebsgesellschaften, in Klein/Stihl (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 781; Haas, Funktionsverlagerungen nach dem Erlass der Funktionsverlagerungsverordnung, Ubg 2008, 517; Haas, Funktionsverlagerung: Verhältnis zu DBAs, in Spindler (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 715; Habammer, Die Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA, IStR 2016, 525; Haase, Das sog. Multilaterale Instrument, IWB 2017, 16; Haverkamp, Anmerkung zum Urteil des FG Münster vom 14.2.2014 (4 K 1053/11 E, ISR 2014, 190) – Zur Anwendung der Knoppe-Formel, ISR 2014, 191; Haverkamp/Binding, Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F., ISR 2015, 85; Hornig, Die Funktionsverlagerung ab 2008 aus internationaler Sicht, PIStB 2008, 45; Hülshorst/Koch, Verrechnungspreis: Konzepte zur Berücksichtigung des Konzernrückhalts bei Finanztransaktionen für Verrechnungspreiszwecke, ISR 2016, 19; Hülshorst/Kuzmina/Wehke, Fremdübliche Methodenwahl beim Cash-

370 | Baumhoff/Liebchen

Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen | Kap. 4 Pooling, DB 2014, 1887; Hüning/Hewera/Geyik, BEPS-Aktionspunkt 10: Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, IWB 2016, 298; Jahndorf, Besteuerung der Funktionsverlagerungen, FR 2008, 101; Jenzen, Internationale Funktionsverlagerungen – Die Besteuerung von Gewinnpotenzialen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen im Konzern, NWB 2007, Fach 2, 9419; Kahle, Die Ertragbesteuerungen von Funktionsverlagerungen nach der Unternehmensteuerreform 2008, Der Konzern 2007, 647; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001; Kaminski, Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung durch die Unternehmensteuerreform 2008, RIW 2007, 594; Kaminski, Funktionsverlagerungen in das Inland, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010, 23; Kaminski, Umlagen bei konzerninternen Dienstleistungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 693; Kaminski/Strunk, Funktionsverlagerungen in und von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften: Überlegungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. Transferpaket, DB 2008, 2501; Kaminski/Strunk, Stellungnahme zum Entwurf der „Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerungen“ des BMF vom 17.7.2009, RIW 2009, 711; Kasperzak/Nestler, Zur Berücksichtigung des Tax Amortization Benefit bei der Fair Value-Ermittlung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS 3, DB 2007, 473; Klapdor, Grundsätze der Verrechnungspreisermittlung nach dem UStRefG, StuW 2008, 83; Kleineidam, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter, in Schaumburg/Baumhoff (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 103; Kluge, Verrechnungspreise in Ertragsteuern und Controlling, Berlin 2013; Kluge/Bärsch, Steuerliche Risiken bei Verrechnungspreisen, IWB 2015, 685; Knoll, Der Risikozuschlag in der Unternehmensbewertung: Was erscheint plausibel?, DStR 2007, 1053; Kroppen/Nientimp, Absonderlichkeiten bei der Funktionsverlagerung, IWB 2008, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2355; Kroppen/Rasch, Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB 2008, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 2339; Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – der nächste Akt, IWB 2010, 316; Kroppen/ Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Kroppen/Rasch, Immaterielle Vermögenswerte – Neudefinition des Fremdvergleichsgrundsatzes?, IWB 2015, 828; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, Die Behandlung der Funktionsverlagerungen im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 und der zu erwartenden Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung, IWB 2007, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, 2201; Krüger, Entwicklungen zum Konzernrückhalt und Auswirkungen für die Prüfungspraxis, DStZ 2017, 284; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, Bielefeld 1995; Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, Frankfurt a.M. 1976; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Kurzewitz, Aufgabe des strikten Anwendungsvorrangs der Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung?, IWB 2010, 95; Kurzewitz, Die Bestimmung von Verrechnungspreisbandbreiten als Problem der internationalen Doppelbesteuerung, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 635; Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der Kostenaufschlagsmethode, Wien 1988; Lang, Die Auslegung des multilateralen Instruments, SWI 2017, 11; Lappe/Heidecke/Feikus, Namensnutzung im Konzern, IStR 2017, 376; Lehner, Treaty Override ist nicht verfassungswidrig, IStR 2016, 217; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008; Liebchen, Funktionsverlagerung im Handels- und Steuerrecht, in Federmann/Kußmaul/Müller (Hrsg.), Handbuch der Bilanzierung, Loseblatt, 172. Erg.-Lfg., Freiburg 2014; Liebchen, Internationale Verrechnungspreise, in Federmann/Kußmaul/Müller (Hrsg.), Handbuch der Bilanzierung, Loseblatt, 174. Erg.-Lfg., Freiburg 2014; Liebchen, Verdeckte Gewinnausschüttung, in Federmann/Kußmaul/Müller (Hrsg.), Handbuch der Bilanzierung, Loseblatt, 177. Erg.Lfg., Freiburg 2015, 1; Liebchen/Tcherveniachki, Tax Compliance und Verrechnungspreise, Der Konzern 2017, 345; Looks/Freudenberg, Zukünftige Konfliktfelder zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen als Ergebnis des Entwurfs der Verwaltungsgrundsätze-Funktionsverlagerung, BB 2009, 2514; Looks/Scholz, Funktionsverlagerungen nach der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG, BB 2007, 2541; Looks/Steinert/Müller, Der Fremdvergleichsgrundsatz – Zur Frage der Maßgeblichkeit des § 1 Abs. 3 AStG für andere Berichtigungsvorschriften, BB 2009, 2348; Luckhaupt, Bestimmung von Verrechnungspreisen gemäß den OECDTPG 2010 und § 1 Abs. 3 AStG, Ubg 2010, 646; Menninger/Wellens, Valuation Standards and the German Restructuring Regulation, TMTR v. 30.6.2011; Morgenthaler, Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 275; Naumann, Im Gespräch: Besteuerung von Funktionsverlagerungen, Status: Recht 2007, 203; Naumann, Funktionsverlagerungsverordnung, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 167; Naumann/Greil, Funktionsverlagerungen – Praxistest in der Betriebsprüfung, IStR 2015, 429; Nestler, Ermittlung von Lizenzent-

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Kap. 4 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen gelten, BB 2008, 2002; Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung im internationalen Konzern, Lohmar 2003; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000; Nolden, Der Fremdvergleich für konzerninterne Darlehenstransaktionen in der Entscheidung des FG Münster vom 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, Der Konzern 2017, 278; Oestreicher, Die (reformbedürftigen) Regelungen zur Ermittlung der Verrechnungspreise in Fällen der Funktionsverlagerung, Ubg 2009, 80; Oestreicher/Hundeshagen, Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen, DB 2008, 1637 (Teil I) und 1693 (Teil II); Oestreicher/Hundeshagen, Weder Wirtschaftsgut noch Unternehmen – die Bewertung von Transferpaketen anlässlich der grenzüberschreitenden Verlagerung von Unternehmensfunktionen, IStR 2009, 146; Oestreicher/Wilke, Die Einzelbewertung des Firmenwerts – Verrechnungspreise in Fällen einer Funktionsverlagerung nach dem Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften, Ubg 2010, 225; Pinkernell, Neue OECD-Grundsätze zu Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting (Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans), FR 2014, 964; Pohl, Ergänzung der Funktionsverlagerungsregelung durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften, IStR 2010, 357; Puls, Funktionsverlagerungsbesteuerung: Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche als „Transferpaket“-Ersatz nach § 8 FVerlV, IStR 2010, 89; Puls, Finanzierungsunterstützung im Konzern aus Verrechnungspreissicht, IStR 2012, 209; Pyszka, Einkünfteberichtigung bei einer Zuwendung nicht einlagefähiger Vorteile an eine ausländische Schwestergesellschaft, DStR 2017, 533; Rasch, Jahresendanpassungen: Möglichkeiten und Grenzen für „year end adjustments“ in Verrechnungspreissystemen, ISR 2013, 431; Rasch, Immaterielle Vermögenswerte, Risiko und Kontrolle – Plädoyer für eine restriktive Handhabung der Kriterien, ISR 2015, 310; Rasch, Anmerkung zu einer Entscheidung des BFH, Urt. v. 25.6.2015 (I ZR 88/12) – Zur Frage der Einkünftekorrektur im Zusammenhang mit der Gewährung zinsloser Darlehen an eine ausländische Tochter, ISR 2015, 12; Rasch/Chwalek, Sperrwirkung von DBA gegenüber nationalen Einkünftekorrekturen, IWB 2015, 377; Rasch/Mank/Tomson, Die finale Fassung des neuen OECD Kapitels zur Dokumentation und zum „Country-by-Country Reporting“ – Neue Herausforderungen für Unternehmen, IStR 2015, 424; Rasch/Schmidtke, Routinefunktionen, Gewinnverlagerungen und das Versagen des hypothetischen Fremdvergleichs, IStR 2009, 92; Raupach/Pohl/Ditz (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, Herne/Berlin 2010; Roeder, Ökonomische Aspekte des hypothetischen Fremdvergleichs, Ubg 2008, 202; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495; Schaumburg, Anpassungsklausel, IStR 2009, 877; Scheipers/ Linn, Einkünfteberichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG bei Nutzungsüberlassungen im Konzern – Auswirkungen des EuGH-Urteils SGI, IStR 2010, 469; Schneider, Wider Marktpreise als Verrechnungspreise in der Besteuerung internationaler Konzerne, DB 2003, 53 Schnorberger/Haverkamp,Verrechnungspreismethoden zur Bestimmung von Darlehenszinsen, ISR 2017, 151; Schönfeld, Neues zum DBA-Schachtelprivileg oder: was bleibt von § 8 Nr. 5 GewStG und § 8b Abs. 5 KStG bei grenzüberschreitenden Dividenden?, IStR 2010, 658; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von § 1 AStG und EU-Recht anhand von Fallbeispielen, IStR 2011, 219; Schreiber, Funktionsverlagerungen im Konzern – Neue Rechtsgrundlagen durch die Unternehmensteuerreform 2008, Ubg 2008, 433; Schreiber/Greil, Das „Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz“, DB 2017, 10; Stein/Schwarz/Holinski, Funktionales Eigentum und Wertschöpfungsbeitragsanalysen: Steuerliche Erfolgsermittlung bei immateriellen Werten mithilfe betriebswirtschaftlicher Konzepte, DStR 2017, 118; Stein/Schwarz/Nientimp, Ist die Kostenaufschlagsmethode die Verrechnungspreismethode für konzerninterne Darlehen?, DB 2017, 1169; Schwenke, Funktionsverlagerung: neue Gesetzeslage, in Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, Köln 2008, 115; Schwenke, Funktionsverlagerung über die Grenze – Verrechnungspreise und Funktionsausgliederung, in Piltz/Günkel, Steuerberater-Jahrbuch 2007/2008, Köln 2008, 137; Stangl/Hageböke, Neues zur Anwendung des DBA-Schachtelprivilegs – Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 23.6.2010 – I R 71/09, in Ubg 2010, 651; Staudacher/Groß, OECD veröffentlicht überarbeitete Verrechnungspreisgrundsätze 2010, SIW 2010, 461; Strahl, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerung nach der Unternehmensteuerreform 2008, KÖSDI 2008, 15861; Vögele, Bewertung von Transferpaketen bei der Funktionsverlagerung, DStR 2010, 418; Wassermeyer, Sind Verrechnungspreise justitiabel?, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 123; Wassermeyer, Streitfragen bei der Bilanzierung verdeckter Gewinnausschüttungen, in Schön (Hrsg.), GS für Knobbe-Keuk, Köln 1997, 541; Wassermeyer, Veranlassung und Fremdvergleich, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform, FS für Offerhaus, Köln 1999, 405; Wassermeyer, Das System der zweistufigen Gewinnermittlung in der Rechtsprechung des BFH, in Kirchhof (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 565; Wassermeyer, Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, 535; Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Wassermeyer, Der Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen innerhalb und außerhalb der Steuer-

372 | Baumhoff/Liebchen

A. Grundlegung | Rz. 4.3 Kap. 4 bilanz, DB 2010, 1959; Weber-Grellet, Entwicklungen im Bereich der verdeckten Gewinnausschüttung, DStZ 1998, 357; Wellens, Fremdvergleichsgrundsatz nach OECD und nach deutschem Recht – Gleichzeitig Vorstellung des Diskussionsentwurfs der OECD hinsichtlich der Überarbeitung der Kapitel I und III der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie, IStR 2010, 153; Werra, Verrechnungspreise bei der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen, IStR 2009, 81; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009: Die steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen, insbesondere bei Funktionsverlagerungen, nach der Unternehmensteuerreform 2008, Baden-Baden 2009; Zech, Funktionsverlagerung auf einen Eigenproduzenten und auf ein Routineunternehmen, IStR 2011, 131; Zech, Umsetzung des BEPS-Aktionsplans 13 und des CbCR in deutsches Recht, IWB 2015, 924.

A. Grundlegung I. Einleitung Weltwirtschaftliche Bedeutung von Verbundtransaktionen. Nach Auffassung der OECD hat die Bedeutung multinationaler Unternehmen im Welthandel in den letzten 20 Jahren erheblich zugenommen.1 Schätzungen zu Folge werden heute ca. 70 % des Welthandels zwischen international verbundenen Unternehmen abgewickelt.2 Tendenziell wird dieser Anteil aufgrund der zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung der Wirtschaft sowie fortschreitender internationaler Unternehmenszusammenschlüsse, nicht zuletzt als Folge merklicher Konsolidierung und Konzentration, weiter steigen.

4.1

Definition international verbundener Unternehmen. International verbundene Unternehmen können im Hinblick auf die Bindungsart und -intensität unterschiedlich definiert werden. Regelmäßig erfährt dieser Begriff eine rechtskreis- und rechtsnormspezifische Abgrenzung. Für die nachfolgenden Überlegungen wird er mit einem möglichst weiten Begriffsverständnis ausgestattet und deshalb als eine ökonomische Einheit mehrerer rechtlich selbständiger, in verschiedenen Staaten domizilierender Unternehmen gefasst. Aufgrund des sog. Trennungsprinzips ist nicht die wirtschaftliche Einheit selbst, sondern jede Verbundteileinheit eigenständiges Steuersubjekt, das in seinem jeweiligen Domizilstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Insofern unterscheiden sich international verbundene Unternehmen von (rechtlich unselbständigen) Organisationseinheiten (Stammhaus und Betriebsstätten) der gleichsam wirtschaftlichen, aber eben auch rechtlichen Einheit eines sog. Einheitsunternehmens (Rz. 5.1 ff.).

4.2

Regionale Abgrenzung der Steuerbemessungsgrundlagen. Jedes international verbundene Unternehmen hat als eigenständiges Steuersubjekt seines Ansässigkeitsstaates seine steuerliche Bemessungsgrundlage nach den dortigen Gewinnermittlungsvorschriften zu ermitteln. Neben den mit nicht verbundzugehörigen Wirtschaftseinheiten realisierten Ertrags- und Aufwandskategorien wird diese maßgeblich durch die Abrechnung der mit verbundenen Unternehmen ausgetauschten Lieferungen und Leistungen (über verbundinterne Verrechnungspreise) determiniert. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die beteiligten nationalen Fisci von den international tätigen Unternehmen eine Verrechnungspreisgestaltung fordern, die eine sachgerechte zwischenstaatliche Abgrenzung der Steuerbemessungsgrundlagen und damit eine zutreffende Gewinnermittlung gewährleistet.

4.3

1 Vgl. Tz. 1 des Einführungsteils der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen vom 10.7.2017 (OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017, OECD Publishing, Paris 2017 [OECD Guidelines 2017 – OECD-Leitlinien 2017]). 2 Vgl. Boos/Rehkugel/Tucha, DB 2000, 2389; Schaumburg, Der Konzern 2006, 495; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer in der Europäischen Union, 2007; Peracin, Intertax 2008, 82 Fn. 2; Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 780; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 1.1.

Baumhoff/Liebchen | 373

Kap. 4 Rz. 4.4 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

II. Begriff, Funktion und Bedeutung internationaler Verrechnungspreise 4.4 Verrechnungspreis – Betriebswirtschaftliches Begriffsverständnis. Aus betriebswirtschaftlicher

Sicht versteht man unter Verrechnungspreisen Wertansätze für Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Unternehmens oder eines Unternehmensverbundes ausgetauscht werden. Im Gegensatz zum Marktpreis, der sich im freien Wettbewerb durch die Wirkung von Angebot und Nachfrage bildet, ist der Verrechnungspreis das Ergebnis einer zweckorientierten Bewertung von Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmenseinheiten.

4.5 Verrechnungspreis – Steuerrechtliches Begriffsverständnis. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG definiert den

Verrechnungspreis als „andere Bedingungen, insbesondere Preise“, „die der Steuerpflichtige seiner Einkünfteermittlung zu Grunde legt“. Diese gesetzliche Definition ist zu Recht von Wassermeyer als verfehlt verworfen worden.1 Richtigerweise ist der Verrechnungspreis das tatsächlich vereinbarte Entgelt für eine Lieferung oder Leistung. Im Liefer- und Leistungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen gilt – ungeachtet eines in tatsächlicher Hinsicht ggf. bestehenden Kontrahierungszwangs – der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der die Preisbestimmung einschließt. Der Verrechnungspreis ist deshalb stets eine „Ist-Größe“. Je nach Transaktionsgegenstand der konzerninternen Liefer- oder Leistungsbeziehung kann das tatsächlich vereinbarte Entgelt und damit der Verrechnungspreis z.B. ein „Warenpreis“, ein „Lieferpreis“, eine „Lizenzgebühr“, eine „Dienstleistungsvergütung“, eine „Know-how-Gebühr“, eine „Kostenumlage“, ein „Zins“, eine „Avalprovision“ oder ein ähnliches Entgelt sein. Der Ausdruck „andere […] Preise“ impliziert ein begriffsnotwendiges Abweichen des Verrechnungspreises von einer Bezugsgröße (hier: Fremdvergleichspreis). Dies ist unzutreffend. Ein Verrechnungspreis liegt auch vor, wenn dieser dem Fremdvergleichspreis entspricht. Insofern fehlt es allerdings an der Tatbestandsvoraussetzung für eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG; m.a.W. kommt der Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG bereits auf Tatbestandsebene zum Tragen. Die begriffliche Vermengung von „Verrechnungspreis“ und „Fremdvergleichspreis“ ist in der ausufernden Konzeption des § 1 AStG angelegt. Das Grundproblem besteht darin, dass der Gesetzgeber meint, dem Steuerpflichtigen vorschreiben zu können und zu müssen, nach welchen Grundsätzen und Verfahren er Verrechnungspreise gegenüber nahestehenden Transaktionspartnern zu bestimmen hat. § 1 AStG ist allerdings keine Verhaltens-, sondern eine Einkünftekorrekturvorschrift. Der Steuerpflichtige ist insbesondere nicht verpflichtet, fremdübliche Bedingungen zu vereinbaren.2 Sanktioniert ist ein Abweichen vom Fremdvergleichspreis zu Lasten im Inland steuerpflichtiger Einkünfte, und zwar mit einer Preiskorrektur.3 Für die Existenz eines Verrechnungspreises ist es völlig unbeachtlich, nach welchen Grundsätzen dieser bestimmt wurde und auf welche Art und Weise die Preisvereinbarung zustande gekommen ist. Was das Zustandekommen der Preisvereinbarung anbelangt, können Verrechnungspreise Ergebnis eines Preisdiktats oder von Preisverhandlungen sein, wie sie unter fremden Dritten erfolgen. Die vom BMF für verwaltungsinterne Zwecke verwandte Begriffsdefinition entspricht diesem Begriffsverständnis nur zum Teil. Hiernach sind Verrechnungspreise „die Entgelte, die vom Steuerpflichtigen für seine grenzüberschreitenden Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Personen der steuerlichen Gewinnermittlung zu Grunde gelegt werden“.4

4.6 Betriebswirtschaftliche Funktionen von Verrechnungspreisen. Verrechnungspreise werden zur

Erfüllung voneinander unterschiedlicher Funktionen hinsichtlich von Teilbereichen eines Organisationsverbunds herangezogen und können deshalb der jeweiligen Funktion entsprechend unterschiedlich ausfallen. Die folgenden Funktionen werden Verrechnungspreisen zugeordnet:5 1 2 3 4 5

Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 535. A.A. offensichtlich Greil/Wargowske, ISR 2016, 158. Vgl. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.201. BMF v. 19.5.2014 – IV B 5 - S 1341/07/10006-01, BStBl. I 2014, 838. Zu den betriebswirtschaftlichen Funktionen von Verrechnungspreisen vgl. z.B. Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 135 ff. m.w.N.

374 | Baumhoff/Liebchen

A. Grundlegung | Rz. 4.9 Kap. 4

– die Vereinfachung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung (Vereinfachungsfunktion), – die Wirtschaftlichkeitskontrolle von Kostenstellen (Kontrollfunktion), – die organisatorische Lenkung zur Koordination dezentraler Entscheidungen in Teilbereichen des Unternehmens (organisatorische Lenkungsfunktion), – die getrennte Erfolgsermittlung für die autonomen Teilbereiche eines Unternehmens (Erfolgsermittlungsfunktion). Die vier genannten Funktionen lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen, sondern überschneiden sich teilweise. Insbesondere besteht ein Zusammenhang zwischen der organisatorischen Lenkungs- oder Koordinationsfunktion und der Erfolgsermittlungsfunktion, da z.B. Entscheidungen in Untereinheiten nicht zuletzt von den antizipierten Auswirkungen auf die Vergütung der entsprechenden Entscheidungsträger abhängen, die häufig an realisierte Erfolgsgrößen anknüpft. Vereinfachungsfunktion. Mit der Verwendung von Verrechnungspreisen, die einheitlich über eine gewisse Periode angesetzt werden, können Schwankungen ausgeglichen werden, die bei Marktpreisen und aus zeitlichen, markt-, mengen-, losgrößen- oder beschäftigungsabhängigen Gründen auch bei Herstellungskosten auftreten können. Der Ansatz von Standardsätzen führt dann zu mehr Transparenz sowie zu einer Beschleunigung und Vereinfachung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.1

4.7

Kontrollfunktion. Durch den Ansatz im Vorhinein festgelegter Verrechnungspreise bei der Plankostenrechnung und der späteren Kostenkontrolle können Preisunterschiede auf der Beschaffungsseite neutralisiert werden. Spätere Soll-Ist-Abweichungen können dann ausschließlich auf Mengenabweichungen zurückgeführt werden.2

4.8

Lenkungs- oder Koordinationsfunktion. In Unternehmen bzw. Unternehmensverbünden, in denen die Wertschöpfungskette dadurch geprägt ist, dass durch unterschiedliche autonome Teilbereiche (Profit-Center, Investment-Center) bzw. Gesellschaften Leistungsbeiträge erbracht werden, kommt der Lenkungsfunktion von Verrechnungspreisen eine hohe Bedeutung zu. Da im Gegensatz zu einem kleinen, wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen die Aufgabenerfüllung arbeitsteilig organisiert ist und einzelne Entscheidungsträger häufig nur über Teilbereiche der Organisation hinreichende Informationen haben, entsteht ein Abstimmungs- und Koordinationsbedarf.

4.9

Grundsätzlich kann die Koordination zentral oder dezentral erfolgen. Allerdings erfordert eine vollständig zentrale Koordination, dass alle für die zu treffenden Entscheidungen notwendigen Informationen beim verantwortlichen Entscheidungsträger zentral verfügbar sind. Demgegenüber hat eine dezentrale Koordination und Entscheidungsfindung den Vorteil, dass eine solche Informationsbündelung bei der Konzernzentrale nicht notwendig ist. Ab einer gewissen Konzerngröße wird deshalb die Delegation von Entscheidungsbefugnissen unumgänglich, weil die zentrale Informationsbereitstellung und die anschließende zentrale Verarbeitung in Entscheidungen nur durch Aufwendung unangemessen hoher Kosten zu erreichen ist.3 Im Rahmen einer dezentralen Koordination und Steuerung können Verrechnungspreise als Koordinationsinstrument eingesetzt werden, um eine zentrale Konzernsteuerung zu ersetzen. Verrechnungspreise führen dann zu einer Bereichskoordinierung, indem durch die Fiktion eines internen Markts für die einzelnen Leistungen der verschiedenen Teilbereiche die entscheidungsrelevanten Informationen abstrakt zu Preisen verdichtet zur Verfügung gestellt werden.4 Als Folge 1 Vgl. Baumhoff, Verrechnungpreise für Dienstleistungen, 14 f. 2 Vgl. Schmalenbach, ZfhF 1908/1909, 169 f.; Coenenberg/Fischer/Günther, Kostenrechnung, 709; Arbeitskreis Diercks der Schmalenbach Gesellschaft, ZfB 1964, 613. 3 Vgl. Adam, ZfB 1969, 618 f.; Jaensch, DB 1972, 1301. 4 Vgl. Kluge, Verrechnungspreise in Ertragsteuern und Controlling, 232 f.

Baumhoff/Liebchen | 375

Kap. 4 Rz. 4.10 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nehmen Konzerngesellschaften am Leistungsaustausch nur noch solange teil, wie sie sich dadurch besser stellen. Zur optimalen Ressourcenallokation sind keine vollständigen Informationen über die Auswirkungen beim jeweils anderen „Geschäftspartner“ (bzw. der verbleibenden Wertschöpfungskette) mehr erforderlich, sondern dies ergibt sich durch die jeweilige Optimierung in den einzelnen Teilbereichen. Durch die sachgerechte Festlegung von Verrechnungspreisen können damit Entscheidungen im Unternehmensverbund sowohl horizontal als auch vertikal koordiniert und auf die Unternehmensoberziele abgestimmt werden. Diese dezentrale Lenkung über Verrechnungspreise wird von Schmalenbach als „pretiale Betriebslenkung“ bezeichnet.1 Sie dient dazu, die Entscheidungen der einzelnen Bereiche auf das Oberziel der Unternehmenswertmaximierung der Gesamteinheit – etwa eines Konzerns – auszurichten. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verrechnungspreisfestsetzung nicht dazu führt, dass die Zielerreichung einzelner Einheiten derartig zu Lasten der Zielerreichung anderer Einheiten begünstigt wird, und es dadurch in der Summe zu Einbußen bei der Steigerung des Unternehmenswerts kommt.2

4.10 Erfolgsermittlungsfunktion. Im Rahmen der steuerlichen Verrechnungspreisthematik steht insbesondere die Erfolgsermittlungsfunktion im Vordergrund, da rechtlich selbständigen Verbundunternehmen ein angemessener Teil des Gewinns der gesamten Gruppe zugeordnet werden muss.

Auch wenn die Erfolgsermittlungsfunktion zunächst nur auf die Zuordnung eines einwertigen Ergebnisses i.S. eines Teilbereichsgewinns zielt, knüpfen grundsätzlich weitere Funktionen an die Erfolgsermittlungsfunktion von Verrechnungspreisen an. Diese sind:3 – die getrennte Erfolgsermittlung für die autonomen Teilbereiche eines Unternehmens (Erfolgsermittlungsfunktion), – Planungs- und Entscheidungsunterstützung im Rahmen der vertikalen Integration des Konzerns (Informationsbasis für Make-or-buy-Entscheidungen zur Optimierung des Einkaufsprogramms, Informationsbasis zur Optimierung des Absatzprogramms, Ermittlung von Preisoberund Preisuntergrenzen für den Einkauf und den Vertrieb), – Planungs- und Entscheidungsunterstützung hinsichtlich der Ressourcenverteilung, – Motivations- und Anreizfunktion und – Schaffung höherer Transparenz (Vereinfachung von Abrechnungen; Wirtschaftlichkeitskontrolle und Leistungsbeurteilung). Die Ergebnisse der Erfolgsermittlungsfunktion sind damit sowohl für Entscheidungsträger übergeordneter Konzerneinheiten von Belang – was insbesondere die Planungs- und Entscheidungsunterstützung betrifft – als auch für die Entscheidungsträger der jeweiligen Einheit selbst, deren Motivation u.a. von der Sichtbarkeit der Teilbereichserfolge abhängt. Dies ist häufig auch vergütungsmäßig für Führungskräfte der Unternehmen relevant, z.B. wenn Managervergütungssysteme den Einbezug von bereichsbezogenen Erfolgsgrößen vorsehen und Tantiemen, Bonuszahlungen o.ä. an den jeweiligen Teilbereichserfolg anknüpfen.4 Hinsichtlich der vorstehend genannten betriebswirtschaftlich relevanten Funktion einer bereichsbezogenen Erfolgsermittlung besteht gegenüber der rein steuerlich relevanten Erfolgszuordnung keine Einschränkung auf rechtlich selbständige Unternehmensteile. Vielmehr kommt eine bereichsbezogene Erfolgsermittlung aus Gründen der betriebswirtschaftlichen Planungs- und Ent1 Vgl. Schmalenbach, Die optimale Geltungszahl, 1690. 2 Vgl. Hirshleifer, JoB 1056, 172; Schneider, ZfbF 1966, 268 f.; Albach, ZfB 1966, 792; Drumm, ZfbF 1972, 255. 3 Vgl. Kluge, Verrechnungspreise in Ertragsteuern und Controlling, 235; Kreuter, Verrechnungspreise, 26. 4 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 20 m.w.N.

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A. Grundlegung | Rz. 4.13 Kap. 4

scheidungsunterstützung, Anreizbildung usw. für alle Unternehmenseinheiten in Betracht, die einheitliche Entscheidungsobjekte darstellen oder dem Kompetenzbereich eines Entscheidungsträgers entsprechen.

III. Internationale Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen internationalen Gewinnverlagerungen und internationaler Doppelbesteuerung Trennungsprinzip. Die Forderung nationaler Steuergesetzgeber, den zwischengesellschaftlichen Leistungsaustausch angemessen zu verrechnen, beruht auf der Tatsache, dass nicht der Konzern als Ganzes, sondern die in verschiedenen Staaten domizilierenden Einzelgesellschaften als selbständige Steuersubjekte die Anknüpfungspunkte der Besteuerung darstellen (Rz. 4.1 f.). Damit ergibt sich im Spannungsfeld konkurrierender Steueransprüche und der sich überschneidenden Steuerzugriffe der einzelnen Fisci für die international verbundenen Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Steuerrisiko.1

4.11

Steuertaktische Gestaltungsspielräume. Ein Grund für dieses Steuerrisiko besteht darin, dass die Festlegung von Konzernverrechnungspreisen mannigfaltigen Einflussgrößen unterliegt, die vielfach statt der Fixierung exakter Preise nur die Bestimmung gewisser Preisbandbreiten2 zulassen oder Ermessensentscheidungen notwendig machen. Die hierdurch zwangsläufig entstehenden steuertaktischen Gestaltungsspielräume können aufgrund fehlender Interessengegensätze der einzelnen Konzerngesellschaften die Konzernleitungen dazu veranlassen, durch die Manipulation von Verrechnungspreisen ein etwaiges internationales Steuergefälle zum Zwecke der Ergebnisverlagerung zu nutzen.3

4.12

Fiskalische Interessen. Einer Realisierung steuerlich motivierter Ergebnisverlagerungen stehen die fiskalischen Interessen der Ansässigkeitsstaaten der Einzelgesellschaften gegenüber, die einerseits zueinander in einem massiven Interessengegensatz um die Ausschöpfung der Steuerressourcen stehen. Andererseits müssen sie zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte bestrebt sein, dass jeder Teil des „Gewinnkuchens“ international tätiger Unternehmen nur von einem Fiskus besteuert wird, um so der Gefahr internationaler wirtschaftlicher Doppelbesteuerung zu begegnen.

4.13

Für die nationalen Finanzverwaltungen der Domizilstaaten der einzelnen Konzernunternehmen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, zur Sicherung des jeweiligen staatlichen Steueranspruchs die Verrechnungspreise für den Leistungsaustausch zwischen den einzelnen, in verschiedenen Ländern ansässigen Konzernunternehmen auf ihre steuerliche Angemessenheit hin zu überprüfen. Liegt nach Ansicht der prüfenden Steuerbehörden ein unangemessenes Leistungsentgelt und damit eine steuerlich inakzeptable Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vor, so erfolgt i.d.R. eine Gewinnkorrektur, um damit einer Gewinnverlagerung entgegenzutreten. Hinzu kommt, dass aus fiskalischer Sicht viele Staaten Verrechnungspreiskorrekturen bei international verbundenen Unternehmen als eine effiziente und willkommene Quelle zusätzlicher Steuereinnahmen identifiziert haben, die zunehmend genutzt wird. Zu den korrekturbedingten Steuermehreinnahmen kommen in vielen Fällen noch zusätzliche Zinsen und Strafzuschläge hinzu, so dass sich international verbundene Unternehmen zunehmend wirtschaftlichen Doppelbesteuerungen ausgesetzt sehen, die – wenn überhaupt – nur über aufwändige DBA-/EU-Schieds- oder Verständigungsverfahren (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 13.119 ff.) zu beseitigen sind.

1 Vgl. hierzu auch Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey, 5 ff. u. 11. 2 So expressis verbis Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017; BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 u. nunmehr § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG. Siehe hierzu ausführlich Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff. 3 Zur Ergebnisverlagerung im Hinblick auf die Senkung der Konzernsteuerquote vgl. Herzig/Dempfle, DB 2002, 6 f.; Baumhoff, IStR 2003, 4 f.; Dempfle, Charakterisierung, Analyse und Beeinflussung der Konzernsteuerquote, 290 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.14 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs I. Vorbemerkung 4.14 Verrechnungspreisberichte der OECD. Zur Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungs-

preisen haben mittlerweile viele Staaten Einkünftekorrekturnormen aufgestellt, die auf dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“, d.h. dem Grundsatz des Fremdvergleichs, beruhen. Dieser Grundsatz hat sich als Generalklausel zur Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen im Internationalen Steuerrecht etabliert.1

Trotz der breiten internationalen Anerkennung des „dealing at arm’s length“-Prinzips, das die Preisfestsetzung unabhängiger Dritter zum Maßstab der Verrechnungspreisfestsetzung zwischen verbundenen Unternehmen macht, bestehen häufig sowohl über dessen Inhalt als auch über dessen Anwendung im Einzelfall Meinungsverschiedenheiten zwischen den involvierten Staaten. Die OECD hatte sich deshalb zunächst mit ihren Verrechnungspreisberichten aus den Jahren 1974 und 1984 das Ziel gesetzt, über die inhaltliche Konkretisierung des Grundsatzes des Fremdvergleichs internationalen Konsens zu erzielen. Ferner wurde der Grundsatz des Fremdvergleichs – ausgehend von den USA – in den 80er Jahren heftig kritisiert und zunehmend infrage gestellt.2 So hatte die US-amerikanische Finanzverwaltung mit Entwürfen über neue nationale Verrechnungspreis-Richtlinien zu Sec. 482 IRC Anfang 1992 heftige internationale Reaktionen hervorgerufen,3 die sich insbesondere an der Frage der Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden und globaler Gewinnaufteilungsmethoden entzündeten. Der im OECD-Bericht 1979 gefundene Konsens drohte sich insoweit aufzulösen und der Grundsatz des Fremdvergleichs wurde je nach Fiskalinteresse sehr unterschiedlich interpretiert.

4.15 OECD-Leitlinien. Vor diesem Hintergrund sah sich die OECD aufgerufen, sowohl den nationalen Steuerverwaltungen als auch den multinationalen Unternehmen wieder eine international konsensfähige Richtlinie mit dem Ziel an die Hand zu geben, Zweifelsfragen und Risiken, die durch die rasche Entwicklung des Welthandels und den damit einhergehenden zunehmenden konzerninternen Leistungsaustausch entstanden sind, effizient begegnen zu können. Darüber hinaus war die OECD gezwungen, auf die von den USA favorisierten Gewinnmethoden, die eine Verrechnungspreisbestimmung nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ obsolet machen würden, in einer weiteren Stellungnahme zu reagieren.

Mitte 1995 konnte der Steuerausschuss der OECD – nach umfangreichen Vorarbeiten und intensiven Diskussionen mit nationalen Finanzverwaltungen und Unternehmensverbänden – Teil I seiner „Verrechnungspreis-Richtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen“4 (OECD-Leitlinien 1995/96) vorlegen und insofern den Verrechnungspreisbericht der OECD aus 1979 ersetzen.5 Teil II der Richtlinien, der sich mit immateriellen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen beschäftigt, wurde im März 1996 endgültig verabschiedet, die Richtlinien zu den Kostenumlagen kamen im Juni 1997 hinzu. Im Jahr 2010 erfolgte eine umfangreiche Überarbeitung der Kap. I bis III. Zudem wurden in einem neuen Kap. Regelungen zu sog. „Business Restructurings“ aufgenommen.6 Im Ergebnis umfassen die OECD-Leitlinien seitdem neun Kapitel, die sich neben der Methodik der Verrechnungspreisermittlung mit der Vermeidung und Bewältigung von Verrechnungspreisstreitigkeiten sowie den 1 2 3 4

Vgl. insbesondere Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Vgl. Runge, IStR 1995, 505. Vgl. Eimermann, IStR 1993, 57 ff.; Eimermann, IStR 1994, 537 ff.; Menck, IStR 1995, 26. Organization for Economic Co-operation and Development (OECD), Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, Cosebeau, Paris 1995. 5 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 u. 511; Becker, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 1067; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517. 6 Vgl. hierzu Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.17 Kap. 4

Dokumentations- und Nachweispflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung auseinandersetzen. Im Rahmen des sog. BEPS-Aktionsplans der OECD/G20 wurden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen international tätiger Konzerne untersucht. Nach den Abschlussberichten zu den Maßnahmen 8–10 und 13 vom 5.10.2016 ergaben sich umfangreiche Änderungen insbesondere des Kap. VI1, eine vollständige Überarbeitung des Kap. V zu Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting2 sowie Änderungen der Kap. I, VII und VIII insbesondere im Hinblick auf das Risikokontrollkonzept (hierzu Rz. 4.134 ff.). Diese wurden am 10.7.2017 als aktualisierte OECD-Leitlinien 2017 veröffentlicht.3 Die aktualisierte Fassung enthält ferner Folgeänderungen im Kap. IX.4 Demgegenüber ist die Überarbeitung der Grundsätze zur Anwendung der Profit-Split-Methode (PSM) aktuell noch nicht abgechlossen (Rz. 4.296). Fremdvergleichsgrundsatz und OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien legen sich ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz als grundlegende Maxime der Verrechnungspreisermittlung fest. Als normative Grundlage wird dabei auf Art. 9 Abs. 1 OECD-MA verwiesen5. Infolgedessen gilt der Grundsatz des Fremdvergleichs als tragender Maßstab für die internationale Verrechnungspreisermittlung und sollte nach Übereinkunft der OECD-Mitgliedstaaten für steuerliche Zwecke sowohl von den multinationalen Unternehmen als auch von den Steuerverwaltungen einheitlich angewandt werden.6

4.16

Vom OECD-Steuerausschuss wird das Prinzip des „dealing at arm’s length“ aufgrund seines theoretischen Ansatzes für richtig erachtet, da es beim konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausch der Funktionsweise des freien Marktes am nächsten komme. Darüber hinaus entspreche es den besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Umständen, in denen sich ein verbundenes Unternehmen befindet. Ferner stelle es auf die gewöhnliche Wirkungsweise des Marktes ab. Eine Abkehr von diesem Grundsatz würde zur Aufgabe bewährter theoretischer Grundlagen führen, damit den internationalen Konsens gefährden und gleichzeitig das Risiko der Doppelbesteuerung wesentlich erhöhen.7 Verbundzugehörigkeit und Fiktion eines natürlichen Interessengegensatzes. Ausgangspunkt der internationalen Einkünfteabgrenzung ist der Umstand, dass für jede einzelne (nationale) Konzerngesellschaft als rechtlich selbständiges Steuersubjekt die Einkünfte gesondert zu ermitteln sind; ungeachtet der Tatsache, dass die rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften Bestandteile der wirtschaftlichen Einheit „internationaler Konzern“ sind. Steuersubjekt ist nicht der Konzern als solcher, sondern das einzelne nationale Unternehmen als Konzernmitglied. Für Zwecke der Ein1 Vgl. zu den Änderungen des Kap. VI (Intangibles) die Abschlussberichte zu den Maßnahmen 8–10 des BEPS-Aktionsplans (OECD, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8– 10 – 2015 Final Reports) v. 5.10.2015 basierend auf dem überarbeiteten Diskussionsentwurf v. 30.7. 2013. Vgl. hierzu Ditz, FR 2015, 115; Ditz/Pinkernell/Quilitzsch, ISR 2014, 45; Greinert/Metzner, Ubg 2014, 307; Roeder/Fellner, ISR 2014, 428 ff.; Loukota, SWI 2014, 546 ff. 2 Vgl. zur Verrechnungspreisdokumentation und zum CbCR Tomson in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. V; Pinkernell, FR 2014, 970; Ditz/Qulitzsch, DStR 2014, 128; Benz/Böhmer, IStR 2015, 381; Rasch/Mank/Tomson, IStR 2015, 424; Bärsch/Engelen/Färber, DB 2016, 972. Insgesamt zum BEPS-Projekt siehe Oestreicher (Hrsg.), BEPS – Base Erosion and Profit Shifting, 2015; BDI/EY/VDA, OECD/G20-Projekt BEPS, Bonn 2015. 3 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2017, OECD Publishing, Paris. 4 Vgl. OECD, BEPS, Document for Public Review, Conforming Amendments to Chapter IX of the Tranfer Pricing Guidelines v. 4.7.2016. 5 Vgl. Tz. 1.6 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 1.1 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Tz. 1.14 u. 1.15 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 379

4.17

Kap. 4 Rz. 4.18 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen kommens- und Gewinnermittlung der einzelnen Konzernmitglieder ist die Verbundzugehörigkeit somit zu ignorieren und die Preisfestsetzung ausschließlich aus der Sicht der nationalen Steuerrechtssubjekte zu beurteilen. Eine Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs impliziert eine Bewertung des Leistungsaustausches, die sich an den Regeln des freien marktwirtschaftlichen Tausches orientiert. Insoweit wird für die Ermittlung konzerninterner Verrechnungspreise ein natürlicher Interessengegensatz, wie er zwischen autonomen Marktpartnern regelmäßig vorliegt, fingiert. Dieser soll im Ergebnis zu einer Äquivalenz zwischen Leistung der einen und Gegenleistung der anderen verbundenen Unternehmen führen.1 Eine angemessene Bewertung des verbundwirtschaftlichen Leistungsaustausches hat somit zur Konsequenz, dass ein verbundenes Unternehmen wirtschaftlich nicht besser oder schlechter gestellt sein darf als ein vergleichbares unabhängiges Unternehmen. Dagegen liegt ein Leistungsungleichgewicht vor, wenn der Wert der Leistung nicht mit dem Wert der Gegenleistung korrespondiert.

II. Kodifizierung des Fremdvergleichs im deutschen Internationalen Steuerrecht 1. Überblick der Rechtsgrundlagen

4.18 Zielsetzung. Die Zielsetzung des Fremdvergleichs besteht darin festzustellen, ob die Bewertung

von Lieferungen und Leistungen zwischen rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften dem Angemessenheitspostulat genügt, d.h., ob die Preise so festgelegt worden sind, wie dies fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen tun oder tun würden. Werden mithilfe des Fremdvergleichs Leistungsungleichgewichte z.B. in Form von Preisvor- oder Preisnachteilen festgestellt, deren Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen (Konzerngesellschaften) zu suchen ist, so ergeben sich daraus besondere steuerliche Konsequenzen, die entscheidend davon abhängen, – in welche Richtung innerhalb des Konzernverbundes und in welches Steuerhoheitsgebiet sich der Leistungsfluss bewegt, – um welche Art von ausgetauschter Leistung es sich im Einzelfall handelt und – ob durch das Leistungsungleichgewicht im Inland eine Einkunftsminderung oder Einkunftserhöhung bewirkt worden ist.

4.19 Einkünftekorrekturvorschriften. Der Fremdvergleich als Mittel zur Abgrenzung der Einkünfte international verbundener Unternehmen findet im deutschen Internationalen Steuerrecht2 seinen Niederschlag in den Regelungen über – die vGA, – die verdeckte Einlage, – die Vorschrift des § 1 AStG sowie – die abkommensrechtlichen (bilateralen) Gewinnkorrekturvorschriften, die inhaltlich im Wesentlichen Art. 9 OECD-MA entsprechen. Vorstehende Rechtsgrundlagen verweisen bei einer steuerlichen Prüfung von Verrechnungspreisen auf den Maßstab des Fremdvergleichs und dienen dem Ziel, eine nicht sachgerechte Preisfestsetzung zu korrigieren und eine etwaige gesellschaftsrechtliche Einflussnahme auf die betrieblichen Beziehungen zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter nach den Regelungen des geltenden Rechts zu eliminieren. Allerdings liegt diesen Einkünftekorrekturvorschriften kein einheitlicher Fremdvergleichsgrundsatz zugrunde. 1 Im Einzelnen vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 275, 328 und 336. 2 Zur Definitionsabgrenzung vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 1.1 ff.

380 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.21 Kap. 4

Gesetzliche Kodifizierung in § 1 AStG. Die einzige der vorstehend genannten Rechtsgrundlagen (Einkünftekorrekturnormen), die den Grundsatz des Fremdvergleichs explizit erwähnt und konkretisiert, ist § 1 AStG. Bis einschließlich 2007 war dieser Grundsatz als zentraler Maßstab in den „Grundsätzen für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen“ (VWG 1983) verankert,1 denn die deutsche Finanzverwaltung hatte bereits im Jahre 1983 den (erfolgreichen) Versuch unternommen, die oben genannten Einkünftekorrekturvorschriften einerseits und den Grundsatz des Fremdvergleichs als Referenzmaßstab der Verrechnungspreisermittlung andererseits aus Sicht des deutschen Fiskus zu konkretisieren. Damit hat die deutsche Finanzverwaltung seinerzeit der Empfehlung der OECD entsprochen, die deutsche Rechtsanwendung an die Vorgaben des OECD-Berichts 1979 heranzuführen.

4.20

Gesetzliche Begriffsdefinition und Konkretisierungen. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20082 hat der Fremdvergleichsgrundsatz mit Wirkung zum 1.1.2008 in § 1 Abs. 1 AStG begrifflich explizit Eingang in den Gesetzestext gefunden. Danach sind im Geschäftsverkehr zwischen international verbundenen Unternehmen solche Verrechnungspreise zugrunde zu legen, wie „sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz)“.3 Gegenüber der bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG wurde ferner die Anforderung der „Ähnlichkeit“ durch diejenige der „Vergleichbarkeit“ ersetzt, was allerdings lediglich deklaratorischen Charakter hatte.

4.21

Genügen die vereinbarten Verrechnungspreise nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz, sind die Einkünfte der inländischen Konzerneinheit „so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“.4 Für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes geht der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG davon aus, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen“ (sog. Transparenzklausel, Rz. 4.187 ff.) und dass diese „nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“ (Rz. 4.164 ff.). Der Anwendungsbereich des § 1 AStG wurde durch das JStG 20135 mit einer fiktiven Erweiterung des Begriffs „Steuerpflichtiger“ auch auf Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften auf das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter und damit auf Verrechnungspreissachverhalte bei internationalen Personengesellschaften ausgeweitet,6 wobei der Gesetzgeber lediglich von einer Klarstellung ausgegangen ist.7 Ferner wurden durch § 1 Abs. 4 und 5 AStG i.d.F. des JStG 2013 die als „Authorised OECD Approach“ bezeichneten umfangreichen Änderungen des Wortlauts und des Musterkommentars zu Art. 7 OECD-MA durch die am 22.7.2010 vom Rat der OECD verabschiedete Revision des Musterabkommens der OECD in § 1 AStG mit der Folge verankert, dass der Anwendungsbereich des § 1 AStG auf Betriebsstättensachverhalte ausgeweitet wurde. Hierzu wurde in der Definition des Begriffs der Geschäftsbeziehungen der Begriff „schuldrechtlichen Beziehungen“ durch den Begriff der „Geschäftsvorfälle“, gesetzlich definiert als „einzelne oder zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge“, ersetzt und gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte als „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“ als Geschäftsbeziehung gesetzlich definiert. Schließlich regeln § 1 Abs. 5 AStG, die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 1

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1. 2 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912; hierzu z.B. Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008. 3 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 4 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. 5 Jahressteuergesetz 2013 v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 6 § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG i.d.F. des JStG 2013; hierzu: Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 120 f. 7 Vgl. Regierungsentwurf zum JStG 2013 v. 23.5.2012, Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 1.

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Kap. 4 Rz. 4.22 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Abs. 6 AStG erlassene BsGaV v. 17.10.20141 sowie die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) vom 22.12.20162 Einzelheiten der Betriebsstättengewinnaufteilung. Erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers war und ist es, „die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge in Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln“.3 Offenkundig entspricht es der Regelungstechnik des Gesetzgebers, den Charakter des § 1 AStG als „Allzweckwaffe“ weiter zu stärken. In Deutschland geht die Entwicklung dahin, dass der abkommensrechtliche Rahmen zulässiger Einkünftekorrekturen vollständig ausgeschöpft werden soll, und zwar über § 1 AStG. Dies belegt die mit dem sog. BEPS-UmsG4 beabsichtigte Einführung einer Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 5 AStG-E, nach der sich der Inhalt des Fremdvergleichsgrundsatzes der DBA i.S. eines DBA-Anwendungsgesetzes nach den Grundsätzen des § 1 AStG und der nach § 1 Abs. 6 AStG erlassenen Rechtsverordnungen bestimmen soll. Auch wenn diese Regelung gesetzlich nicht umgesetzt wurde, war sie doch maßgeblich von der Absicht getragen, die aus Sicht des Gesetzgebers international anerkannten Besteuerungsrechte wahrzunehmen.5 Die Finanzverwaltung scheint jedenfalls davon auszugehen, mittels einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG könne und müsse im Nachhinein – insbesondere im Hinblick auf fremdunübliche sonstige Bedingungen – ein Ergebnis hergestellt werden, das bei fremdüblichen Bedingungen eingetreten wäre (vgl. Rz. 4.78).6

4.22 Maßgeblichkeit des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts. Gegenstand einer Angemessenheits-

beurteilung mithilfe des Fremdvergleichs ist allerdings nicht die konkrete Geschäftsbeziehung zwischen Transaktionspartnern eines internationalen Unternehmensverbunds selbst. Das hat zur Folge, dass eine vom Unternehmen eingegangene Geschäftsbeziehung nicht durch eine (z.B. von der steuerlichen Betriebsprüfung entwickelte) fiktive Geschäftsbeziehung ersetzt oder umgedeutet werden kann. Zu beurteilen sind vielmehr allein die Preise und sonstigen Konditionen innerhalb der vom Unternehmen tatsächlich eingegangenen Geschäftsbeziehung. Einzige Ausnahme hierzu sind Missbrauchsfälle, also Konstellationen, die wirtschaftlich keinen Sinn ergeben und allein der Umgehung der Steuergesetze (Minderung der Steuerpflicht) dienen (Rz. 4.128 ff.). Dies ergibt sich im Übrigen auch zwingend aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, wo zutreffend auf eine verrechnungspreisbedingte Einkünfteminderung „aus einer Geschäftsbeziehung“ zum Ausland Bezug genommen wird. Dies entspricht international anerkannten Grundätzen. Auch wenn bezogen auf die Änderungen der OECD-Leitlinien im Rahmen des BEPS-Projekts eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Empfehlungen zur Nicht-Anerkennung von Geschäftsvorfällen festzustellen ist,7 halten die 1 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 17.10.2014, BGBl. I 2014, 1603. 2 Vgl. Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa) v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/1000103 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182. 3 Regierungsentwurf zum JStG 2013 v. 23.5.2012, Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 1. 4 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen, BT-Drs. 18/9536 v. 5.9.2016. 5 Vgl. Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 57. Siehe ferner BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455; hierzu Greil/Wargowske, ISR 2016, 158. 6 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. Siehe ferner Greil/Wargowske, ISR 2016, 158; die bezogen auf den Fremdvergleich dem Grunde nach und dem Fremdvergleich der Höhe nach von einer künstlichen „Aufspaltung üblicherweise einheitlicher Lebensvorgänge“ sprechen. 7 Vgl. Rasch, ISR 2015, 313; Greinert/Metzner, Ubg 2015, 67; Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Rz. 130.

382 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.24 Kap. 4

OECD-Leitlinien an dem Grundsatz fest, dass der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt steuerlich anzuerkennen ist.1 Allerdings wird nicht an die formale vertragliche Gestaltung angeknüpft, wenn diese nicht mit dem Verhalten der Parteien und den wesentlichen wirtschaftlichen Eigenschaften übereinstimmt und damit nicht die wirtschaftliche Realität widerspiegelt.2 Insofern ist der wirtschaftliche Gehalt der tatsächlich verwirklichten Geschäftsbeziehung und nicht deren äußere Form maßgeblich.3 In dieser Hinsicht sollen nach Auffassung der OECD die wirtschaftlich relevanten Eigenschaften einer Geschäftsbeziehung unter Berücksichtigung der Risikoallokation nach den neu eingeführten Grundsätzen zur Risikoanalyse und -allokation bestimmt und der Verrechnungspreisbestimmung zu Grunde gelegt werden (Rz. 4.135 ff.).4 Die OECD-Leitlinien sprechen in diesen Zusammenhang von der „tatsächlichen Substanz der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen den Parteien“5. Umqualifizierungen der tatsächlich getätigten Geschäfte „durch andere Geschäfte“ sind danach grundsätzlich unzulässig.6 Sie sind auf „außergewöhnliche Umstände“ beschränkt (Rz. 4.128 ff.).7 Beschränkung auf Angemessenheitsbeurteilung der (Preis-) Vereinbarungen. Dies ergibt sich bereits aus den verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung sowie den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, die dem Steuerpflichtigen einen weiten Gestaltungsund Dispositionsrahmen bei der Ausgestaltung und Organisation seines unternehmerischen Engagements gewähren.8 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Finanzverwaltung die tatsächlichen Gegebenheiten respektieren muss, d.h., dass sie z.B. weder die Verrechnungspreise festlegen noch die konzerninterne Funktions- und Risikoverteilung ignorieren kann (Rz. 4.127 ff. und 4.136 ff.). Statthaft ist demgegenüber, die Angemessenheit der Verrechnungspreise anhand des Fremdvergleichsmaßstabs zu prüfen und dabei z.B. auf hypothetische Geschäftsvorfälle als Vergleichstransaktionen zur Prüfung der vereinbarten Bedingungen im tatsächlich verwirklichten Geschäft zurückzugreifen (Rz. 4.164 ff.), sofern die Voraussetzungen zur Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs (Rz. 4.158 ff.) nicht vorliegen. Dazu gehört auch die Feststellung der OECD-Leitlinien in Tz. 1.11, wonach allein die Tatsache, dass eine bestimmte Transaktion nicht zwischen fremden Dritten vorkommt, nicht bedeutet, dass sie nicht fremdvergleichskonform ist.9 Vielmehr handelt es sich um konzernspezifische Verhaltensweisen, die die Ableitung von Fremdvergleichsgesichtspunkten zugänglichen Referenztransaktionen vor besondere Herausforderungen stellen.10

4.23

Konzernzugehörigkeit nicht angreifbar. Der Grundsatz der Anerkennung der tatsächlich verwirklichten Geschäfte ist insofern von großer Bedeutung, als damit gleichzeitig die Konzernzugehörigkeit des verbundenen Unternehmens anerkannt wird. Dabei sollen nicht die auf die Konzernzugehörigkeit zurückzuführenden Einflüsse der Gewinnentstehung eliminiert werden, sondern nur solche Eingriffe, die den Gewinnausweis verfälschen. Gewinnminderungen, die allein auf den Umstand der Konzernzugehörigkeit zurückzuführen sind, erlauben somit keine Ergebniskorrektur.

4.24

1 Vgl. Tz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Tz. 9.36 und 9.38 unter Verweis auf Tz. 1.122 ff. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Rz. 146. 4 Vgl. Tz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 5 Tz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 ff.; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 104 ff.; Eigelshoven/ Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Rz. 160 ff. 7 Tz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Rz. 146. 8 Ebenso Jenzen, NWB Fach 2, 9420. 9 Vgl. Tz. 1.11, 1.122 und 9.35 OECD-Leitlinien 2017. So zutreffend auch die VWG-Funktionsverlagerung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 147. 10 Vgl. hierzu Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. I Rz. 31 f.

Baumhoff/Liebchen | 383

Kap. 4 Rz. 4.25 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Eine Ergebniskorrektur lässt sich nicht allein damit begründen, dass das verbundene Unternehmen als fiktiv unabhängiges Unternehmen eine profitablere Tätigkeit bzw. ein gewinnträchtigeres Geschäft hätte durchführen können, aber aufgrund der Konzernzugehörigkeit tatsächlich nicht durchgeführt hat.1

4.25 Konsequenzen. Die vorstehende Feststellung hat weitreichende Konsequenzen. So ist z.B. steuerlich

anzuerkennen, wenn eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft im Rahmen des Unternehmensgegenstandes nur einen engen Aufgabenkreis zuweist.2 Ebenso hat das Steuerrecht keine Handhabe, die Ausstattung der Tochtergesellschaft mit personellen, sachlichen oder finanziellen Mitteln zu korrigieren.3 Der Fremdvergleich muss auf der Basis der tatsächlich zur Verfügung stehenden Gesamtausstattung vorgenommen werden. Es muss z.B. geprüft werden, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (Rz. 4.164 ff.) einen der Gesellschaft erteilten Auftrag mithilfe der zur Verfügung stehenden Gesamtausstattung selbst durchgeführt oder ob er einen Subunternehmer mit der Durchführung beauftragt hätte. Steuerrechtlich muss akzeptiert werden, dass der Steuerpflichtige einen bestimmten Geschäftspartner ausgewählt hat. Andererseits besteht keine Rechtsgrundlage dafür, der Tochtergesellschaft mithilfe eines Fremdvergleichs Geschäftschancen aufzudrängen, die sie aus vernünftigen übergeordneten Erwägungen in keinem Fall wahrnehmen wollte,4 oder – umgekehrt – ihr Geschäftschancen zu entziehen, die sie ursprünglich besaß.5 2. Verdeckte Gewinnausschüttung a) Tatbestandsvoraussetzungen

4.26 Steuerliche Bedeutung. Dem Rechtsinstitut der vGA kommt im Rahmen der internationalen Ein-

kunftsabgrenzung eine gegenüber den anderen Korrekturvorschriften dominante Bedeutung zu. So basieren nach Einschätzung Wassermeyers etwa 85 % aller Verrechnungspreiskorrekturen auf der Rechtsgrundlage der vGA, während sie in nur 10 % der Fälle auf eine verdeckte Einlage und in nur 5 % der Fälle auf § 1 AStG zurückgehen.6

4.27 Definition einer vGA. Obgleich sowohl § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG als auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2

EStG den Begriff der „vGA“ verwenden, wird er in beiden Vorschriften nicht definiert. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG beschränkt sich auf deren Rechtsfolge. Hiernach mindern vGA das Einkommen der Körperschaft nicht.7 § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erschöpft sich darin, dass die vGA zu den sonstigen Bezügen gehören. Nach ständiger Rspr. des BFH ist eine vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht.8 Die Unterschiedsbetragsminderung muss ferner die Eignung haben, 1 2 3 4 5

Vgl. Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 140. Vgl. BFH v. 18.12.1996 – I R 26/95, BFHE 182, 90. Vgl. BFH v. 12.10.1995 – I R 127/94, BFHE 179, 258; v. 13.11.1996 – I R 149/94, BFHE 181, 494. Vgl. BFH v. 12.6.1997 – I R 14/96, BFHE 183, 459. Zur Geschäftschancenlehre des BFH vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 580 ff. 6 Vgl. Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.77 sowie ferner Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer, GmbHR 1998, 162. 7 Gleiches gilt für § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, der sich darin erschöpft, dass vGA zu den sonstigen Bezügen gehören. 8 Diese Definition der vGA wurde erstmals durch BFH v. 1.2.1989 – I R 73/85, BStBl. II 1989, 522 verwendet und entspricht nunmehr der ständigen Rspr., vgl. für viele BFH v. 2.2.1994 – I R 78/92, BStBl. II 1994, 479; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; v. 19.1.2000 – I R 24/99, BStBl. II 2000, 545. Zur Entwicklung der Definition der vGA im Einzelnen siehe Wassermeyer, GmbHR 1989, 300; Döllerer, Gewinnausschüttungen, 30; Wassermeyer, DB 1994, 1105; Wassermeyer, GmbHR 1998, 158.

384 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.29 Kap. 4

beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (sog. Vorteilsgeneigtheit).1 Eine vGA kommt mithin in Betracht, wenn die Vorteilsgewährung von einer Tochter- an ihre Muttergesellschaft bzw. – allgemein – von einer nachgeordneten Kapitalgesellschaft an einen unmittelbar oder mittelbar übergeordneten Gesellschafter erfolgt (siehe aber auch Rz. 4.56 ff.). Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen: Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung. Eine vGA erfordert zunächst, dass auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder eine verhinderte Vermögensmehrung vorliegt, die sich auf den bilanziellen Unterschiedsbetrag i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ausgewirkt hat. Angesichts der in ihrer Wirkung auf den Unterschiedsbetrag erforderlichen Vermögensveränderungen bestehen begrifflich keine Unterschiede zur Unterschiedsbetragsminderung2 bzw. verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung. Jeweils kommt es auf Vermögensveränderungen auf Ebene der Kapitalgesellschaft an, die sich ausschließlich nach dem auf der ersten Gewinnermittlungsstufe der durch § 4 Abs. 1 EStG geregelten zweistufigen Gewinnermittlung maßgeblichen Steuerbilanzrecht bestimmen. Maßgeblich ist mithin das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft gemäß Steuerbilanz. Eine Unterschiedsbetragsminderung ist hiernach gegeben, wenn sich ein Aktivposten vermindert oder ein Passivposten begründet wird oder sich erhöht. Eine verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung liegt dagegen vor, wenn sich – trotz eines bilanziell beachtlichen Ereignisses – ein Aktivposten nicht erhöht oder ein Passivposten nicht vermindert. Eine vGA knüpft an beide Tatbestandsmerkmale alternativ und gleichwertig an, um auf Ebene der Kapitalgesellschaft einen Vermögensnachteil zu bestimmen. Der Unterschied zwischen beiden Anknüpfungsmerkmalen besteht letztlich darin, dass die Unterschiedsbetragsminderung den „Normalfall“ einer sich auch in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft auswirkenden Vorteilsgewährung an den Gesellschafter darstellt, während die verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung gerade durch ihre Nichtauswirkung gekennzeichnet ist.3 Der verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung haftet kein Ausschüttungspotenzial an. Gosch bezeichnet sie deshalb zutreffend als „negative Größe des Gewinnverzichts“.4

4.28

Gegenstand der Unterschiedsbetragsminderung bzw. der verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung kann jeder vermögenswerte Vorteil sein. Dazu zählen neben der Übertragung von einlagefähigen materiellen Wirtschaftsgütern auch Vorteilszuwendungen durch immaterielle Anlagewerte, Nutzungsüberlassungen und Dienstleistungen, seien sie unentgeltlich oder zu billig überlassen, oder der Verzicht auf Gewinnchancen.5 Letztlich muss das steuerliche Ergebnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft durch einen Aufwand oder Minderertrag belastet worden sein. Keine Saldierung/Verrechnung unterschiedlicher Geschäftsvorfälle. Die Beurteilung einer vGA erfolgt grundsätzlich geschäftsvorfallbezogen.6 Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge. Die transaktionsbezogene Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes wird für Zwecke der in dieser Hinsicht vergleichbaren Einkünfte1 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190. 2 So ausdrücklich der BFH in seiner jüngeren Rspr., vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 27.7.2003 – I R 80/02, BStBl. II 200, 926; v. 28.1. 2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841; v. 31.3.2004 – I R 65/03, BStBl. II 2005, 664; v. 31.3.2004 – I R 70/03, BStBl. II 2004, 937; v. 11.8.2004 – I R 108/03, BFH/NV 2005, 385; v. 15.9.2004 – I R 62/03, BStBl. II 2005, 176; v. 9.11.2005 – I R 89/04, BStBl. II 2008, 523; v. 3.5.2006 – I R 124/04, BStBl. II 2011, 547; v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057; v. 18.3.2009 – I R 63/08, BFH/NV 2009, 1841; v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/NV 2010, 1131. 3 Vgl. Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C, Tz. 78 ff. 4 Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 253. 5 Zur sog. Geschäftschancenlehre vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 580 ff. 6 Zum Geschäftsvorfall- bzw. Transaktionsbezug siehe etwa BFH v. 14.3.2006 – I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515; v. 5.3.2008 – I R 12/07, BStBl. II 2015, 409; v. 23.10.2013 – I R 89/12, BFH/NV 2014, 797. Siehe ferner Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 398.

Baumhoff/Liebchen | 385

4.29

Kap. 4 Rz. 4.30 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen korrekturvorschrift des § 1 AStG daran deutlich, dass dieser tatbestandlich eine Einkünfteminderung „aus einer Geschäftsbeziehung“ erfordert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG) und dass der Verrechnungspreis für „eine Geschäftsbeziehung“ zu ermitteln ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG). Für Zwecke der Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA kommt es dementsprechend auf eine konkrete Vermögensminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung an, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (Rz. 4.31). Aufgrund der Anknüpfung einer vGA an einen bestimmten Geschäftsvorfall kann eine bestehende Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung nicht dadurch neutralisiert bzw. rückgängig gemacht werden, dass die ursprünglich vereinbarten Bedingungen nachträglich an jene angepasst werden, die fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen abgeschlossen hätten. Das entsprechende „Gegengeschäft“ ist vielmehr steuerlich gesondert zu beurteilen. Ein entsprechender Ersatzanspruch stellt nach ständiger Rspr. des BFH1 das Gegenstück zu der (verdeckten) Ausschüttung dar und ist als solcher als verdeckte Einlage zu behandeln.2 Im Hinblick auf das Vorliegen einer Unterschiedsbetragsminderung kommt es insofern nicht auf den bilanziellen Saldo an. So hat der BFH mehrfach zu Fällen einer als vGA zu behandelnden Kapitalabfindung der dem Gesellschafter-Geschäftsführer versprochenen Versorgungsanwartschaft unter gleichzeitiger Ausbuchung der (bisherigen) Pensionsrückstellung entschieden, dass beide Vorgänge – geschäftsvorfallbezogen und deshalb ohne wechselseitige „Saldierung“ – gesondert steuerlich zu beurteilen sind, wobei die bilanzielle Vermögensminderung in der Auszahlung der Pensionsabfindung besteht.3

4.30 Aspekte des Vorteilsausgleichs. Zwar vermögen wegen der geschäftsvorfallbezogenen Betrach-

tungsweise bilanzielle Reflexwirkungen aus einer – isoliert betrachtet – unangemessenen Leistungsbeziehung nicht, eine Unterschiedsbetragsminderung – ggf. teilweise – zu neutralisieren (Rz. 4.29). Eine Reduzierung und Vermeidung der Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung tritt allerdings bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Vorteilsausgleichs ein (Rz. 4.471 ff.). Ein steuerlich anzuerkennender Vorteilsausgleich reduziert eine – für die isoliert beurteilte Leistungsbeziehung – bestehende Unterschiedsbetragsminderung. Diese bleibt nur in Höhe des Saldobetrags bestehen oder entfällt vollständig. Im letzteren Fall liegen die Voraussetzungen einer vGA nicht vor.

4.31 Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Ferner muss die Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Konkretisierungsmaßstab einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist dabei der Grundsatz des Fremdvergleichs,4 der neben materiellen Gesichtspunkten im Falle eines beherrschenden Gesellschafters auch auf formale Aspekte abstellt.

Im Rahmen seiner materiellen Dimension erfährt der Fremdvergleich seine Präzisierung mittels der Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Rz. 4.164 ff.). Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist infolgedessen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.5 Aufgabe des Fremdvergleichs ist damit eine Angemessenheitsprüfung der Liefer- und Leistungsbeziehungen, um ein mögliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung feststellen zu können. Dabei ist nach gefestigter Rspr. des BFH nicht nur die Sicht des ordentlichen und ge1 Vgl. z.B. BFH v. 18.12.1996 – I R 26/95, BFHE 182, 190; v. 29.5.1996 – I R 118/93, BStBl. II 1997, 92; v. 22.10.2003 – I R 23/03, BFH/NV 2004, 667; v. 30.5.2001 – I B 176/00, BFH/NV 2001, 1456. 2 Siehe hierzu auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.1 Buchst. a. 3 Vgl. BFH v. 14.3.2006 – I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515; v. 11.9.2013 – I R 28/13, BFH/NV 2014, 795; v. 23.10.2013 – I R 89/12, BFH/NV 2014, 797. 4 Zur Ableitung des Fremdvergleichs aus dem Veranlassungsprinzip des § 4 Abs. 4 EStG vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 161 f.; Wassermeyer in FS Offerhaus, 405; Wassermeyer, DB 2001, 2466 f. 5 Vgl. H 8.5 KStH 2015 „Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis“, „Allgemeines“ m.w.N.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.32 Kap. 4

wissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft, sondern auch dessen Vertragspartners einzubeziehen. Die Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl auf Seiten des Leistenden wie auf Seiten des Leistungsempfängers (doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, Rz. 4.175 ff.) konkretisiert mit dem ihm eigenen Sorgfalts- und Handlungsmaßstab den Fremdvergleich. Während diese Konkretisierung im Rahmen der vGA auf die Rspr. des BFH zurückgeht,1 normiert § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, dass für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – im Anwendungsbereich von § 1 AStG – davon auszugehen ist, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Jedenfalls im Hinblick auf letztere Auslegung des Fremdvergleichs kann sich diese Rechtssetzung auf eine gefestigte Rspr. des BFH abstützen. Auf Inhalt und Bedeutung der Transparenzklausel wird an anderer Stelle zurückzukommen sein (Rz. 4.187 ff.). Die formale Dimension des Fremdvergleichs kommt lediglich bei einem beherrschenden Gesellschafter zum Tragen. In diesem Zusammenhang wird nach ständiger Rspr. des BFH eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis indiziert, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft bezahlt werden soll.2 Das hat zur Folge, dass selbst bei Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung eine vGA dann angenommen wird, wenn Leistungsinhalt und -umfang nicht von vornherein klar und eindeutig vereinbart worden sind. Die zusätzliche Berücksichtigung solcher formalen Anforderungen beruht darauf, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter strengere Anforderungen zu stellen sind, weil er eher „Möglichkeiten zur Gewinnmanipulation“3 im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit seiner Kapitalgesellschaft hat. Allerdings kommt dem Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung nach dem Beschluss des BVerfG vom 7.11. 19954 keine absolute, sondern lediglich indizielle Wirkung zu. Sie ist mithin ein Beweisanzeichen. Formale Mängel bewirken eine Beweismaßreduzierung zulasten des Steuerpflichtigen, indem die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis widerlegbar vermutet wird. Es ist dann an dem Steuerpflichtigen darzulegen, dass sein abweichendes Verhalten durch „good business reasons“ bedingt war. Insofern mögen auch Fremdvergleichsgesichtspunkte angeführt werden können, die auf vergleichbare und ebenso nicht hinreichend klare Vereinbarungen zwischen fremden Dritten abzielen.5 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA ist schließlich festzustellen, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern nach nunmehr ständiger Rspr. des BFH eine Sperrwirkung (Rz. 4.93 f.). Keine offene GA. Die Vermögensminderung darf nicht im Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung stehen. Im Gegensatz zur vGA erfolgt eine offene Gewinnausschüttung auf der Grundlage eines Gewinnverteilungsbeschlusses i.S. des § 174 AktG bzw. § 46 Nr. 1 GmbHG. Für diese hat sich insbesondere handelsbilanziell die Auffassung durchgesetzt, dass der Ausschüttungs- den potenziellen Betriebsausgabencharakter verdrängt. Dies ist insoweit zutreffend, 1 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; v. 28.4.2010 – I R 78/08, BStBl. II 2013, 41. 2 Vgl. BFH v. 11.2.1997 – I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005. 3 BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. 4 BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34. 5 Vgl. Bogenschütz, BB 2006, 759; Eigelshoven/Nientimp, DB 2003, 2307 (2308 f.); Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 354.

Baumhoff/Liebchen | 387

4.32

Kap. 4 Rz. 4.33 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen als offene Ausschüttungen i.d.R. erst nach dem Bilanzstichtag beschlossen werden. Am Bilanzstichtag ist noch keine Ausschüttung gegeben. „Offene Ausschüttungen“ sind deshalb keine Betriebsausgaben. Charakteristisch für eine vGA ist demgegenüber, dass sie „verdeckt“ vorgenommen wird, d.h., sie erfolgt der Form nach nicht als Gewinnausschüttung, sondern wird in ein Leistungsaustauschverhältnis gekleidet und dementsprechend buchhalterisch erfasst (Betriebsausgabe bzw. [verminderter] Ertrag). Dieses Tatbestandsmerkmal hat in der Praxis vergleichbar geringe Bedeutung.1

4.33 Vorteilsgeneigtheit einer vGA. Schließlich muss die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung2 die Eignung aufweisen, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (sog. Vorteilsgeneigtheit).3 Dieses Tatbestandsmerkmal der vGA hatte der BFH erstmals mit seinem Urteil vom 7.8.2002 zu Prämien für eine Rückdeckungsversicherung, die eine GmbH abgeschlossen hatte, um eine – als vGA behandelte – Pensionszusage an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer abzudecken, entwickelt und seither in ständiger Rspr. bestätigt.4 Die Vorteilsgeneigtheit der Unterschiedsbetragsminderung erfordert nicht, dass ein Zufluss des Vorteils i.S. des § 11 Abs. 1 EStG beim Gesellschafter Voraussetzung ist, um die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auslösen zu können.5 Es reicht aus, dass die Unterschiedsbetragsminderung dem betroffenen Gesellschafter künftig zufließen könnte. Mithin ist eine objektive bzw. abstrakte Eignung erforderlich, auf eine konkrete Eignung zur Auslösung eines Beteiligungsertrags i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt es hingegen nicht an.6

In der Berücksichtigung der Perspektive auch des Anteilseigners für den Tatbestand der vGA7 kommt letztlich das eingeschränkte Korrespondenzprinzip umfassender zum Ausdruck, das zwischen einer vGA i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (Gesellschaftsebene) und einer solchen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG besteht. Diese knüpfen zwar an denselben Sachverhalt an, sie sind jedoch nicht von identischen Tatbestandsmerkmalen geprägt. Insofern gilt grundsätzlich, dass sie jeweils eigenständig zu prüfen sind. Mit der Berücksichtigung der Gesellschafterperspektive werden jedenfalls solche Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich der vGA ausgeschlossen, die einen Beteiligungsertrag auf Gesellschafterebene objektiv nicht auszulösen geeignet sind. Dies hat der BFH u.a. für den Fall entschieden, dass eine irische Kapitalgesellschaft freiwillig in Irland eine höhere Körperschaftsteuer zahlt, um eine Hinzurechnungsbesteuerung bei ihrem im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter zu vermeiden.8 b) Bewertung der vGA

4.34 Fremdvergleichspreis und gemeiner Wert. Der Bewertungsmaßstab der vGA ist der Fremdver-

gleichspreis, d.h. der Betrag, um den das tatsächlich vereinbarte Entgelt von dem Preis abweicht, den fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Mithin ist

1 Vgl. Lang/Klingebiel in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Rz. 150 ff. 2 Klarstellend auch für die verhinderte Vermögensmehrung BFH v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/NV 2010, 1131. 3 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131. 4 BFH v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 14.7.2004 – I R 16/03, BStBl. II 2004, 1010; v. 14.7.2004 – I R 57/03, BFH/NV 2004, 1603; v. 17.11.2004 – I R 56/03, BFH/NV 2005, 793; v. 25.1. 2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; v. 9.11.2005 – I R 89/04, BFH/NV 2006, 456; v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729; v. 16.12.2009 – I B 76/09, BFH/NV 2010, 1135; v. 3.3.2010 – I B 102/09, BFH/NV 2010, 1131. 5 Vgl. Wassermeyer, DB 2002, 2668 f.; Buciek, DStZ 2003, 87; Herlinghaus, GmbHR 2003, 381. 6 Vgl. Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.43; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 246; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C, Tz. 157. 7 Nach Gosch soll dieses Tatbestandsmerkmal die Brücke zwischen Gesellschaft und Anteilseigner schlagen, vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 170. 8 Vgl. BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729.

388 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.36 Kap. 4

die Höhe der vGA ein Unterschiedsbetrag, nämlich zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem tatsächlich vereinbarten Entgelt.1 Der BFH hat erstmals mit Urteil vom 17.10.20012 den Fremdvergleichspreis als Bewertungsmaßstab angesetzt und damit nicht nur die vGA dem Grunde nach im Hinblick auf die Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis aus dem Fremdvergleich abgeleitet (Rz. 4.28). Insofern stimmen die Höhe der vGA und die Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung, die die Kapitalgesellschaft aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung in Kauf genommen hat, überein.3 Demgegenüber hatte der BFH in seiner älteren Rspr. noch die Auffassung vertreten, dass eine aus der Hingabe von Wirtschaftsgütern bestehende vGA mit dem gemeinen Wert nach § 9 BewG zu bewerten sein soll.4 Nutzungsüberlassungen sollen dagegen mit den erzielbaren Vergütungen anzusetzen sein.5 Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Letztere Einschränkung der Nichtberücksichtigung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse ist mit dem Fremdvergleich nicht zu vereinbaren. Bereits die ältere Rspr. hatte zur Ermittlung des gemeinen Werts einer vGA deshalb festgestellt, dass auch ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind und damit den Wertmaßstab des gemeinen Werts in Richtung eines Fremdvergleichspreises modifiziert.6 I.d.R. werden sich der gemeine Wert und der Fremdvergleichspreis eines Vermögensvorteils allerdings entsprechen. Höhe der vGA. Von der Bewertung der vGA ist der Umfang und damit die Höhe der vGA zu unterscheiden. Liegt die gesellschaftsrechtliche Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung in der Unangemessenheit der Entgeltvereinbarung, besteht eine vGA nur in dem unangemessen hohen oder unangemessen niedrigen Teil des Entgelts für die Liefer- oder Leistungsbeziehung, d.h. im Umfang der Unangemessenheit (sog. „partielle vGA“). Ist demgegenüber das gesamte Leistungsverhältnis nicht schuldrechtlich, sondern im Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil insb. im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter oder zu einer diesem Gesellschafter nahestehenden Person keine klare, von vornherein abgeschlossene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung besteht (Rz. 4.31), ist die betreffende Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung in vollem Umfang als vGA anzusehen (vGA dem Grunde nach). Auf die materielle Angemessenheit der Vergütung selbst kommt es demgegenüber nicht an. Mit anderen Worten liegt eine vGA selbst dann und in vollem Umfang vor, wenn das Entgelt angemessen ist.

4.35

Selbstkosten zzgl. Gewinnaufschlag als „Auffangbewertung“? Die Rspr. orientiert sich bei der Schätzung des angemessenen Entgelts in Fällen, in denen sich die Leistungen nicht mehr feststellen lassen oder der gemeine Wert nicht bestimmbar ist (insbesondere bei Nutzungen), zumeist an den Selbstkosten, die der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit der Leistung entstanden sind (i.d.R. die Personalkosten), zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags.7 In der Betriebsprüfungspraxis führt diese Rspr. vielfach dazu, dass eine vGA bereits dann angenommen wird, wenn das Entgelt die Selbstkosten einer Kapitalgesellschaft (zzgl. eines Gewinnaufschlags) für die entsprechende Lieferung oder Leistung nicht abdeckt. Die Bewertung der vGA erfolgt – auf

4.36

1 Vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 380. 2 Vgl. erstmals BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Siehe auch BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. II 2005, 884; v. 22.12.2010 – I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019. 3 Vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 380. 4 Vgl. BFH v. 27.11.1974 – I R 250/72, BStBl. II 1975, 306; siehe auch H 8.6 „Hingabe von Wirtschaftsgütern“ KStH 2015. 5 Vgl. BFH v. 6.4.1977 – I R 86/75, BStBl. II 1977, 569; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; siehe auch H 8.6 „Nutzungsüberlassungen“ KStH 2015. 6 Vgl. BFH v. 27.11.1974 – I R 250/72, BStBl. II 1975, 306. 7 Vgl. BFH v. 6.4.1977 – I R 86/75, BStBl. II 1977, 569; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 383.

Baumhoff/Liebchen | 389

Kap. 4 Rz. 4.36 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Grundlage dieses Zirkelschlusses – dann zumeist mit den Selbstkosten, die i.d.R. um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. Diese Vorgehensweise verkennt, dass sowohl für die Feststellung einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung (vGA dem Grunde nach) als auch für die Bewertung der vGA (vGA der Höhe nach) der Preis zu bestimmen ist, den fremde Dritte unter sonst gleichen oder vergleichbaren Bedingungen vereinbart hätten. Mit anderen Worten ist der Vorteil ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Werts führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht.1 Wird der Fremdvergleichspreis dementsprechend unter Kostengesichtspunkten bestimmt (Vollkosten zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags), müssen die diesem Ansatz zugrunde liegenden Fremdvergleichserwägungen für den konkreten Fall auch zutreffend sein. Denn die Forderung nach einer Abdeckung der Vollkosten zzgl. eines Gewinnaufschlags geht ihrerseits auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück, weil ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter immer bestrebt sein wird, die Kosten seiner Lieferung oder Leistung in vollem Umfang zu decken und zudem noch einen Gewinn zu erwirtschaften. Allerdings ist auch in der Rspr. anerkannt, dass in bestimmten Fällen die Kostenbasis auch auf Grundlage der Teilkosten bestimmt wird (z.B. auf Basis einer Deckungsbeitragsrechnung), wenn dies betriebswirtschaftlich sinnvoll ist und auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter auf die Deckung der vollen Selbstkosten einer Lieferung/Leistung verzichten und sich stattdessen mit einem „cost less“-Preis begnügen würde (Rz. 4.267). So widerspricht es nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung, wenn z.B. zur Erschließung neuer bzw. Erweiterung bestehender Absatzmöglichkeiten oder bei vorübergehender Unterbeschäftigung zur Ausnutzung freier Kapazitäten kurzfristig jeder Preis akzeptiert wird, der über den Einzelkosten liegt. Ebenso ist es mit dem Fremdvergleich vereinbar, zur Schaffung eines vollumfänglichen Sortiments auch solche Produkte in eine Produktpalette aufzunehmen, mit denen sich nicht die Vollkosten, jedoch zumindest die variablen Kosten decken lassen.2 Dementsprechend hat auch der BFH zur Bewertung einer vGA entschieden, dass es betriebswirtschaftlich geboten sein kann, auf die vollständige Abdeckung der Selbstkosten zu verzichten.3 Ferner ist unter Fremdvergleichsgesichtspunkten nicht nur auf die Perspektive der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft abzustellen, sondern es sind auch die Perspektive des Leistungsempfängers und dessen Handlungsmöglichkeiten einzubeziehen.4 Aus Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters des Leistungsempfängers sind vor diesem Hintergrund die realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen zu bestimmen und die entsprechende Preisgrenze entweder auf Grundlage alternativer Bezugsquellen oder einer – realistischerweise möglichen – Eigenerstellung (sog. „make-or-buy“-Kalkül) festzustellen. Ferner ist bei vGA-Sachverhalten im Konzern zu berücksichtigen, dass die Forderung nach einer Deckung der Selbstkosten (zzgl. eines angemessenen Gewinnelements) letztlich eine Gewinngarantie an die leistungserbringende Konzerngesellschaft darstellt, die unter steuerlichen Gesichtspunkten eine entsprechende Funktions- und Risikoverteilung zwischen den verbundenen Konzernunternehmen voraussetzt. So kommt eine kostenorientierte Entgeltbemessung auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode regelmäßig nur dann in Betracht, wenn das leistende bzw. liefernde Unternehmen sog. Routinefunktionen ausübt (vgl. Rz. 4.148 ff.), für die unter Fremdvergleichsgesichtspunkten eine kostenorientierte Entgeltbemessung gerechtfertigt ist (vgl. Rz. 4.241 und 4.346). Demgegenüber verfügt der sog. Strategieträger bzw. Entrepreneur über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, übt die erfolgskritischen Funktionen aus und trägt die wesentlichen unternehmerischen Risiken.5 Der Strategieträger hat Anspruch auf den 1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. II 2005, 884; v. 22.12.2010 – I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. Vgl. BFH v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736. Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.

390 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.38 Kap. 4

Residualgewinn oder -verlust. Eine Gewinngarantie bzw. Verlustfreistellung durch eine die Selbstkosten (zzgl. eines angemessenen Gewinnelements) abdeckende Entgeltbemessung kommt bezogen auf die Leistungserbringung durch Strategieträger nicht in Betracht. Insofern ist die in der Betriebsprüfungspraxis verbreitete Vorgehensweise, auch bei Lieferungen und Leistungen durch Strategieträger eine vGA bereits dann anzunehmen, wenn die Selbstkosten nicht abgedeckt werden, verfehlt. Vielmehr muss in diesem Fall der Fremdvergleichspreis anhand einer sachgerechten bzw. geeigneten Verrechnungspreismethode bestimmt werden, um feststellen zu können, ob eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung überhaupt gegeben ist (vGA dem Grunde nach) und mit welchem Betrag diese anzusetzen ist (vGA der Höhe nach). Einbeziehung der Umsatzsteuer. In die Bewertung der vGA ist die auf die vGA entfallende USt grundsätzlich einzubeziehen, d.h. die Rechtsfolgen der vGA beziehen sich stets auf den Bruttobetrag.1 Die Regelung des § 10 Nr. 2 KStG, wonach die durch eine vGA ausgelöste USt bei der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft zu den nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben gehört und außerbilanziell hinzuzurechnen ist, tritt im Fall der Bewertung einer vGA zum gemeinen Wert zurück, d.h. ungeachtet des unter Anwendung der maßgeblichen umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage tatsächlich ausgelösten USt-Betrags unterbleibt eine weitere Hinzurechnung nach § 10 Nr. 2 KStG.2 Dies gilt unabhängig davon, ob die tatsächlich anfallende USt niedriger ist, als sie es bei Zugrundelegung des Fremdgeschäfts zum gemeinen Wert wäre.3 Im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzung der Unterschiedsbetragsminderung wirft die Einbeziehung der USt durchaus Zweifelsfragen auf.4 Dies gilt insb. dann, wenn die vGA tatsächlich keine oder eine geringere USt auslöst. Hierzu wird auch von Seiten der Finanzverwaltung vertreten, den Wert der vGA auf den Betrag der Unterschiedsbetragsminderung zu begrenzen.5 Bezogen auf den bei dem Gesellschafter zu erfassenden Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG hat das FG Düsseldorf allerdings entschieden, dass die auf den Nettobetrag entfallende USt unabhängig davon als Bestandteil der vGA i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigen ist, dass sie wegen des Vorsteuerabzugs bei der ausschüttenden Gesellschaft nicht zu einer Unterschiedsbetragsminderung geführt hat.6

4.37

Bestimmung des Fremdvergleichspreises. Für die Bestimmung des Fremdvergleichspreises greifen sowohl die Rspr. als auch die Praxis auf die anerkannten Verrechnungspreismethoden zurück (Rz. 4.209 ff.). Neben den sog. klassischen Methoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagmethode) sind auch gewinnorientierte Methoden (geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode, geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode) anerkanntermaßen geeignet, den Fremdvergleichspreis zu bestimmen. Nach der Rspr. des BFH, die allerdings vor der gesetzlichen Einführung des für eine vGA i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG unbeachtlichen Stufenverhältnisses in § 1 Abs. 3 AStG ergangen und auf ein Rangfolgeverhältnis innerhalb der klassischen Methoden beschränkt ist (hierzu im Einzelnen Rz. 4.209 ff.), ist die Methode heranzuziehen, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“.7 Mit der h.M.8 hat der BFH die klassischen Methoden als vorrangig und im Grundsatz als gleichberechtigt nebeneinander anwendbar angesehen.9 Dem BFH-

4.38

Vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 384. Vgl. R 8.6 KStR 2015. Vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 384 m.w.N. Vgl. Klingebiel in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C, Tz. 425 ff. Vgl. Klingebiel in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C, Tz. 426. Vgl. FG Düsseldorf v. 18.6.2004 – 1 K 3477/02 E, rkr., EFG 2004, 1838; Rev. als unbegründet zurückgewiesen, vgl. BFH v. 6.11.2005 – VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722. 7 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1551. 9 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 1 2 3 4 5 6

Baumhoff/Liebchen | 391

Kap. 4 Rz. 4.39 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Urteil vom 6.4.20051 kann ferner entnommen werden, dass der BFH der Anwendung der Preisvergleichsmethode einen gewissen Vorrang vor der Anwendung der anderen klassischen Methoden einräumen will.

4.39 Preisbestimmung bei Fremdvergleichsbandbreiten. Nach der Rspr. des BFH und vorherrschen-

der Auffassung im Schrifttum kann es den „richtigen Verrechnungspreis“ bzw. den „richtigen Fremdvergleichspreis“ im Sinne eines mathematisch exakt fixierbaren Werts nicht geben, sondern es kann allenfalls eine Bandbreite angemessener Preise bestimmt werden.2 Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich bei der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen „regelmäßig eine Reihe möglicher Werte“.3 Auch der deutsche Gesetzgeber erwähnt in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG ausdrücklich Preis- und Wertbandbreiten sowohl bei Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs als auch bei Anwendung der klassischen Methoden („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“) und hat besondere Regelungen in § 1 Abs. 3 Satz 3 f. AStG für die Preisbestimmung bei Fremdvergleichsbandbreiten eingeführt (Rz. 4.318 ff.).4 Diese gelten ausschließlich für Zwecke des § 1 AStG. Für vGA-Sachverhalte hat der BFH entschieden, dass sich der Steuerpflichtige bei einer im Wege des tatsächlichen Fremdvergleichs ermittelten Bandbreite an dem für ihn günstigsten Rand der Bandbreite orientieren kann.5 Dies bedeutet, dass die Fremdvergleichsbandbreite zugunsten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden kann, da „innerhalb der letztlich maßgebenden Bandbreite jeder Preis dem Fremdvergleich entspricht“.6 c) Rechtsfolgen

4.40 Ebene der vorteilsgewährenden Gesellschaft. Auf Ebene der vorteilsgewährenden Gesellschaft be-

steht die Rechtsfolge der vGA – entsprechend dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG – darin, dass diese das Einkommen nicht mindert. Dem bilanziellen Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, der sich infolge der vGA vermindert hat, ist die vGA wieder hinzuzurechnen. Diese Hinzurechnung erfolgt nach ständiger Rspr. des BFH außerhalb der Steuerbilanz7 auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe.8 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist eine Gewinnermittlungsvorschrift, die bereits im Rahmen der Gewinnermittlung und nicht erst im Rahmen der Einkommensermittlung zum Tragen kommt.9 Die Höhe der Hinzurechnung, die sich aus dem Fremdvergleich ergibt, entspricht

1 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.154. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.165. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 – 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005. 570, Tz. 3.4.12.5 Buchst. a.; siehe ferner bereits BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 – 4/83 – VWG 1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.8 und Tz. 2.1.9 Bsp. 1. 4 Zu Preis- und Wertbandbreiten siehe ausführlich Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 909 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.168 ff. Zur nachträglichen „überschießenden“ Mediankorrektur nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG siehe Baumhoff/Kluge/Liebchen, IStR 2014, 515 ff. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. 6 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. 7 Vgl. BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 12.10.1995 – I R 27/95, BStBl. II 2002, 367; v. 28.1.2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841. Dem folgt auch die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 28.5. 2002 – IV A 2 - S 2742 – 32/02, BStBl. I 2002, 603, Rz. 3; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.1. 8 Zur zweistufigen Gewinnermittlung vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 73; Wassermeyer in FS Raupach, 565; Wassermeyer, DB 2010, 1959; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.4 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.3. 9 Vgl. zuletzt nur Wassermeyer, DB 2010, 1959.

392 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.43 Kap. 4

dem realisierbaren Vorteil oder der Gewinnchance, worauf die Gesellschaft mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis verzichtet hat. Ebene des vorteilsempfangenden Gesellschafters. Eine vGA muss sich nicht ausschließlich auf Sachverhalte beziehen, die sich im Inland ereignet haben. Es können ebenfalls grenzüberschreitende vGA vom Inland ins Ausland sowie in umgekehrter Richtung geleistet werden, wobei die sich daraus in Deutschland ergebenden Rechtsfolgen nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen sind.1 Während im ersteren Fall die Einkünftekorrektur der vorteilsgewährenden inländischen Kapitalgesellschaft nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im Vordergrund steht, erfordert im letzteren Fall die Einkünftequalifikation des vorteilsempfangenden inländischen Gesellschafters diese in Ansehung von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorzunehmen.2 Letzteres Erfordernis verdeutlicht, dass die ausschließliche Auslandsbelegenheit des Sachverhalts – etwa der Liefer- und Leistungsaustausch zwischen auslandsdomizilierenden Schwestergesellschaften – die Beurteilung nach deutschem Steuerrecht erforderlich machen kann, wenn für die inländische Muttergesellschaft die Erzielung eines Beteiligungsertrags i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Rede steht.

4.41

Das Rechtsinstitut der vGA gestaltet sich im Falle eines internationalen Unternehmensverbunds nicht anders als zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern. Hierbei sind die Muttergesellschaft als Gesellschafterin und die Tochtergesellschaft als Gesellschaft anzusehen, so dass von einer vGA immer dann auszugehen ist, wenn ein Leistungsungleichgewicht zum Vorteil der Muttergesellschaft vorliegt. Grundfälle. Folgende vier Grundfälle grenzüberschreitender Sachverhalte, in denen von einer vGA auszugehen ist, lassen sich unterscheiden:

4.42

1. Eine inländische Muttergesellschaft liefert/leistet an ihre ausländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 2. Eine ausländische Muttergesellschaft liefert/leistet an ihre inländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 3. Eine inländische Tochtergesellschaft liefert/leistet an ihre ausländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 4. Eine ausländische Tochtergesellschaft liefert/leistet an ihre inländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. Inländische vorteilsgewährende Tochtergesellschaft. In den Fallgruppen 2 und 3 ist eine vGA einer inländischen Tochtergesellschaft an ihre ausländische Muttergesellschaft gegeben. Auf Ebene der inländischen Tochtergesellschaft ist dem infolge der Vermögensminderung (Fall 2) bzw. verhinderten Vermögensmehrung (Fall 3) zu gering ausgewiesenen Unterschiedsbetrag außerbilanziell – auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung – die vGA hinzuzurechnen (Rz. 4.40). Für die Einordnung als vGA auf Ebene der vorteilsgewährenden inländischen Tochtergesellschaft gänzlich unbeachtlich ist, ob der ausländische Domizilstaat der Muttergesellschaft bei dieser den empfangenen, gesellschaftsrechtlich veranlassten Vorteil einer Beteiligungsertragsbesteuerung zuführt oder aber die Besteuerung entsprechend dem Lieferungs- oder Leistungscharakter vornimmt (bzw. beibehält).3 1 Vgl. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 519 f. u. 523 f.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.144. 2 Zur abkommensrechtlichen Behandlung verdeckter Gewinnausschüttungen vgl. Fischer/Kleineidam/ Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 525 ff. m.w.N. 3 Gegebenenfalls erfolgt bei Bestehen eines DBA eine Gegenberichtigung, wenn die abkommensrechtliche Ermächtigungsgrundlage (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA) durch dortiges innerstaatliches Recht ausgefüllt wird oder aber – entsprechend dortigen verfassungsrechtlichen Vorgaben – „self-executing“Wirkung entfaltet. Einen Überblick über die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen bieten die Länderberichte in Maisto (Ed.), Tax Treaties and Domestic Law, Amsterdam 2006.

Baumhoff/Liebchen | 393

4.43

Kap. 4 Rz. 4.44 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Auf Ebene der inländischen Tochtergesellschaft löst die vGA hiernach eine Belastung mit Körperschaftsteuer i.H.v. 15 % zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie Gewerbesteuer aus. Keine Rechtsfolge der vGA, sondern die rechtlich zutreffende, nämlich von gesellschaftsrechtlichen Beeinflussungen entkleidete Beurteilung eines Anschaffungsvorgangs, stellt die nachträgliche Korrektur etwaiger Anschaffungskosten dar, in die die Überpreis-Lieferungen oder -Leistungen eingegangen sind. Die betreffenden Wirtschaftsgüter sind mit ihren fremdüblichen Anschaffungskosten zu aktivieren und auf dieser Basis abzuschreiben, d.h. mit dem Betrag, der ausschließlich für die Erlangung des Wirtschaftsguts aufgewendet wurde.1 Da vorliegend die Vermögensminderung (Fall 2) bzw. verhinderte Vermögensmehrung (Fall 3) durch Minderung des Eigenkapitals zu einem tatsächlichen Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der inländischen Tochtergesellschaft führt, hat diese Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % (§§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzüglich Solidaritätszuschlag einzubehalten und abzuführen. Die inländische Tochtergesellschaft ist Haftungsschuldnerin (§ 44 Abs. 5 Satz 1 EStG). Eine Reduktion der einzubehaltenden und abzuführenden Kapitalertragsteuer erfolgt ungeachtet etwaiger hierfür vorliegender Voraussetzungen nicht von Amts wegen. Vielmehr ist die inländische Tochtergesellschaft ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Absenkung der Kapitalertragsteuer oder eine Freistellung verpflichtet, die reguläre Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs nach einem – abkommensrechtlich vorgegebenen – niedrigeren Steuersatz oder das Unterlassen des Kapitalertragsteuerabzugs ist nur dann und insoweit zulässig, als auf Antrag der inländischen Tochterkapitalgesellschaft hin vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde (§ 50d Abs. 2 Satz 1 EStG). Ferner ist die vGA Leistung i.S.v. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG.

4.44 Ausländische vorteilsempfangende Muttergesellschaft. Für die ausländische Muttergesellschaft

stellt die vGA einen Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar. Für die Einordnung unter den Katalog inländischer Einkünfte (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG) kommt die isolierende Betrachtungsweise zum Tragen, da wegen der Zugehörigkeit der Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft zum Betriebsvermögen des ausländischen Gewerbebetriebs2 der ausländischen Muttergesellschaft und der dementsprechenden Qualifikation der Beteiligungserträge als gewerbliche Einkünfte (§ 20 Abs. 8 EStG) anderenfalls inländische Einkünfte nicht vorlägen.3 Die ausländische Muttergesellschaft erzielt infolgedessen inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG), mit denen sie beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 2 Nr. 1 KStG).

4.45 Erstattungs-/Freistellungsverfahren bei vGA ins Ausland. In der Praxis wird – auch vor dem Hintergrund der formellen Korrespondenz nach § 32a Abs. 1 KStG und der Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die persönliche Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld des Gesellschafters – auf die Nachforderung von Kapitalertragsteuer bei im Nachhinein im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgegriffenen vGA-Sachverhalten zumeist verzichtet.4 Dies gilt allerdings nicht für vGA, die an im Ausland ansässige Gesellschafter erfolgt sind. In diesen Fällen wird regelmäßig

1 Vgl. hierzu BFH v. 13.3.1985 – I R 9/81, BFH/NV 1986, 116; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 – 32/02, BStBl. I 2002, 603, Rz. 42; Wassermeyer in GS Knobbe-Keuk, 541; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 460; Neumann, vGA und verdeckte Einlagen, 5; Klingebiel in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Anh. ABC der vGA (Anschaffungskosten). 2 Dies unterstellt, die ausländische Muttergesellschaft sei auch nach den Vorgaben von § 15 Abs. 2 EStG originär gewerblich tätig. Anderenfalls bedürfte es wegen der Beschränkung der Gewerblichkeitsfiktion des § 8 Abs. 2 KStG auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften der isolierenden Betrachtungsweise nicht. 3 Soweit hier relevant, erfordern inländische gewerbliche Einkünfte die Unterhaltung einer Betriebsstätte im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Zur isolierenden Betrachtungsweise siehe Morgenthaler in FS Krawitz, 275. 4 Vgl. Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil D, Rz. 635 (Rechtslage bis 2008) und 640.

394 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.45 Kap. 4

die vorteilsgewährende Kapitalgesellschaft durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen,1 wobei die Rspr. im Hinblick auf die Entlastungsmöglichkeit des Entrichtungspflichtigen nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG durchaus restriktiv ist.2 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei einer vGA an eine im Ausland ansässige Muttergesellschaft etwaige Entlastungen von der deutschen Kapitalertragsteuer nach einem DBA oder der EU-MTR3 nicht von Amts wegen gewährt werden, sondern grundsätzlich die reguläre Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen ist (§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies gilt auch für ausländische Mutterkapitalgesellschaften, die grundsätzlich einen Entlastungsanspruch auf das deutsche Körperschaftsteuerniveau von 15 % haben (§ 32 Abs. 3 Satz 3 KStG i.V.m. § 44a Abs. 9 EStG), wenn die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt sind. Bei dieser Absenkung bleibt es für Muttergesellschaften, die in NichtDBA-Staaten domizilieren. Für Muttergesellschaften mit Domizil in einem DBA-Staat beschränkt das jeweilige DBA das deutsche Quellenbesteuerungsrecht auf einen Quellensteuersatz von 5 %, 10 % oder 15 % vom Bruttobetrag der Dividenden.4 Im Falle schachtelprivilegierter Dividenden und eines Quellensteuerhöchstsatzes von 5 % oder 10 % wird die Kapitalertragsteuer auf Antrag der ausländischen Muttergesellschaft teilweise erstattet (§ 50d Abs. 1 EStG). Entsprechendes gilt für eine Muttergesellschaft mit EU-Domizil, die in den persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR fällt, weil sie im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen zu mindestens 10 % unmittelbar am Nennkapital der inländischen Tochtergesellschaft beteiligt ist (§§ 43b und 50d Abs. 1 EStG). Die Entlastung von der deutschen Kapitalertragsteuer erfolgt in einem gesondert geregelten Erstattungsverfahren auf Antrag des Vergütungsgläubigers an das BZSt unter den in § 50d Abs. 1 Satz 2 ff. EStG genannten Voraussetzungen. Dies gilt auch für die durch Nachforderungsbescheid oder durch Haftungsbescheid geltend gemachte Kapitalertragsteuer (§ 50d Abs. 1 Satz 3 EStG). Anstelle des Erstattungsverfahrens kommt – wie bereits ausgeführt – das Freistellungsverfahren zum Tragen, wenn die inländische Tochtergesellschaft eine Freistellungsbescheinigung beantragt und erhalten hat. In dem Antragsverfahren werden insbesondere die Voraussetzungen für die Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 EStG auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 24.1.20125 und eines standardisierten Fragebogens geprüft. Dieses Verfahren unterscheidet sich in den zu erteilenden Auskünften und vorzulegenden Unterlagen deutlich von den Anforderungen, die ausländische Steuerpflichtige bis zur Änderung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG6 für die Erlangung einer Freistellungsbescheinigung zu erfüllen hatten. Da vGA-Sachverhalte überwiegend nachträglich im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgegriffen und in der Praxis eher selten aktiv deklariert, ggf. durch Abgabe einer geänderten Steuererklärung (§ 153 AO), werden, kommt dem Freistellungsverfahren für vGA in der Praxis nur dann Bedeutung zu, wenn eine Freistellungsbescheinigung entweder bereits erteilt wurde oder der Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung vor dem Zufluss der vGA gestellt wurde.7 Für die Privilegierung nach der EU-MTR, bei der der Mindestbeteiligungszeitraum erst nach Entstehung der 1 § 191 AO. Alternativ besteht die Möglichkeit zum Erlass eines Nachforderungsbescheids gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 AO, wobei das FA bezüglich der Form der Inanspruchnahme ein Wahlrecht hat, vgl. BFH v. 13.9.2000 – I R 61/99, BStBl. II 2001, 67. 2 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 29/07, BStBl. II 2010, 142; FG Hamburg v. 11.12.2013 – 2 K 109/13, BB 2014, 981 jeweils m.w.N. 3 Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 225, 6; neu gefasst durch Richtlinie 2011/96/ EU v. 30.11.2011, ABl. EU Nr. L 345 v. 29.12.2011, 8. Umgesetzt in § 43b EStG, zuletzt geändert durch StÄnd-AnpG-Kroatien v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 4 Siehe zu den Art. 10 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen der deutschen DBA-Übersicht bei Tischbirek in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 5 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171. 6 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592. 7 Der Zeitpunkt des Antragseingangs beim BZSt stellt den frühestmöglichen Beginn der Geltungsdauer einer Freistellungsbescheinigung dar, vgl. § 50d Abs. 2 Satz 4 EStG.

Baumhoff/Liebchen | 395

Kap. 4 Rz. 4.46 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Kapitalertragsteuer vollendet wird, bleibt das Anrechnungsverfahren erhalten, nicht jedoch das Freistellungsverfahren (§ 43b Abs. 1 Satz 5 EStG).

4.46 Inländische vorteilsempfangende Muttergesellschaft. Gewährt demgegenüber eine ausländische

Tochtergesellschaft ihrer inländischen Muttergesellschaft im Rahmen des Lieferungs- und Leistungsverkehrs Vorteile in Form von Überpreiszahlungen für erhaltene oder Unterpreisforderungen für erbrachte Lieferungen und Leistungen (Fallgruppen 1 und 4), ist die Frage der Korrektur der Einkünfte der ausländischen Tochtergesellschaft ausschließlich nach den steuerlichen Vorschriften ihres Ansässigkeitsstaates zu beantworten. Regelmäßig führt hier – eine entsprechende nationale Einkünftekorrekturvorschrift vergleichbar derjenigen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vorausgesetzt – die Vorteilszuwendung an die inländische Muttergesellschaft zu einer Gewinnkorrektur durch die dortige Finanzverwaltung in Höhe des die Angemessenheit übersteigenden Betrages.

Für die Besteuerung der deutschen Muttergesellschaft ist nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen, ob die Vorteilgewährung die Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfüllt und infolgedessen eine – ggf. partielle – Umqualifizierung erfolgt. Eine Bindung an die steuerliche Behandlung im Domizilstaat der ausländischen Tochtergesellschaft besteht nicht. Insbesondere knüpft die Tatbestandsverwirklichung nicht an eine entsprechende Einkünftekorrektur bei der ausländischen Tochtergesellschaft an. Ferner verpflichten auch im Falle einer etwaigen Einkünftekorrektur bei der ausländischer Tochtergesellschaft die Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Bestimmungen über eine Gegenberichtigung nicht zu einer Umqualifizierung in eine vGA auf Ebene der inländischen Muttergesellschaft, da diese außerhalb punktueller verwaltungsseitiger Billigkeitsmaßnahmen einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage entbehren.

4.47 Grundsätze über die Beteiligungsertragsbesteuerung. Erfüllt die Vorteilsgewährung die Tat-

bestandsmerkmale des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, ist die vGA buchhalterisch durch (partielle) Umqualifizierung in einen Beteiligungsertrag (Fall 1) bzw. erstmalige Erfassung eines Beteiligungsertrags (Fall 4) abzubilden. Auf vGA kommen die Grundsätze über die Beteiligungsertragsbesteuerung zum Tragen. Die nach § 8b Abs. 4 KStG i.d.F. des Artikels 1 des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 vom 21. März 2013 erforderliche Unterscheidung zwischen Beteiligungserträgen aus Schachtel- und solchen aus Streubesitzbeteiligungen ist vorliegend nicht von Bedeutung; die beteiligungsbezogenen Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung sind vorliegend gegeben. Nach dem körperschaftsteuerlichen Beteiligungsprivileg des § 8b Abs. 1 KStG bleibt die vGA im Grundsatz außer Ansatz. Diese Steuerbefreiung kommt ungeachtet einer Mindestbeteiligungsquote, Vorbesitzzeit oder Aktivität der ausländischen Tochtergesellschaft zum Tragen. Nach § 8b Abs. 5 Satz 1 EStG gelten allerdings 5 % der vGA als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Systematisch knüpft § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG nicht daran an, ob und ggf. in welcher Höhe tatsächlich zuordenbare Aufwendungen angefallen sind, vielmehr dient als Bemessungsgrundlage ausschließlich die bezogene Bruttogewinnausschüttung. Folglich wird eine Betriebsausgabe fingiert. Fallen keine oder geringere als die mit 5 % fingierten beteiligungsbezogenen Aufwendungen an, stand infrage, ob diese Pauschalbesteuerung mit den Geboten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vereinbar ist.1 Das BVerfG hat hierzu mit Beschluss vom 12.10.2010 entschieden, dass die Pauschalierung eines Betriebsausgabenabzugsverbots durch die Hinzurechnung von 5 % des Veräußerungsgewinns und der Bezüge aus Unternehmensbeteiligungen zu den Einkünften einer Körperschaft nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.2 Ferner steht die Vereinbarkeit mit dem 1 Vgl. Vorlagebeschluss des FG Hamburg v. 7.11.2007 – 5 K 153/06, EFG 2008, 236 (Az. BVerfG: 1 BvL 12/07). Siehe hierzu auch Dötsch/Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 231 m.w.N. 2 Vgl. BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393. Zur europarechtlichen Zulässigkeit einer 5 %igen Besteuerung vgl. EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-439/07 KBC Bank NV u. Rs. C-499/07 Beleggen, ECLI:EU:C:2009:339 = DStRE 2009, 1181; siehe ferner BMF v. 30.9.2008 – IV C 7 - S 2750-a/07/ 10001, BStBl. I 2008, 940.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.48 Kap. 4

in den meisten deutschen DBA verankerten internationalen Schachtelprivileg zur Diskussion.1 Der BFH hat mit Urteil vom 29.8.2012 zur sog. Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 entschieden, dass sie gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien auch kein „Treaty override“ darstellt, weil die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aufgrund des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs vollständig durch die Freistellung der Dividenden erfolge und die hieran anknüpfende Schachtelstrafe diese Freistellung rechtlich nicht berühre.2 Nach Rspr. des BFH gelangt das abkommensrechtliche Schachtelprivileg regelungssystematisch nur dann zur Anwendung, wenn sich die Rechtsfolge der „Freistellung“ nicht bereits aus nationalem Recht ergibt, so dass die (Tatbestands-)Konkurrenz beider Regelungen regelmäßig zu Lasten des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs aufzulösen ist.3 Soweit die Rechtsprechung für § 8b Abs. 7 KStG a.F. und § 8b Abs. 5 KStG i.d.F. für die VZ bis 2003 einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und/oder die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gesehen hat,4 wurde mit Wirkung ab dem VZ 2004 den unionsrechtlichen Bedenken begegnet und die sog. Schachtelstrafe auch auf inländische Beteiligungserträge ausgedehnt. Im Ergebnis bewirkt dieser Fiktion einer 5 %igen Kostenpauschale eine effektive Steuerfreistellung (nur) i.H.v. 95 %. Ungeachtet einer effektiven Besteuerung von 5 % der vGA kommt eine Anrechnung etwaiger ausländischer Quellensteuern nicht in Betracht. Dies gilt deshalb, weil der Anrechnungshöchstbetrag gem. § 26 Abs. 1 KStG oder § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG angesichts der Freistellung der Beteiligungserträge stets null ist.5 Folglich wird eine Quellensteuerbelastung definitiv. Materielle Korrespondenz. Die vorbezeichneten Grundsätze über die Beteiligungsertragsbesteuerung auf Ebene des vorteilsempfangenden Gesellschafters gelten für vGA nur unter Hinzutreten einer weiteren Voraussetzung. Gemäß § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG greift die Steuerbefreiung nur insoweit, als auf Ebene der leistenden ausländischen Tochtergesellschaft eine Einkommenserhöhung stattgefunden hat, d.h. eine vGA ebenfalls aufgedeckt wurde (sog. materielle Korrespondenz).6 Diese Einschränkung geht letztlich auf die fehlende (konkrete) tatbestandsmäßige Korrespondenz zwischen einer vGA auf Gesellschaftsebene (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) und einer solchen auf Gesellschafterebene (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) zurück, die angesichts unilateraler und bilateraler Privilegierung von Beteiligungserträgen fiskalisch unbefriedigende Minder- bzw. Nichtbesteuerungen auszulösen geeignet ist. Sie stellt dasselbe Ergebnis auf der Rechtsfolgenebene dadurch her, 1 Vgl. hierzu nur Schönfeld, IStR 2010, 660 f.; Stangl/Hageböke, Ubg 2010, 652 ff., die aus der Entscheidung des BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BFH/NV 2010, 1938 zur Suspendierung von § 8 Nr. 5 GewStG durch das internationale Schachtelprivileg u.E. überzeugende Argumente fruchtbar gemacht haben, dass das internationale Schachtelprivileg der Fiktion von Betriebsausgaben durch § 8b Abs. 5 KStG entgegensteht. Siehe hierzu aber auch Gosch in FS Herzig, 86 f.; Gosch, BFH-PR 2010, 438 f. 2 Vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch. Zu § 8b Abs. 5 KStG siehe FG Düsseldorf v. 16.9.2014 – 6 K 2018/12 K, EFG 2015, 155; Saarländisches FG v. 24.3.2015 – 1 K 1162/13, EFG 2015, 1850. 3 Vgl. BFH v. 22.9.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324; siehe ferner Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 40. 4 Vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 (§ 8b Abs. 7 KStG a.F.: Verletzung der Niederlassungsfreiheit) = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch; v. 26.11.2008 – I R 7/08, BFHE 224, 50 (§ 8b Abs. 5 KStG 2002: Verletzung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit); FG Köln v. 24.2.2011 – 13 K 80/06, EFG 2011, 1651 (§ 8b Abs. 5 KStG 1999: Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit); FG Schleswig-Holstein v. 11.5.2011 – 1 K 224/07, EFG 2011, 1459 (§ 8b Abs. 5 KStG 2002: Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit); FG Baden-Württemberg v. 23.7.2012 – 6 K 2522/09, juris (§ 8b Abs. 5 KStG 2002: Verletzung der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit); FG München v. 21.8.2015 – 7 K 3844/13, EFG 2015, 1978 (§ 8b Abs. 5 KStG 2002: Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit). 5 Vgl. hierzu auch Gosch in FS Herzig, 86 f. 6 Vgl. hierzu Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648.

Baumhoff/Liebchen | 397

4.48

Kap. 4 Rz. 4.49 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen dass einseitige vGA aus den Systemen der Beteiligungsertragsbesteuerung ausgenommen werden.1 Die Suspendierung der (partiellen) Steuerbefreiung greift – dementsprechend folgerichtig – auch dann ein, wenn die vGA abkommensrechtlich nach den Bestimmungen des internationalen Schachtelprivilegs freizustellen ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG).2 Dagegen wird das System der Beteiligungsertragsbesteuerung restituiert, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung zwar nicht das Einkommen der leistenden Tochtergesellschaft, aber dasjenige einer dem Gesellschafter nahestehenden Person erhöht hat und § 32a auf die Veranlagung der nahestehenden Person keine Anwendung findet (§ 8b Abs. 1 Satz 4 KStG), wie dies bei im Ausland ansässigen Nahestehenden der Fall ist.

4.49 Gewerbesteuerliche Folgen. Gewerbesteuerlich gehen die vorbezeichneten körperschaftsteuer-

lichen Regelungen zwar in die Ausgangsgröße für die Gewerbeertragsermittlung ein (§ 7 Satz 1 GewStG). Eine Freistellung erfolgt aber nur – und abschließend – unter den Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 7 GewStG), die eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % (bzw. im persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR richtlinienkonform i.H.v. 10 %) und eine ununterbrochene Mindestbesitzzeit seit Beginn des Erhebungszeitraums erfordern. Ferner muss die ausländische Tochtergesellschaft entweder ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1-6 AStG beziehen oder als Landes- oder Funktionsholding qualifizieren oder aber unter den persönlichen und sachlichen Schutzbereich der EU-MTR fallen. Während das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg den vGA, für die die Einschränkung des körperschaftsteuerlichen Beteiligungsprivilegs durch die sog. materielle Korrespondenz (§ 8 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG) greift, erst die gewerbesteuerliche Freistellung durch Kürzung des Gewerbeertrags vermittelt, lässt es im Übrigen eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG nicht zum Tragen kommen. Der BFH hat allerdings zur Regelung des § 8 Nr. 5 GewStG entschieden, dass diese durch ein DBA-Schachtelprivileg verdrängt wird, wenn im konkreten Fall durch eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG das DBA-Schachtelprivileg unterlaufen würde.3 Beispiel: Eine deutsche Muttergesellschaft hält eine 100 %ige Beteiligung an einer in einem EU-Staat ansässigen Tochtergesellschaft. Für Verwaltungsdienstleistungen verrechnet die Muttergesellschaft 100.000 Euro an die Tochtergesellschaft, obwohl nach übereinstimmender Ansicht der involvierten Finanzbehörden nur 50.000 Euro als angemessen anzusehen sind. Mithin liegt damit eine vGA der Tochter- an ihre Muttergesellschaft i.H.v. 50.000 Euro vor. Bislang wurden allerdings jeweils 100.000 Euro als Aufwand (bei der Tochtergesellschaft) bzw. als Ertrag (bei der Muttergesellschaft) gebucht.

Im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft kommt es – eine entsprechende Einkünftekorrekturvorschrift vorausgesetzt – zu einer Gewinnerhöhung von 50.000 Euro. Quellensteuer fällt aufgrund der MTR nicht an. In Deutschland kommt es bei der Muttergesellschaft zu einer gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Ausschüttung i.H.v. 50.000 Euro. Da bislang 100.000 Euro als steuerpflichtiger Ertrag gebucht wurden, ist somit die steuerfreie vGA bei der Muttergesellschaft außerbilanziell zu kürzen. Gemäß § 8b Abs. 5 KStG gelten bei der Muttergesellschaft 5 % der vGA (2.500 Euro) als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe. Erfolgt hingegen im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft keine Einkünftekorrektur, scheidet wegen der sog. materiellen Korrespondenz nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG eine Freistellung bei der Muttergesellschaft aus. 1 § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 f. EStG formuliert eine identische Suspendierung des Teileinkünfteverfahrens. Eine vergleichbare Ausnahme aus der Schedulenbesteuerung für diejenigen vGA, die Einkünfte aus Kapitalvermögen auslösen, normiert § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG. 2 Die Formulierungsschärfe („ungeachtet des Wortlauts des Abkommens“) deutet darauf hin, dass die Verletzung der völkerrechtlichen Rechtspflicht zur Freistellung in Ansehung der für die Wirksamkeit eines solchen treaty override vom BFH formulierten Anforderungen bewusst in Kauf genommen wurde. Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen völkervertragsbrechender Gesetzgebung vgl. etwa Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 359 ff. Vgl. zum treaty override grundlegend Gosch, IStR 2008, 413. Zur Verfassungsmäßigkeit von Treaty overriding BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1; hierzu Gosch, DB 2016, M5; Lehner, IStR 2016, 217. 3 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BFH/NV 2010, 1938.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.52 Kap. 4

3. Verdeckte Einlage a) Tatbestandsvoraussetzungen Definition der vE. Von der verdeckten Einlage werden die Zuwendungen des Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft erfasst, ohne dass hierfür Gesellschaftsrechte gewährt werden. Dies betrifft im internationalen Konzern insbesondere Vermögensverschiebungen von der Mutter- zur Tochtergesellschaft. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG erhöhen verdeckte Einlagen das Einkommen der Körperschaft grundsätzlich nicht.

4.50

Ebenso wie für den Begriff der vGA fehlt es auch für das Rechtsinstitut der verdeckten Einlage an einer gesetzlichen Definition. Nach der höchstrichterlichen Rspr. liegt eine verdeckte Einlage vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person seiner Kapitalgesellschaft außerhalb gesellschaftsrechtlicher Einlagen Vermögensvorteile in Form bilanzierungsfähiger Wirtschaftsgüter zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.1 Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns (§ 347 HGB) den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte.2 Als Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer verdeckten Einlage dient somit wiederum der Fremdvergleich, wobei sich keine Unterschiede zu dessen Konkretisierung im Rahmen der vGA (Rz. 4.31) ergeben.3 Grundfälle. Eine verdeckte Einlage, die freilich auch im internationalen Kontext möglich ist, kommt bei international verbundenen Unternehmen immer dann in Betracht, wenn ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut von der Muttergesellschaft an eine Tochter- bzw. Enkelgesellschaft übertragen wird. Insoweit sind die folgenden Fälle einer verdeckten Einlage denkbar:

4.51

1. Eine inländische Muttergesellschaft liefert an ihre ausländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 2. Eine ausländische Muttergesellschaft liefert an ihre inländische Tochtergesellschaft zu einem unangemessen niedrigen Preis. 3. Eine inländische Tochtergesellschaft liefert oder leistet (Rz. 4.53) an ihre ausländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. 4. Eine ausländische Tochtergesellschaft liefert oder leistet (Rz. 4.53) an ihre inländische Muttergesellschaft zu einem unangemessen hohen Preis. Einlagefähigkeit des Vorteils. Vergleicht man die verdeckte Einlage mit der vGA im Hinblick auf die Art der Vorteilszuwendung, lässt sich eine Deckungsgleichheit zwischen beiden Rechtsinstituten nicht feststellen. Während die vGA jeden Vorteil erfasst, den eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter gewährt, trifft dies für die verdeckte Einlage nicht gleichermaßen zu. Damit ist nicht jeder Tatbestand, der Gegenstand einer vGA sein kann, eine verdeckte Einlage auszulösen geeignet. Im Einzelnen: Die steuerliche Behandlung der verdeckten Einlage zwischen Kapitalgesellschaften geht auf die Bestimmungen über die offene Einlage i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 8 EStG zurück. Der Große Senat des BFH hat in diesem Zusammenhang mit Beschluss vom 26.10. 1 Vgl. BFH v. 19.2.1970 – I R 24/76, BStBl. II 1970, 442; v. 9.3.1983 – I R 182/78, BStBl. II 1983, 744; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; im Einzelnen siehe Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 332 ff.; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 15 ff.; Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 105. 2 Vgl. BFH v. 21.1.1989 – IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; v. 15.10.1997 – I R 80/96, BFH/NV 1998, 624, Weber-Grellet, DB 1998, 1532 ff. 3 Der BFH bezieht sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rspr. zur vGA, vgl. BFH v. 19.2. 1970 – I R 24/67, BStBl. II 1970, 442; siehe ferner R 8.9 Abs. 3 KStR 2015; Weber-Grellet, DB 1998, 1537.

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4.52

Kap. 4 Rz. 4.53 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 1987 entschieden, dass Gegenstand einer Einlage grundsätzlich nur sein kann, „was auch Bestandteil des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG sein kann. Hierzu zählen nur Wirtschaftsgüter, die in eine Bilanz aufgenommen werden können“.1 Damit ist klargestellt, dass sog. „Erfolgsbeiträge“ eines Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft nicht einlagefähig sind, weil ihr Gegenstand typischerweise keine bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgüter sind.2 Der hingegebene Vorteil muss somit in der Zuführung eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgutes liegen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Aktivposten anzusetzen ist oder sich erhöht bzw. ein Passivposten wegfällt oder sich vermindert. Diese Voraussetzungen liegen etwa bei der Lieferung bzw. Übertragung von materiellen oder immateriellen Wirtschaftsgütern3 oder bei Forderungsverzichten vor, nicht jedoch bei einer unentgeltlichen oder unangemessen niedrig bemessenen Gebrauchs- oder Nutzungsüberlassung. Hierdurch verbessert sich zwar die Ertragslage der vorteilsempfangenen Gesellschaft, Vermögen wird dieser dadurch jedoch nicht zugeführt. Die Nutzungsüberlassung ist somit kein einlagefähiges Wirtschaftsgut und kann daher auch nicht Gegenstand der verdeckten Einlage sein.4 Gleiches gilt für unentgeltliche oder teilentgeltliche Dienstleistungen des Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft, die sich ebenfalls nicht als verdeckte Einlage einordnen lassen.5

4.53 Unangemessene Nutzungs-/Dienstleistungsvergütungen. Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass

die Einkünftekorrekturvorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG dann nicht anwendbar ist, wenn eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft Nutzungen oder Dienstleistungen unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt überlässt (Fallgruppen 1 und 2). Gewährt jedoch im umgekehrten Fall eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft für überlassene Nutzungen oder erbrachte Dienstleistungen ein unangemessen hohes Entgelt (Fallgruppen 3 und 4), so liegt eine verdeckte Einlage vor, und zwar in Höhe des die Angemessenheit übersteigenden Betrages, der sich wiederum durch den Fremdvergleich ergibt. Der der Tochtergesellschaft zugeführte Vorteil besteht hierbei nicht in einer Dienstleistungserbringung bzw. Nutzungsüberlassung, sondern in einer einlagefähigen Vermögenszuführung in Form einer Bareinzahlung i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG, die zu einer Vermehrung des Bilanzvermögens der Tochtergesellschaft führt. b) Rechtsfolgen

4.54 Ebene der vorteilsempfangenden Tochtergesellschaft. Als Rechtsfolge einer verdeckten Einlage

auf Gesellschaftsebene formuliert § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, dass diese das Einkommen der Körperschaft nicht erhöht. Die durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens oder den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens eingetretene und sich im bilanziellen Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG niederschlagende Vermögensmehrung ist im Rahmen der Gewinnermittlung außerbilanziell auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe6 wieder zu kürzen. Bewertungsmaßstab ist der Teilwert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Ebenso wie nicht in das Nennkapital

1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. Vgl. hierzu Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil B Rz. 26 ff. 2 Vgl. Wassermeyer, DStR 1990, 163; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.152. 3 Das Aktivierungsverbot für immaterielle Wirtschaftsgüter nach § 5 Abs. 1 u. 2 EStG bzw. – abgemildert durch das BilMoG – § 248 Abs. 2 HGB greift hier nicht ein; vgl. BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 10.3.1993 – I R 116/91, BFH/NV 1993, 593. Auch der Geschäftswert kann Gegenstand einer verdeckten Einlage sein; vgl. BFH v. 2.9.2008 – X R 32/05, BStBl. II 2009, 634; ferner BFH v. 26.11.2009 – III R 40/07, BStBl. II 2010, 609. 4 Ständige Rspr. des BFH; vgl. etwa BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 20.9.1990 – IV R 300/84, BStBl. II 1991, 82; v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312, v. 17.10.2001 – I R 97/ 00, BFH/NV 2002, 240. 5 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633; v. 19.5.2005 – IV R 3/04, BFH/NV 2005, 1784. 6 Zur zweistufigen Gewinnermittlung vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 633; Wassermeyer in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 73; Wassermeyer in FS Raupach, 565; Wassermeyer, DB 2010, 1959; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.3.

400 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.55 Kap. 4

geleistete offene Einlagen sind verdeckte Einlagen bei Zufluss als Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen.1 Hierdurch ist gewährleistet, dass eine etwaige Einlagenrückgewähr nicht der Beteiligungsertragsbesteuerung unterworfen wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Infolge der außerbilanziellen Kürzung wird die verdeckte Einlage in ihrer gewinnmäßigen Auswirkung neutralisiert und löst deshalb bei der empfangenden Tochtergesellschaft (Fallgruppen 2 und 3) keine Ertragsteuerbelastung aus. Allerdings gilt dies nach dem durch § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG verankerten punktuellen materiellen Korrespondenzprinzip insoweit nicht, als die verdeckte Einlage bei der leistenden ausländischen Muttergesellschaft zu einer Minderung ihres Einkommens geführt hat. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn die verdeckte Einlage bei der leistenden ausländischen Muttergesellschaft nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates zum Betriebsausgabenabzug berechtigt hat (Fallgruppe 3) oder die Erfassung eines Ertrags unterblieben ist (Fallgruppe 2).2 Ist hiervon auszugehen, greift die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG insoweit nicht. Die Eigenschaft als verdeckte Einlage bleibt jedoch von § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG unberührt, so dass sie dessen ungeachtet als Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu erfassen ist.3 Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das Korrespondenzprinzip im grenzüberschreitenden Anwendungsbereich kompensatorische Effekte und Doppelbesteuerungen auslösen kann, weil es nämlich deutsche Rechtswertungen auch für das Ausland unterstellt.4 Für die Fallgruppen 1 und 4 bestimmt sich die Behandlung der verdeckten Einlage auf Ebene der empfangenden ausländischen Tochtergesellschaft nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates. Ebene der vorteilsgewährenden Muttergesellschaft. Während sich in den Fallgruppen 2 und 3 die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage auf Ebene des einlegenden Gesellschafters (ausländische Muttergesellschaft) nach dem originär innerstaatlichen Recht ihres Domizilstaates beurteilen und für das deutsche Steuerrecht nur insofern beachtlich sind, als sie die Steuerneutralität auf Ebene der inländischen Tochtergesellschaft zu suspendieren geeignet sind, beurteilen sich in den Fallgruppen 1 und 4 die Rechtsfolgen auf Ebene der einlegenden deutschen Muttergesellschaft nach deutschem Steuerrecht. Als steuerliche Rechtsfolge der verdeckten Einlage sind bei der inländischen Muttergesellschaft die Anschaffungskosten der Beteiligung an der ausländischen Tochtergesellschaft um den Teilwert der verdeckten Einlage zu erhöhen.5 Insoweit kommt es zu einer Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen dem Teilwert der verdeckt eingelegten Wirtschaftsgüter, d.h. dem Betrag, um den sich die Anschaffungskosten der Beteiligung erhöhen, und dem bisherigen Buchwert des aus dem Betriebsvermögen der inländischen Muttergesellschaft im Rahmen der verdeckten Einlage ausgeschiedenen Wirtschaftsguts.6 Dieser Grundsatz der Gewinnrealisierung wird gem. § 6 Abs. 6 Satz 3 EStG durchbrochen, wenn das verdeckt eingelegte Wirtschaftsgut innerhalb von drei Jahren vor seiner Übertragung auf die Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft angeschafft oder hergestellt wurde.7 1 Siehe hierzu Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 35. 2 Vgl. hierzu Dötsch/Pung, DB 2007, 14; Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 518; Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 123; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B, Rz. 153. 3 Vgl. Dötsch/Pung, DB 2007, 14; Lang in D/J/P/W, § 8 Abs. 3 KStG Teil B, Rz. 158. 4 Vgl. Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1649; Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 377 ff.; Kempf, StbJb 2008/2009, 150 ff.; Becker/Kempf/Schwarz, DB 2008, 377; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.155. 5 Vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG; Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 550. 6 Vgl. Korn, KÖSDI 2000, 12352; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8 KStG Rz. 106; Wochinger in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil B, Rz. 25. 7 Vgl. insoweit § 6 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG. Dazu ausführlich siehe Füger/ Rieger, DStR 2003, 628 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 655; Korn, KÖSDI 2000, 12353.

Baumhoff/Liebchen | 401

4.55

Kap. 4 Rz. 4.56 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 4. Ausgewählte Aspekte der grenzüberschreitenden vGA im Konzern a) vGA zwischen Schwestergesellschaften („Dreiecks-vGA“)

4.56 Dreieckstheorie. Bei gesellschaftsrechtlich veranlassten Vorteilszuwendungen zwischen Schwester-

gesellschaften kommt steuerlich die sog. Dreieckstheorie zur Anwendung, nach der zwei gedanklich voneinander zu trennende Vorgänge gesondert steuerlich zu beurteilen sind: 1. Zunächst wird der Vorteil im Rahmen einer vGA von der vorteilsgewährenden Tochter- an die gemeinsame Muttergesellschaft gewährt, wobei die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, weil die vorteilsempfangende Gesellschaft nahestehende Person des gemeinsamen Gesellschafters ist. 2. Daran anschließend wird dieser Vorteil von der Muttergesellschaft an die zweite Tochtergesellschaft weitergegeben.1

Die steuerliche Behandlung von Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften richtet sich somit primär nach den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen, indem der Sachverhalt dahingehend interpretiert wird, dass der Vorteil der Schwestergesellschaft zwar im abgekürzten Leistungsweg gewährt wird, wirtschaftlich jedoch der gemeinsamen Muttergesellschaft zugeführt (vGA) und von dieser an die begünstigte Tochtergesellschaft weitergeleitet wird (verdeckte Einlage).2 Diese Betrachtungsweise gilt auch dann, wenn eine oder auch zwei der beteiligten Gesellschaften im Ausland domizilieren.

4.57 Gewährung des Vorteils an den gemeinsamen Gesellschafter. Unabhängig davon, ob es sich bei

den durch die Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft gewährten Vorteilen um einlagefähige Wirtschaftsgüter oder nicht einlagefähige unentgeltliche Dienstleistungen oder Nutzungen (Rz. 4.53) handelt, ist dieser Vorgang als vGA der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft zu werten. Denn die Muttergesellschaft muss insoweit keine eigenen Mittel aufwenden, um ihrerseits die entsprechende Leistung als zusätzlichen Gesellschafterbeitrag gegenüber ihrer Tochtergesellschaft zu erbringen.3 Es liegt eine vGA an Nahestehende vor, weil die Unterschiedsbetragsminderung (verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung) auf Ebene der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft die Eignung hat, den Vermögensvorteil der vorteilsempfangenden Schwestergesellschaft als nahestehende Person der gemeinsamen Muttergesellschaft zuzuwenden und die Vorteilsgewährung mangels Eigeninteresses der vorteilsgewährenden Schwestergesellschaft im Gesellschaftsverhältnis zur gemeinsamen Muttergesellschaft veranlasst ist.4

Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft um eine inländische Kapitalgesellschaft,5 darf die vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG deren Einkommen nicht mindern und ist daher außerbilanziell auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe hinzuzurechnen (Rz. 4.43). Im Ergebnis stellt sich hiernach bei der Tochtergesellschaft eine zusätzliche Steuerbelastung mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer ein. Die vGA führt auf Ebene der Muttergesellschaft zu einem Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, der nach deutschem Körperschaftsteuerrecht von der Besteuerung ausgenommen 1 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 632; v.26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 28.1.1992 – VIII R 207/85, BStBl. II 1992, 605; v. 12.12.2000, VIII R 62/93, BStBl. II 2001, 234. 2 Vgl. BFH v. 6.12.1995 – I R 40/96, BStBl. II 1997, 118; Döllerer, BB 1988, 1794; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290. 3 So die Argumentation des Großen Senats im Beschluss v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 4 Vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 18.12.1996 – I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; H 8.5 KStH 2015 „Nahestehende Person“, „Kreis der nahestehenden Personen“ m.w.N. Zu den Nahestehensvoraussetzungen vgl. BFH v. 18.12.1996 – I R 139/94, BStBl. II 1997, 301; v. 8.10.2008 – I R 61/07, BStBl. II 2011, 62; ferner im Einzelnen Klingebiel in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C, Tz. 501 ff. Zur erforderlichen Vorteilsgewährung im Interesse des Anteilseigners siehe Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 170. 5 Domiziliert die Tochtergesellschaft im Ausland, bestimmen sich die Rechtsfolgen nach dem innerstaatlichen Recht des Domizilstaates, das ggf. eine zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vergleichbare Einkünftekorrekturvorschrift enthält.

402 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.59 Kap. 4

ist (Rz. 4.47). Dies gilt allerdings im Falle einer vorteilsgewährenden ausländischen Tochtergesellschaft gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG nur insoweit, als die vGA ihr Einkommen – nach den hierfür maßgeblichen Rechtsvorschriften ihres Domizilstaates – nicht gemindert hat (Rz. 4.48). Domiziliert die Muttergesellschaft im Ausland, unterliegt sie – eine Tochtergesellschaft im Inland unterstellt – der beschränkten Steuerpflicht. Die Tochtergesellschaft hat in diesem Fall Kapitalertragsteuer auf die vGA einzubehalten (Rz. 4.43). Gewerbesteuerlich tritt eine Entlastung unter den Voraussetzungen des internationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs des § 9 Nr. 7 GewStG ein, die wegen § 8 Nr. 5 GewStG – wirtschaftlich – auf 95 % beschränkt ist. Weiterleitung eines einlagefähigen Vorteils an die Schwestergesellschaft. Die steuerlichen Folgen der Weiterleitung des Vorteils von der gemeinsamen Mutter- an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft ist von der Art des empfangenden Vorteils abhängig, wobei einlagefähige Wirtschaftsgüter von bloßen Nutzungsvorteilen abzugrenzen sind.

4.58

Die unentgeltliche bzw. vergünstigte Übertragung eines einlagefähigen Wirtschaftsgutes von der Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft ist – neben ihrer Behandlung als vGA – als verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in das Vermögen der vorteilsempfangenden Tochtergesellschaft zu qualifizieren. Insoweit sind die bereits dargestellten Rechtsfolgen der verdeckten Einlage (Rz. 4.54 f.) zu beachten: Eine Ansässigkeit im Inland unterstellt, ist bei der Muttergesellschaft der Teilwert der verdeckten Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft zu aktivieren.1 Die Tochtergesellschaft hat das erhaltene Wirtschaftsgut mit dem Teilwert zu aktivieren,2 die daraus resultierende Vermögensmehrung außerbilanziell als verdeckte Einlage zu korrigieren3 und als Zugang auf dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen. Allerdings gilt nach dem materiellen Korrespondenzprinzip die Steuerneutralität der verdeckten Einlage bei der empfangenden Tochtergesellschaft nur insoweit, als die vGA bei der abgebenden Tochtergesellschaft das Einkommen nicht gemindert hat (§ 8 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Satz 3 KStG). Erhöht aufgrund der Einkommensminderung bei der empfangenden Schwestergesellschaft demgegenüber die verdeckte Einlage das Einkommen der leistenden Schwestergesellschaft, erfolgt gem. § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG ferner bei der gemeinsamen Muttergesellschaft keine Erhöhung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der leistenden Tochtergesellschaft. Letztlich führt die dargestellte steuerliche Behandlung dazu, dass bei der Zuwendung einlagefähiger Vermögensteile einer Tochter- an ihre Schwestergesellschaft eine Gewinnverlagerung auf die vorteilsempfangende Schwestergesellschaft nicht möglich ist. Aus steuerplanerischer Sicht ist die unentgeltliche bzw. vergünstigte Übertragung von Wirtschaftsgütern daher nur sinnvoll, wenn bei der vorteilsgewährenden Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft jeweils eine Verlustsituation besteht, während bei der vorteilsempfangenden Tochtergesellschaft Gewinne erwirtschaftet werden.4 Nur in diesem Fall führt die vGA bei der Tochtergesellschaft bzw. die gewinnrealisierende Aktivierung der verdeckten Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Muttergesellschaft aufgrund von Verlusten bzw. Verlustvorträgen5 nicht zu einer steuerlichen Mehrbelastung. Bei der Tochtergesellschaft ergeben sich hingegen aus der Abschreibung des erhaltenen Wirtschaftsgutes Steuerminderungseffekte. Nutzungsvorteile als Gegenstand der Vorteilsgewährung. Ganz andere steuerliche Konsequenzen ergeben sich für den Fall, dass die Tochtergesellschaft ihrer Schwestergesellschaft unentgeltlich oder gegen unangemessen niedriges Entgelt Nutzungen oder Dienstleistungen gewährt (Unter1 2 3 4 5

§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG. Vgl. Engelke/Clemens, DStR 2002, 288. Bei Verlustvorträgen ist die Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG zu beachten. Gegen die Mindestbesteuerung bestehen bei finalem Ausschluss der Verlustverrechnung verfassungsrechtliche Bedenken; vgl. BFH v. 26.8.2010 – I B 49/10, BStBl. II 2010, 826.

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4.59

Kap. 4 Rz. 4.60 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen preisleistungen). Diese Unterschiede betreffen ausschließlich den Vorgang der Weiterleitung des Vorteils von der Mutter- an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft, da die Unterpreisleistung keinen einlagefähigen Vorteil darstellt und deshalb nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein kann (Rz. 4.53).1 Vielmehr führt die Durchleitung der vGA als „fiktive“ Einnahme der inländischen Muttergesellschaft2 an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft bei der Muttergesellschaft zu einem korrespondierenden Aufwand (sog. Vorteilsverbrauch).3 Dieser Aufwand ergibt sich nach der sog. Fiktionstheorie4 durch die Verwendung der erhaltenen vGA zugunsten der vorteilsempfangenen Tochtergesellschaft. Eine Korrektur dieses Aufwands als verdeckte Einlage an die vorteilsempfangende Tochtergesellschaft unterbleibt, weil es an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut fehlt. Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei Unterpreisleistungen der Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft eine Gewinnverlagerung (in Form ersparter Aufwendungen) auf die Schwestergesellschaft möglich ist.

4.60 Schachtelstrafe auf der Ebene der gemeinsamen (inländ.) Muttergesellschaft. Dieser durch die

Beteiligung an der vorteilsempfangenden Tochtergesellschaft veranlasste Aufwand ist in vollem Umfang abzugsfähig. Das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG kommt nicht zum Tragen (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG). Dies gilt angesichts der Rspr. des BFH zum Verhältnis zwischen unilateralem körperschaftsteuerlichem Beteiligungsprivileg (§ 8b Abs. 1 KStG) und internationalem Schachtelprivileg auch, wenn die Beteiligungserträge aus dieser Beteiligung unter das internationale Schachtelprivileg fallen. Denn beide Befreiungsvorschriften stehen unabhängig nebeneinander und schließen sich gegenseitig nicht aus.5 Infolgedessen greift stets § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG. Eine andere Auffassung ließe sich auch mit dem Schrankenrechtscharakter des Abkommensrechts6 nicht vereinbaren, denn der nach innerstaatlichem Recht begründete und einer abkommensrechtlichen Beschränkung zugängliche Besteuerungsanspruch beinhaltet auch die Anwendung von § 8b KStG; eine andere Frage ist die nach einer weitergehenden Freistellungsverpflichtung aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs.7

4.61 Materielle Korrespondenz. Die dargestellte BFH-Rspr. zu Nutzungsüberlassungen zwischen

Schwestergesellschaften wird auch dann auf die inländische(n) Gesellschaft(en) angewendet, wenn einzelne der beteiligten Gesellschaften im Ausland ansässig sind.8 Gegenüber dem reinen Inlandssachverhalt ist allerdings zu beachten, dass bei der Vorteilsgewährung9 einer im Ausland domizilierenden Tochtergesellschaft an ihre Schwestergesellschaft10 für die vGA an die Muttergesellschaft das materielle Korrespondenzprinzip des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zum Tragen kommt. Hiernach entfällt die Freistellung insoweit, wie das Einkommen der leistenden Tochtergesellschaft 1 Ständige Rspr. des BFH, vgl. etwa BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 20.9.1990 – IV R 300/84, BStBl. II 1991, 82; v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312, v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240; v. 4.2.2014 – I R 32/12, BFH/NV 2014, 1090. 2 Bei einer ausländischen Muttergesellschaft bestimmen sich etwaige Besteuerungsfolgen nach Domizilstaatsrecht. 3 Dieser ergibt sich nach Auffassung des BFH aus dem „Verbrauch“ des Vorteils, welcher der Tochtergesellschaft über die Muttergesellschaft mittelbar zugewendet wird; vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/ 86, BStBl. II 1988, 348. 4 Vgl. Neumann, Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlagen2, 334 f. 5 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854; v. 22.9.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324. 6 Vgl. hierzu BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.38, 19.211; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, Berlin 2008, 18 ff. m.w.N.; Liebchen in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Anm. 17. 7 Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Wahlrecht zwischen beiden Befreiungsvorschriften nicht rechtfertigen, a.A. Hageböke, IStR 2009, 477 ff.; Lorenz, IStR 2009, 441. 8 Vgl. BFH v. 6.4.1977 – I R 184/75, BStBl. II 1977, 574; v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 613; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; Koenen, BB 1989, 1457; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290. 9 Eine Unterpreisleistung (Nutzungsüberlassung oder Dienstleistung) unterstellt. 10 Diese kann im Inland oder im Ausland belegen sein.

404 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.64 Kap. 4

nicht erhöht wurde, d.h. eine Einkünftekorrektur in ihrem Domizilstaat erfolgt ist. Die Freistellung kommt gemäß § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG allerdings dann zum Tragen, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der Schwestergesellschaft erhöht hat und § 32a KStG konkret keine Anwendung findet. Letzteres ist jedenfalls bei einer im Ausland ansässigen Schwestergesellschaft gegeben. Ferner bewirkt im Falle der Freistellung die Hinzurechnung der 5 %igen Kostenpauschale nach § 8b Abs. 5 KStG eine partielle Mehrfachbelastung der vGA auf Ebene der Tochtergesellschaft einerseits und der Muttergesellschaft andererseits, die allerdings nach Rechtsprechung des BFH zu den Anforderungen des abkommenrechtlichen Schachtelprivilegs keine Doppelbesteuerung darstellt, weil die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aufgrund des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs vollständig durch die Freistellung der Dividenden erfolge und die hieran anknüpfende Schachtelstrafe diese Freistellung rechtlich nicht berühre.1 Sollten die vorteilsgewährende Tochtergesellschaft im Inland und die Muttergesellschaft im Ausland domizilieren, ist ferner die beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Muttergesellschaft im Inland mit der als inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifizierenden vGA zu beachten (Rz. 4.44). Keine Anwendung von § 1 AStG. Die umstrittene Frage, ob im Verhältnis zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft aufgrund der Gewinnminderung bei der Muttergesellschaft § 1 AStG zur Anwendung kommt, ist zu verneinen. § 1 AStG (Rz. 4.69 ff.) setzt voraus, dass die Einkünfte eines Steuerpflichtigen „aus Geschäftsbeziehungen“ gemindert werden. Die Muttergesellschaft unterhält jedoch zur Tochtergesellschaft keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 4 AStG, sondern es liegt in diesem Zusammenhang ein reines Beteiligungsverhältnis vor. Insofern konnte die Muttergesellschaft auch keine unangemessenen Bedingungen vereinbaren, sondern vielmehr nur die Tochtergesellschaft mit ihrer Schwestergesellschaft. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG bei der Muttergesellschaft nicht erfüllt.2

4.62

b) vGA von (Ur-)Enkel- an Muttergesellschaft („Ketten-vGA“) „Durchschüttung“ entlang der Beteiligungskette. Erfolgt die Vorteilsgewährung nicht an einen unmittelbar, sondern an einen mittelbar übergeordneten Gesellschafter, liegen die Voraussetzungen einer vGA an eine nahestehende Person vor, die jeweils durch das Gesellschaftsverhältnis zum unmittelbar übergeordneten Gesellschafter veranlasst sind. Die vGA ist entlang der Beteiligungskette solange „durchzuschütten“, bis der vorteilsempfangende Gesellschafter erreicht ist. Auf den Zwischenstufen wird die vGA zur Weiterleitung an den jeweils übergeordneten Gesellschafter verwendet bzw. verbraucht. Auf Ebene der jeweils zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften als Empfänger der vGA unterliegt der Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG. Die vGA ist mithin jeweils als Beteiligungsertrag zu verbuchen und außerbilanziell wieder zu kürzen.

4.63

Kaskadeneffekt bei der 5 %igen Kostenpauschale. Die „Durchschüttung“ der vGA entlang der Beteiligungskette mit der Folge weiterer vGAs auf den Zwischenstufen bewirkt aufgrund der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG auf der jeweiligen Zwischenstufe, dass die 5 %ige Kostenpauschale nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG jeweils hinzuzurechnen ist. Hierbei bemisst sich die Kostenpauschale jeweils nach 100 % der in Rede stehenden vGA und wird nicht dadurch „aufgezehrt“, dass auf der jeweiligen Zwischenstufe eine „Finanzierung“ der ausgelösten Steuerzahlungen (bei einem kombinierten Steuerbelastungssatz von 30 % für Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer 1,5 Prozentpunkte) fingiert würde. Der mehrfache Ansatz der 5 %igen Kostenpauschale führt

4.64

1 Vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch. Zu § 8b Abs. 5 KStG siehe FG Düsseldorf v. 16.9.2014 – 6 K 2018/12 K, EFG 2015, 155; Saarländisches FG v. 24.3.2015 – 1 K 1162/13, EFG 2015, 1850. 2 Vgl. Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.156 Beispiel 10; Engelke/Clemens, DStR 2002, 290.

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Kap. 4 Rz. 4.65 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen deshalb zu einem sog. Kaskadeneffekt. Dieser Kaskadeneffekt ist kein Spezifikum sog. KettenvGA’s, sondern tritt auch dann auf, wenn entlang der Beteiligungskette Gewinne offen ausgeschüttet werden. Zu letzterem Fall von offenen Gewinnausschüttungen hat es das BVerfG im Beschluss vom 12.10.20101 zur grundsätzlichen Vereinbarkeit von § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich offengelassen, ob der Kaskadeneffekt bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung erforderlich macht. Der vorbezeichnete Kaskadeneffekt tritt bei grenzüberschreitender vGA entlang der Beteiligungskette dann ein, wenn der vorteilsempfangenden Kapitalgesellschaft mindestens eine inländische Kapitalgesellschaft nachgeordnet ist und die vGA vom Ausland in das Inland auf mindestens zwei für die deutsche Besteuerung relevanten Beteiligungsstufen „vereinnahmt“ wird. Soweit sich die Vereinnahmung und Weiterleitung einer vGA entlang der Beteiligungskette im Ausland vollzieht, wird deutsches Besteuerungsrecht nicht berührt.

4.65 Kapitalertragsteuerliche Aspekte. Die „Durchschüttung“ der vGA entlang der Beteiligungskette

wirft zudem kapitalertragsteuerliche Fragestellungen auf jeder Zwischenstufe auf. Verdeckte Gewinnausschüttungen lösen grundsätzlich Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzüglich Solidaritätszuschlag aus, die von der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft einzubehalten und abzuführen ist (vgl. Rz. 4.45). Erfolgt ein mehrfacher „Grenzübertritt“ bei Durchleitung der vGA, entsteht auf jeder Zwischenstufe, auf der die vGA ins Ausland abfließt, im Zeitpunkt des korrespondierenden Zuflusses beim Gläubiger erneut Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Insofern können sich auch bezogen auf die Kapitalertragsteuer Kaskadeneffekte infolge der Durchleitung einer vGA entlang der Beteiligungskette einstellen.

4.66 Ketten-vGA und Organschaft. Besteht zwischen der vorteilsempfangenden inländischen Muttergesellschaft und einer ihr nachgeordneten inländischen (Zwischenholding-) Kapitalgesellschaft eine ertragsteuerliche Organschaft, dann ist die Weiterleitung des auf Ebene der Organgesellschaft vereinnahmten Beteiligungsertrags i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an den Organträger als vorweggenommene Gewinnabführung zu behandeln.2 Wegen des sog. Bruttoprinzips (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 KStG) erhöht sich das dem Organträger zuzurechnende Einkommen um die vGA. Eine außerbilanzielle Hinzurechnung der vorweggenommenen Gewinnabführung auf Ebene der Organgesellschaft entfällt, da sich die i.d.R. nachträglich festgestellte vGA nicht auf den bilanziellen Unterschiedsbetrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG der Organgesellschaft ausgewirkt hat. Ebenso wenig erfüllt die durchgeleitete vGA die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf Ebene der Organgesellschaft. Die Unterschiedsbetragsminderung oder (verhinderte) Unterschiedsbetragsmehrung (Rz. 4.28) kann nur auf Ebene der vorteilsgewährenden, unmittelbar oder mittelbar nachgeordneten Kapitalgesellschaft vorliegen, die bei nachgeordenten ausländischen Kapitalgesellschaften für deutsche Besteuerungszwecke nur im Hinblick auf das materielle Korrespondenzprinzip nach § 8b Abs. 1 Satz 4 KStG bezogen auf eine Einkommenserhöhung im Ausland von Bedeutung ist (Rz. 4.61). Auf Ebene des Organträgers sind die vorweggenommenen Gewinnabführungen der Organgesellschaft außer Ansatz zu lassen.3 Insofern werden verrechnungspreisbezogene Gegenkorrekturen nach dem Konzept der Ketten-vGA in Organschaftsfällen über die Behandlung als vorweggenommene Gewinnabführung der Organgesellschaft an den Organträger vorgenommen. Daneben kommen auf den im zugerechneten Einkommen der Organgesellschaft enthaltenen Beteiligungsertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG auf Ebene der Organträger-Kapitalgesellschaft die Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 und 5 KStG zur Anwendung (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2

1 Vgl. BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224. 2 Vgl. R 14.6 Abs. 4 Satz 1 KStR 2015. Siehe hierzu auch Dötsch in D/P/M, § 14 KStG Rz. 288e und 596; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 1047; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 14 KStG Rz. 546. 3 Vgl. R 14.7 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015.

406 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.68 Kap. 4

KStG), so dass wirtschaftlich 95 % der vGA von der Besteuerung ausgenommen werden und die Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 5 KStG nur einmal anfällt. Wie auch bei oGA wird auch bei vGA der Kaskadeneffekt bei Weiterleitungen innerhalb des Organkreises vermieden. Ketten-vGA, Organschaft und Gewerbesteuer. Der BFH hatte mit Urteil vom 17.12.20141 seine Rechtsprechung zur sog. gebrochenen oder eingeschränkten Einheitstheorie bestätigt.2 Hiernach sind in der gewerbesteuerlichen Organschaft die Gewerbeerträge der Organgesellschaft und des Organträgers nach § 7 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG nach den maßgebenden körperschaftsteuerlichen Vorschriften zur Ermittlung des Gewinns aus Gewerbebetrieb zu ermitteln. Diese umfassen auch die in § 15 Satz 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 (i.V.m. § 8b Abs. 1–6) KStG angeordnete sog. Bruttomethode.3 Dies bedeutet, dass die von der Organgesellschaft vereinnahmte und vollständig im Gewerbeertrag enthaltene vGA von einer ausländischen nachgeordneten Kapitalgesellschaft (§ 7 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG; § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG) unter den Voraussetzungen des internationalen gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs des § 9 Nr. 7 GewStG zu kürzen ist und dieser Kürzungsbetrag nicht nach § 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG um fiktive nichtabziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG zu vermindern ist. Auf Ebene des Organträgers ist diese vGA infolge des der Organgesellschaft gewährten Schachtelprivilegs in dem nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zuzurechnenden Gewerbeertrag nicht i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG enthalten, so dass auch bei dem Organträger keine Hinzurechnung von fiktiven nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG vorzunehmen ist.

4.67

Ab dem Erhebungszeitraum 2017 wird diese „Hinzurechnungslücke“ durch § 7a GewStG geschlossen, der durch das sog. BEPS-UmsG4 eingeführt wurde und die 5 %ige Schachtelstrafe auch bei gewerbesteuerlicher Organschaft sichert. c) Ketten-vGA zwischen verschiedenen Beteiligungssträngen Kombination zwischen Ketten- und Dreiecks-vGA. Unternehmensgruppen mit einer Sparten-, Geschäftsbereichs- oder Business-Unit-Organisation bilden ihre organisatorische Gliederung regelmäßig auch in den Beteiligungsverhältnissen ab. Die operativen Gesellschaften der jeweiligen Sparte bzw. des jeweiligen Geschäftsbereichs sind in diesem Fall einer Obergesellschaft (z.B. Spartenobergesellschaft) nachgeordnet, die vielfach als (Zwischen-) Führungsholding agiert und ihrerseits einer Spitzeneinheit (Top-Holding) nachgeordnet ist. Innerhalb solcher Konzernstrukturen können Vorteilsgewährungen zwischen nachgeordneten Gesellschaften verschiedener Beteiligungsketten/-stränge erfolgen, d.h. eine nachgeordnete Gesellschaft (z.B. Enkel- oder Großenkelgesellschaft) einer Beteiligungskette gewährt einer nachgeordneten Gesellschaft einer anderen Beteiligungskette einen Vorteil. In diesem Fall liegt eine vGA an eine nahestehende Person vor. Die steuerliche Beurteilung stellt eine Kombination aus den Grundsätzen zu Ketten-vGA (Rz. 4.63 ff.) und Dreiecks-vGA (Rz. 4.56 ff.) dar: Die Weiterleitung des Vorteils im Wege mehrerer vGA erfolgt entlang der Beteiligungskette der vorteilsgewährenden Gesellschaft bis zum ersten gemeinsamen (mittelbaren) Gesellschafter mit der vorteilsempfangenden Gesellschafter und wird sodann – bei einlagefähigen Vorteilen – entlang der Beteiligungskette der vorteilsempfangenden Gesellschaft im Wege mehrerer verdeckter Einlagen („Ketten-Einlage“) weitergeleitet. 1 BFH v. 17.12.2014 I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 2 Ständige Rspr., vgl. grundlegend BFH v. 29.5.1968 – I 198/65, BStBl. II 1968, 807; ferner zur jüngsten Rspr. des IV. und X. Senats BFH v. 18.5.2011 – X R 4/10, BStBl. II 2011, 887; v. 30.10.2014 – IV R 9/ 11, BFH/NV 2015, 227. 3 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 105; siehe hierzu Gosch, BFH/PR 2015, 204 ff.; Roser, FR 2015, 472 ff. 4 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.

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4.68

Kap. 4 Rz. 4.69 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 5. § 1 Außensteuergesetz a) Tatbestandsvoraussetzungen

4.69 Begriffsdefinition des Fremdvergleichsgrundsatzes. Als weitere Einkünftekorrekturvorschrift des

innerstaatlichen Rechts ist schließlich § 1 AStG zu beachten.1 Diese Vorschrift bildet im deutschen Internationalen Steuerrecht die einzige Einkünftekorrekturnorm, die den Fremdvergleichsgrundsatz explizit erwähnt und konkretisiert. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20082 wurde § 1 AStG in wesentlichen Bereichen modifiziert und ergänzt. Hierbei nimmt der neu eingefügte § 1 Abs. 3 AStG die wesentlichen Änderungen in sich auf. Daneben hat der Fremdvergleichsgrundsatz über seine inhaltliche Beschreibung hinaus nunmehr auch begrifflich Eingang gefunden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Ferner wurden Konkretisierungen vorgenommen, die – nach Auffassung des Gesetzgebers – die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Kern prägen. Der Anwendungsbereich des § 1 AStG wurde durch das JStG 20133 mit einer fiktiven Erweiterung des Begriffs „Steuerpflichtiger“ auch auf Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften auf das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter und damit auf Verrechnungspreissachverhalte bei internationalen Personengesellschaften ausgeweitet (Rz. 4.21),4 wobei der Gesetzgeber lediglich von einer Klarstellung ausgegangen ist.5 Ferner wurden durch § 1 Abs. 4 und 5 AStG i.d.F. des JStG 2013 die als „Authorised OECD Approach“ bezeichneten umfangreichen Änderungen des Wortlauts und des Musterkommentars zu Art. 7 OECD-MA durch die am 22.7.2010 vom Rat der OECD verabschiedete Revision des Musterabkommens der OECD in § 1 AStG mit der Folge verankert, dass der Anwendungsbereich des § 1 AStG auf Betriebsstättensachverhalte ausgeweitet wurde. Hierzu wurde in der Definition des Begriffs der Geschäftsbeziehungen der Begriff „schuldrechtlichen Beziehungen“ durch den Begriff der „Geschäftsvorfälle“, gesetzlich definiert als „einzelne oder zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge“, ersetzt und gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte als „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“ als Geschäftsbeziehung gesetzlich definiert. Schließlich regeln § 1 Abs. 5 AStG, die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 1 Abs. 6 AStG erlassene BsGaV v. 17.10.20146 sowie die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) vom 22.12.20167 Einzelheiten der Betriebsstättengewinnaufteilung.

4.70 Maßstab der Einkünfteberichtigung. Maßstab der Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG ist der

Fremdvergleichsgrundsatz. Hiernach sind Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen zu berichtigen, sofern die Einkünfte dadurch gemindert werden, dass Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise) zugrunde gelegt worden sind, die von denen abweichen, die „voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz)“. Ist dies der Fall, so sind die „Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären“.8 Gegenüber der bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG wurde ferner die Anforderung der 1 2 3 4 5 6 7

Zum System der Einkünftekorrekturvorschriften grundlegend Wassermeyer, IStR 2001, 635. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Jahressteuergesetz 2013 v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG i.d.F. des JStG 2013; hierzu: Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 120 f. Vgl. Regierungsentwurf zum JStG 2013 v. 23.5.2012, Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 1. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 17.10.2014, BGBl. I 2014, 1603. Vgl. Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa) v. 22.12.2016, BStBl. I 2017, 182. 8 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.72 Kap. 4

„Ähnlichkeit“ durch diejenige der „Vergleichbarkeit“ ersetzt, was allerdings lediglich deklaratorischen Charakter hatte. Mit der gesetzlichen Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG orientiert sich der deutsche Gesetzgeber an der in Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention enthaltenen Definition des Fremdvergleichsgrundsatzes, dem sog. „dealing at arm’s length“-Prinzip. Tatbestandsvoraussetzungen. Für die Durchführung einer Gewinnkorrektur nach § 1 AStG müssen die drei folgenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein:

4.71

1. Es muss sich um „Geschäftsbeziehungen zum Ausland“ handeln (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AStG). 2. Die Geschäftsbeziehungen müssen zwischen einem inländischen Steuerpflichtigen und einer ihm „nahe stehenden Person“ bestehen (§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AStG). 3. Die vereinbarten Geschäftsbeziehungen müssen bei dem inländischen Steuerpflichtigen zu einer Einkunftsminderung geführt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG n.F. Der Begriff der Geschäftsbeziehung ist in § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des Zollkodex-Anpassungsgesetzes vom 22.12.20141 gesetzlich definiert. Diese ab dem Veranlagungszeitraum 2015 anzuwendende Begriffsdefinition2 geht inhaltlich auf eine umfassende Neudefinition durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.20133 zurück, die insbesondere im Hinblick auf die nicht vom Begriff der Geschäftsbeziehung erfassten gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen in § 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b letzter Halbs. AStG definiert wurde. Geschäftsbeziehungen sind hiernach „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftlich Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“, denen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und „die Teil einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder der nahestehenden Person sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder anzuwenden wären, wenn sich der Geschäftsvorfall im Inland unter Beteiligung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und einer inländischen nahestehenden Person ereignet hätte“ (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG). Die inhaltliche Konkretisierung der einkunftsartbezogenen Anforderungen an die Tätigkeit des Nahestehenden geht auf die Unsicherheiten bei der Anwendung des § 1 AStG in Bezug auf natürliche Personen zurück und wurde entsprechend dem Verständnis der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 4.6.20144 in das Gesetz aufgenommen.5 Eine wesentliche Erweiterung erfährt der Anwendungsbereich des § 1 AStG durch die enge Begriffsdefinition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ in § 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b letzter Halbs. AStG. Hiernach ist eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung „eine Vereinbarung, die unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt“. Nach der Gesetzesbegründung soll eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung hiernach z.B. bei einer Veränderung der Beteiligungshöhe oder der Beteiligungsrechte gegeben sein.6 Da wirtschaftliche Vorgänge, denen eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt, keine Geschäftsbeziehungen darstellen und deshalb nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AStG fallen, ist der Anwendungsbereich denkbar weit.7 Der Gesetzgeber setzt damit die Stärkung und Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG im Hinblick auf die von Begriff der Geschäftsbeziehung erfassten Sachverhalte fort, die mit der Änderung der Begriffsdefinition durch das StVergAbG vom 16.5.20038 („schuldrechtliche Beziehungen, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist“) begonnen wurde. Insbesondere für 1 Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 2 § 21 Abs. 22 AStG. 3 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 4 Vgl. BMF v. 4.6.2014 – IV B 5 - S 1341/07/10009 - DOK 2014/0423765, BStBl. I 2014, 834; siehe auch Ditz/Quilitzsch, DStR 2015, 549 f. 5 Vgl. auch BT-Drucks. 18/1370 v. 3.11.2014, 53 f. 6 Vgl. auch BT-Drucks. 18/1370 v. 3.11.2014, 53. 7 Siehe Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85. 8 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660.

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4.72

Kap. 4 Rz. 4.73 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen gesellschaftsrechtlich veranlasste Leistungen der inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft, insb. kapitalersetzende Maßnahmen (eigenkapitalersetzende Darlehen, Bürgschaften, Garantien, harte Patronatserklärungen), die in der Praxis zur Vermeidung der Anwendung von § 1 AStG gesellschaftsvertraglich vereinbart wurden,1 lässt sich deshalb eine Geschäftsbeziehung und damit die Anwendung von § 1 AStG nicht vermeiden.

4.73 Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung/gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Die bis zum Ver-

anlagungszeitraum 2012 geltende Fassung des Begriffs der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG2 ging im Wesentlichen auf die begriffliche Neufassung durch das StVergAbG vom 16.5.20033 zurück, mit der der Begriff der Geschäftsbeziehung als „jede schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist“ definiert wurde.

Diese gesetzliche Definition ging – als Reaktion des Gesetzgebers – auf das sog. „Patronatsurteil“ des BFH vom 29.11.20004 zurück. In seinem Urteil hatte der BFH entschieden, dass eine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 1 AStG a.F. nicht vorliege und infolgedessen eine entsprechende Gewinnberichtigung nicht in Betracht komme, wenn eine inländische Muttergesellschaft ihre ausländische Tochtergesellschaft unzureichend mit Eigenkapital ausstattet und zum Ausgleich für ein funktionsgerechtes Eigenkapital zugunsten der Tochtergesellschaft unentgeltliche Stützungsmaßnahmen – im Urteilsfall durch Abgabe einer sog. harten Patronatserklärung – getroffen werden.5 Denn § 1 Abs. 1 AStG erfasse nur solche Vorgänge, die als Leistungsaustausch zu qualifizieren sind und demnach nicht dem privaten Bereich zuzuordnen oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Ein Leistungsaustausch sei dabei auch nicht insoweit anzunehmen, als der Gesellschafter die Gewährung von Eigenkapital durch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Tochtergesellschaft ersetzt. Ferner konstatiert der BFH, dass die Herstellung der Kreditwürdigkeit einer Tochtergesellschaft sich „schon ihrer Natur nach“ einem Fremdvergleich entziehe, da „derartige Leistungen immer nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erbracht“ werden. Aus der fehlenden Fremdvergleichbarkeit zog der BFH deshalb den Schluss, dass keine Geschäftsbeziehung vorliege und demnach eine Einkünftekorrektur nach Maßgabe des Fremdvergleichs gem. § 1 AStG nicht möglich sei.6 Der BFH hat mit Urteil vom 27.8.20087 diese Rechtsprechungsgrundsätze auch für § 1 Abs. 4 AStG a.F. bestätigt. Daraufhin hat die Finanzverwaltung ihren ursprünglichen Nichtanwendungserlass8 aufgegeben und sich diesen Rechtsprechungsgrundsätzen angeschlossen.9 Dies allerdings nicht in vollem Umfang. Zum einen beschränkt die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich auf Tochtergesellschaften, obgleich der BFH mit Urteil vom 29.4.200910 seine Rspr. auch auf Enkelgesellschaften ausgedehnt hat. Zum anderen sollen vergleichbare eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen (z.B. zinslose Darlehen) nur dann nicht als Geschäftsbeziehung qualifizieren, wenn das Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führt.11 1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11

Vgl. Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85. In der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. Der hierzu ergangene Nichtanwendungserlass (BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025) wurde mittlerweile aufgegeben; vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34. Im Streitfall konnte die Frage des Vorliegens einer „Geschäftsbeziehung“ nicht auf Basis des § 1 Abs. 5 AStG (bzw. § 1 Abs. 4 AStG a.F.) beurteilt werden, da diese Norm erst mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten ist. Der BFH hat jedoch mit Urteil v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123, diese Rechtsprechungsgrundsätze für die ab dem 1.1.1992 geltende Fassung (§ 1 Abs. 4 AStG a.F.) bestätigt. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; ähnlich FG BW v. 4.12.2001 – 1 K 250/99, EFG 2002, 381. Vgl. BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025. Vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34. BFH v. 29.4.2009 – I R 88/08, juris. Siehe hierzu mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 477.

410 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.74 Kap. 4

Mit Urteil vom 23.6.20101 hat der BFH schließlich diese Rechtsprechungsgrundsätze weitergehend konkretisiert. Hiernach schließen nicht jedwede unverzinslichen Gesellschafterdarlehen eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. aus. Sie sind vielmehr nur dann nicht Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie – nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut der darlehensnehmenden Gesellschaft als Zuführung von Eigenkapital anzusehen sind2; – der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahestehen, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet3 oder – wenn das Darlehen aus anderen Gründen auch im Verhältnis zwischen fremden Dritten unverzinslich gewährt worden wäre4 (Rz. 4.367 ff.). Mit Urteil vom 25.6.2014 hat der BFH wiederum zu § 1 Abs. 4 AStG a.F. diese Rechtsprechungsgrundsätze bestätigt und zudem klargestellt, dass eine Zerlegung des einheitlichen Rechtsgeschäfts der Darlehensgewährung in Betracht komme und dass nur bezogen auf den Teil, der die funktionsadäquate Kapitalausstattung sicherstellt, keine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. vorläge.5 Dieser Aufteilung wird auch insofern Bedeutung beigemessen, als bis zur gesetzlichen Definition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ im Rahmen des Zollkodex-Anpassungsgesetzes (Rz. 4.72) die „Geschäftsbeziehung“ von der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ abzugrenzen ist.6 Gesetzliche Überholung. Die dargestellte Rspr. betrifft die Rechtslage bis 2002. Mit der Neufassung der Begriffsdefinition in § 1 Abs. 4 AStG a.F. durch das StVergAbG ist diese Rspr. legislativ überholt. Hiernach ist eine Geschäftsbeziehung stets dann anzunehmen, wenn sie auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung beruht. Dies unabhängig davon, ob diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten insbesondere verbindliche Kreditgarantien, zinslose und zinsgünstige Darlehen sowie die unentgeltliche und teilentgeltliche Gewährung anderer Leistungen einer inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft als Geschäftsbeziehungen zu qualifizieren sein.7 Unbeachtlich ist dagegen, ob diese Stützungsmaßnahmen fehlendes Eigenkapital der Tochtergesellschaft ersetzen oder die wirtschaftliche Betätigung dieser Gesellschaft stärken sollen. Zu einer Geschäftsbeziehung konnte es nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG a.F. allerdings nur dann kommen, wenn eine schuldrechtliche Beziehung, d.h. keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, vorliegt. Unzweifelhaft kann daher die Zuführung von Nominalkapital an eine ausländische Tochtergesellschaft in Form einer gesellschaftsrechtlichen Einlage keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 5 AStG begründen. Indessen blieb unklar, ob unter die Neudefinition der Geschäftsbeziehung auch Poolumlagen (Rz. 4.455 ff.)8 und die Arbeitnehmerentsendung9 fallen.10 Darüber hinaus war denkbar, dass bestimmte Finanzierungsinstrumente im Konzern auch weiterhin 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. hierzu BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.3.2; FG Nds. v. 23.3.1999 – VI 357/95, DStRE 2000, 409. Vgl. BFH v. 25.6.2014 – I R 88/12, BFH/NV 2015, 57; siehe hierzu auch Rasch, ISR 2015, 10 ff. Zur Aufteilung des einheitlichen Rechtsgeschäfts siehe ausführlich die vorinstanzliche Entzscheidung des FG Schleswig-Holstein v. 29.11.2012 – 1 K 118/07, EFG 2013, 279; siehe hierzu Puls, IStR 2013, 706 f. Vgl. Puls, IStR 2013, 706 f.; Rasch, ISR 2015, 12. Vgl. BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, 53; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 817. Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122. Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769. Dies verneinend Schnorberger, DB 2003, 1242.

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4.74

Kap. 4 Rz. 4.75 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nicht als Geschäftsbeziehung qualifiziert werden können, wenn insoweit keine schuldrechtliche Beziehung begründet wird. Dies gilt beispielsweise für sog. weiche Patronatserklärungen,1 also solche Erklärungen, die nicht auf Zahlung, sondern auf sonstige Handlungen des Gesellschafters gerichtet sind, z.B. das Gesellschaftsverhältnis zur Tochtergesellschaft beizubehalten, Unternehmensverträge fortzuführen oder die Tochtergesellschaft zu beeinflussen, ihren Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern nachzukommen.2 Nach der engen Begriffsdefinition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ in § 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b letzter Halbs. AStG durch das Zollkodex-Anpassungsgesetz vom 22.12.20143, wonach eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung „eine Vereinbarung [ist], die unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt“, fallen gesellschaftsrechtlich veranlasste Leistungen der inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft, insb. kapitalersetzende Maßnahmen (eigenkapitalersetzende Darlehen, Bürgschaften, Garantien, harte Patronatserklärungen), die in der Praxis zur Vermeidung der Anwendung von § 1 AStG gesellschaftsvertraglich vereinbart wurden,4 stets unter den Begriff der Geschäftsbeziehung. Ferner enthält § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG folgenden Auffangtatbestand, der mit einer Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen verbunden ist: „Liegt einem Geschäftsvorfall keine schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde, ist davon auszugehen, dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten oder eine bestehende Rechtsposition geltend machen würden, die der Besteuerung zugrunde zu legen ist, es sei denn, der Steuerpflichtige macht im Einzelfall etwas anderes glaubhaft.“ Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung „klarstellen“, dass Geschäftsbeziehungen ohne oder ohne nachweisliche schuldrechtliche Vereinbarung so behandelt werden, als ob ihnen schuldrechtliche Vereinbarungen zugrunde lägen, wobei der Hinweis „wie im Regelfall unter voneinander unabhängigen Personen üblich“ deutlich macht, dass für den konkreten Sachverhalt auch üblicherweise zwischen fremden Dritten eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen werden müsste.5 Der Steuerpflichtige kann insofern unter Rückgriff auf Fremdvergleichsgesichtspunkte anderes glaubhaft machen.

4.75 Geschäftsbeziehung zum Ausland. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG muss die Geschäfts-

beziehung „zum Ausland“ bestehen. Der Begriff „Ausland“ ist dabei weniger unter geografischen Gesichtspunkten als vielmehr unter dem Aspekt der Zuordnung der Einkünfte zu den involvierten Staaten (Fisci) zu verstehen.6 Maßgeblich ist daher, dass die Geschäftsbeziehung einerseits im Inland zu einer Einkünfteminderung führt und es andererseits im Ausland7 zu einer korrespondierenden Einkünfteerhöhung kommt. Tritt die Einkünfteminderung hingegen im Ausland ein, findet § 1 AStG keine Anwendung.8 Ferner kommt § 1 Abs. 1 AStG nicht zum Tragen, wenn die Geschäftsbeziehung „im Inland“ besteht. An einer i.d.S. „grenzüberschreitenden“ Geschäftsbeziehung fehlt es etwa, wenn beide Vertragspartner der Geschäftsbeziehung im Inland ansässig sind und der Leistungsempfänger die Leistung im Ausland – etwa im Rahmen seiner dortigen Betriebsstätte – nutzt. Denn diese Verwendung selbst ist nicht Gegenstand der Geschäftsbeziehung.9

1 Vgl. Schnitger, IStR 2003, 76; Korn, KÖSDI 2003, 13729; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 478. 2 Vgl. IDW, RH HFA 1 013, Tz. 8 ff. 3 Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 4 Vgl. Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85 ff.; Ditz/Quilitzsch, DStR 2015, 550. 5 Vgl. BT-Drs. 17/10000 v. 19.6.2012, 63. 6 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 126 ff.; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.134 ff.; Vögele/Raab in V/B/E4, A Rz. 202. 7 Zur Abgrenzung des Begriffs „Ausland“ vgl. Vögele/Raab in V/B/E4, A Rz. 200 ff. 8 Insoweit würde nämlich eine Geschäftsbeziehung „zum Inland“ bestehen. Vgl. auch BFH v. 28.4.2004 – I R 5, 6/02, BFH/NV 2004, 1442 und dazu Andresen, IStR 2005, 123. 9 Vgl. hierzu BFH v. 28.4.2004, I R 5, 6/02, BStBl. II 2005, 516 sowie den Nichtanwendungserlass des BMF v. 22.7.2005 – IV B 4 - S 1341 - 4/05, BStBl. I 2005, 818.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.77 Kap. 4

Nahestehende Person. Der Tatbestand der „nahestehenden Person“1 i.S. des § 1 Abs. 2 AStG ist unter folgenden Voraussetzungen erfüllt:2

4.76

(a) Die Verflechtung beruht auf einer unmittelbaren oder mittelbaren wesentlichen Beteiligung (≥ 25 % des Nennkapitals) oder ist durch beherrschenden Einfluss gegeben (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Darüber hinaus umfasst der Begriff der nahestehenden Person auch Drittpersonen, die aufgrund einer wesentlichen Beteiligung oder einer unmittelbaren oder mittelbaren Beherrschungsmöglichkeit auf die beiden vertragsschließenden Partner Einfluss nehmen können (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Dies ist bei Schwestergesellschaften der Fall, bei denen die gemeinsame Muttergesellschaft Einfluss auf die Geschäftsbeziehungen zwischen den Schwestergesellschaften nehmen kann. Eine Verflechtung aufgrund rechtlicher oder faktischer Beherrschung liegt insbesondere vor bei:3 – beteiligungsähnlichen Rechten, – Unternehmensverträgen i.S. der §§ 291 und 292 AktG, der Eingliederung i.S. des § 319 AktG, der Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung i.S. des § 18 AktG (Konzern), wechselseitigen Beteiligungen i.S. des § 19 AktG, – unmittelbarer oder mittelbarer Beteiligung derselben Personen an der Geschäftsleitung oder der Kontrolle zweier Unternehmen oder – der Unterstellung zweier Unternehmen unter den beherrschenden Einfluss eines dritten Unternehmens. (b) Die Verflechtung beruht auf besonderen Einflussmöglichkeiten bzw. auf einer Interessenidentität (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG). Angesprochen sind hierbei insbesondere außergeschäftliche Abhängigkeitsverhältnisse, die ihren Grund in gesellschaftsrechtlichen, geschäftlichen, persönlichen oder verwandtschaftlichen Verbindungen haben.4 Im Einzelfall wird es jedoch außerordentlich schwierig sein, derartige Verbindungen festzustellen und zu belegen. Durch die Einbeziehung jedweder Einflussmöglichkeiten bzw. einer Interessenidentität bezieht sich die Einkünftekorrekturnorm des § 1 AStG nicht nur auf gesellschaftsrechtliche Verflechtungen und geht damit in seinem Anwendungsbereich über die vGA bzw. verdeckte Einlage hinaus. In beiden Fällen – (a) und (b) – genügt bereits das Bestehen einer solchen Beziehung oder Einflussmöglichkeit, so dass es unerheblich ist, ob sie den betreffenden Geschäftsabschluss tatsächlich beeinflusst hat oder nicht. Einkunftsminderung im Inland. Die Anwendung von § 1 AStG setzt schließlich voraus, dass die vereinbarten Geschäftsbedingungen zu einer Einkunftsminderung beim inländischen Steuerpflichtigen führen. § 1 AStG lässt somit eine Gewinnkorrektur nur zuungunsten des Steuerinländers zu, nicht aber eine zu seinen Gunsten. Insofern lässt sich die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Grundsätze über die Funktionsverlagerung auch für Funktionsverlagerungen in das Inland gelten,5 jedenfalls im Hinblick auf eine Einkünftekorrektur nicht auf § 1 AStG stützen, wenn es an einer Einkunftsminderung im Inland fehlt.6 Ob allerdings eine Einkunftsminderung (nicht) vorliegt, ist für Geschäftsbeziehungen nach § 1 Abs. 4 AStG, die den Tatbestand der Funktionsverlagerung i.S.v. 1 Als Person wird jede natürliche oder juristische Person verstanden, die Vereinbarungen treffen kann, die zu einer Gewinnverlagerung führen können; vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 501. 2 Der Begriff der nahestehenden Person ist abschließend in § 1 Abs. 2 AStG normiert. Der Begriff der nahestehenden Person gem. § 1 Abs. 2 AStG entspricht nicht deren Definition im Rahmen der vGA; vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. I 1994, 725. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.3.2.5. 4 Siehe Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 531 ff.; Vögele/Raab in V/B/E4, A Rz. 216 ff. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3. 6 Siehe zu Funktionsverlagerungen in das Inland ausführlich Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 23 ff.

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4.77

Kap. 4 Rz. 4.78 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und dessen Konkretisierungen durch § 1 Abs. 1 und Abs. 2 FVerlV erfüllen, ausschließlich nach den in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG geregelten Anforderungen an die Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu bestimmen. Insofern ist zwischen der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG dem Grunde und der Höhe nach und der Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zu unterscheiden. Ersteres bestimmt sich nach Funktionsverlagerungsgrundsätzen. Letzteres setzt voraus, dass der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis den nach Funktionsverlagerungsgrundsätzen zu bestimmenden Fremdvergleichspreis überschreitet. Die Bedingungen können die Einkünfte unmittelbar (z.B. durch verringerte Betriebseinnahmen/erhöhte Betriebsausgaben) oder mittelbar (z.B. durch Verzicht auf Einnahmenerzielung) mindern.1 Ferner müssen die dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhaltenden Bedingungen gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG kausal für die eingetretene Einkunftsminderung sein („dadurch, dass“).

4.78 § 1 AStG und Teilwertabschreibungen. Diese Kausalität ist freilich – vordergründig betrachtet –

auch für die Einkunftsminderungen gegeben, die infolge einer Teilwertabschreibung auf ein eigenkapitalersetzendes Darlehen für Veranlagungszeiträume vor 2008 (für spätere Veranlagungszeiträume gilt das Abzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG i.d.F. des JStG 20082) eintritt und die die Finanzverwaltung nach § 1 AStG korrigieren möchte.3 Hiermit setzt die Finanzverwaltung auf eine Argumentation auf, die erstmals vom FG Münster vertreten wurde.4 Nach der zur vGA ergangenen Rspr. des BFH ist es mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar, dass bei einer Darlehensgewährung im Konzern keine Sicherheiten vereinbart werden, weil die Konzernbeziehung („Rückhalt im Konzern“), für sich genommen, eine ausreichende Sicherheit darstellt.5 Insofern ist nach der Rspr. des BFH bei Fehlen einer tatsächlichen Sicherheit der Zinssatz nicht anzupassen, sondern der Rückhalt im Konzern als fremdübliche Sicherheit anzuerkennen. Ferner hatte der BFH mit Urteil vom 14.1.20096 entschieden, dass – vor Einführung von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG, d.h. für Veranlagungszeiträume bis 2008 – Teilwertabschreibungen auf eigenkapitalersetzende Darlehen keinem Abzugsverbot unterliegen, weil sie nicht als (beteiligungsbezogene) Gewinnminderungen i.S.v. § 8b Abs. 3 KStG a.F. qualifizieren. Die für Zwecke des § 1 AStG festzustellende Kausalität einer fehlenden Besicherung für die Einkunftsminderung infolge der Teilwertabschreibung gilt allerdings nur dem Grunde nach. Zwar erstreckt sich der Fremdvergleich auf (alle) „Bedingungen“ und versteht die sich im Verrechnungspreis verkörpernden Entgeltbestandteile lediglich als eine Bedingung („insbesondere“). Überdies wirkt die fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich entgelterhöhend.7 § 1 AStG lässt gleichwohl eine Korrektur der Bedingungen jedenfalls insofern nicht zu, als sie im Ergebnis zur Negierung der Geschäftsbeziehung führt. Es dürfte dem Grundbestand der Verrechnungspreisdiskussion zugehören, dass bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen ist, wie es zwischen den verbundenen Geschäftspartnern tatsächlich verwirklicht wurde (Rz. 4.22 und 4.127 ff.). Will man insofern auch rein gesellschaftsrechtlich veranlasste Vorgänge – oder wie der BFH ausführt: Maßnahmen, die sich „schon ihrer Natur nach einem solchen Fremdvergleich“8 entziehen – nur deshalb einem Fremdvergleich unterziehen, weil ihnen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und sie deshalb als Geschäftsbeziehung qualifizieren, dann muss diese Vorgehensweise im Anwendungsbereich von § 1 AStG auch konsequent zu Ende gedacht werden. 1 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 252. 2 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 3 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277. Siehe hierzu Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97. 4 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K,F, EFG 2008, 923. 5 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 6 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674. 7 Demgegenüber genügen andere, nicht entgeltdeterminierende Bedingungen regelmäßig dem Fremdvergleichsmaßstab des § 1 AStG. Eine Entgeltpflicht scheidet deshalb schon dem Grunde nach aus. 8 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.78 Kap. 4

Nach der in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG formulierte Rechtsfolge „sind seine Einkünfte […] so anzusetzen, wie sie unter den zwischen voneinander unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.“ Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des Darlehensgebers allerdings hätte die fehlende Besicherung des Darlehens mit der Forderung eines dementsprechenden Risikozuschlags zur Herstellung eines äquivalenten Sicherheitszustandes verbunden. Keinesfalls hätte er dem Darlehensgeber Sicherheiten abgenötigt bzw. abnötigen können. Eine konsequente Anwendung des § 1 AStG bedeutet dann aber, dass die unternehmerische Disposition über die Risikoverteilung anzuerkennen ist und eine dementsprechende Bemessung eines fremdvergleichskonformen Zinssatzes zur Folge hat.1 Eine Korrektur der Bedingungen lässt § 1 AStG demgegenüber nicht zu.2 Insofern erfolgt die Einkünftekorrektur der Höhe nach stets unter Zugrundelegung eines konkreten Fremdvergleichspreises. Die Einkünftekorrektur um die Teilwertabschreibung entbehrt mithin einer Rechtsgrundlage.3 Der BFH hat es in seinen Urteilen vom 17.12.20144 und vom 24.6.20155 ausdrücklich dahinstehen lassen, ob bereits nach § 1 AStG fremdunübliche Bedingungen korrekturfähig sind. Er hat seine Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA herangezogen, um die Korrektur von Teilwertabschreibungen auf konzerninterne Darlehensforderungen in sog. Altfällen zu verwerfen und die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 29.3. 2011 abzulehnen.6 Hiernach ermöglicht der Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 Abs. 1 OECDMA eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe nach dem Fremdvergleich nicht standhält (Rz. 4.78). Dagegen sind die Bedingungen, auch wenn sie einem Fremdvergleich nicht standhalten, nicht nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA korrekturfähig. Die nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA zulässigen Korrekturen beschränken sich m.a.W. auf preisbezogene Korrekturen. Mit seinem Urteil vom 24.6.2015 hat der BFH die vorgenannte Rechtsprechung bestätigt und ergänzend festgestellt, dass nichts dafür ersichtlich sei, dass § 1 Abs. 1 AStG a.F. als sog. Treaty override ausgestaltet wäre.7 Der BFH wird in einem Revisionsverfahren erneut Gelegenheit haben, zu der Rechtsfrage, ob § 1 AStG auch die Korrektur von Gewinnen zulässt, die auf nicht fremdvergleichskonformen anderen Bedingungen beruhen, zu entscheiden.8 Das BMF hat die Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Sperrwirkung gegenüber Einkünftekorrekturen von Teilwertabschreibungen auf konzerninterne unbesicherte Darlehensforderungen durch Schreiben vom 30.3.2016 mit einem Nichtanwendungserlass belegt.9 Sowohl für § 1 AStG als auch für die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Abkommensbestimmungen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass diese rechtsfolgeseitig nicht auf preisbezogene Einkünftekorrekturen beschränkt sind. Konkret heißt es hierzu wie folgt: „Eine Beschränkung der Korrektur auf 1 Zur Anerkennung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit auch die deutsche Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 2 Vgl. auch Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Podiumsdiskussion, 162 f. 3 Vgl. auch Ditz/Liebchen, IStR 2012, 102 f. 4 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BFH/NV 2015, 626. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 173; Ditz/Quilitzsch, ISR 2015, 121; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377; Bärsch/Engelen, DB 2016, 191. 5 Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BFH/NV 2015, 1506. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 407; Greinert/Metzner, Der Konzern 2015, 427; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373. 6 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277, Tz. 18. 7 Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BFH/NV 2015, 1506. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 407; Greinert/Metzner, Der Konzern 2015, 427; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373. Siehe auch FG Münster v. 18.5.2017 – 3 K 2872/14 G, F, juris, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – I B 57/ 17; FG Düsseldorf v. 27.6.2017 – 6 K 896/17 K, G, EFG 2017, 1332 f. – Rev. I R 54/17. 8 Vgl. FG Baden-Württemberg v. 12.1.2017 – 3 K 2647/15, EFG 2017, 635 – Rev. I R 5/17. 9 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455; hierzu Greil/Wargowske, ISR 2016, 157 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.79 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen den jeweiligen Verrechnungspreis ist im Hinblick auf den Fremdvergleichsgrundsatz sinnwidrig, weil […] die Bedingungen eines konkreten Geschäftsvorfalls so gestaltet sein können, dass allein eine Korrektur des Verrechnungspreises weder dazu geeignet ist, noch ausreicht, ein Ergebnis zu erzielen, das dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht“1. Ferner geht die Finanzverwaltung davon aus, dass das Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zu den „anderen Vorschriften“ i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG gehört, die vorrangig anzuwenden seien und für die § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG eine weitergehende Korrekturmöglichkeit einräume.2 Da nicht das Zustimmungsgesetz selbst, sondern die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen „angewendet“ werden, stellt sich die Frage der self-executing-Wirkung. Der BFH verneint diese bekanntlich in ständiger Rechtsprechung.3 Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung weist insofern ein Zirkulationsproblem auf. Offensichtlich meint die Finanzverwaltung, mittels einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG könne und müsse im Nachhinein ein Ergebnis hergestellt werden, das bei fremdüblichen Bedingungen eingetreten wäre.4 b) Rechtsfolgen

4.79 Einkünftekorrektur nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1

AStG besteht in einer Einkünftekorrektur nach Maßgabe des Fremdvergleichs. Demgemäß ist der Berichtigungsbetrag, d.h. der Unterschiedsbetrag zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreis, nach h.M. und Auffassung der Finanzverwaltung außerhalb der Steuerbilanz auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe vorzunehmen.5 Eine weitergehende Rechtsfolge regelt § 1 AStG nicht. Bei der Muttergesellschaft erfolgt deshalb weder der – nachträgliche – Ansatz eines Wirtschaftsgutes, z.B. einer fiktiven Zinsforderung bei unentgeltlicher Darlehensüberlassung oder einer Forderung auf fiktive Avalprovisionen im Falle einer unentgeltlichen Bürgschaft, noch – wie bei der verdeckten Einlage (Rz. 4.55) – die Aktivierung des Korrekturbetrages auf die Anschaffungskosten der Beteiligung an der Tochtergesellschaft.6 Infolgedessen käme es im Falle einer späteren Veräußerung der Beteiligung bzw. im Rahmen der Liquidation der Tochtergesellschaft zu einer weiteren Besteuerung bei der inländischen Muttergesellschaft, da das Vermögen der ausländischen Tochtergesellschaft durch die ersparten Aufwendungen gestiegen ist. Um diese Doppelbesteuerung der Einkünftekorrektur zu vermeiden, lässt die Finanzverwaltung im Rahmen einer sachlichen Billigkeitsmaßnahme eine Kürzung des Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinns um den Korrekturbetrag nach § 1 AStG zu, wobei infolge der Kürzung auch ein Negativbetrag entstehen kann.7 Allerdings teilt dieser Kürzungsbetrag steuerlich das Schicksal des Veräußerungs- oder Liquidationsgewinns. Infolgedessen kommt für ihn das körperschaftsteuer-

1 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. 2 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. 3 Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; zuletzt BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; Beschluss v. 22.10.2015 – I B 122/14, BFH/NV 2016, 405. 4 Vgl. Greil/Wargowske, ISR 2016, 158; die bezogen auf den Fremdvergleich dem Grunde nach und dem Fremdvergleich der Höhe nach von einer künstlichen „Aufspaltung üblicherweise einheitlicher Lebensvorgänge“ sprechen. 5 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3; v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. 1/2004, 3, Tz. 1.1.1; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 408; Wassermeyer, IStR 2001, 634; Menck in Blümich, § 1 AStG Rz. 44 u. 47; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.177. 6 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 408; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.178. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.2 Abs. 1; ähnlich BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875, mit der Forderung, die zeitverzögerte Doppelbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden. Vgl. hierzu auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 424; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.179.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.81 Kap. 4

liche Beteiligungsprivileg des § 8b Abs. 2 KStG zum Tragen, so dass wegen der Freistellung des gekürzten Veräußerungs- oder Liquidationsgewinns bzw. der Nichtberücksichtigung eines etwaigen Veräußerungs- oder Liquidationsverlusts (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG) keine steuerlich vorteilhaften Auswirkungen eintreten. Dies gilt umso mehr, als die Finanzverwaltung die Billigkeitsmaßnahme nicht auf die Hinzurechnung der Kostenpauschale i.H.v. 5 % des Veräußerungsgewinns gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG ausdehnt; diese bezieht sich auf den ungekürzten Veräußerungsgewinn.1 Billigkeitsmaßnahme für „Gegengeschäfte“. Die Rückgängigmachung einer eingetretenen Einkünfteminderung dadurch, dass die Inlandsgesellschaft mit der ausländischen verbundenen Gesellschaft die ursprünglich vereinbarten Bedingungen an jene anpassen, die fremde Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen abgeschlossen hätten, berührt die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG grundsätzlich nicht,2 sondern ist gesondert zu beurteilen.3 Die Finanzverwaltung adressiert in Tz. 5.5.1. Buchst. d VWG-Verfahren4 jedoch eine sachliche Billigkeitsmaßnahme,5 die im Ergebnis die Möglichkeit einräumt, eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG rückgängig zu machen. Hiernach sollen Vorgänge, die zu einer (ausschließlich) auf § 1 AStG zu stützenden Berichtigung geführt haben und die durch Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden, außerhalb der Bilanz mit dem zu Zwecken der Berichtigung vorgenommenen Zuschlag zu verrechnen sein. Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn die Ausgleichszahlungen innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des berichtigten Steuerbescheids tatsächlich geleistet worden sind. Mit letzterer Einschränkung reagiert die Finanzverwaltung auf die im Schrifttum6 vorgetragene Auffassung zu Tz. 8.3.1. VWG 1983,7 wonach es in der Logik dieser Billigkeitsmaßnahme angelegt sei, dass die zivilrechtlich wirksame Vereinbarung einer Ausgleichsforderung hinreicht und es eines tatsächlichen Zahlungsausgleichs nicht bedarf. Der BFH8 hatte allerdings diese Frage im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde unentschieden gelassen und die Übernahme von Kosten einer ausländischen Tochtergesellschaft durch ihre inländische Muttergesellschaft als Einlage i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG beurteilt und nicht unter § l Abs. 1 AStG subsumiert. Angesichts des Charakters als Billigkeitsmaßnahme ist u.E. jedoch zweifelhaft, ob die Finanzverwaltung von den – nunmehr gesetzten – Anforderungen abweichen wird. Sie kann im Übrigen nur im Wege einer Verpflichtungsklage und nicht durch teleologisch reduzierte Auslegung von § 1 AStG durchgesetzt werden.

4.80

c) Konkurrenzverhältnis zur vGA und verdeckten Einlage Ausschluss/Überschneidung der Regelungsbereiche. Während sich die vGA und die verdeckte Einlage gegenseitig ausschließen, kann es zwischen diesen beiden Rechtsinstituten und § 1 AStG zu einer Überschneidung der jeweiligen Regelungsbereiche kommen. So kann bspw. § 1 AStG mit der verdeckten Einlage kollidieren, wenn eine inländische Muttergesellschaft ihrer ausländischen Tochtergesellschaft einen unentgeltlichen bzw. teilentgeltlichen Vorteil gewährt. Ferner kann es bei Vermögensverlagerungen von einer inländischen Tochtergesellschaft auf ihre ausländische Muttergesellschaft zu einer Konkurrenz zwischen § 1 AStG und der vGA kommen. Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis des § 1 AStG einerseits und der verdeckten Einlage bzw. der vGA andererseits bliebe rein akademischer Natur, wären Anwendungsvoraussetzungen, 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.2 Abs. 2. Vgl. BFH v. 5.6.2003 – I B 168/02, IStR 2003, 738. Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 422. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.1 Buchst. d. Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 5.6.2003 – I B 168/02, BFH/NV 2003, 1412. Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 422. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 8.3.1 Buchst. c, aufgehoben durch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 7. Vgl. BFH v. 5.6.2003 – I B 168/02, IStR 2003, 738.

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4.81

Kap. 4 Rz. 4.82 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Ausgestaltung des sog. Vorteilsausgleichs (Rz. 4.478) und Rechtsfolgen identisch.1 Dies ist jedoch nach überwiegender Ansicht von Rspr., Finanzverwaltung und Schrifttum nicht der Fall.2 Ferner ist nach der umfassenden Revision des § 1 AStG im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 mehr als fraglich, ob die Einkünftekorrekturnormen auf demselben Fremdvergleichsmaßstab – sowohl auf Tatbestands- wie auf Rechtsfolgenebene – aufbauen.3

4.82 Einzelne Konkurrenzfragen. Im Einzelnen erstreckt sich das Konkurrenzproblem auf folgende Bereiche:

– Während § 1 AStG das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung voraussetzt und diese eigenständig in § 1 Abs. 4 AStG definiert, knüpfen die vGA und die verdeckte Einlage an die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis an. Diese Unterscheidung ist deshalb von erheblicher praktischer Bedeutung, weil die gesellschaftsrechtliche Veranlassung eine Geschäftsbeziehung tatbestandlich nicht ausschließt (Rz. 4.72 f.). Insofern sind etwa eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen (z.B. eine harte Patronatserklärung) als eine Geschäftsbeziehung zu qualifizieren, obgleich sie sich „schon ihrer Natur nach einem (…) Fremdvergleich“4 entziehen (Rz. 4.72 f., Rz. 4.77, Rz. 4.367 ff.). – Während § 1 AStG nur an Geschäftsbeziehungen zum Ausland anknüpft, gelten die vGA und die verdeckte Einlage für Inlands- wie für Auslandssachverhalte gleichermaßen. – Während vGA und verdeckte Einlagen nur im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter anwendbar sind, gilt § 1 AStG zudem auch für „nahestehende“, d.h. nicht gesellschaftsrechtlich verbundene Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG. – Während die vGA und die verdeckte Einlage ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung des Gesellschafters an der Kapitalgesellschaft eingreifen, beschränkt sich § 1 AStG auf Fälle, in denen der Gesellschafter an der Kapitalgesellschaft mindestens zu einem Viertel mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.5 – Während § 1 AStG nur eine Korrektur der Einkünfte zuungunsten des Steuerinländers zulässt („werden Einkünfte … gemindert“), erlauben die vGA und die verdeckte Einlage unter bestimmten Voraussetzungen (Rz. 4.26 ff. und Rz. 4.50 ff.) auch eine Korrektur zugunsten des Steuerinländers. – Während der Fremdvergleich als Tatbestandsvoraussetzung einer Einkünftekorrektur bei der verdeckten Einlage bzw. vGA aus dem ertragsteuerlichen Veranlassungsprinzip abgeleitet wird,6 ist dieser in § 1 Abs. 1 AStG unmittelbar definiert und konkretisiert. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtsgrundlage des Fremdvergleichsgrundsatzes stellt sich zwangsläufig die Frage, ob der Fremdvergleich i.S. des § 1 Abs. 1 AStG mit dem durch das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers konkretisierten Fremdvergleich der vGA/verdeckten Einlage übereinstimmt. Nach Auffassung Wassermeyers war diese Frage „nicht abschließend geklärt“.7 Jedenfalls für die vGA machte die Rspr. des BFH die gesellschaftsrechtliche Veranlassung als Tatbestandsvoraussetzung an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Seiten beider Vertragspartner (sog. „Prinzip des doppelten ordentlichen Ge1 Vgl. Flick, StbKRep 1976, 200. 2 Vgl. etwa Wassermeyer, IStR 2001, 634 ff.; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 441 ff.; Borstell/ Brüninghaus/Dworaczek, IStR 2001, 759; Gocksch, IStR 2002, 181. 3 Vgl. hierzu etwa Looks/Steinert/Müller, BB 2009, 2348 ff.; siehe auch Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 37 f. Siehe auch auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 300, 313a und 361. 4 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. 5 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG. 6 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 161 ff.; Wassermeyer in FS Offerhaus, 407 ff.; Wassermeyer, DB 2001, 2466; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, 35. 7 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 636.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.83 Kap. 4

schäftsleiters“, Rz. 4.175 ff.) fest,1 so dass von einem einheitlichen Referenzmaßstab für die vGA dem Grunde nach auszugehen war. Angesichts der umfänglichen „Konkretisierungen“ dessen, was den Fremdvergleich im Anwendungsbereich des § 1 AStG ausmacht, bestehen auf Tatbestandsebene jedoch Zweifel, die insbesondere auf die Fiktion der vollständigen Information und Marktransparenz gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG (Rz. 4.187 ff.)2 sowie die exklusiv in § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG enthaltenen Regelungen über Funktionsverlagerungen (Rz. 4.480 ff.) zurückgehen. – Während nach § 1 Abs. 1 AStG jedes Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab eine Einkünftekorrektur auslöst, spricht das Abweichen vom Fremdvergleichsmaßstab im Rahmen der vGA/ verdeckten Einlage nur indiziell (widerlegbare Vermutung) für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Ein Gegenbeweis ist demnach innerhalb des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG möglich, im Rahmen des § 1 AStG hingegen nicht.3 – Hinsichtlich der Rechtsfolge der Einkünftekorrektur führen sowohl § 1 AStG als auch die vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu einer Bewertung mit dem Fremdvergleichspreis (gemeiner Wert). Allerdings gibt § 1 Abs. 3 AStG ein Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich vor (Rz. 4.209 f.). Ferner bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG für lediglich eingeschränkt vergleichbare Werte, dass die Bandbreite einzuengen ist, und § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG, dass im Falle des außerhalb dieser eingeengten Bandbreite liegenden Verrechnungspreises der Median anzusetzen ist. § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG enthalten schließlich exklusive Regelungen zur Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs, insbesondere zur Ermittlung und zur Aufteilung des Einigungsbereichs. Überdies ist die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen als eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren in § 1 AStG geregelt, dessen Bewertungsparameter und -prämissen sich aus § 1 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 AStG sowie der FVerlV (§§ 3 bis 8) ergeben. – Nicht deckungsgleich sind schließlich die Bewertungsmaßstäbe des § 1 AStG (Fremdvergleichspreis) und der verdeckten Einlage (Teilwert, Rz. 4.54). Der Teilwert enthält keine Gewinnkomponenten, so dass letztlich – in Abhängigkeit von der Rechtsgrundlage der Einkünftekorrektur – unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe Anwendung finden. Weitergehende Berichtigungen nach § 1 AStG („Wertauffüller“). Zum Konkurrenzverhältnis der unterschiedlichen steuerlichen Einkünftekorrekturvorschriften zueinander regelt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG – wie auch schon bisher –, dass die Einkünfte eines Steuerpflichtigen „unbeschadet anderer Vorschriften“ nach dem Fremdvergleichsgrundsatz anzusetzen sind. Mit § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG ist jedoch eine weitere Regelung mit demselben Regelungsgegenstand verankert worden. Hiernach sind weitergehende Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Einkünftekorrekturnormen durchzuführen, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften führt. Dies bedeutet, dass die Rechtsfolgen des § 1 AStG neben die Rechtsfolgenden anderer Korrekturnormen treten (sog. „Wertauffüller“).4 Mit § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG wird somit eine Meistbegünstigung zugunsten der Finanzverwaltung normiert. Dieser schon bisher in Tz. 5.3.3 VWG-Verfahren5 vertretenen Auffassung der Finanzverwaltung wird mit § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG nunmehr eine Rechtsgrundlage zur Seite gestellt. Angesichts der partiellen 1 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; siehe ferner BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; v. 21.8.2007 – I R 27/07, HFR 2008, 367; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 5.3.2008 – I R 45/07, BFH/NV 2008, 1534; v. 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/ NV 2010, 1307. 2 Vgl. auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 300, 313a und 360. 3 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 164; Wassermeyer, IStR 2001, 636. 4 Vgl. Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.7. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3.

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4.83

Kap. 4 Rz. 4.84 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Redundanz („unbeschadet anderer Vorschriften“ [§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG]; „neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften“ [§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG]) ist die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG entbehrlich.

4.84 Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung. Eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG ist im Üb-

rigen auch vorzunehmen, wenn der Korrektur Geschäftsbeziehungen zu einer Zwischengesellschaft gem. §§ 7 ff. AStG zugrunde liegen und die Einkünfte der ausländischen Konzerngesellschaft der inländischen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen.1 Die Anwendung des § 1 AStG wird demnach nicht durch die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung ausgeschlossen. Eine Doppelbesteuerung ist in diesem Zusammenhang dadurch zu vermeiden, dass bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft eine Gegenberichtigung vorzunehmen ist.2 d) Verhältnis zum Europarecht

4.85 Unionsrechtliche Bedenken. Gegen die Vereinbarkeit von § 1 AStG mit den unionsrechtlich ver-

bürgten Grundfreiheiten, konkret mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 49 ff. und 63 ff. AEUV), bestehen seit jeher Bedenken.3 Diese beziehen sich insbesondere darauf, dass der Anwendungsbereich auf Geschäftsbeziehungen zum Ausland beschränkt ist, dass der Bewertungsmaßstab des Fremdvergleichspreises von dem bei inländischen Einkünftekorrekturen nach den Grundsätzen über die verdeckte Einlage oder die Entnahme zum Tragen kommenden Bewertungsmaßstab abweicht und dass verbilligte oder unentgeltliche Nutzungs- und Kapitalüberlassungen unterschiedlich behandelt werden. Gleiches gilt, wenn der grundfreiheitliche Schutz – insbesondere der Niederlassungsfreiheit – aufgrund von Assoziationsabkommen vermittelt wird.4 Zwar haben sowohl der BFH5 als auch die Finanzgerichte Düsseldorf6 und Münster7 diese Bedenken geteilt, sie haben aber die Regelung des § 1 AStG nicht zum Gegenstand eines Vorlagebeschlusses an den EuGH gemacht. Mit Beschluss vom 28.6.2016 hat das FG Rheinland-Pfalz dem EuGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 1 AStG bezogen auf Einkünftekorrekturen bei unentgeltlichen Patronatserklärungen und mangels in § 1 AStG vorgesehenen Gegenbeweises mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist.8

4.86 EuGH-Entscheidung in der Rechtssache SGI. Gleichwohl hatte der EuGH in der Rechtssache

SGI9 die Gelegenheit, zu einer vergleichbaren Regelung des belgischen Steuerrechts (Art. 26 CIR) Stellung zu nehmen, die ebenso wie § 1 AStG auf grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen beschränkt ist. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine zinslose Kapitalüberlassung einer belgischen Mutter- an ihre ausländische Tochterkapitalgesellschaft, für die nach belgischem Recht eine Einkünftekorrektur i.H. des gewährten Zinsvorteils, vorliegend i.H. des angemessenen Zinses erfolgte. Der EuGH sah – im Einklang mit der h.M. im deutschen Schrifttum10

1 Vgl. BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; dazu im Einzelnen Schnitger, BB 2003, 241 f.; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 466 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.5.2. 3 Vgl. etwa Menck in Blümich, § 1 AStG Rz. 27; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 816.1; Eigelshoven, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1761 ff.; Köplin/Sedemund, IStR 2002, 120 ff.; Scheuerle, IStR 2002, 798 ff.; Dölker/Ribbrock, IStR 2005, 533; Rasch/Nakhai, DB 2005, 1984; Schaumburg, DB 2005, 1129; Schönfeld, IStR 2007, 260 f.; Ditz, IStR 2009, 120 f. 4 Vgl. zu dem vermittelten Schutzbereich etwa BFH v. 23.6.2010 – I R 37/08, BStBl. II 2010, 895 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 21.6.2001 – I B 141/00, BFH/NV 2001, Beilage 9, 1169. 6 Vgl. FG Düsseldorf v. 19.2.2008 – 17 K 894/05 E, EFG 2008, 1006. 7 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923. 8 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 28.6.2016 – 1 K 1472/13, EFG 2016, 1678 ff. – EuGH C-382/16. 9 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), ECLI:EU: C:2010:26. 10 Vgl. Rz. 4.85 Fn. 5.

420 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.87 Kap. 4

– in der nur im grenzüberschreitenden Kontext praktizierten Verrechnungspreiskorrektur zulasten der inlandsansässigen Gesellschaft einen Eingriff in die unionsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV (ex Art. 43 EG).1 Allerdings kann diese potenziell beschränkende Wirkung gerechtfertigt sein, wenn der nationalen Regelung Rechtfertigungsgründe zur Seite stehen und die nationalstaatliche Umsetzung dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot genügt. Der EuGH prüfte die Rechtfertigung der grundfreiheitlichen Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses anhand zweier Rechtsfertigungsgründe, nämlich der Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten2 und der Notwendigkeit der Verhinderung von Steuerumgehungen.3 Hinsichtlich der Wahrung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots müssen die nationalstaatlichen Verrechnungspreisvorschriften nach den Vorgaben des EuGH folgenden Anforderungen genügen:4 1. Objektive und nachprüfbare Umstände müssen den Verdacht einer nicht dem Fremdvergleichsmaßstab entsprechenden Vereinbarung zwischen den verbundenen Unternehmen begründen. 2. Dem Steuerpflichtigen muss die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt werden, dass für den Abschluss des vereinbarten Geschäfts zu den vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichenden Konditionen wirtschaftliche Gründe bestehen. 3. Die Einkünftekorrektur darf nicht über das hinausgehen, was ohne die gegenseitige Verflechtung der Gesellschaften vereinbart worden wäre. Eigenkapitalersetzende Maßnahmen. Die unionsrechtliche Diskussion um § 1 AStG ist im Lichte dieser Rspr. neu zu justieren. Weder die Ausrichtung nur auf ausländische Geschäftsbeziehungen noch eine Ungleichbehandlung zu entsprechenden inlandsbezogenen Sachverhalten für sich genommen führen zur unionsrechtlichen Unvereinbarkeit. Fraglich ist allerdings, ob jedweder, unter § 1 AStG fallender Sachverhalt, zum einen den benannten Rechtfertigungsgründen standhält und zum anderen den im unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot angelegten Anforderungen genügt. Im Hinblick auf eigenkapitalersetzende Maßnahmen, wie z.B. harte Patronatserklärungen und unverzinsliche Darlehen, bestehen trotz ihrer Eignung, diese als Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG zu qualifizieren, erhebliche Bedenken, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten und die Verhinderung von Steuerumgehungen die grundfreiheitliche Beschränkung zu rechtfertigen geeignet sind.5 Was jedenfalls den zweiten Rechtfertigungsgrund anbelangt, bedient sich der EuGH des Fremdvergleichsgrundsatzes als Referenz für die auf Steuerumgehungen des legitimen Steueranspruchs gerichteten Gestaltungen.6 Nach der Rspr. des BFH entziehen sich jedoch eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen „schon ihrer Natur nach“ einem Fremdvergleich, da „derartige Leistungen immer nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erbracht“ werden.7 Vergleichbar problematisch dürfte es sein, für die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG eine Rechtfertigung mittels dieser Rechtfertigungsgründe zu erlangen.8 1 Zum Verhältnis zwischen der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vgl. Englisch, IStR 2011, 139; Schönfeld, IStR 2011, 222 f. jeweils m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), ECLI:EU: C:2010:26, Rz. 60 ff. = IStR 2010, 144. 3 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), ECLI:EU: C:2010:26, Rz. 65 ff.= IStR 2010, 144. 4 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – Société de Gestion Industrielle SA („SGI“), ECLI:EU: C:2010:26 = IStR 2010, 144 u. hierzu ausführlich Englisch, IStR 2011, 139; Scheipers/Linn, IStR 2010, 472 ff.; Schönfeld, IStR 2011, 222 f. 5 So auch Andresen, IStR 2010, 290. Siehe hierzu auch den Vorlagebeschluss des FG Rheinland-Pfalz v. 28.6.2016 – 1 K 1472/13 EFG 2016, 1678 ff. – EuGH C-382/16). 6 Vgl. hierzu Englisch, IStR 2011, 141. 7 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. 8 Vgl. hierzu auch Englisch, IStR 2011, 140.

Baumhoff/Liebchen | 421

4.87

Kap. 4 Rz. 4.88 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.88 § 1 AStG und unionsrechtliches Verhältnismäßigkeitsgebot. Blickt man auf die Erfordernisse, de-

nen § 1 AStG nach dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot zu genügen hat, fehlt es im Ausgangspunkt an der Möglichkeit eines Gegenbeweises, dass für die vom Fremdvergleich abweichenden Bedingungen wirtschaftliche Gründe bestehen. Fraglich ist allerdings, ob dieser Anforderung auch eine Billigkeitsregelung genügt, ob die Existenz wirtschaftlicher Gründe im Fremdvergleichsgrundsatz selbst angelegt ist1 und schließlich, welche qualitativen Anforderungen an diese Gründe zu stellen sind (etwa außersteuerliche Motive von nicht untergeordneter Bedeutung).2 Mit der Forderung nach einer hinreichenden Plausibilität der Umstände, an denen die jeweilige innerstaatliche Regelung den Verdacht knüpft, dass die vereinbarten Bedingungen nicht dem Fremdvergleich entsprechen, ist jedenfalls die Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG nicht zu vereinbaren, da sie auf realitätsfernen Annahmen basiert.3 Desgleichen gilt für die widerlegbare Vermutung der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG, „dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.“ Die Finanzverwaltung führt die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück,4 während die OECD-Leitlinien diese Frage selbst einem Fremdvergleich unterstellen.5 Die innerstaatlich mittels der widerlegbaren, realitätsfernen Vermutung bewirkte Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen dürfte dem Plausibilitätserfordernis nicht genügen (Rz. 4.201 ff.). Ferner dürften die Regelungen dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot nicht genügen, die über das nach dem Fremdvergleich gebotene Korrekturmaß hinausgehen. Im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs ist dies die Regelung des § 1 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AStG, die bei eingeschränkt vergleichbaren Fremdpreisen bzw. -werten die Einengung der Preis- bzw. Wertbandbreite vorgeben und bei Ansatz eines außerhalb dieser eingeengten Bandbreite liegenden Wertes den Ansatz des Medians vorgeben. Denn nach dem unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot ist – im Einklang mit der legislativ überholten Rspr. des BFH6 – im Falle von Preis- bzw. Wertbandbreiten lediglich eine Korrektur auf Grundlage des für den Steuerpflichtigen günstigsten Preises bzw. Wertes zulässig.7 Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleiches ist dieselbe Feststellung für die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG zu treffen, die angesichts des praktisch nicht durchführbaren Nachweises eines dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wertes zum Ansatz des Mittelwertes des Einigungsbereiches zwingt (Rz. 4.194 ff.). Dies obgleich jeder Preis innerhalb des Einigungsbereichs zwischen fremden Dritten hypothetisch vereinbart werden könnte und damit dem Fremdvergleich genügt. Insofern dürfte sich auch das nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG zugebilligte Ermessen im Falle eines zugrunde gelegten unzutreffenden Einigungsbereichs und eines zum Ansatz gebrachten Preises, der innerhalb des zutreffenden Einigungsbereichs liegt, auf null reduzieren.8 6. Gewinnberichtigungsvorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen i.S.d. Art. 9 OECD-MA

4.89 Gewinnkorrektur nach DBA. Der Fremdvergleich findet sich nicht nur in den dargestellten innerstaatlichen Vorschriften der Einkunftsabgrenzung, sondern daneben auch in bilateralen Verträgen in Form von DBA. Zudem ist der allgemeine Grundsatz des Fremdvergleichs auch gem. Art. 4

1 Vgl. hierzu Schönfeld, IStR 2011, 221. 2 Vgl. hierzu Schön, IStR 2009, 888; Englisch, IStR 2011, 141; Scheipers/Linn, IStR 2010, 473. 3 Vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 545 f.; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 276; Wassermeyer, DB 2007, 536; Frischmuth in FS Schaumburg, 656 ff.; Englisch, IStR 2011, 141. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 135. 5 Vgl. Tz. 3.73 OECD-Leitlinien 2017 (ferner die nunmehr aufgeh. Tz. 9.88 OECD-Leitlinien 2010). 6 Vgl. BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 7 Gl.A. Englisch, IStR 2011, 142; Thömmes, JbFStR 2010/2011, 89; Glahe, IStR 2010, 876; Schönfeld, IStR 2011, 221. 8 Gl.A. Englisch, IStR 2011, 142.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.92 Kap. 4

EU-Schiedskonvention1 maßgebend. Die meisten DBA der Bundesrepublik Deutschland enthalten eine Gewinnberichtigungsklausel auf der Basis des Fremdvergleichs,2 die im Wesentlichen der des Art. 9 Abs. 1 des OECD-MA bzw. des UN-MA entspricht.3 Danach sind Gewinnkorrekturen zulässig, wenn international verbundene Unternehmen (Mutter-, Tochter-, Schwestergesellschaften)4 im Rahmen ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbaren, die ein unabhängiges Unternehmen nicht akzeptieren würde. Gegenberichtigungsnorm. Entsprechend der Zielsetzung der DBA, die internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden,5 sieht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA für den Fall einer Gewinnkorrektur in einem Vertragsstaat eine korrespondierende Gegenkorrektur im anderen Vertragsstaat vor. Insofern soll die wirtschaftliche Doppelbesteuerung im Verhältnis zwischen zwei miteinander verbundenen, rechtlich selbständigen Unternehmen vermieden werden. Eine solche Gegenberichtigung, deren Anknüpfungspunkt nur eine Gewinnberichtigung i.S. des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA sein kann,6 setzt die Einigkeit beider Vertragsstaaten sowohl über die Qualifikation des Leistungsentgeltes als auch über dessen angemessene Höhe voraus, welche ausschließlich nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs festzulegen ist.

4.90

Deutsche DBA. Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland in ihren DBA eine Gegenberichtigungsklausel i.S. des Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nur in Ausnahmefällen festgelegt.7 Dies liegt darin begründet, dass die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich einen Vorbehalt geäußert hatte, Abs. 2 des Art. 9 OECD-MA nicht in die deutschen DBA aufzunehmen, um einerseits dem jeweiligen Vertragspartner keinen Anreiz zu Erstkorrekturen zu geben und andererseits nicht die Unternehmen durch Beseitigung des Risikos einer Doppelbesteuerung zu Gewinnverschiebungen zu veranlassen. Dieser Vorbehalt wurde allerdings aufgegeben.8 Die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen (DE-VG) enthält mit Art. 9 Abs. 2 DE-VG eine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Gegenberichtigungsklausel.

4.91

Keine Self-executing-Wirkung des Art. 9 OECD-MA. Die früher vertretene Auffassung, die DBAGewinnberichtigungsklauseln seien eigenständige, unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlagen für eine Einkünftekorrektur,9 kann als überholt angesehen werden. Nach ständ. Rspr. des BFH10 und

4.92

1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen [Schiedskonvention] v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225/1990, 10 – nachfolgend „EU-Schiedskonvention“. 2 Vgl. die Abkommensübersicht zu Art. 9 Abs. 1 u. 2 der DBA der Bundesrepublik Deutschland bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 135 ff. 3 Vgl. Rasch, Konzernverrechnungspreise, 174. 4 Art. 9 Abs. 1 OECD-MA unterscheidet zwei Fallgruppen verbundener Unternehmen: zum einen die Beteiligung an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates und zum anderen die unter gemeinsamer Kontrolle derselben Person(en) stehenden Unternehmen zweier Vertragsstaaten; vgl. dazu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 41 ff.; Rotondaro, IStR 2001, 761. 5 Ob die Zielsetzung der DBA – außerhalb ihrer konkreten Formulierung in dem jeweiligen DBA – generell auch die Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung oder einer Minderbesteuerung umfasst, ist umstritten. Vgl. hierzu Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 345 ff. m.w.N. zum Diskussionsstand. 6 Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 161; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 373; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.316. 7 Vgl. Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 8 Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 181. 9 So u.a. noch Menck, DStZ/A 1972, 68; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 431. 10 Vgl. Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 m. Anm. Ditz; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BFH/NV 2015, 626 = ISR 2015, 121 m. Anm. Ditz/Quilitzsch; v. 22.10.2015 – I B 122/14, BFH/ NV 2016, 405.

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Kap. 4 Rz. 4.93 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen h.M. im Schrifttum1 ist Art. 9 OECD-MA lediglich eine Erlaubnisnorm für Gewinnkorrekturen und kann kein innerstaatliches Recht begründen. Vielmehr entspricht es dem heute vorherrschenden Verständnis vom Ineinandergreifen von Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht, dass das Abkommensrecht die nach innerstaatlichem Recht bestehenden Besteuerungsansprüche zu beschränken, nicht jedoch zu erhöhen oder gar erst zu begründen vermag.2 Infolgedessen können die Art. 9 OECD-MA nachgebildeten Vorschriften der deutschen DBA für sich allein keine selbständigen Rechtsgrundlagen für eine Ergebniskorrektur darstellen. Eine Gewinnberichtigung setzt eine dementsprechende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraus. Anderenfalls würden Steueransprüche begründet oder erweitert, was mit dem Schrankenrechtscharakter der DBA unvereinbar wäre. Somit kommen als Rechtsgrundlagen für eine Gewinnberechtigung zwischen verbundenen Unternehmen nur die relevanten Regelungen des innerstaatlichen Rechts in Betracht. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es keine Möglichkeit zu einer Gewinnberechtigung gibt, wenn innerstaatliche Berichtigungsvorschriften fehlen.3 DBA-Gewinnberichtigungsklauseln i.S. des Art. 9 Abs. 1 OECDMA entfalten daher keine sog. „self-executing“-Wirkung, sondern räumen dem Sitzstaat des betreffenden Unternehmens lediglich die Möglichkeit zur Korrektur des verkürzten Gewinns ein.4

4.93 Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht. Die Vornahme einer Gewinnkorrektur nach

den jeweiligen innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften des Vertragsstaats (für Deutschland: vGA i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 KStG; vE i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 8 EStG; Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 4 EStG; Einkünftekorrektur nach § 1 AStG) muss sich hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der Gewinnkorrektur der Höhe nach an dem von Art. 9 OECD-MA gesetzten Rahmen, d.h. dem abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz ausrichten; ein anderer Maßstab ist nicht zulässig.5 Wird der abkommensrechtlich gesetzte Rahmen überschritten oder kommen nach dem innerstaatlichen Recht des Vertragsstaats andere Grundsätze als der Fremdvergleichsgrundsatz zur Anwendung, entfaltet Art. 9 OECD-MA gegenüber diesen Einkünftekorrekturen eine Sperrwirkung.6 Die Gegenauffassung der Finanzverwaltung sowie von Teilen des Schrifttums, dass Art. 9 eine rein deklaratorische Bedeutung zukommt und deshalb Einkünftekorrekturen auf der Rechtsgrundlage nationaler Gesetzesnormen zulässig seien, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 OECD-MA nicht erfüllt sind,7 lässt sich mit der Zwecksetzung dieser Vorschrift nicht vereinbaren. 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 2.170; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.291; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECDMA Rz. 18; Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 8. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9 u. Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.292; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 107 ff. m.w.N.; vgl. hierzu auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 402. So auch österreichischer VwGH, Erk. v. 25.9.2001, IStR 2001, 755. 3 Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 18. 4 Vgl. hierzu BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 99; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.292; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 476. 6 Vgl. zur h.M. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 20 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.292; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 85 ff.; Haas in FS Schaumburg, 730 f.; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 19. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.2.1 letzter Satz; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 6.1.1; vgl. Höppner, StBp 1981, 58; Weber in Institut für Finanzen und Steuern, Bonn 1981, Brief 204, 14; Flockermann, DStR 1982, 341; Menck, FR 1994, 72.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.95 Kap. 4

Mit Art. 9 OECD-MA soll sichergestellt werden, dass Gewinnkorrekturen nach einem einheitlichen Korrekturmaßstab vorgenommen werden.1 Sperrwirkung gegenüber formalem Fremdvergleich. Dieser Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA kommt insbesondere im Zusammenhang mit beherrschenden Gesellschaftern Bedeutung zu, wenn eine Einkünftekorrektur mittels der vGA auf rein formalen Beanstandungen beruht (Rz. 4.31). Der BFH hat in mehreren jüngeren Urteilen zur abkommensrechtlichen Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Abkommensbestimmungen entschieden. So haben der BFH mit Urteil vom 11.10.20122 – im Einklang mit der vorinstanzlichen Entscheidung der FG Hamburg vom 31.10.20113 – und das FG Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 22.8.20074 konkret zu den formalen Sonderbedingungen entschieden, denen beherrschende Gesellschafter im Rahmen einer Einkünftekorrektur auf Grundlage einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) unterliegen, dass die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Abkommensbestimmungen keine formalen Anforderungen beinhalten und deshalb gegenüber rein formalen Beanstandungen eine Sperrwirkung entfalten. Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil 17.12.20145 entschieden, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 Abs. 1 OECD eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften nur dann ermöglicht, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe nach dem Fremdvergleich nicht standhält. Dagegen sind die Bedingungen, auch wenn sie einem Fremdvergleich nicht standhalten, nicht nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA korrekturfähig. Diese beschränkt sich m.a.W. auf preisbezogene Korrekturen. Diese Rspr. wurde mit Urteil vom 24.6.20156 bestätigt und vom BMF mit einem Nichtanwendungserlass belegt (siehe aber auch Rz. 4.78).7

4.94

Kein höherrangiges Recht – BVerfG-Beschluss v. 15.12.2015. Mit Zunahme der abkommensüberschreibenden Gesetzgebung (Treaty-Override-Gesetzgebung) in Deutschland8 wurde das Rangverhältnis zwischen den abkommensrechtlichen Bestimmungen und den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts kontrovers diskutiert.9 Fraglich war, ob abkommensrechtliche Verpflichtungen, die durch Umsetzungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht im Rang eines einfachen Bundesgesetzes transformiert wurden, wegen verfassungsrechtlicher Anforderungen (Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes als Verfassungsprinzip10; Rechtstaatsprinzip, Demokratieprinzip) als Meta- bzw. Zwischenebene zwischen verfassungsrechtlichen Vorgaben und einfachen Bundesgesetzen mit der Folge anzusiedeln sind, dass nachfolgende Treaty-Override-Gesetze verfassungswidrig sind. Der BFH hatte entsprechende Vorlagebeschlüsse zu § 50d Abs. 8 EStG und zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG gefasst und die

4.95

1 Vgl. auch Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 19. 2 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 m. Anm. Ditz = FR 2013, 415 m. Anm. Pezzer = BFH/NV 2013, 324. Siehe hierzu auch Gosch, BFH/PR 2013, 88; Andresen/Immenkötter/Frohn, DB 2013, 534; Schnorberger/Becker, IStR 2013, 109. 3 Vgl. FG Hamburg v. 31.10.2011 – 6 K 179/10, IStR 2012, 190 f. Siehe hierzu auch Rasch, IWB 2012, 198 ff. 4 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerecht4, Rz. 21.143 m.w.N.; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB, Fach 3a, Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 704 f. 5 Vgl. BFH v. 17.12. 2014 – I R 23/13, BFH/NV 2015, 626 = ISR 2015, 121 m. Anm. Ditz/Quilitzsch. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 173; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377; Bärsch/Engelen, DB 2016, 191. 6 Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BFH/NV 2015, 1506. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 407; Greinert/Metzner, Der Konzern 2015, 427; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373. 7 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. 8 Vgl. nur Gosch, IStR 2008, 413. 9 Siehe hierzu Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, Berlin 2008, 357 ff. m.w.N.; ferner Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, Systematik Rz. 146 ff. 10 Vgl. Vogel in FS Schiedermair, 113; Vogel, BIFD 2004, 5 ff.; Vogel, IStR 2005, 29 f.; Vogel, IStR 2007, 225 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.96 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Frage der Verfassungswidrigkeit dieser Treaty-Override-Gesetze dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.1 Mit Beschluss vom 15.12.2015 hat das BVerfG entschieden, dass Treaty-Override-Gesetze (vorliegend: § 50d Abs. 8 EStG) verfassungsgemäß sind, wobei die Zulässigkeit und die Geltung des Lex-posterior-Grundsatzes auch für völkerrechtliche Verträge aus dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der parlamentarischen Diskontinuität abgeleitet wurden.2 Vor diesem Hintergrund wäre auch bezogen auf Art. 9 OECD-MA eine abkommensüberschreibende innerstaatliche gesetzliche Regelung möglich und verfassungsrechtlich zulässig. Dieses Verständnis kam im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum DBA-Anwendungsgesetz bezogen auf die Auslegung des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes nach innerstaatlichem Recht hinreichend klar zum Ausdruck. Dort wurde unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG vom 15.12.2015 empfohlen, die Bestimmung als offenes Treaty verride auszugestalten („bestimmt sich ungeachtet des Abkommens […]“) und den Derogationswillen des Gesetzgebers im Wortlaut der Vorschrift klar zum Ausdruck zu bringen.3

4.96 Übereinstimmende Anwendung des Fremdvergleichs. Die Bedeutung der DBA-Berichtigungs-

klauseln liegt primär in einer international übereinstimmenden Anwendung des Fremdvergleichs. Ein international anerkannter Korrekturmaßstab soll einerseits gewährleisten, dass Unternehmensgewinne nur in dem Staat besteuert werden, in dem sie erwirtschaftet wurden, andererseits hat man bei Verständigungsverfahren den Vorteil, mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs über ein gemeinsames Abgrenzungskriterium zu verfügen, auf dessen Basis eine Einigung möglich ist.

Die Kodifizierung des Fremdvergleichs auf supranationaler Ebene erwächst aus der Erkenntnis, dass eine Einigung über die Besteuerungskompetenzen für Gewinne international verbundener Unternehmen nur dann möglich ist, wenn die Vertragsstaaten über einen anerkannten und verbindlichen Berichtigungsmaßstab verfügen.4 Zur Konkretisierung und international einheitlichen Interpretation des Fremdvergleichsmaßstabs dienen der OECD-Musterkommentar zu Art. 9 OECD-MA, die diversen OECD-Verrechnungspreis-Berichte5 sowie seither vor allem die OECD-Leitlinien. Damit ist eine internationale Basis für die Einkunftsabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen geschaffen worden.

III. Merkmale des Fremdvergleichs 4.97 Dominante Merkmale des Fremdvergleichs. Der Fremdvergleich als Instrument zur Ermittlung

eines quantitativen Vergleichsmaßstabes (sog. Fremdpreis oder Fremdvergleichspreis) fordert eine Verrechnung konzerninterner Lieferungen und Leistungen zu Preisen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart haben oder vereinbart hätten.6 Als die zwei dominanten Merkmale des Fremdvergleichs sind dabei die Unabhängigkeit der Geschäftspartner (Unternehmen) und die Vergleichbarkeit der Verhältnisse anzusehen. Das erste Merkmal steht für den Wortbestandteile „Fremd-“, das zweite Merkmal für den Wortbestandteil „-vergleich“. Die Wahl des Verfahrens zur Ermittlung von Vergleichstatbeständen bei der Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen ist allein davon abhängig, wie sich im konkreten Einzelfall die beiden charakteristischen Merkmale des Fremdvergleichs – Unabhängigkeit der Geschäftspartner einerseits, Vergleichbarkeit der Verhältnisse andererseits – darstellen. 1 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFHE 236, 304 zu § 50d Abs. 8 EStG; v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18 zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG jeweils m.w.N. 2 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Siehe hierzu auch Gosch, DB 2016, Heft 15, M5; Frotscher, IStR 2016, 217; Frotscher, IStR 2016, 561. 3 Vgl. BR-Drs. 406/1/16 v. 9.9.2016, 31 f. 4 Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 20. 5 1979, 1984 u. 1995/96. 6 So auch die deutsche Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.4.

426 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.101 Kap. 4

1. Unabhängigkeit der Geschäftspartner a) Tatsächliche Unabhängigkeit Unterscheidung zwischen tatsächlicher und fiktiver Unabhängigkeit. Im Rahmen des Merkmals der Unabhängigkeit der Geschäftspartner ist zwischen tatsächlicher und fiktiver Unabhängigkeit zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf die Technik eines vorzunehmenden Fremdvergleichs, insbesondere bei Anwendung der sog. klassischen Methoden (Rz. 4.213 ff.), erforderlich. Sind zwei Geschäftspartner nach der nachfolgend dargestellten Definition als tatsächlich unabhängig anzusehen, so erübrigt sich die Zugrundelegung einer fiktiven Unabhängigkeit. Die fiktive Unabhängigkeit ist daher nur im Fall des Nicht-Vorhandenseins von Geschäften zwischen tatsächlich Unabhängigen von Bedeutung.

4.98

Abgrenzung zum Begriff der „nahestehenden“ Person. Die Rechtsnormen des deutschen Steuerrechts zur Einkunftsabgrenzung, die einen Fremdvergleich fordern (Rz. 4.26 ff.), enthalten keine Anhaltspunkte zur Bestimmung des Begriffs des unabhängigen Dritten. Auch die VWG 1983 erläutern in Tz. 1.3.2. in Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG lediglich den Begriff der „nahestehenden“ Person als Tatbestandsvoraussetzung einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG. Es stellt sich daher die Frage, ob Geschäftsbeziehungen zwischen Personen bzw. Unternehmen, die nicht als „nahestehende“ Personen qualifiziert werden können, als solche zwischen unabhängigen Dritten anzusehen sind.

4.99

Gegen die Annahme einer komplementären Beziehung zwischen dem Begriff der „nahestehenden Person“ und dem des „unabhängigen Dritten“ sprechen die unterschiedlichen Zwecksetzungen dieser beiden Begriffskategorien.1 Daher sollte von einer tatsächlichen Unabhängigkeit der Unternehmen immer nur dann ausgegangen werden, wenn weder dem leistungserbringenden Unternehmen noch der leistungsempfangenden Unternehmen Mittel zur Verfügung stehen, die geeignet sind, „in allen wesentlichen Punkten von unternehmenspolitischer Bedeutung auf die Geschäftsführung eines anderen Unternehmens – auch gegen dessen Widerstand – einzuwirken“.2 Von einer Unabhängigkeit der Unternehmen ist somit immer dann auszugehen, wenn eine Einflussnahme auf das Entscheidungsverhalten der einzelnen Geschäftspartner, die über den aus der Geschäftsbeziehung selbst entstehenden Einfluss hinausgeht, ausgeschlossen ist.3 b) Fiktive Unabhängigkeit „Fiktive Unabhängigkeit“ als Hilfsmaßstab. Durch die Verwendung des Konjunktivs in der Formulierung „die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten“ gibt der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG einen Hinweis darauf, dass bei einem Fremdvergleich nicht nur die unter vergleichbaren Verhältnissen zustande gekommenen Preise zwischen tatsächlich unabhängigen Unternehmen als Vergleichsmaßstäbe verwendet werden dürfen, sondern dass im Fall des Nicht-Vorhandenseins von vergleichbaren Geschäften zwischen tatsächlich Unabhängigen dafür ersatzweise auch eine fiktive Unabhängigkeit zugrunde gelegt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass Klarheit darüber besteht, auf welche Unternehmensbereiche und in welchem Ausmaß der Hilfsmaßstab der „fiktiven Unabhängigkeit“ anzuwenden ist.

4.100

Konkretisierung durch Eliminierung aktiver und passiver Konzerneffekte. Eine Möglichkeit besteht darin, unter einem fiktiv unabhängigen Unternehmen ein völlig aus der Konzernstruktur herausgelöstes Unternehmen zu verstehen. Um den „effektiven“ Gewinn dieses fiktiv selbständigen Unternehmens ermitteln zu können, müssen alle gewinnrelevanten Einflüsse, die auf die Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund zurückzuführen sind, als nicht er-

4.101

1 Vgl. Kumpf, Steuerliche Verrechnungspreise in internationalen Konzernen, 144. 2 Uecker, Der Vorteils-Nachteils-Ausgleich beim Abhängigkeitsbericht, 26. 3 Siehe auch Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGr. 1983 Anm. zu Tz. 1.3.2.6.

Baumhoff/Liebchen | 427

Kap. 4 Rz. 4.102 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen wünschte Gewinnmanipulationen eliminiert werden.1 Dazu gehören sowohl passive als auch aktive Konzerneffekte. Zu den passiven Konzerneffekten zählt man solche Vorteile, die allein aus der Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund resultieren und sich beispielsweise in erhöhter Kreditwürdigkeit, verbilligter Einkaufsmöglichkeit, Risikostreuung und verbesserten Absatzmöglichkeiten niederschlagen. Als aktive Konzerneffekte bezeichnet man alle Eingriffe der Spitzeneinheit in den Betriebsablauf der Einzelgesellschaften, wie Entscheidungen über die künftige Absatz-, Beschaffungs-, Produktions-, Investitions-, Finanz-, Forschungs- und Entwicklungs-, Personal- und Sozialpolitik oder gar über Betriebsstilllegungen. Die Durchführung einer so verstandenen Einkünfteabgrenzung erfordert die völlige gedankliche Ausgliederung des einzelnen Unternehmens aus der wirtschaftlichen Einheit „Gesamtunternehmen“. Der Besteuerung wird damit – abweichend von der wirtschaftlichen Realität – ein fiktiver Erfolg zugrunde gelegt, den einzelne Unternehmen zwar bei Verfolgung der eigenen Zielvorstellung erzielt hätten, aber aufgrund der Konzernzugehörigkeit bzw. Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund und der dispositiven Eingriffe der Muttergesellschaft nicht erzielt haben.2 Diese Betrachtungsweise widerspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Gestalt des Prinzips der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, da als Steuerbemessungsgrundlage hierbei kein tatsächlich erzieltes Ergebnis dient, sondern eine vom tatsächlichen Einkommen regelmäßig abweichende fiktive Größe. Letztlich führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zwar immer zu einer Sollgewinnbesteuerung, indem der tatsächlich ermittelte Gewinn mit einem Sollgewinn verglichen wird, den der Steuerpflichtige erzielt hätte, wenn die von ihm mit nahestehenden Personen getroffenen Vereinbarungen dem Fremdvergleich entsprechen würden. Der Fremdvergleichsgrundsatz soll allerdings lediglich Gewinnverlagerungen vermeiden und nicht etwa dazu führen, dass fiktive Tatbestände zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Der BFH3 spricht konsequenterweise auch nur von einem „partiellen“ Sollgewinn, der durch den Fremdvergleich besteuert wird: „Der partielle Sollgewinn ist derjenige, den sie erzielt hätten, wenn keine Gewinnverlagerung zugunsten des Gesellschafters stattgefunden hätte.“4

4.102 Verlagerungsneutrale Verrechnungspreise. Eine andere Möglichkeit der Konkretisierung der Un-

abhängigkeitsfiktion des Fremdvergleichs geht von der Erkenntnis aus, dass der Gesamtgewinn des Unternehmensverbundes auf das Zusammenwirken aller Einzelgesellschaften zurückzuführen ist, zu dem diese – entsprechend ihrem Anteil an Leistungserstellung und -verwertung – ihren Beitrag, den sog. Gliedgewinn, leisten. Dabei sollen nicht die auf die Konzernverbundenheit zurückzuführenden Einflüsse der Gewinnentstehung eliminiert werden, sondern nur solche Eingriffe, die den Gewinnausweis manipulieren, m.a.W. durch die „Verschiebungen zwischen den Gewinnen der Gliedunternehmen bewirkt werden“.5 Solche buchtechnischen Gewinnverschiebungen, die zwar den jeweiligen Gewinn des einzelnen Gliedunternehmens verfälschen, sich jedoch nicht auf den Gewinn des Gesamtunternehmens auswirken, werden insbesondere hervorgerufen durch den Ansatz unangemessener Verrechnungspreise für den konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausch. Die Folge einer solchen Verrechnungspreispolitik besteht darin, dass ein Gewinn nicht bei derjenigen Unternehmenseinheit ausgewiesen wird, die ihn tatsächlich erwirtschaftet hat. Geht man davon aus, dass entsprechend einer solchen Betrachtungsweise der Gewinn nicht unter der Annahme einer völligen Herauslösung der Unternehmenseinheit aus der Konzernstruktur errechnet werden soll, sondern danach, welchen effektiven Beitrag die Einzelgesellschaft zum Gesamtgewinn leistete, so kommt dem Unabhängigkeitsbegriff nur die Bedeutung eines die Abrech-

1 Vgl. Moxter, ZfbF 1961, 643; Kußmaul, RIW 1987, 681; siehe ferner Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 33. 2 Vgl. Bergsteiner, Gewinnverlagerungen, 34. 3 Vgl. BFH v. 2.2.1994 – I R 78/91, BStBl. II 1994, 479. 4 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wassermeyer, DB 2001, 2466; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 216. 5 Moxter, ZfbF 1961, 643.

428 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.105 Kap. 4

nung konzerninterner Leistungen objektivierenden Elements zu.1 Eine solche Betrachtungsweise richtet ihr Augenmerk ausschließlich auf „verlagerungsneutrale“ Verrechnungspreise, die alle übrigen Maßnahmen innerhalb des Gesamtunternehmens, wie z.B. den organisatorischen Aufbau oder die funktionale Gliederung einer Unternehmensgruppe, trotz ihres Einflusses auf die Gewinnentstehung unberücksichtigt lässt.2 Autonome Entscheidungsträger. Unter einem fiktiv unabhängigen Unternehmen ist ein nicht aufgrund von Beteiligungsrechten anderer beeinflusstes fiktives Vergleichsunternehmen zu verstehen, das seine unternehmenspolitischen und betrieblichen Entscheidungen nur nach Maßgabe seiner originären Zielfunktion trifft. Dabei wird unterstellt, dass dessen unternehmerisches Entscheidungsfeld mit dem des zu betrachtenden abhängigen Unternehmens identisch ist. Es wird somit davon ausgegangen, dass die abhängige Unternehmen zum Zeitpunkt der Festlegung angemessener Verrechnungspreise aus dem Konzern ausscheidet und unter Unabhängigkeit entscheidet.

4.103

Dieses fiktive, ex-nunc-unabhängige Vergleichsunternehmen hat damit zwar das gleiche Entscheidungsfeld wie das abhängige Unternehmen. Die Einzelentscheidungen über Art, Umfang und Bewertung des Leistungsaustausches werden aber nicht determiniert durch die Zielfunktion des Gesamtunternehmens, sondern allein durch die Vorteilhaftigkeitsüberlegungen nunmehr autonomer Entscheidungsträger.3 2. Vergleichbarkeit der Verhältnisse a) Vorüberlegung Gleiche oder vergleichbare Verhältnisse. Neben der Unabhängigkeit der Geschäftspartner besteht das zweite Merkmal des Fremdvergleichs in der Notwendigkeit einer Vergleichbarkeit der Verhältnisse. Dazu gehört sowohl die Betrachtung der einzelnen Leistung bzw. des einzelnen Geschäfts als auch die Berücksichtigung aller Umstände, die auf das einzelne Geschäft einwirken können. Letztlich hat damit die Durchführung eines Fremdvergleichs ihren Ausgangspunkt in einem Vergleich der konzerninternen Leistungsbeziehung mit potenziellen Referenztransaktionen unabhängiger Unternehmen im Hinblick darauf, ob diese unter gleichen oder zumindest vergleichbaren Verhältnissen zustande gekommen sind.

4.104

Keine Beschränkung auf den hypothetischen Fremdvergleich. Die Formulierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG könnte angesichts der Verwendung des Konjunktivs („vereinbart hätten“) eine Beschränkung nur auf den hypothetischen Fremdvergleich implizieren.4 Hiergegen spricht allerdings der systematische Zusammenhang, der zwischen § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG und § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AStG besteht. Zwar wird dort nur auf eine „Geschäftsbeziehung i.S. des Absatzes 1 Satz 1“ Bezug genommen, die Ausdrücke „Fremdvergleichswerte“, „uneingeschränkt vergleichbar“ und „eingeschränkt vergleichbare Werte“ stehen jedoch im Kontext des tatsächlichen Fremdvergleichs. Insofern ist es u.E. zweifelsfrei, dass der Fremdvergleichsgrundsatz für den hypothetischen wie für den tatsächlichen Fremdvergleich gleichermaßen gilt. Diese Feststellung bezieht sich allerdings nicht auf die durch den Gesetzgeber vorgenommene Konkretisierung in Gestalt der Informationstransparenz, die § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgibt (Rz. 4.187 ff.), sie hat – wenn überhaupt – allenfalls Berechti-

4.105

1 Vgl. Klein, ZfB 1982, 157. 2 Zum Konzept der „verlagerungsneutralen“ Verrechnungspreise vgl. auch BFH v. 29.10.1997 – I R 24/ 97, BStBl. II 1998, 573; Baumhoff, DStR 1987, 497; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 139; Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 110; Klein, BB 1995, 226 f.; Rödder, StbJb 1997/98, 117; Schnorberger/Waldens, IStR 2001, 39; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 127. 3 Dazu – aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der „strategischen Rente“ – kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 ff. Siehe ferner Schneider, DB 2003, 54 ff. 4 Vgl. Kaminski, RIW 2007, 594; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 81; Wellens, IStR 2010, 155.

Baumhoff/Liebchen | 429

Kap. 4 Rz. 4.106 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen gung im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs.1 Gleiches gilt für die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in ihrer verdoppelten Ausprägung, die im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs verfehlt ist. Anderenfalls stellt sich die Frage, ob etwa im Rahmen eines äußeren Preisvergleichs abgeleitete Vergleichspreise für Referenztransaktionen nur deshalb auszuscheiden sind, weil das Handeln der Transaktionspartner dem Sorgfaltsmaßstab offenkundig nicht genügt. Die Vergleichbarkeit der Verhältnisse ist nach alledem auch und gerade bei Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs von entscheidender Bedeutung.

4.106 Eignung der Vergleichsobjekte und Identität. Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Ermittlung

geeigneter Vergleichsobjekte muss die Erkenntnis sein, dass zwei voneinander unabhängige Geschäftsvorfälle nur unter der Prämisse des vollkommenen Marktes als absolut deckungsgleich zu qualifizieren sind und nur dann zwingend zu einem gleichen Ergebnis (Preis) führen, das außerdem als mathematisch exakt und ökonomisch als objektiv richtig zu werten ist. Aufgrund der Unvollkommenheit der Märkte, der unendlichen Vielgestaltigkeit autonomer unternehmerischer Verhaltensweisen und verschiedenster ökonomischer Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ist jedoch ein exaktes Ergebnis i.S. einer mathematisch genau fixierbaren Größe in aller Regel nicht denkbar.2 So betont Tz. 1.13 OECD-Leitlinien3 zu Recht, dass die Verrechnungspreisgestaltung keine exakte Wissenschaft sein kann, sondern zwangsläufig mit gewissen Unsicherheitsfaktoren behaftet sein muss. Ferner unterstreicht Tz. 3.55 OECD-Leitlinien, dass die Anwendung des Fremdvergleichs stets nur auf eine Annäherung der Vergleichbarkeitsfaktoren gerichtet sein kann.4 Im Übrigen kann es auch nach Einschätzung des BFH den einen, „richtigen“ Verrechnungspreis nicht geben, sondern lediglich eine „Bandbreite“ von Preisen ermittelt werden.5

4.107 Preis- oder Wertbandbreiten. Die Möglichkeit der Existenz von Preis- oder Wertbandbreiten so-

wohl bei Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs als auch bei Anwendung der klassischen Methoden wird in § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG ausdrücklich erwähnt („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“). Wenngleich es letztlich hierbei um den Fall der Anwendung der Preisvergleichsmethode geht, in Fällen, in denen die beiden zentralen Anwendungsvoraussetzungen des tatsächlichen Fremdvergleichs (Unabhängigkeit der Geschäftspartner und Vergleichbarkeit der Verhältnisse) erfüllt sind, erfasst der Wortlaut dieser Regelung auch die Fälle, in denen mehrere Vergleichswerte durch die Anwendung der Wiederverkaufspreis- bzw. der Kostenaufschlagsmethode vorliegen und sich deshalb eine „Wertbandbreite“ ergibt (Rz. 4.318 ff.). Gleiches gilt, wenn – bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) (Rz. 4.297 ff.) – die Nettomarge mittels tatsächlichen Fremdvergleichs, d.h. durch äußeren oder inneren Betriebsvergleich (Rz. 4.160 ff.), ermittelt und jeweils mehrere Vergleichswerte abgeleitet werden (können). Dies beruht auf dem Umstand, dass der Gesetzgeber für die deutsch-steuerlichen Regelungen – in unzutreffender Weise – den tatsächlichen Fremdvergleich mit den klassischen Methoden (Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode) gleichsetzt (Rz. 4.314 f.). b) Grad der Vergleichbarkeit

4.108 Vergleichbarkeit setzt im Unterschied zur Identität nicht voraus, dass die zu vergleichenden Ver-

hältnisse absolut deckungsgleich sind; dennoch ist eine annähernde Gleichheit durch Übereinstimmung der Vergleichsobjekte in ihren wesentlichen Merkmalen erforderlich. Allerdings hat die Ver-

1 Vgl. hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546; Wassermeyer, DB 2007, 536. 2 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff. 3 Vgl. Tz. 1.13 OECD-Leitlinien 2017, ferner Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017 sowie hierzu Eigelshoven/ Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Rz. 53. 4 Vgl. Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Baumhoff, IStR 2001, 752; Wassermeyer, WPg 2005, 15.

430 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.109 Kap. 4

rechnungspreispraxis – insbesondere im Rahmen der Datenbankanalyse1 – gezeigt, dass an das Kriterium der Vergleichbarkeit mangels Vergleichsmerkmalen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. So ist es in der praktischen Durchführung i.d.R. nicht unproblematisch, geeignete Vergleichsunternehmen und Vergleichstransaktionen ausfindig zu machen. Vor diesem Hintergrund hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preisund gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.2 Dazu gehören insbesondere neben den von den Konzerneinheiten ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel. aa) OECD-Leitlinien Relativ gleiche Zuverlässigkeit/verhältnismäßig gleicher Vergleichbarkeitsgrad. Die OECD-Leitlinien stellen zunächst fest, dass es viele Situationen geben wird, bei denen die Anwendung der am besten geeigneten Methode bzw. Methoden eine Bandbreite von Werten ergibt, von denen alle relativ gleich zuverlässig sind.3 Allerdings können erhebliche Abweichungen zwischen den Punkten innerhalb dieser Fremdvergleichsbandbreite nach Auffassung der OECD darauf hindeuten, dass die für die Bestimmung dieser Punkte verwendeten Daten nicht so zuverlässig sind wie solche Daten, die für andere Punkte innerhalb der Bandbreite herangezogen wurden.4 Ebenso kann sich die Abweichung aus Vergleichsdaten erklären, die eine Anpassung erfordern. In diesen Fällen empfehlen die OECD-Leitlinien eine weitergehende Analyse der Werte dieser Bandbreite daraufhin, inwieweit sie überhaupt als Vergleichswerte für eine Fremdvergleichsbandbreite geeignet sind.5 Insofern kommen sowohl die Nichtberücksichtigung bestimmter Werte, ggf. die Vornahme von Vergleichbarkeitsanpassungen als auch die unveränderte Berücksichtigung für die Fremdvergleichsbandbreite in Betracht. Den OECD-Leitlinien kann nicht entnommen werden, dass erhebliche Abweichungen zwischen einzelnen Werten der Bandbreite die fehlende Vergleichbarkeit (Vergleichbarkeitsdefizite) und/oder Zuverlässigkeit indizieren. Lediglich ihre ungeprüfte Einbeziehung in die Bandbreite sollte den Grundsätzen der OECD-Leitlinien nicht entsprechen. Insofern sind auch die Ausführungen in Tz. 3.63 der OECD-Leitlinien von Bedeutung, wonach extreme Werte nicht allein deshalb ausgeschlossen werden können, weil sie in auffälliger Weise von anderen Vergleichswerten abweichen.6 Ohne konkrete Anhaltspunkte für bestehende Vergleichbarkeitsdefizite sind auch extreme Vergleichswerte zu berücksichtigen. Die OECD-Leitlinien nennen in diesem Zusammenhang verlustbringende Geschäftsvorfälle bzw. defizitäre Unternehmen, die im Hinblick auf ihre Einbeziehung in die Vergleichbarkeitsanalyse einer weitergehenden Überprüfung daraufhin zu unterziehen sind, ob sie den Vergleichbarkeitsanforderungen konkret genügen.7 Ausdrücklich lehnen die OECD-Leitlinien einen Ausschluss nur aufgrund der Verlustentstehung ab, wobei Gleiches auch für Vergleichswerte gilt, die ungewöhnlich hohe Gewinne ausweisen.8 Bei relativ gleichem Grad von Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit der Vergleichswerte sehen die OECD-Leitlinien keine Einengung der Wert- oder Preisbandbreite vor.9 Die konkreten Anforderungen an den Grad der Vergleichbarkeit bleiben allerdings völlig offen.

1 Vgl. zum Einsatz von Datenbanken auch Baumhoff, IStR 2003, 3 f.; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134; Scholz Crüger, RIW 2005, 34; Tucha, IStR 2002, 175; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937; kritisch Kolb, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160. 2 Vgl. Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1939; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 136. 3 Vgl. Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 3.59 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Tz. 3.59 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 3.63 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. hierzu auch Dawid/Renaud in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. III Rz. 243 ff. 7 Vgl. Tz. 3.65 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Tz. 3.65 und 3.66 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. auch Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 96.

Baumhoff/Liebchen | 431

4.109

Kap. 4 Rz. 4.110 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.110 Unterschiedliche Vergleichbarkeitsgrade. Offenkundig gehen die OECD-Leitlinien davon aus,

dass nur in Ausnahmefällen („in einigen Fällen“) nicht alle untersuchten Vergleichstransaktionen einen verhältnismäßig gleichen Grad an Vergleichbarkeit aufweisen. Tz. 3.55 („viele Situationen […], bei denen die Anwendung der am besten geeigneten Methode bzw. Methoden eine Bandbreite von Werten ergibt, von denen alle relativ gleich zuverlässig sind“)1 und 3.56 („einige Fälle“)2 OECDLeitlinien verdeutlichen, dass die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung von einer allenfalls „eingeschränkten Vergleichbarkeit“ und dem regelmäßigen Vorliegen von Vergleichbarkeitsdefiziten nicht auf die OECD-Leitlinien gestützt werden kann. Ob in der Praxis das Verbleiben von Vergleichbarkeitsdefiziten den „wahrscheinlicheren“ Fall darstellt,3 ist eben ganz entscheidend von den Anforderungen abhängig, die an einen relativ hohen Grad der Vergleichbarkeit gestellt werden. Bereits die Feststellung von Vergleichstransaktionen, die einen geringeren Grad an Vergleichbarkeit aufweisen als andere und deshalb ausgeschlossen werden sollten,4 ist jedenfalls schon angesichts der inhaltlichen Unbestimmtheit problematisch. bb) Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit

4.111 Deutsch-steuerliche Regelung. Für deutsch-steuerliche Zwecke ist gemäß § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2

AStG zwischen „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit zu unterscheiden. Die Fremdvergleichswerte müssen mit dem Verrechnungspreis (ggf. nach Vornahme sachgerechter Anpassungen) „uneingeschränkt vergleichbar“ sein (Satz 1). Bei der Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs muss der Steuerpflichtige dann einschätzen, ob noch uneingeschränkte Vergleichbarkeit gegeben ist oder ob nur noch eingeschränkte Vergleichbarkeit (Satz 2) oder gar Unvergleichbarkeit vorliegt. Während bei Unvergleichbarkeit die entsprechenden Vergleichswerte zu verwerfen sind, können uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbare Vergleichswerte grundsätzlich für die Bestimmung des Fremdvergleichspreises herangezogen werden. Die Unterscheidung ist von Bedeutung für die Einengung von Fremdvergleichsbandbreiten (Rz. 4.321 ff.). Können im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs – ggf. nach Vornahme sachgerechter Anpassungen – lediglich eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden, ist die sich ergebende Preis- bzw. Wertbandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Demgegenüber enthält § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG lediglich die Feststellung, dass mehrere festgestellte Fremdvergleichswerte, die nach Vornahme sachgerechter Anpassungen uneingeschränkt vergleichbar sind, eine Bandbreite bilden. Im Umkehrschluss folgt aus § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, dass Fremdvergleichsbandbreiten uneingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte nicht einzuengen sind, sondern der Steuerpflichtige diese – im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH – in vollem Umfang ausschöpfen darf.5

4.112 Fehlende gesetzliche Definition. Was unter „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleich-

barkeit zu verstehen sein soll, wird gesetzlich nicht definiert. Dies verwundert angesichts der mit dieser Unterscheidung verbundenen unterschiedlichen Rechtsfolgen. Zwar beschreibt Tz. 3.4.12.7 VWG-Verfahren, was nach der Auffassung der Finanzverwaltung unter „uneingeschränkter Vergleichbarkeit“ zu verstehen ist. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob dieses Verständnis einer sachlich vernünftigen Gesetzesauslegung entspricht, auch wenn nach der Gesetzesbegründung jedenfalls die Einengung der Bandbreite nach den VWG-Verfahren vorgenommen werden soll.6 Die Kategorien der VWG-Verfahren zur Vergleichbarkeit sind neu und international keineswegs anerkannt. So unterscheiden die OECD-Leitlinien nicht zwischen uneingeschränkter und eingeschränkter Vergleichbarkeit, sondern – bezogen auf die Vergleichswerte – zwischen einem verhältnismäßig gleichen Grad an Vergleichbarkeit und einem geringeren Grad an Vergleichbarkeit, wobei Vergleichs1 2 3 4 5

Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 3.56 OECD-Leitlinien 2017. So jedenfalls Förster, IStR 2011, 22. Vgl. Tz. 3.56 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.175 ff. 6 Vgl. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 143.

432 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.113 Kap. 4

werte mit einem geringeren Vergleichbarkeitsgrad grundsätzlich auszuschließen sind (Rz. 4.109 f.).1 Daneben gehen die OECD-Leitlinien von Fremdvergleichsbandbreiten aus, für deren Werte angenommen werden müsse, dass Vergleichbarkeitsdefizite, etwa infolge von Informationsmängeln oder Verfahrensmängeln bei der Auswahl von Vergleichswerten, verbleiben, die nicht identifiziert und/oder quantifiziert werden können und deshalb nicht angepasst sind.2 Vertreter der Finanzverwaltung gehen hier davon aus, dass letzterer Fall verbleibender Vergleichbarkeitsdefizite gleichbedeutend mit „eingeschränkter Vergleichbarkeit“ sei.3 Dies verwundert insofern, als verbleibende Vergleichbarkeitsdefizite nach den OECD-Leitlinien erhebliche Auswirkungen auf die Verlässlichkeit des Vergleichs haben müssen.4 Die VWG-Verfahren stellen dagegen auf „identische Geschäftsbeziehungen“ bzw. darauf ab, dass die Unterschiede bei den Geschäftsbedingungen „keinen wesentlichen Einfluss auf die Preisgestaltung“ haben. Letzteres passt offenkundig nur zur Preisvergleichsmethode. Demgegenüber bezieht sich das Verständnis von Vergleichbarkeit im Sinne der OECD-Leitlinien auf die konkrete Verrechnungspreismethode und wird nur von den Unterschieden in den verglichenen Geschäftsbedingungen und sonstigen Vergleichbarkeitsfaktoren beeinträchtigt, die einen (wesentlichen) Einfluss auf das Vergleichsobjekt der konkreten Verrechnungspreismethode haben.5 Zwar ist dieser konkrete Bezug der Vergleichbarkeit und der hierfür vorzunehmenden Anpassungen zu einer konkreten Verrechnungspreismethode grundsätzlich auch in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG angelegt, wenn uneingeschränkte Vergleichbarkeit „für diese Methoden“ vorliegen muss. Gleiches gilt für Zwecke der eingeschränkten Vergleichbarkeit in Bezug auf „andere geeignete Verrechnungspreismethoden“ i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG.6 Allerdings ist angesichts der gesetzgeberischen Intention, die Formulierungen der VWG-Verfahren zu bestätigen und mit einer (ausdrücklichen) Rechtsgrundlage auszustatten,7 fraglich, ob dieses Verständnis auch von der Finanzverwaltung geteilt wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Vergleichbarkeitsprüfung alle Faktoren heranzuziehen sein sollen, „die sich auf die Preisgestaltung auswirken könnten“.8 Uneingeschränkte Vergleichbarkeit. Nach Tz. 3.4.12.7 Buchst. a VWG-Verfahren soll eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit bestehen, „wenn – die Geschäftsbedingungen identisch sind oder – Unterschiede in den Geschäftsbedingungen keine wesentliche Auswirkung auf die Preisgestaltung haben oder – Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z.B. unterschiedliche Zahlungsziele) durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden sind.“ Angesichts des weit gefassten Begriffs der Geschäftsbedingungen werden diese Voraussetzungen selten erfüllt sein, weshalb es über die „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“9 häufig Streit geben wird. Deutlich wird dies auch anhand der Ausführungen von Vertretern der Finanzverwaltung, die „uneingeschränkte Vergleichbarkeit“ mit „Identität von Funktionen, Risiken, eingesetzten WG, vertraglichen Vereinbarungen, Marktverhältnissen (z.B. Marktgröße, Wettbewerbsintensität, Verhandlungsmacht, staatliche Regulierungen) und Geschäftsstrategien“ gleichsetzen und ferner infrage stellen, 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Tz. 3.56 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Förster, IStR 2011, 22. Vgl. Tz. 3.51 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Tz. 3.47 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Ditz/Liebchen, DB 2012, 1470. Vgl. Förster, IStR 2011, 22. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. a.

Baumhoff/Liebchen | 433

4.113

Kap. 4 Rz. 4.114 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen „ob es eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit überhaupt geben“ könne.1 Eine Ausnahme mag für die Lieferung und Leistung homogener Güter und Waren, z.B. Rohstoffe einer bestimmten Kategorie und Güte, gelten. Anders ausgedrückt ist die bisherige Verwaltungsauffassung kaum praxistauglich.

4.114 Eingeschränkte Vergleichbarkeit. Noch schwieriger dürfte es sein, den Begriff der „eingeschränkt

vergleichbaren Fremdvergleichswerte“ sachgerecht auszulegen. Tz. 3.4.12.7 Buchst. c VWG-Verfahren2 geht davon aus, dass sich die Abgrenzung gegenüber der Unvergleichbarkeit „nicht allgemein entscheiden lasse“. Die eingeschränkte Vergleichbarkeit soll von Aufzeichnungen zur Vergleichbarkeitsprüfung abhängen. „Eingeschränkte Vergleichbarkeit“ soll gegeben sein, wenn die wesentlichen preisdeterminierenden Faktoren zwar zutreffend identifiziert wurden, wegen bestehender Informationsdefizite oder anderweitiger Unsicherheiten eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit jedoch nicht gegeben ist bzw. sich auch mittels erforderlicher, bereits durchgeführter Anpassungsrechnungen nicht verlässlich herstellen lässt.3

4.115 Unvergleichbarkeit. Demgegenüber liegt „Unvergleichbarkeit“ vor, wenn sich eine oder mehrere

wesentliche preisdeterminierende Faktoren erheblich von denjenigen der Referenztransaktionen unterscheiden und auch durch Anpassungsrechnungen nicht eliminiert werden können.4 Dies soll nach Tz. 3.4.12.7 Buchst. b VWG-Verfahren5 insbesondere der Fall sein, wenn spezielle, besonders wertvolle immaterielle Wirtschaftsgüter eingesetzt werden und sich die preisbestimmenden Funktionen und Risiken erheblich unterscheiden. Ferner geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Dauerverluste bei Konzernvertriebs- oder Konzerndienstleistungsgesellschaften die Unvergleichbarkeit mit den Referenztransaktionen indizieren. cc) Direkte versus indirekte Vergleichbarkeit

4.116 Direkte Vergleichbarkeit. Die VWG 1983 unterscheiden in Tz. 2.2.2. zwischen direkter und indi-

rekter Vergleichbarkeit.6 Eine direkte Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die Verhältnisse entweder deckungsgleich sind bzw. mögliche Unterschiede zwischen Vergleichstatbeständen unwesentlich sind und deshalb keine beeinträchtigende Wirkung auf einen Vergleich haben oder innerhalb eines noch vertretbaren Ermessensspielraums liegen.

4.117 Indirekte Vergleichbarkeit. Ist eine direkte Vergleichbarkeit aufgrund eines oder mehrerer Unter-

schiede zwischen den die Vergleichbarkeit beeinflussenden Faktoren nicht möglich, so ist zu prüfen, ob der Einfluss der abweichenden Faktoren eliminiert werden kann, um zumindest eine indirekte Vergleichbarkeit herzustellen. Von indirekter Vergleichbarkeit wird gesprochen, wenn offensichtliche Unterschiede zwischen den Vergleichstatbeständen quantifiziert und durch Korrekturen bereinigt werden können, ohne dass die Vergleichbarkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Die indirekte Vergleichbarkeit kommt damit zum Tragen, wenn identische oder nur unwesentlich abweichende Vergleichsobjekte nicht gefunden werden können. Sie setzt allerdings voraus, dass die Abweichungen der Vergleichsobjekte identifiziert und bewertet werden können. Insoweit sind Anpassungsrechnungen notwendig, mit deren Hilfe die unzureichende Vergleichbarkeit der zu bewertenden konzerninternen Transaktion mit dem identifizierten Referenzobjekt ausgeglichen wird.7 1 Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGr.Verf. Rz. 220. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. c. 3 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Tz. 3.4.12.7 Anm. 235. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. b. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. b. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2. 7 Zu Vergleichbarkeitsanpassungen siehe ausführlich Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.112 ff.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.120 Kap. 4

Verhältnis zu Vergleichbarkeitsgraden nach § 1 Abs. 3 AStG. Allerdings sind die Begriffe „direkte/indirekte Vergleichbarkeit“ einerseits und „uneingeschränkte/eingeschränkte Vergleichbarkeit“ andererseits nicht synonym zu betrachten. Bei der „indirekten“ Vergleichbarkeit können gem. Tz. 2.2.2. VWG 19831 „ungleichartige“ Geschäfte herangezogen werden, wenn der Einfluss der abweichenden Faktoren „eliminiert“ und die Preisabweichung „umgerechnet“ werden kann. Diese „Anpassungsrechnung“ wird in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG, der an die uneingeschränkte Vergleichbarkeit anknüpft, dahingehend konkretisiert, dass die sachgerechten Anpassungen „im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken“ vorzunehmen sind. Insoweit deckt der Begriff der uneingeschränkten Vergleichbarkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG sowohl die direkte als auch die indirekte Vergleichbarkeit mit ab.

4.118

c) Bestimmungsfaktoren der Vergleichbarkeit Kriterienkatalog. Die Vergleichbarkeitsprüfung setzt die Existenz eines Kriterienkatalogs voraus, anhand dessen zu beurteilen ist, ob und inwieweit die gesetzliche Forderung nach gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen erfüllt ist. Aus der Rspr.2, den OECD-Leitlinien3 und den Verlautbarungen der deutschen Finanzverwaltung4 lassen sich brauchbare Hinweise für die Ausgestaltung eines Kriterienkataloges für die Vergleichbarkeit der Verhältnisse bei der Ermittlung von Fremdpreisen ableiten.

4.119

Danach ist eine Vergleichbarkeit immer dann gegeben, wenn sich die Vergleichstatbestände nach ihrer Art, ihren Merkmalen, ihrem Umfang und den maßgeblichen Markt- bzw. Branchenverhältnissen entsprechen. Konkretisiert man diese eher allgemeine Feststellung, so lässt sich in Anlehnung an Tz. 3.1.2. VWG 1983 sowie Tz. 1.36 ff. und Tz. 1.42 ff. OECD-Leitlinien ein Vergleich dann vornehmen, wenn zwischen den Vergleichsobjekten insbesondere folgende Merkmale übereinstimmen: – die Art, Ausgestaltung, Qualität und der Umfang der Lieferungen und Leistungen, – die allgemeinen Marktverhältnisse, in denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden, – die Funktionen, die von den Unternehmenseinheiten tatsächlich wahrgenommen werden, sowie die übernommenen Risiken und eingesetzten Mittel, – die Marktstufe, auf der die Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden, – die vereinbarten Vertrags- und Lieferbedingungen, – die Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen, – die unternehmerischen Zielvorstellungen sowie die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Produzent und Abnehmer bzw. Leistungserbringer und -empfänger. Vergleichbarkeitsfaktoren nach OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien benennen aktuell in Tz. 1.42 ff. fünf Vergleichbarkeitsfaktoren, die im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse näher zu untersuchen sind, nämlich: 1. die Produkteigenschaften von Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen, 2. die Funktionen und Risiken (Funktionsanalyse), 1 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2. 2 Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 497; siehe ferner BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Vgl. Tz. 1.36 ff. u. 1.42 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.2; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7.

Baumhoff/Liebchen | 435

4.120

Kap. 4 Rz. 4.121 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 3. die Vertragsbedingungen, 4. die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie 5. die Geschäftsstrategien.1

4.121 Erweiterung durch Änderung der OECD-Leitlinien. Nach den Abschlussberichten zu den Maßnahmen 8–10 des BEPS-Aktionsplans vom 5.10.2015, der auf den überarbeiteten OECD-Diskussionsentwurf zur Überarbeitung des Kapitels VI der OECD-Leitlinien zurückgeht, sind umfangreiche Erläuterungen zu Standortvorteilen, anderen lokalen Marktbedingungen, zur Übernahme einer einzigartig qualifizierten und eingearbeiteten Belegschaft und zu Synergieeffekten in Tz. 1.139– 1.173 des Kapitels 1 der OECD-Leitlinien aufgenommen worden.2 Insofern sind als weitere Bestimmungsfaktoren in die Vergleichbarkeitsanalyse einzubeziehen: 1. Standortfaktoren und andere lokale Marktbedingungen, 2. die qualifizierte und eingearbeitete Belegschaft, 3. Synergieeffekte.3 d) Funktions- und Risikoanalyse aa) Begriff und Gegenstand

4.122 Unterschiedliche Begriffsverwendungen. Eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt

insbesondere eine Analyse der ausgeübten Funktion voraus, die ein Unternehmen innerhalb des Verbundes tatsächlich wahrnimmt. Von dieser Funktionsanalyse sprechen sowohl Tz. 1.51 OECDLeitlinien als auch § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG. Während sich die innerstaatliche Rechtssetzung in einem annexierten Klammerausdruck an die Formulierung „ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Chancen und Risiken“ erschöpft, bestimmen die OECD-Leitlinien jedenfalls deren Zwecksetzung. Hiernach ist die Funktionsanalyse darauf gerichtet, die von den Transaktionspartnern ausgeübten wirtschaftlich erheblichen Tätigkeiten und übernommenen Verantwortlichkeiten, die eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die übernommenen Risiken festzustellen und zu vergleichen.4 Dies verdeutlicht bereits hinreichend, dass die so bezeichnete „Funktionsanalyse“ letztlich integraler Bestandteil einer „Funktions- und Risikoanalyse“ ist,5 wie sie in § 4 Nr. 3 GAufzV6 jedenfalls begrifflich zutreffend verwandt wird. Die VWG 1983 erwähnen sie begrifflich gar nicht, behandeln sie aber inhaltlich.7 Die VWG-Verfahren schließlich gehen von einer Verpflichtung zur Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse aus.8

4.123 Gesetzliche Verpflichtung im Rahmen der Dokumentationspflichten. Von einer solchen generel-

len Verpflichtung geht offenkundig auch § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG aus, wenn er die zutreffende, nämlich mit dem Fremdvergleich vereinbare Ermittlung von Verrechnungspreisen zu regeln beabsichtigt. Ein solcher Regelungsgegenstand kann aber angesichts von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG keinen Bestand haben. Denn dieser sanktioniert nicht die Ermittlung eines Verrechnungspreises, sondern dessen Abweichen vom Fremdvergleichspreis und dies insbesondere nur dann, wenn sich hierdurch eine Minderung der Einkünfte eingestellt hat. Vor diesem Hintergrund unterliegen unangemessen hohe Verrechnungspreise jedenfalls keiner Einkünftekorrektur nach § 1 AStG, obgleich sie mit dem Fremdvergleich unvereinbar sind. Hier ist die Unterscheidung zwischen Verrechnungspreis und 1 2 3 4 5 6 7 8

Tz. 1.42 ff. OECD-Leitlinien (Tz. 1.36 ff. OECD-Leitlinien 2017). Vgl. Tz. 1.139–1.173 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 245 ff. Vgl. Tz. 1.51 Satz 3 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Tz. 9.19 OECD-Leitlinien 2017. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GAufzV. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341-4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.3. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.4.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.125 Kap. 4

Fremdvergleichspreis grundlegend (Rz. 4.4 ff.).1 Eine rechtliche Verpflichtung zur Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse kann nach alledem nicht aus § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG erwachsen. Sie kann sich allenfalls aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 und 3 sowie § 4 Nr. 3 GAufzV2 ergeben.3 Wenngleich man auch hier wird feststellen müssen, dass lediglich die Dokumentation, nicht aber die Vornahme einer Funktions- und Risikoanalyse geregelt ist. Instrument der Sachverhaltsermittlung, -würdigung und -dokumentation. Dessen unbenommen spielt die Funktionsanalyse für die praktische Beurteilung internationaler Verrechnungspreise sowohl national wie auch international eine zentrale Rolle. Sie ist tragender Bestandteil jeder Vergleichbarkeitsanalyse und hat in der Praxis eine herausragende Bedeutung, um dokumentieren zu können, welche Konzerngesellschaften welche Funktionen, welche Risiken und welche Chancen übernehmen. Auch die OECD-Leitlinien bekennen sich ausdrücklich zur Funktionsanalyse.4 Grundlage dieser Betrachtungsweise ist die Erkenntnis, dass der von einem Geschäftspartner geforderte Preis umso höher ist, je mehr Funktionen und Risiken von diesem übernommen werden bzw. je höher seine eingesetzten Mittel im Rahmen der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung sind.5 Die OECD-Leitlinien weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht auf einen zahlenmäßigen Vergleich der ausgeübten Funktionen ankommt, sondern sich die wirtschaftliche Bedeutung der ausgeübten Funktionen nach ihrer Häufigkeit, ihrer Art und ihrem Wert für die Beteiligten der Geschäftsbeziehung bestimmt.6 Durch die VWG 19837 wie auch die VWG-Verfahren8 zieht sie sich wie ein „roter Faden“. Bei der Funktionsanalyse handelt es sich allerdings um keine eigenständige Preismethode, sondern um ein Instrument zur Sachverhaltsermittlung, -würdigung und -dokumentation.

4.124

bb) Funktionen Funktionsbegriff nach § 1 Abs. 1 FVerlV. Ebenso wenig wie der Begriff der Funktionsanalyse wurde für deutsch-steuerliche Zwecke der Begriff der „Funktion“ gesetzlich definiert. Erst durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20089 wurde diese Lücke mit § 1 Abs. 1 FVerlV geschlossen. Hiernach ist eine Funktion „eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Sie ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss.“ Die Verwendung der Begriffsdefinition in der FVerlV, deren Regelungsgegenstand „die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen“ ist, lässt Zweifel daran aufkommen, ob diese Begriffsdefinition auch für Zwecke der Funktions- und Risikoanalyse maßgeblich ist. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG verwendet jedenfalls für Zwecke der Funktionsanalyse denselben Begriff wie § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG für den Tatbestand der Funktionsverlagerung. Dies spricht für identische Begriffsmerkmale, wenngleich beide Regelungen von unterschiedlichen Zwecksetzungen getragen sind. Während die Funktionsanalyse, u.a. auf Grundlage der ausgeübten Funktionen, letztlich darauf gerichtet ist, den Anteil des jeweiligen Verbundunternehmens an der Gesamtwertschöpfung (Wertschöpfungsbeitrag) und die wertreibenden Aktivitäten zu identifizieren und dementsprechend 1 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 536. 2 § 4 Abs. 1 Nr. 3 GAufzV. 3 Vgl. hierzu auch Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 88 ff. 4 Vgl. Tz. 1.51 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 216. 6 Vgl. Tz. 1.51 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341-4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.3, 2.2.3, 2.4.4 Buchst. a, 2.2.4, 3.12.1 Nr. 3 u. 3.1.3. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.4. 9 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912; hierzu z.B. Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, passim.

Baumhoff/Liebchen | 437

4.125

Kap. 4 Rz. 4.126 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen zu vergüten,1 beabsichtigt der deutsche Gesetzgeber mittels der Besteuerung von Funktionsverlagerungen die „Sicherung des deutschen Steueraufkommens“ sowie „die Besteuerung in Deutschland geschaffener Werte“2 nicht zuletzt durch Erfassung geschäftswertbildender Faktoren (Rz. 4.480 und 4.523). Beiden Zwecksetzungen ist gemein, dass sie sich an der Wertschöpfung ausrichten. Allerdings ist die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nicht auf den Beitrag an einer tatsächlich realisierten Wertschöpfung gerichtet, sondern auf die Erfassung eines Wertschöpfungspotenzials.

4.126 Begriffsbildung nach VWG und OECD-Leitlinien. An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, den Funktionsbegriff in dem speziell auf Funktionsverlagerungen zugeschnittenen Begriffsverständnis zu diskutieren (Rz. 4.480 ff.). Für Zwecke der Funktionsanalyse reicht es aus, die beispielhafte Begriffsbildung der VWG 19833, der Betriebsstätten-VWG4 sowie der VWG-Verfahren5 („Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, verwaltungsbezogene Leistungen, Absatz, Dienstleistungen“) zugrunde zu legen. Auf eine vergleichbare Begriffsbildung gehen die sog. betriebswirtschaftlichen Hauptfunktionen – Produktion (ausgeübt als Eigenproduzent oder Lohnfertiger, Rz. 4.337 ff.), – Vertrieb (ausgeübt als Eigenhändler, Kommissionär oder Handelsvertreter, Rz. 4.354 ff.), – Dienstleistung, – Finanzierung sowie – Forschung und Entwicklung zurück, die einschließlich ihrer Kombinationen, z.B. in Form von sog. Profitcenter, im Folgenden erfasst werden sollen.

4.127 Maßgeblichkeit der tatsächlichen Funktionsverteilung. Eine Funktionsanalyse ist auf der Grund-

lage derjenigen Funktionsverteilung vorzunehmen, wie sie sich im Konzern tatsächlich darstellt. Das bedeutet, dass die Funktionen der einzelnen nahestehenden Unternehmen so zu beachten sind, wie sie zwischen den verbundenen Unternehmen wahrgenommen werden, wobei es auf den wirtschaftlichen Gehalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit des Unternehmens ankommt.6 Letztlich ist die Konzernleitung frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung jeder Unternehmensgruppe nach ihrem Ermessen zu gestalten. Entscheidet sie sich z.B. für einen Produzenten in Irland und eine Vertriebsgesellschaft in Deutschland oder einen Kommissionär in Frankreich, so muss die Finanzverwaltung diese Entscheidung hinnehmen. Sie kann nicht die tatsächliche Aufgabenverteilung im Konzern – von Missbrauchsfällen i.S. des § 42 AO abgesehen – durch eine fiktiv neue Organisationsstruktur bzw. Aufgabenverteilung ersetzen. Vielmehr ist jede Unternehmensgruppe im organisatorischen Aufbau und in der funktionalen Gliederung ihrer Tätigkeitsbereiche frei. Die Finanzverwaltung kann hierbei lediglich überprüfen, ob die Preise für den Liefer- und Leistungsaustausch innerhalb dieser vorgefundenen Aufgabenbzw. Funktionsverteilung sachgerecht festgesetzt wurden.

4.128 Dispositionsfreiheit im Unternehmensverbund. Auch wenn bezogen auf die Änderungen der

OECD-Leitlinien im Rahmen des BEPS-Projekts eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Empfehlungen zur Nicht-Anerkennung von Geschäftsvorfällen festzustellen ist,7 halten die OECDVgl. Vögele/Vögele in V/B/E4, E Rz. 124. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.3. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.1 Abs. 3. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.4. 6 Vgl. Puls in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 570. 7 Vgl. Rasch, ISR 2015, 313; Greinert/Metzner, Ubg 2015, 67; Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 7 u. 66 ff. 1 2 3 4

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.129 Kap. 4

Leitlinien an dem Grundsatz fest, dass der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt steuerlich anzuerkennen ist.1 Allerdings wird nicht an die formale vertragliche Gestaltung angeknüpft, wenn diese nicht mit dem Verhalten der Parteien und den wesentlichen wirtschaftlichen Eigenschaften übereinstimmt und damit nicht die wirtschaftliche Realität widerspiegelt.2 Insofern ist der wirtschaftliche Gehalt der tatsächlich verwirklichten Geschäftsbeziehung und nicht deren äußere Form maßgeblich.3 In dieser Hinsicht sollen nach Auffassung der OECD die wirtschaftlich relevanten Eigenschaften einer Geschäftsbeziehung unter Berücksichtigung der Risikoallokation nach den neu eingeführten Grundsätzen zur Risikoanalyse und -allokation bestimmt und der Verrechnungspreisbestimmung zu Grunde gelegt werden (Rz. 4.135 ff.).4 Die OECD-Leitlinien sprechen in diesem Zusammenhang von der „tatsächlichen Substanz der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen den Parteien“5. Umqualifizierungen der tatsächlich getätigten Geschäfte „durch andere Geschäfte“ sind danach grundsätzlich unzulässig.6 Sie sind auf „außergewöhnliche Umstände“ beschränkt.7 Diese ausdrückliche Anerkennung der Dispositionsfreiheit im Unternehmensverbund gehört zu den tragenden Grundsätzen der OECD-Leitlinien.8 Hiernach soll sich die Finanzverwaltung nicht als der „bessere Kaufmann“ gerieren können. Vielmehr beschränkt sich die Umdeutung der Verbunddisposition auf außergewöhnliche Fälle.9 Die OECD-Leitlinien verdeutlichen und unterstreichen den Ausnahmecharakter in Tz. 1.122–1.125 sowie anhand von Beispielen in Tz. 1.126–1.128.10 Unverändert ist die ökonomische Sinnhaftigkeit einer verbundinternen Funktions- und Aufgabenverteilung nicht vor dem Hintergrund zu hinterfragen, dass sie zwischen unverbundenen Unternehmen so nicht vorstellbar wäre.11 Denn die Tatsache, dass ein verbundinterner Lieferungs- und Leistungsaustausch zwischen unverbundenen Marktteilnehmern nicht identifizierbar ist, impliziert nicht dessen Unvereinbarkeit mit dem Arm’s-Length-Grundsatz.12 Außergewöhnliche Umstände nach Tz. 1.122 ff. OECD-Leitlinien 2017. In der Fassung der Abschlussberichte zum BEPS-Projekt verdeutlicht Tz. 1.122 OECD-Leitlinien 2017 die außergewöhnlichen Umstände, unter denen ausnahmsweise eine Umqualifizierung der Geschäftsbeziehung in Betracht kommt, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass jede Umqualifizierung umstritten und die Ursache für eine Doppelbesteuerung sein kann. Insbesondere sind allein die Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Fremdvergleichspreises kein Grund für die Umqualifizierung. Ebenso berechtigt der Umstand, dass es sich um eine konzernspezifische Geschäftsbeziehung handelt, die so zwischen fremden Dritten nicht festzustellen ist, nicht zu einer Umqualifizierung. Eine Geschäftsbeziehung kann nur dann nicht anerkannt und erforderlichenfalls durch eine andere Geschäftsbeziehung ersetzt werden, wenn die getroffenen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit von dem abweichen, was fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen und bei kaufmännisch ver1 Vgl. Tz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Tz. 1.122 f. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 146. 4 Vgl. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 5 Tz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 ff.; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 104 ff.; Eigelshoven/ Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 66 ff. 7 Tz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 146. 8 Vgl. auch Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. I Anm. 118 u. 213; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 76 f.; Werra, IStR 2009, 82. 9 Vgl. auch Tz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017. 10 Vgl. Tz. 1.122–1.128 OECD-Leitlinien 2017. 11 Vgl. Tz. 1.122 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu auch Tz. 9.35 OECD-Leitlinien 2017. 12 Vgl. Tz. 1.11, 1.122 und 9.35 OECD-Leitlinien 2017. So zutreffend auch Tz. 147 der VWG-Funktionsverlagerung; vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 147.

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4.129

Kap. 4 Rz. 4.130 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nünftigem Verhalten vereinbart hätten, und hierdurch die Bestimmung eines für beide Parteien akzeptablen Preises unter Berücksichtigung der Perspektiven beider Geschäftspartner und der ihnen realistischerweise zum Zeitpunkt des Abschlusses der Geschäftsbeziehung zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen verhindert wird. Ferner soll berücksichtigt werden, ob sich die Unternehmensgruppe als Gesamtheit auf Vorsteuerbasis durch diese Vereinbarung verschlechtert. Insofern werden eine fehlende kaufmännische Vernunft und eine allein steuerliche Motivation für diese Vereinbarung angenommen. Die von den OECD-Leitlinien als Kernfrage angesehene Prüfung, ob die tatsächliche Geschäftsbeziehung die kaufmännische Sinnhaftigkeit von Vereinbarungen aufweist, die unverbundene Geschäftspartner unter vergleichbaren wirtschaftlichen Umständen treffen würden,1 macht zweifelsohne die Geschäftsbeziehung dem Grunde nach einem Fremdvergleich zugänglich. Dies birgt die Gefahr, dass sich der ausgewiesene Ausnahme- zum Regelfall wandelt. Insofern ist die Klarstellung, dass die Nichtanerkennung einer kaufmännisch vernünftigen Vereinbarung keine geeignete Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes darstellt,2 nur bedingt geeignet die in der Prüfungspraxis zu erwartenden Meinungsverschiedenheiten zur kaufmännischen Vernunft der getroffenen Vereinbarungen einzudämmen. Von Bedeutung ist hier, dass es nach deutsch-steuerlichen Beweislastgrundsätzen Sache der Finanzverwaltung sein wird, den Fremdvergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zu führen und die fehlende kaufmännische Sinnhaftigkeit nachzuweisen, und zwar für konzernspezifische Transaktionen ungeachtet nicht beobachtbarer Geschäftsvorfälle zwischen fremden Dritten.

4.130 Kaufmännische Vernunft und verfügbare Handlungsalternativen. Eine inhaltliche Präzisierung

dessen, was „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ bzw. „kaufmännische Vernunft“ („commercial rationality“) konkret ausmacht, erfolgt lediglich anhand von Beispielen. Nach Auffassung der OECD soll sie allerdings von den realistischerweise vorhandenen Handlungsalternativen („eindeutig günstigere Handlungsalternative“) abhängig gemacht werden können.3 Im Schrifttum wird der den beteiligten Finanzverwaltungen eingeräumte Beurteilungsspielraum kritisch gesehen. Letztlich birgt er die Gefahr, dass die Finanzverwaltung die „kaufmännische Vernunft“ vor dem Hintergrund ex post gewonnener Erkenntnisse reflektiert und diese dem Steuerpflichtigen entgegenhält. Dies widerspräche dem Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung4 und wäre deshalb grundsätzlich abzulehnen.

4.131 Funktionsverteilung nicht Gegenstand der Angemessenheitsprüfung. Die Funktionsverteilung

innerhalb eines Konzerns ist nicht Gegenstand einer Verrechnungspreisprüfung. Maßgebend ist die Aufgabenverteilung, die aufgrund der autonomen Entscheidung der Konzernleitung über die Arbeitsteilung und Aufgabenverteilung im Konzern vorgenommen wurde,5 wobei es auf den wirtschaftlichen Gehalt der tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten ankommt. Letztlich ist nur zu analysieren, welche Eigenschaft das Unternehmen und die ihm von der Konzernleitung zugewiesene Funktion erfüllt, etwa als ein „Entrepreneur“ (Rz. 4.149) mit der Übernahme aller aus der Tätigkeit stammenden Risiken und Gewinnchancen, als Teilnehmer bzw. Handlungsbeauftragter eines (weniger risikobehaftenden) Interessenpools oder als „verlängerte Werkbank“ bzw. Lohnhersteller des Auftraggebers i.S. eines „Routineunternehmens“ (Rz. 4.149).

4.132 VWG-Funktionsverlagerung. Die deutsche Finanzverwaltung hat in den VWG-Funktionsverlage-

rung6 erstmals ihre Auffassung zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit geäußert. Im Einklang mit den OECD-Leitlinien7 erkennt sie die unternehmerische Freiheit darüber zu entscheiden, ob 1 2 3 4 5 6

Vgl. Tz. 1.123 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.123 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.122 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 77; Werra, IStR 2009, 83. Siehe hierzu auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 7. Vgl. Werra, IStR 2009, 82. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 7 Vgl. Tz. 9.34 OECD-Leitlinien 2017.

440 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.133 Kap. 4

und in welchem Umfang Funktionen ausgeübt, Risiken und Gewinnchancen übernommen und welche Ressourcen eingesetzt werden, an. Ausdrücklich formulieren die VWG-Funktionsverlagerung ihr Regelungsziel unter „Respektierung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit“.1 Die unternehmerische Dispositionsfreiheit erstreckt sich auf Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen verbundenen Unternehmen konzentriert, auf mehre Unternehmen aufgeteilt oder mit ihrer Ausübung Subunternehmer beauftragt werden. Die konkrete Disposition des Unternehmens ist grundsätzlich aus den abgeschlossenen Verträgen abzuleiten. Zutreffend werden in Tz. 97 der VWG-Funktionsverlagerung2 formale Anforderungen („in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeutigen [möglichst schriftlichen] Verträgen“) der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zugeordnet. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.3 Im Übrigen folgt die deutsche Finanzverwaltung uneingeschränkt den OECD-Leitlinien, indem sie die Anerkennung der unternehmerischen Disposition als Regelfall setzt und eine Abweichung hiervon an die in Rz. 4.128 benannten Ausnahmefälle knüpft.4 cc) Risiken Wesentliche Risikoarten. Eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse außerdem eine Analyse der von den verbundenen Unternehmen übernommenen Risiken voraus (Risikoanalyse). Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang insbesondere:5 – Marktrisiken, wie z.B. Produktions-, Beschaffungs- und Absatzschwankungen, – Verlustrisiken, die durch Eigentum und Gebrauch von Wirtschaftsgütern (z.B. Maschinen) entstehen können, – Vorratsrisiken, verstanden als das Risiko der fehlenden Vermarktung oder Verderblichkeit von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie unfertigen und fertigen Erzeugnissen, – Gewährleistungsrisiken, resultierend aus Produkthaftpflichtrisiken und Qualitäts- bzw. Garantiezusagen, – Forschungs- und Entwicklungsrisiken aufgrund vergeblicher bzw. ergebnisloser F&E-Aktivitäten, – Wechselkursrisiken aufgrund von Kursschwankungen zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und dem der Vertragserfüllung, – Kreditrisiken, bedingt durch mögliche Forderungsausfälle, – Zinsrisiken aufgrund sich veränderbarer Zinssätze, – Auslastungsrisiken i.S. eines Leerkostenrisikos aufgrund nicht ausgelasteter sachlicher und personeller Kapazitäten. 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 97. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 u. 148. 5 Vgl. u.a. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.2.1; v. 13.10. 2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 204; Ditz, IStR 2002, 214; Vögele/Borck, IStR 2002, 176; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 302 f.; Puls in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 4.51 ff.

Baumhoff/Liebchen | 441

4.133

Kap. 4 Rz. 4.134 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.134 Definition von Risiko und Kategorisierung nach Quellen der Unsicherheit. Die OECD-Leit-

linien i.d.F. der Abschlussberichte zu den Maßnahmen 8–10 des BEPS-Projekts vom 5.10.2015 definieren in Tz. 1.71 erstmals den für Verrechnungspreiszwecke relevanten Begriff des Risikos. Hiernach wird Risiko als die Auswirkung von Unsicherheit auf die Unternehmensziele verstanden und umfasst nicht nur einen möglichen Schadensfall als negatives Risiko, sondern auch Chancen.1 Diese Begriffsdefinition entspricht dem betriebswirtschaftlichen Begriffsverständnis.2 Die OECDLeitlinien nehmen ferner eine Kategorisierung der Risiken vor, wobei für Zwecke eine Verrechnungspreisanalyse eine Kategorisierung nach den verschiedenen Quellen der Unsicherheit als sachgerecht angesehen wird. Ferner wird innerhalb dieser Kategorien eine Unterscheidung zwischen internen und externen Risiken vorgenommen, wobei den vom Unternehmen nicht beeinflussbaren externen Risiken ein besonderer Stellenwert bei der Verrechnungspreisanalyse zugebilligt wird, weil die Fähigkeit eines Unternehmens, externen Risiken zu begegnen, zu Wettbewerbsvorteilen und nachhaltigen Renditen führen kann. Im Einzelnen sehen die OECD-Leitlinien folgende Kategorisierung vor:3 – Strategische Risiken oder Marktrisiken, die durch das wirtschaftliche Umfeld, politische oder regulatorische Maßnahmen, Wettbewerb, technischen Fortschritt, soziale Veränderungen oder Umweltveränderungen größtenteils extern verursacht werden (z.B. Marktentwicklungen, (geographisch) neue Märkte, Konzentration von Entwicklungsaufwendungen); – Infrastrukturrisiken oder operative Risiken, welche u.a. die mit der Ausübung der Geschäftstätigkeit verbundenen Unsicherheiten betreffen und sich auf die operative Effektivität der Unternehmensprozesse auswirken (z.B. Verkehrsanbindung des Unternehmens, Zuverlässigkeit der Outsourcing-Partner, Zuverlässigkeit des IT-Systems, Disponibilität von Produktionsmaterial, Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, Rechtzeitigkeit von Produkteinführungen, Nachfragedeckung, Einhaltung von Produktionsstandards); – Finanzrisiken, die sich auf das Liquiditätsmanagement des Unternehmens sowie dessen Finanzkraft und Kreditwürdigkeit auswirken (z.B. extern bedingte wirtschaftliche Schocks oder Kreditkrisen, durch Investitionsentscheidungen oder Kreditbedingungen intern verursachte Risiken); – Transaktionsrisiken, die sich bei der Lieferung von Waren oder Dienstleistungen insbesondere aus der Preisgestaltung und den Fälligkeitsbedingungen ergeben können; – Gefahrenrisiken, vor allem externe Vorkommnisse wie Unfälle oder Naturkatastrophen, deren Schäden nur teilweise durch Versicherungen abgedeckt werden. Im Hinblick auf diese Kategorisierung bleibt unklar, welche Bedeutung einer solchen Differenzierung für die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise zukommen soll.4 Jedenfalls nehmen Tz. 1.100 ff. der OECD-Leitlinien für die Bestimmung von Verrechnungspreisen unter Berücksichtigung der Konsequenzen der Risikoverteilung auf diese Kategorien nicht Bezug.5

4.135 Sechsstufiges Verfahren zur Risikoanalyse. Die OECD-Leitlinien 2017 empfehlen für die Analyse der ökonomisch signifikanten Risiken der Geschäftsbeziehung folgendes sechsstufige Verfahren:6 1. Identifikation der wirtschaftlich erheblichen Risiken und ihre Spezifikation. 2. Feststellung der vertraglichen Verteilung spezifischer, wirtschaftlich erheblicher Risiken nach den Bedingungen der Geschäftsbeziehung. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Tz. 1.71 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Greinert/Metzner, Ubg 2015, 63 m.w.N. Vgl. Tz. 1.72 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Greinert/Metzner, Ubg 2015, 63 m.w.N. Vgl. Tz. 1.100 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.60 OECD-Leitlinien 2017 sowie im Einzelnen zu den Schritten Tz. 1.71 ff. OECD-Leitlinien 2017.

442 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.136 Kap. 4

3. Feststellung auf Basis einer Funktionsanalyse, wie sich die Vertragspartner im Zusammenhang mit der Übernahme und dem Management spezifischer, wirtschaftlich erheblicher Risiken verhalten, insbesondere: (i) Welche(s) Unternehmen üben (übt) Kontrollfunktionen und Risikominderungsfunktionen aus? (ii) Welche(s) Unternehmen begegnen (begegnet) positiven oder negativen Auswirkungen von Risikoergebnissen? (iii) Welche(s) Unternehmen haben (hat) die Finanzkraft, das betreffende Risiko zu tragen? 4. Interpretation der Informationen zur Übernahme und dem Management von Risiken der Schritte 2 und 3 und Überprüfung der vertraglichen Risikoverteilung mit dem tatsächlichen Verhalten der Vertragspartner (Konsistenzprüfung) durch Untersuchung, (i) ob die vertraglichen Bestimmungen tatsächlich durchgeführt werden und (ii) ob das Unternehmen, das das betreffende Risiko übernimmt, dieses auch kontrolliert und über die finanziellen Möglichkeiten („financial capacity“) verfügt, dieses Risiko zu tragen. 5. Sofern das betreffende Unternehmen, das das jeweilige Risiko vertraglich trägt, dieses nicht kontrollieren kann oder nicht über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten verfügt, ist das betreffende Risiko dem Unternehmen der Unternehmensgruppe zuzuordnen, das den höchsten Grad an Kontrolle über das Risiko ausübt und – kumulativ – über die erforderliche Finanzkraft verfügt. 6. Konkrete Verrechnungspreisbestimmung unter Berücksichtigung der finanziellen und anderen Auswirkungen der Risikoübernahme und eines geeigneten Ausgleichs für die Ausübung von Risikomanagementfunktion. Maßgeblichkeit der tatsächlichen Risikoverteilung. Die Risikoverteilung zwischen verbundenen Unternehmen ist ein wesentlicher Bestandteil der Funktions- und Risikoanalyse (zur Begriffsbestimmung vgl. Rz. 4.122 ff.). Tz. 1.47 der OECD-Leitlinien hat bisher ausgeführt, dass die ausgeübten Funktionen bis zu einem gewissen Grad eine dementsprechende Risikoverteilung zwischen den verbundenen Vertragspartnern implizieren.1 Diese Tz. wurde in den OECD-Leitlinien i.d.F. der Abschlussberichte zum BEPS-Projekt gestrichen, was zudem die bisherige Empfehlung mit einbezieht, dass ein Auftragsfertiger oder Auftragsforscher, der keine wesentlichen Risiken übernimmt, nur Anspruch auf einen begrenzten Ertrag hat. Stattdessen führt Tz. 1.57 der OECD-Leitlinien nunmehr aus, dass Risiken jeder Geschäftstätigkeit innewohnen und dass die Feststellung der getragenen Risiken wie die Feststellung der ausgeübten Funktionen und der eingesetzten Wirtschaftsgüter integraler Bestandteil der Feststellung der wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen der Geschäftsbeziehung(en) zwischen den verbundenen Unternehmen ist.2 Ferner wird darauf hingewiesen, dass die mit einer Geschäftschance verbundenen Risiken das Gewinnpotenzial aus dieser Geschäftschance beeinflussen und dass die Risikoverteilung über die Verrechnungspreisbestimmung die Verteilung von Gewinnen oder Verlusten aus der Geschäftsbeziehung zwischen den verbundenen Unternehmen beeinflusst.3 Diese Empfehlungen beschränken sich allerdings auf allgemeine Aussagen zur Bedeutung der Risikoanalyse für die Verrechnungspreisbestimmung. Ferner ist es unmittelbar auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurückzuführen, dass die Übernahme wirtschaftlicher Risiken nicht unentgeltlich erfolgt, sondern üblicherweise mit erhöhten Renditeerwartungen einhergeht.4 Hierbei ist entscheidend, dass nach dem Ex-ante-Grundsatz nur die er1 2 3 4

Vgl. Tz. 1.47 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.57 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.58 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.56 u. 9.19 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/ 08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 13.

Baumhoff/Liebchen | 443

4.136

Kap. 4 Rz. 4.137 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen wartete Mehrrendite maßgeblich ist. Ob sich diese ex post auch tatsächlich einstellt, ist demgegenüber unbeachtlich.1

4.137 Feststellung der Risikoverteilung. Angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der Transaktionspart-

ner werden Risiken regelmäßig vertraglich geregelt. Ausgangspunkt einer jeden Risikoanalyse müssen deshalb die vertraglichen Bestimmungen sein, die den vorgenommenen Transaktionen zugrunde liegen. Wenn die OECD-Leitlinien hierzu feststellen, dass es einer „good practice“ verbundener Unternehmen entspräche, ihre Entscheidung über die Allokation bedeutsamer Risiken schriftlich und im Vorhinein zu dokumentieren,2 kann hierin keine Hinwendung zu formalen Fremdvergleichsgesichtspunkten – wie sie im Rahmen der vGA bei beherrschenden Gesellschaftern nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht zum Tragen kommen (Rz. 4.31)3 – erblickt werden. Vielmehr stellen die vertraglichen Vereinbarungen über die Verteilung der Risiken nur eine Erkenntnisquelle dar. Daneben kann sich die Risikoverteilung aus anderen schriftlichen Verträgen, aus schriftlicher Korrespondenz und anderweitiger (nicht-schriftlicher) Kommunikation, dem allgemeinen Handelsbrauch sowie dem speziellen Unternehmensbrauch zwischen den verbundenen Unternehmen ergeben.4 Fehlen derartige schriftliche Vereinbarungen kann die Risikoverteilung aus der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Beziehungen und ökonomischen Prinzipien – zu diesen rechnen auch Handelsbräuche5 – abgeleitet werden. Was die deutsche Verwaltungsauffassung anbelangt, rechnet die Erfüllung formaler Anforderungen zur Nachweis- und Beweisvorsorge (Rz. 4.127).6 Auch das sechsstufige Verfahren der Risikoanalyse nach Tz. 1.71 der OECD-Leitlinien (Rz. 4.135) stellt im Ausgangspunkt auf die vertragliche Risikoverteilung ab. Hiernach ist im Anschluss an die Identifikation der wirtschaftlich erheblichen Risiken in einem zweiten Schritt die vertragliche Risikoverteilung festzustellen, wobei sich die Übernahme von Risiken aus ausdrücklichen vertraglichen Bestimmungen oder implizit ergeben kann.7 Beispielhaft wird für eine ausdrückliche vertragliche Risikoverteilung darauf hingewiesen, dass ein Vertriebsunternehmen gemäß gesonderter Vereinbarung das Forderungsausfall-, das Vorrats- und das Kreditrisiko aus Umsätzen mit unverbundenen Unternehmen übernehmen könne. Eine implizite Risikoverteilung läge etwa im Falle einer Pauschalvergütung vor, über die implizit Auswirkungen bestimmter Risiken, einschließlich unvorhergesehener Gewinne und Verluste, der anderen Vertragspartei zugeordnet würden.8 Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass für die vertragliche Risikoverteilung der Ex-anteGrundsatz gilt, d.h. die im Vorhinein getroffene vertragliche Risikoverteilung; ausdrücklich wird eine ex post durch die Finanzverwaltung vorgenommene Umverteilung als ungeeignet abgelehnt.9 Fehlen vertragliche Vereinbarungen über die Verteilung von Risiken, entfällt die Feststellung der vertraglichen Risikoverteilung naturgemäß mit der Folge, dass für die Risikoanalyse allein das tatsächliche Verhalten der Vertragsparteien (vgl. dazu Rz. 4.139 ff.) maßgeblich sein kann.

4.138 Maßgeblichkeit der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Ungeachtet etwaiger vertragli-

cher Vereinbarungen muss eine – wie auch immer vorgenommene – Risikoverteilung mit den tat1 So wohl auch Tz. 9.19 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 1.56 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BFH v. 11.2.1997 – I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005. 4 Vgl. hierzu auch Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 84 ff. 5 Vgl. Eigelshoven/Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 86. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 97. 7 Vgl. Tz. 1.77 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Tz. 1.77 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. Tz. 1.78 OECD-Leitlinien 2017.

444 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.140 Kap. 4

sächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen übereinstimmen, so wie sie sich angesichts der tatsächlichen Durchführung der Geschäftsbeziehung darstellen.1 Insofern ist keine rein rechtliche (nämlich vertragsgemäße), sondern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für die Feststellung der „wahren“ Risikoallokation zwischen den verbundenen Parteien maßgeblich. Die VWG 19832 stellen in diesem Zusammenhang auf den „wirtschaftlichen Gehalt“ der Geschäftsbeziehung ab, die OECD-Leitlinien3 auf die „kaufmännische Vernunft“.4 Dem steht auch die Dispositionsfreiheit der Konzernleitung über die Verteilung der Risiken im Unternehmensverbund nicht entgegen, denn diese kommt gerade in der Ausgestaltung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zum Ausdruck und nicht etwa in hiervon abweichenden vertraglichen Bestimmungen. Tatsächliches Verhalten als Korrektiv. Auf die Feststellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Risikoverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen ist auch die Überprüfung der vertraglichen Risikoverteilung nach dem tatsächlichen Verhalten der verbundenen Unternehmen gerichtet.5 Das tatsächliche Verhalten verbundener Vertragspartner ist in Bezug auf Risiken naturgemäß erst dann beobachtbar und feststellbar, wenn sich das betreffende Risiko realisiert.6 Dies ist in zeitlicher Hinsicht insofern problematisch, als – bei tatsächlichem späterem Eintritt des Risikos – die Übernahme wesentlicher wirtschaftlicher Risiken der Verrechnungspreisbestimmung zu einem früheren Zeitpunkt zugrunde zu legen ist. Bei Nichteintritt des Risikos wird ein entsprechendes Verhalten zu keinem Zeitpunkt feststellbar sein. Vor diesem Hintergrund sehen die OECD-Leitlinien Hilfskriterien vor, die das tatsächliche Verhalten in Bezug auf Risiken abbilden sollen. Diese betreffen zum einem die Risikokontrolle und -steuerung und zum anderen die Finanzkraft i.S. einer finanziellen Tragfähigkeit. Beide Kriterien sind in Tz. 1.82 ff. der OECD-Leitlinien für die Überprüfung der Fremdüblichkeit der Risikoverteilung bei konzerninternen Geschäftsvorfällen ausführlich dargestellt.7 Sie entsprechen den bisher im Kap. IX der OECD-Leitlinien im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen („business restructurings“) geregelten Grundsätzen.8

4.139

Hiernach soll sich das tatsächliche Verhalten anhand der Ausübung der Risikokontrollfunktion und anhand der finanziellen Fähigkeit zur Übernahme der betreffenden Risiken bestimmen. Hierzu soll im Rahmen einer Funktionsanalyse festgestellt werden, – welche(s) Unternehmen Kontrollfunktionen und Risikominderungsfunktionen ausüben (ausübt)? – welche(s) Unternehmen positiven oder negativen Auswirkungen von Risikoergebnissen begegnen (begegnet)? – welche(s) Unternehmen die Finanzkraft haben (hat), das betreffende Risiko zu tragen.9 Risikokontrolle. Was die Risikokontrolle anbelangt, bedienen sich die OECD-Leitlinien des Erfahrungssatzes, dass unverbundene Transaktionspartner nur solche Risiken tragen, die sie kontrollieren können. Hierbei soll „Kontrolle“ als die Fähigkeit zur Entscheidung darüber verstanden werden, die infrage stehenden Risiken zu übernehmen und das ob und wie ihrer Kontrolle zu bestimmen.10 Die Wahrnehmung von Risikokontrollfunktionen erfordert stets

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Tz. 9.13 ff. OECD-Leitlinien. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.2. Tz. 1.122 ff. OECD-Leitlinien 2017; zu Beispielen vgl. ferner Tz. 1.89 ff. OECD-Leitlinien 2017. Dergleichen regeln Sec. 1.482-1(d)(3)(ii)(B)(1) f. US-Regs., vgl. hierzu Kroppen/Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IX Rz. 69. Vgl. auch Rasch, ISR 2015, 310 f. Vgl. Rasch, ISR 2015, 312; Kroppen/Rasch, IWB 2015, 833; Greinert/Metzner, Ubg 2015, 63. Vgl. Tz. 1.82 ff. OECD-Leitlinen 2017. Vgl. Tz. 9.22 ff. und Tz. 9.29 ff. OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Tz. 1.82 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 1.67 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 445

4.140

Kap. 4 Rz. 4.141 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – die Fähigkeit, Entscheidungen über die Übernahme, Nichtübernahme oder Verringerung einer risikobehafteten (unternehmerischen) Chance zu treffen und diese Entscheidungsfunktion auch tatsächlich auszuüben; – die Fähigkeit, Entscheidungen über die Art und Weise der Reaktion auf die mit den unternehmerischen Chancen verbundenen Risiken zu treffen und diese Entscheidungsfunktion auch tatsächlich auszuüben.1 Entscheidend ist demgegenüber nicht, welche Partei die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft vornimmt,2 sondern wer deren Ergebnisse bewertet und aus diesen Entscheidungs- bzw. Handlungsbedarfe abzuleiten und umzusetzen berufen ist. Wird die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft ausgegliedert, erfordert die Ausübung der Kontrollfunktion die Fähigkeit, Zielvorgaben für die ausgelagerten Tätigkeiten zu machen, über die Vergabe der Risikoüberwachungsfunktionen an den Dienstleister zu entscheiden, die Erreichung der Zielvorgaben zu überprüfen, über die Anpassung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Dienstleister zu entscheiden und diese Entscheidungsfunktionen auch tatsächlich auszuüben.3 Die Ausübung von Kontrollfunktionen erfordert nach Auffassung der OECD zwingend ein entsprechendes Verständnis von dem zu kontrollierenden Risiko und dementsprechende Kompetenzen und Erfahrungen der Entscheidungsträger im Bereich des jeweiligen Risikos sowie den Zugang zu den entscheidungsrelevanten Informationen, um etwaige Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Unternehmen nachvollziehen zu können.4 Eine tatsächliche Ausübung der Entscheidungsfunktion soll hingegen nicht vorliegen, wenn sich das betreffende Unternehmen auf das bloße Formalisieren von Entscheidungsergebnissen (z.B. Billigung getroffener Entscheidungen, Unterzeichnung von entscheidungsumsetzenden Dokumenten) oder auf das Erlassen einer Richtlinie zum Umgang mit unternehmerischen Risiken beschränkt.5 Insofern ist neben der Entscheidungskompetenz stets auch die tatsächliche Ausübung der Entscheidungsbefugnisse bezogen auf das konkrete Risiko für die Ausübung der Kontrollfunktion erforderlich.

4.141 Finanzkraft und Risikotragfähigkeit. Neben der Entscheidungskompetenz und der tatsächlichen

Ausübung der Entscheidungsbefugnisse bezogen auf das konkrete, wirtschaftlich erhebliche Risiko muss das betreffende Unternehmen nach Auffassung der OECD ferner die finanzielle Fähigkeit besitzen, das betreffende Risiko tragen zu können. Diese finanzielle Risikotragfähigkeit bezieht sich nach Auffassung der OECD auf den Zugang zu den Finanzmitteln zur Übernahme oder Aufgabe des betreffenden Risikos, zur Finanzierung der risikominimierenden Funktionen bei deren Auslagerung auf andere Unternehmen und zur Übernahme des finanziellen Aufwands im Falle des Risikoeintritts.6 Als Finanzierungsmöglichkeiten kommen alle realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen zur Beschaffung zusätzlicher Liquidität in Betracht, um die voraussichtlichen Kosten im eintretenden Risikofall zu decken. Die Überprüfung der finanziellen Risikotragfähigkeit soll hierbei auf „Stand-alone-Basis“ erfolgen.

4.142 Vertragliche Risikodisposition und tatsächliches Verhalten. Das nach der Risikokontrollfunktion (Rz. 4.140) und der finanziellen Risikotragfähigkeit (Rz. 4.141) bezogen auf das konkrete, wirtschaftlich erhebliche Risiko bestimmte tatsächliche Verhalten soll nach Überprüfung der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Risikoverteilung dieser im Rahmen einer Konsistenzprü1 Vgl. Tz. 1.65 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 9.24 OECD-Leitlinien sowie die Beispiele in Tz. 1.69 f. OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu auch Werra, IStR 2009, 83 f. 3 Vgl. Tz. 1.65 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 1.65 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Tz. 1.66 und Tz. 1.76 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 1.64 OECD-Leitlinien 2017.

446 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.144 Kap. 4

fung gegenübergestellt werden.1 Stimmt die vertragliche Risikodisposition mit dem tatsächlichen Verhalten überein, besteht auch unter Fremdvergleichsgesichtspunkten naturgemäß kein Anlass für eine steuerliche Umqualifizierung der (vertraglichen) Risikoverteilung. Entscheidend sind die Abweichungsfälle. Nach Auffassung der OECD bildet das tatsächliche Verhalten unter Fremdvergleichsgesichtspunkten die tatsächliche Risikoverteilung ab, die unter Verrechnungspreisgesichtspunkten als maßgeblich zugrunde zu legen sein soll.2 Hat ein Unternehmen nicht die Fähigkeit, das betreffende wirtschaftlich erhebliche Risiko zu kontrollieren, und verfügt es nicht über die finanziellen Mittel, das betreffende Risiko zu tragen, dann soll dieses Risiko nach Auffassung der OECD dem Unternehmen zugeordnet werden, das die beiden risikobezogenen Kriterien (Kontrolle und Finanzkraft) erfüllt.3 Können – in Fällen geteilter Kontrollfunktionen – mehrere Unternehmen festgestellt werden, die das betreffende Risiko sowohl kontrollieren als auch finanziell tragen können, soll das Risiko dem Unternehmen zugeordnet werden, das die meiste Kontrolle ausübt.4 Das andere oder die anderen Unternehmen, die Kontrollfunktionen ausüben, ohne dass ihnen das betreffende Risiko zuzuordnen ist, sind für diese Funktionsausübung angemessen zu vergüten.5 Das Risikokontrollkonzept der OECD-Leilinien zur Feststellung der Konzerngesellschaft, die bezogen auf die Risikokontrolle über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt und diese auch tatsächliche ausübt, bzw. – bei geteilten Kontrollfunktionen – die die meiste Kontrolle ausübt, birgt zweifelsohne das Risiko des Auseinanderfallens von rechtlicher (für Bilanzierungs-, Rechtsverfolgungs- und Schadensersatzzwecke) und steuerlicher Zuordnung.6 Problematisch ist in diesem Zusammenhang zum einen, dass Fremdvergleichsgesichtspunkte fingiert werden und die Beurteilung nicht davon abhängig gemacht wird, wie fremde Dritte das betreffende Risiko kontrollieren (würden).7 Zum anderen löst sich das Risikokontrollkonzept vom Transaktionsbezug, weil als risikokontrollierende Konzerngesellschaften auch solche in Betracht kommen, die nicht an der Geschäftsbeziehung beteiligt sind.8 Verrechnungspreisbestimmung und weitere Implikationen. Die nach dem sechsstufigen Ansatz der OECD zu bestimmende maßgebliche Risikoverteilung ist neben den anderen Vergleichsbarkeitsfaktoren der Verrechnungspreis- bzw. Fremdvergleichspreisbestimmung für die betreffende Geschäftsbeziehung zugrunde zu legen. Dies bedeutet, dass die höhere Renditeerwartung für die Risikoübernahme gewissermaßen als Risikokomponente in den Verrechnungspreis für die konkrete Liefer- oder Leistungsbeziehung eingeht.

4.143

Von dieser Feststellung der Risikoverteilung – dem eigentlichen Kern der Risikoanalyse – zu trennen ist die Frage, ob aus dieser Disposition auch die konkreten verrechnungspreisbezogenen Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Fraglich ist, ob sie als „kaufmännische und finanzielle Beziehungen“ i.S.v. Art. 9 Buchst. b zu akzeptieren und der Bestimmung eines mit dem Fremdvergleich zu vereinbarenden Verrechnungspreises zugrunde zu legen sind. Die OECD-Leitlinien 1995/96 haben hier noch in Tz. 1.27 – ebenso wie Tz. 1.49 OECD-Leitlinien – lediglich angedeutet, dass Fremdvergleichserwägungen eine bestimmte Risikoallokation tragen. Keine Versagung des Betriebsausgabenabzugs. Ein weiterer Aspekt der Nichtanerkennung einer Verbunddisposition über die Risikoverteilung wäre im Falle ihrer verwaltungsseitigen Umdeutung darin zu sehen, dass die Realisierung der infrage stehenden Risiken den Betriebsausgabenabzug auf den Prüfstand stellen würde. Was im Inland ansässige Verbundunternehmen anbelangt, fehlt dem deutschen Steuerrecht eine Rechtsgrundlage dafür, den Betriebsausgabenabzug aufgrund einer 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Tz. 1.86 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 1.88 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 1.98 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 1.98 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 1.98 u. Tz. 1.105 OECD-Leitlinien 2017. Kroppen/Rasch, IWB 2015, 835. Kroppen/Rasch, IWB 2015, 835. hierzu auch Tz. 1.105 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 447

4.144

Kap. 4 Rz. 4.145 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nicht fremdvergleichskonformen Risikozuordnung zu versagen. Die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG vermittelt ebendiese nicht (vgl. aber auch Rz. 4.77). Insofern ist es zu begrüßen, dass sich die deutsche Finanzverwaltung uneingeschränkt zur unternehmerischen Dispositionsfreiheit bekennt (Rz. 4.132) und sich die vagen und im Ansatz verfehlten Überlegungen der OECD nicht zu eigen macht.

4.145 BMF-Schreiben vom 30.3.2016. Das BMF hat mit Schreiben vom 30.3.2016 die BFH-Urteile vom 17.12.20141 und vom 24.6.20152 über den entschiedenen Einzelfall hinaus für nicht anwendbar erklärt.3 Mit diesen Urteilen hatte der BFH entschieden, dass einer Gewinkorrektur von Teilwertabschreibungen auf konzerninterne Darlehensforderungen nach § 1 AStG die Sperrwirkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entgegensteht, der sich auf die materielle Angemessenheit und damit eine Preiskorrektur beschränkt, eine Korrektur der weiteren Geschäftsbedingungen hingegen nicht zulässt. Konkret geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Berichtigungsvorschriften eine Berichtigungen der Gewinne auch anderer Bedingungen zulässt. Konkret heißt es hierzu, dass „die Bedingungen eines konkreten Geschäftsvorfalls so gestaltet sein können, dass allein eine Korrektur des Verrechnungspreises weder dazu geeignet ist, noch ausreicht, ein Ergebnis zu erzielen, das dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht“4. Die Auffassung der Finanzverwaltung lässt sich weder mit den OECD-Leitlinien 2010 noch mit den OECD-Leitlinien i.d.F. der Abschlussberichte zum BEPS-Projekt in Einklang bringen. Auch insofern nach dem Risikokontrollkonzept eine Überprüfung der Bedingungen der Geschäftsbeziehungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz in Betracht kommt, ist stets bezogen für die vollständig beschriebene Geschäftsbeziehung der angemessene Verrechnungspreis zu bestimmen.5 Eine „freie“ und zudem noch im Nachhinein vorgenommene Einkünftekorrektur zur Erzielung eines Ergebnisses, das dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, lässt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hingegen nicht zu. Entsprechend der Rechtsprechung des BFH beschränkt sich Art. 9 Abs. 1 OECD-MA – auch unter Berücksichtigung der Empfehlungen in den OECD-Leitlinien – auf preisbezogene Korrekturen. dd) Eingesetzte Produktionsmittel

4.146 Neben den ausgeübten Funktionen und den getragenen Risiken der Konzerneinheiten sind im

Rahmen der Funktionsanalyse die eingesetzten Produktionsmittel zu identifizieren. Dazu gehören die folgenden Wirtschaftsgüter:6 – Sachmittel, wie z.B. Grund und Boden, Gebäude, technische Anlagen und Maschinen, Betriebsund Geschäftsausstattung, – finanzielle Mittel, wie z.B. die Liquiditätsausstattung, Ausleihungen, Wertpapiere, kurzfristige Forderungen, – immaterielle Vermögenswerte, wie z.B. Patente, Know-how, Markenrechte, Urheberrechte, Kundenstamm, Herstellungsverfahren, Stellung und Image des Unternehmens am Markt, – humane Vermögenswerte, wie z.B. Ausbildungsstand, Alter und Struktur des Mitarbeiterstammes, Unternehmenszugehörigkeit, Berufserfahrung. Sieker7 weist zutreffend darauf hin, dass sich eine Funktionsanalyse nicht in der Erfassung der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Mitteln erschöpfen darf. Vielmehr

1 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BFH/NV 2015, 626 = ISR 2015, 121 m. Anm. Ditz/Quilitzsch. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 173; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377; Bärsch/Engelen, DB 2016, 191. 2 Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BFH/NV 2015, 1506. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH/PR 2015, 407; Greinert/Metzner, Der Konzern 2015, 427; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373. 3 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. 4 BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. 5 Vgl. Tz. 1.33, 1.100, 1.121 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 1.54 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 194.

448 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.149 Kap. 4

ist der relative Einfluss dieser Faktoren auf das Ergebnis der einzelnen Geschäftsbeziehungen zu würdigen. Auf dieses Ergebnis können die einzelnen Faktoren also mehr oder minder, ggf. sogar gar keinen Einfluss haben. Gewichtung nach relativem Einfluss. Dieser relative Einfluss der einzelnen Chancen, Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter auf die verbundinternen Transaktionen wird in der Verrechnungspreispraxis – vornehmlich im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation – mittels eines sog. „Star Charts“ oder alternativ mittels einer Funktionsanalysematrix, die auf kardinalen Ausprägungsgraden (0–5 oder 0–10) beruht, analysiert und dargestellt.1 Die VWG-Verfahren nehmen in Tz. 3.4.11.42 explizit auf diese Darstellungsweise Bezug. Allerdings beschränkt sich diese wertende Gegenüberstellung regelmäßig auf überschaubare Verhältnisse, mit zunehmendem Komplexitätsgrad nimmt ihre Eignung hingegen ab.3 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren naturgemäß auf subjektive Einschätzungen zurückgehen muss, die insofern den Mangel fehlender Objektivierbarkeit zwangsläufig in sich tragen.

4.147

ee) Unternehmenscharakterisierung Referenzunternehmen/Referenztransaktion. Die Funktions- und Risikoanalyse ist zwingender Bestandteil der Vergleichbarkeitsanalyse. Sie schafft die Voraussetzung dafür, ein potenzielles Referenzunternehmen bzw. eine geeignete Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten zu ermitteln, bei dem bzw. bei der eine vergleichbare Verteilung von Funktionen und Risiken vorzufinden ist. Die Abrechnungsformen der potenziellen Referenzunternehmen bzw. die identifizierten Referenztransaktionen selbst werden dann zur Ableitung eines fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises für die zu bewertende konzerninterne Leistungsbeziehung herangezogen (Rz. 4.337 ff. und Rz. 4.354 ff.).

4.148

Klassifizierung nach Unternehmenstypen. Darüber hinaus verlangt Tz. 3.4.10.2 der VWG-Verfahren („regelmäßig unverzichtbar“) – anders als die OECD-Leitlinien – bezogen auf die zu prüfende Geschäftsbeziehung die Vornahme einer Unternehmenscharakterisierung, „um zu klären, ob und welches der beteiligten Unternehmen Routinefunktionen ausübt, welches das wesentliche Unternehmensrisiko trägt und welches mehr als nur Routinefunktionen ausübt, ohne die wesentlichen Risiken zu tragen.“4 Hierfür werden die folgenden drei „Unternehmensformen“ unterschieden:

4.149

– Ein Unternehmen, das lediglich Routinefunktionen ausübt, geringe Risiken trägt und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt („Routineunternehmen“).5 Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen und einfache Vertriebsfunktionen benannt. Routineunternehmen erzielen im gewöhnlichen Geschäftsverlauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne. Routineunternehmen i.d.S. sind etwa der Lohnfertiger (Rz. 4.338 ff.)oder der sog. Low-Risk-Distributor (Rz. 4.356 und 4.364). – Ein Unternehmen, das über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter verfügt, die erfolgskritischen Funktionen ausübt und die wesentlichen unternehmerischen Risiken trägt („Entrepreneur“ oder „Strategieträger“).6 Dem 1 Vgl. hierzu Ernst & Young, Verrechnungspreise – Dokumentationsmanagement nach den neuen Mitwirkungspflichten, Teil C Tz. 161; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 173 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 105 ff. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.11.4. 3 Vgl. hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 173. 4 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.

Baumhoff/Liebchen | 449

Kap. 4 Rz. 4.150 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Strategieträger gebührt – ggf. zusammen mit anderen, als Strategieträger qualifizierenden Verbundunternehmen – der Residualgewinn oder -verlust. – Ein Unternehmen, das unter Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken weder als Unternehmen mit Routinefunktionen noch als „Entrepreneur“ anzusehen ist („Mittelunternehmen“ oder „Hybridunternehmen“).1

4.150 Mittelunternehmen als Residualansatz. Die Kategorie des „Mittelunternehmens“ findet ihr Pendant

weder in den OECD-Leitlinien noch in den Verrechnungspreisgrundsätzen anderer Staaten; sie erweist sich als deutsches Spezifikum.2 Als Residualansatz konzipiert, fehlen ihr Abgrenzungskriterien im Hinblick auf das maßgebliche Funktions- und Risikoprofil, das eine Einordnung unter diesen Unternehmenstyp zur Folge hat.3 Dies ist insofern beachtlich, als auch die Betriebswirtschaftslehre einen derartigen Unternehmenstyp – im Gegensatz zum Strategieträger (erfolgskritische Funktionen) und Routinefunktionen (nicht erfolgskritische Funktionen)4 – nicht kennt. Für dessen Ausdifferenzierung lassen sich deshalb keine betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse fruchtbar machen. Die Finanzverwaltung möchte diese Einordnung „anhand der Umstände des jeweiligen Falles“5 vornehmen, was freilich mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden ist.6 Dies ist vor dem Hintergrund der erheblichen praktischen Bedeutung dieser Fälle nicht zu rechtfertigen. Denn auf die meisten verbundenen Unternehmen lässt sich die Schablone „Entrepreneur“ oder „Routineunternehmen“ nicht legen. Bedeutung erlangt die Kategorisierung der deutschen Finanzverwaltung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode auf sog. Mittelunternehmen nicht anwendbar sein soll.7 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.8 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditeziffern funktional (zumindest eingeschränkt) vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“9 bestimmt wird. Dies läuft de facto jedoch auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode hinaus,10 deren Anwendung für Mittelunternehmen gerade ausgeschlossen werden soll. Dieser Widerspruch und damit die Anwendbarkeit der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode auf Mittelunternehmen bleiben letztlich offen. e) Weitere Aspekte der Vergleichbarkeitsprüfung

4.151 Unternehmerische Zielvorstellung und Geschäftsstrategien. Weitere, die Vergleichbarkeit der

Verhältnisse möglicherweise beeinträchtigende Einflussfaktoren sind die konkrete unternehmeri1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 2 Vgl. hierzu und zur (Un-)Vereinbarkeit mit dem vom EU-Verrechnungspreisforum erarbeiteten Konzept der „EU Transfer Pricing Documentation“ (EU TPD) Rasch/Rettinger, BB 2007, 354. 3 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553; Wehnert u.a., IStR 2005, 717; Rasch/Rettinger, BB 2007, 354. 4 Vgl. Klein, IStR 1995, 547. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2. 6 Zu systematisierenden Ansätzen vgl. etwa Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 158; Brem/Tucha, IStR 2006, 500 ff. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 9 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.6 Buchst. b Abs. 4 1. Spiegelstrich. 10 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553; Eigelshoven/Nientimp, DB 2005, 1185 f.; Rasch/Rettinger, BB 2007, 357.

450 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.152 Kap. 4

sche Zielvorstellung, die speziellen betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Geschäftsstrategien der am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmen. Unterstellt man den Entscheidungsträgern unabhängiger Unternehmen langfristig die Absicht der Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung, so kann diese Zielvorstellung in einer kurzfristigen Betrachtung vorübergehend anderen Zielsetzungen weichen. Die Ursachen für das temporäre Abweichen von einer rein gewinnorientierten Unternehmenspolitik können z.B. in Beschäftigungsgradschwankungen oder Maßnahmen der Markterschließung, der Marktsicherung und der Markterweiterung liegen und kurzfristig zu einem vollständigen oder begrenzten Verzicht auf Gewinn oder volle Kostendeckung führen.1 Die VWG 1983 erfassen in Tz. 3.1.2.1. Nr. 6 solche Maßnahmen unter dem Oberbegriff der „besonderen Wettbewerbssituation“, die OECD-Leitlinien sprechen in diesem Zusammenhang von besonderen „Geschäftsstrategien“2. Treten z.B. bei einer Produktionsgesellschaft infolge konjunktureller oder saisonaler Schwankungen zeitweise Überkapazitäten auf, kann diese zur Auslastung der Kapazitäten bzw. Aufrechterhaltung der Beschäftigung gezwungen sein, vorübergehend Bedingungen zu akzeptieren, die lediglich die Einzel- bzw. variablen Kosten decken, um wenigstens einen gewissen Deckungsbeitrag zu erzielen.3 Umgekehrt kann bei Überbeschäftigung durch Nutzung günstiger Marktsituationen zeitweilig ein vergleichsweise höherer Preis gefordert und durchgesetzt werden, um den Deckungsbeitrag zu maximieren. Zum anderen kann die Absicht zur Schaffung oder Erweiterung des Abnehmerkreises die Notwendigkeit mit sich bringen, neben diversen anderen Maßnahmen des Marketing-Mix auch die Preispolitik gezielt einzusetzen. Dieser Aspekt ist insofern von besonderer Relevanz, als die Gewinnung neuer Abnehmer vielfach mit der Errichtung dauerhafter Geschäftsbeziehungen gleichzusetzen ist. In der Erwartung, neu geschaffene Geschäftsbeziehungen auf Dauer gewinnbringend zu nutzen, könnte ein Unternehmen bereit sein, zeitlich begrenzte Preiskonzessionen hinzunehmen. Solche Geschäftsstrategien sind in erster Linie für die Beurteilung von Verrechnungspreisen gegenüber Vertriebsgesellschaften relevant. Insbesondere in der Gründungs- und Anlaufphase, aber auch während der Einführung neuer Produkte und Produktlinien erwirtschaften Vertriebsgesellschaften oft beachtliche Verluste bzw. Mindererlöse. Diese resultieren zum einen aus den Kosten für den Aufbau einer Innen- und Vertriebsorganisation, zum anderen aus temporär günstigen Endabgabepreisen (sog. „Kampfpreisen“).4 Darüber hinaus führen zeitweise überdurchschnittlich hohe Marketingaufwendungen und sonstige Verkaufsförderungsmaßnahmen zu Renditen, die vorübergehend unter denen des Branchendurchschnitts liegen können. Werbe- und Markterschließungsaufwendungen. Für die Beantwortung der Frage, welches Konzernunternehmen die Werbe- und Markterschließungsaufwendungen zu tragen hat, führen die OECD-Leitlinien aus, dass die Markterschließungsstrategie entweder durch den Produzenten selbst oder aber durch den Vertreiber, der getrennt vom Produzenten agiert, umgesetzt und die daraus entstehenden Kosten von beiden getragen werden könnten.5 Ferner ist als weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen, ob die Beziehung zwischen den Vertragspartnern der Geschäftsbeziehung konsistent zu der Allokation der Markterschließungskosten ist. Diese, für die Praxis wenig hilfreiche Feststellung wird allerdings durch den Hinweis präzisiert, dass z.B. bei Fremdgeschäften eine konzernunabhängige Gesellschaft, die lediglich als „Sales Agent“ mit keinem oder nur geringem Vermarktungsrisiko handle, üblicherweise nicht die Kosten einer Markteroberungsstrategie zu tragen habe.6 Preisrelevant sei darüber hinaus, ob eine Konzerngesellschaft Markterschließungsmaßnahmen auf ihr eigenes Risiko hin entfalte und den Wert eines Produkts durch eine Marke oder einen Firmennamen steigere oder den Firmenwert in Verbindung mit dem Produkt steigere. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

in diesem Zusammenhang auch Gundel in FS Flick, 791 ff. Tz. 1.115 OECD-Leitlinien 2017. hierzu im Einzelnen Baumhoff, IStR 1996, 55 sowie Tz. 2.57 OECD-Leitlinien 2017. hierzu auch Baumhoff, IStR 1993, 520 ff. Tz. 1.117 OECD-Leitlinien 2017. Tz. 1.117 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 451

4.152

Kap. 4 Rz. 4.153 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Damit stellt auch die OECD hinsichtlich der Frage der Aufteilung von Markterschließungskosten letztlich darauf ab, welche Funktionen, welches Risiko und welches Interesse die an der Umsetzung der Markterschließungsmaßnahmen beteiligten Konzerngesellschaften übernommen haben und welche Konzerngesellschaft hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt (sog. „benefit test“). Diese Auffassung deckt sich im Wesentlichen mit der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, die feststellt, dass für die Frage der steuerlichen Einkunftsabgrenzung insbesondere auf die Funktionen der beteiligten verbundenen Unternehmen abzustellen ist. Erhöht sich durch Werbemaßnahmen der Vertriebsgesellschaft nicht nur der Absatz der Vertriebsgesellschaft selbst, sondern auch das Absatzvolumen der inländischen Produktionsgesellschaft, erfolgen die Werbemaßnahmen der ausländischen Vertriebsgesellschaft somit nicht nur in deren Interesse, sondern auch zum Vorteil der inländischen Konzerneinheit. Infolgedessen sind die Werbekosten der ausländischen Vertriebsgesellschaft auch durch die inländische Produktionsgesellschaft betrieblich veranlasst1 und somit anteilig dieser zuzuordnen. Vor diesem Hintergrund sieht Tz. 3.3.2. VWG 1983 zutreffend vor, die Kosten der Werbung „angemessen aufzuteilen“.2 Demgegenüber sind Kosten der Markterschließung, die (erhöhten) Kosten für die Einführung neuer Produkte (z.B. aufgrund einer aggressiven Niedrigpreispolitik oder einer besonderen Werbekampagne) betreffen,3 nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nur insoweit vom Vertriebsunternehmen zu tragen, als ihm aus der Geschäftsbeziehung „ein angemessener Betriebsgewinn“ verbleibt.4 Infolgedessen sind die Kosten – zumindest anteilig – durch das Produktionsunternehmen zu tragen.5 Lediglich bei Routine-Vertriebsunternehmen vertritt die OECD die Auffassung, dass Markterschließungskosten durch die Produktionsgesellschaft zu tragen sind.6

4.153 Verlustsituationen bei Markterschließungsmaßnahmen. Sowohl die Finanzverwaltung als auch

die OECD-Leitlinien teilen damit die Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 17.2.1993 (sog. „Aquavit-Urteil“)7, wonach ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer eines Vertriebsunternehmens nur dann ein neues Produkt am Markt einführen und vertreiben werde, wenn er daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten könne. Allerdings soll nach den Urteilen des BFH vom 17.2.19938 und 17.10.20019 eine mögliche Verlustphase der Vertriebsgesellschaft – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – bei neu eingeführten Produkten drei Jahre nicht überschreiten, „erst recht“ nicht beim Weitervertrieb von

1 Vgl. § 4 Abs. 4 EStG. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.3.2. 3 Von den Kosten der Markterschließung zu unterscheiden sind nach BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.4.3 die Kosten und Erlösminderungen, die dadurch entstehen, dass ein Vertriebsunternehmen durch Kampfpreise oder ähnliche Mittel seinen Marktanteil wesentlich erhöhen oder verteidigen will. Diese Kosten seien grundsätzlich vom Hersteller zu tragen. Diese Auffassung ist insofern kritisch zu sehen, als sie sich von der allgemeinen Regel einer veranlassungsorientierten Kostenzuordnung löst und statt dessen eine pauschale Allokation der Kosten zum Produktionsunternehmen vorsieht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Kampfpreispolitik sowohl im Interesse der Produktions- als auch im Interesse der Vertriebsgesellschaft erfolgt und damit eine Kostenaufteilung vorzunehmen ist (so auch Tz. 1.59 ff. OECD-Leitlinien 2017). 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.4.1. 5 Ähnlich Tz. 1.117 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Borstell/Hülster in V/B/E4, M Rz. 353. 7 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; dazu kritisch Becker, IWB, Fach 3 Gruppe 1, 1339; Sieker, BB 1993, 2424; Baumhoff, IStR 1993, 520. 8 BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 9 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.

452 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.155 Kap. 4

bereits vorher auf dem Markt eingeführten Produkten. Die in der Literatur1 kritisierte starre Dreijahresfrist ist allerdings als widerlegbare Vermutung zu verstehen, so dass es dem Steuerpflichtigen freisteht darzulegen, dass die Verlustursachen nicht in unangemessenen Verrechnungspreisen, sondern vielmehr in sonstigen betrieblichen Gründen (z.B. Fehlmaßnahmen, nicht vorhersehbaren Ereignissen) zu suchen sind und rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen wurden. Insofern ist hier eine Analyse der Verlustursachen erforderlich. Dies gilt auch und insbesondere beim Ausweis von Dauerverlusten. Die Anerkennung von Anlaufverlusten wird zudem von der Erzielung eines „angemessenen“ Totalgewinns innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraums abhängig gemacht. Das heißt, die nach der Anlaufphase entstehenden Gewinne müssen die Anlaufverluste mehr als kompensieren. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschließlich Zinseszins und Risikozuschlags) entsprechen. Dementsprechend ist für den Fall, dass beim Vertreiber die Kosten einschließlich Markterschließungskosten die Erlöse übersteigen, davon auszugehen, dass der Produzent bzw. der Lieferant durch reduzierte Lieferverrechnungspreise oder Zuschüsse (Markterschließungsbzw. Werbekostenzuschüsse) die Verlustsituation beseitigt bzw. überkompensiert. Außerdem und unabhängig davon hat nach Auffassung des BFH die Vertriebsgesellschaft die Markterschließungskosten dann nicht zu übernehmen, wenn die Kosten branchenüblich vom Hersteller oder Lieferanten getragen werden.2 Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Markterschließungsmaßnahmen im alleinigen oder ganz überwiegend im betrieblichen Interesse des Produzenten liegen bzw. ein Markeninhaber ein Interesse am Aufbau seiner Marke in einem bestimmten Markt hat. Verlustfreistellung nur bei Routineunternehmen. Diese Rspr. ist jedoch nur vor dem Hintergrund der klassischen Verrechnungspreislehre zu verstehen und zutreffend. Sie ist nur sachgerecht für den Fall, dass der Vertreiber nicht als „Entrepreneur“ fungiert, d.h. allenfalls als „Mittelunternehmen“ oder gar nur als „Routineunternehmen“, also Kommissionär oder einfacher Low-Risk-Distributor.3 Agiert das Vertriebsunternehmen hingegen als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, gebührt ihm – ggf. zusammen mit anderen, als Strategieträger qualifizierenden Verbundunternehmen – der Residualgewinn oder -verlust, der nach Abgeltung der Funktionsvergütung für das Produktionsunternehmen verbleibt.4 Nach den Grundsätzen der zitierten Rspr. muss in diesem Fall die Verlustfreistellung und die Forderung nach einer Überkompensation auf das Produktionsunternehmen „durchschlagen“. Wird dieses als Unternehmen mit Routinefunktionen (z.B. Lohnfertiger oder Auftragsfertiger) qualifiziert, weist es bei gewöhnlichem Geschäftsverlauf in Ansehung seiner reduzierten Chancen und Risiken regelmäßig moderate bzw. geringe, aber relativ stabile Gewinne aus. Wird dieser Forderung mittels eines kostenorientierten (Dienstleistungs-)Entgelts Rechnung getragen, scheidet die Zuordnung von Markterschließungs- und Werbekosten schon aus diesem Grund aus.

4.154

IV. Arten des Fremdvergleichs 1. Überblick Unterschiedliche methodische Ansätze. Die Beantwortung der Frage, ob im zu beurteilenden Einzelfall von einer tatsächlichen oder fiktiven Unabhängigkeit der Geschäftspartner und von einer direkten oder indirekten bzw. uneingeschränkten oder eingeschränkten Vergleichbarkeit der Verhältnisse ausgegangen werden muss, bestimmt die Wahl des Verfahrens zur Ermittlung geeigneter 1 Vgl. Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 294; Eigelshoven/ Retzer in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 285 ff.; Borstell/ Hülster in V/B/E4, M Rz. 365 ff. 2 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 3 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35 ff., Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 2011, 145. 4 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b.

Baumhoff/Liebchen | 453

4.155

Kap. 4 Rz. 4.156 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Vergleichstatbestände. Für die sachgerechte Bemessung oder Beurteilung von Verrechnungspreisen ist daher zwischen zwei unterschiedlichen methodischen Ansätzen zu differenzieren, nämlich dem tatsächlichen und dem hypothetischen Fremdvergleich.

4.156 Tatsächlicher Fremdvergleich. Voraussetzung für den tatsächlichen Fremdvergleich (Fremdver-

gleich i.e.S.), bei dem es sich um einen „Ist-Ist“-Vergleich unter Verwendung tatsächlich feststellbarer Marktdaten handelt, ist sowohl eine tatsächliche Unabhängigkeit der Geschäftspartner als auch eine (direkte oder indirekte) Vergleichbarkeit der Verhältnisse.

4.157 Hypothetischer Fremdvergleich. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist die Durchführung eines Fremdvergleichs dennoch nicht ausgeschlossen. In einem solchen Fall lässt sich auf den hypothetischen Fremdvergleich (Fremdvergleich i.w.S.) ausweichen, wobei es sich um einen „Ist-Soll“-Vergleich auf der Basis betriebsinterner Werte über Kosten und Leistungen handelt.1 2. Tatsächlicher Fremdvergleich

4.158 „Klassischer“ Fall des Fremdvergleichs. Der tatsächliche Fremdvergleich,2 der allgemein als der

„klassische“ Fall des Fremdvergleichs betrachtet wird, ist nach Ansicht der OECD „die direkteste und verlässlichste Methode für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“3 und daher idealerweise für die Beurteilung sämtlicher konzerninterner Liefer- und Leistungsentgelte geeignet. Zur Ermittlung eines quantitativen Vergleichsmaßstabes orientiert sich der tatsächliche Fremdvergleich an tatsächlich feststellbaren Vereinbarungen, die zwischen gesellschaftsrechtlich nicht verbundenen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen zur maßgeblichen Zeit getroffen worden sind.

4.159 Identität der Vergleichbarkeitsfaktoren als Idealfall. Im Idealfall besteht der einzige Unterschied zwischen Ausgangstatbestand und Vergleichstatbestand im Merkmal gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Geschäftspartner, während alle übrigen, den Leistungstransfer beeinflussenden Faktoren, absolut identisch sind. Grundsätzlich sollte die Ermittlung des Vergleichstatbestandes zeitgleich mit dem festgestellten Ausgangstatbestand erfolgen.4 Außerdem ist bei einem tatsächlichen Fremdvergleich zu beachten, dass die verwendbaren Vergleichstatbestände repräsentativ sein müssen und daher nur dann zu Vergleichszwecken herangezogen werden dürfen, wenn sie über ein bestimmtes „Mindestvolumen“ verfügen.5 Der tatsächliche Fremdvergleich lässt sich in der Form eines innerbetrieblichen oder eines zwischenbetrieblichen Vergleichs durchführen.

4.160 Innerbetrieblicher Fremdvergleich. Ein innerbetrieblicher Vergleich6 ist immer dann möglich,

wenn ein bestimmtes Konzernunternehmen die gleiche Lieferung bzw. Leistung sowohl mit verbundenen als auch mit unverbundenen Geschäftspartnern austauscht. Als Vergleichstatbestand dient dabei das unbeeinflusste Geschäft eines Mitglieds des Unternehmensverbundes mit einem gesellschaftsrechtlich unabhängigen Leistungserbringer bzw. -empfänger. Sind die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich gegeben, weil das betrachtete verbundene Unternehmen die gleiche Leistung unter vergleichbaren Bedingungen sowohl für ein verbundenes als auch für ein 1 Vgl. Scheffler, Die Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG durch Schätzung, 85. 2 In diesem Zusammenhang wird auch von einem „konkreten Fremdvergleich“ gesprochen, vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 636; Borstell in V/B/E4, C Rz. 5. 3 Tz. 2.15 OECD-Leitlinien 2017. 4 Zu den zeitlichen Aspekten der Vergleichbarkeitsanaylse siehe Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.99 ff. 5 Vgl. BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270, Tz. zu 3 (aufgeh. durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 – O 1000/09/10095, BStBl. I 2010, 391 für ab dem 1.1.2009 verwirklichte Tatbestände); BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 6 Im Schrifttum wird auch von einem „betriebsinternen Fremdvergleich“ gesprochen, vgl. Kuckhoff/ Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 24.

454 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.163 Kap. 4

nicht verbundenes Unternehmen erbringt, bzw. sowohl von einem verbundenen als auch von einem nicht verbundenen Unternehmen erhält, so stellt diese Art des tatsächlichen Fremdvergleichs die theoretisch exaktere und in der Durchführung zweckmäßigste Verfahrensweise dar. Die besondere Eignung des innerbetrieblichen Vergleichs ergibt sich dabei aus der Einbeziehung des verbundenen Unternehmens in den Vergleichstatbestand. Dies ist insofern vorteilhaft, als sowohl die Möglichkeit einer Beachtung der Konzernzugehörigkeit durch Berücksichtigung innerbetrieblicher Einflussfaktoren als auch die einer relativ problemlosen Ermittlung der relevanten Vergleichsdaten aus den Unterlagen des betreffenden Konzernunternehmens besteht. Zwischenbetrieblicher Fremdvergleich. Liegen die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich nicht vor, so ist zu prüfen, ob ein tatsächlicher Fremdvergleich in Form eines zwischenbetrieblichen Vergleichs1 möglich ist. Als Vergleichstatbestände dienen dabei Vereinbarungen, die zwischen zwei unabhängigen Geschäftspartnern, wovon keiner dem betrachteten Unternehmensverbund angehört, für vergleichbare Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen festgelegt wurden. Der Unterschied zum innerbetrieblichen Vergleich liegt somit darin, dass der Ursprung der zugrunde zu legenden Vereinbarungen außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmensverbundes liegt.

4.161

Vergleichstatbestände, die durch einen zwischenbetrieblichen Vergleich ermittelt werden, unterliegen insofern am wenigsten der Vermutung der Unangemessenheit, als sie durch das Zusammenwirken der Marktkräfte zustande gekommen sind, daher frei von innerbetrieblichen Einflüssen sind und somit als besonders objektiv angesehen werden müssen. Grenzen des tatsächlichen Fremdvergleichs. Allerdings sind sowohl dem innerbetrieblichen wie dem zwischenbetrieblichen Vergleich in der praktischen Durchführung sehr enge Grenzen gesetzt. Das Hauptproblem besteht darin, geeignete „unabhängige“ Vergleichsobjekte zu finden, deren Abweichungen zum Ausgangstatbestand so gering sind, dass eine Vergleichbarkeit der Vergleichsobjekte gewährleistet ist. Dies ist jedoch in einer Vielzahl von Fällen nicht möglich, da einerseits nicht alle die Vergleichbarkeit bestimmenden Einflussfaktoren übereinstimmen und andererseits vergleichbare Transaktionen entweder nur in dem betrachteten oder nur innerhalb anderer Konzerne aber nicht zwischen fremden Dritten ausgetauscht werden. Im ersten Fall scheitert somit ein tatsächlicher Fremdvergleich aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit der Verhältnisse, im zweiten Fall aufgrund fehlender gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Geschäftspartner.

4.162

Bedeutung von Datenbankanalysen. Die dargestellten Probleme des tatsächlichen Fremdvergleichs zeigen sich insbesondere im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung über eine Datenbankanalyse. Bei dieser werden verrechnungspreisdeterminierende Faktoren (z.B. Gewinnmargen, Renditekennziffern, Profitabilitätskennziffern etc.) aus einer Datenbank abgeleitet, die wirtschaftliche Kennziffern von privaten und börsennotierten Unternehmen enthält.2 Zu Problemen führt in diesem Zusammenhang vor allem die Sicherstellung einer hinreichenden Vergleichbarkeit zwischen dem zu beurteilenden Konzernunternehmen und dem unabhängigen Vergleichsunternehmen. So kann es sich als außerordentlich schwierig erweisen, eine angemessene Anzahl von Vergleichsunternehmen zu identifizieren. Nur wenn sichergestellt ist, dass die mittels der Datenbank identifizierten Vergleichsunternehmen hinsichtlich ihrer ausgeübten Funktionen und ihrer getragenen Risiken sowie der diesen Funktionen und Risiken immanenten Geschäftsbeziehungen mit dem zu beurteilenden Konzernunternehmen vergleichbar sind, kann eine solche Ermittlung der Verrechnungspreise überzeugen. Angesichts der Probleme bei der Identifikation geeigneter Vergleichs-

4.163

1 Mithin auch als „betriebsexterner Fremdvergleich“ bezeichnet, vgl. Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 24. 2 Siehe zu den hauptsächlich in Deutschland zum Einsatz kommenden Datenbanken und deren Merkmalen ausführlich Vögele/Crüger in V/B/E4, H Rz. 19 ff. Zur Eignung von Datenbanken für die Verrechnungspreisanalyse vgl. auch Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff.; Oestreicher, StuW 2006, 243 ff.; Oestreicher, IStR 2005, 134 ff.; Oestreicher/Vormoor, IStR 2004, 95 ff.; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34 ff.; Wahl/Preisser, IStR 2008, 51 ff.

Baumhoff/Liebchen | 455

Kap. 4 Rz. 4.164 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen unternehmen und Vergleichstransaktionen hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.1 Dazu gehören insbesondere neben den von den Konzerneinheiten ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel. Der BFH hat grundsätzlich keine Bedenken gegen die Verwendung solcher mittels Datenbanken ermittelter Vergleichsdaten („comparables“).2 Dies gilt unabhängig davon, ob die Daten allgemein zugänglich sind oder nicht. Vor diesem Hintergrund darf sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtige Datenbanken aufbauen und verwenden, selbst wenn die entsprechenden Daten nicht allgemein zugänglich sind. Der Beweiswert der aus anonymisierten Datenbanken ermittelten Vergleichsdaten ist allerdings nach Ansicht des BFH davon abhängig, ob die verwendete Datenbank Mindestanforderungen an die Qualität der Datenerfassung genügt.3 Ferner knüpft die Finanzverwaltung an einen datenbankgestützten Fremdvergleich erhebliche Anforderungen.4 Ferner wurden die Aufzeichnungspflichten bei der Verwendung von Datenbank- und Benchmarkanalysen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen, erheblich verschärft.5 Ein weiteres Problem bei der Verwendung von Datenbankanalysen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der Referenztransaktionen resultiert aus der Realität gesamtwirtschaftlicher oder branchenspezifischer Instabilität, die den Beweiswert der Informationen aus Datenbanken erheblich beeinträchtigt. Üblicherweise wird einer Datenbankanalyse ein Beobachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren zugrunde gelegt. Sind die in diesem Zeitraum vorherrschenden Markt- und Wettbewerbsverhältnisse nicht mit denen vergleichbar, die der zu bepreisenden verbundinternen Transaktion zugrunde liegen (z.B. in Zeiten der Finanzmarktkrise und der ihr nachfolgenden Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009), sind die gewonnen Daten nicht verwend- bzw. verwertbar. Dies deshalb, weil die ermittelten Vergleichsdaten nicht auf vergleichbare Verhältnisse zurückgehen.6 Insofern bedarf es der Identifikation von Vergleichsdaten, die ebendiese Vergleichbarkeit aufweisen. Hier dürfte allerdings die Datenbasis (noch) als unzureichend zu bezeichnen sein. Dieser Umstand wird die Datenbankanalyse zukünftig vor die Herausforderung stellen, auch die Volatilität der ermittelten Vergleichsdaten zu dokumentieren.7 Dies wird zwangsläufig die Ausdehnung des Beobachtungszeitraums erfordern, um Rezessions- wie Wachstumsphasen in dem Datensatz zu berücksichtigen.8 3. Hypothetischer Fremdvergleich a) Ordentlicher Geschäftsleiter als Kriterium des hypothetischen Fremdvergleichs

4.164 Simulation eines Preisbildungsprozesses. Unumstritten ist, dass einem tatsächlichen Fremdver-

gleich grundsätzlich Vorrang vor anderen Vergleichsverfahren einzuräumen ist.9 Ein tatsächlicher 1 Vgl. Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1939; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 136. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Allerdings ist diese Forderung des BFH weitestgehend unbestimmt; vgl. hierzu Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 217. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.4; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 214 ff.; Kolb, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2391 ff. 5 Vgl. § 4 Abs. 3 GAufzV. 6 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Krawitz, 38; siehe ferner Engler, IStR 2009, 685 ff. 7 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 38. 8 Vgl. Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160. 9 Vgl. Tz. 2.15 OECD-Leitlinien 2017; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.308; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 313; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECDMA Rz. 60; differenzierend Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 190 ff. Dagegen macht nach Auffassung des BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, die nachhaltige Erwirtschaftung von Verlusten bei einer inländischen Tochter-Vertriebsgesellschaft die Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs „obsolet“.

456 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.167 Kap. 4

Fremdvergleich erweist sich allerdings immer dann als nicht durchführbar, wenn es an einer effektiven Vergleichsmöglichkeit zwischen unabhängigen Vergleichspartnern fehlt. In diesem Fall besteht die Möglichkeit und Notwendigkeit, auf Hilfs- und Simulationsverfahren zurückzugreifen. Dabei handelt es sich um einen hypothetischen Fremdvergleich, der, basierend auf der Fiktion gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit der Vertragspartner, eine Simulation des Preisbildungsprozesses1 vornimmt. Konkrete Vergleichbarkeit der Verhältnisse. Die Ermittlung fiktiver Vergleichstatbestände durch Simulation des Preisbildungsprozesses muss auf der Grundlage der Daten des realen Ausgangstatbestandes erfolgen, wobei durch die Unabhängigkeitsfiktion lediglich solche Einflüsse auf die Preisfestlegung zu eliminieren sind, die auf die Verflechtung der Unternehmen zurückzuführen sind. Dies hat für die praktische Ausgestaltung des hypothetischen Fremdvergleichs zur Folge, dass das Ergebnis der Preissimulation entscheidend geprägt sein muss von den konkreten Marktverhältnissen, den Handelsgebräuchen und Marktgepflogenheiten, der Unternehmensstruktur, der Funktion und den Risiken des Einzelunternehmens innerhalb des Gesamtverbundes sowie der Kostensituation der jeweiligen Vertragspartner.2 Die deutsche Finanzverwaltung spricht in diesem Zusammenhang von der Berücksichtigung „tatsächlichen Fremdverhaltens“ im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs.3

4.165

Objektivierender Bezugspunkt. Erweist sich ein hypothetischer Fremdvergleich als notwendig, so bedarf es zu dessen Durchführung eines objektiven Bezugspunktes. Die ständige Rspr. des BFH4 zur vGA und verdeckten Einlage hat hierfür auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. eines ordentlichen Kaufmanns (im Folgenden kurz: ordentlicher Geschäftsleiter) verwiesen, um beurteilen zu können, ob ein Verrechnungspreis als sachgerecht anzusehen ist, also mit dem Preis übereinstimmt, den unabhängige Dritte in einer vergleichbaren Situation vereinbart hätten (vgl. auch Rz. 4.31 und 4.50).

4.166

Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters einer unabhängigen Gesellschaft ist als der Maßstab des hypothetischen Fremdvergleichs anzusehen und daher immer dann anwendbar, wenn ein objektiver Wert i.S. eines Marktpreises als Vergleichsmaßstab nicht zur Verfügung steht. Ursprung des Sorgfaltsmaßstabs. Bei diesem Sorgfaltsmaßstab handelt es sich um ein Kriterium des deutschen Handelsrechts, das die BFH-Rspr. in das Steuerrecht übernommen hat und das in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG nunmehr seine gesetzliche Grundlage hat. Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, „dass die voneinander unabhängigen Dritten […] nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Es dient den VWG 19835, den VWG-Umlageverträge 19996 und den VWG-Arbeitnehmerentsendung7, den VWG-Verfahren8, den VWG-Funktionsverlagerung9 und den VWG-BsGa10 als zentrales Angemessenheitskriterium. 1 Vgl. dazu auch Kleineidam in Schaumburg, Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 105 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.1.4. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 65. 4 Vgl. erstmals BFH v. 16.3.1967 – I 261/63, BStBl. III 1967, 626. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.1, 2.1.8, 2.1.9, 2.3.2, 2.4.1 u. 6.4. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.1. 7 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769, Tz. 3.1, 3.1.1 u. 3.1.2. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.1. 9 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 30, 96 und 193. 10 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182, Rz. 140 f., 219, 225 f., 237, 241, 260 und 276.

Baumhoff/Liebchen | 457

4.167

Kap. 4 Rz. 4.168 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Wassermeyer betont, dass es sich bei dem Maßstab des ordentlichen Geschäftsführers um eine „Erfindung Döllerers“ handele, der den Maßstab aus den §§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, 43 Abs. 1 GmbHG abgeleitet habe, obwohl beide Vorschriften mit einer vGA im steuerlichen Sinne nichts zu tun hätten. Genau genommen sei dieser Maßstab ohne jede Rechtsgrundlage.1 Dennoch erwächst die besondere Relevanz dieser Rechtsfigur als Objektivitätskriterium des deutschen Steuerrechts aus ihrer zentralen Stellung innerhalb der beiden dominanten Abgrenzungsregelungen, der vGA und der verdeckten Einlage, und nunmehr auch in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG.

4.168 Parallelen in ausländischen Rechtskreisen. Bei der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters

handelt es sich keineswegs um eine deutsche Besonderheit. Vielmehr ist sie auch in anderen ausländischen Rechtskreisen bekannt, wie etwa die „Theorie der ordnungsgemäßen Geschäftsleitungsmaßnahme“ in Frankreich zur Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes zeigt.2

Geht man davon aus, dass man mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters nicht über einen punktmäßig vorgegebenen Maßstab verfügt, sondern dass dem Geschäftsleiter unter Berücksichtigung seiner unternehmerischen Zielfunktion ein gewisser Spielraum kaufmännischen Ermessens eingeräumt werden muss, der sich im Einzelfall aus Art, Funktion, Marktsituation und Größe der betreffenden Unternehmen ergibt,3 so muss man konzedieren, dass dieser Maßstab für viele Situationen der internationalen Einkünfteabgrenzung ein geeignetes Abgrenzungskriterium darstellt. Auch die OECD-Leitlinien haben die besondere Eignung des Maßstabs erkannt, indem sie in Kap. V zur Nachweisführung bei Verrechnungspreisprüfungen von „den Grundsätzen einer gewissenhaften Geschäftsleitung“ bzw. „des gewissenhaften Geschäftsleiters“ sprechen.4 Die OECDLeitlinien beziehen sich ferner im Zusammenhang mit Restrukturierungen und dem Ausnahmecharakter von Umdeutungen der konkreten Verbunddisposition auf die „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ („commercially rational manner“) der Verbundorganisation (Rz. 4.128 f.).5 Im Hinblick auf die Anerkennung der vollständig umschriebenen Geschäftsbeziehungen nehmen die OECD-Leitlinien ebenso auf die „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ („commercially rational manner“) bzw. auf „kaufmännisch vernünftig“ („commercially rational“) Bezug (Rz. 4.130).6 Inhaltlich sollte diese Abgrenzung dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Geschäftsleiters entsprechen.

4.169 Notwendigkeit der inhaltlichen Konkretisierung. Eine „Internationalisierung“ der Rechtsfigur

des ordentlichen Geschäftsleiters wird allgemein begrüßt und als „Retter“ des Arm’s-Length-Tests in solchen konzernspezifischen Situationen angesehen, „bei denen mangels vergleichbarer unbeeinflusster Transaktionen nur noch ein hypothetischer Fremdvergleich möglich ist.“7 Die erweiterte Verwendungsmöglichkeit des ordentlichen Geschäftsleiters zur Konkretisierung des Fremdvergleichs resultiert aus der Flexibilität seines Angemessenheitskriteriums, welches allerdings für die praktische Anwendung einer zusätzlichen Präzisierung bedarf. Hierbei ergibt sich das zentrale Problem der Entwicklung sachgerechter Kriterien zur Bestimmung der Interventionspunkte bzw. Toleranzgrenzen von Entscheidungsspielräumen, innerhalb derer die Entscheidungen als – aus steuerlicher Sicht – akzeptabel anzusehen sind.

4.170 Entscheidungen über absatz- und beschaffungswirtschaftliche Preisgrenzen. Geht man von der Überlegung aus, dass es grundsätzlich dem rationalen Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters

1 Vgl. Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 126; Wassermeyer, DB 1994, 1107. Siehe hierzu auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 300 ff.; Borstell in V/B/E4, C Rz. 66 ff. 2 Vgl. Sinz, IStR 2002, 195 und ferner Becker in FS Döllerer, 19 ff.; Becker, IWB Fach 3 Gruppe 1, 1631 ff. 3 Vgl. BFH v. 10.1.1973 – I R 119/70, BStBl. II 1973, 322; v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492 sowie BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.8. 4 Vgl. Tz. 5.4, 5.6, 5.11 u. 8.41 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Tz. 9.36 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 1.123 OECD-Leitlinien 2017; ebenso Tz. 1.099, 1.103 und 1.122 OECD-Leitlinien 2017. 7 Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 60; jedoch kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 f.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.173 Kap. 4

widerspricht, Entgelte zu akzeptieren, die entweder zu einem völlig oder teilweise unentgeltlichen Liefer- oder Leistungstransfer führen oder über den Aufwand hinausgehen, der entstünde, wenn bestimmte Leistungen durch den eigenen Betrieb oder fremde Dritte erbracht werden würden,1 so erhält das Problem der Begrenzung von Entscheidungsspielräumen eher eine ökonomische als eine rechtliche Dimension. Dieser Umstand macht die einem betriebswirtschaftlichen Kalkül unterziehbare Entscheidungssituation deutlich, die durch Entscheidungen über absatz- und beschaffungswirtschaftliche Preisgrenzen gekennzeichnet ist. Diese Preisgrenzen determinieren das Ausmaß von Ermessensspielräumen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Überlegung mit der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG (i.R. des UntStRefG 2008) konsequent mit der Einigungsbereichsbetrachtung in Satz 6 umgesetzt, wobei er vom „Mindestpreis des Leistenden“ und vom „Höchstpreis des Leistungsempfängers“ spricht. Ausrichtung an Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der ordentliche Geschäftsleiter als Träger betriebswirtschaftlicher Entscheidungen anzusehen, der das erwerbswirtschaftliche Prinzip in Form der „Gewinnmaximierung“ als oberste Maxime seines unternehmerischen Handelns zu respektieren hat. So verlangen die VWG 1983 von der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters die strikte Beachtung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips.2 Im Übrigen ist auch nach Auffassung der Rspr. das Verhalten des ordentlichen Geschäftsleiters an der betriebswirtschaftlichen Zielsetzung der Gewinnerzielung bzw. Gewinnmaximierung auszurichten.3

4.171

Indizwirkung konträrer Zielsysteme. Betrachtet man die Eliminierung der Einflussnahme des Gesellschafters bzw. einer ihm nahestehenden Person auf die unternehmerischen Zielsetzungen der Kapitalgesellschaft als die Hauptabsicht des Fremdvergleichs, so lassen andere, dem Gewinnstreben entgegengesetzte Zielsysteme grundsätzlich eine nicht erwünschte gesellschaftsrechtlich bedingte Einflussnahme vermuten, die bei der Ermittlung hypothetischer Vergleichstatbestände nicht berücksichtigt werden darf.4 Lediglich in begründeten Ausnahmefällen sind andere, vom Gewinnstreben abweichende Zielsetzungen bei der Konstruktion hypothetischer Lösungsansätze möglich.

4.172

Temporär vom Gewinnstreben abweichende Zielsetzung. Wenngleich das Gewinnstreben als oberste, langfristige und während der gesamten Lebensdauer eines Unternehmens gültige Maxime zu betrachten ist, so kann dennoch ein vorübergehendes Abweichen hiervon zugunsten einer anderen Zielsetzung im Rahmen einer kurzfristigen Betrachtung betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll sein. Dies gilt bspw. bei der Neueinführung von Produkten oder der Markterschließung bzw. der Marktverteidigung/-sicherung, wo entsprechende Maßnahmen häufig zu erhöhten Kosten bzw. zu Mindererlösen führen. Dabei bestimmt sich die Dauer solcher Maßnahmen ausschließlich nach Vorteilhaftigkeitserwägungen eines rational handelnden Entscheidungsträgers in Gestalt des ordentlichen Geschäftsleiters, der diese nur dann realisiert, wenn er aufgrund unternehmerischer Planungsergebnisse davon ausgehen kann, dass sich die Kosten bzw. Mindererlöse solcher Maßnahmen im Planungszeitraum durch daraus entstehende zusätzliche Erlöse mindestens kompensieren.

4.173

In diesem Zusammenhang geht die Rspr. davon aus, dass eine Verlustphase – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – sowohl bei neu eingeführten als auch bei bereits auf dem Markt etablierten Produkten drei Jahre nicht überschreiten sollte.5 Die Dreijahresfrist ist allerdings als widerlegbare Vermutung zu verstehen (Rz. 4.153), so dass es dem Steuerpflichtigen freisteht, darzulegen, dass die Verlustursachen nicht in unangemessenen Verrechnungspreisen, sondern vielmehr in sonstigen betrieblichen Gründen (z.B. Fehlmaßnahmen, nicht vorhersehbaren Ereignissen) 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.4.1. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.8 u. 6.4.1. 3 Vgl. BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 28.6.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 854; v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 15.5.2002 – I R 92/00, BFH/NV 2002, 1538; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 4 Vgl. etwa BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.

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Kap. 4 Rz. 4.174 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen zu suchen sind und rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen wurden.1 Die Anerkennung von Anlaufverlusten wird zudem von der Erzielung eines „angemessenen Totalgewinns“ innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraumes abhängig gemacht. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschl. Zinseszins und Risikozuschlag) entsprechen.2

4.174 „Make-or-buy“-Kalkül. Bei beschaffungswirtschaftlichen Entscheidungsprozessen sieht sich ein or-

dentlicher Geschäftsleiter als Entscheidungsträger grundsätzlich den Handlungsalternativen Eigenfertigung oder Fremdbezug gegenüber.3 Im Rahmen absatzwirtschaftlicher Entscheidungen ist die Wahl zwischen alternativen Abnehmern erforderlich. Die Anzahl der Handlungsalternativen orientiert sich dabei an der Menge potenzieller Leistungserbringer bzw. -empfänger. Ein ordentlicher Geschäftsleiter wird aus den zum Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Handlungsalternativen diejenige auswählen, die nach seiner Einschätzung für das von ihm vertretene Unternehmen langfristig den größten Nutzen bringt. Abzustellen ist damit auf die Vorteilhaftigkeitserwägungen eines autonomen Entscheidungsträgers. Da für die Bestimmung von Ermessensspielräumen, innerhalb derer die Entscheidungen eines Geschäftsleiters als akzeptabel anzusehen sind, operationale und allgemein verbindliche Normen fehlen, muss auf die Grundregeln ordnungsmäßiger Unternehmensführung als Verhaltensmaßstab zurückgegriffen werden. Mithin sind die Entscheidungen eines ordentlichen Geschäftsleiters steuerlich anzuerkennen, solange er sich im Rahmen des ihm einzuräumenden Ermessensspielraumes bewegt und dadurch seiner Sorgfaltspflicht genügt. Dies gilt auch dann, wenn sich in zwei vergleichbaren Fällen ein ordentlicher Geschäftsleiter anders entscheidet als ein anderer.4 Ein ordentlicher Geschäftsleiter hat sein Entscheidungsverhalten ausschließlich am Ziel des von ihm geleiteten Unternehmens zu orientieren. Das hat zur Folge, dass er auch dann keine nachteiligen Geschäfte für „sein“ Unternehmen abschließen darf, wenn seine Handlungsweise für andere verbundene Unternehmen möglicherweise vorteilhaft sein sollte.5 b) „Doppelter“ ordentlicher Geschäftsleiter

4.175 Einbeziehung des Vertragspartners. Will man das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters im

Interesse eines einheitlichen Fremdvergleichs im deutschen Internationalen Steuerrecht sachgerecht anwenden, so kommt man nicht umhin, auch den Vertragspartner in das Kriterium miteinzubeziehen.6 Der BFH hat diese Notwendigkeit erkannt und unter Änderung seiner ständigen Rspr. zur vGA im Urteil vom 17.5.19957 die Einbeziehung des Vertragspartners in den Fremdvergleich vorgenommen. Der BFH führt hierzu aus: 1 Diese Anforderungen spiegeln sich auch in den Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 2 Nr. 5 GAufzV wider. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270. 3 Vgl. insoweit BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.4.1 Satz 4; v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.1; Baumhoff, IStR 2000, 696. 4 Siehe zum Ermessenspielraum auch Borstell in V/B/E4, C Rz. 79 ff. 5 So ausdrücklich BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18. 6 Vgl. Wassermeyer, DB 1994, 1109; Wassermeyer, IStR 2001, 636; siehe auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 360 ff. 7 Vgl. BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. Siehe ferner BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl. II 2002, 670; v. 28.1.2004 – I R 87/02, BFH/NV 2004, 736; v. 6.4.2005 – I R 15/04, BStBl. II 2006, 196; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; v. 21.8.2007 – I R 27/07, HFR 2008, 367; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, BStBl. II 2007, 961; v. 5.3.2008, I R 45/07, 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/NV 2010, 1307.

460 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.178 Kap. 4

„Der Maßstab der Sorgfalt des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist jedoch nicht für alle Fälle als Beurteilungsmaßstab geeignet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der gebotene Fremdvergleich nur aus der Sicht der Kapitalgesellschaft gesehen wird. Der ordentliche und gewissenhafte Gesellschafter wird grundsätzlich jeder Vereinbarung zustimmen, die für die Kapitalgesellschaft vorteilhaft ist. Dabei kann der Vorteil auch darin liegen, dass eine Verbindlichkeit der Gesellschaft nicht sofort erfüllt werden muss und damit der Gesellschaft Liquidität erhält. Der Fremdvergleich erfordert auch die Einbeziehung des Vertragspartners. Auch wenn ein Dritter einer für die Gesellschaft vorteilhaften Vereinbarung nicht zugestimmt hätte, kann deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegen. So gesehen ist der Maßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nur ein Teilaspekt des Fremdvergleichs.“ Damit hat der BFH den von der Betriebswirtschaftslehre nahezu zehn Jahre zuvor entwickelten Vorschlag1 zur Verdoppelung der Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters aufgenommen und seiner nunmehr ständigen Rspr. zugrunde gelegt. Verdoppelung der Rechtsfigur. Es kann also nicht auf die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters nur des einen Unternehmens ankommen, erforderlich ist auch die Einbeziehung des ordentlichen Geschäftsleiters des im anderen Staat ansässigen Unternehmens. Der ordentliche Geschäftsleiter ist damit gewissermaßen zu „verdoppeln“, wenn man der im Wirtschaftsleben an sich selbstverständlichen Tatsache Rechnung tragen will, dass Verträge notwendigerweise von mindestens zwei Rechtssubjekten ausgehandelt und abgeschlossen werden. Denn es darf nicht übersehen werden, dass beim Liefer- und Leistungsverkehr zwischen international verbundenen Unternehmen auch auf Seiten der ausländischen Gesellschaft ein Geschäftsleiter beteiligt ist, der mit der gebotenen Sorgfalt die Interessen seines Unternehmens zu vertreten hat und den Erwartungen „seines“ Fiskus gerecht werden muss (Rz. 4.184).

4.176

Gesetzlicher Maßstab für den Fremdvergleich. Der Gesetzgeber hat die Sinnhaftigkeit des „doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ erkannt und diese Rechtsfigur beinahe 25 Jahre nach ihrer „Geburt“ als Leitgedanken des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG verankert.2 Hiernach ist bei der Anwendung des Fremdvergleichs davon auszugehen, „dass die voneinander unabhängigen Dritten […] nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Zu der Zwecksetzung heißt es in der Regierungsbegründung ausdrücklich: „da anderenfalls das Zustandekommen marktkonformer Verrechnungspreise nicht erreicht werden kann“.3 Dies verdeutlicht bereits hinreichend, dass die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in ihrer verdoppelten Ausprägung auf den hypothetischen Fremdvergleich zugeschnitten ist und besser in § 1 Abs. 3 AStG hätte verankert werden sollen. Im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs ist sie hingegen verfehlt (Rz. 4.105).4 Für den hypothetischen Fremdvergleich erkennt der Gesetzgeber allerdings zutreffend, dass – bezogen auf die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise – erst die Kombination zweier Fremdvergleichswerte (Preisunter-/Preisobergrenze) zwei kontrahierende ordentlicher Geschäftsleiter (Käufer/Verkäufer) zu einem Fremdvergleichspreis führt. Nach welchem Maßstab ihr Handeln zu beurteilen ist, bringt die Gesetzesbegründung zweifelsfrei zum Ausdruck: „nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen“.5

4.177

Normverhalten/Soll-Vergleichstatbestand. In diesem Zusammenhang kann das Verhalten „unabhängiger Dritter“, soweit ein tatsächlicher Fremdvergleich (Rz. 4.158 ff.) mangels Existenz uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Vergleichsdaten scheitert, durch das Normverhalten der ordentlichen Geschäftsleiter im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs konkretisiert

4.178

1 2 3 4 5

Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 ff. Siehe hierzu grundlegend Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 ff. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 142. Vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 156 und 326. BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144.

Baumhoff/Liebchen | 461

Kap. 4 Rz. 4.179 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen werden. Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivierender Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung, was „letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien“ hinausläuft.1 Dieser Maßstab erweist sich jedoch nicht allein als Ergänzungskriterium eines hypothetischen, sondern auch als neutraler Bezugspunkt bei einem tatsächlichen Fremdvergleich und somit auch für die Auslegung des § 1 AStG insgesamt als geeignet (Rz. 4.158 ff. und 4.186).2 Denn ein ordentlicher Geschäftsleiter würde mit einem gesellschaftsrechtlich verbundenen Geschäftspartner dasselbe Geschäft zu genau den gleichen Bedingungen abschließen, wie er dies mit einem fremden Dritten tun würde bzw. wie dies fremde Dritte untereinander tun würden. Wenn also ein Geschäftsleiter mit einem verbundenen Unternehmen ein Geschäft „at arm’s length“ abschließt und durchführt, so verhält er sich damit ordentlich und gewissenhaft.

4.179 Berücksichtigung der individuellen Entscheidungssituation. Gegenüber dem tatsächlichen

Fremdvergleich bietet das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters die Möglichkeit einer zusätzlichen inhaltlichen Präzisierung, indem hiermit der individuellen Entscheidungssituation des Entscheidungsträgers im Unternehmen und damit auch in größerem Umfang der Funktion des einzelnen Unternehmens im gesamten Unternehmensverbund Rechnung getragen werden kann. Darüber hinaus ist es dem tatsächlichen Fremdvergleich in den Bereichen überlegen, in denen aufgrund konzernspezifischer Besonderheiten ein vergleichbares Fremdverhalten nicht mehr denkbar ist.3

Eine „Verdoppelung“ der Rechtsfigur des ordentlichen Geschäftsleiters eröffnet im Übrigen die Möglichkeit einer international einheitlichen Anwendung des Fremdvergleichs und der „Internationalisierung“ dieser Rechtsfigur.4 Es stehen sich damit zwei ordentliche Geschäftsleiter sowohl auf Seiten der anbietenden Unternehmens als auch auf Seiten des nachfragenden Unternehmens gegenüber, die aufgrund ihrer unternehmerischen Zielsetzung und Ergebnisverantwortung bestrebt sind, die für die von ihnen vertretenen Gesellschaften jeweils günstigsten Bedingungen zu vereinbaren. Durch die „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ wird der in der Literatur vermisste natürliche Interessengegensatz der Geschäftspartner, der wie bei voneinander unabhängigen Unternehmen für marktkonforme, ausgewogene Preise sorgt, geschaffen. Darüber hinaus lässt die Etablierung eines zweiten Entscheidungsträgers das Kriterium des ordentlichen Geschäftsleiters insofern realitätsnaher und praktikabler erscheinen, als durch das Vorhandensein voneinander unabhängiger Anbieter und Nachfrager einer Grundbedingung von Preisbildungsprozessen Rechnung getragen und damit erst die Akzeptanz eines Preises durch beide Seiten ermöglicht wird.

4.180 Ermittlung individueller Grenzpreise und Handlungsalternativen. Aus betriebswirtschaftlicher

Sicht stehen sich nach dieser Betrachtungsweise zwei voneinander unabhängige Entscheidungsträger mit individuellen Zielfunktionen gegenüber, die nur dann zu einem Ergebnis gelangen können, wenn ihre Interessen in angemessener Weise gewahrt werden. Damit gilt für die Herstellung eines Interessenausgleichs als Grundvoraussetzung, dass beide Seiten den Bedingungen eines Transfers nur dann zustimmen können, wenn sich diese – zumindest langfristig – nicht negativ auf das Betriebsergebnis der von ihnen vertretenen Unternehmen auswirken. Um dies beurteilen zu können, ist eine vorherige Festlegung der individuellen Entscheidungssituationen der Geschäftspartner durch Ermittlung der individuellen Preisgrenzen sowie der Handlungsalternativen erforderlich, 1 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 107 ff.; Borstell in V/B/E4, C Rz. 82 f.; Roeder, Ubg 2008, 204 f.; 2 Vgl. etwa bereits BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.1., wonach dem Fremdvergleich „die verkehrsübliche Sorgfalt ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gegenüber Fremden“ zugrunde zu legen ist. 3 Dagegen kritisch Kleineidam, IStR 2001, 726 f.; Bauer, IStR 2006, 320 ff. 4 Vgl. Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 61; Wassermeyer, IStR 2001, 636; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 318; Borstell in V/B/E4, C Rz. 94 f.

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B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.183 Kap. 4

die sowohl dem Anbieter als auch dem Nachfrager neben dem zu beurteilenden Liefer- bzw. Leistungstransfer offenstehen.1 Einigungsbereichsbetrachtung. Dabei kann es bei rationalem Verhalten unabhängiger Entscheidungsträger nur dann zu einer Einigung kommen, wenn die Preisobergrenze des Nachfragers über der Preisuntergrenze des Anbieters liegt, m.a.W. wenn ein Einigungsbereich besteht. Mithin bildet dieser Einigungsbereich das Preisband (sog. „Bandbreitenbetrachtung“2), innerhalb dessen der angemessene Verrechnungspreis liegen muss. Dieses Preisband wird determiniert durch die Preisuntergrenze aus Sicht des leistungserbringenden Unternehmens und der Preisobergrenze aus Sicht des leistungsempfangenden Unternehmens (Rz. 4.190 ff.).

4.181

Langfristige und kurzfristige Preisuntergrenze. Die Preisuntergrenze ist dabei definiert als dasjenige Entgelt, das das leistungserbringende Unternehmen von einem fremden Dritten mindestens für die Leistung fordern würde. Ist der Leistungsempfänger nicht bereit, dieses Entgelt zu vergüten, wird der ordentliche Geschäftsleiter des Unternehmens nicht bereit sein, die Leistung zu erbringen. Betriebswirtschaftlich ist zwischen der lang- und der kurzfristigen Preisuntergrenze zu unterscheiden.3

4.182

Langfristige Preisuntergrenzen stellen Preis-Mindesthöhen dar, die selbst dann die Existenz des Unternehmens nicht gefährden, wenn diese auf Dauer beibehalten werden (müssen). Da langfristig marktwirtschaftlich geführte Unternehmen nur funktionsfähig sein können, wenn mindestens die gesamten Kosten (Vollkosten) und ein Mindestgewinn für die Verzinsung des eingesetzten Kapitals durch die Erlöse gedeckt werden, bilden die gesamten Durchschnittskosten pro Leistungseinheit (Einzelkosten zuzüglich anteiliger Gemeinkosten) die langfristige Preisuntergrenze, wobei die Normalverzinsung des Kapitals als Kostenbestandteil anzusehen ist (sog. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen). Ein zu Vollkosten kalkulierter Selbstkostenpreis wird zuweilen auch als „natürliche“ Preisuntergrenze bezeichnet. Der langfristigen Preisuntergrenze steht die kurzfristige Preisuntergrenze gegenüber, die nur für begrenzte Zeit und nur in Ausnahmefällen, z.B. bei einer konjunkturell bedingten (vorübergehenden) Unterbeschäftigung bzw. betrieblichen Sondersituationen (etwa Rezession), realisierbar ist. Demnach kann es für ein leistungserbringendes Unternehmen betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, vorübergehend (z.B. in Krisensituationen) eine Preiskalkulation auf Teilkostenbasis zu realisieren, also auf die Deckung der gesamten Selbstkosten zu verzichten. Dabei müssen jedoch die variablen Kosten einer Lieferung oder Leistung die absolute Preisuntergrenze darstellen, deren Unterschreiten im Normalfall betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Anderenfalls wäre infolge des Ressourcenverzehrs das Überleben des jeweiligen Unternehmens nicht gewährleistet. Preisobergrenze. Demgegenüber wird als Preisobergrenze der Preis verstanden, den der ordentliche Geschäftsleiter des leistungsempfangenden Unternehmens maximal zu zahlen bereit ist. Übersteigt der Preis diese Grenze, wird er auf die Inanspruchnahme der Leistung verzichten. Die Höhe der Preisobergrenze kann nur unter konkreter Bezugnahme auf die einem unabhängigen Entscheidungsträger alternativ zur Verfügung stehenden Beschaffungsmöglichkeiten bestimmt werden. Dabei lässt sich grundsätzlich unterscheiden zwischen 1 Zum betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozess bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen im Rahmen der sog. „Bandbreitenbetrachtung“ vgl. auch Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 238 ff.; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 u. 236 ff.; Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 328 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.150; Roeder, Ubg 2008, 205 f.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1464 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 24 ff. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.9; Tz. 3.55 ff. OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 ff. 3 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Krawitz, 25 ff. m.w.N.

Baumhoff/Liebchen | 463

4.183

Kap. 4 Rz. 4.184 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – dem (internen) Bezug der Lieferung/Leistung bei einem verbunden Unternehmen, – der Eigenerstellung des Produkts/der Leistung sowie – dem (externen) Bezug des Produkts/der Leistung bei einem unabhängigen Unternehmen. Welche der drei Alternativen im Einzelfall realisierbar ist, hängt von der Art der betreffenden Lieferung/Leistung sowie den damit einhergehenden Eigenerstellungs- und Fremdbezugsmöglichkeiten des Empfängers ab. Sind mehrere Alternativen realisierbar, so ergeben sich daraus verschiedene Ansatzpunkte der Preisobergrenzen-Bestimmung, wobei ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Festsetzung seiner Preisobergrenze an der Alternative orientieren wird, die seiner Zielsetzung am ehesten entspricht.

4.184 Positiver/negativer Einigungsbereich. Liegt ein Einigungsbereich vor, d.h., die Preisobergrenze

des Leistungsempfängers liegt über der Preisuntergrenze des Leistungserbringers, sind grundsätzlich sämtliche Preise innerhalb dieser Bandbreite als fremdvergleichskonform anzusehen.

Liegt dagegen kein Einigungsbereich vor, weil es einem oder beiden Vertragspartnern nicht möglich ist, den individuellen Grenzpreis, bei dem Entscheidungsindifferenz vorliegt, zu erzielen, wird zwischen unabhängigen Unternehmen keine Transaktion zustande kommen. Denn mindestens einer der Beteiligten müsste einen – unter Fremden nicht akzeptablen – Gewinnentgang in Kauf nehmen, was mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht zu vereinbaren wäre. In diesem Fall ist ein Fremdvergleich weder in seiner tatsächlichen noch in seiner hypothetischen Form durchführbar, obwohl aufgrund des faktischen Kontrahierungszwangs zwischen den Konzernunternehmen die Notwendigkeit der Festsetzung eines Verrechnungspreises besteht.1 c) Der hypothetische Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG

4.185 Gesetzliche Regelung. Mit der Neufassung des Außensteuergesetzes durch das Unternehmensteu-

erreformgesetz 20082 wurde der hypothetische Fremdvergleich gesetzlich verankert. Entsprechend dem § 1 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Stufenverhältnis kommt er nachrangig dann zum Tragen, wenn mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs weder uneingeschränkt noch eingeschränkt vergleichbare Werte identifiziert werden können (Rz. 4.313 ff.). In diesem Fall hat „der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung einen hypothetischen Fremdvergleich […] durchzuführen.“3 aa) Innerstaatliche „Konkretisierungen“ des Fremdvergleichsgrundsatzes

4.186 Doppelter ordentlicher Geschäftsleiter. Für die Durchführung des hypothetischen Fremdver-

gleichs sind die Konkretisierungen des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG zu beachten, die der Gesetzgeber für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vorgibt. Zum einen soll davon auszugehen sein, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen“, zum anderen davon, dass sie „nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln.“ Während die Ausrichtung an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters in seiner verdoppelten Ausprägung im Einklang mit der Rspr. des BFH zur vGA steht (Rz. 4.175 ff.) und sich als unabdingbar für die Simulation von Preisbildungsprozessen erweist, ist die Fiktion vollständiger Transparenz zwischen den beteiligten Transaktionspartnern national wie international eine Novität und eben nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar, da miteinander kontrahierende fremde Dritte nicht die volle Transparenz über die Entscheidungssituation ihres Gegenübers haben.

1 Vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1.089 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.249 ff. 2 UntStRefG 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 3 § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG.

464 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.188 Kap. 4

Transparenzfiktion. Die Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz legt der Verrechnungspreisermittlung volkswirtschaftliche Modellannahmen zugrunde, die die vereinfachte Abbildung und Erklärung komplexer Marktmechanismen bezwecken, ohne dass sie mit der Realität irgendetwas gemein hätten.1 Zwischen unabhängigen Dritten jedenfalls herrschen regelmäßig unvollkommene Informationen vor. Nur unter dieser asymmetrischen Informationsverteilung lassen sich empirisch beobachtbare betriebswirtschaftliche Entscheidungen – und damit auch Preisentscheidungen – überhaupt erklären.2 Anderenfalls gäbe es auch nur einen Preis, nämlich den sog. „Gleichgewichtspreis“.3

4.187

Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt die Annahme vollständiger Information auf die „Vermeidung willkürlicher Ergebnisse im Verhältnis der nahestehenden Personen“,4 um sicherzustellen „dass nicht jeder beliebige Fremdvergleich, der auch unter irregulären Umständen (z.B. wegen mangelhafter Information oder Qualifikation) zustande gekommen sein kann, zu berücksichtigen ist.“ Sie soll „insbesondere für den hypothetischen Fremdvergleich wichtig“ sein. Einerseits impliziert die Verwendung „insbesondere“, dass die Transparenzklausel auch auf den tatsächlichen Fremdvergleich zur Anwendung kommen könnte, womit der international anerkannte Grundsatz des Fremdvergleichs verlassen wird.5 Andererseits verkennt der Gesetzgeber die Zielsetzung des § 1 AStG, mittels des Fremdvergleichsgrundsatzes den fehlenden Interessensgegensatz aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit der Transaktionspartner zu überwinden, und konterkariert diese, indem er Informationen fordert, die nur unter Nutzung der gesellschaftsrechtlichen Stellung der Muttergesellschaft zu erlangen sind.6 Dem Vernehmen nach geht die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Anwendung der Transparenzklausel zudem von einer Beschränkung auf bestimmte Verrechnungspreismethoden aus, wobei vollständige Markttransparenz lediglich bei Anwendung einer zweiseitigen Verrechnungspreismethode (geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode, Rz. 4.291 ff.) zu unterstellen sein soll, nicht hingegen bei Anwendung einer einseitigen Verrechnungspreismethode (klassische Methoden, Rz. 4.209 ff., und die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode, Rz. 4.297 ff.). Ferner ist die ertragswertorientierte Bewertung, so wie sie in § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG geregelt ist, zweiseitig, weil sie sowohl aus der Perspektive des Leistenden als auch aus derjenigen des Leistungsempfängers vorzunehmen ist.7 Transparenzfiktion und Fremdvergleichsgrundsatz. Die Finanzverwaltung geht offenkundig von einer Vereinbarkeit der Transparenzfiktion mit Art. 9 aus. So belegen die VWG-Funktionsverlagerung ihre Aussage in Tz. 149, dass insbesondere „zur Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs […] Informationstransparenz unterstellt werden“ müsse, mit Verweis auf die Tz. 9.81 und 9.85 OECD-Leitlinien.8 Einer näheren Überprüfung hält diese vermeintliche Legitimation allerdings nicht stand. Denn dort wird – wie umfassend zu Geschäftsbeziehungen unter Einbeziehung 1 Vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 545 f.; Baumhoff/Liebchen in F/ W/B/S, § 1 AStG Anm. 348 f. Zu der Abwesenheit der Bedingungen eines vollkommenen Marktes und den deshalb erklärbaren Ursachen für die Entstehung von Preisbandbreiten vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 348 f. 2 Vgl. Selchert/Greinert, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre8, 15 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546. 3 Siehe hierzu Stiglitz/Walsh, Mikroökonomie4, 83 ff. 4 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 142 f. 5 Insofern wird schon aus diesem Grunde einer restriktiven Auslegung i.S. einer Anwendbarkeit allenfalls auf den hypothetischen Fremdvergleich das Wort geredet, vgl. Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546 f.; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 351; wohl auch Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 273. 6 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 276. 7 Vgl. hierzu ausführlich Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.210 ff. und 5.213 ff. 8 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 149.

Baumhoff/Liebchen | 465

4.188

Kap. 4 Rz. 4.189 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen von immateriellen Wirtschaftsgütern1, aber auch für Dienstleistungen2 vorgesehen – „lediglich“ explizit darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern die Sichtweisen sowohl des Käufers wie des Verkäufers zu berücksichtigen sind.3 Dieses Gebot der Berücksichtigung der Interessen beider Transaktionspartner entspricht der Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters.4 Diese Referenzfigur würde jedoch lediglich seine eigenen alternativen Handlungsmöglichen kalkülisieren und nur ausnahmsweise – im Fall besonderer und unter marktlichen Gegebenheiten gewonnener Informationen über die erwarteten Vorteile des Kontrahenten – anstreben, diese in die Preisfindung einzubeziehen.5 Allerdings ist den Ausführungen der OECD nicht ansatzweise zu entnehmen, dass international von einer vollständigen Kenntnis über die Handlungsalternativen der konzernverbundenen Transaktionspartner auszugehen sei. Ebenso wenig vermag der Begründungsansatz der VWG-Funktionsverlagerung zu überzeugen, dass erst mittels vollständiger Information der Verhandlungsspielraum der Parteien festgestellt werden könne und die Bestimmung betriebswirtschaftlich sachgerechter Verrechnungspreise entsprechend dem hypothetischen Fremdvergleich ermöglicht würde und deshalb insgesamt eine Vereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz gegeben sei.6 Diese vermeintlichen Ermittlungsdefizite vermögen diese realitätsferne Annahme freilich nicht zu rechtfertigen. Vielmehr bedürfte auch die Informationstransparenz selbst einer aus dem Fremdvergleichsgrundsatz abzuleitenden Rechtfertigung.7 Gänzlich außerhalb jedweder Rechtsgrundlage ist schließlich die Vorstellung, dass – i.S. einer Konzerninformationstransparenz – auch sämtliche Umstände heranzuziehen sind, die bei der Konzernzentrale bekannt sind oder hätten bekannt sein müssen.8

4.189 Keine übergeordnete Transparenzinstanz. Man mag das fiskalische Interesse nachvollziehen kön-

nen, gewissermaßen als übergeordnete Instanz die zu Entscheidungswerten verdichteten Handlungsalternativen und deren jeweilige Bewertungen beider an der Transaktion beteiligter Parteien zu erhalten, um einen idealtypischen hypothetischen Fremdvergleich durchführen zu können. Allerdings fehlt es auch in der wirtschaftlichen Realität an einer „übergeordneten Transparenzinstanz“9. Wollte man diese in der Konzernleitung erblicken,10 wäre (auch) der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Simulation eines Preisbildungsprozesses ad absurdum geführt und durch ein Preisdiktat zu ersetzen, mithin einer auferlegten Bedingung, die sich weder mit § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG noch mit Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention vereinbaren ließe. Insofern ist den realen Marktverhältnissen Rechnung zu tragen, die auch und gerade infolge asymmetrischer Informationsverteilung eine marktliche Preisentstehung ermöglichen. Insbesondere bietet die fehlende Informationstransparenz den Erklärungsansatz für die Entstehung von Preisbandbreiten.11 Da von dieser Realität im Übrigen auch § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG ausgeht, ist

1 Vgl. Tz. 6.112, 6.113, 6.139 und 6.157 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 7.29 f. und 7.51 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Tz. 9.81 u. 9.85 OECD-Leitlinien 2010; nunmehr mit Modifikationen Tz. 9.56 und 9.60 OECDLeitlinien 2017. 4 Vgl. Roeder in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Tz. 6.14 Anm. 1. 5 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 269. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 149; siehe zur Notwendigkeit für eine „sinnvolle Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ auch Hruschka in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 17. 7 Vgl. zur „Lebenswirklichkeit“ in internationalen Konzernen auch Roeder, Ubg 2008, 205. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 149; zu Recht kritisch Kroppen/Rasch, IWB 2010, 840. 9 Vgl. hierzu ausführlich Frischmuth in FS Schaumburg, 657 ff. 10 Offenkundig geht die Auslegung der Finanzverwaltung zu § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG i.S. einer Konzerninformationstransparenz in diese Richtung, vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 149. 11 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 348 f.

466 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.192 Kap. 4

schon innerhalb der Regelungen des § 1 AStG die Vereinbarkeit mit der Transparenzklausel fraglich. Mit dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz, wie er in Art. 9 OECD-MA und Art. 4 EU-Schiedskonvention verankert ist, ist diese Fiktion der vollständigen Information und Marktransparenz jedenfalls unvereinbar.1 bb) Regelungen zur Einigungsbereichsbetrachtung Bestimmung des Einigungsbereichs. Im Hinblick auf die Simulation des Preisbildungsprozesses gibt § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG vor, dass der Steuerpflichtige „aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers zu bestimmen [hat] (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt.“ Was die Ermittlung der individuellen Preisgrenzen des Leistenden und des Leistungsempfängers anbelangt, ist angesichts der verwendeten Begriffe „Planrechnungen“ und „Gewinnpotentiale“ letztlich die Ermittlung eines Ertragswerts erforderlich.2 Dies wird durch die konkretisierende Einfügung von „unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.20133 nochmals verdeutlicht. Die gesetzlichen Regelungen beschränken sich mithin auf die ertragswertbasierte Bestimmung der Preisgrenzen, wobei es jedenfalls methodisch nicht im hypothetischen Fremdvergleich angelegt ist und auch für die Simulation eines Preisbildungsprozesses durch Einigungsbereichsbetrachtung nicht erforderlich wäre, Grenzpreise nur durch Anwendung umfangreicher Bewertungsverfahren zu bestimmen. Jede nicht-ertragswertbasierte Ableitung von Grenzpreisen zur Bestimmung von Soll-Vergleichstatbeständen mag zwar methodisch auch auf einem hypothetischen Fremdvergleich basieren, sie ist gesetzlich jedoch nicht geregelt (vgl. Rz. 4.192 und 4.316). Ebenso fraglich ist, ob die Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten bei der Bestimmung des jeweiligen Grenzpreises stets auch eine ertragswertbasierte Bewertung der betreffenden Handlungsalternativen aufzwingt.4

4.190

Kein zwingender Einigungsbereich. Offenkundig geht der Gesetzgeber – wie selbstverständlich – davon aus, dass die individuellen Preisgrenzen der Kontrahenten stets einen Einigungsbereich markieren. Dies ist allerdings nicht zwingend, denn ein Einigungsbereich setzt denklogisch voraus, dass die Preisobergrenze die Preisuntergrenze übersteigt (Rz. 4.184). Mithin entsteht ein Einigungsbereich dann nicht, wenn die individuellen Preisgrenzen der Kontrahenten identisch sind oder die Preisobergrenze des Leistungsempfängers unter der Preisuntergrenze des Leistenden liegt.5 Die Realität negativer Einigungsbereiche haben Gesetzgeber, Verordnungsgeber und Finanzverwaltung nicht erkannt, jedenfalls aber weder in § 1 Abs. 3 AStG oder der FVerl noch in den VWG-Funktionsverlagerung geregelt.6

4.191

Ermittlung der individuellen Preisgrenzen. Nach welchen Grundsätzen die Preisgrenzen als SollVergleichstatbestände konkret zu bestimmen sind, ist gesetzlich jedoch lediglich für den hypothetischen Fremdvergleich in Gestalt der sog. Einigungsbereichsbetrachtung geregelt.

4.192

1 Gl.A. Wassermeyer, DB 2007, 536; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 546; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 349; Kaminski, RIW 2007, 595; Kaminski in S/K/ K, § 1 AStG Rz. 275; Kroppen/Nientimp, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2359; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 107; Kroppen in FS Schaumburg, 868 f.; Frischmuth, IStR 2007, 488; Frischmuth in FS Schaumburg, 656 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.163. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1651. 3 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 4 Vgl. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.211, 5.214 und 5.218. 5 Siehe auch Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 554. 6 Vgl. hierzu Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1089 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.249 ff.

Baumhoff/Liebchen | 467

Kap. 4 Rz. 4.193 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen In § 1 Abs. 3 Sätze 6 und 7 AStG ist konkret gesetzlich geregelt, wie der hypothetische Fremdvergleich i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG durchzuführen ist, wobei für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs überdies die Konkretisierungen des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG zu beachten sind. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG bestimmt, dass der Steuerpflichtige „auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinsätze zu ermitteln [hat] (Einigungsbereich); der Einigungsbereich wird von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentialen) bestimmt.“ Was die Ermittlung der individuellen Preisgrenzen des Leistenden und des Leistungsempfängers anbelangt, ist angesichts der verwendeten Begriffe „Planrechnungen“ und „Gewinnpotentiale“ letztlich die Ermittlung eines Ertragswerts erforderlich.1 Die durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6. 20132 vorgenommene Klarstellung, dass für den hypothetischen Fremdvergleich generell der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers „unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ zu ermitteln sind, verdeutlicht dies. Insofern ist die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs auf die Durchführung einer zweiseitigen ertragswertbasierten Bewertung beschränkt. Jede andere Bestimmung von Soll-Vergleichstatbeständen für einen Soll-Ist-Vergleich mag zwar konzeptionell einen hypothetischen Fremdvergleich darstellen. Es ist jedoch kein hypothetischer Fremdvergleich im Sinne der gesetzlichen Regelungen von § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG. Die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden – geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (Rz. 4.291 ff.) und geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Profit-SplitMethod (Rz. 4.297 ff.)) – basiert vor diesem Hintergrund nicht auf dem gesetzlich geregelten hypothetischen Fremdvergleich i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG („Dazu“) lässt eine andere Formulierung von Soll-Vergleichstatbeständen als eine zweiseitige ertragswertbasierte Bewertung für den im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs durchzuführenden Soll-IstVergleich nicht zu. Eine andere Frage ist, ob die Anwendung finanzmathematischer Bewertungsverfahren im Rahmen einer zweiseitigen Bewertung letztlich für sich genommen eine Verrechnungspreismethode darstellt.

4.193 Unzulässige Einschränkung. Mit der Ausrichtung auf Ertragswerte hat der Gesetzgeber den hypo-

thetischen Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung u.E. unzulässig eingeschränkt. Denn konzeptionell erfordert dieser lediglich, dass sowohl für den Leistenden wie für den Leistungsempfänger deren jeweilige alternative Handlungsmöglichkeiten zu kalkülisieren, d.h. zu identifizieren und zu bewerten, und die jeweils günstigste alternative Handlungsmöglichkeit zu einem Entscheidungswert zu verdichten sind. Offenkundig hat die Finanzrechtsprechung in den Entscheidungen, die konzeptionell auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurückgehen, keinen Anlass gesehen, zur Bestimmung der Preisgrenzen auf aufwendige Ertragswertverfahren zurückzugreifen. So hat der BFH in seinen sog. „Zinsurteilen“ entschieden, dass die banküblichen Habenzinsen als Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen als Obergrenze für angemessene Zinsen zu beachten sind, wobei sich „im Zweifel“ Darlehensgläubiger und Darlehensschuldner die Spanne zwischen bankenüblichen Haben- und Schuldzinsen teilen sollen.3 Dem steht auch das BFH-Urteil vom 17.10.2001 nicht entgegen, mit dem grundsätzlich der Mittelwertmethode die Rechtfertigung abgesprochen wurde. Denn der BFH konzedierte den Ansatz des Mittelwertes zutreffenderweise nur dann, „wenn er aus Fremdvergleichswerten abgeleitet werden kann“.4 Auf einen solchen, wenngleich pauschalen Fremdvergleich geht der Erfahrungssatz zurück, dass sich – im Zweifel – Darlehensgläubiger und -schuldner die Spanne zwischen banküblichen Haben- und 1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1651. 2 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, BStBl. II 2004, 307. 4 BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.

468 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.196 Kap. 4

Schuldzinsen teilen.1 Da diese Rspr. zum Zinsband nicht auf eine Zusammenstellung marktentstandener, d.h. direkt am Markt beobachtbarer Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen zurückgeht, ist sie konzeptionell nicht dem tatsächlichen, sondern dem hypothetischen Fremdvergleich zuzuordnen (Rz. 4.380 ff.). Ebenso wenig hat das FG Münster in seinem Urteil vom 16.3.2006, in dem es zu der Auslagerung der Produktionsfunktion auf einen Lohnfertiger entschieden hat, dass durch Kostenvorteile entstandene Standortvorteile nicht vollständig vom inländischen Auftraggeber absorbiert werden, sondern auch dem Lohnfertiger zugutekommen, auf Ertragswerte zurückgegriffen.2 Diese im Hinblick auf die Aufteilung von Standortvorteilen auf einem hypothetischen Fremdvergleich basierende Entscheidung3 hat vielmehr auf Stückkosten abgestellt. Man wird hier wohl erkennen müssen, dass der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung dazu geeignet ist, auch kostenbezogene Vorteile (z.B. niedrige Produktionskosten oder Einkaufsvorteile) bei der Preisfindung zu berücksichtigen. cc) Aufteilung des Einigungsbereichs VWG 1983 und VWG-Verfahren. Zu der Frage, wie ein ermittelter Einigungsbereich zwischen den Verhandlungspartnern aufzuteilen ist, gab es bisher keine klare Handlungsempfehlung. In den VWG 1983 wird lediglich ausgeführt, dass eine schematische Orientierung des Verrechnungspreises an der Ober- oder Untergrenze eines solchen Einigungsbereichs ohne wirtschaftlich beachtliche Gründe nicht statthaft sei, weil ein ordentlicher Geschäftsleiter „im Interesse seines Unternehmens auf eine ausgewogene Preisgestaltung bedacht“4 wäre. Auch die VWG-Verfahren gehen nur auf die Auswahl eines Wertes aus einer Preisbandbreite ein,5 die allerdings durch einen tatsächlichen, nicht dagegen durch einen hypothetischen Fremdvergleich abgeleitet wurde.

4.194

Hälftige Teilung des Einigungsbereichs. Mit § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG wurde nunmehr eine gesetzliche Regelung zur Aufteilung eines Einigungsbereichs verankert. Hiernach „ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.“ Wenn also nichts anderes glaubhaft gemacht wird, ist zunächst auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Teilung des Einigungsbereichs ist zunächst nicht abwegig, zumal sie betriebswirtschaftlich der sog. Arbitriumwertlösung entspricht.6 Auch die sog. Zinsurteile des BFH7 enthalten einen entsprechenden Lösungsvorschlag. In gleicher Weise geht die Rspr. zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger8 davon aus, dass Auftraggeber und Lohnfertiger den sich durch die Standortvorteile ergebenden Einigungsbereich hälftig teilen. Es ist zu begrüßen, dass diese Rspr. nun auch in das Gesetz eingeht.

4.195

Widerlegbare Vermutung. Allerdings handelt es sich bei der hälftigen Teilung des Einigungsbereichs um eine widerlegbare Vermutung. Der Steuerpflichtige muss hierzu glaubhaft machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit „der höchsten Wahrscheinlichkeit“ entspricht. Hierbei erfordert die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß.

4.196

1 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 353 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f. 2 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; ausführlich hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789. 3 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791 ff. 4 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.9 Bsp. 1. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5. 6 Vgl. hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.226 ff. 7 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, BStBl. II 2004, 307. 8 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; ausführlich hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789.

Baumhoff/Liebchen | 469

Kap. 4 Rz. 4.197 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Der Steuerpflichtige muss darlegen, dass für die behauptete Tatsache – der behauptete Wert entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit – „eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist“; d.h., das Bestehen der behaupteten Tatsache „wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen“.1 Fraglich ist, wie diese tautologische Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten in praxi bewerkstelligt werden kann. Denn innerhalb des Einigungsbereichs entspricht jeder Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz, weil jeder dieser Werte – und zwar mit der gleichen Wahrscheinlichkeit – auch zwischen fremden Dritten (hypothetisch) vereinbart werden könnte. Insofern muss die Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs scheitern, weil eine größere Häufung einer Ausprägung ebenso wie der hypothetische Fremdvergleich einem Denkprozess entspringen muss.2 Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung3 bleibt für die Glaubhaftmachung eines anderen Wertes als des Mittelwertes die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Transaktionspartner unberücksichtigt. Demgegenüber können als Kriterien für einen dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wert die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten und Standortvorteilen herangezogen werden. Ferner sind – unter Verweis auf die Auffassung der OECD4 – die Handlungsalternativen der Parteien zu beachten. Wichtig wird hier sein, dass die unternehmensseitig angelegten Kriterien bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten hinreichend dargelegt werden.5

4.197 Wahlrecht für einen abweichenden Wertansatz. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 1

Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 AStG ist fraglich, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, einen Wert innerhalb des Einigungsbereichs „glaubhaft“ zu machen. Geht man – wie hier vertreten – von einer widerlegbaren Vermutung der hälftigen Teilung aus, wird – rationales Verhalten unterstellt – die Glaubhaftmachung eines anderen Werts innerhalb des Einigungsbereichs nur dann anzustreben sein, wenn hierdurch eine für den Steuerpflichtigen günstigere Aufteilung des Einigungsbereichs erreicht werden kann. Der Normwortlaut impliziert eine widerlegbare Vermutung bzw. ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen („kann“). Ebenso wenig lässt sich der Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung ein Hinweis darauf entnehmen, dass verwaltungsseitig von einer diesbezüglichen Verpflichtung ausgegangen wird. Gegen eine solche Verpflichtung spricht das Beispiel in Tz. 128 der VWG-Funktionsverlagerung, wenn von einer „insoweit […] abweichenden Aufteilung des Einigungsbereichs“ im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung eines anderen Wertansatzes die Rede ist.6 Dies impliziert grundsätzlich eine gesetzliche – allerdings widerlegbare – Aufteilung von Einigungsbereichen. Überdies nimmt die Finanzverwaltung für die Ausübung des ihr nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG in Fällen der unzutreffenden Ermittlung des Einigungsbereichs für eine Einkünftekorrektur eingeräumten Ermessens ausdrücklich darauf Bezug, „ob die Abweichung vom Mittelwert im zutreffenden Einigungsbereich erheblich ist“.7 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 40. 2 Vgl. hierzu ausführlich Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 556; Greinert, Ubg 2010, 106; Kroppen in FS Schaumburg, 872. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 128. 4 Vgl. Tz. 9.27 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Zur Dokumentation von Funktionsverlagerungen siehe auch Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 513 u. 757 ff. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 128. 7 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 130.

470 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.200 Kap. 4

Demgegenüber vertritt Zech die Auffassung, dass es Sache des Steuerpflichtigen sei, im Rahmen der Dokumentation glaubhaft zu machen, dass kein anderer Wert angesetzt werden kann.1 Eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen soll sich aus dem „Zusammenspiel der § 90 Abs. 3 AO und § 1 Abs. 3 Satz 7 2. HS AStG“2 ergeben. Hiernach soll der Steuerpflichtige gehalten sein, bei ihm vorliegenden Erkenntnissen, nach denen ein höherer Wert als der Mittelwert zum Ansatz kommt, ebendiesen Wert zugrunde zu legen. Ferner geht Zech von einer Verpflichtung des Steuerpflichtigen aus, die Unmöglichkeit einer anderweitigen Wertfindung wiederum glaubhaft zu machen.3 Insofern käme es hierfür auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit an. Was letztere Verpflichtung anbelangt, entbehrt sie einer rechtlichen Grundlage. Gegenstand der Glaubhaftmachung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 AStG ist der Wert selbst, nicht hingegen die Möglichkeiten dessen Ermittlung. Es würde schier Unmögliches verlangt, sollte dem Steuerpflichtigen – basierend auf einem Denkmodell – eine Darlegungspflicht erwachsen (Rz. 4.196). Insofern bleibt festzustellen, dass der Steuerpflichtige nicht verpflichtet ist, einen Wert innerhalb des Einigungsbereichs glaubhaft zu machen. Er kann vielmehr den gesetzlichen Wertansatz „in Kauf nehmen“. dd) Nachträgliche Preisanpassungen (1) Unzutreffender Einigungsbereich/Verrechnungspreisansatz Zutreffender Einigungsbereich/zutreffender Verrechnungspreisansatz. Hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich zutreffend ermittelt, seiner Verrechnungspreisermittlung allerdings einen anderen als den Mittelwert zugrunde gelegt, ist es nach den gesetzlichen Vorgaben Sache des Steuerpflichtigen, glaubhaft zu machen, dass dieser Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Hierzu wurde bereits dargelegt, dass in praxi die Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten schon theoretisch erheblichen Bedenken begegnet, weil jeder Wert innerhalb des Einigungsbereichs grundsätzlich gleich wahrscheinlich ist (vgl. Rz. 4.196). Der Steuerpflichtige wird deshalb nicht umhinkommen, seinen Wertansatz unter Rückgriff auf die in den VWG-Funktionsverlagerung genannten Kriterien für einen dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wert (jeweilige Marktposition, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Handlungsalternativen der Parteien) zu begründen.4 Diese Überlegungen sollten bereits die Verrechnungspreisbestimmung leiten und zudem dokumentiert werden. Da die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß erfordert, ist bei einer plausiblen Begründung der Wertfindung grundsätzlich keine Verrechnungspreiskorrektur zulässig.

4.198

Zutreffender Einigungsbereich/unzutreffender Verrechnungspreisansatz. Geht die Verrechnungspreisbestimmung zwar auf einen zutreffend ermittelten Einigungsbereich zurück, wurde der Wertansatz aber an dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Rand des Einigungsbereichs festgelegt, entspricht der Verrechnungspreisansatz nicht den gesetzlichen Vorgaben, die – allerdings widerlegbar – von einer hälftigen Teilung des Einigungsbereichs zwischen den Transaktionspartnern ausgehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die vollständige Vereinnahmung der Standortvorteile und Synergieeffekte nur durch einen der Transaktionspartner als mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar abgeleitet werden kann, was allenfalls in Ausnahmefällen gelingen sollte.

4.199

Unzutreffender Einigungsbereich. Die nachträgliche Korrektur des angesetzten Verrechnungspreises richtet sich nach § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG. Hiernach kann die Finanzverwaltung in dem Fall, dass sich der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegte Einigungsbereich nachträglich als unzutreffend herausstellt, auf eine Einkünfteberichtigung verzichten, wenn der vom Steuerpflichtigen zu-

4.200

1 2 3 4

Vgl. Zech, IStR 2011, 136. Vgl. Zech, IStR 2011, 136. Vgl. Zech, IStR 2011, 136. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 128.

Baumhoff/Liebchen | 471

Kap. 4 Rz. 4.201 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen grunde gelegte Wert innerhalb des zutreffenden Einigungsbereichs liegt. Ob eine Korrektur vorgenommen wird, liegt damit im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung.1 Nach Tz. 130 der VWG-Funktionsverlagerung2 soll für die Ausübung dieses Ermessens u.a. darauf abzustellen sein, ob die Abweichung vom Mittelwert im zutreffenden Einigungsbereich erheblich ist und ob dem Steuerpflichtigen die Fehlerhaftigkeit der Ermittlung des Einigungsbereichs bekannt war oder bekannt sein musste, z.B. wegen einer entsprechenden Beanstandung bei einer vorhergehenden Prüfung. Die Auffassung der Finanzverwaltung zu den ermessensleitenden Erwägungen ist nicht bedenkenfrei. Angesichts des Wortlauts des § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG ist fraglich, ob es für die Ermessensausübung auf die Abweichung vom Mittelwert des zutreffenden Einigungsbereichs und deren Umfang („erheblich“) überhaupt ankommen kann. Dies würde de facto voraussetzen, dass der Steuerpflichtige den zutreffenden Einigungsbereich, d.h. die zutreffend ermittelten Grenzpreise der Transaktionspartner, kannte und bewusst seiner Verrechnungspreisbestimmung hiervon abweichende Preisgrenzen zugrunde gelegt hat. Angesichts der mit der Prognose zukünftiger Erträge, aber auch mit der Festlegung von „Rechnungsgrößen“ (insbesondere Kapitalisierungszinssatz und Kapitalisierungszeitraum) verbundenen Schwierigkeiten und der bestehenden Bewertungsfreiräume ist diese Vorstellung auch unter Berücksichtigung der gesetzlich fingierten vollständigen Information und Markttransparenz3 abwegig. Auch ist es letztlich völlig unklar, wann eine Abweichung „erheblich“ ist. Für Zwecke der gesetzlichen Preisanpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG (Rz. 4.201 ff.) soll in Fällen von Funktionsverlagerungen eine Abweichung der Gewinnentwicklung etwa dann „erheblich“ sein, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutreffende Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt.4 Für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG hilft dieses Begriffsverständnis nicht weiter. (2) Preisanpassungsklausel

4.201 Gesetzliche Preisanpassungsklausel. Zivilrechtlich sind die Parteien grundsätzlich an den von ih-

nen geschlossenen Vertrag gebunden, es sei denn, es wurden vertragliche Vorbehalte vereinbart oder ein Festhalten an dem Vertrag ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere bei Wegfall der Geschäftsgrundlage, nicht mehr zumutbar.5 Mit § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG verankert der Gesetzgeber für Fälle, in denen der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung kommt, und für Funktionsverlagerungen (Rz. 4.480 ff.), wenn „wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter […] Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind“, die widerlegbare Vermutung, „dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten.“ Diese gesetzliche Fiktion wird flankiert durch die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG: „Wurde eine solche Regelung nicht vereinbart und tritt innerhalb der ersten zehn Jahre nach Geschäftsabschluss eine erhebliche Abweichung im Sinne des Satzes 11 ein, ist für eine deshalb vorzunehmende Berichtigung nach Abs. 1 Satz 1 einmalig ein angemessener Anpassungsbetrag auf den ursprünglichen Verrechnungspreis der Besteuerung des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen, das dem Jahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist.“ Hiernach kommt eine einmalige nachträgliche gesetzliche Preisanpassung innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums zur Anwendung, wenn keine (fremdvergleichskonforme) Preisanpassungsklausel individualvertraglich vereinbart wurde. Dies gilt ungeachtet dessen, ob die ursprüngliche Verrechnungspreisbestimmung im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zur Aufteilung des (ursprünglichen) Einigungsbereichs steht, d.h. insbesondere unter Beachtung der hälftigen Teilung des Einigungsbereichs mangels eines anderen, dem Fremdvergleichsgrundsatz mit 1 Vgl. § 5 AO. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 130. 3 § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG. 4 § 10 Satz 1 FVerlV. 5 Zu den zivilrechtlichen Möglichkeiten nachträglicher Preisanpassungen siehe Engler, IStR 2009, 686 f.; Engler in V/B/E4, N Rz. 558 ff.

472 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.204 Kap. 4

der höchsten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Werts erfolgte (Rz. 4.195 ff.). Wenn tatsächlich ein kürzerer Zeitraum vereinbart wird (z.B. 5 Jahre), muss dieser Zeitraum gelten. Insofern liegt auch mit der Festlegung des Anpassungszeitraums ein steuerliches Gestaltungsinstrument vor. Eingeschränkte Zulässigkeit von Korrekturen zugunsten des Steuerpflichtigen. § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG regelt eine eigenständige Einkünftekorrektur aufgrund des Fehlens einer die zukünftige Gewinnentwicklung berücksichtigenden Anpassungsregelung, die allerdings mit der Folge in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG „eingebettet“ ist, dass sie nur zu Lasten des Steuerpflichtigen erfolgen kann. Die (einmalige) gesetzliche Preisanpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG soll für das Wirtschaftsjahr erfolgen, das dem Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist. Wenn der Gesetzgeber qua Fiktion die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel unter bestimmten Voraussetzungen auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurückführt und die fehlende Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen für die finale Preisfindung mangels individualvertraglicher Preisanpassungsklausel mit einer gesetzlichen Anpassungsregelung „sanktioniert“, muss insgesamt auch ein Ergebnis hergestellt werden, das dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Da § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nur preisbezogene Einkünftekorrekturen zulässt,1 die Anpassung nach § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG die Bepreisung derselben Geschäftsbeziehung betrifft und sich die erforderliche Kausalität zwischen den vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichenden, vertraglich vereinbarten Bedingungen und der Minderung im Inland steuerpflichtiger Einkünfte („dadurch […] dass“) genau hierauf bezieht, sind grundsätzlich auch nachträgliche Preisanpassungen zugunsten des Steuerpflichtigen zulässig.2 Allerdings ist dies nur dann und in dem Umfang möglich, wie der ursprüngliche Verrechnungspreisansatz bereits einer Einkünftekorrektur unterlegen hat. Eine Preisanpassung, die insgesamt zu einer Einkünftekorrektur zugunsten des Steuerpflichtigen führt, kann dagegen nicht auf § 1 AStG gestützt werden.

4.202

Beschränkung auf Übertragungsfälle. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind sowohl dann Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie übertragen werden, als auch dann, wenn an ihnen ein Nutzungsrecht (Lizenz) eingeräumt wurde. Für letzteren Fall regelt § 9 FVerlV, dass „Lizenzvereinbarungen, die die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen“, einer Anpassungsregelung gleichstehen, m.a.W. eine nachträgliche Preisanpassung infolge des Fehlens einer ausdrücklich vereinbarten Anpassungsregel (§ 1 Abs. 3 Satz 12 AStG) ausscheidet.3 Diese Einschränkung ist auch sachgerecht, weil der Lizenzgeber bei einer umsatz- bzw. gewinnabhängigen Lizenzgebühr an jedweder Änderung – bzw. im Falle gestaffelter Lizenzsätze bei Über-/Unterschreiten der jeweiligen Grenzwerte – der Bezugsgröße partizipiert. Dies bei umsatzabhängigen Lizenzgebühren allerdings ohne Berücksichtigung einer günstigeren Kostenentwicklung.4 Außerhalb von Funktionsverlagerungen (Rz. 4.480 ff.) erstreckt sich der Anwendungsbereich deshalb auf die Einzelübertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter. Zu berücksichtigen ist hier, dass (wesentliche) immaterielle Wirtschaftsgüter „Gegenstand einer Geschäftsbeziehung“ sein müssen, wobei der Begriff der Geschäftsbeziehung abschließend in § 1 Abs. 4 AStG gesetzlich definiert ist. So stellt etwa die Übertragung immaterieller Wirtschaftsgüter im Wege gesellschaftsrechtlicher Sacheinlagen im Zuge der Sachgründung oder einer Sachkapitalerhöhung keine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG dar, weil diesen „wirtschaftlichen Vorgängen“ eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt.

4.203

Wesentlichkeitskriterium. Nachträgliche Preisanpassungen durch die Finanzbehörden kommen nur in Betracht, wenn sich die Transaktion auf ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut

4.204

1 Vgl. hierzu Ditz/Liebchen, IStR 2012, 103. 2 Vgl. Liebchen/Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.243; Ditz/ Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 7.131. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 136. 4 Vgl. Schaumburg, IStR 2009, 878.

Baumhoff/Liebchen | 473

Kap. 4 Rz. 4.205 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen bezieht. Im Hinblick auf das Wesentlichkeitskriterium gibt das Gesetz aber keine inhaltlichen Anforderungen vor. Für Fälle der Funktionsverlagerung sind nach § 1 Abs. 5 FVerlV – allerdings bezogen auf die verlagerte Funktion bzw. das übergehende Transferpaket – funktionsverlagerungsbedingte immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile „wesentlich“, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets beträgt (quantitativer Maßstab) (Rz. 4.560 ff.). Fraglich ist, ob diese Definition auch für die Einzelübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter beachtlich ist, zumal sich § 1 Abs. 5 FVerlV auf „§ 1 Abs. 3 Satz 10 erste Alternative des Außensteuergesetzes“ beschränkt und die FVerlV im Übrigen nur Funktionsverlagerungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG betrifft. Die Finanzverwaltung scheint jedenfalls hiervon auszugehen, wenn sie für die insofern vergleichbare Escape-Klausel des § 10 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG bezogen auf ein einzelnes immaterielles Wirtschaftsgut von einer sinngemäßen Anwendung dieses Wesentlichkeitskriteriums spricht.1 Allerdings ist diese Rechtsauffassung ohne Rechtsgrundlage. Sie ist auch bei Einzelübertragungen praktisch nicht umsetzbar, weil der quantitative Maßstab bei der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ad absurdum geführt wird, denn jedes immaterielle Wirtschaftsgut würde mit 100 % stets wesentlich sein. Dagegen ist es für die Übertragung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter völlig unbeachtlich, in welchem Verhältnis der Wert des übergehenden immateriellen Wirtschaftsguts zum Gesamtwert der Wirtschaftsgüter steht, die beim übernehmenden verbundenen Transaktionspartner bereits vorhanden sind. Es verbliebe bei der Einzelübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter lediglich der qualitative Maßstab, der sich allerdings auf eine übergehende Funktion bezieht. Da allerdings bei der Einzelübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter gerade keine Funktion verlagert wird, ist auch dieser qualitative Maßstab praktisch nicht anwendbar. Insbesondere ist die Erforderlichkeit des immateriellen Wirtschaftsguts für den übernehmenden Transaktionspartner unbeachtlich. Insgesamt lässt sich feststellen, dass für die Einzelübertragung immaterieller Wirtschaftsgüter die gesetzlichen Regelungen zum Wesentlichkeitskriterium dem Bestimmtheitsgebot nicht genügen.

4.205 Doppelte Berücksichtigung von Prognoserisiken. Die gesetzliche Vermutung stützt sich aus-

drücklich darauf ab, dass „zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarungen bestanden.“ Üblicherweise tragen fremde Dritte diesem Risiko jedoch nicht durch eine Anpassungsklausel, sondern durch die explizite Berücksichtigung des Risikos im Bewertungskalkül Rechnung.2 Nach dem IDW S 5 erfolgt dies konkret durch Berücksichtigung des Risikos entweder im Kapitalisierungszinssatz (Risikozuschlagsmethode) oder durch Anpassung der erwarteten Erträge (Sicherheitsäquivalent).3 Diesem Bewertungsstandard folgt auch die Finanzverwaltung, wenn von der Funktionsverlagerung vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind.4 Angesichts der in § 5 FVerlV geforderten Anwendung der Risikozuschlagsmethode wird mithin die zum Übertragungs-/Bewertungsstichtag vorhandene Unsicherheit doppelt berücksichtigt, was nicht sachgerecht sein kann.5

4.206 Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen. Die VWG-Funktionsverlagerung führen in

Tz. 135 die (zwingende) Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel ausdrücklich auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurück. Hiernach „vereinbaren ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter Preisanpassungsklauseln, wenn die Wertbestimmung […] zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 75. 2 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 107. 3 Vgl. IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 27. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 89. 5 Vgl. Greinert, Ubg 2010, 107.

474 | Baumhoff/Liebchen

B. Internationale Einkunftsabgrenzung auf der Grundlage des Fremdvergleichs | Rz. 4.208 Kap. 4

erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.“1 Hieran verwundert zum einen, dass das Gesetz das Bestehen von „Unsicherheiten“ unterstellt, während die Finanzverwaltung die zwingende Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel bei „erheblichen Unsicherheiten“ sieht. Zum anderen beruft sich die Finanzverwaltung auf die OECD-Leitlinien (Tz. 3.72 f., 9.88 OECD-Leitlinien). Die dortigen Ausführungen tragen die Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nicht. Denn Tz. 3.73 OECD-Leitlinien führt – im Wesentlichen identisch mit Tz. 9.88 OECD-Leitlinien – hierzu aus: „Die Hauptfrage besteht dabei darin, ob die Bewertung von vornherein eine derart hohe Unsicherheit aufwies, dass die Vertragsparteien, hätte es sich um Fremdgeschäftsvorfälle gehandelt, einen Preisanpassungsmechanismus verlangt hätten, oder ob die Wertveränderung eine derart grundlegende Entwicklung darstellte, dass sie zu einer Neuverhandlung des Geschäftsvorfalls geführt hätte.“2 Mithin wird gerade die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel selbst einem Fremdvergleich anheimgestellt, ohne für dessen Durchführung konkrete Vorgaben zu machen oder gar das Ergebnis vorwegzunehmen. Der entscheidende Unterschied zwischen der Auffassung der OECD und § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG besteht in der Beweislastverteilung. Während die OECD von einer Beweislast der Finanzverwaltung ausgeht,3 ist innerstaatlich mittels einer widerlegbaren Vermutung eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen geregelt.4 Bestimmung des Anpassungsbetrags. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG ist einmalig ein angemessener Anpassungsbetrag auf den ursprünglichen Verrechnungspreis der Besteuerung des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen, das dem Jahr folgt, in dem die Abweichung eingetreten ist. Was unter einer angemessenen Anpassung in diesem Sinne zu verstehen ist, definiert § 11 FVerlV. Hiernach ist eine Anpassung angemessen, wenn sie in Fällen einer erheblichen Abweichung i.S.d. § 10 Satz 1 FVerlV dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen und dem neu ermittelten Verrechnungspreis entspricht (§ 11 Satz 1 FVerlV). Eine erhebliche Abweichung i.S.d. § 10 Satz 1 FVerlV besteht, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung und des hiernach bestimmten neuen Einigungsbereichs zutreffende Verrechnungspreis außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt. In den Fällen des § 10 Satz 3 FVerlV, in denen eine erhebliche Abweichung auch dann vorliegt, wenn der auf Grundlage der tatsächlichen Gewinnentwicklungen bestimmte Höchstpreis niedriger ist als der ursprüngliche Mindestpreis, ist die Anpassung nach § 11 Satz 3 FVerlV angemessen, wenn sie dem Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Verrechnungspreis und dem Mittelwert zwischen dem neuen Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens und dem ursprünglichen Mindestpreis des verlagernden Unternehmens entspricht. Eine Anpassung nach § 11 Satz 3 FVerlV kann allerdings nur eingeschränkt auf Grundlage von § 1 Abs. 3 Satz 12 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AStG vorgenommen werden (Rz. 4.202).5

4.207

Preisanpassungsmechanismen bei schwer bewertbaren iWGs. Die OECD-Leitlinien i.d.F. der Abschlussberichte zum BEPS-Projekt führen im Zusammenhang mit schwer bewertbaren immateriellen Wirtschaftsgütern aus, dass die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bestimmen sein soll.6 Ausdrücklich erkennen die OECD-Leitlinien an, dass es fremdvergleichskonform sein kann, bei einer Transaktion mit immateriellen Werten die Risiken künftiger Entwicklungen vollständig auf einen der Vertragspartner zu übertragen.7 Diese Aussage relativieren die OECD-Leitlinien im Zusammenhang mit Lizenzgebühren dahin-

4.208

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 135. 2 Tz. 3.73 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. hierzu auch Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 278 f. 4 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 141. 5 Vgl. ferner zur Inbound-Funktionsverlagerung Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 243. 6 Vgl. Tz. 6.181, 6.183 u. 6.185 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Tz. 6.184 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 475

Kap. 4 Rz. 4.209 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen gehend, dass in Fällen, in denen die späteren Entwicklungen die fundamentalen, für die Bewertung ausschlaggebenden Annahmen ändern würden, auch unabhängige Dritte möglicherweise Preise nachverhandeln würden, sofern dies zum beiderseitigen Vorteil wäre.1 Dies setzt – auch unter Fremdvergleichsgesichtspunkten – allerdings zwingend voraus, dass diese Handlungsalternativen gesetzlich und/oder vertraglich tatsächlich bestehen. Das Kernproblem dieser Auffassung sollte allerdings darin bestehen, dass zukünftige Veränderungen nur in Ausnahmefällen zum Vorteil beider Vertragspartner sind und deshalb auch das Festhalten der Vertragspartei, zu dessen Vorteil die unvorhergesehenen Entwicklungen sind, unter Fremdvergleichsgesichtspunkten zu beurteilen ist. Deutlich kritischer ist die Öffnung der OECD-Leitlinien zu ex post gewonnenen Erkenntnissen als Indiz für die Beurteilung der Fremdüblichkeit der Transaktion zu sehen,2 wobei die relevanten Fallgruppen völlig unklar sind und die Gefahr der fiskalisch motivierten Einseitigkeit auf der Hand liegt.3 Dem Steuerpflichtigen wird letztlich aufgezwungen, die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen ex post gewonnene Informationen für die betreffenden Transaktion nicht zulässig sind. Nach Tz. 6.193 der OECD-Leitlinien muss hierfür mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Der Steuerpflichtige kumulativ (i) die seinen Prognosen zugrunde liegenden Informationen einschließlich der Behandlung von Risiken offenlegt und die Angemessenheit der Berücksichtigung vernünftigerweise vorhersehbarer Ereignisse und unterstellter Eintrittswahrscheinlichkeiten darlegt sowie (ii) glaubhaft machen kann, dass wesentliche Abweichungen zwischen Prognosen und tatsächlichen Ergebnissen auf unvorhersehbare Entwicklungen oder das Eintreten vorhersehbarer Szenarien, deren Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich falsch eingeschätzt wurde, zurückzuführen sind. 2. Die vertragliche Verteilung spezifischer, wirtschaftlich erheblicher Risiken nach den Bedingungen der Geschäftsbeziehung wird festgestellt. 3. Die Transaktion ist Gegenstand eines bi- oder multilateralen Vorabverständigungsverfahrens zwischen den Ländern des Übertragenden und des Übernehmenden für den betreffenden Zeitraum. 4. Wesentliche Abweichungen zwischen den Prognosen und den tatsächlichen Ergebnissen führen zu keiner Abweichung von mehr als 20 % des vereinbarten Verrechnungspreises zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls. 5. Innerhalb einer fünfjährigen Verwertung des immateriellen Werts treten keine Abweichungen zwischen den tatsächlichen Ergebnissen und den ursprünglichen Prognosen um mehr als 20 % der ursprünglichen Prognosen für diesen Zeitraum ein.

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung I. Überblick 4.209 Klassische Methoden. Die Konkretisierung des Fremdvergleichs der Höhe nach erfolgt durch sog.

Verrechnungspreismethoden. Zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise kommen zunächst grundsätzlich die drei national wie international anerkannten und gebräuchlichen klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung – bisher häufig auch als Standardmethoden bezeichnet – in Betracht, nämlich – die Preisvergleichsmethode, 1 Vgl. Tz. 6.184 f. OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 6.186 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Siehe hierzu ausführlich Engelen, IStR 2016, 146.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.212 Kap. 4

– die Wiederverkaufspreismethode und – die Kostenaufschlagsmethode. Gewinnorientierte Methoden. Daneben können zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG als eine „andere geeignete Methode“ nach den VWG-Verfahren wie nach den OECD-Leitlinien1 die sog. gewinnorientierten Methoden herangezogen werden. Hierbei sind die geschäftsvorfallbezogenen von den nicht-geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden zu unterscheiden. Als mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar werden national2 wie international3 nur die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden angesehen, nämlich die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) und die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Profit-Split-Method). Sie untersuchen die Gewinne aus verbundinternen Geschäftsvorfällen und vergleichen diese mit Gewinnen voneinander unabhängiger Unternehmen aus vergleichbaren Geschäftsvorfällen.

4.210

Globale Gewinnaufteilungsmethode. Dagegen ist die globale Gewinnaufteilungsmethode, bei der ein konsolidierter (Konzern-)Gewinn aller Konzerneinheiten ermittelt und anhand bestimmter Schlüsselgrößen (z.B. das eingesetzte Vermögen, die Lohnsumme oder der Umsatz) auf die nationalen Konzerngesellschaften aufgeteilt wird, nach Auffassung der OECD nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar. Sie wird von der OECD kategorisch abgelehnt und als „nicht realistische Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz“4 angesehen. Insofern steht sie nicht im Einklang mit Art. 9 OECD-MA. Die strikte Ablehnung der globalen formelhaften Gewinnaufteilungsmethode durch die OECD ist insbesondere auch im Hinblick auf die Bemühungen der EU zur Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB; „Common Consolidated Corporate Tax Base“ = CCCTB) als ausgesprochen bemerkenswert anzusehen. Diese haben bekanntlich nach 10-jährigen Vorarbeiten zur Veröffentlichung eines Richtlinienentwurfs der Europäischen Kommission am 16.3.2011 geführt, der auf eine Option zur GKKB abstellt.5 Am 25.10.2016 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Neuauflage der GKKB vorgelegt, die in zwei Stufen implementiert und für die größten Unternehmensgruppen in der EU verpflichtend werden soll.6

4.211

Gewinnvergleichsmethode. Nach Auffassung der OECD ist auch die Gewinnvergleichsmethode (Comparable-Profit-Method) mangels Transaktionsbezugs nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar.7 Hierbei geht die OECD davon aus, dass die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Allgemeinen auf einem transaktionsbezogenen Vergleich basiert.8 Kann dieser Transaktionsbezug jedoch dadurch hergestellt werden, dass die Betriebsgewinne einzelnen Geschäftsvorfällen zuordenbar sind, und besteht deshalb eine Vergleichbarkeit mit Fremdgeschäften, genügt auch die Gewinnvergleichsmethode den Anforderungen an eine Vergleichbarkeitsanalyse

4.212

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. d. 3 Vgl. Tz. 2.4 OECD-Leitlinien 2017. 4 Tz. 1.21 OECD-Leitlinien 2017. 5 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), KOM (2011), 121/4. Siehe hierzu Lenz/Rautenstrauch, DB 2011, 726; Scheffler/Krebs, DStR 2011, Beihefter zu Heft 22, 13; Förster/Krauss, IStR 2011, 607. 6 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), COM (2016) 683 final; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, COM (2016) 685 final; siehe auch Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 25.10.2016. 7 Vgl. Tz. 2.62 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Tz. 2.6 OECD-Leitlinien 2017.

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Kap. 4 Rz. 4.213 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen i.S.d. OECD-Leitlinien.1 Insofern akzeptieren auch die OECD-Leitlinien die Gewinnvergleichsmethode als eine mit dem Fremdvergleich vereinbare Methode.2 Die deutsche Finanzverwaltung geht hingegen pauschal davon aus, dass die Gewinnvergleichsmethode nicht zu fremdvergleichskonformen Ergebnissen führe und lehnt diese Methode deshalb ab.3 Ebenso wird sie etwa in Großbritannien, Japan, Frankreich und den Niederlanden nicht als eigenständige Verrechnungspreismethode anerkannt.4 Gleichwohl ist in der Betriebsprüfungspraxis immer wieder festzustellen, dass es gerade gesamtunternehmensbezogene Renditevergleiche sind, die methodisch auf die Gewinnvergleichsmethode zurückgehen, mittels derer die Unangemessenheit von Verrechnungspreisen behauptet wird.

II. Klassische Methoden 1. Preisvergleichsmethode a) Vorgehensweise der Preisvergleichsmethode

4.213 Form des tatsächlichen Fremdvergleichs. Die Preisvergleichsmethode5 orientiert sich zur Bestim-

mung von Verrechnungspreisen an Entgelten, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten am Markt vereinbart werden (Marktpreise). Damit ist sie die einzige Methode, die zur Ermittlung von Vergleichstatbeständen einem tatsächlichen Fremdvergleich (Rz. 4.158 ff.) standhält. Entsprechend der Unterteilung des tatsächlichen Fremdvergleichs in einen innerbetrieblichen und einen zwischenbetrieblichen Vergleich lässt sich bei Anwendung der Preisvergleichsmethode zwischen einem 1. inneren Preisvergleich (betriebsindividuelle Preise) und einem

2. äußeren Preisvergleich (markt- oder branchenübliche Preise) unterscheiden. Wichtigste Voraussetzung für die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist eine direkte Vergleichbarkeit (direkter Preisvergleich) oder zumindest indirekte Vergleichbarkeit (indirekter Preisvergleich) der Verhältnisse, wovon immer dann auszugehen ist, wenn sowohl die Art und Ausgestaltung der Vergleichsobjekte als auch die Nebenbedingungen des Vergleichsgeschäftes mit dem zu beurteilenden Geschäft in allen wesentlichen Einzelheiten übereinstimmen oder abweichende Merkmale durch Korrekturen eliminiert werden können (Rz. 4.108 ff.).

4.214 Identität der Leistungsbeziehungen? Demgegenüber verlangt der BFH in seinem Urteil vom 6.4.

20056, dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen“.7 Mit der Forderung nach einer Identität der Leistungsbeziehungen werden zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Verhältnisse gestellt. Vergleichbarkeit bedeutet nämlich keine Identität, also Deckungsgleichheit der Verhältnisse. Vielmehr ist Vergleichbarkeit bereits dann gegeben, wenn die Vergleichsobjekte ähnlich mit Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sind. Auch § 1 1 Vgl. hierzu auch Vögele/Raab in V/B/E4, D Rz. 371 f.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, 56. 2 Vgl. Tz. 2.62 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. d. 4 Siehe Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, 56 m.w.N. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2; Tz. 2.14 ff. OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 7 Siehe auch FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334 – Rev. I R 4/17. Das Gericht hat unter Hinweis darauf, dass nicht im Wesentlichen identische Leistungsbeziehungen vorliegen, die Ableitung von Konzernfinanzierungszinssätzen sowohl mittels äußeren als auch mittels inneren Preisvergleichs abgelehnt. Siehe hierzu auch Stein/Schwarz/Nientimp, DB 2017, 1169.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.217 Kap. 4

Abs. 3 Sätze 1 u. 2 AStG sowie die Finanzverwaltung fordern keine uneingeschränkte Vergleichbarkeit, vielmehr reicht unter bestimmten Umständen auch eine eingeschränkte Vergleichbarkeit.1 Preisbandbreiten. Lassen sich mit Hilfe der Preisvergleichsmethode im Einzelfall mehrere, unterschiedlich hohe Vergleichspreise ermitteln, bilden diese ein Preisband. Die Existenz derartiger „Preisbänder“ erwähnt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG ausdrücklich („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“). Sie ist ferner sowohl von der deutschen Finanzverwaltung2 und der Rechtsprechung3 als auch von der OECD4 anerkannt. Zu der sich daraus zwangsläufig ergebenden Frage, welcher Wert innerhalb dieser Bandbreite im Einzelfall in concreto anzusetzen ist, hat der BFH festgestellt, dass sich die Finanzverwaltung im Regelfall an der für den Steuerpflichtigen günstigeren Oberoder Untergrenze der Bandbreite von möglichen Fremdvergleichspreisen zu orientieren habe.5 Dieser Vorgehensweise liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass innerhalb der maßgeblichen Bandbreite von Fremdvergleichspreisen letztlich jeder Wert dem Fremdvergleich entspricht und insoweit eine Rechtsgrundlage für eine Einkünftekorrektur fehlt. Allerdings ist diese Rechtsprechung legislativ eingeschränkt. Sie hat nur noch insofern Bestand, als die Preisbandbreite auf uneingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen zurückgeht. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige jeden beliebigen Wert aus der Bandbreite wählen.6 Sind demgegenüber die Vergleichsdaten allenfalls eingeschränkt vergleichbar, ist die Bandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Aus dieser mittels der Methode der „Interquartile Range“ oder – besser geeigneter – mathematischer Verfahren eingeengten Bandbreite kann der Steuerpflichtige zwar jeden Preis ansetzen. Es kommt allerdings gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt (Rz. 4.318 ff.).

4.215

b) Innerer Preisvergleich Allgemeines. Ein innerer Preisvergleich setzt voraus, dass ein Konzernunternehmen die gleiche Lieferung oder Leistung unter vergleichbaren Verhältnissen sowohl gegenüber verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erbringt bzw. sowohl von verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erhält. Damit erweist sich der innere Preisvergleich immer dann als besonders geeignet, wenn ein internationaler Unternehmensverbund über organisatorisch und rechtlich selbständige Unternehmen verfügt, die sowohl zu verbundenen wie unverbundenen Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit einem vergleichbaren Liefer- oder Leistungsprogramm unterhalten.

4.216

Vergleich marktentstandener Preise. Trotz der Tatsache, dass ein verbundenes Unternehmen an der als Vergleichsobjekt fungierenden Transaktion als Vertragspartner beteiligt ist, besitzen die über einen inneren Preisvergleich ermittelten Verrechnungspreise den Charakter marktentstandener Preise, da die Entscheidungsträger beider beteiligten Unternehmen jeweils ihre eigenen erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgen und somit zwischen diesen ein „natürlicher“ Interessengegensatz besteht. Diese Feststellung gilt jedenfalls solange, als es sich um ein unbeeinflusstes, marktentstandenes Geschäft („Bona-Fide-Geschäft“) handelt.

4.217

Das setzt allerdings voraus, dass ein verbundenes Unternehmen bewusst keine ungewöhnlichen, wirtschaftlich nicht plausiblen Bedingungen akzeptiert. Wäre dies der Fall, so läge die Vermutung nahe, dass die unüblichen Bedingungen im Hinblick auf die Schaffung einer geeigneten Ver1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1555 f. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.9.; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.5. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 Vgl. Tz. 3.55 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; ausführlich hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 355 ff. m.w.N. 6 § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG.

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Kap. 4 Rz. 4.218 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen gleichsbasis für konzerninterne Leistungsbeziehungen eingegangen wurden. Dies würde letztlich zu einer missbräuchlichen Anwendung der Preisvergleichsmethode führen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings das BFH-Urteil vom 28.6.20021, nach dem Mängel eines Vertrages unter Angehörigen nicht ohne weiteres auf eine private Veranlassung hindeuten, wenn die durch den Steuerpflichtigen mit fremden Dritten abgeschlossenen Verträge ebenfalls derartige Mängel aufweisen. Überträgt man diese Aussage auf die Anwendung des Fremdvergleichs im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung, könnten auch von einem ordentlichen Geschäftsleiter nicht akzeptierte Vereinbarungen, soweit sie tatsächlich gegenüber fremden Dritten getroffen werden, als Vergleichsmaßstab im Rahmen der Preisvergleichsmethode fungieren. Ein tatsächlicher Preisvergleich wäre somit selbst in den Fällen maßgeblich, in denen der daraus abgeleitete Verrechnungspreis einem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 4.164 ff.) nicht standhält.

4.218 Mindestvolumen verbundexterner Referenztransaktionen. Damit die mittels inneren Preisver-

gleichs abgeleiteten Preise ihre objektivierende Wirkung i.S. marktentstandener Preise entfalten können, ist ferner ein Mindestvolumen verbundexterner Referenztransaktionen erforderlich. Anderenfalls muss man sich ggf. des Verdachts erwehren, die verbundexternen Geschäfte allein zum Zwecke der Verrechnungspreisrechtfertigung abgeschlossen zu haben.2 Diese Anforderung lässt sich auch aus der Rechtsprechung des BFH ableiten, der die Voraussetzungen eines betriebsinternen Fremdvergleichs nicht als gegeben ansah, wenn die Referenztransaktionen lediglich 5 % des Gesamtumsatzes ausmachen.3 c) Äußerer Preisvergleich

4.219 Allgemeines. Der äußere Preisvergleich stellt im Rahmen eines zwischenbetrieblichen Vergleichs

auf den Liefer- und Leistungsverkehr zwischen unverbundenen Unternehmen, z.B. der gleichen Branche, ab. Der Unterschied zum inneren Preisvergleich besteht darin, dass am Zustandekommen des Vergleichsgeschäfts kein verbundenes Unternehmen beteiligt war. Der äußere Preisvergleich kommt insbesondere für homogene Liefergegenstände, standardisierte, marktgängige Dienstleistungen sowie für normierte oder an Warenbörsen gehandelte Waren in Betracht, also für marktgängige, branchenübliche Lieferungen und Leistungen, die gleichartig und gleichwertig sind. Entsprechende Vergleichspreise lassen sich ableiten aus Börsen- oder Marktnotierungen, branchenüblichen Abschlüssen, Preisübersichten von Verbänden und amtlichen Stellen sowie aus Honorarund Gebührentabellen.4

4.220 Secret Comparables. Zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs ist auch die Heranziehung von Datenbanken, wie etwa die Lizenzkartei des Bundeszentralamts für Steuern,5 denkbar. So ist nach Auffassung des BFH im Urteil vom 17.10.2001 die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten (sog. „secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich zulässig.6 Dies gilt unabhängig davon, ob die Daten allgemein zugänglich sind oder nicht. Vor diesem Hintergrund darf sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerpflichtige Datenbanken aufbauen und verwenden, selbst wenn die entsprechenden Daten nicht allgemein zugänglich sind. Der Beweiswert der aus anonymisierten Datenbanken ermittelten Vergleichsdaten ist allerdings nach Ansicht des BFH davon abhängig, ob die verwendete Datenbank qualitativen Min1 Vgl. BFH v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; dazu kritisch Hoffmann, GmbH-StB 2003, 110 f. 2 Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 402. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 sowie hierzu Baumhoff, IStR 2001, 751 ff. 4 Zur Heranziehung von Gebührenordnungen für konzerninterne Dienstleistungen vgl. BFH v. 23.6. 1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.149. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.2.2. 6 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Kuckhoff/Schreiber, IWB, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 1871 ff.

480 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.223 Kap. 4

destanforderungen genügt. Deshalb steht es den Finanzgerichten offen, Rückfragen über die Zusammenstellung und Ableitung der anonymisierten Vergleichsdaten zu stellen. Sollten diese aus Gründen des Steuergeheimnisses oder aus anderen Gründen nicht beantwortet werden können, geht dies zu Lasten des Beweiswertes der angeführten Vergleichsdaten.1 Ferner knüpft die Finanzverwaltung an einen datenbankgestützten Fremdvergleich erhebliche Anforderungen.2 Zudem unterliegen Datenbank- und Benchmark-Analysen erhöhten Dokumentationsanforderungen insbesondere im Hinblick auf die Prüfbarkeit.3 d) Anwendungsbereiche Umfangreiche Anwendungsvoraussetzungen. Die Anwendung der Preisvergleichsmethode, die in der Literatur allgemein als das ideale Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen angesehen wird, stößt in der Praxis häufig auf schwerwiegende Probleme. Trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen für bestimmte Lieferungen und Leistungen scheitert ein Preisvergleich häufig aufgrund der Tatsache, dass die zuvor diskutierten umfangreichen Anwendungsvoraussetzungen, die sich aus dem Postulat der Vergleichbarkeit der Verhältnisse ergeben, infolge der Unvollkommenheit der Märkte im konkreten Einzelfall meistens entweder nicht erfüllt sind oder sich die Einflüsse abweichender Transaktionsbedingungen bei potenziellen Vergleichstatbeständen nicht eliminieren lassen.4 Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass bei vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten entsprechende Vergleichspreise vielfach nicht zur Verfügung stehen bzw. nicht feststellbar sind, ganz abgesehen von dem großen Bereich nicht marktüblicher und marktfähiger konzernspezifischer Lieferungen und Leistungen, für die externe Märkte und somit verwertbare Vergleichstransaktionen völlig fehlen.

4.221

Grenzen der Anwendung der Preisvergleichsmethode. Daher kann die Preisvergleichsmethode für die Ermittlung und Beurteilung von Verrechnungspreisen allenfalls als begrenzt verwendbar angesehen werden, da sie nur in speziellen Fällen, in denen sämtliche Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, konkrete Anhaltspunkte für die Entgeltsbemessung liefern kann. In einer Vielzahl von Fällen lassen sich die Vergleichspreise entweder gar nicht oder nur innerhalb gewisser Bandbreiten feststellen. Wassermeyer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Preisvergleichsmethode allenfalls in 5 % der einschlägigen Fälle herangezogen werden kann.5 Gleichwohl ist sie in der Praxis internationaler Konzerne sowohl bei Lieferungen von Gütern und Waren als auch bei der Erbringung konzerninterner Dienstleistungen die nach der Kostenaufschlagsmethode dominierende Methode (27 % bzw. 21 %); bei der Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter wird die Fremdüblichkeit der Lizenzgebühren sogar vornehmlich methodisch auf den inneren Preisvergleich (22 %) und den äußeren Preisvergleich (21 %) abgestützt.6

4.222

BEPS. Im Rahmen der Maßnahme 10 des BEPS-Projekts der G20/OECD wurde u.a. die Anwendung der Preisvergleichsmethode auf Geschäftsvorfälle mit Rohstoffen („Commodity Transactions“) untersucht und es wurden entsprechende Empfehlungen in Tz. 2.17–2.22 OECD-Leitlinien 2017 aufgenommen.7 Hiernach

4.223

1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 2.6. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.4; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 214 ff.; Kolb, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2391 ff. 3 Vgl. § 4 Abs. 3 GAufzV. 4 Zur Notwendigkeit und Durchführung entsprechender Anpassungsrechnungen vgl. Scholz/Ackermann/Schmitt, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1779 ff.; Dawid/Dorner, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 1549 ff.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1944. 5 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 536 f. 6 Vgl. hierzu auch Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey, 13. 7 Vgl. Tz. 2.17–2.22 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 481

Kap. 4 Rz. 4.224 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – ist die Preisvergleichsmethode grundsätzlich eine geeignete Verrechnungspreismethode für Geschäftsvorfälle mit Rohstoffen zwischen verbundenen Unternehmen, – können notierte Preise unter Beachtung bestimmter Überlegungen Maßstab für einen fremdüblichen Verrechnungspreis für Geschäftsvorfälle mit Rohstoffen zwischen verbundenen Unternehmen sein, – sollten hinreichend genaue Vergleichbarkeitsanpassungen – soweit erforderlich – vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die betriebswirtschaftlich relevanten Merkmale („economically relevant characteristics“) von Geschäftsvorfällen zwischen Nahestehenden und zwischen voneinander Unabhängigen vergleichbar sind. Ferner enthält Tz. 2.22 OECD-Leitlinien 2017 Empfehlungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Preissetzung („pricing date“) für Geschäftsvorfälle mit Rohstoffen zwischen verbundenen Unternehmen, die insb. auf die vertraglichen Vereinbarungen und das tatsächliche Verhalten abstellen.1 2. Wiederverkaufspreismethode a) Vorgehensweise der Wiederverkaufspreismethode

4.224 Retrograde Preisbestimmung. Die Wiederverkaufspreismethode,2 auch Absatzpreismethode ge-

nannt, ist grundsätzlich anwendbar, wenn ein verbundenes Unternehmen einem anderen verbundenen Unternehmen Lieferungen oder Leistungen erbringt bzw. von diesem empfängt und diese Lieferungen oder Leistungen danach an fremde Dritte weiterveräußert werden. Dabei wird der Marktpreis aus dem Wiederverkauf (Wiederverkaufspreis) retrograd im Wege einer Spannenrückrechnung, deren Höhe sich an den Funktionen und den Risiken des Wiederverkäufers orientiert, gekürzt, um so zu dem Einkaufspreis des wiederverkaufenden Unternehmens (der gleichzeitig der Verkaufspreis des Verkäufers an den Wiederverkäufer ist) zu gelangen. Der Marktpreis bei Wiederverkauf der Lieferung oder Leistung an fremde Dritte bildet damit die Ausgangsbasis der Wiederverkaufspreismethode. Der angemessene Verrechnungspreis wird also auf retrogradem Weg durch Subtraktion bestimmt: ./.

Marktpreis bei Wiederverkauf an Dritte marktübliche Handelsspanne des Wiederverkäufers

=

angemessener Verrechnungspreis

4.225 Anwendungsbereich. Diese Art der Ermittlung des angemessenen Verrechnungspreises rechtfer-

tigt daher auch die Bezeichnung „Marktpreis-Minus-Methode“ für die Wiederverkaufspreismethode. Die Methode eignet sich besonders für die Bestimmung von Verrechnungspreisen gegenüber Vertriebsunternehmen.3 Vorherrschend ist sie beispielsweise bei Pharmaunternehmen,4 nicht zuletzt um staatlichen Preisregulierungsvorschriften im Gesundheitswesen Rechnung zu tragen.5 Sie kann auch dann angewandt werden, wenn eine Ware oder ggf. auch Leistung über eine ganze Kette Nahestehender läuft, so dass u.U. von dem Marktpreis bei Wiederverkauf an Fremde über alle Stufen jeweils um eine Stufe zurückgerechnet wird.6

1 Vgl. Tz. 2.22 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.3; Tz. 2.26 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. auch Tz. 2.27 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Moebus in Schaumburg (Hrsg.), Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 138; Andresen, IStR 2004, 355; Baumhoff, IStR 2006, 320. 5 Vgl. Andresen, IStR 2004, 355. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.3; Tz. 2.39 OECDLeitlinien 2017.

482 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.228 Kap. 4

b) Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne Rückgriff auf tatsächlichen Fremdvergleich. Während der mit dem unabhängigen Käufer tatsächlich vereinbarte Preis einen objektivierten Wert und somit ein „Datum“ darstellt, besteht die Schwierigkeit der Wiederverkaufspreismethode in der Bestimmung der „marktüblichen“ Handelsspanne.1 Zur Bestimmung der Handelsspanne kann zunächst auf einen tatsächlichen Fremdvergleich zurückgegriffen werden. Dies setzt eine uneingeschränkte, jedenfalls aber eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der Referenztransaktionen voraus (Rz. 4.108 ff.). Während bei der Preisvergleichsmethode vergleichbare Preise heranzuziehen sind, kommt es bei der Wiederverkaufspreismethode auf vergleichbare Handelsspannen an.

4.226

Äußerer Margenvergleich. Dazu ist es erforderlich, branchenzugehörige, unabhängige Vergleichsunternehmen der gleichen Handelsstufe als Vergleichsobjekte zu identifizieren. Eine derartige Ermittlung der marktüblichen Handelsspanne würde – in Anlehnung an den sog. „äußeren Preisvergleich“ (Rz. 4.219 f.) – im Wege des äußeren Margenvergleichs erfolgen, also durch Heranziehung der Handelsspannen solcher Zwischenhändler, die sowohl von Fremden erwerben als auch an Fremde weiterverkaufen. Dies kann etwa mittels einer Datenbankanalyse geschehen (Rz. 4.108, 4.163 und 4.219). Hierbei kommt Unterschieden in den Produkteigenschaften eine im Vergleich zur Preisvergleichsmethode geringere Bedeutung zu.2 Allerdings gilt dies nur insofern, als die Produktunterschiede nicht die Vergleichbarkeit der ausgeübten Vertriebsfunktionen erheblich beeinflussen.3 Bei der Ermittlung der angemessenen Handelsspanne kommt vielmehr der Vergleichbarkeit der ausgeübten Funktionen und der getragenen Risiken des Wiederverkäufers sowie der Geschäftsbedingungen der größere Stellenwert zu.4

4.227

Datenbankanalyse. Die Ableitung fremdüblicher Handelsspannen mittels Datenbankanalyse erfordert Informationen über transaktionsbezogene Bruttomargen bei Fremdgeschäften, die ausgeübten Funktionen und die getragenen Risiken des externen Wiederverkäufers, die Vertragsbedingungen, die Kostenstruktur und -situation der Unternehmen (auf Grundlage von Informationen über Kostenrechnungssysteme, angewandte Rechnungslegungsstandards, Ausübung bilanzieller Wahlrechte etc.), die Marktstrukturen und Geschäftsstrategien.5 Hierbei sind transaktionsbezogene Bruttomargen bzw. Handelsspannen regelmäßig äußerst sensible Informationen, die fremden Dritten üblicherweise nicht zugänglich gemacht werden, weil aus ihnen Rückschlüsse auf die Gewinnsituation des betreffenden Unternehmens und die Konzessionsbereitschaft bei Preisverhandlungen gezogen werden können. Gleiches gilt selbstverständlich uneingeschränkt auch für Informationen über die Kostenstruktur und -situation des betreffenden Unternehmens. Insofern greift die Verrechnungspreispraxis vornehmlich auf Unternehmensdatenbanken zurück, die allerdings ausschließlich publizitätspflichtige Jahresabschlussdaten enthalten, aus denen standardisierte, unternehmensbezogene Bilanz- und GuV-Kennzahlen abgeleitet werden können. Diese Daten der externen Rechnungslegung weisen keinen Transaktionsbezug auf und sind deshalb für Vergleichbarkeitsanalysen nur bedingt geeignet. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund einer Verpflichtung zur Segmentberichterstattung Daten für abgrenzbare Teileinheiten diversifizierter Unternehmen verfügbar sind. Denn die Datenqualität beschränkt sich hier bestenfalls auf einzelne Produktgruppen. Ferner enthalten Unternehmensdatenbanken keine Informationen über den jeweiligen Funktions- und Risikoumfang und die jeweiligen Geschäftsbedingungen. Vor diesem Hintergrund kön-

4.228

1 Vgl. Tz. 2.34 ff. OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. 2.29 und 2.32 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. auch Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Tz. 2.25 Anm. 117; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreisemethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 165. 4 Vgl. hierzu Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreisemethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 164 ff. 5 Siehe hierzu vergleichende Übersicht bei Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreisemethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 406.

Baumhoff/Liebchen | 483

Kap. 4 Rz. 4.229 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nen allenfalls Daten von Unternehmen einigermaßen verlässlich herangezogen werden, die ein relativ homogenes Produkt- bzw. Leistungsprogramm aufweisen oder nur wenige Funktionen ausüben und lediglich in geringem Umfang Kapital und Wirtschaftsgüter einsetzen. Nur in solchen Fällen wird es in der Praxis möglich sein, Unternehmenskennzahlen potentiell vergleichbarer Unternehmen auf einzelne Transaktionen herunterzubrechen.1 Dies allerdings beschränkt den Margenvergleich von Bruttomargen letztlich auf Routineunternehmen.2 Es verbleibt auch hier die mangelnde Kenntnis über die konkrete Bilanzierungspraxis. Wie Kaminski zu Recht ausführt, impliziert die Verwendung unternehmensbezogener Daten einen umfassenden Vorteilsausgleich (Rz. 4.471 ff.) bzw. eine Palettenbetrachtung (Rz. 4.478 f.)über das gesamte Produkt- und Leistungsprogramm des betreffenden Unternehmens.3

4.229 Innerer Margenvergleich. Analog zum sog. „inneren Preisvergleich“ ist daneben auch eine Ermitt-

lung der marktüblichen Handelsspanne über den inneren Betriebsvergleich denkbar. Dies betrifft bspw. Fälle, in denen ein konzernzugehöriger Wiederverkäufer bestimmte Lieferungen oder Leistungen gleichermaßen sowohl an fremde Dritte als auch an verbundene Unternehmen verkauft. Allerdings muss es sich beim Vergleichsgeschäft auch hier um ein sog. „Bona-Fide-Geschäft“ handeln (Rz. 4.216).4 Sofern die Bestimmung der marktüblichen Handelsspanne sowohl über einen inneren als auch über einen äußeren Betriebsvergleich möglich ist, sollte dem inneren Betriebsvergleich der Vorzug gegeben werden. Dies deshalb, weil hierbei das verbundene Unternehmen in den Vergleichstatbestand einbezogen wird, innerbetriebliche Einflussfaktoren Berücksichtigung finden und die relevanten Vergleichsdaten aus dem Rechnungswesen des betreffenden Konzernunternehmens i.d.R. unmittelbar entnommen werden können. Der „innere Margenvergleich“ dürfte sich gegenüber dem „äußeren Margenvergleich“ auch als der praktikablere Weg darstellen, da viele international tätige Unternehmen insbesondere ihre Absatzaktivitäten oft sowohl über verbundene als auch über freie Vertreiber abwickeln. Für den Fall, dass die marktübliche Handelsspanne nicht über den „inneren Margenvergleich“ bestimmbar ist und stattdessen auf einen „äußeren Margenvergleich“ übergegangen werden muss, besteht das zur Datenbankanalyse dargestellte Problem unzureichender Datenqualität.

4.230 Auswahl geeigneter Vergleichsobjekte. Die Skepsis gegenüber Margenvergleichen gilt umso mehr,

als die Unterstellung gleicher Handelsspannen die Gefahr einer Zuweisung normativ bestimmter Gewinnanteile beinhaltet, zumal der Gewinn in der Realität vor allem durch unternehmerisches Geschick und die jeweiligen Marktgegebenheiten determiniert wird.5 Bei der Auswahl geeigneter Vergleichsobjekte ist im Interesse der Vergleichbarkeit der Verhältnisse darauf zu achten, dass die Vergleichsunternehmen die gleiche Stellung wie die verbundenen Unternehmen zueinander haben, über vergleichbare Geschäftsbeziehungen verfügen, dabei ein vergleichbares unternehmerisches Risiko tragen und dass sowohl der Zeitpunkt oder Zeitraum der zu vergleichenden Geschäfte als auch die Konditionen zumindest annähernd gleich sind. Deshalb ist auch im Rahmen der Wiederverkaufspreismethode eine Funktions- und Risikoanalyse durchzuführen (Rz. 4.122 ff.). Die Handelsspanne ist dabei vom Umfang der durch den Vertreiber übernommenen Funktionen und Risiken und der eingesetzten Mittel (z.B. Lagergebäude, Verkaufsräume etc.) abhängig. Insoweit geht ein höherer Funktionsumfang (z.B. bei einem Eigenhändler) gegenüber einem geringeren (z.B. bei einem Kommissionär bzw. Handelsvertreter) regelmäßig mit einer höheren Handelsspanne einher (Rz. 4.345 ff.). 1 Vgl. Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 143; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreisemethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 408. 2 Vgl. Fiehler, IStR 2007, 468. Siehe zur Eignung von Benchmarkstudien bei funktionsschwachen Unternehmen auch Scholz, BB 2011, 1516. 3 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 450. 4 Vgl. dazu auch BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300-12/04, BStBl. I 2004, 270 (aufgeh. durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095, BStBl. I 2010, 391 für ab dem 1.1.2009 verwirklichte Tatbestände). 5 Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 75; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 449.

484 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.235 Kap. 4

Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs. Ist die Ermittlung der „marktüblichen Handelsspanne“ nicht im Wege eines tatsächlichen Fremdvergleichs möglich, ist sie subsidiär nach Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs zu ermitteln. Dazu ist es erforderlich, die Kosten – insbesondere in Form der Vertriebs- und allgemeinen Verwaltungskosten – der Vertriebsgesellschaft im Vorhinein als Plankosten (Rz. 4.257 ff.) zu bestimmen und diese um einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Dies setzt freilich voraus, dass die Kosten – unter Berücksichtigung der erwarteten Umsätze – budgetiert werden. Die Reichweite der Budgetphase sollte dabei an den im betrachteten Konzernverbund üblichen Zeithorizont der Planungsrechnung angepasst werden. Erfahrungsgemäß ist hier eine jährliche Festlegung bzw. Prüfung der Handelsspanne und somit eine einjährige Budgetphase sinnvoll.

4.231

Kombination von Wiederverkaufs- und Kostenaufschlagsmethode. Im Ergebnis bedeutet die Ermittlung der Handelsspanne der Vertriebsgesellschaft mittels eines hypothetischen Fremdvergleichs die Kombination von Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode. Eine solche Vorgehensweise wird sowohl von der deutschen Finanzverwaltung1 und Rspr.2 als auch von den OECD-Leitlinien3 ausdrücklich für zulässig erachtet. Im Übrigen trägt sie der Forderung Rechnung, dass eine Vertriebsgesellschaft im Grundsatz – ggf. nach möglichen temporären Anlaufverlusten – einen angemessenen Gewinn erwirtschaften soll (Rz. 4.153). Denn letztlich wird durch die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode der spezifischen Kostensituation der Vertriebsgesellschaft Rechnung getragen, so dass nur bei Abweichung der Soll- von den Istkosten eine temporäre Verlustsituation entstehen kann.

4.232

Kostenabweichungen. Ergeben sich nach Ablauf der Budgetphase im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleiches Kostenabweichungen, die der Wiederverkäufer zu vertreten hat, so ist eine Änderung bzw. Anpassung der vorher auf Plandaten festgelegten „marktüblichen Handelsspanne“ ausgeschlossen. Anderenfalls würde dem konzerninternen Wiederverkäufer quasi eine „Gewinngarantie“ gegeben, da er über die ihm eingeräumte Handelsspanne stets eine volle Kostendeckung zzgl. eines Risikound Gewinnaufschlags erzielen würde.

4.233

Berücksichtigung von Verlusten. Aber auch bei Festlegung der „marktüblichen Handelsspanne“ im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs ist es keinesfalls auszuschließen, dass dem Vertreiber aus der Produktvermarktung Verluste entstehen.4 Dies ist einerseits damit zu begründen, dass auch fremde Vertreiber – insbesondere in schlechten Markt- und Konjunktursituationen – Verluste erwirtschaften können. Zum anderen kann ein Vertreiber über eine derart negative Verwaltungs- und Vertriebskostenstruktur verfügen (z.B. einen zu aufwendigen Außendienst), dass diese nur von ihm zu vertretenden überhöhten Kosten den Risiko- und Gewinnzuschlag überkompensieren. Ein weiteres Argument kann darin bestehen, dass aufgrund schlechter Markt- und Absatzsituation der Hersteller – temporär – bereits auf eine volle Herstellkostendeckung verzichtet und an den Vertreiber seine Produkte zu Teilkosten abgibt, vom Vertreiber jedoch im Gegenzuge erwartet, dass dieser sich an der schlechten Markt- und Absatzsituation in angemessener Form, d.h. durch ganzen oder teilweisen Verzicht auf seine Handelsspanne ebenfalls temporär beteiligt. Eine solche „temporäre Verlustteilung“ entspricht in jedem Fall dem Fremdvergleichsgrundsatz,5 denn es sind durchaus Fälle denkbar, in denen nicht nur der Produzent oder der Vertreiber aus einer Transaktion Verluste erwirtschaftet, sondern der Konzern als Ganzes.

4.234

Verluste bei Lieferungen an verbundene Eigenhändler. Soweit die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode nicht erfüllt sind, ist nach der Rechtsprechung des BFH der Verrechnungspreis für Lieferungen an als Eigenhändler organisierte Vertriebsgesellschaften „regelmäßig“

4.235

1 2 3 4 5

Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.2. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Vgl. Tz. 2.37 OECD-Leitlinien 2017. Gl.A. Vögele/Raab in V/B/E4, D Rz. 158. So auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 560.

Baumhoff/Liebchen | 485

Kap. 4 Rz. 4.236 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nach der Wiederverkaufspreismethode zu ermitteln.1 Im Rahmen der Anwendung der Wiederverkaufspreismethode ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die nationalen Fisci bei Vertriebsgesellschaften keine nachhaltigen Verluste akzeptieren. Sowohl nach den OECD-Leitlinien2 als auch nach der Rechtsprechung des BFH3 und der Auffassung der Finanzverwaltung würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines Vertriebsunternehmens nur dann ein neues Produkt am Markt einführen und vertreiben, wenn er daraus bei vorsichtiger und vorheriger kaufmännischer Prognose innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Marktentwicklung einen angemessenen Gesamtgewinn erwarten könne. Hierbei soll nach den Urteilen des BFH vom 17.2.19934 und 17.10.20015 eine mögliche Verlustphase der Vertriebsgesellschaft – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – bei neu eingeführten Produkten drei Jahre nicht überschreiten, „erst recht“ nicht beim Weitervertrieb von bereits vorher auf dem Markt eingeführten Produkten. Ferner wird die Anerkennung von Anlaufverlusten zudem von der Erzielung eines „angemessenen“ Totalgewinns innerhalb eines – vom BFH nicht näher quantifizierten – überschaubaren Kalkulationszeitraums abhängig gemacht.6 Das heißt, die nach der Anlaufphase entstehenden Gewinne müssen die Anlaufverluste mehr als kompensieren. Die Höhe dieser „Überkompensation“ soll mindestens der angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals (einschließlich Zinseszins und Risikozuschlags) entsprechen. c) Anwendungsbereiche

4.236 Anwendung auf Eigenhändler-Vertriebsgesellschaften. Hauptanwendungsbereich der Wiederver-

kaufspreismethode ist die Verrechnungspreisermittlung im Zusammenhang mit Vertriebsgesellschaften. Entsprechend dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis ist zwar vorrangig der tatsächliche Fremdvergleich anzuwenden und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Vergleichswerte identifiziert werden können. Die einzige mit ihren Vergleichstatbeständen methodisch auf den tatsächlichen Fremdvergleich zurückgehende (Rz. 4.213) und nach der Rspr. des BFH7 zu präferierende Preisvergleichsmethode ist jedoch mangels Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen regelmäßig nicht anwendbar (Rz. 4.360 f.). Dementsprechend sieht der BFH bei Lieferungen an eine Vertriebsgesellschaft, die als Eigenhändler zu qualifizieren ist, „regelmäßig“ die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vor.8 Dies entspricht der Auffassung sowohl der deutschen Finanzverwaltung9 als auch der OECD.10 Die „marktübliche Handelsspanne“ kann dabei mittels eines tatsächlichen oder – mangels Vergleichsobjekten – subsidiär über einen hypothetischen Fremdvergleich, d.h. anhand der Kostenaufschlagsmethode, ermittelt werden.

4.237 Veredlungstätigkeiten. Wird die Lieferung oder Leistung vor dem Weiterverkauf bearbeitet, wei-

terentwickelt oder in anderer Weise verändert, muss diese verändernde Tätigkeit im Rahmen der Handelsspanne erfasst und bewertet werden. Solche Veränderungen, die häufig unter dem Begriff „Veredelungstätigkeiten“ zusammengefasst werden, dürfen allerdings nicht so weit reichen, dass dadurch eine Lieferung oder Leistung in eine andere übergeht und infolgedessen die ursprüngliche Identität verliert. Wäre dies der Fall, so würden die Anwendungsvoraussetzungen für die Wiederverkaufspreismethode nicht mehr erfüllt sein.

1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 2 Vgl. Tz. 1.129 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457 = FR 1993, 375; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457. 5 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 6 Nach Wassermeyer umfasst dieser Zeitraum fünf Jahre, vgl. Wassermeyer, WPg 2002, 16. 7 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. 8 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.3 Bsp. 1. 10 Vgl. Tz. 2.26 ff. OECD-Leitlinien 2017.

486 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.241 Kap. 4

Kostenrechnerische Anpassungen. Übt das unabhängige, für die Ermittlung der Handelsspanne als Vergleichsobjekt dienende Unternehmen keine vergleichbare verändernde Tätigkeit aus, so dass nicht auf eine einheitliche Gesamtspanne zurückgegriffen werden kann, muss diese verändernde Tätigkeit mithilfe der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) bewertet werden. Die „marktübliche Handelsspanne“ ist insoweit um die Kosten der Veränderungs- oder Veredelungstätigkeiten zu korrigieren. Je aufwendiger und komplizierter diese Veränderungs- oder Veredelungstätigkeiten des Absatzmittlers sind, desto umfangreicher sind die entsprechenden (kosten-)rechnerischen Anpassungen.

4.238

Veränderungen der Märkte. Liegt zwischen An- und Verkauf der Lieferung oder Leistung durch den Wiederverkäufer ein längerer Zeitraum, so sind im Rahmen einer möglichen Korrekturrechnung insbesondere die Veränderungen der Märkte und der Wechselkurse rechnerisch zu berücksichtigen.1 Darüber hinaus kann sich der Wert einer Lieferung oder Leistung durch den Gebrauch einer Marke erheblich verändern. Dieser Umstand muss in der Korrekturrechnung ebenso Berücksichtigung finden wie mögliche geografische Beschränkungen bei der Erteilung von Wiederverkaufsrechten.2

4.239

3. Kostenaufschlagsmethode a) Vorgehensweise der Kostenaufschlagsmethode Funktionsweise: Selbstkosten zzgl. Gewinnaufschlag. Bei der Kostenaufschlagsmethode3 wird der Verrechnungspreis dadurch bestimmt, dass zunächst die Selbstkosten des liefernden/leistenden Unternehmens ermittelt und diese anschließend um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden. Die Ermittlung der Kosten soll dabei anhand von Kalkulationsmethoden erfolgen, die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt bzw. die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.4 Anwendung findet die Kostenaufschlagsmethode insbesondere in den Fällen, in denen für die ausgetauschten Lieferungen oder Leistungen keine Marktpreise als Vergleichsmaßstäbe zur Verfügung stehen, etwa weil

4.240

– es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Güter oder Dienstleistungen handelt, – vorliegende Marktpreise nicht repräsentativ bzw. aufgrund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, – tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht feststellbar bzw. nachweisbar sind, – gewisse Lieferungen oder Leistungen – wie auch unter fremden Dritten – nach der Kostenaufschlagsmethode abgerechnet werden müssen, wie z.B. Spezialaufträge. b) Anwendungsbereiche Zumeist „Ultima Ratio“. Sind die Anwendungsvoraussetzungen sowohl für die Preisvergleichs- als auch für die Wiederverkaufspreismethode nicht erfüllt, was bei der Fülle und Verschiedenartigkeit der in einem internationalen Unternehmensverbund ausgetauschten Güter und Dienstleistungen oft der Fall ist, kommt der Kostenaufschlagsmethode in der Praxis letztlich die Rolle der Ultima Ratio zu. Vor diesem Hintergrund gilt sie insbesondere im Bereich der konzerninternen Dienstleistungen (z.B. in Form von Verwaltungsleistungen oder der Lohnfertigung und Auftragsforschung) sowie bei der konzerninternen Lieferung von Halbfertigfabrikaten als Regelmethode. Nach Auffassung 1 Ebenso Tz. 2.36 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 2.40 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4; Tz. 2.45 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4.

Baumhoff/Liebchen | 487

4.241

Kap. 4 Rz. 4.242 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen der Finanzverwaltung ist die Kostenaufschlagsmethode insbesondere anzuwenden, wenn das betreffende Unternehmen „Routinefunktionen“ ausübt und nur geringe Risiken trägt.1

4.242 Ermittlung eines hypothetischen Vergleichspreises. Da die Kostenaufschlagsmethode die Ermitt-

lung eines hypothetischen Vergleichspreises zum Ziel hat, stellt sie die praktische Ausgestaltung des hypothetischen Fremdvergleichs dar, als dessen Maßstab und neutraler Bezugspunkt die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters fungiert (Rz. 4.164 ff.). Dieser entscheidet im Einzelfall über die Ordnungsmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der zugrunde zu legenden Kalkulationsmethoden. Wenn der Gewinnaufschlag mittels des tatsächlichen Fremdvergleichs ermittelt wird, stellt dies eine Kombination aus tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar. Die besonderen Schwierigkeiten der Kostenaufschlagsmethode liegen dabei in der Ermittlung der Selbstkosten, die u.a. als Bezugsbasis für den Gewinnaufschlag dienen, sowie in der Bestimmung des Gewinnaufschlags selbst. c) Ermittlung der Kostenbasis aa) Anzuwendender Kostenbegriff

4.243 Wertmäßiger Kostenbegriff. Die Forderung der VWG 1983,2 die Kostenermittlung bei der An-

wendung der Kostenaufschlagsmethode generell an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu orientieren, erlaubt die Zugrundelegung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs. Dieser definiert Kosten als den in Geld bewerteten leistungsbedingten Güterverzehr eines Betriebs. Dabei richtet sich die inhaltliche Konkretisierung des Kostenbegriffs an der Zwecksetzung des Rechnungswesens aus. Vor diesem Hintergrund lässt sich die in der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie umfänglich diskutierte Frage, ob zur Entstehung von Kosten eine Ausgabe erforderlich ist (pagatorischer Kostenbegriff) oder ob zu den Kosten auch kalkulatorische Kostenarten, wie z.B. kalkulatorische Eigenkapitalzinsen oder kalkulatorische Abschreibungen (also Kosten, die nicht zu Ausgaben geführt haben oder führen) zählen, zugunsten des wertmäßigen Kostenbegriffs beantworten. Denn nur dieser Kostenbegriff erfasst den Produktionsfaktorverbrauch streng produkt- bzw. leistungsbezogen und erweist sich daher für die Ermittlung eines Kosten-Preises als besonders geeignet. Dies beruht auf der Erkenntnis, dass bei langfristiger Betrachtung mindestens die gesamten Durchschnittskosten pro Leistungseinheit gedeckt sein müssen und somit die langfristige Preisuntergrenze bilden. Dabei sind die Normalverzinsung des gesamten zur Leistungserstellung eingesetzten Kapitals (kalkulatorische Zinsen) sowie der Unternehmerlohn (kalkulatorischer Unternehmerlohn) als Kostenbestandteile einzubeziehen.

4.244 Andere Kostenbegriffe. Erscheint somit die Verwendung des wertmäßigen Kostenbegriffs im Rah-

men der Kostenaufschlagsmethode als besonders geeignet, lassen die VWG 19833 auch die Verwendung anderer Kostenbegriffe (z.B. des pagatorischen Kostenbegriffs) zu.4 Insoweit wird dem allgemeinen Ermessensspielraum des ordentlichen Geschäftsleiters Rechnung getragen, der ggf. auch gegenüber fremden Dritten keine kalkulatorischen Kosten in die Ermittlung seiner Absatzpreise einbezieht. Allerdings sollte dabei berücksichtigt werden, dass in der ganz überwiegenden Zahl der heute praktizierten Kostenrechnungssysteme der wertmäßige Kostenbegriff Anwen-

1 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWGFunktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 66. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.6 Buchst. c u. Tz. 2.2.4. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.6 Buchst. c u. Tz. 2.2.4, wonach die Kosten nach den Kalkulationsmethoden ermittelt werden sollen, „die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zugrunde legt oder – wenn keine Lieferungen oder Leistungen gegenüber Fremden erbracht werden – die betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.“ 4 Gl.A. Vögele/Raab in V/B/E4, D Rz. 279 ff.; Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Tz. 2.46 Anm. 221; Tucha, IStR 2002, 749.

488 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.249 Kap. 4

dung findet.1 Darüber hinaus weisen die OECD-Leitlinien2 zutreffend auf die Schwierigkeiten hin, die dadurch entstehen können, dass in den einzelnen Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode unterschiedliche Kostenbegriffe verwendet werden können. Dies könne zu unterschiedlichen Kostenbasen führen, die als Bemessungsgrundlage für den angemessenen Gewinnaufschlag dienen. Vor diesem Hintergrund wäre eine einheitliche Anwendung des wertmäßigen Kostenbegriffs zweckmäßig. Alternativ dazu ist denkbar, soweit kalkulatorische Kosten in die Kostenbasis eingegangen sind, eine Korrektur über die Bemessung des Gewinnaufschlags vorzunehmen.3 Anwendbarkeit des verwendeten Konzernrechnungssystems. Die zur Ermittlung der Kostenbasis erforderlichen Daten liefert das Kostenrechnungssystem des Unternehmens. Grundsätzlich ist die Wahl der Kalkulationsmethode eine freie unternehmerische Entscheidung. Es muss jedoch gesichert sein, dass das angewandte Kalkulationsverfahren betriebswirtschaftlichen Erfordernissen entspricht. Werden bestimmte Kalkulationsmethoden konsequent sowohl gegenüber verbundenen als auch fremden Unternehmen angewendet und entsprechen sie betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, können sie grundsätzlich als zweckmäßig und angemessen angesehen werden.

4.245

bb) Relevante Kostenarten Anforderungen an das Kostenrechnungssystem. Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines betrieblichen Kostenrechnungssystems ist die Existenz einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.

4.246

Kostenartenrechnung. Unter der Kostenartenrechnung4 versteht man den Teilbereich der Kostenrechnung, der zur mengenmäßigen Erfassung, Abgrenzung und Bewertung anfallender Kosten dient und gleichzeitig die Grundlage für die Verrechnung der Kosten auf Kostenstellen und Kostenträger bildet. Daher muss die Kostenartenrechnung auf die Kostenrechnungsziele, die zusammen mit der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung angestrebt werden, ausgerichtet sein. In der Kostenartenrechnung erfolgt die auf dem Verursachungsprinzip beruhende Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten. Diese auf ein Produkt oder eine Dienstleistung bezogene Betrachtungsweise qualifiziert diejenigen Kosten als Einzelkosten, die sich direkt einem Kostenträger bzw. einer Kostenstelle zurechnen lassen (direkte Kosten). Diese Einzelkosten werden unmittelbar aus der Kostenartenrechnung ohne Verrechnung über die Kostenstellen dem Kostenträger zugeordnet. Die Gemeinkosten sind dagegen nicht dem einzelnen, als Kalkulationsobjekt fungierenden Produkt oder der einzelnen Dienstleistung direkt, sondern nur indirekt zuzurechnen (indirekte Kosten). Bei Anwendung der Vollkostenrechnung werden diese indirekten Kosten über einzelne Kostenstellen geleitet und mithilfe von Schlüsselgrößen auf einzelne Kostenträger verteilt.5

4.247

Kostenarten nach den OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien unterscheiden im Rahmen der Ermittlung der relevanten Kostenbasis zwischen drei verschiedenen Kostenarten, nämlich den direkten Kosten, den indirekten Kosten und den allgemeinen Verwaltungskosten („operating expenses“).6 Im Ergebnis stellen damit auch die OECD-Leitlinien auf eine Unterscheidung zwischen Einzelund Gemeinkosten ab. Allerdings sei der Gewinnaufschlag nur auf der Basis der direkten und indirekten Kosten vorzunehmen.

4.248

„Operating Expenses“. Die „operating expenses“, zu denen diejenigen Kosten zählen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie z.B. Überwachungs-, Geschäftsführungs- und allgemeine

4.249

1 So auch Lahodny-Karner in Schuch, Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, 51. 2 Vgl. Tz. 2.50 u. 2.52 OECD-Leitlinien 2017. 3 Zum Verhältnis der Kostenbasis zum Gewinnaufschlag vgl. auch Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 495 mit einem Beispiel. 4 Dazu im Einzelnen vgl. auch Freidank, Kostenrechnung8, 95 ff. 5 Zum Verfahren siehe Freidank, Kostenrechnung8, 139 ff. 6 Vgl. Tz. 2.53 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 489

Kap. 4 Rz. 4.250 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Verwaltungskosten, sollen nach Auffassung der OECD indessen nicht in die Kostenbasis einbezogen werden, wenngleich diese Kosten nach betriebswirtschaftlichem Kostenrechnungsverständnis den indirekten Kosten zuzurechnen sind. Zwar verkennen die OECD-Leitlinien nicht die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen den einzelnen Kostenarten. Sie gehen aber davon aus, dass Teile dieser Kosten bereits Gewinnelemente enthalten können und sich in der Höhe der „operating expenses“ bereits die Effizienz eines Unternehmens widerspiegelt.

4.250 Kostenkategorien. Unabhängig davon, dass sich Effizienzunterschiede zwischen einzelnen Unter-

nehmen auch bei den übrigen (direkten und indirekten) Kosten zeigen können (Rz. 4.247), ist die Frage, welche Kostenkategorie im Einzelnen vorliegt, abhängig von der Art des konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausches. So können bei Warenlieferungen Verwaltungskosten zu den „operating expenses“ zählen, während diese im Rahmen einer Dienstleistungserbringung den indirekten oder gar den direkten Kosten zuzuordnen sind. Die Dreiteilung zwischen direkten, indirekten und „operating expenses“ ist also liefer- und leistungsabhängig und im Ergebnis willkürlich. Vor diesem Hintergrund ist sie für die praktische Verrechnungspreisermittlung ungeeignet, da bestimmte Kostenkategorien nicht oder nur wahlweise einbezogen werden.1 Vielmehr erinnert die Eliminierung von „operating expenses“ aus der Kostenbasis an die Definition der steuerlichen Herstellungskosten2, die bestimmte Kostenkategorien nicht oder nur wahlweise berücksichtigen. Der steuerliche Begriff der Herstellungskosten darf jedoch bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen keine Rolle spielen, da nur die Selbstkosten Grundlage für die Kalkulation von Absatzpreisen gegenüber fremden Dritten sein können (Rz. 4.264 ff.). cc) Zeitbezug der Kosten

4.251 Allgemeines. Von der Frage der Ermittlung der Kostenarten zu unterscheiden ist die Frage des

Zeitbezugs der zu verrechnenden Kosten. In diesem Zusammenhang wird allgemein zwischen Ist-, Normal- und Plankosten unterschieden. Für welche Kalkulationsmethodik sich der Steuerpflichtige entscheidet, steht dabei in seinem freien Ermessen, objektiviert durch das Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters. Auch die OECD-Leitlinien bestimmen ausdrücklich, dass der Zeitbezug der Kosten auf der Basis von Ist-, Normal- oder Plankosten erfolgen kann.3

4.252 Istkostenrechnung. Bei der Istkostenrechnung, die auf einer Vergangenheitsrechnung beruht,

werden alle tatsächlich angefallenen Kosten in die Kostenbasis der Kostenaufschlagsmethode einbezogen. Die Istkosten sind definiert als die mit Istpreisen bewerteten Istverbrauchsmengen der Produktionsfaktoren. Hauptzielsetzung der Istkostenrechnung ist die Nachkalkulation der betrieblichen Aufträge und Leistungen.4

4.253 Mängel der Istkostenrechnung. Den Vorteilen der Istkostenrechnung, die vergleichsweise einfache

Kostenermittlung und Nachprüfbarkeit der ermittelten Ergebnisse sowie die daraus resultierende Einengung des Manipulationsspielraums, stehen allerdings schwerwiegende Mängel gegenüber. Der entscheidende Nachteil ist die Auswirkung aller zufallsbedingten Kostenschwankungen auf die Höhe der Selbstkosten.5 Solche Schwankungen können beispielsweise durch Preis- und Beschäftigungsgradänderungen oder bei unterschiedlichem Mengenverbrauch einzelner Inputfaktoren eintreten. Als praktischer Nachteil der Istkostenrechnung wird ferner die Tatsache angesehen, dass die so ermittelten Selbstkosten erst eine gewisse Zeit nach einer Transaktion festgestellt werden können.6 Die OECD-Leitlinien schlagen insoweit vor, diesen Nachteil durch Korrekturzuschläge oder -abschläge 1 Vgl. Baumhoff, IStR 1996, 54; Werra, IStR 1995, 461; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 93. 2 Vgl. R 6.3 EStR. 3 Vgl. Tz. 2.55 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 44. 5 Vgl. auch Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 96. 6 Vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Tz. 2.52 Anm. 248.

490 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.257 Kap. 4

im Rahmen der Festlegung des Gewinnaufschlags zu eliminieren, ohne allerdings zu erläutern, wie diese Berichtigungen quantitativ ermittelt werden sollen.1 Überdies findet man den zu begrüßenden Vorschlag, die angeführten Nachteile durch Verwendung der Normalkostenrechnung zu vermeiden.2 Eliminierung von unwirtschaftlichen Einflussfaktoren. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der Verrechnung von Istkosten keine Eliminierung von Einflussfaktoren, die auf Unwirtschaftlichkeiten beim Leistungserstellungsprozess zurückzuführen sind.3 Während solche Unwirtschaftlichkeiten bei Zugrundelegung von Marktpreisen regelmäßig vom Produzenten bzw. Leistungserbringer zu tragen sind, werden sie bei der Verwendung der Kostenaufschlagsmethode auf der Basis von Istkosten über den Verrechnungspreis auf den Abnehmer abgewälzt. Prinzipiell gilt das Gleiche für den umgekehrten Fall einer besonders günstigen Kostensituation beim Produzenten oder Leistungserbringer, wobei die Vorteile nicht diesem, sondern dem Abnehmer zugutekommen. Somit würde bei Anwendung der Istkostenrechnung der Preis umso höher (niedriger) ausfallen, je unwirtschaftlicher (wirtschaftlicher) produziert wird. Dies steht im Widerspruch zum Grundsatz des Fremdvergleichs, da unter fremden Dritten derjenige wirtschaftliche Vor- und Nachteile in Anspruch nehmen kann bzw. zu vertreten hat, der sie verursacht.4 Mit anderen Worten wird eine ineffiziente Leistungserstellung vom Markt regelmäßig nicht honoriert.

4.254

Normalkostenrechnung. Die Normalkostenrechnung verwendet keine effektiv angefallenen, sondern „normale“, d.h. durchschnittliche Istkosten vergangener Perioden. Die Aufgabe der Normalkostenrechnung besteht somit darin, die periodischen Schwankungen der Kostenarten zu nivellieren und auszugleichen (d.h. zu „normalisieren“). Es existieren verschiedene Varianten der Normalkostenrechnung, die daraus resultieren, dass die Durchschnittsbildung (Normalisierung der Kosten) für die Preise und/oder die Verbrauchsmengen der Produktionsfaktoren erfolgen kann.5 Die „normalisierten“ Kosten können durch sog. aktualisierte Mittelwerte, die die veränderten gegenwärtigen und zukünftigen Kosteneinflussgrößen erfassen, korrigiert werden. Insofern kann die Normalkostenrechnung auch zu erwartende Kostenentwicklungen berücksichtigen.

4.255

Sollkostenrechnung. Eine Variante der Normalkostenrechnung, bei der eine Durchschnittsbildung korrigiert durch aktualisierte Mittelwerte nur für die Preise, nicht aber für die Verbrauchsmengen erfolgt, wird auch als Sollkostenrechnung bezeichnet.6 Diese Kosten sind definiert als die mit Plan-(Normal)preisen bewerteten Istverbrauchsmengen der Produktionsfaktoren. Damit wird ex ante nur die Wertkomponente festgelegt, während die Mengenkomponente offenbleibt und erst durch den tatsächlichen Mengenverbrauch der eingesetzten Produktionsfaktoren bestimmt wird.

4.256

Plankostenrechnung. Im Gegensatz zur Ist- und Normalkostenrechnung basiert die Plankostenrechnung ausschließlich auf zukunftsorientierten Größen (Prognosekosten, erwartete Kosten). Bei den Plankosten handelt es sich somit um Kostenvorgaben mit Soll-Charakter, die unter vorheriger Festlegung eines bestimmten Beschäftigungsgrades und Produktionsverfahrens, einer bestimmten Auftragszusammensetzung sowie weiterer Plandaten auf der Grundlage technischer und ökonomischer Verbrauchsstudien bzw. Beobachtungen unter der Prämisse rationalen Wirtschaftens festgelegt werden.7 Obwohl die Plankostenrechnung ein entsprechend entwickeltes Rechnungswesen

4.257

1 Vgl. Tz. 2.48 u. 2.58 OECD-Leitlinien 2017 sowie hierzu Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 206 f. 2 Vgl. Tz. 2.58 OECD-Leitlinien 2017. 3 So auch Tz. 2.48 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 2.58 OECD-Leitlinien 2017; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 316. 5 Vgl. insofern die Unterscheidung zwischen starren und flexiblen Verfahren der Normalkostenrechnung bei Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 47 ff. 6 Vgl. Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 594 f.; Rickards, Kostensteuerung kompakt, 180 f. 7 Zu den Entwicklungsformen der Plankostenrechnung im Einzelnen vgl. Kilger/Pampel/Vikas, Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung12, 51 ff.

Baumhoff/Liebchen | 491

Kap. 4 Rz. 4.258 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen und die Verwendung – mitunter aufwendiger – Prognosemethoden voraussetzt, erweist sie sich zur Bestimmung von Verrechnungspreisen auf der Basis der Kostenaufschlagsmethode aus zwei Gründen als besonders geeignet.1

4.258 Vorzüge der Plankostenrechnung. Zum einen erlaubt die Verwendung von Plankosten die Un-

terstellung einer gewissen Wirtschaftlichkeit bei der betrieblichen Leistungserstellung. Dies führt dazu, dass – wie beim Leistungsaustausch zwischen unabhängigen Geschäftspartnern üblich – sowohl Unwirtschaftlichkeiten als auch Kostenvorteile zulasten wie zugunsten des Unternehmens gehen, in dessen Verantwortungsbereich die Abweichung fällt. Aufgrund der teilweisen Glättung von Zufallsschwankungen der Kosten gilt dies in eingeschränktem Maße auch für die Normalkostenrechnung. Dennoch lässt sich nicht völlig verhindern, dass unrentabel arbeitende Unternehmen mitunter auch überhöhte Plan- oder Normalkostenwerte ansetzen.

4.259 Soll-Ist-Vergleich. Zum anderen berücksichtigt alleine das System der Plankostenrechnung den

Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung, wonach einem Fremdvergleich nur die Verhältnisse und Informationen zugrunde zu legen sind, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren bzw. sich abzeichneten.2 Da ein Unternehmer bzw. ein ordentlicher Geschäftsleiter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die tatsächlich für die Leistungserstellung anfallenden Istkosten nicht kennen kann, muss insoweit von den erwarteten Kosten, also den Plankosten ausgegangen werden. Die Verwendung von Istkosten würde hingegen als Verstoß gegen das allgemein anerkannte Verbot der Retrospektive bei der Festlegung und Überprüfung von Verrechnungspreisen anzusehen sein. Ferner ist die Verwendung von Normal- und Plankosten dem Verdacht ausgesetzt, objektiv schwer kontrollierbare Manipulationen bei der Kostenfestsetzung zu bewirken.3 Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Möglichkeit, wenn auch nicht in gleichem Umfang, grundsätzlich auch bei Anwendung der Istkostenrechnung besteht. Außerdem stellt die Kostenkontrolle einen wesentlichen Bestandteil der Plankostenrechnung dar. Diese erfolgt durch eine Gegenüberstellung der geplanten mit den tatsächlichen Kosten und einer anschließenden Ermittlung und Analyse der Abweichungen zwischen Plan- und Istkosten. Da die Plankostenrechnung eine Vor- und eine Nachrechnung enthält, lässt sich mithilfe der Abweichungsanalyse die Manipulationsgefahr in hinreichendem Umfang begrenzen.4

4.260 Angemessene Toleranzgrenzen. Becker schlägt in diesem Zusammenhang vor, im Rahmen der Abweichungsanalyse angemessene Toleranzgrenzen festzulegen, wobei eine Schwankungsbreite von plus/minus 5 % angemessen sei.5 Dieser Auffassung ist aus Kontroll- und Praktikabilitätsgesichtspunkten grundsätzlich zuzustimmen. Überschreiten die Ist-Kosten die vorgeschlagene Toleranzgrenze, so ist eine Soll-Ist-Analyse durchzuführen. Stellt sich dabei heraus, dass die Plankosten im Rahmen der Ex-ante-Betrachtung unter Verwendung aller verfügbaren Daten korrekt berechnet wurden und dass Manipulationen im Rahmen dieser Kostenbestimmung ausgeschlossen werden können, sind die Plankosten den Istkosten nach wie vor vorzuziehen. Dies entspricht dem Verbot der Retrospektive bei der Festlegung und Überprüfung von Verrechnungspreisen.

4.261 Schätzung von Plandaten und Planverbrauchsmengen. In der praktischen Handhabung wird die

für die Anwendung der Plankostenrechnung unabdingbare Prognoserechnung und Budgetierung

1 Gl.A. Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 111; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 573; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 159. 2 Siehe hierzu auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 7. 3 Vgl. etwa Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Rz. 249. 4 Im Übrigen wird auch im Rahmen der Plankostenrechnung i.d.R. Dokumentationserfordernissen Rechnung getragen (z.B. mittels einer Abstimmung mit der Finanzbuchhaltung), vgl. Lorson/Schweitzer in Küting, Saarbrücker Handbuch der Betriebswirtschaftlichen Beratung4, Rz. 1249 ff. 5 Vgl. Becker, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 593.

492 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.264 Kap. 4

nicht unproblematisch sein. Dies gilt – neben der Schätzung der Kosten selbst – insbesondere für die Ermittlung der voraussichtlichen Produktionsmengen, die maßgeblich die Aufteilung der Fixkosten auf die Kostenträger und somit die Quantifizierung der Stückkosten determinieren.1 Insoweit können einer Anwendung der Plankostenrechnung durchaus praktische Schwierigkeiten entgegenstehen. Da jedoch die Heranziehung der Istkostenrechnung aufgrund des Verbots der Retrospektive aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen ist, wird mitunter das Herbeiführen einer Kompromisslösung erforderlich sein. Normalkostenrechnung als Kompromisslösung. Als eine solche Kompromisslösung kann die Normalkostenrechnung fungieren, die es erlaubt, ex ante lediglich die Wertkomponente der Kosten festzulegen, während sich die Mengenkomponente ex post am tatsächlich eingetretenen Mengenverbrauch orientiert.

4.262

Istkostenrechnung als Ausnahmefall. In der Literatur2 wird für den Fall, dass die anfallenden Kosten wegen der Individualität der entsprechenden Lieferungen und Leistungen weder normiert noch hinreichend sicher geplant werden können (z.B. bei Einzel- und Spezialanfertigungen, konzernspezifischen Dienstleistungen und Forschungsleistungen), als einzig zielführendes System die Istkostenrechnung angesehen.

4.263

dd) Sachumfang der Kosten Vollkostenrechnung. Im Rahmen der Bestimmung des Sachumfangs der verrechenbaren Kosten wird allgemein zwischen Voll- und Teilkosten unterschieden. Die VWG 19833 gehen im Zusammenhang mit der Kostenaufschlagsmethode grundsätzlich von Vollkosten aus. Die Vollkostenrechnung beruht auf der Erkenntnis, dass ein Unternehmen auf Dauer nur dann bestehen kann, wenn die erzielten Preise sämtliche Kosten decken. Ausgangspunkt einer auf Vollkosten basierenden Verrechnungspreisgestaltung sind somit die durch die Kostenträgerstückrechnung zu ermittelnden Selbstkosten. Da das Problem der verursachungsgerechten Zuordnung der echten Gemeinkosten nach wie vor als unlösbar gilt, wird hierbei bewusst in Kauf genommen, dass zur Ermittlung der Selbstkosten einer Leistungseinheit eine im Grunde willkürliche Zurechnung der echten Gemeinkosten notwendig ist. Hieraus resultiert die Forderung, möglichst alle Kosten weitgehend als Einzelkosten zu erfassen, soweit diese den einzelnen Leistungen zugerechnet werden können, während dies für die Gemeinkosten nur indirekt über die Kostenstellenrechnung möglich ist.4 Bei der Einteilung eines Unternehmens in Kostenstellen ist u.a. zu beachten, dass sich für alle Kostenstellen geeignete Bezugsgrößen (Maßgrößen der Kostenverursachung) finden lassen. Dabei sollte die Bezugsgröße möglichst eine direkte Beziehung zum Kostenträger aufweisen.5 Die Verteilung der Gemeinkosten in der Kostenstellenrechnung erfolgt mithilfe des tabellarisch aufgebauten Betriebsabrechnungsbogens (BAB). Dabei werden die Gemeinkosten im Rahmen der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung anhand von Bezugs- oder Schlüsselgrößen auf sog. Haupt- bzw. Endkostenstellen verteilt. Danach erfolgt die Festlegung der Gemeinkosten einer jeden Endkostenstelle mit den dort angefallenen Einzelkosten.6 Daran anschließend werden in der Kostenträgerrechnung die Gemeinkosten mithilfe der zuvor ermittelten Gemeinkostenzuschlagssätze den der einzelnen betrieblichen Leistung (Kostenträger) bereits zugeordneten Einzelkosten hinzugerechnet. 1 In der Verrechnungspreispraxis werden insoweit die Plandaten häufig aus Erfahrungswerten der Vergangenheit abgeleitet. Zur Abschätzung von Risiken vgl. etwa Vögele/Borck, IStR 2002, 176 ff. 2 Vgl. Lahodny/Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht, 116; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 159 jeweils m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4. 4 Vgl. auch Vögele/Scholz/Hoffmann, IStR 2001, 94 ff. 5 Dies wird insbesondere durch die Prozesskostenrechnung gewährleistet. Vgl. dazu Ditz, DB 2004, 1952 ff.; Ditz, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 335 ff. 6 Insoweit werden sog. Zuschlagsätze ermittelt; zur Vorgehensweise vgl. Lorson/Schweitzer in Küting, Saarbrücker Handbuch der Betriebswirtschaftlichen Beratung4, Rz. 1197 ff.

Baumhoff/Liebchen | 493

4.264

Kap. 4 Rz. 4.265 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.265 Mängel der Vollkostenrechnung. Der jeder Vollkostenrechnung immanente Mangel, trotz An-

wendung noch so verfeinerter Erfassungsmethoden und Verrechnungsmodi keine absolut willkürfreie und verursachungsgerechte Gemeinkostenschlüsselung vornehmen zu können, wird bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen auf Vollkostenbasis besonders deutlich. Die Existenz nicht eindeutiger Kriterien der Kostenstellen- und Bezugsgrößenbildung, unterschiedlicher Möglichkeiten der Aufschlüsselung der Gemeinkosten sowie alternativer Kalkulationsverfahren eröffnen dem Kalkulierenden Möglichkeiten der Verrechnungspreisgestaltung durch zielorientierte Kostenverrechnung. Dieser elementare Mangel ist auch nicht durch eine generelle Festlegung bestimmter Verteilungsschlüssel, Zuschlagsbasen und Kalkulationsverfahren zu beseitigen, da hierbei die Gefahr besteht, dass ihre Verwendung in bestimmten Fällen aufgrund mangelnder Flexibilität zu unangemessenen Verrechnungspreisen führt. Vielmehr muss die Bestimmung dieser Kosteneinflussgrößen einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der Art des zu bewertenden Gutes bzw. der zu bewertenden Leistung, der Liefer- bzw. Leistungshäufigkeit, der Zusammensetzung des Lieferund Leistungsprogramms, der Organisation des Rechnungswesens sowie der Organisationsstruktur des Unternehmens bzw. der Unternehmensbereiche erfolgen.

4.266 Kostenschlüsselung und Ersatzkriterien. Da letztlich zwingende Zuordnungskriterien fehlen, ver-

bleibt nur die Möglichkeit, die Kosten nach Ersatzkriterien zu schlüsseln, mit denen sie mehr oder weniger stark korrelieren. Um mögliche Manipulationsspielräume einzuschränken, sind bei der Kalkulation von Leistungen an verbundene wie unverbundene Unternehmen prinzipiell einheitliche Verteilungsmodi anzuwenden. Wird ausschließlich an verbundene Unternehmen geleistet, sind die für den Einzelfall geeignetsten Verfahren heranzuziehen, wobei deren konkrete Eignung anhand betriebswirtschaftlicher Grundsätze zu beurteilen ist.1 Als Prüfungs- und Beurteilungsmaßstab ist dabei das Verhalten eines ordentlichen Geschäftsleiters heranzuziehen (Rz. 4.164 ff.).2

4.267 Teilkostenrechnung. Die deutsche Finanzverwaltung fordert in Tz. 2.2.4 VWG 1983 ausdrücklich,

die der Kostenermittlung zugrunde zu legenden Kalkulationsmethoden an der Preispolitik gegenüber Fremden bzw. an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auszurichten.3 Damit wird grundsätzlich auch die Teilkostenrechnung für all jene Fälle zugelassen, in denen es für einen ordentlichen Geschäftsleiter unter Berücksichtigung seines Zielsystems sinnvoll ist, auf die Deckung der vollen Selbstkosten einer Lieferung/Leistung zu verzichten und sich stattdessen mit einem „cost less“Preis zu begnügen.4 Die Teilkostenrechnung ist ein betriebswirtschaftlich anerkanntes Instrument zur Fundierung preispolitischer Entscheidungen, deren Anwendung immer dann mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs in Einklang steht, wenn dies in vergleichbaren Situationen auch zwischen oder gegenüber unabhängigen Geschäftspartnern praktiziert wird. Daher würde es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung nicht widersprechen, wenn beispielsweise zur Erschließung neuer bzw. Erweiterung bestehender Absatzmöglichkeiten oder bei vorübergehender Unterbeschäftigung zur Ausnutzung freier Kapazitäten kurzfristig jeder Preis akzeptiert wird, der über den Einzelkosten liegt. Ebenso ist es mit dem Fremdvergleich vereinbar, zur Schaffung eines vollumfänglichen Sortiments auch solche Produkte in eine Produktpalette aufzunehmen, mit denen sich nicht die Vollkosten, jedoch zumindest die variablen Kosten decken lassen.5 Denn ein solcher kalkulatorischer Ausgleich im Rahmen einer Palettenbetrachtung ist jedenfalls zwischen unverbun1 So ausdrücklich BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4. 2 Zur Problematik eines fremdvergleichskonformen Umlageschlüssels bei Umlageverträgen siehe Ditz, DB 2004, 1951 ff. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4. 4 Ähnlich Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. zu Tz. 2.1.6 u. 2.2.4 VWG 1983; Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. II Anm. 244 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 572; Vögele/Raab, Verrechnungspreise4, Rz. D 307; Nientimp, Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 165; Scholz, BNA, 04/a, 8; Baumhoff in FS Krawitz, 29 f.; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 139 ff. 5 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593.

494 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.270 Kap. 4

denen Marktteilnehmern nicht unüblich.1 Allerdings kann eine Verrechnungspreisbestimmung auf Teilkostenbasis (z.B. auf Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung) nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine Vollkostendeckung nicht möglich2 oder vorübergehend betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist.3 Letztlich müssen demnach betriebswirtschaftliche Gründe für die Preisfestsetzung auf der Grundlage einer Teilkostenrechnung vorliegen. Fehlen diese, kommt steuerlich ausschließlich eine Preisermittlung auf Vollkostenbasis in Betracht. Teilkostenrechnung in bestimmten Marktsituationen. Die OECD-Leitlinien eröffnen explizit die Möglichkeit, in bestimmten Marktsituationen auf eine Teilkostenrechnung überzugehen.4 Zwar erwähnen die OECD-Leitlinien in diesem Zusammenhang lediglich die Teilkostenrechnung bei der Markterschließung, doch dürfte unbestritten sein, dass auch Preiskonzessionen zur Ausnutzung freier Kapazitäten einen nicht die Vollkosten deckenden Preis rechtfertigen, um die Leerkosten eines Unternehmens möglichst niedrig zu halten.5 Weitere Gründe für Preiskonzessionen können in Liquiditätsengpässen oder hohen Lagerbeständen liegen.

4.268

d) Gewinnaufschlag Unternehmens- und branchenübliche Gewinnaufschläge. Neben der Ermittlung der Kostenbasis liegt das zentrale Problem der Kostenaufschlagsmethode in der Bestimmung eines angemessenen Gewinnaufschlags. Es besteht jedoch weder dem Grunde noch der Höhe nach Einigkeit darüber, nach welchen Grundsätzen die Angemessenheit des Gewinnaufschlags zu beurteilen ist. Während die VWG 1983 im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode generell von betriebs- oder branchenüblichen Gewinnaufschlägen ausgehen,6 sehen die OECD-Leitlinien einen Gewinnaufschlag vor, „den derselbe Lieferant bei vergleichbaren Fremdgeschäften erzielt.“7 Abgestellt wird somit auf einen innerbetrieblichen Vergleich (Rz. 4.160), also auf betriebsübliche Gewinnaufschläge. Daneben lässt die OECD eine Ermittlung des Gewinnaufschlags nach Maßgabe eines zwischenbetrieblichen Vergleichs (Rz. 4.161 ff.) zu, wonach die Gewinnmarge zugrunde zu legen ist, die ein unabhängiges Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erzielt.8 Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die Kostenbasis vergleichbar sein muss.9 Insoweit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ggf. bereits in der Kostenbasis gewinnwirksame Bestandteile10 enthalten sind, deren Verrechnung sich auf die Höhe des Gewinnaufschlags auswirkt.11

4.269

Steuerlicher Gewinnerzielungszwang. Hinsichtlich der Verrechnung eines Gewinnaufschlags dem Grunde nach wurde im Schrifttum vereinzelt die Ansicht vertreten, es bestehe für Dienstleistungen, die nicht zum eigentlichen Geschäftsgegenstand eines Unternehmens zählen, kein steuerlicher Gewinnerzielungszwang, sondern nur die Verpflichtung zur Weiterbelastung der Selbstkos-

4.270

1 Vgl. Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521 f.; Kaminski/Strunk, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1837; Kroppen/Rasch, IWB, Fach 5, Gruppe 2, 354; Bauer, DB 2008, 156 f.; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 147 f. 2 Z.B. aufgrund zu geringer Absatzpreise. 3 Z.B. bei Markteintritt, Marktverteidigung, Marktanteilsausweitung, aber auch in Phasen gesamtwirtschaftlicher oder branchenbezogener Krisen. Vgl. hierzu etwa Baumhoff in FS Krawitz, 21 ff. 4 Vgl. Tz. 2.57 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. auch Nientimp, Gewinnabgrenzung in internationalen Konzernen, 165 m.w.N. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.4. Ähnlich auch die US-Reg. in § 1.482-2(e) (4). 7 Tz. 2.46 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Tz. 2.46 ff. OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. Tz. 2.50 OECD-Leitlinien 2017. 10 Z.B. durch die Verrechnung kalkulatorischer Kosten, vgl. Oestreicher, IStR 2000, 764 ff.; Baumhoff/ Greinert, IStR 2006, 791. 11 Vgl. Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleich, 101.

Baumhoff/Liebchen | 495

Kap. 4 Rz. 4.271 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen ten. Begründet wird diese Ansicht damit, solche Leistungen „dienender Art“ würden aus Kostenund Qualitätsgründen zentral zum Nutzen aller Gruppenmitglieder erbracht. Hiermit sei keine unmittelbare Gewinnerzielungsabsicht verbunden, sondern vielmehr eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Unternehmensgruppe zu möglichst niedrigen Kosten, womit ein Selbstkostenpreis zu rechtfertigen sei.

4.271 Kein Verzicht auf Gewinnelement. Die Forderung nach einem Verzicht auf die Einbeziehung eines

Gewinnelements bei der Einzelverrechnung bestimmter Dienstleistungen ist jedoch – außerhalb der Poolumlage (Rz. 4.455 ff.) – mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs unvereinbar, da ein gewinnzielorientierter Unternehmer bzw. ordentlicher Geschäftsleiter i.d.R. keine Leistung – auch keine Nebenleistung – erbringen würde, ohne damit eine Gewinnerwartung zu verbinden (Rz. 4.171). Abgesehen davon, dass die Feststellung, ob eine Dienstleistung für das leistungserbringende bzw. -empfangende Unternehmen einen wesentlichen Bestandteil seiner Geschäftstätigkeit darstellt, oft sehr schwierig ist, ist nicht einsichtig, warum bestimmte Dienstleistungen, die wie alle übrigen Lieferungen und Leistungen zur Erzielung des Gesamtgewinns eines Unternehmens beitragen, nur zu Selbstkosten abgerechnet werden sollen. Tritt ein Unternehmen gegenüber einem anderen – mit welcher Art verrechenbarer Dienstleistungen auch immer – als Dienstleistungsunternehmen auf, so ist die Verrechnung von Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag zwischen Fremden unter normalen Umständen nicht vorstellbar. Durch den Verzicht auf das Gewinnelement würde der Gewinn einseitig dem leistungsempfangenden Unternehmen zugeschlagen, was eine ungerechtfertigte Gewinnverlagerung bedeuten würde, die durch den Grundsatz des Fremdvergleichs gerade vermieden werden soll. Infolgedessen ist die Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages im Rahmen der Einzelabrechnung von Dienstleistungen, d.h. außerhalb der Poolumlage (Rz. 4.455 ff.), zwingend.

4.272 Kein internationaler Konsens. Für die deutsche Verrechnungspreispraxis kommt in Übereinstimmung mit den OECD-Vorgaben eine reine Kostenverrechnung selbst dann nicht in Betracht, wenn die Leistungsgegenstände keine Kern- bzw. Hauptfunktion(en) des leistungserbringenden Unternehmens darstellen. In der Frage einer reinen Kostenverrechnung besteht jedoch international keinesfalls Konsens. So ist etwa in den USA, Japan und in den Niederlanden bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine reine Kostenverrechnung ohne Gewinnaufschlag zulässig.1

4.273 Allenfalls temporärer Verzicht. Von der letztlich auf dem Fremdvergleich basierenden Forderung nach einen Gewinnaufschlag dem Grunde nach zu unterscheiden sind Rahmenbedingungen, die einen temporären Verzicht auf einen Gewinnaufschlag rechtfertigen können. Hierbei handelt es sich um die Frage des Gewinnaufschlags der Höhe nach, die in Rz. 4.274 ff. behandelt wird.

4.274 Ermittlung des angemessenen Gewinnaufschlags. Zur Festlegung der angemessenen Gewinn-

komponente der Höhe nach existieren in der Literatur und seitens der Rspr. mehrere Vorschläge.2 Diese reichen vom inneren oder äußeren Betriebsvergleich über die Eigenkapitalrendite des betroffenen Unternehmens, die Preisbildungsvorschriften für öffentliche Aufträge bis hin zu festen, in Prozentsätzen anzugebenden Aufschlägen. Betriebsübliche Gewinnaufschläge, die sich durch einen inneren Betriebsvergleich ermitteln lassen, orientieren sich an Gewinnspannen, die von dem betreffenden Konzernunternehmen mit fremden Dritten erzielt werden. Als Vergleichsmaßstab sollen dabei möglichst Transaktionen herangezogen werden, die unter vergleichbaren Umständen vorgenommen wurden. Stehen vergleichbare Gewinnspannen nicht zur Verfügung, weil das liefernde/leistende Unternehmen keine oder keine vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zu Fremden unterhält, so ist auf branchenübliche Gewinnaufschläge abzustellen, die sich durch einen äußeren Betriebsvergleich bestimmen lassen. Dabei wird auf Gewinnspannen Bezug genommen, die zwischen Unternehmen der gleichen Branche bei vergleichbaren Geschäften (Rz. 4.104 ff.) erzielt wer1 Vgl. hierzu Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 212 ff. m.w.N. 2 Vgl. zu einem Überblick Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 191 ff.

496 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.277 Kap. 4

den. Zu deren Ermittlung kann insbesondere auf Datenbanken zurückgegriffen werden.1 Allerdings zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass der Einsatz von Datenbanken nicht unproblematisch ist.2 Lassen sich indessen auch mit dieser Methodik keine Vergleichswerte identifizieren, besteht ferner die Möglichkeit, einen „normalisierten“ Gewinnaufschlag anhand der durchschnittlichen Branchenrendite heranzuziehen.3 Mindestansatz einer Kapitalmarktrendite. Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Gewinnaufschlag so zu bemessen, dass zusammen mit den kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen mindestens eine Eigenkapitalrendite in Höhe der Kapitalmarktrendite erwirtschaftet wird.4 Dies beruht auf der Überlegung, dass fremde Dritte eine unternehmerische Funktion nur dann ausüben würden, wenn die erzielbaren Erlöse langfristig eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten.5 Somit dürfte die Kapitalmarktrendite nur als Untergrenze der Eigenkapitalrendite infrage kommen, da eine Kapitalmarktanlage, verglichen mit der Geldanlage in einem Unternehmen, ein wesentlich geringeres Kapitalausfallrisiko bedeutet. Folgerichtig wird deshalb auf eine Eigenkapitalrendite abgestellt, die eine Risikozuschlagskomponente beinhaltet.6

4.275

Aussagen der Rechtsprechung. Die deutsche Finanzrechtsprechung hat sich in mehreren Entscheidungen zur Angemessenheit von Gewinnaufschlägen geäußert. So beurteilte der BFH7 einen Gewinnaufschlag von 10 bis 15 v.H. „nicht als unangemessen“, ohne allerdings näher zu begründen, worauf er diese Feststellung stützt. Das FG Saarl. hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 18.12.1996 – allerdings wiederum unbegründet – entschieden, dass ein Reingewinnzuschlag in Höhe von 5 % auf keine Bedenken stoße.8 Diese Quantifizierung des Gewinnaufschlags steht im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 12.3.1980, nach dem ein Reingewinn von 3 bis 5 v.H. des wirtschaftlichen Umsatzes die Annahme einer vGA nicht rechtfertige.9 Das FG Baden-Württemberg führt in seinem Urteil vom 2.5.200310 aus, dass neben der Deckung der Kosten noch ein „bescheidener Rohgewinn“ verbleiben müsse, ohne diesen allerdings zu quantifizieren.11 Das FG Münster hat schließlich in seinem rechtskräftigen Urteil vom 16.3.2006 judiziert, dass ein Kostenaufschlag von 30 bis 70 % auf die reinen Lohnkosten sich in einem Bereich bewegt, der „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht“ und „jedenfalls nicht zu hoch angesetzt sein dürfte.“12

4.276

Gewinnaufschlag bei Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung. Die OECD hat im Rahmen der Maßnahme 10 des BEPS-Programms eine vereinfachte Ermittlung fremdvergleichskonformer Dienstleistungsvergütungen eingeführt, die auf der modifizierten Kostenaufschlagsmethode basiert

4.277

1 Vgl. Vögele/Juchens, IStR 2000, 713 ff.; Tucha, IStR 2002, 745 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 3 f. Zum Einsatz von Datenbanken allgemein vgl. auch Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.31. 2 Siehe auch Kolb, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 160; Baumhoff in FS Krawitz, 37 ff. 3 Vgl. Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 113. 4 Vgl. Scholz, IStR 2004, 209 ff.; Taetzner, IStR 2004, 726 ff. 5 Vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, wonach eine Vertriebsgesellschaft innerhalb eines überschaubaren Kalkulationszeitraums einen angemessenen Totalgewinn erwirtschaften soll. Dessen Höhe kann sich nach Ansicht des BFH „als Untergrenze an einer angemessenen Verzinsung des zugeführten Eigenkapitals […] orientieren.“ 6 Vgl. Engler/Reinert in V/B/E4, N Rz. 237 f.; Fiehler, IStR 2007, 469 f. 7 Vgl. BFH v. 2.2.1960 – I 194/59, BB 1960, 731. 8 Vgl. FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 257/94, EFG 1997, 485. 9 Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. 10 FG Baden-Württemberg v. 22.5.2003 – 3 K 143/98, DStRE 2004, 965. 11 Zur methodisch vertretbaren Vorgehensweise der Ableitung der Handelsspanne mittels der Kostenaufschlagsmethode vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. 12 FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562.

Baumhoff/Liebchen | 497

Kap. 4 Rz. 4.278 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen und insbesondere einen lediglich geringen Gewinnaufschlag zwischen 2 % und 5 % vorsieht.1 Allerdings umfassen die Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung insbesondere FuE-Dienstleistungen, Produktions- sowie Vertriebsdienstleistungen nicht. Ein vergleichbarer Ansatz wurde für die EU vom EU-JTPF entwickelt, der einen Gewinnaufschlag zwischen 3 und 10 %, oftmals 5 % vorsieht.2

4.278 Verrechnungspreispraxis. In der Verrechnungspreispraxis hat sich indessen ein Gewinnaufschlag

in Höhe von 5 bis 10 % auf die Selbstkosten (d.h. die nach den Grundsätzen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung ermittelten Vollkosten) als i.d.R. zweckmäßig erwiesen. Dieser wird – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – auch von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert3 und ist durchaus als international üblich anzusehen.4 Gleichwohl darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass es sich bei dieser Richtgröße um einen rein pragmatischen Ansatz handelt, der sich einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung entzieht. Insofern ist bei der Festlegung des Gewinnaufschlags immer den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, d.h., es sind insbesondere die von dem verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass kein bzw. nur ein geringer Gewinnaufschlag verrechnet werden darf, wenn es sich um sog. „durchlaufende Kosten“ handelt, also ein Unternehmen für ein anderes Unternehmen in Vorlage tritt. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass in Fällen der Lohn- und Auftragsfertigung Materialbeistellungen nicht in die Kostenbasis einzubeziehen sind.5

4.279 Temporärer Verzicht in Krisensituationen. Ferner ist die Zuordnung eines sicheren Gewinns

mittels eines Standardgewinnaufschlages etwa in Krisenzeiten fraglich. Können in Krisenzeiten unternehmens- und branchenübliche Gewinnspannen konzernweit nicht dargestellt, sondern nur Verluste in Grenzen gehalten werden, steht auch für Routineunternehmen die Erzielbarkeit eines sicheren Gewinns zur Diskussion. Es ist durchaus denkbar, dass bei konjunkturellen Nachfrageund Preisrückgängen kein bzw. allenfalls ein nur sehr geringer Gewinnaufschlag verrechnet wird. Dies ist auch mit den VWG-Verfahren vereinbar, die Routineunternehmen „regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne“6 zugestehen, weil kein Regelfall, sondern ein Ausnahmefall gegeben ist.7 e) Nachteile der Kostenaufschlagsmethode

4.280 Zuordnung eines Garantiegewinns. Ein wesentlicher Nachteil der Kostenaufschlagsmethode be-

steht darin, dass dem leistungserbringenden Unternehmen aufgrund der Verwendung „normalisierter“ Gewinnaufschläge ein garantierter Gewinn zugeordnet wird. Insoweit wird verkannt, dass der einer Lieferung oder Leistung zuzuordnende Gewinn nicht nur durch unternehmensinterne Faktoren, wie die Kosten des leistungserbringenden Unternehmens, sondern auch durch den am Markt erzielbaren Preis determiniert wird. Es fehlt somit die Einbeziehung der Nachfrageverhältnisse, d.h. die Entscheidungssituation des Abnehmers.

1 Vgl. Tz. 7.61 OECD-Leitlinien 2017, siehe hierzu z.B. Elbert/Münch, IStR 2015, 341 ff.; Ackermann/ Greil, IWB 2015, 3 f.; Hüning/Hewera/Geyik, IWB 2016, 298 ff. 2 EU-JTPF, Leitlinien zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, abgedr. in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise5, 485 ff. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.1.2; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.7; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 327; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 150; Zech, IStR 2011, 135. 4 Vgl. Casley, The Basic Framework of the Cost-Plus Method, ITPJ March/April 1999, 38. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 207; Zech, IStR 2011, 135. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2. Buchst. a. 7 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 32 f.

498 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.284 Kap. 4

Einbeziehung der Empfängerperspektive. Dieser Nachteil der Kostenaufschlagsmethode kann durch die Berücksichtigung des Vertragspartners im Rahmen der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters kompensiert werden.1 Dabei wird neben der Kostensituation des leistungserbringenden Unternehmens die spezifische Entscheidungssituation des leistungsempfangenden Unternehmens berücksichtigt und insoweit der natürliche Interessengegensatz zweier – unabhängiger – Vertragspartner für Zwecke der Verrechnungspreisermittlung nachgebildet (Rz. 4.164).

4.281

4. Kombination der klassischen Methoden Zulässigkeit. Weder die VWG 1983 noch die OECD-Leitlinien betrachten die drei klassischen Methoden als die einzigen Instrumente einer Verrechnungspreisbestimmung. Vielmehr wird in beiden Verlautbarungen zutreffend festgestellt, dass es aufgrund der Komplexität des Geschäftslebens oder des Bemühens, den gegebenen Marktverhältnissen hinreichend Rechnung zu tragen, zu praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung der klassischen Methoden kommen kann.2 Deshalb wird ausdrücklich gestattet, die klassischen Methoden erforderlichenfalls zu kombinieren bzw. durch zusätzliche Elemente und Berechnungen zu ergänzen.3 So kann bspw. nach Auffassung des BFH im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen bei einer Vertriebsgesellschaft die Wiederverkaufspreismethode – insbesondere zur Vermeidung einer nachhaltigen Verlustsituation der Vertriebsgesellschaft – um die Kostenaufschlagsmethode ergänzt werden, um die Handelsmarge der Vertriebsgesellschaft zu ermitteln (Rz. 4.231 f.).4 Diese Vorgehensweise hat sich auch in der Verrechnungspreispraxis durchgesetzt, da in diesem Zusammenhang häufig ein tatsächlicher Fremdvergleich an den fehlenden Vergleichsdaten scheitert.

4.282

Verwendung von sonstigen betriebswirtschaftlichen Daten. Darüber hinaus besteht nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung die Möglichkeit, „Kalkulationsverfahren oder sonstige betriebliche Grundlagen, die im freien Markt die Preisbildung beeinflussen (betriebswirtschaftliche Daten)“ als Anhaltspunkte für eine Verrechnungspreisbestimmung zu verwenden.5 Diese Freiheitsgrade in der Methodengestaltung werden allerdings nur unter der Bedingung gewährt, dass solche unternehmenseigenen Berechnungssysteme „mit angemessener Genauigkeit“ zu marktkonformen Ergebnissen führen und dabei die tatsächlichen Verhältnisse in ausreichendem Umfang berücksichtigen sowie vollständig und richtig erfassen.6 Prüfungstechnisch ist dabei zu beachten, dass die Schlüssigkeit des Berechnungssystems erwiesen und dessen sachgerechte Anwendung gewährleistet ist.7 Ändern sich die in den Berechnungssystemen enthaltenen Vorgaben und Daten im Zeitablauf, sind die Berechnungssysteme entsprechend anzupassen.8

4.283

III. Gewinnorientierte Methoden 1. Grundlagen und Rechtsentwicklung Schwächen der klassischen Methoden. Die Umsetzung der vorstehend dargestellten klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung ist davon abhängig, dass eine einzelne konzerninterne Leistungsbeziehung identifiziert und als solche bewertet werden kann. Nach dem Grundsatz des 1 Vgl. Baumhoff, DStR 1987, 499. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.2; Tz. 2.24 OECDLeitlinien 2017. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.2 f. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001, – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; wohl auch BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658 u. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 593. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.6 Buchst. c. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.3. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.3. 8 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.3 Buchst. c.

Baumhoff/Liebchen | 499

4.284

Kap. 4 Rz. 4.285 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Fremdvergleichs dient dabei als Beurteilungsmaßstab das Verhalten unabhängiger Unternehmen in vergleichbaren Marktsituationen (Rz. 4.97 ff.). Allerdings hat die Verrechnungspreispraxis gezeigt, dass sich für bestimmte konzerninterne Leistungsbeziehungen keine Referenztransaktionen des freien Marktes finden lassen bzw. notwendige Anpassungsrechnungen nicht durchgeführt werden können.1 Dies gilt insbesondere für stark integrierte und verflochtene Leistungsbeziehungen, z.B. im Rahmen des „Global Trading“2 und des „Global Development“3, aber auch für die Ermittlung angemessener Leistungsentgelte bei netzwerkartigen Dienstleistungen4 und im Rahmen der Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter (Lizenzgebühren).5

4.285 Arten gewinnorientierter Methoden. Aufgrund dieser Schwächen der klassischen Methoden bei

der Verrechnungspreisermittlung wurde nach neuen Verrechnungspreismethoden gesucht, die im Hinblick auf das Vergleichbarkeitskriterium des Fremdvergleichs geringere Anforderungen stellen. Im Ergebnis führte dies zur Entwicklung der sog. Gewinnmethoden, die den Gewinn aus einer Transaktion bzw. den Unternehmensgesamtgewinn in das Zentrum der Einkünfteabgrenzung stellen. Die OECD-Leitlinien6 und die deutschen VWG-Verfahren7 unterscheiden folgende gewinnorientierte Methoden: – die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Profit-Split-Method – PSM, Rz. 4.291 ff.),

– die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (Transactional-Net-Margin-Method – TNMM, Rz. 4.297 ff.), – die globale Gewinnvergleichsmethode (Comparable-Profit-Method – CPM, Rz. 4.212) und – die globale Gewinnaufteilungsmethode (Global-Formulary-Apportionment-Method, Rz. 4.302 ff.).

4.286 Geschäftsvorfallbezogenheit und Fremdvergleichsgrundsatz. Die globale Gewinnaufteilungs-

methode (Global-Formulary-Apportionment-Method), bei der ein konsolidierter (Konzern-)Gewinn aller Konzerneinheiten ermittelt und anhand bestimmter Schlüsselgrößen (z.B. das eingesetzte Vermögen, die Lohnsumme oder der Umsatz) auf die nationalen Konzerngesellschaften aufgeteilt wird, ist nach Auffassung der OECD nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar. Sie wird von der OECD kategorisch abgelehnt und als „nicht realistische Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz“8 angesehen. Insofern steht sie nicht im Einklang mit Art. 9 OECD-MA. Nach Auffassung der OECD ist auch die Gewinnvergleichsmethode (Comparable-Profit-Method) mangels Transaktionsbezugs nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar.9 Hierbei geht die OECD davon aus, dass die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Allgemeinen auf ei1 Vgl. etwa Kleineidam in FS Flick, 859; Herzig, WPg 1998, 281; Kleineidam in FS Fischer, 707; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 167 f., 170 ff. 2 Vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Vögele/Borck, IStR 2002, 179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003. 3 Vgl. dazu Kaminski, IStR 2001, 540 f.; Fischer/Looks/Reese, IStR 2008, 254 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 340 ff. 4 Vgl. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 241 ff. 5 Vgl. hierzu Greinert, RIW 2006, 449 ff.; Greinert, Ubg 2010, 101 ff. 6 Vgl. Tz. 2.62 ff. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b, c und d. 8 Tz. 1.21 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. Tz. 2.62 OECD-Leitlinien 2017.

500 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.289 Kap. 4

nem transaktionsbezogenen Vergleich basiert.1 Kann dieser Transaktionsbezug jedoch dadurch hergestellt werden, dass die Betriebsgewinne einzelnen Geschäftsvorfällen zuordenbar sind, und besteht deshalb eine Vergleichbarkeit mit Fremdgeschäften, genügt auch die Gewinnvergleichsmethode den Anforderungen an eine Vergleichbarkeitsanalyse i.S.d. OECD-Leitlinien.2 Insofern akzeptieren auch die OECD-Leitlinien die Gewinnvergleichsmethode als eine mit dem Fremdvergleich vereinbare Methode.3 Die deutsche Finanzverwaltung geht hingegen pauschal davon aus, dass die Gewinnvergleichsmethode nicht zu fremdvergleichskonformen Ergebnissen führe und lehnt diese Methode deshalb ab.4 Ebenso wird sie etwa in Großbritannien, Japan, Frankreich und den Niederlanden nicht als eigenständige Verrechnungspreismethode anerkannt.5 Gleichwohl ist in der Betriebsprüfungspraxis immer wieder festzustellen, dass es gerade gesamtunternehmensbezogene Renditevergleiche sind, die methodisch auf die Gewinnvergleichsmethode zurückgehen, mittels derer die Unangemessenheit von Verrechnungspreisen behauptet wird. OECD-Leitlinien. Bis zur Neufassung der Kapitel I bis III im Rahmen der OECD-Leitlinien 2010 wurden die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode und die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode subsidiär in solchen Fällen für anwendbar betrachtet, in denen die klassischen Methoden keine Anwendung finden können. Sie waren damit im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung als Methoden „des letzten Auswegs“ anzusehen. Mit den OECD-Leitlinien 2010 wurde das strenge Hierarchieverhältnis der Verrechnungspreismethoden zueinander aufgegeben. Dies bewirkt insbesondere, dass den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden („profit split“/ „TNMM“) anstelle ihres Ausnahmecharakters als „method of last resort“ ein ihrer zunehmenden praktischen Relevanz entsprechender Status zugebilligt wird. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt bezogen auf die einzelne Transaktion die „am besten geeignete Methode“ („most appropriate method“) zum Tragen (Rz. 4.307 ff.).6

4.287

VWG 1983. Bereits die VWG 1983 weisen auf die Möglichkeit hin, die Einkünfte des Steuerpflichtigen mithilfe des Gewinnvergleichs oder der Gewinnaufteilung zu korrigieren, „wenn die Anwendung der Standardmethoden wegen besonderer Umstände […] nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen würde“.7 Vergleicht man diese Formulierung der VWG 1983 mit den entsprechenden Ausführungen in den OECD-Leitlinien i.d.F. 1995/96 zur Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden, so lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen.8 Insofern haben sich bereits VWG 1983 für die Zulässigkeit gewinnorientierter Methoden ausgesprochen, falls die klassischen Methoden nicht „sachgerecht“9 bzw. nicht „zuverlässig“ angewendet werden können.

4.288

VWG-Verfahren. Die VWG-Verfahren10 regeln konkrete Vorgaben bzgl. der Anerkennung und der Anwendbarkeit der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden. Hiernach werden die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode wie die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zwar grundsätzlich anerkannt,11 sie sollen allerdings nur subsidiär zu den klassischen

4.289

1 Vgl. Tz. 2.6 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. hierzu auch Vögele/Raab in V/B/E4, D Rz. 371 f.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, 56. 3 Vgl. Tz. 2.62 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. d. 5 Siehe Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 2009, 56 m.w.N. 6 Vgl. Tz. 2.2 OECD-Leitlinien 2017. 7 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.5. 8 Vgl. Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 259. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.5. 10 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3. 11 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b u. c.

Baumhoff/Liebchen | 501

Kap. 4 Rz. 4.290 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Methoden anzuwenden sein.1 Der Anwendungsbereich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode wird ferner auf Unternehmen mit Routinefunktionen beschränkt. Zusätzlich wird er davon abhängig gemacht, dass der Nachweis über die Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen geführt wird und dass besondere, tatsächlich entstandene Gewinne oder Verluste des betreffenden Unternehmens, die sich trotz Vergleichbarkeit nicht in den Renditekennziffern der Vergleichsunternehmen niederschlagen, Berücksichtigung finden.2 Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode kann nur herangezogen werden, wenn „sich die Standardmethoden nicht oder nicht verlässlich anwenden lassen.“3 Dies sieht die Finanzverwaltung etwa dann als gegeben an, wenn die beteiligten Transaktionspartner als Entrepreneur bzw. Strategieträger qualifiziert werden. Dies ist insofern folgerichtig, als ihnen (ggf. zusammen mit anderen Unternehmen, die ebenfalls eine Entrepreneurfunktion ausüben) das betreffende Konzernergebnis zusteht, das nach Abgeltung der Funktionen der anderen Verbundgesellschaften und nach Abrechnung des mittels der klassischen Methoden abrechenbaren Lieferungs- und Leistungsaustausches zwischen ihnen verbleibt. Da sich die Finanzverwaltung auf die Vorgaben der OECD-Leitlinien4 bezieht, ist davon auszugehen, dass die deutsche Finanzverwaltung sowohl die Beitrags- als auch die Restgewinnmethode als maßgebliche Ausprägungen der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode akzeptiert.5

4.290 § 1 Abs. 3 AStG. Im innerstaatlichen deutschen Steuerrecht nennt § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG aus-

drücklich nur die klassischen Methoden, die vorrangig anzuwenden sind, wenn uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise oder -werte vorliegen (vgl. hierzu Rz. 4.313 ff.). Können lediglich eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden, sind diese nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG nach Vornahme sachgerechter Anpassungen „einer geeigneten Verrechnungspreismethode“ zugrunde zu legen. Welche Verrechnungspreismethoden in diesem Sinne geeignet sind, lässt das Gesetz offen. Auf dieser Stufe kommen jedenfalls auch die klassischen Methoden zur Anwendung.6 Es bestehen auch auf Basis der bisherigen Verwaltungsauffassung (Rz. 4.288 f.) keine Zweifel daran, dass jede anerkannte Verrechnungspreismethode auch eine i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG „geeignete Verrechnungspreismethode“ ist und deshalb auch die TNMM und die PSM grundsätzlich anwendbar sind.7 Ferner regelt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG – entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung (Rz. 4.289) – kein Vorrangverhältnis zwischen mehreren geeigneten Verrechnungspreismethoden, so dass diese prinzipiell gleichberechtigt nebeneinander stehen. 2. Geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (PSM)

4.291 Vorgehensweise. Im Rahmen der PSM wird der aus einem Geschäftsvorfall für den Konzern er-

zielte Gesamtgewinn auf die an der Transaktion beteiligten Konzernunternehmen aufgeteilt.8 Dabei ist im Rahmen einer Ex-ante-Betrachtung auf den aus dem einzelnen Geschäft erwarteten Gewinn abzustellen; auf den später tatsächlich realisierten Gewinn kommt es hingegen nicht an.9 Als Aufteilungsmaßstab der PSM fungieren die von den Konzernunternehmen ausgeübten Funktionen, 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b u. c. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. c. 4 Vgl. nunmehr Tz. 2.114 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Gl.A. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 52 ff. 6 Vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 15. 7 Vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 942; Förster, IStR 2011, 22. 8 Vgl. Tz. 2.114 u. 2.122 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. Tz. 2.134 OECD-Leitlinien 2017.

502 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.293 Kap. 4

getragenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel, die mittels einer Funktionsanalyse (Rz. 4.122 ff.) zu erfassen sind. Insoweit soll eine transaktionsbezogene Gewinnaufteilung erreicht werden, wie sie zwischen unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Funktionen und Risiken entstanden wäre. Anwendungsbereiche. Als Hauptanwendungsgebiet der PSM sieht die OECD konzerninterne Leistungsbeziehungen mit sehr engen wechselseitigen Beziehungen.1 Dies gilt insbesondere – auch nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung2 – für die Bereiche des „Global Trading“3 und des „Global Development“4 sowie für die Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter. Insoweit kommt der PSM durchaus praktische Bedeutung zu, zumal sie in zahlreichen Staaten steuerlich anerkannt ist.5

4.292

Methoden der Gewinnaufteilung. Für die Gewinnaufteilung stehen im Rahmen der PSM vier unterschiedliche Ansätze zur Verfügung:6

4.293

– Nach der Beitragsmethode („Contribution Analysis“) wird der erwartete Gesamtgewinn aus einem Geschäftsvorfall ermittelt und zwischen den Geschäftspartnern im Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge aufgeteilt. Der Umfang der Leistungsbeiträge wird mithilfe der Funktionsanalyse festgelegt, wobei der Wert einer Leistung möglichst anhand von tatsächlichen Marktwerten bestimmt werden soll.7 – Demgegenüber sieht die Restgewinnmethode („Residual Profit Split Method“) eine zweistufige Vorgehensweise vor. Auf der ersten Stufe wird jedem involvierten Konzernunternehmen eine „Grundrendite“ zugestanden, die sich an Fremdrenditen für entsprechende Leistungsbeiträge orientiert. Der verbleibende Gewinn (oder Verlust) wird daran anschließend auf einer zweiten Stufe unter Berücksichtigung der individuellen Beiträge der Konzernunternehmen, z.B. durch Einsatz bedeutender Patente oder Know-how, verteilt.8 Die Restgewinnmethode soll offenkundig zum Tragen kommen, wenn es über einen Basisgewinn hinaus „Zusatzgewinnbestandteile“ aufzuteilen gilt. Letztere können aus der Einbindung einzigartiger immaterieller Wirtschaftsgüter,9 vornehmlich aber aus der Ausübung spezieller, einer Bewertung nicht zugänglicher und verbundeffektstiftender Funktionen herrühren.10 1 Vgl. Tz. 2.115 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. c. 3 Vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Vögele/Borck, IStR 2002, 179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003. 4 Vgl. dazu Kaminski, IStR 2001, 540 f.; Fischer/Looks/Reese, IStR 2008, 254 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 340 ff. 5 Vgl. Maisto, CDFI 1992, Vol. LXXVIIa, 180; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 48 ff. 6 Vgl. Tz. 2.124 ff. OECD-Leitlinien 2017; US-Reg. § 1.482-6. 7 Vgl. Tz. 2.125 f. OECD-Leitlinien 2017; hierzu Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 513 ff. 8 Vgl. Tz. 2.127 ff. OECD-Leitlinien 2017; hierzu Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 519 ff. 9 Vgl. Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 520 m.w.N. 10 Vgl. Kleineidam in FS Flick, 870; Kleineidam, IStR 2001, 727 f. Zur Unterscheidung zwischen Basisund Zusatzgewinnbestandteilen im Rahmen einer globalen abgeschichteten Gewinnaufteilung vgl. Kleineidam, IStR 2001, 727 f. Zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärgewinnbestandteilen – wiederum im Rahmen eines globalen „profit split“ – siehe Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 180 ff.; Bauer, IStR 2006, 320 ff.

Baumhoff/Liebchen | 503

Kap. 4 Rz. 4.294 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – Als drittes Verfahren der Gewinnaufteilung nennt die OECD die Methode des eingesetzten Kapitals („Capital Employed Method“).1 Dabei wird der Gewinn in der Weise aufgeteilt, dass jedes in die Transaktion einbezogene Konzernunternehmen dieselbe Rendite aus dem im Rahmen der Transaktion eingesetzten Kapital erzielt. Insoweit wird unterstellt, dass jedes involvierte Konzernunternehmen einem ähnlichen Risiko unterliegt und infolgedessen eine gleiche Rendite gerechtfertigt ist. – Im Rahmen der Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung („Comparable Profit Split Method“) werden die Gewinnanteile der einzelnen Konzernunternehmen aus den Gewinnen abgeleitet, die unabhängige Unternehmen mit vergleichbaren Funktionen, Risiken und Vertragsbedingungen erwirtschaften. Der insoweit aus den relativen Anteilen am Gesamtgewinn ermittelte Aufteilungsschlüssel wird sodann auf die Gewinnaufteilung zwischen den Konzernunternehmen übertragen.2 Diese methodische Aufzählung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnteilung ist jedoch nicht abschließend.3 Daneben sind auch andere Gewinnteilungsansätze zulässig, die dem übergeordneten Ziel einer weitestgehenden Annäherung an den Fremdvergleich genügen.4

4.294 Vorteile der PSM. Der Vorteil der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode liegt da-

rin, dass trotz fehlender Vergleichsmaßstäbe des Markts eine Verrechnungspreissimulation auf der Grundlage eines Fremdvergleichs möglich ist, die i.d.R. zu akzeptablen Ergebnissen führt.5 Außerdem kann mit dieser Methodik vermieden werden, dass einem an der Transaktion beteiligten Konzernunternehmen ein unangemessen hoher Gewinnanteil zugeordnet wird, weil die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode die Entscheidungssituation der „doppelten“ ordentlichen Geschäftsleiter zu berücksichtigen in der Lage ist.6 Ferner ist die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode i.d.R. geeignet, eine internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden, da der aus einem Geschäftsvorfall resultierende Gewinn im Ergebnis nur einmal durch die internationalen Fisci besteuert wird. Dies setzt jedoch voraus, dass die involvierten Staaten einerseits die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode anerkennen und andererseits den vom Steuerpflichtigen gewählten Aufteilungsschlüssel akzeptieren.7 Ferner stellen die OECD-Leitlinien die Flexibilität dieser Methode heraus, spezifische, ggf. einzigartige Fakten und Umstände der verbundenen Unternehmen zu berücksichtigen, die unverbundene Unternehmen nicht aufweisen.8

4.295 Nachteile der PSM. Der Nachteil der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode wird im Wesentlichen in einer mangelnden Verfügbarkeit objektiver Daten für den Gewinnaufteilungsmaßstab gesehen.9 Darüber hinaus liegt das zentrale Problem der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode in der Isolierung des aus einer bestimmten Transaktion resultierenden

1 2 3 4 5

6 7 8 9

Vgl. Tz. 2.151 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. US-Reg. § 1.482-6 (c) (2). Vgl. Tz. 2.124 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. hierzu Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 508 ff. Dies gilt insbesondere für die Bereiche des „Global Trading“ und des „E-Commerce“; vgl. dazu Sieker, IStR 1994, 432 f.; Portner, IStR 1995, 358 ff.; Selling, IStR 1998, 417 ff.; Kaminski/Strunk, IStR 1999, 221 f.; Vögele/Borck, IStR 2002, 179 f.; Häuselmann, IStR 2003, 139 ff.; Nientimp/Roeder, ITPJ 2005, 308; Verdoner, ITPJ 2005, 286; Bakker, ITPJ 2006, 99; Hülshorst/Rettinger, DB 2006, 2032 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 346 ff. Siehe ferner OECD, Discussion Draft on Global Trading, 2003. Vgl. Tz. 2.119 OECD-Leitlinien 2017 sowie hierzu Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 487 ff. Vgl. hierzu ausführlich Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 345 f. und 358 ff. Vgl. Tz. 2.118 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 2.116 u. 2.120 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 853.

504 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.297 Kap. 4

Gewinns.1 Insbesondere ist aufgrund international unterschiedlicher Gewinnermittlungsvorschriften nicht sichergestellt, dass die jeweiligen Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften von einem identischen Gesamtgewinn, der auf die beteiligten Konzernunternehmen aufzuteilen ist, ausgehen.2 BEPS/Diskussionsentwürfe vom 4.7.2016 und 22.6.2017. Im Rahmen des BEPS-Projekts der OECD/G20 wurde unter anderem überprüft, inwieweit die bisherigen Verrechnungspreismethoden im Zusammenhang mit globalen Wertschöpfungsketten noch zu sachgerechten Ergebnissen führen. Die BEPS-Maßnahme Nr. 10 betraf vor diesem Hintergrund insbesondere den Anwendungsbereich der PSM. Mit den Abschlussberichten vom 5.10.2015 wurde das Mandat zur Überarbeitung der Grundsätze zur Anwendung der PSM erteilt, die 2016–2017 abgeschlossen sein soll und die sich inhaltlich insbesondere auf die Grundsätze zur Methodenwahl nach dem Konzept der „am besten geeigneten“ Verrechnungspreismethode, die Anwendung der PSM bei hoch integrierten Geschäftsbeziehungen, bei einzigartigen wertvollen Beiträgen und bei Synergievorteilen sowie auf die Aufteilungsfaktoren und die Nutzung der PSM zur Bestätigung von Ergebnissen nach der TNMM und zur Bestimmung z.B. von Lizenzraten beziehen soll.3 Vor diesem Hintergrund wird die PSM zukünftig an Bedeutung gewinnen. Der am 4.7.2016 veröffentlichte Diskussionsentwurf zur Änderung der Empfehlungen zur PSM stellt die unterschiedlichen Ansätze der PSM breit dar, nämlich die geschäftsvorfallbezogene Aufteilung der ursprünglich geplanten Gewinne aus der Transaktion („Ex-ante“-Betrachtung) und die geschäftsvorfallbezogene Aufteilung der tatsächlich erzielten Gewinne aus der Transaktion („Ex-post“-Betrachtung).4 Ferner wird die Vereinbarkeit des jeweiligen Ansatzes mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nach den Grundsätzen des Risikokontrollkonzepts (Rz. 4.134 ff.) bezogen auf die nach dem jeweiligen Ansatz bewirkte Aufteilung der Auswirkungen der mit den geschäftlichen Tätigkeiten verbunden Risiken beurteilt. Ein zweiter, überarbeiteter Diskussionsentwurf wurde am 22.6.2017 veröffentlicht.5 Die Überarbeitung der Grundsätze zur Anwendung der PSM ist aktuell noch nicht abgeschlossen. Den Empfehlungen der OECD-Leitlinien 2017 zur Anwendung der PSM ist deshalb ein entsprechender Hinweis vorangestellt.

4.296

3. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) Vorgehensweise. Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode6 vergleicht Nettomargen, die ein Konzernunternehmen aus einem Geschäft mit einem verbundenen Unternehmen erwirtschaftet hat, mit solchen Margen, die das Konzernunternehmen mit fremden Dritten erzielt, bzw. die von unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erzielt werden. Die Nettomargen werden regelmäßig als Verhältnis einer Gewinngröße (i.d.R. Betriebsergebnis, Rohergebnis oder EBIT) zu einer Bezugsgröße (sog. Profit-Level-Indicator – PLI, z.B. Umsatz, Voll- oder Teilkosten, betriebsnotwendiges Kapital) bestimmt.7 Infolgedessen kommt es zur Zuordnung von „Sollgewinnen“, die an den angemessenen Gewinnaufschlag bei der Kostenaufschlagsmethode oder die angemessene Handelsspanne bei der Wiederverkaufspreismethode erinnern.8 Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass nur auf die Nettomarge aus einem Geschäftsvorfall bzw. verwandten und 1 Vgl. Tz. 2.120 OECD-Leitlinien 2017; siehe auch Portner, IStR 1998, 550. 2 Vgl. Kaminski, Verrechnungspreise bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 193; Dawid in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 495. 3 Vgl. Abschlussberichte zu den Maßnahmen 8–10 des BEPS-Projekts v. 5.10.2015, 59 ff. 4 Vgl. OECD, Public Discussion Draft, BEPS Actions 8–10, Revised Guidance on Profit Splits v. 4.7. 2016; OECD, Comments received on Public Discussion Draft, BEPS Actions 8–10, Revised Guidance on Profit Splits Plart II v. 5.9.2016. 5 Vgl. OECD, Public Discussion Draft, BEPS Action 10, Revised Guidance on Profit Splits v. 22.6.2017. 6 Vgl. Tz. 2.64 ff. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. Siehe hierzu ausführlich Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 791 ff.; Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.92 ff. 7 Vgl. Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 800 ff. 8 Vgl. Tz. 2.64 OECD-Leitlinien 2017. Siehe auch Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 152; Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 791 und 795.

Baumhoff/Liebchen | 505

4.297

Kap. 4 Rz. 4.298 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen wirtschaftlich eng zusammenhängenden Geschäftsvorfällen („basket“-Ansatz bzw. Palettenbetrachtung)1 abgestellt werden darf und nicht etwa auf die Summe verschiedener Geschäftsvorfälle oder gar auf sämtliche Geschäftsvorfälle einer Periode. Ausdrücklich unzulässig ist es daher, eine Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nur deswegen vorzunehmen, weil über einzelne Transaktionen keine Daten vorliegen. Mithin würde dies zur Zuordnung von Pauschalgewinnen i.S. einer branchenüblichen Rendite führen.

4.298 Datenbankanalyse. Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode ist nur anwendbar, wenn

vergleichbare Referenztransaktionen zwischen unabhängigen Unternehmen identifiziert werden können. Insoweit kann ein innerer Betriebsvergleich (Rz. 4.160) durchgeführt werden, d.h., die Nettomarge wird aus vergleichbaren Geschäften, die das Unternehmen mit fremden Dritten ausführt, abgeleitet. Ferner ist ein äußerer Betriebsvergleich (Rz. 4.161 ff.) denkbar, bei dem die Nettomarge aus vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten ermittelt wird. In der Verrechnungspreispraxis werden im Rahmen des äußeren Betriebsvergleichs Nettomargen häufig aus Datenbanken abgeleitet (Rz. 4.163).2 Eine Verpflichtung zur Durchführung einer Datenbankanalyse bei Anwendung der TNMM besteht allerdings nicht.3

4.299 Anwendungsbeschränkungen nach den VWG-Verfahren. Die VWG-Verfahren erkennen die

TNMM zwar grundsätzlich an, allerdings soll sie nur subsidiär zu den klassischen Methoden anzuwenden sein.4 Der Anwendungsbereich der TNMM wird ferner auf Unternehmen mit Routinefunktionen beschränkt. Zusätzlich wird er davon abhängig gemacht, dass der Nachweis über die Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen geführt wird und dass besondere, tatsächlich entstandene Gewinne oder Verluste des betreffenden Unternehmens, die sich trotz Vergleichbarkeit nicht in den Renditekennziffern der Vergleichsunternehmen niederschlagen, Berücksichtigung finden.5 Dass die TNMM nicht auf Unternehmen zur Anwendung kommt, die als Entrepreneur bzw. Strategieträger qualifizieren, ist keine Einschränkung des Anwendungsbereichs. Diese Unternehmen charakterisieren sich gerade dadurch, dass sie die wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter einsetzen, die erfolgskritischen Funktionen ausüben und die wesentlichen unternehmerischen Risiken tragen und ihnen aufgrund dessen der Residualgewinn oder -verlust gebührt.6 Zum einen fehlen regelmäßig Vergleichsunternehmen, auf deren Renditekennziffern abgestellt werden könnte. Zum anderen reflektiert eine kostenorientierte Entgeltermittlung nicht das Funktions- und Risikoprofil eines Strategieträgers, denn mittels kostenorientierter Methoden würde diesem ein sicherer Gewinn zugeordnet, nicht hingegen das Residualergebnis.7 Dies gilt allerdings nicht für die Kategorie der sog. Mittelunternehmen, für die zum einen weitestgehend unklar ist, auf welches Funktions- und Risikoprofil sich diese konkret erstreckt (Rz. 4.150). Zum anderen sind nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.8 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditekennziffern funktional (zumindest eingeschränkt)

1 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 463. 2 Vgl. zur praktischen Umsetzung der TNMM im Einzelnen Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 800 ff. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12 Abs. 2. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b und c. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b, 2. Spiegelstrich. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 7 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35; Baumhoff in Schönfeld/Baumhoff, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 144. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. c.

506 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.302 Kap. 4

vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“ bestimmt wird.1 Dies läuft de facto jedoch auf die TNMM hinaus, deren Anwendung für Mittelunternehmen gerade ausgeschlossen werden soll. Dieser Widerspruch und damit die Anwendbarkeit der TNMM auf Mittelunternehmen bleiben letztlich offen.2 Vorteile der TNMM. Die Vorteile der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode sind nach Auffassung der OECD insbesondere darin zu sehen, dass im Gegensatz zu den klassischen Methoden (Rz. 4.213 ff.) Funktionsunterschiede und die Andersartigkeit der Leistung die Vergleichbarkeit der Nettomargen weniger beeinträchtigt. Ferner sei die Nettomargenmethode im Vergleich zur Gewinnaufteilungsmethode weniger arbeitsaufwendig. Denn zum einen sei eine Funktionsanalyse nur für eines der involvierten Konzernunternehmen vorzunehmen, zum anderen würde sich die Ermittlung eines aufzuteilenden Gesamtgewinns erübrigen.3

4.300

Nachteile der TNMM. Diesen Vorteilen der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode stehen allerdings schwerwiegende Nachteile gegenüber. Die OECD sieht dabei den größten Nachteil darin, dass die Nettogewinnspanne eines Steuerpflichtigen von einigen Faktoren beeinflusst werden kann, die sich auf die Preise oder Bruttogewinnspannen entweder nicht, weniger stark oder nur mittelbar auswirken.4 Insoweit wird die Ermittlung von fremdvergleichskonformen Nettogewinnspannen erschwert. Denn neben den durch das Konzernunternehmen wahrgenommenen Funktionen und Risiken wird die Nettomarge auch von – nur schwer greif- und bewertbaren – Faktoren wie z.B. den Fähigkeiten des Managements, der Wettbewerbsposition, den Kostenstrukturen etc. beeinflusst.5 Als kostenorientierte Methode führt die TNMM zur Allokation eines sicheren Gewinns und trägt hierdurch der Risikoverteilung zwischen den Transaktionspartnern nur dann hinreichend Rechnung, wenn – wie bei Unternehmen mit Routinefunktionen – nur geringe Risiken getragen werden. Ferner ist sie aufgrund dieses Ansatzes nicht geeignet, unwirtschaftliches Verhalten verursachungsgerecht zu berücksichtigen.6

4.301

4. Globale Gewinnaufteilungsmethode Vorgehensweise. Theoretisch existieren zwei alternative Ansätze, das Gesamtergebnis eines internationalen Unternehmensverbundes (bzw. Konzerns) auf die einzelnen nationalen Gliedunternehmen aufzuteilen und somit eine sachgerechte regionale Abgrenzung der Steuerbemessungsgrundlagen sicherzustellen. Neben der direkten Bestimmung der Einkünfte dieser nationalen Gliedunternehmen mittels transaktionsbezogener Verrechnungspreise auf Basis von Fremdvergleichspreisen als erste Alternative kommt als zweite Alternative die indirekte Bestimmung auf globaler Basis mittels einer formelhaften Aufteilung des konsolidierten Gesamtergebnisses in Betracht.7 Als Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz und damit zur transaktionsbezogenen Einzelverrechnung nach diesem Angemessenheitsmaßstab kommt das Konzept einer Aufteilung eines konsolidierten Konzernerfolgs anhand von Schlüsselgrößen in Betracht, das theoretisch als das einzig Richtige gilt. Die globale Gewinnaufteilungsmethode ignoriert für Zwecke der internationalen Gewinnabgrenzung die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften und setzt sich insoweit über das gesellschaftsrechtliche und steuerliche Trennungsprinzip hinweg. Ausgangspunkt der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist die Ermittlung des konsolidierten Gewinns sämtlicher im Konzern verbundener Unternehmen (sog. Konzerngewinn). Dieser wird in einem weiteren Schritt anhand bestimmter Schlüsselgrößen (z.B. das eingesetzte Vermögen, die Lohnsumme oder 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.6 Buchst. b, 1. Spiegelstrich. 2 Siehe hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553. 3 Vgl. Tz. 2.69 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 2.70 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. auch Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 270; Werra, IStR 1995, 463. 6 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 581. 7 Vgl. z.B. Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000, 128 ff.

Baumhoff/Liebchen | 507

4.302

Kap. 4 Rz. 4.303 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen der Umsatz) auf die nationalen Konzerngesellschaften verteilt. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Gewinnabgrenzung nicht auf der Basis der konkreten Gewinnermittlung jeder einzelnen Konzerngesellschaft, sondern vielmehr auf der Grundlage des Gewinns der wirtschaftlichen Einheit „Konzern“. Dies hat zur Konsequenz, dass nur solche Gewinne in die internationale Gewinnabgrenzung eingehen, die aus der Sicht des Gesamtkonzerns mit fremden Dritten realisiert wurden.

4.303 Kernprobleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Die Kernprobleme der globalen Ge-

winnaufteilungsmethode liegen in der Frage, welche Gesellschaften des Konzerns als zu diesem zugehörig angesehen werden sollen und infolgedessen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind. Außerdem gestaltet sich die Bestimmung eines angemessenen Gewinnverteilungsschlüssels, der den von den Konzernunternehmen wahrgenommenen Funktionen, Risiken und erwirtschafteten Wertschöpfungsbeiträgen Rechnung trägt, als äußerst problematisch. Die Anwendung eines pauschalen Aufteilungsschlüssels bedeutet eine proportionale Aufteilung des Konzerngewinns (oder -verlusts) nach Maßgabe der verwendeten Schlüsselgröße. Insofern finden – je nach gewähltem Aufteilungsschlüssel – spezifische Gegebenheiten der einzelnen Konzerngesellschaften (wie z.B. Markt- und Wettbewerbsbedingungen, spezielle Unternehmensstrategien, spezifische Einzelrisiken) keine Berücksichtigung. Letztlich wird damit den einzelnen Konzerngesellschaften ein Teil des Gesamtgewinns zugeordnet, der i.d.R. nicht demjenigen Gewinn entspricht, der durch die Konzerngesellschaften im Rahmen der unternehmerischen Wertschöpfungskette nach den ihnen zugeordneten Funktionen und Risiken tatsächlich erwirtschaftet wurde.

4.304 Ablehnung des Alternativansatzes durch OECD-Leitlinien. Vor diesem Hintergrund steht die

globale Gewinnaufteilungsmethode nicht im Einklang mit dem international anerkannten Grundsatz des Fremdvergleichs. So wird einerseits über die rechtliche Selbständigkeit der Konzerngesellschaften hinweggegangen und andererseits eine Gewinnaufteilung vorgenommen, die den spezifischen Funktionen und Risiken der Einzelgesellschaften nur unzureichend Rechnung trägt.1 Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten wird die globale Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung2 überwiegend abgelehnt. Dies gilt indessen auch für die OECDLeitlinien, die die globale Gewinnaufteilungsmethode als „nicht realistische Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz“3 bezeichnen. Dies wird mit den folgenden Argumenten begründet: – Die aus der Anwendung einer pauschalen Gewinnaufteilungsformel resultierende Einkünfteabgrenzung ist letztlich willkürlich, weil sie den wirtschaftlichen Gegebenheiten des einzelnen Konzernunternehmens nicht Rechnung trägt.4 – Sofern sich die Ansässigkeitsstaaten der Konzerngesellschaften nicht auf eine universelle Gewinnzerlegungsformel einigen, kommt es zwangsläufig zu Doppel- und Minderbesteuerungen.5 – Die Erwartung, dass sich zahlreiche Staaten auf eine gemeinsame Gewinnzerlegungsformel einigen könnten, ist in hohem Maße unrealistisch.6 Würden nur einige Staaten eine formelhafte Gewinnzerlegung praktizieren, müssen international tätige Unternehmen die Einkünfteabgrenzung sowohl nach Maßgabe des Fremdvergleichs als auch nach einer Gewinnzerlegungsformel vornehmen.7

1 Vgl. die ausführliche Würdigung bei Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 158 ff.; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 270 ff. 2 Demgegenüber kommt ihr in föderal strukturierten Staaten im Rahmen der nationalen Gewinnabgrenzung durchaus Bedeutung zu; vgl. etwa die GewSt-Zerlegung in Deutschland gem. § 28 ff. GewStG oder die „Unitary Taxation“ in den USA; zu Letzterer Luttermann, IStR 1994, 489 ff.; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 128 ff. u. 148 ff.; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, 256 ff. 3 Tz. 1.21 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 1.25 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Tz. 1.22 u. 1.24 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 1.24 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Tz. 1.27 u. 1.31 OECD-Leitlinien 2017.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.306 Kap. 4

– Eine formelhafte Gewinnzerlegung schafft ein Sonderrecht für verbundene Unternehmen, was den Wettbewerb zwischen Konzernunternehmen und konzernfreien Unternehmen verzerrt. So kann eine Gewinnzerlegungsformel zur Zurechnung von Gewinnen zu einem Konzernunternehmen führen, wenngleich dieses als unabhängiges Unternehmen einen Verlust ausweisen würde.1 Alternativkonzept zum Fremdvergleichsgrundsatz. Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Konzernerfolgs anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für konzerninterne Lieferungen und Leistungen überflüssig; denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus konzerninternen Lieferungen und Leistungen zu ermitteln und zu versteuern sind, bevor der Konzernerfolg durch Transaktionen mit konzernexternen Geschäftspartnern realisiert wird. Daher wird dieses Konzept – trotz aller praktischen Anwendungsprobleme – in den Wirtschaftswissenschaften als das einzig theoretisch Richtige angesehen.

4.305

Dem stehen jedoch gravierende praktische Nachteile gegenüber. Zum einen ist in absehbarer Zeit nicht erkennbar, dass man sich auf OECD-Ebene oder zumindest EU-weit auf ein System harmonisierter steuerlicher Gewinnermittlung und der Anwendung (nahezu) einheitlicher Steuersätze verständigen wird. Selbst wenn dies mittelfristig europaweit gelingen sollte, wären dennoch die zuvor erwähnten Probleme bei der Bestimmung eines international akzeptablen Verteilungsschlüssels zu lösen, für die derzeit keine ökonomisch und finanzwissenschaftlich überzeugende Lösung existiert. Außerdem würde das Einkünfteabgrenzungsproblem für die Fälle bestehen bleiben, bei denen sich nicht alle Staaten am Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Konzernerfolgs beteiligen.2 Hier müsste nach wie vor auf den Grundsatz des Fremdvergleichs zurückgegriffen werden. Zumindest im Verhältnis zu Drittstaaten wäre also weiterhin am Grundsatz einer getrennten Gewinnermittlung anhand transaktionsbezogener Verrechnungspreise auf der Grundlage des Fremdvergleichs festzuhalten.3 Am 25.10.2016 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Neuauflage der GKKB vorgelegt, die in zwei Stufen implementiert und für die größten Unternehmensgruppen in der EU verpflichtend werden soll.4 Es bleibt abzuwarten, ob dieser Vorschlag in absehbarer Zeit konsensfähig ist. Insbesondere im Hinblick auf die Konsolidierung und die formelhafte Aufteilung der GKKB dürften erhebliche Widerstände bestehen.

IV. Rangfolge der Verrechnungspreismethoden 1. OECD-Leitlinien Aufgabe des strengen Hierarchieverhältnisses. Die Bedeutung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden hat in der Praxis der Festlegung und Prüfung internationaler Verrechnungspreise in den letzten Jahren erheblich zugenommen. So werden nach den Erfahrungen der deutschen Finanzverwaltung 80 % der „einfachen Fälle“ („einfache“ Vertriebsgesellschaften, Produktionsgesellschaften oder Dienstleistungsgesellschaften) von vornherein nach dieser Methode abgerechnet.5 Ferner werden bei Abschluss von Advance Pricing Agreements unter Beteiligung der USA zunehmend gewinnorientierte Methoden vereinbart.6 Mit den OECD-Leitlinien 2010 wurden vor diesem 1 Vgl. Tz. 1.25 u. 1.29 OECD-Leitlinien 2017. 2 Zu Drittstaaten-Fragen im Zusammenhang mit der gemeinsamen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage siehe etwa Spengel, IStR 2008, 556 ff. 3 Vgl. Spengel/Wendt, StuW 2007, 297. 4 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), COM (2016) 683 final; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, COM (2016) 685 final; siehe auch Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 25.10.2016. 5 Vgl. Naumann, IStR 2013, 616. 6 Vgl. auch Kurzewitz, IWB 2010, 95.

Baumhoff/Liebchen | 509

4.306

Kap. 4 Rz. 4.307 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Hintergrund das strenge Hierarchieverhältnis in der Methodenrangfolge und der Ausnahmecharakter der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden („Profit-Split“/„TNMM“) als „Method-oflast-Resort“ aufgegeben.1

4.307 Ansatz der „am besten geeigneten Verrechnungspreismethode“. Statt einer strengen Methodenhie-

rarchie kommt bezogen auf die einzelne Transaktion die „am besten geeignete Verrechnungspreismethode“ („most appropriate method“) zum Tragen.2 Konzeptionell geht dieser Ansatz erkennbar auf die sog. „Best-Method-Rule“ der US-amerikanischen Verrechnungspreis-Richtlinien zurück.3 Er erfordert eine Abwägung der Stärken und Schwächen der einzelnen Verrechnungspreismethoden, die insbesondere an folgenden Kriterien auszurichten ist:4 – die Eignung der Methode im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der konzerninternen Transaktion, wie er sich insbesondere nach der Funktionsanalyse darstellt, – die Verfügbarkeit hinreichend verlässlicher Daten (insbesondere Fremdvergleichsdaten) im Hinblick auf die jeweilige Verrechnungspreismethode, – der Grad der Vergleichbarkeit von konzerninternen Transaktion und Vergleichstransaktionen, einschließlich der Zuverlässigkeit von Anpassungsrechnungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit.

4.308 Methodenrangfolge bei gleicher Eignung und gleich zuverlässiger Anwendbarkeit. Sind nach

dieser Vergleichbarkeitsprüfung und nach der Informationsverfügbarkeit klassische und geschäftsvorfallbezogene Gewinnmethoden nebeneinander gleich zuverlässig anwendbar, gebührt nach Auffassung der OECD der klassischen Methode der Vorrang.5 Allerdings überzeugt die angeführte Begründung nicht, denn der Marktbezug – i.S. eines Vergleichs mit marktentstandenen Preisen – der klassischen Methoden kann jedenfalls für die Kostenaufschlagsmethode nicht und für die Wiederverkaufspreismethode nur mit Einschränkungen festgestellt werden. Dass die OECD hingegen die Dominanz der Preisvergleichsmethode gegenüber einer anderen klassischen Methode mit gleicher Zuverlässigkeit herausstreicht,6 ist international konsensfähig. Sie verkörpert letztlich das Urbild des Fremdvergleichs, indem sie marktentstandene Preise als Referenzpreis für konzerninterne Lieferungen und Leistungen nimmt.

4.309 Evaluation alternativer Verrechnungspreismethoden. Die methodische Bezugnahme auf die

„Best-Method-Rule“ nach den US-amerikanischen Verrechnungspreisvorschriften wirft die Frage auf, ob der Steuerpflichtige – abweichend von Tz. 1.68 und 1.69 OECD-Leitlinien 1995/1996 -gehalten sein soll, seine Verrechnungspreise nach mehreren oder gar allen zulässigen Verrechnungspreismethoden zu ermitteln und die Nichteignung alternativer Methoden bzw. die Besteignung der gewählten Methode nachzuweisen und zu dokumentieren. Zwar hat auch nach US-amerikanischen Verrechnungspreisgrundsätzen7 formal ein Nachweis über die Nichtwandwendbarkeit anderer Methoden nicht zu erfolgen. Faktisch ist es zur Vermeidung von Strafzuschlägen aber erforderlich, die Verrechnungspreise stets nach allen zulässigen Methoden zu berechnen, für die Daten über die Vergleichbarkeit verfügbar sind, und nach der „Best-Method-Rule“ zu analysieren, welche Methode die zuverlässigsten Ergebnisse bereitstellt.8

1 Zu der Revision der OECD-Leitlinien vgl. Förster, IStR 2009, 720; Förster, IStR 2011, 20; Rasch/Feistle, IWB 2009, 982; Kurzewitz, IWB 2010, 95; Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 21 ff.; Staudacher/Groß, SWI 2010, 461; Luckhaupt, Ubg 2010, 646. 2 Tz. 2.3 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. ausführlich Kurzewitz, IWB 2010, 104 f.; Ahmadov, ITPJ 2011, 184 ff. 4 Vgl. Tz. 2.2 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Tz. 2.4 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 2.4 OECD-Leitlinien 2017. 7 § 1.482-1 (c) (1) Satz 3 US-Regs. 8 Vgl. hierzu Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 79; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 257; Ahmadov, ITPJ 2011, 195 f.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.312 Kap. 4

Die OECD-Leitlinien folgen diesem Ansatz ausdrücklich nicht. Tz. 2.8 OECD-Leitlinien stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die Selektion der für den jeweiligen Einzelfall am besten geeigneten Methode nicht bedeutet, dass alle Verrechnungspreismethoden eingehend zu analysieren oder für die Auswahl der am besten geeigneten Methode getestet werden sollen.1 Der Steuerpflichtige soll vielmehr i.S. einer „Best Practice“ in der Lage sein, die Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode und der Vergleichsgrößen zu belegen, wobei dies anhand eines standardisierten Suchprozesses erfolgen kann, wie ihn die OECD-Leitlinien in Tz. 3.4 als „typisches Verfahren“ beispielhaft beschreiben.2 Keine Anwendung mehrerer Verrechnungspreismethoden. Tz. 2.11 OECD-Leitlinien hält überdies an der wesentlichen Erkenntnis fest, dass der Fremdvergleichsgrundsatz die Anwendung von mehr als einer Verrechnungspreismethode nicht verlangt.3 Der Steuerpflichtige ist deshalb weder verpflichtet noch gehalten, seine jeweiligen Verrechnungspreise nach mehr als einer Verrechnungspreismethode zu bestimmen.

4.310

Der Steuerpflichtige kann jedoch auch ohne eine bestehende Verpflichtung – und damit freiwillig – mehrere Verrechnungspreismethoden anwenden, entweder um deren Zweckmäßigkeit für den betreffenden Geschäftsvorfall zu untersuchen oder aber um seinen Verrechnungspreisansatz zu verproben oder zu plausibilisieren. Die OECD-Leitlinien sprechen in diesem Zusammenhang von einem flexiblen Ansatz, der es in schwierigen Fällen erlauben würde, die Beweiskraft verschiedener Methoden gemeinsam zu nutzen.4 Hierbei werden als „schwierige Fälle“ solche Fälle verstanden, „in denen keine Methode für sich allein schlüssig ist“. Der Anwendung einer oder mehrerer weiterer Verrechnungspreismethoden kommt für die Plausibilisierung und Verprobung des Verrechnungspreisansatzes insbesondere im Zusammenhang mit Preis- bzw. Wertbandbreiten Bedeutung zu.5 Methodenwahl als Gegenstand der Vergleichbarkeitsanalyse. Die Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode erfolgt im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse anhand eines von den OECD-Leilinien als „Best-Practise“-Verfahren bezeichneten Ansatzes, wobei die Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode in mehreren Schritten angesprochen wird.6 Nach dem Verständnis der OECD-Leitlinien bezieht sich die Vergleichbarkeit auf die konkrete Verrechnungspreismethode. So heißt es in Tz. 3.47 OECD-Leitlinien „Vergleichbar sein heißt […] dass keiner der Unterschiede (soweit vorhanden) zwischen den im Rahmen der Methode verglichenen Gegebenheiten die untersuchten Bedingungen beeinflussen kann oder dass hinreichende Anpassungen erfolgen können, um die Auswirkungen dieser Unterschiede anzupassen.“7 Dementsprechend wird die Vergleichbarkeit nur von den Unterschieden in den verglichenen Geschäftsbedingungen und sonstigen Vergleichbarkeitsfaktoren beeinträchtigt, die einen (wesentlichen) Einfluss auf das Vergleichsobjekt der konkreten Verrechnungspreismethode haben.

4.311

Finanzmathematische Bewertungsverfahren und Verrechnungspreismethoden. Die OECD/G20 äußern sich in den Abschlussberichten zu den Maßnahmen Nr. 8–10 des BEPS-Projekts v. 5.10. 2015 im Zusammenhang mit der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter erstmals umfassend zur Nutzung finanzmathematischer Bewertungsverfahren für die Ableitung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise.8 Diesen lagen die Vorarbeiten der

4.312

1 Vgl. Tz. 2.8 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 2.8 OECD-Leitlinien 2017; ferner Tz. 3.4 OECD-Leitlinien und hierzu ausfühlich Baumhoff/ Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.25 ff. 3 Vgl. Tz. 2.12 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 2.12 OECD-Leitlinien 2017. 5 Siehe hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.174 und 5.183. 6 Siehe hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.25 ff. und 5.147. 7 Tz. 3.47 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Tz. 6.153 ff. OECD-Leitlinien 2017.

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Kap. 4 Rz. 4.313 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen OECD im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Kapitels VI der OECD-Leitlinien zugrunde.1 Demnach können in Fällen, in denen verlässliche Vergleichspreise im Rahmen der Preisvergleichsmethode nicht festgestellt werden können, die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode sowie anerkannte finanzmathematische Bewertungsverfahren zur Ableitung von Fremdvergleichspreisen herangezogen werden.2 Hierbei gehen die OECD-Leitlinien davon aus, dass Bewertungsverfahren sowohl als Bestandteil einer der klassischen Methoden (Rz. 4.213 ff.) und der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden (Rz. 4.291 ff. und Rz. 4.297 ff.) als auch selbstständig angewendet werden können („as a tool that can be usefully applied in identfying the arm’s length price“).3 2. Regelungen des § 1 AStG

4.313 Kein abschließendes Rangfolgeverhältnis. Ein Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreismetho-

den ist im innerstaatlichen Recht gesetzlich nicht (abschließend) geregelt. Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG könnte zwar implizieren, der Gesetzgeber hätte zum einen den Vorrang der klassischen Methoden grundsätzlich geregelt und diese zum anderen gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Einer näheren Überprüfung hält diese Vermutung allerdings nicht stand. Denn § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG stellt kein gesetzliches Stufenverhältnis zwischen den klassischen Methoden auf, sondern regelt den uneingeschränkten Vorrang des tatsächlichen Fremdvergleichs vor dem hypothetischen Fremdvergleich. Hierzu bedient sich der Gesetzgeber eines Stufenverhältnisses, das sich grafisch wie folgt darstellen lässt:4 Stufe 1

Tatsächlicher Fremdvergleich Uneingeschränkt vergleichbare Werte

Stufe 2

Tatsächlicher Fremdvergleich Eingeschränkt vergleichbare Werte

Stufe 3

Hypothetischer Fremdvergleich Ermittlung eines (hypothetischen) Einigungsbereichs

Auf der 1. Stufe soll stets ein tatsächlicher Fremdvergleich durchgeführt werden. Die Anwendung der 1. Stufe setzt allerdings uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte voraus. Scheitert die Anwendung der 1. Stufe an dieser Voraussetzung, so soll auf der 2. Stufe ein tatsächlicher Fremdvergleich auf der Basis eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte durchgeführt werden. Sind auch keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte feststellbar, so soll auf der 3. Stufe ein hypothetischer Fremdvergleich durchgeführt werden, für den ein hypothetischer Einigungsbereich zu ermitteln ist.

4.314 Tatsächlicher Fremdvergleich und die klassischen Methoden. Das in § 1 Abs. 3 AStG geregelte

Stufenverhältnis ist in seinem Ausgangspunkt durchaus einleuchtend, in seiner Durchführung jedoch problematisch. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG bezieht sich auf die sog. klassischen Methoden, d.h. die Preisvergleichs- (Rz. 4.213 ff.), die Wiederverkaufspreis- (Rz. 4.224 ff.) und die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.), ohne allerdings eine Aussage darüber zu treffen, welche der Methoden dem tatsächlichen und welche dem hypothetischen Fremdvergleich zuzuordnen ist. Diese Abgrenzung ist aber durchaus von Bedeutung, weil § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG nur noch für den hypothetischen Fremdvergleich gelten. 1 OECD, überarbeiteter Diskussionsentwurf v. 30.7.2013, „Revised Discussion Draft on Transfer Pricing aspects on Intangibles“, abrufbar unter: http://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/revised-discussiondraft-intangibles.pdf. Zur vorhergehenden Entwurfsfassung vgl. OECD, Diskussionsentwurf v. 6.6.2012, „Revision of the special considerations for intangibles in chapter VI of the OECD Transfer Pricing Guidelines and related provisions“, abrufbar unter: http://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/50526258.pdf. 2 Vgl. Tz. 6.148 ff. und 6.153 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Tz. 6.153 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1462.

512 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.316 Kap. 4

Die „Einbettung“ der klassischen Methoden in den tatsächlichen Fremdvergleich kann dazu führen, dass der tatsächliche Fremdvergleich mit den klassischen Methoden gleichgesetzt wird.1 Dies wäre gedanklich wie methodisch verfehlt: Die drei klassischen Methoden sind nicht mit dem tatsächlichen Fremdvergleich gleichzusetzen. Dies gilt, obgleich der Gesetzgeber offenbar in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG hiervon auszugehen scheint, ohne die Frage – auch nicht in der Gesetzesbegründung – zu problematisieren. Richtigerweise ist in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) möglich, da sich nur diese Methode an Preisen orientiert, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen Fremden am Markt vereinbart werden (Marktpreise). Diese Methode nimmt aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer, zwischen Unabhängigen zustande gekommener Marktpreise einen Ist-IstVergleich vor. Deshalb entspricht sie einem tatsächlichen Fremdvergleich.2 In der Tat hatte der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des Referentenentwurfs beabsichtigt, den Vorrang der Preisvergleichsmethode zu regeln,3 sich dann aber dazu entschlossen, den Vorrang der klassischen Methoden in das Gesetz aufzunehmen.4 Demgegenüber stellt die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 4.224 ff.) aufgrund der Verwendung tatsächlich feststellbarer wie – wenn auch nur in begrenztem Umfang – fiktiv zu ermittelnder Daten eine Kombination von tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich dar, während die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) aufgrund der Festlegung ausschließlich fiktiv zu ermittelnder Soll-Vergleichstatbestände mit dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 4.164 ff.) gleichzusetzen ist,5 es sei denn, der Gewinnaufschlag wird mit Hilfe eines tatsächlichen Fremdvergleichs bestimmt. Tatsächlicher Fremdvergleich und „geeignete Verrechnungspreismethoden“. Auf der 2. Stufe des zuvor erwähnten Stufenverhältnisses kommt – wiederum – der tatsächliche Fremdvergleich zum Tragen, allerdings auf Basis eingeschränkt vergleichbarer Fremdwerte. Diese sind gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG nach Vornahme sachgerechter Anpassungen „einer geeigneten Verrechnungspreismethode“ zugrunde zu legen. Welche Verrechnungspreismethoden in diesem Sinne geeignet sind, lässt das Gesetz offen. Auf dieser Stufe kommen jedenfalls auch die klassischen geschäftsvorfallbezogenen Methoden zur Anwendung.6 Es bestehen auch auf Basis der bisherigen Verwaltungsauffassung (Rz. 4.288 f.) keine Zweifel daran, dass jede anerkannte Verrechnungspreismethode auch eine i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG „geeignete Verrechnungspreismethode“ ist und deshalb auch die TNMM und die PSM grundsätzlich anwendbar sind.7

4.315

Zwischen den „geeigneten Verrechnungspreismethoden“ besteht kein gesetzliches Rangfolgeverhältnis. Vielmehr lässt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG die Anwendung jeder geeigneten Verrechnungspreismethode zu. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass alle geeigneten Verrechnungspreismethoden gleichrangig nebeneinander stehen. Lediglich nicht geeignete Verrechnungspreismethoden können nicht angewendet werden. Hypothetischer Fremdvergleich und Verrechnungspreismethoden. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG regelt für die 3. Stufe des Stufenverhältnisses, dass der Steuerpflichtige für seine Einkünfteermittlung 1 So offenbar Jenzen, NWB, Fach 2, 9421 f.; Luckhaupt, Ubg 2010, 646. 2 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 197; Wassermeyer, DB 2007, 536; Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2007, 1462; Borstell in V/B/E4, C Rz. 5. Ebenso im Ergebnis Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 32; Brähler, Internationales Steuerrecht5, 386. 3 Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG i.d.F. des Referentenentwurfs v. 5.2.2007; s. hierzu auch Wassermeyer, DB 2007, 536. 4 Vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 906. 5 Gl.A. Wassermeyer, DB 2007, 536; Klapdor, StuW 2008, 86. 6 Vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 15. 7 Vgl. Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 942; Förster, IStR 2011, 22.

Baumhoff/Liebchen | 513

4.316

Kap. 4 Rz. 4.317 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen einen hypothetischen Fremdvergleich durchzuführen habe. Dies impliziert wegen der offenkundigen Formulierung als Programmsatz zunächst, dass jede auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurückgehende Verrechnungspreisbestimmung auf dieser letzten Stufe des Stufenverhältnisses mit der Folge Anwendung findet, dass für sie § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. gelten. Ein solches Verständnis steht jedoch im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG, der in Fällen eingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte die Anwendung jeder geeigneten Verrechnungspreismethode zulässt (Rz. 4.315). Während der Gesetzgeber für Fälle uneingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG den tatsächlichen Fremdvergleich unzulässigerweise mit den klassischen Methoden gleichsetzt (vgl. Rz. 4.314), wird für Fälle eingeschränkter Vergleichbarkeit die Anwendung jeder geeigneten Verrechnungspreismethode auf die Durchführung eines tatsächlichen Fremdvergleichs zurückgeführt. Dies bedeutet, dass die Anwendung einer konkreten Verrechnungspreismethode nicht auf die Durchführung des in § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG gesetzlich geregelten hypothetischen Fremdvergleichs zurückgeführt werden kann. Ist eine Verrechnungspreismethode für den konkreten Sachverhalt geeignet, basiert ihre Anwendung bei uneingeschränkter Vergleichbarkeit auf § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG und bei eingeschränkter Vergleichbarkeit auf § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG.1 Eine nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG mangels Eignung ausgeschlossene Verrechnungspreismethode kann für die Umsetzung des Fremdvergleichs nicht angewendet werden.

4.317 Verhältnis von § 1 AStG zum Konzept der OECD-Leitlinien. Das Konzept der „am besten ge-

eigneten Verrechnungspreismethode“ der OECD-Leitlinien (Rz. 4.306 ff.) wurde zeitlich nach der Etablierung eines Stufenverhältnisses zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich einerseits und der Integration eines Rangfolgeverhältnisses der Verrechnungspreismethoden für den tatsächlichen Fremdvergleich mittels uneingeschränkt vergleichbarer Vergleichswerte andererseits im nationalen Recht eingeführt. Augenscheinlich weichen beide Konzeptionen voneinander ab, was im Wesentlichen darin begründet liegt, dass die OECD-Leitlinien für die Anwendung von Verrechnungspreismethoden die Unterscheidung zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich und diejenige zwischen uneingeschränkter und eingeschränkter Vergleichbarkeit nicht kennen. Was den Grad der Vergleichbarkeit anbelangt, unterscheiden die OECD-Leitlinien bezogen auf die Vergleichswerte zwar zwischen einem verhältnismäßig gleichen Grad an Vergleichbarkeit und einem geringeren Grad an Vergleichbarkeit, wobei Vergleichswerte mit einem geringeren Vergleichbarkeitsgrad grundsätzlich auszuschließen sind (Rz. 4.109 f.).2 Daneben gehen die OECD-Leitlinien von Fremdvergleichsbandbreiten aus, für deren Werte angenommen werden müsse, dass Vergleichbarkeitsdefizite, etwa infolge von Informationsmängeln oder Verfahrensmängeln bei der Auswahl von Vergleichswerten, verbleiben, die nicht identifiziert und/oder quantifiziert werden können und deshalb nicht angepasst sind.3 Nach der Konzeption der OECD-Leitlinien bestimmt sich ferner die Vergleichbarkeit bezogen auf die konkrete Verrechnungspreismethode.4 Dementsprechend wird die Vergleichbarkeit nur von den Unterschieden in den verglichenen Geschäftsbedingungen und sonstigen Vergleichbarkeitsfaktoren beeinträchtigt, die einen (wesentlichen) Einfluss auf das Vergleichsobjekt der konkreten Verrechnungspreismethode haben. Denklogisch ist damit die Bestimmung des Vergleichbarkeitsgrads der jeweiligen Vergleichswerte der Auswahl der Verrechnungspreismethode nachgelagert. Gleiches ist zwar auch im innerstaatlichen Recht angelegt, wenn für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG uneingeschränkte Vergleichbarkeit „für diese Methoden“ vorliegen muss und Gleiches für Zwecke der eingeschränkten Vergleichbarkeit in Bezug auf „andere geeignete Verrechnungspreismethoden“ i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG gilt. Entsprechend dem Gesetzeswortlaut ist die Bestimmung des Vergleichbarkeitsgrads der Vergleichswerte (uneingeschränkte vs. eingeschränkte Vergleichbarkeit) der Auswahl der Verrechnungspreismethode jedoch vorgelagert.5

1 2 3 4 5

Vgl. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.152. Vgl. Tz. 3.56 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 3.47 OECD-Leitlinien 2017. Siehe ferner Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.153.

514 | Baumhoff/Liebchen

C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.320 Kap. 4

V. Preis- und Wertbandbreiten 1. Allgemeines Preis- und Wertbandbreiten. Preisbandbreiten entstehen im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs, d.h. bei Anwendung der Preisvergleichsmethode, durch die Zusammenstellung marktentstandener, also direkt am Markt beobachtbarer Preise für uneingeschränkt bzw. eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen. Von Wertbandbreiten spricht man, wenn

4.318

– bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.224 ff.) der Gewinnaufschlag bzw. Mark-up, – bei Anwendung der Wiederverkaufspreismethode (Rz. 4.240 ff.) die Handelsspanne bzw. Bruttomarge und – bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) (Rz. 4.297 ff.) die Nettomarge mittels tatsächlichen Fremdvergleichs, d.h. durch äußeren oder inneren Betriebsvergleich (Rz. 4.160 ff.), ermittelt und jeweils mehrere Vergleichswerte abgeleitet werden (können). In diesem Fall bilden die Vergleichswerte – im Rahmen der jeweiligen Verrechnungspreismethode – eine Wertbandbreite. Die Existenz von Preis- und Wertbandbreiten ist als Realität der Verrechnungspreispraxis anerkannt. Die OECD-Leitlinien gehen in Tz. 3.55 sogar vom Regelfall aus. So wird ausgeführt: „Da jedoch die Verrechnungspreisgestaltung keine exakte Wissenschaft ist, wird es auch viele Situationen geben, bei denen die Anwendung der besten geeigneten Methode bzw. Methoden eine Bandbreite von Werten ergibt, von denen alle relativ gleich zuverlässig sind“.1 § 1 AStG. Die Möglichkeit der Existenz von Preis- oder Wertbandbreiten sowohl bei Vornahme eines tatsächlichen Fremdvergleichs als auch bei Anwendung der klassischen Methoden wird in § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG ausdrücklich erwähnt („mehrere solcher Werte bilden eine Bandbreite“). Wenngleich es letztlich hierbei um den Fall der Anwendung der Preisvergleichsmethode geht, in dem die beiden zentralen Anwendungsvoraussetzungen des tatsächlichen Fremdvergleichs (Unabhängigkeit der Geschäftspartner und Vergleichbarkeit der Verhältnisse) erfüllt sind, erfasst der Wortlaut dieser Regelung auch die Fälle, in denen mehrere Vergleichswerte durch die Anwendung der Wiederverkaufspreis- bzw. der Kostenaufschlagsmethode vorliegen und sich deshalb eine „Wertbandbreite“ ergibt. Gleiches gilt, wenn – bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (TNMM) (Rz. 4.297 ff.) – die Nettomarge mittels tatsächlichen Fremdvergleichs, d.h. durch äußeren oder inneren Betriebsvergleich (Rz. 4.160 ff.), ermittelt und jeweils mehrere Vergleichswerte abgeleitet werden (können). Dies beruht auf dem Umstand, dass der Gesetzgeber – in unzutreffender Weise – den tatsächlichen Fremdvergleich mit den klassischen Methoden (Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode) gleichsetzt (Rz. 4.314 f.).

4.319

Breite Akzeptanz. Ebenso entspricht es der allgemeinen Auffassung2 sowie der Rechtsprechung des BFH, dass es den „richtigen Verrechnungspreis“ im Sinne eines mathematisch exakt fixierbaren Werts nicht geben, sondern allenfalls eine Bandbreite angemessener Preise bestimmt werden kann.3 Die Finanzverwaltung hat überdies bereits (weit) vor der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG sowohl in den VWG 19834 als auch in den VWG-Verfahren5 Preis- und Wertbandbreiten ausdrücklich anerkannt.

4.320

1 Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 16; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.165 ff. m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 = FR 2002, 154; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. = FR 2005, 1030. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG 1983, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.8. und Tz. 2.1.9. Bsp. 1. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 Buchst. a.

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Kap. 4 Rz. 4.321 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Preis- und Wertbandbreiten (Fremdvergleichsbandbreiten, „arm’s-length range“) werden schließlich auch international überwiegend akzeptiert.1 2. Einengung von Fremdvergleichsbandbreiten

4.321 OECD-Leitlinien: Bandbreiteneinengung bei Vergleichbarkeitsdefiziten. Im Falle verbleibender

Vergleichbarkeitsmängel, die nicht identifiziert oder quantifiziert werden können und deshalb nicht angepasst sind, empfehlen die OECD-Leitlinien bei einer „beträchtlichen Zahl solcher Beobachtungen“ innerhalb der Bandbreite deren Einengung mittels statistischer Verfahren, die am Mittelwert orientiert sind.2 Vergleichbarkeitsmängel liegen nach Auffassung der OECD vor, wenn die Bandbreite Werte enthält, die einen geringeren Grad an Vergleichbarkeit aufweisen. Allerdings bedeutet Vergleichbarkeit nicht Identität. Die Anwendung des Fremdvergleichs kann stets nur auf eine Annäherung der Vergleichbarkeitsfaktoren gerichtet sein.3 Dementsprechend ist das Verbleiben von Unterschieden jeder Vergleichbarkeitsanalyse immanent. Die OECD-Leitlinien geben keine konkreten Verfahren für die Einengung von Preis- oder Wertbandbreiten vor, sondern beschränken sich auf die Feststellung, dass statistische Verfahren mit zentraler Tendenz dabei helfen können, die Verlässlichkeit der Analyse zu verbessern. Als solche statistischen Verfahren werden beispielhaft die Interquartilsbandbreite (Rz. 4.326), aber auch andere Perzentile genannt. Man wird hieraus schließen können, dass diese Ansätze mit den OECDLeitlinien im Einklang stehen. Allerdings sind diese Ansätze zur Einengung von Preis- oder Wertbandbreiten weder exklusiv noch vorrangig anzuwenden. Vielmehr wird man den Vorgaben der OECD-Leitlinien lediglich entnehmen können, dass sowohl die Einengung von Preis- oder Wertbandbreiten selbst als auch die hierfür in Betracht kommenden Verfahren geeignet sein müssen, die Verlässlichkeit der Vergleichbarkeitsanalyse zu verbessern.4 Im Zusammenhang mit Fremdvergleichsbandbreiten formulieren die OECD-Leitlinien als Anforderung an das Anwenden mehrerer Verrechnungspreismethoden, dass die betreffenden Methoden „einen ähnlichen Grad an Vergleichbarkeit“ liefern müssen.5 Dies sollte inhaltlich keinen Widerspruch zu den Anforderungen der gleichen Eignung und der gleich zuverlässigen Anwendbarkeit darstellen (Rz. 4.308). Auch wenn methodenspezifische Bandbreiten regelmäßig voneinander abweichen werden, kann nach Auffassung der OECD jede einzelne Bandbreite für sich genommen für die Bestimmung einer fremdvergleichskonformen Bandbreite und damit letztlich für die Bestimmung des Fremdvergleichspreises genutzt werden.6 Dies steht im Einklang mit den Anforderungen des Fremdvergleichsgrundsatzes, der die Anwendung von mehr als einer Verrechnungspreismethode nicht verlangt.7

4.322 Gesetzliche Regelungen in Deutschland. Im Hinblick auf die Einengung von Preis- und Wertbandbreiten muss zwischen uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten unterschieden werden. Können im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs – ggf. nach Vornahme sachgerechter Anpassungen – lediglich eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden, ist die sich ergebende Preis- bzw. Wertbandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Demgegenüber enthält § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG lediglich die Fest-

1 Siehe hierzu den Ländervergleich (USA, Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Japan) von Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 86 ff.; Kurzewitz in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 635 ff. 2 Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Tz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. auch Dawid/Renaud in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. III Anm. 217. 5 Vgl. Tz. 3.58 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 3.58 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Tz. 2.12 OECD-Leitlinien 2017.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.323 Kap. 4

stellung, dass mehrere festgestellte Fremdvergleichswerte, die nach Vornahme sachgerechter Anpassungen uneingeschränkt vergleichbar sind, eine Bandbreite bilden. Im Umkehrschluss folgt aus § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, dass Fremdvergleichsbandbreiten uneingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte nicht einzuengen sind, sondern der Steuerpflichtige diese in vollem Umfang ausschöpfen darf.1 Die Bandbreite zutreffend ermittelter und ggf. angepasster Vergleichswerte, die lediglich eingeschränkt vergleichbar sind, ist zwingend einzuengen. Diese Forderung steht allerdings im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BFH, nach der bei einer durch tatsächlichen Fremdvergleich ermittelten Bandbreite jeder Wert innerhalb der Bandbreite als angemessen zu betrachten ist und sich der Steuerpflichtige an dem für ihn günstigsten Rand der Bandbreite orientieren kann.2 Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass der Gesetzgeber von der ständigen Rechtsprechung des BFH abweicht. Allerdings hat der BFH in seinen Urteilen den Grundsatz des Fremdvergleichs ausgelegt. Da § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG Einkünftekorrekturen nur zulässt, wenn die vereinbarten Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht standhalten, ist eine solche Abweichung jedenfalls nicht unmittelbar eingängig – insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass die Einengung von Preis- und Wertbandbreiten nicht zu den Regelungen gehört, mit denen der Gesetzgeber den Fremdvergleichsgrundsatz für Zwecke von § 1 AStG „konkretisiert“ (vgl. Rz. 4.186 ff.). Verweis auf VWG-Verfahren. Es ist gesetzlich nicht geregelt, nach welchen Grundsätzen die Einengung der Bandbreite erfolgen soll. Die Einengung einer Bandbreite erfolgt prinzipiell dadurch, dass man zumindest ein Ende der Bandbreite verkürzt. Es können auch beide Enden der Bandbreite verkürzt werden. Auch ist der Umfang der Einengung gesetzlich nicht geregelt. Insofern würde jede minimale Einengung dem Gesetzesbefehl genügen. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es jedoch recht allgemein: „Die Einengung ist entsprechend den Verwaltungsgrundsätzen Verfahren vorzunehmen“.3 Dieser Verweis ist allerdings mehr als ungewöhnlich. Die entsprechenden Aussagen befinden sich in Tz. 3.4.12.5 der VWG-Verfahren.4 Sie erfolgten damals ohne gesetzliche Grundlage.5 Wenn nun nachträglich eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde, so kann es nicht überzeugen, zur Auslegung dieser Rechtsgrundlage auf solche Ausführungen zu verweisen, die selbst nicht durch eine gesetzliche Grundlage zustande gekommen waren. Erst recht gilt dies für Fälle außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der gesetzlichen Regelung, d.h. für Veranlagungszeiträume vor 2008 (§ 21 Abs. 16 AStG). Ferner ergibt sich aus dieser „Gesetzgebungstechnik“6 zwingend die Folgefrage, inwieweit sich spätere Änderungen oder die Aufhebung der VWG-Verfahren auswirken sollen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass angesichts der Verordnungsermächtigung in § 1 Abs. 6 AStG eine Rechtsverordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für § 1 Abs. 3 Sätze 1–8 AStG (sog. „Fremdvergleichsverordnung – FVV“) zu erwarten steht, die dem Vernehmen nach gegenwärtig im Bundesfinanzministerium erarbeitet wird. Es kommt mithin darauf an, ob ein statischer Verweis auf die zum Zeitpunkt der Verabschiedung geltenden Regelungen oder ein dynamischer Verweis maßgeblich ist, der zukünftige Änderungen mitumfasst. Kaminski weist zu Recht darauf hin, dass nur ein statischer Verweis mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, da anderenfalls der Gesetzgeber die zukünftigen Änderungen oder ggf. neuen Erlasse bereits antizipiert haben müsste, was mit den Grundsätzen der Gewalten1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1463; Liebchen/Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 815. 2 Vgl. insb. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004 = FR 2002, 154. Siehe ferner Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.175 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1554; Kaminski, RIW 2007, 596. 3 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, BR-Drucks. 220/07, 143. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5. 5 Vgl. im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1555 f. 6 Zum gerade für § 1 AStG zu verzeichnenden modernen Gesetzgebungsniveau s. nur Wassermeyer, DB 2007, 535 ff.

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4.323

Kap. 4 Rz. 4.324 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen teilung nicht zu vereinbaren wäre und zudem in originäre Gesetzgebungsrechte von Bundestag und Bundesrat eingreifen würde.1 Für diese Auffassung spricht auch der Beschluss des BVerfG vom 15.12.2015 zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Treaty-override-Gesetzgebung, die maßgeblich auf den Vorrang des Demokratieprinzips gestützt wird.2

4.324 Anpassungs-, Verprobungs- und Kontrollrechnungen. Nach Tz. 3.4.12.5 Buchst. b soll die Ein-

engung der Brandbreite zunächst dadurch erfolgen, dass die ermittelten Daten erneut daraufhin analysiert werden, ob diese ganz oder teilweise wegen nicht ausreichender Vergleichbarkeit der Umstände nicht zu berücksichtigen sind oder ob zuverlässige Anpassungsrechnungen vorgenommen werden können.3 Im Grundsatz handelt es sich bei der Selektion einzelner Vergleichswerte mangels Vergleichbarkeit und der Vornahme von Anpassungsrechnungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit nicht um Methoden, mittels derer Preis- oder Wertbandbreiten eingeengt werden können, sondern um die zutreffende Ermittlung von Vergleichswerten und der Fremdvergleichsbandbreite. Die Auffassung der Finanzverwaltung steht im Einklang mit den OECD-Leitlinien.4 Wird diese zusätzliche Analyse nicht vorgenommen, etwa weil eine Verbesserung der Vergleichbarkeit nicht zu erwarten ist oder weil die Analyse mit unzumutbarem Aufwand verbunden ist, geht die Finanzverwaltung zum einen davon aus, dass es sich bei den betreffenden Werten (weiterhin) um eingeschränkt vergleichbare Daten handelt; zum anderen sollen diese eingeschränkt vergleichbaren Daten allerdings nicht verwertet werden dürfen.5 Hierbei sollte mit der „Verwertung“ für Zwecke der Verrechnungspreisbestimmung gemeint sein, dass der Steuerpflichtige nicht die gesamte Bandbreite eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte ausnutzen darf. Stattdessen ist die Bandbreite zwingend einzuengen, wofür die VWG-Verfahren – Verprobungs- und Kontrollrechnungen, – Plausibilitätsüberlegungen sowie – mathematisch-statistische Verfahren vorsehen.6

4.325 Einengung durch mathematisch-statistische Verfahren. Sofern der Versuch der Bandbreitenein-

engung mittels anderer Verrechnungspreismethoden, sonstiger Verprobungsverfahren und Plausibilitätsüberlegungen nicht zum Ziel führt, ist die Fremdvergleichsbandbreite nach den VWG-Verfahren zwingend mittels mathematisch-statistischer Verfahren einzuengen.7 Hierbei geht die Finanzverwaltung davon aus, dass die lediglich eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte oder -preise ohne diese Einengung zu verwerfen und damit nicht verwertbar sind. Fraglich ist, wann die Bandbreiteneinengung mittels priorisierter anderer Verfahren nicht zum Ziel führt bzw. geführt hat. Die VWG-Verfahren sprechen hier von einer „notwendigen Einengung“, wobei sich „notwendig“ nicht auf den Umfang der Einengung bezieht.8 Insofern ist jede Einengung, z.B.

1 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Anm. 622. 2 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Siehe hierzu auch Gosch, DB 2016, Heft 15, M5. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 Buchst. b. 4 Vgl. Tz. 3.56 f. OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 Buchst. b. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 Buchst. b und c. Vgl. hierzu im Einzelnen Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.183 f. 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. d. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. d.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.327 Kap. 4

durch selektive Eliminierung von Ausreißerwerten, prinzipiell geeignet, zum Ziel der Einengung einer Fremdvergleichsbandbreite zu führen. Gleichwohl wird man davon ausgehen müssen, dass in der Praxis die Verlässlichkeit eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte ohne Anwendung mathematisch-statistischer Verfahren von der Betriebsprüfung angezweifelt wird. Methode der „Interquartile Range“. Die Finanzverwaltung verwendet und priorisiert für die Einengung von Fremdvergleichsbandbreiten die sog. Methode der „Interquartile Range“.1 Die Anwendung der Methode der „Interquartile Range“ hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Steuerrecht. Sie ist dort wie folgt definiert: „[T]he interquartile range is the range from the 25th to the 75th percentile of the results derived from the uncontrolled comparables“.2 Bei dieser Methode bleiben sowohl das untere Viertel (unteres Quartil) als auch das obere Viertel (oberes Quartil) der Werte der ermittelten Bandbreite unberücksichtigt. Hierbei zielt diese Methode darauf, statistische Ausreißer zu eliminieren. Für diese Methode fehlt es allerdings an einer tragfähigen ökonomischen Begründung. In der Literatur wurden die Mängel dieser Methode hinreichend diskutiert.3 Nicht nur, dass es sich um eine letztlich willkürliche, durch nichts zu begründende pauschale Einengung der Bandbreite um 50 % der Werte handelt, ohne dass auf das jeweilige Ausmaß der fehlenden Vergleichbarkeit eingegangen wird.

4.326

Es liegt zudem kein anerkanntes statistisches Verfahren vor, das auf die Identifikation und Eliminierung von Ausreißerwerten gerichtet ist. Ein solches existiert schon deshalb nicht, weil in der Statistik bereits der Begriff des „Ausreißers“ bzw. „Outlier“ inhaltlich unbestimmt ist. In der Statistik wird zwischen „Extremwerten“, „Ausreißern“ und „Irrläufern“ unterschieden.4 Hierbei werden als „Extremwerte“ die beiden Randwerte der geordneten Merkmalswerte bezeichnet, also der größte und der kleinste Wert. Dagegen stammen „Irrläufer“ aus anderen Verteilungen. Als „Ausreißer“ werden schließlich die Werte bezeichnet, die mit der Masse der übrigen Werte unvereinbar erscheinen, wobei es kein allgemeingültiges objektives Kriterium gibt, anhand dessen eindeutig entschieden wird, ob ein Wert ein Ausreißer ist oder nicht.5 Vielmehr besteht ein Ermessensspielraum. Ausreißer sind hiernach gerade nicht notwendigerweise ausschließlich falsche oder ungenau erfasste Werte, sondern u.U. auch Werte, die richtig und genau, aber erwartungswidrig sind.6 Vor diesem Hintergrund kann ungeachtet der Vollständigkeit der ermittelten Vergleichswerte, was in der Verrechnungspreispraxis und den hier bestehenden Problemen in der Ermittlung von „Comparables“ eher die Ausnahme sein sollte, und der Verteilung der ermittelten Vergleichswerte kein statistisches Verfahren Allgemeingültigkeit beanspruchen. Ferner ist festzustellen, dass in der Statistik von Ausreißern gerade keine Rede ist, wenn sich die Werte unterhalb des 25 %-Quartils und oberhalb des 75 %-Quartils ziemlich gleichmäßig über den jeweiligen Wertebereich verteilen.7 Andere mathematisch-statistische Verfahren. Ebenso wie die OECD-Leitlinien („statistical tools“)8 verwenden die VWG-Verfahren mit „mathematische Verfahren“ eine neutrale Formulierung, so dass der Steuerpflichtige grundsätzlich auch andere mathematische Verfahren als die Methode der „Interquartile Range“ zur Einengung von Fremdvergleichsbandbreiten verwenden kann. 1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. d. 2 § 1.482-1 (e) (2) (iii) (C) US-Regs. 3 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 362 ff.; Werra, IStR 2005, 21; Finsterwalder, DStR 2005, 769; Steuerfachausschuss des IDW, FN-IDW 2004, 787 f. 4 Vgl. Barnett/Lewis, Outliers in Statistical Data3, 8 ff. 5 Vgl. Barnett/Lewis, Outliers in Statistical Data3, 7; Buttler, Ein einfaches Verfahren zur Identifikation von Ausreißern bei multivariaten Daten, Diskussionspapiere Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie, No. 09/1996, 4. 6 Vgl. Schendra, Datenqualität mit SPSS, 165. 7 Vgl. Buttler, Ein einfaches Verfahren zur Identifikation von Ausreißern bei multivariaten Daten, Diskussionspapiere Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie, No. 09/1996, 8. 8 Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017.

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4.327

Kap. 4 Rz. 4.328 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Nach den OECD-Leitlinien ist einerseits eine Bandbreiteneinengung nur dann vorzunehmen, wenn die Bandbreite eine „beträchtliche Zahl“ von Beobachtungen mit Vergleichbarkeitsdefiziten aufweist. Andererseits halten die OECD-Leitlinien jedes statistische Instrument mit zentraler Tendenz für die Einschränkung von Bandbreiten für geeignet, wobei beispielhaft „die Interquartilsbandbreite oder andere Perzentile“ benannt werden.1 Nach Tz. 3.4.20 Buchst. d der VWG-Verfahren soll der Steuerpflichtige für die Verwendung anderer mathematisch-statistischer Verfahren allerdings glaubhaft machen, dass „diese den Verhältnissen seines Falles besser gerecht werden“.2 Dies bedeutet de facto eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen.3 Eine Rechtsgrundlage hierfür besteht nicht. 3. Verrechnungspreisbestimmung

4.328 Uneingeschränkt vergleichbare Vergleichswerte. Bei uneingeschränkt vergleichbaren Fremdver-

gleichswerten kann der Steuerpflichtige grundsätzlich die Preis- oder Wertbandbreite vollständig ausschöpfen und den Preis oder Wert an dem für ihn günstigsten Rand seiner Verrechnungspreisbestimmung zugrunde legen (Rz. 4.322).

4.329 Eingeschränkt vergleichbare Vergleichswerte. Bei eingeschränkt vergleichbaren Vergleichswerten kann der Steuerpflichtige lediglich die eingeengte Fremdvergleichsbandbreite ausnutzen, wobei der Verrechnungspreisbestimmung jeder Preis oder Wert zugrunde gelegt werden kann. Allerdings liegt das Problem bei der Verrechnungspreisbestimmung nicht in der Auswahl eines Wertes innerhalb einer eingeengten Bandbreite, sondern in der Bestimmung der eingeengten und damit steuerlich maßgeblichen Preis- oder Wertbandbreite selbst. 4. Nachträgliche Einkünftekorrekturen

4.330 Uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte. Eine nachträgliche Einkünftekorrektur

kommt in Fällen uneingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte nur dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige seiner Verrechnungspreisbestimmung einen Vergleichspreis oder -wert zugrunde gelegt hat, der außerhalb der für § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG maßgeblichen, d.h. der nicht eingeengten Bandbreite liegt. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG erfolgt in diesem Fall eine Einkünftekorrektur auf den Median. Dieser statistische Begriff ist nicht gleichbedeutend mit dem Mittelwert oder dem Durchschnitt, sondern ist als Lageparameter „durch die Eigenschaft definiert, dass mindestens 50 % aller Merkmalswerte kleiner oder gleich […] und mindestens 50 % aller Merkmalswerte auch größer oder gleich“ diesem Wert sind.4 Wie jeder andere Lageparameter soll er möglichst gut beschreiben, „wo das gesamte Datenmaterial auf der Merkmalsachse lokalisiert ist“.5 Gegen den Ansatz des Medians bestehen statistische Vorbehalte grundsätzlicher Art im Hinblick auf die eingeschränkte Aussagefähigkeit des Medians im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung. Jeder, der schon einmal Verrechnungspreise durch Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs ermittelt hat, ist sich bewusst, dass die Erhebung der Vergleichsgrößen nicht mit anderen statistischen Fragestellungen vergleichbar ist. So gelingt es meist nicht, eine größere Anzahl an Vergleichsgrößen zu ermitteln. Zudem lassen sich die Vergleichsgrößen keiner statistischen Verteilungsart (z.B. Normalverteilung, t-Verteilung, F-Verteilung) zuordnen, was allerdings für die Aussagekraft statistischer Größen bedeutsam ist. Ferner ist kaum sicherzustellen, dass die Vergleichsgrößen vollständig erhoben werden. Wenn bei einem so unbefriedigenden statistischen Ausgangs1 Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.20 Buchst. d. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.185 und 5.196. 4 Bamberg/Baur/Krapp, Statistik17, 16. 5 Bamberg/Baur/Krapp, Statistik17, 16.

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C. Methoden der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.331 Kap. 4

material dennoch statistische Größen zur Anwendung kommen, geben die so ermittelten Werte nichts anderes als eine Scheingenauigkeit wieder. Dass der deutsche Gesetzgeber gleichwohl vorschreibt, einen so ermittelten Wert als Verrechnungspreis anzusetzen, ist erstaunlich.1 Eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte. Auch bei Fremdvergleichsbandbreiten eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte kommt eine nachträgliche Einkünftekorrektur nur dann in Betracht, wenn der der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde gelegte Vergleichspreis oder -wert außerhalb der maßgeblichen Fremdvergleichsbandbreite liegt. Wegen der zwingenden Bandbreiteneinengung (Rz. 4.322) ist allerdings die eingeengte Preis- oder Wertbandbreite maßgeblich. Ferner tritt als „Fehlerquelle“ das für die Einengung der Fremdvergleichsbandbreite angewandte Verfahren hinzu. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG ist eine Einkünftekorrektur auf den Median vorzunehmen. Problematisch an dieser Einkünftekorrektur ist zum einen, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG Einkünftekorrekturen nur in dem Umfang zulässt, wie der vereinbarte Verrechnungspreis von dem Fremdvergleichspreis abweicht. Markiert jedoch die eingeengte Preis- oder Wertbandbreite – auch nach Maßgabe der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG – den Bereich von Vergleichswerten, die mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar sind, kann eine Einkünftekorrektur auf den Median nicht aus dem Fremdvergleichsgrundsatz abgeleitet werden (Rz. 4.330). Es kann nicht angehen, dass unterschiedliche Fremdvergleichspreise einer Einkünftekorrektur nach § 1 AStG in Abhängigkeit davon zugrunde gelegt werden, ob der vom Steuerpflichtigen zugrunde gelegte Verrechnungspreis – ggf. zufällig – innerhalb oder außerhalb einer zulässigen Bandbreite liegt. Der Steuerpflichtige, dessen Verrechnungspreis nur geringfügig außerhalb der zulässigen Bandbreite liegt, wird also im Verhältnis zu einem anderen Steuerpflichtigen, dessen Verrechnungspreis nur geringfügig innerhalb der zulässigen Bandbreite liegt, extrem ungleich behandelt. Er wird einer Strafbesteuerung unterworfen. Problematisch ist zum anderen, dass die Einkünftekorrektur ganz erheblich von dem mathematischen Verfahren bestimmt wird, das der Steuerpflichtige seiner Bandbreiteneinengung zugrunde legt. Die OECD-Leitlinien empfehlen einerseits eine Bandbreiteneinengung nur dann, wenn die Bandbreite eine „beträchtliche Zahl“ von Beobachtungen mit Vergleichbarkeitsdefiziten aufweist, und halten zum anderen jedes statistische Instrument mit zentraler Tendenz für die Einschränkung von Bandbreiten für geeignet, wobei beispielhaft „die Interquartilsbandbreite oder andere Perzentile“ benannt werden.2 Dagegen sehen die VWG-Verfahren die Methode der „Interquartile Range“ als Regelverfahren der Finanzverwaltung vor.3 Der Steuerpflichtige kann zwar andere mathematische Verfahren verwenden. Er muss allerdings glaubhaft machen, dass „diese den Verhältnissen seines Falles besser gerecht werden“.4 Die VWG-Verfahren sehen mithin eine Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen vor, für die es keine Rechtsgrundlage gibt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass sich der Gesetzgeber mit dem pauschalen Hinweis auf eine den VWGVerfahren entsprechende Vorgehensweise bei der Bandbreiteneinengung jede Auffassung der Finanzverwaltung zu eigen gemacht hat. Unklar ist überdies, was konkret Gegenstand dieser Glaubhaftmachung sein soll. Schreiber vertritt unter Hinweis auf die Zulässigkeit von Computer-Software wie Tabellenkalkulationsprogrammen (z.B. Excel), Statistikprogrammen (z.B. SPSS oder SAS) oder anderen statistischen Methoden (z.B. bimodale Verfahren) die Auffassung, dass diese Programme oder Verfahren „eine mindestens gleich hohe Zuverlässigkeit aufweisen“ müssen.5 Die „bessere Eignung“ eines bestimmten Verfahrens im konkreten Einzelfall ist ebenso für das Kriterium der 1 Vgl. hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.199 f. 2 Vgl. Tz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.20 Buchst. d; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Tz. 3.4.12.5 Anm. 225; Förster, IStR 2011, 22. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.20 Buchst. d. 5 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Tz. 3.4.12.5 Anm. 226.

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4.331

Kap. 4 Rz. 4.332 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen „gleich hohen Zuverlässigkeit“ ohne konkreten Bezug zu einer Leistungsanforderung an ein bestimmtes mathematisches Verfahren sinnentleert. Konkret sollen mittels der Methode der „Interquartile Range“ in der Statistik Ausreißerwerte eliminiert werden. Vor diesem Hintergrund ist jedes Verfahren gleich geeignet bzw. gleich zuverlässig, das im konkreten Einzelfall Ausreißerwerte ausschließt. Es muss lediglich glaubhaft gemacht werden, dass das jeweilige mathematische Verfahren konkret Ausreißerwerte ausschließt. Hierbei erfordert die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß. Der Steuerpflichtige muss darlegen, dass für die behauptete Tatsache – das konkrete mathematische Verfahren schließt Ausreißerwerte aus – „eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist“; d.h., das Bestehen der behaupteten Tatsache „wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen“.1 Vor diesem Hintergrund bestehen erhebliche rechtliche Bedenken, wenn die Finanzverwaltung eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG dann vornehmen will, wenn der zugrunde gelegte Verrechnungspreis außerhalb der Interquartilsbandbreite, d.h. zwischen dem 25 %-Quartil und dem 75 %-Quartil, aber innerhalb der nach einem anderen mathematischen Verfahren bestimmten Bandbreite liegt. Mangels gesetzlicher Grundlage für die von der Finanzverwaltung in den VWG-Verfahren vorgesehene Beweislastumkehr2 bezüglich eines anderen mathematischen Verfahrens, z.B. Einengung der Bandbreite auf die mittleren 80 % der Bandbreite (10. Perzentil bis 90. Perzentil), zur Einengung der betreffenden Bandbreite als die Methode der „Interquartile Range“ trägt die Finanzverwaltung die objektive Beweislast dafür, dass in dem konkreten Fall das gewählte Verfahren Ausreißerwerte nicht ausschließt. Auch bestehen erhebliche Zweifel, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG aufgrund des Vorrangverhältnisses einer Korrektur nach den Rechtsgrundsätzen der vGA bzw. der verdeckten Einlage überhaupt erfüllt sein kann, weil diese häufig eine Korrektur bis zu dem für den Steuerpflichtigen günstigen Ende der Bandbreite vorsehen.3

D. Verrechnungspreisermittlung bei ausgewählten Liefer- und Leistungsbeziehungen I. Lieferung von Gütern und Waren 1. Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes

4.332 Regelungen der Finanzverwaltung und der OECD. Trotz des Umstandes, dass mit der zuneh-

menden Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft eine „wachsende Entmaterialisierung“ konzerninterner Transaktionen festzustellen ist,4 hat der Bereich der Lieferung von Gütern und Waren innerhalb des konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausches weiterhin eine vergleichsweise große Bedeutung. Vor diesem Hintergrund widmen die VWG 1983 diesem Bereich einen eigenen Abschnitt,5 in welchem die Funktionsanalyse und die Anwendung der klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung (Rz. 4.209 ff.) bei konzerninternen Lieferungen konkretisiert werden. Darüber hinaus sind die Regelungen der VWG-Verfahren zu beachten, die in Tz. 3.4.10.2 und 3.4.10.3 allgemeine Regelungen zur Unternehmenscharakterisierung (Rz. 4.148 ff.) und Verrechnungspreisbestimmung enthalten,6 die insbesondere auch für die Ermittlung von Verrechnungspreisen für konzerninterne Lieferbeziehungen von Bedeutung sind. Ferner adressieren 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 40. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.20 Buchst. d. 3 Vgl. Baumhoff/Kluge/Liebchen, IStR 2014, 515; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 992. 4 Vgl. etwa Herzig, WPg 1998, 285; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 370 ff. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 u. 3.4.10.3.

522 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.334 Kap. 4

die VWG-Funktionsverlagerung1 mit besonderen Aspekten bestimmter Funktionsverlagerungen insbesondere solche im verbundinternen Produktions- und Lieferbereich. Demgegenüber enthalten die OECD-Leitlinien keine gesonderten Ausführungen zu konzerninternen Lieferverhältnissen. Allerdings wird hier vereinzelt auf diesen Bereich im Rahmen von Darstellungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (Kap. I), zu den klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung (Kap. II) und zu den „Business Restructurings“ (Kap. IX) eingegangen. Grundsatz des Fremdvergleichs. Dem Grundsatz des Fremdvergleichs folgend, ist nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung für konzerninterne Lieferungen derjenige Preis anzusetzen, „den Fremde für Lieferungen

4.333

– gleichartiger Güter oder Waren – in vergleichbaren Mengen – in den belieferten Absatzmarkt – auf vergleichbarer Handelsstufe und – zu vergleichbaren Liefer- und Zahlungsbedingungen unter den Verhältnissen wirtschaftlich vergleichbarer Märkte vereinbart hätten.“2 Dabei können grundsätzlich die klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung sowie die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden Anwendung finden.3 Jedoch sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.4 Von zentraler Bedeutung ist insofern, dass eine uneingeschränkte oder zumindest eingeschränkte Vergleichbarkeit der Verhältnisse zwischen der zu bewertenden konzerninternen Lieferbeziehung und der Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten vorliegt.5 Preisdeterminierend sind nach dem umfangreichen, jedoch nicht abschließenden Kriterienkatalog der Tz. 3.1.2.1 VWG 1983 insbesondere: – die besondere Art, Beschaffenheit und Qualität sowie der Innovationsgehalt der gelieferten Güter und Waren, – die Verhältnisse des Marktes, in dem die Güter oder Waren benutzt, verbraucht, bearbeitet oder an Fremde veräußert werden, – die Funktionen und die Handelsstufen, die von den beteiligten Unternehmen tatsächlich wahrgenommen werden, – die Liefervereinbarungen, insbesondere über Haftungsverhältnisse, Zahlungsfristen, Rabatte, Skonti, Gefahrentragung, Gewährleistungen etc., – bei langfristigen Lieferbeziehungen die damit verbundenen Vorteile und Risiken, – besondere Wettbewerbsbedingungen. Berücksichtigung von Neben-, Zusatz- und Serviceleistungen. Ferner sind im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung bei Lieferbeziehungen die von den Vertragsparteien wahrgenommenen Neben-, Zusatz- und Serviceleistungen sowie mögliche Materialbeistellungen, Leistungsbeistellungen und Beistellungen von Personal zu berücksichtigen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an Finanzierungsleistungen (Rz. 4.367 ff.) oder an administrative und technische Dienst1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 201–215. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.1. 3 Zu den Voraussetzungen vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b, c u. d. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.2.1. 5 Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592.

Baumhoff/Liebchen | 523

4.334

Kap. 4 Rz. 4.335 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen leistungen, die im Zusammenhang mit der Warenlieferung erbracht werden. Im Einzelnen kann es sich um folgende Leistungen handeln:1 – technische Beratung, – Projektausarbeitung, – Kaufberatung, – Musterversand bzw. Lieferung zur Probe, – Bestelldienst und Zustellung, – Installation und Montage, – Kundenschulung in Form von Dokumentationen, Betriebsanleitungen und Ausbildungsgesprächen, – Instandsetzung und Instandhaltung (inkl. Ersatzteilversorgung), – Sonderverpackungen, – Umtauschrechte, Garantieleistungen und Gewährleistungen, – Bereitstellen eines Recyclingsystems sowie Rücknahmegarantien und – sonstige Dienstleistungen.

4.335 Ansatz eines Gesamtentgelts. Derartige Nebenleistungen, die im unmittelbaren wirtschaftlichen

Zusammenhang mit der Warenlieferung stehen, werden häufig auch zwischen unabhängigen Dritten im Rahmen eines Gesamtentgelts vergütet.2 Vor diesem Hintergrund verstößt es nicht gegen den Grundsatz der Einzelverrechnung, wenn diese zusammen mit der konzerninternen Warenlieferung verrechnet werden. In diesen Fällen kann die Preisvergleichsmethode unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Anwendungsvoraussetzungen herangezogen werden. Ist die Preisvergleichsmethode (z.B. mangels vergleichbarer Markttransaktionen) nicht anwendbar, kann der Verrechnungspreis für die zusammen zu bewertenden Haupt- und Nebenleistungen entweder mit der Wiederverkaufspreis- oder der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden. Nicht ausgeschlossen ist außerdem, dass die einzelnen Leistungen anhand unterschiedlicher Verrechnungspreismethoden bewertet werden (z.B. die Hauptleistung mit Hilfe der Preisvergleichs- und die Nebenleistung mithilfe der Kostenaufschlagsmethode) und die einzelnen Preisbestandteile dann zu einem (Gesamt-)Verrechnungspreis zusammengefasst werden. Zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse kann es allerdings notwendig sein, funktionale Unterschiede der Vergleichsobjekte durch Anpassungsrechnungen zu eliminieren (Rz. 4.117).3

4.336 Funktionsanalyse als Ausgangspunkt. Auch im Zusammenhang mit konzerninternen Lieferbezie-

hungen steht die Funktionsanalyse im Zentrum der Verrechnungspreisermittlung (Rz. 4.122 ff.). Zur Durchführung einer Funktionsanalyse sind in einem ersten Schritt die von den beteiligten Unternehmen wahrgenommenen Funktionen und getragenen Risiken zu ermitteln und in ihrer Bedeutung zu gewichten. Auf dieser Grundlage kann eine geeignete Referenztransaktion gesucht werden, bei der eine vergleichbare Verteilung von Funktionen und Risiken vorliegt. Die Konditionen der Referenztransaktion werden dann zur Ableitung der Verrechnungspreise herangezogen. Dabei ist im Folgenden zwischen der Lieferung von Waren von verbundenen Produktionsgesellschaften (Rz. 4.337 ff.) einerseits und der Lieferung von Waren an verbundene Vertriebsgesellschaften (Rz. 4.354 ff.) andererseits zu differenzieren. 1 Vgl. Borstell/Hülster in V/B/E4, M Rz. 53. 2 Vgl. Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 278 ff. 3 Zu methodenspezifischen Anpassungsrechnung siehe Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 291 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.112 ff.

524 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.338 Kap. 4

2. Lieferungen von Produktionsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen der Produktion Grundformen der Funktionsausübung. Die Produktionsfunktion kann durch ein verbundenes Unternehmen prinzipiell in den folgenden Grundformen ausgeübt werden:

4.337

– Produktion durch einen Eigenproduzenten, – Produktion durch einen Lohnfertiger, – Produktion durch eine Produktionseinheit, deren Funktion zwischen diesen beiden Polen liegt. Der Einordnung eines produzierenden verbundenen Unternehmens in die Kategorien Eigenproduzent oder Lohnfertiger kommt im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung eine große Bedeutung zu. Während die Eigenproduktion die Übernahme eigener Marktchancen und Marktrisiken impliziert, ist die Lohnfertigung als nur eingeschränkte Funktionsausübung in Form einer Dienstleistung anzusehen.1 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass fremde Lohnfertiger neben der Ausführung eines vorgegebenen Fertigungsschritts häufig eine Reihe weiterer Funktionen übernehmen. Das einem Lohnfertiger zugestandene Entgelt (Rz. 4.345 ff.) wird dementsprechend zwischen fremden Dritten vom Umfang der ausgeübten Funktionen, der getragenen Risiken und der eingesetzten (immateriellen) Wirtschaftsgüter abhängen. Übernimmt ein Lohnfertiger immer mehr Funktionen und Risiken, wird irgendwann ein Punkt erreicht sein, ab dem er zum Eigenproduzenten wird, also nicht mehr nur ein Entgelt für eine übernommene Dienstleistung erhält, sondern die vollen Chancen und Risiken der Produktion innehat. Zur Abgrenzung zwischen Eigenproduktion und Lohnfertigung sind dabei die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Begriffsdefinition Lohnfertiger. Da sich die VWG 19832 und die OECD-Leitlinien3 in einer beispielhaften Darstellung von Lohnfertigungsverhältnissen erschöpfen und die VWG-Verfahren lediglich eine Qualifikation als „Routinefunktion“ vornehmen,4 fehlten bisher eine Begriffsdefinition des Lohnfertigers bzw. Abgrenzungskriterien, nach denen die Einordnung als Lohnfertiger zwingend ist. Für deutsch-steuerliche Zwecke werden verwaltungsseitig abgestimmte Begriffscharakteristika nunmehr durch die VWG-Funktionsverlagerung bereitgestellt. Nach Tz. 204 der VWG-Funktionsverlagerung sind typische Merkmale eines Lohnfertigers, „dass er auf vertraglicher Grundlage oder tatsächlicher Übung – keine Produktionsrisiken (z.B. Qualitätsrisiko, Auslastungsrisiko, Absatzrisiko, Lagerrisiko usw.) trägt, – die Produkte nicht selbst entwickelt und kein Eigentum an den für die Produktion erforderlichen immateriellen Wirtschaftsgütern besitzt oder erwirbt, – keine Vermarktungsfunktionen wahrnimmt und keine Marktrisiken trägt, – über keine entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt und – die notwendigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, aber auch ganz oder teilweise die Produktionsanlagen vom Auftraggeber erhält (Beistellung).“5 1 2 3 4

So ausdrücklich Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.3 Bsp. 3. Vgl. Tz. 2.60 OECD-Leitlinien u. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. Zur Definition des Routineunternehmens vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1551 ff.; Brem/Tucha, IStR 2006, 500; Rasch/Rettinger, BB 2007, 354 f.; Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93; siehe auch Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 551 ff. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 204.

Baumhoff/Liebchen | 525

4.338

Kap. 4 Rz. 4.339 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.339 Begriffsdefinition im Schrifttum. Mit dieser Begriffsbildung entspricht die Finanzverwaltung der

im Schrifttum1 vorgenommenen. Hiernach ist die idealtypische Ausprägung eines Lohnfertigers gekennzeichnet durch – Beschränkung der Produktion auf einzelne Teile, einzelne Bearbeitungsschritte oder Großserienprodukte, – keine oder geringe unternehmerische Dispositionsfreiheiten; vielmehr bestimmt der Auftraggeber über die Produktpolitik und die Fertigungsschritte des Lohnfertigers, – keine eigene Forschung und Entwicklung und kein Eigentum an den maßgeblichen immateriellen Vermögenswerten; vielmehr wird die Technologie vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt, – nur eingeschränkte eigene Beschaffungsfunktion; Rohstoffe werden – zumindest teilweise – durch den Auftraggeber beigestellt,

– geringe Lagerhaltung, da häufig „Just-in-time“-Konzeption, – kein eigener Vertrieb.

4.340 Risiken des Lohnfertigers. Die durch einen Lohnfertiger getragenen Risiken sind – insbesondere aufgrund seines geringen Funktionsumfangs (z.B. untergeordnete Bedeutung der Beschaffungsund Lagerhaltungsfunktion) – gegenüber einem Eigenproduzenten gering. Insbesondere trägt der Lohnfertiger kein bzw. ein nur geringes Absatz- und Preisrisiko, da der Auftraggeber langfristig den Großteil seiner Produktion abnimmt. Fraglich ist allerdings, ob auch die Begrenzung der Abnahmeverpflichtung oder die faktische Abnahme für die Qualifikation als Lohnfertiger ausreicht. U.E. sollte die Begrenzung einer Abnahmeverpflichtung für die Annahme eines Lohnfertigungsverhältnisses unproblematisch sein, wenn die vertraglich oder faktisch garantierte Abnahmemenge ausreicht, die Kosten des Lohnfertigers (Fixkosten sowie variable Kosten) zu decken. Denn unter diesen Umständen sind die mit der Herstellung verbundenen Risiken des Lohnfertigers begrenzt und mit einer vollständigen Abnahmeverpflichtung vergleichbar.2 Infolgedessen werden die Preise bei einer weitreichenden Abnahmeverpflichtung geringer sein als bei einer eingeschränkten oder nur faktischen Abnahmeverpflichtung.3 Demgegenüber forderte die Finanzverwaltung noch in der Entwurfsfassung der VWG-Funktionsverlagerung für die Einordnung als Lohnfertiger, dass der Auftraggeber „die in Auftrag gegebene Produktion vollständig abnimmt“.4 Allerdings hat sich die vollständige Abnahmeverpflichtung nicht als typisches Begriffsmerkmal des Lohnfertigers in der finalen Fassung der VWG-Funktionsverlagerung durchgesetzt (Rz. 4.338). Dies lässt darauf schließen, dass auch verwaltungsseitig eine solche Forderung nicht besteht. Nicht hinreichend für die Einordnung einer Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger ist hingegen die bloße Erwartung bzw. der bloße Plan des Auftraggebers, das Absatzvolumen des Produzenten abzunehmen, da das Fertigungsunternehmen in diesem Fall ein eigenes Absatz- und Marktrisiko trägt.5

4.341 Begrenzter Einsatz von Wirtschaftsgütern. Die gegenüber dem Eigenproduzenten geringeren Ri-

siken des Lohnfertigers resultieren ferner aus der Tatsache, dass er idealtypisch in nur geringem Umfang eigene Produktionsmittel einsetzt. So beschafft der Lohnfertiger häufig keine eigenen Produktionsanlagen, sondern bekommt diese vom Auftraggeber – i.d.R. kostenlos – beigestellt. Die Produktionsanlagen stehen damit weiterhin im Eigentum des Auftraggebers. Darüber hinaus 1 Vgl. Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 249; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, 69 f.; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Internationale Einkünfteabgrenzung, 93; Baumhoff in FS Krawitz, 30 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 556 ff.; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 318. 2 So auch Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 454. 3 Vgl. auch BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492. 4 Vgl. BMF v. 17.7.2009, Entwurf VWG-Funktionsverlagerung, Tz. 4.1.3, abgedruckt in Schreiber, Verrechnungspreise2, 755 ff. 5 Siehe auch Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 447; Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1617.

526 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.343 Kap. 4

ist der Auftraggeber im Rahmen eines Lohnfertigungsverhältnisses regelmäßig auch Eigentümer der für die Herstellung bzw. den Vertrieb der entsprechenden Produkte notwendigen immateriellen Vermögenswerte.1 Soweit sie zur Funktionsausübung des Lohnfertigers notwendig sind, werden sie ihm durch den Auftraggeber – i.d.R. unentgeltlich – überlassen. Begriffsdefinition Eigenproduzent. Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion. In der Regel ist er daher auch als „Entrepreneur“ respektive „Strategieträger“ in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen.2 Denn der Eigenproduzent trifft die wesentlichen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen3 und trägt infolgedessen alle Marktchancen und Marktrisiken der betrachteten Produktgruppe.4 Nach Tz. 201 der VWG-Funktionsverlagerung sind wesentliche Merkmale eines Eigenproduzenten, dass das Unternehmen

4.342

– die Produktionsfunktionen (z.B. Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung usw.) sowie die Vermarktungsfunktionen (z.B. Werbung, Vertrieb usw.) ausübt, – über die entsprechenden Entscheidungskompetenzen verfügt, – regelmäßig im Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen (materielle und insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter) ist und – die mit der Ausübung der Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (z.B. Marktrisiko, Qualitätsrisiko, Absatzrisiko usw.) trägt. Übersicht zur Ausgestaltung der Produktionsfunktion. Nachfolgende Übersicht verdeutlicht die idealtypischen Ausprägungen von Eigenproduzent und Lohnfertiger:5 Lohnfertiger

Eigenproduzent

Forschung, Forschungsrisiko



+

Produktionsmanagement



+

Entwicklungskompetenz



+

Produktanpassungen



+

Fertigungsvorbereitende Funktionen

Eigentumserwerb an Vorprodukten, Rohstoffen

+/–

+

Rohstoff- und Vorproduktlager

+/–

+

Fertigungsfunktionen Produktionsplanung, Mengendisposition



+

Eigentum an Produktionsanlagen

+/–

+

Eigentum an Patenten, Know-how



+

1 Zu denken ist etwa an Patente, Know-how, Marken etc. 2 Vgl. insoweit auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570 Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 3 Wie z.B. die Produkt- und Distributionspolitik sowie übergeordnete Aspekte der Preis- und Kommunikationspolitik. 4 Vgl. dazu ausführlich Borstell in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 524 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 5 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 28 f. 5 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 47 m.w.N.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 557 f.; Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 450; Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1629.

Baumhoff/Liebchen | 527

4.343

Kap. 4 Rz. 4.344 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Lohnfertiger

Eigenproduzent

Disposition über Fertigungsverfahren



+

Qualitätskontrolle

+

+

(Halb-)Fertigproduktlager, Lagerrisiko



+

+/–

+



+

+/–

+

Fertigungsfunktionen

Produkthaftung Nachgelagerte Funktionen Absatzmengenrisiko, Absatzpreisrisiko Garantieleistungen Administrative Funktionen Eigentum an Warenzeichen, Marken Verwaltungsaktivitäten



+

+/–

+

4.344 Unternehmen zwischen Lohnfertiger und Eigenproduzent. Regelmäßig ist ein verbundenes Pro-

duktionsunternehmen nur bei nahezu vollständiger Erfüllung der oben dargestellten Merkmale als ein Lohnfertiger zu qualifizieren. In Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Merkmale kann dabei auch eine Zwischenform zwischen Lohnfertiger und Eigenproduzent vorliegen, die keiner der beiden Grundformen vollständig entspricht.1 Solche Zwischenformen kommen in der Verrechnungspreispraxis sogar sehr häufig vor. Eine dieser Zwischenformen stellt der Auftragsfertiger dar, der sich vom Lohnfertiger dadurch unterscheidet, dass er die Rohstoffe und das Material im eigenen Namen und auf eigene Rechnung beschafft, ohne dass dadurch im Regelfall die vom Auftragsfertiger übernommenen Risiken wesentlich größer wären als beim Lohnfertiger.2 Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass das dem Lohnfertiger zugestandene Entgelt vom Umfang der von ihm wahrgenommenen Funktionen, getragenen Risiken sowie eingesetzten Wirtschaftsgüter abhängt. Es ist unmittelbar aus dem Fremdvergleichsgrundsatz abzuleiten, dass die Übernahme wirtschaftlicher Risiken und die Ausübung (weiterer Funktionen) nicht unentgeltlich erfolgen, sondern mit erhöhten Renditeerwartungen einhergehen.3 Infolgedessen wird die einem Lohnfertiger zuzuordnende Gewinnmarge umso höher sein, je mehr Funktionen und Risiken von ihm übernommen werden. Übernimmt ein Lohnfertiger immer mehr Funktionen und Risiken und setzt er immer mehr Mittel ein, so wird irgendwann ein Punkt erreicht sein, ab dem er zum eigenständigen Produktionsunternehmen und mithin als Eigenproduzent zu qualifizieren sein wird. In diesen Fällen liegt die besondere praktische Schwierigkeit darin, den Zeitpunkt auszumachen, ab dem ein Lohnfertiger zum Eigenproduzenten wird. Denn ab diesem Zeitpunkt sind insbesondere die im Rahmen der Auftragsfertigung unentgeltlichen Beistellungen von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern (Know-how, Produktionsverfahren, Maschinen etc.) sowie etwaige Leistungs- und Materialbeistellungen durch den Auftraggeber mit einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Entgelt abzurechnen.4 Ferner könnten Funktionseinschränkungen des Auftraggebers zugunsten des nunmehrigen Eigenproduzenten als Funktionsverlagerung qualifiziert werden und dementsprechende verrechnungspreisbezogene Konsequenzen auslösen (Rz. 4.480 ff.).

1 Vgl. Borstell/Hülster in V/B/E4, M Rz. 174; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 684 f. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 205. 3 Vgl. Tz. 1.56 u. 9.19 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/ 08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 13. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 208.

528 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.346 Kap. 4

Diese Überlegungen kommen auch in Tz. 208 f. der VWG-Funktionsverlagerung zum Ausdruck.1 Dort vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass in Fällen der Lohnfertigung stets zu prüfen sei, ob und ab wann ggf. weitergehende Funktionen ausgeübt werden, z.B. der eigenständige Vertrieb an Kunden des Auftraggebers zu Marktpreisen, um aus der Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten die – aus Verrechnungspreissicht – notwendigen steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. Praktische Probleme entstehen damit insbesondere dann, wenn sich ein verbundenes Produktionsunternehmen aufgrund der ihm zugewiesenen Funktionen nicht eindeutig den „Polen“ Eigenproduzent oder Lohnfertiger zuordnen lässt, sondern zwischen diesen beiden Extrempunkten liegt. b) Verrechnungspreisermittlung Kostenaufschlagsmethode als Regelmethode. Ist die ausländische Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger zu qualifizieren, ist zunächst zu überprüfen, ob die Verrechnungspreise auf Grundlage der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können, d. h. durch Feststellung uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichspreise im Rahmen eines inneren (Rz. 4.216 ff.) oder äußeren Preisvergleichs (Rz. 4.219 f.). In der Verrechnungspreispraxis sind allerdings Vergleichspreise für gleiche oder vergleichbare Produktionsdienstleistungen nur in Ausnahmefällen bestimmbar. Insofern kommt regelmäßig die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) zur Anwendung. Ferner käme alternativ die TNMM (Rz. 4.297 ff.) in Betracht. Dies ist insofern sachgerecht, als bei „make or buy“-Entscheidungen im Rahmen des Outsourcings zwischen unabhängigen Dritten üblicherweise auch auf Kostenvergleichsrechnungen abgestellt wird. Außerdem ist die Lohnfertigung als (Produktions-)Dienstleistung anzusehen, für die in der Verrechnungspreispraxis i.d.R. ein kostenorientiertes Entgelt vergütet wird (Rz. 4.346).2

4.345

Auffassung der Finanzverwaltung. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung „kann“ die Kostenaufschlagsmethode angewendet werden.3 Der Verordnungsgeber der FVerlV ging in der Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV unter Hinweis auf Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren sogar offenkundig („ist vor allem anzuwenden“) von einer zwingenden Anwendung der Kostenaufschlagsmethode hinsichtlich der Abgeltung der Ausübung von Routinefunktionen aus (Rz. 4.149 und 4.338).4 Diese „zwingende“ Anwendung ist allerdings mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich nicht zu vereinbaren. Hiernach hat der tatsächliche Fremdvergleich mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte Vorrang vor dem tatsächlichen Fremdvergleich mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte sowie schließlich dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 4.313). Da richtigerweise in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) möglich ist, weil sich nur diese Methode an marktentstandenen Preisen orientiert (Rz. 4.213), gebührt ihr grundsätzlich der Vorrang. Nach der Rspr. des BFH war – vor Verankerung des Rangfolgenverhältnisses in § 1 Abs. 3 AStG – die Methode heranzuziehen, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“, d.h., die klassischen Methoden standen gleichberechtigt nebeneinander.

4.346

Können mittels eines inneren (Rz. 4.216) oder äußeren Preisvergleichs (Rz. 4.219) uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte identifiziert werden, sind diese Werte zugrunde zu legen. Fehlt es indessen an jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Referenztransaktionen – was den Regelfall darstellen dürfte –, stellt die Kostenaufschlagsmethode für die Lohnfertigungsverhältnisse die Regelmethode dar. 1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 208 f. (insbesondere das angeführte Beispiel). 2 Vgl. Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.3 Bsp. 3; siehe ferner Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16.

Baumhoff/Liebchen | 529

Kap. 4 Rz. 4.347 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.347 Kostenbasis und Gewinnaufschlag. Im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode ist der Gewinnauf-

schlag des Lohnfertigers umso höher zu bemessen, je mehr Funktionen und Risiken durch ihn übernommen werden (Rz. 4.344). Die Kostenbasis sollte dabei auf Plan- bzw. Sollkosten beruhen, damit effizientes Arbeiten des Lohnfertigers belohnt und ineffizientes Arbeiten bestraft und nicht durch eine Kostenerstattung auf Istkostenbasis egalisiert wird (Rz. 4.256 ff.).1 Was den Sachumfang der Kosten anbelangt, so kommt bei Lohnfertigungsverhältnissen nur die Verrechnung von Vollkosten in Betracht (Rz. 4.264 ff.). Ferner vertritt die Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung die Auffassung, dass die Kosten für vom Auftraggeber beigestellte Rohstoffe und Materialien nicht in die Kostenbasis des Lohnfertigers einfließen.2

4.348 Anlaufverluste. Entstehen dem Lohnfertiger sog. Anlaufverluste (z.B. im Zusammenhang mit

dem Aufbau oder der Erweiterung der Produktion), sind diese vom Auftraggeber zu tragen. Ansonsten würde der Lohnfertiger aufgrund seiner – gegenüber dem Eigenproduzent geringen – Gewinnmarge auf Dauer Verluste erwirtschaften, die ein unabhängiger Lohnfertiger nicht zu tragen bereit wäre.3 Die Übernahme der Anlaufkosten bzw. -verluste durch den Auftraggeber entspricht in Fällen der Lohnfertigung auch der Verteilung von Chancen und Risiken. Risiken übernimmt nur, wer sich entsprechende Chancen erhofft. Ein Lohnfertiger erwirbt jedoch keine eigene Geschäftschance, sondern ihm werden im Regelfall lediglich seine Vollkosten zuzüglich eines (geringen aber relativ stabilen) Gewinns vergütet.4

4.349 Notwendigkeit der Aufteilung von Standortvorteilen. Die Anwendung der Kostenaufschlags-

methode wirft die Frage auf, wie der durch die Einschaltung eines Lohnfertigers anfallende Standortvorteil zwischen dem Auftraggeber und dem Lohnfertiger zu verteilen ist. Standortvorteile werden meist durch niedrigere Produktionskosten aufgrund eines niedrigeren Lohnniveaus, geringerer Umweltauflagen, geringerer Sozialabgaben, niedrigerer Energiekosten usw. im Ausland realisiert. Die niedrigeren Kosten führen ceteris paribus zu einem Mehrgewinn im Vergleich zur reinen Inlandsproduktion ohne Einschaltung des jeweiligen Lohnfertigers. Der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn wird allerdings bei der undifferenzierten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht zutreffend berücksichtigt, es sei denn, der Gewinnaufschlag wird bereits entsprechend angepasst.5 Wenn jedoch lediglich ein Standardgewinnaufschlag (z.B. 5–10 %) auf die durch die Standortvorteile niedrigere Kostenbasis angesetzt wird, kommt der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn größtenteils dem Auftraggeber zugute. Letztlich würden dadurch die Standortvorteile vollständig ins Inland übertragen und dort der Besteuerung zugeführt. Eine solche Zuordnung der Standortvorteile ist allerdings nicht sachgerecht und entspricht auch nicht dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Denn Standortvorteile entstehen aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates. Somit sollte das grundsätzliche Besteuerungsrecht der daraus resultierenden Gewinne auch dem betreffenden Staat zustehen. Besonders deutlich wird dies bei Gewährung von Steuervergünstigungen, Investitionszuschüssen oder vergleichbaren staatlichen Subventionen. In diesen Fällen schränkt die ausländische Steuerhoheit ihr Besteuerungsrecht zur Förderung der heimischen Wirtschaft gezielt ein. Vor diesem Hintergrund kann es dann nicht gerechtfertigt sein, wenn das Inland durch eine undifferenzierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode mit einem Standardgewinnaufschlag die im Ausland erhöhten Gewinne aufgrund von Standortvorteilen abschöpft und der deutschen Besteuerung unterwirft.6

1 Dagegen auch die Istkosten zulassend Burkert, IStR 2003, 357. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 207. 3 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 31 f. 4 So BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 5 So z.B. auch Dreßler in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Podiumsdiskussion, 98. 6 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 217; vgl. auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319.

530 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.351 Kap. 4

Aus diesen Überlegungen rechtfertigt sich im Übrigen auch die sog. fiktive Steueranrechnung, die bei Zugeständnissen solcher Art an inländische Steuerpflichtige zum Tragen kommt und in einer Reihe deutscher DBA verankert ist.1 Aufgrund dieser Sachlage sind nach h.M. in der Literatur die durch die niedrigeren Kosten im Ausland resultierenden Standortvorteile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger aufzuteilen.2 Selbst Vertreter der Finanzverwaltung sehen eine Aufteilung als erforderlich an. So formulieren Kuckhoff/Schreiber, dass durch eine undifferenzierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode „die Standortvorteile über den Verrechnungspreis seitens der inländischen Muttergesellschaft oder des inländischen Abnehmers nahezu völlig abgeschöpft [würden; d. Verf.], was betriebswirtschaftlich und damit auch steuerlich nicht zu rechtfertigen ist.“3 Nach der Literaturauffassung ist es daher unstreitig, dass Standortvorteile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger grundsätzlich aufzuteilen sind. Fraglich ist allerdings, nach welchen Grundsätzen diese Aufteilung zu erfolgen hat. Methodisches Vorgehen zur Aufteilung von Standortvorteilen. Die Aufteilung von Standortvorteilen zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger geht nicht auf einen tatsächlichen Fremdvergleich, sondern auf einen hypothetischen Fremdvergleich zurück. Mittels der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl auf Seiten des Lohnfertigers als auch auf Seiten des Auftraggebers („doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“, Rz. 4.175 ff.) ist eine am Fremdvergleich orientierte Aufteilung abzuleiten. Methodisch sind hierzu – entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG – der Mindestpreis des Lohnfertigers (Preisuntergrenze) und der Höchstpreis des Auftraggebers (Preisobergrenze) zu bestimmen.4 Hierbei bezieht sich die Preisobergrenze des Auftraggebers auf die Handlungsalternative Eigenfertigung und umfasst die dementsprechenden Kosten. Die Preisuntergrenze des Lohnfertigers markieren die Kosten des jeweiligen Auftrags zuzüglich eines Standardgewinnaufschlags. Da bei den hier zur Diskussion stehenden Auslagerungen von Produktionsaufgaben die Preisobergrenze üblicherweise die Preisuntergrenze überschreitet, liegt ein Einigungsbereich vor. Grundsätzlich dürften alle Preise innerhalb dieses Einigungsbereiches als angemessen anzusehen sein, da jeder dieser Preise auch zwischen fremden Dritten vereinbart werden könnte. Gleichwohl regelt § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG für die Aufteilung des Einigungsbereichs, dass „der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen [ist; d. Verf.], der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen.“ Insofern verbleibt angesichts der Unmöglichkeit, die Aufteilung von Standortfaktoren mittels Wahrscheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – zu bewerkstelligen, praktisch nur die gesetzliche Vermutung der hälftigen Aufteilung des Einigungsbereichs (Rz. 4.194 ff.). Betriebswirtschaftlich entspricht dieser rein pragmatische Ansatz der Arbitriumwertlösung.5

4.350

Urteil des FG Münster und Verwaltungspraxis. Dieses Ergebnis wird durch das rechtskräftige Urteil des FG Münster bestätigt, das bei einer hälftigen Teilung des Kostenvorteils keinen Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz gesehen hat.6 Allerdings wendet die Finanzverwaltung dieses Urteil nicht allgemein an.7 Nach Zech entspricht es vielmehr der Auffassung der Finanzverwaltung,

4.351

1 Vgl. hierzu Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. 2 Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791; Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319; Wassermeyer, StbJb 1997/98, 163; Rödder, StbJb 1997/98, 122; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 363; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 363; Dreßler in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Podiumsdiskussion, 98; Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.36 ff.; Ditz in F/W/B/ S, § 1 AStG Anm. 1636. 3 Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 217; vgl. auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319. 4 Vgl. hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 791. 5 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 351; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 792. 6 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562; siehe hierzu ausführlich Baumhoff/ Greinert, IStR 2006, 792 f. 7 Vgl. Rupp in Haufe Steueroffice Kanzlei-Edition, Haufe-Index 2061149, Tz. 2.4; Zech, IStR 2011, 134.

Baumhoff/Liebchen | 531

Kap. 4 Rz. 4.352 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen dass der Standortvorteil vollständig im Inland vereinnahmt wird.1 Diese Auffassung dürfte allerdings angesichts der Qualifikation der Funktionsabspaltung auf einen Lohnfertiger als Funktionsverlagerung nicht mehr begründbar sein (Rz. 4.567 ff.).2 Die VWG-Funktionsverlagerung äußern sich zwar wiederholt zu Standortvorteilen,3 bleiben allerdings im Hinblick auf ihre Aufteilung letztlich unbestimmt. Nach Tz. 93 der VWG-Funktionsverlagerung soll es für die Zurechnung von Standortvorteilen darauf ankommen, „welches Unternehmen diese Vorteile/Nachteile in den fiktiven Preisverhandlungen in Anspruch nehmen könnte bzw. tragen müsste“, was letztlich von den – sich aus objektiven Umständen ergebenden – „konkreten Handlungsalternativen“ und der „jeweiligen Verhandlungsstärke“ abhängen soll.4 Diese Überlegungen erinnern an die sog. Schiedsrichterlösung, die allerdings wegen ihrer Abhängigkeit von Einflussfaktoren, die zwischen nahestehenden Unternehmen beliebig dem einen oder dem anderen Verhandlungspartner zugeordnet werden können, für die Aufteilung von Einigungsbereichen ungeeignet ist.5 Außerdem stehen diese Überlegungen im Widerspruch zur Fiktion der vollständigen Information und Markttransparenz nach § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, die letztlich zu gleichen Verhandlungsstärken führen muss.

4.352 Eigenproduzent als Strategieträger. Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent

über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion und ist im Regelfall als „Entrepreneur“ respektive „Strategieträger“ in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen. Folglich gebührt ihm der konzerninterne Residualgewinn bzw. -verlust.6 Die „Befriedigung“ mit einem geringen, aber stabilen Standardgewinn – wie beim Lohnfertiger – scheidet deshalb aus. Vor diesem Hintergrund wird der Eigenproduzent bei voller Übernahme des Produzentenrisikos seine Produkte ggf. auch an fremde Dritte liefern, so dass hier der Vergleichsmaßstab mithilfe der Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) ermittelt werden kann (innerer Preisvergleich). Ferner ist auch ein äußerer Preisvergleich denkbar, wenn für die produzierten Güter Marktpreise existieren. Sind die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode nicht erfüllt, ist die Allokation des Residualgewinns bzw. -verlusts beim Eigenproduzenten retrograd über die angemessene Abgeltung der nicht als Strategieträger agierenden Konzerneinheiten sicherzustellen und in den Lieferpreisen abzubilden. Bei mehreren Strategieträgern kommt regelmäßig der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen, der letztlich eine Aufteilung des Residualgewinns („profit split“) darstellt.

4.353 Methodenwahl bei Eigenproduzenten. Liefert das ausländische Produktionsunternehmen dagegen

an verbundene Vertriebsgesellschaften, welche die Produkte am externen Markt vertreiben, bietet sich zur Ermittlung des Verrechnungspreises die Wiederverkaufspreismethode7 (Rz. 4.224 ff.) oder die TNMM (Rz. 4.297 ff.) an. Agiert der Eigenproduzent als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, hat die Bruttomarge des Vertreibers die Vertriebskosten zuzüglich eines das Funktionsund Risikoprofil des Vertreibers reflektierenden Gewinnaufschlags (Nettomarge) abzudecken.8 Werden dem Eigenproduzenten für dessen Produktion von einem anderen verbundenen Unternehmen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach Maßgabe des Fremdvergleichs ein Kaufpreis (bei Kauf bzw. Übertragung) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) zu verrechnen. Werden dem ausländischen Eigenproduzenten für dessen Produktion vom inländischen Abnehmer (z.B. der Muttergesellschaft) materielle 1 Vgl. Zech, IStR 2011, 133. 2 So zutreffend Zech, IStR 2011, 133 f. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 76, 85, 93, 123, 128, 155 und 168. 4 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 93 und 121 ff. 5 Vgl. Baumhoff in FS Wassermeyer, 351; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 792. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 7 Nach der Rspr. ist bei Vertriebsgesellschaften „regelmäßig“ die Wiederverkaufspreismethode anzuwenden, vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 8 Vgl. Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 138 f.

532 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.356 Kap. 4

oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Verfügung gestellt, ist hierfür nach Maßgabe des Fremdvergleichs ein Kaufpreis (bei Übertragung) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) an das inländische Unternehmen zu vergüten (Rz. 4.344).1 3. Lieferungen an Vertriebsgesellschaften a) Funktionsanalyse im Rahmen des Vertriebs Grundformen des Vertriebs. Für die Wahrnehmung von Vertriebsfunktionen kommen grundsätzlich die folgenden Vertriebsformen in Betracht:2

4.354

– Eigenhändler (Vertrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung), – Kommissionär (Vertrieb im eigenen Namen und auf fremde Rechnung), – Handelsvertreter (Tätigkeit im fremden Namen und auf fremde Rechnung). Eigenhändler als „Fully-fledged Distributor“. Der Eigenhändler übt die volle Vertriebsfunktion aus (sog. „Fully-fledged Distributor“). Er erwirbt von der konzerninternen Produktionsgesellschaft bzw. von externen Lieferanten das Eigentum an der Ware und verkauft diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an seine Kunden. Damit trägt er sowohl die Lager- als auch die Absatzrisiken des Vertriebs. Er verfügt ferner über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Vertriebspolitik. Diese betreffen bspw. die Bestimmung der Preispolitik, die Auswahl von lokalen Vertriebspartnern sowie die Durchführung eigener Werbekampagnen bzw. eigener Marktforschung. Die durch den Eigenhändler übernommenen Risiken korrespondieren i.d.R. mit den durch ihn ausgeübten Funktionen.3 So ist davon auszugehen, dass er neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Inkassorisiko sowie das Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien zu verantworten hat. Dagegen kann das Währungsrisiko – je nach Ausgestaltung des konzerninternen Vertriebsvertrages – sowohl durch die Vertriebs- als auch die Produktionsgesellschaft getragen werden. Ein wesentliches Risiko des Eigenhändlers ist dabei das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können.

4.355

Eigenhändler als „Low-Risk-Distributor“. Neben dem vorstehend dargestellten Fully-fledged Distributor existiert mit dem Low-Risk-Distributor ein weiteres Eigenhändlermodell. Diese Variante des Eigenhändlermodells unterscheidet sich hinsichtlich des Umfangs der vom Eigenhändler übernommen Funktionen und Risiken, wobei der Funktions- und Risikoumfang des Low-Risk-Distributors wesentlich geringer ist, als der des Fully-fledged Distributors.4 Der Low-Risk-Distributor ist dadurch gekennzeichnet, dass er nur geringe vertriebstypische Funktionen ausübt (neben der Akquisition und Auftragsbearbeitung erfolgt z.B. keine Lagerhaltung, keine Warenverteilung, kein Kundendienst, keine Marktforschung und kein Marketing; ferner fehlt die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Preispolitik) und folglich auch über keine wesentlichen unternehmerischen Risiken verfügt. Darüber hinaus ist er in aller Regel nicht Eigentümer des Kundenstamms. Der Low-Risk-Distributor ist deshalb als sog. Routineunternehmen einzustufen.5

4.356

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 210 ff. 2 Vgl. Prinz, FR 1997, 519; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560 f.; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 49 ff.; Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1649. 3 Siehe zu dieser Implikation auch Tz. 1.57 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. US Transfer Pricing Guidelines, Rz. 2530.20; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560; Fiehler, IStR 2007, 465 f. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1552 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 562.

Baumhoff/Liebchen | 533

Kap. 4 Rz. 4.357 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.357 Kommissionär. Im Gegensatz zum Eigenhändler wird der Kommissionär1 nach dem gesetzlichen

Grundmodell des § 383 HGB kein Eigentümer der Kommissionsgüter.2 Vom Eigenhändler unterscheidet sich der Kommissionär infolgedessen in seinem reduzierten Funktionsumfang. Dieser resultiert insbesondere daraus, dass der Kommissionär zwar nach außen im eigenen Namen auftritt, im Innenverhältnis jedoch auf Rechnung des Prinzipals tätig wird. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der Funktionsumfang des Kommissionärs auf die Akquisition der Kunden, die Auftragsbearbeitung sowie ggf. auf die Durchführung des Kundendienstes, der regionalen Werbung und des Inkassos. Letztlich trägt er damit im Vergleich zum Eigenhändler in der Ausprägung des Fully-Fledged-Distributors ein geringeres Vertriebsrisiko, so dass ihm ein entsprechend geringerer Vertriebsgewinn zusteht.

4.358 Handelsvertreter/Sales Agent. Als Handelsvertreter ist nach seiner handelsrechtlichen Definition

derjenige anzusehen, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.3 Er agiert somit sowohl im fremden Namen als auch auf fremde Rechnung. Im Ergebnis erbringt der Handelsvertreter demnach lediglich eine Vermittlungsleistung und wird nicht Vertragspartei des zwischen seinem Prinzipal und dem Endkunden zustande kommenden Vertrags. Im Rahmen der Ausübung der Vertriebsfunktion ist somit der Handelsvertreter die funktionsschwächste und risikoärmste Alternative, da er neben der Akquisition von Kunden und der Auftragsbearbeitung i.d.R. keine zusätzlichen Funktionen ausübt.

4.359 Übersicht der Vertriebsformen. Das jeweilige Funktions- und Risikoprofil des Vertriebsunternehmens nach dem jeweiligen Vertriebsmodell lässt sich wie folgt tabellarisch zusammenfassen:4

Akquisition

Fully-fledgedDistributor

Low-RiskDistributor

Kommissionär

Handelsvertreter

+

+

+

+

Auftragsbearbeitung

+

+

+

+

Lagerhaltung

+

+/–





Warenverteilung

+

+/–





Preispolitik

+

+/–





Kundendienst

+

+/–

+/–

+/–

Inkasso

+

+

+/–



Marktforschung

+







Marketing

+







Werbung

+

+/–

+

+

Auswahl von lokalen Vertriebspartnern

+







1 Zur Funktionsabschmelzung von seinem Eigenhändler auf einen Kommissionär vgl. Kroppen, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 745 ff.; Faix/Wangler, IStR 2001, 65; Borstell, StbJb 2001/2002, 227 ff.; Baumhoff in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 101 f.; Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 163 ff. 2 Vgl. Wassermeyer in FS Schaumburg, 973. 3 Vgl. § 84 Abs. 1 HGB. 4 Vgl. Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 560 f.; siehe auch Übersicht bei Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 174; Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.54; Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1654.

534 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.362 Kap. 4 Fully-fledgedDistributor

Low-RiskDistributor

Kommissionär

Handelsvertreter

Vorratsrisiko

+







Gewährleistungsrisiko

+







Kreditrisiko

+

+/–

+/–



Wechselkursrisiko

+/–

+/–





Auslastungsrisiko

+

+/–

+

+

Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien (z.B. Markteroberung)

+







b) Verrechnungspreisermittlung Allgemeine Grundsätze. Der Eigenhändler erwirbt Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Sein (Roh-) Gewinn ermittelt sich somit als Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis der vertriebenen Produkte. Der Verrechnungspreis wird im Falle des Eigenhändlermodells nach der Preisvergleichsmethode unter Berücksichtigung der Handelsstufe, nach der Wiederverkaufspreismethode oder nach der TNMM ermittelt. Die Höhe der angemessenen EBIT-Marge des Eigenhändlers ist dabei vom Umfang der von ihm übernommenen Funktionen und Risiken sowie von weiteren Faktoren (z.B. Existenz von Hersteller- oder Handelsmarken, Marktverhältnisse im lokalen Markt, Kostensituation der Vertriebsgesellschaft, Vertriebsbedingungen) abhängig. Das jeweilige Funktions- und Risikoprofil (Fully-fledged Distributor versus Low-Risk-Distributor) determiniert die Gewinnteilhabe. Dementsprechend gebührt dem Low-Risk-Distributor eine an seinem eingeschränkten Funktions- und Risikoprofil ausgerichtete, geringere Nettomarge.

4.360

Vorrang der Preisvergleichsmethode. Nach dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis kommt der tatsächliche Fremdvergleich vorrangig zum Tragen. Folglich hat die Preisvergleichsmethode Vorrang vor jeder anderen Methode, da sie als einzige Methode auf marktentstandene, d.h. direkt am Markt beobachtbare Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen abstellt und damit auf dem tatsächlichen Fremdvergleich basiert. Dies steht im Einklang mit der Rspr. des BFH. Die Begründung des BFH-Urteils vom 6.4.20051 verdeutlicht, dass der BFH im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen für Lieferungen an Vertriebsgesellschaften der Preisvergleichsmethode einen gewissen Vorrang einräumen möchte. Allerdings fordert er, dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen“2 und erhebt die Ertragssituation der Vertriebsgesellschaft zum Vergleichskriterium. Angesichts regelmäßig fehlender Kenntnis über die Ertrags- und Renditesituationen zu vergleichender Vertriebsgesellschaften ist die Anwendbarkeit der Preisvergleichsmethode im vorliegenden Fall nur sehr eingeschränkt gegeben.3

4.361

Wiederverkaufspreismethode als Regelmethode. Fehlt es im Regelfall deshalb an jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Werten, sind nach der Rspr. des BFH4 Verrechnungspreise gegenüber Vertriebsgesellschaften regelmäßig nach der Wiederverkaufspreismethode zu ermitteln. Dabei ist die Handelsspanne idealerweise durch einen tatsächlichen Fremdvergleich zu bestimmen, wobei man sich auf einen externen Fremdvergleich oder eine Datenbankanalyse stützen könnte. Zu be-

4.362

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592. BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658. Vgl. hierzu ausführlich Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; dazu Baumhoff, IStR 2001, 751 ff.; Kuckhoff/ Schreiber, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 863 ff.; Kaminski/Strunk, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1831 ff.; Kroppen/ Rasch/Roeder, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1787; Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Wassermeyer, WPg 2001, 13 ff.; Wehnert/Stalberg, IStR 2002, 141 ff.

Baumhoff/Liebchen | 535

Kap. 4 Rz. 4.363 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen rücksichtigen ist, dass die Handelsspanne zwei Komponenten enthält. Einerseits hat der Vertreiber durch die ihm eingeräumte Handelsspanne seine Aufwendungen für den Vertrieb des Produktes (einschließlich der Verwaltungskosten) zu decken. Andererseits enthält sie ein Gewinnelement, welches es dem Vertriebsunternehmen ermöglicht, einen seinem Funktions- und Risikoprofil entsprechenden Gewinn zu erwirtschaften („Nettomarge“). Qualifiziert der Eigenhändler in Gestalt des Fully-fledged Distributors als „Entrepreneur“ bzw. „Strategieträger“, weil er über die wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter (Kundenstamm, Marken, Vertriebsnetz, Außendienst etc.) verfügt, die erfolgskritischen Funktionen ausübt und die wesentlichen Risiken trägt, gebührt ihm der Residualgewinn oder -verlust.1 Er hat deshalb keinen Anspruch auf eine sichere Vertreibermarge. Vielmehr hat er die übrigen konzernverbundenen Unternehmen, die ihm gegenüber Lieferungen und Leistungen erbringen und als sog. Routine- oder Mischunternehmen agieren, mittels der Kostenaufschlagsmethode jedenfalls „verlustfrei“ zu halten.2 Da die Kostenaufschlagsmethode wie die TNMM gleichermaßen bewirken, dass dem Vertriebsunternehmen ein geringer, aber stabiler Gewinn zugeordnet wird, kommt sie auf als Fully-fledged Distributor ausgestaltete Vertriebsunternehmen, die als Strategieträger zu qualifizieren sind, nicht zum Tragen.

4.363 Anwendung von Kostenaufschlagsmethode und TNMM. Ist der Fully-fledged-Distributor hin-

gegen als Mittelunterunternehmen zu klassifizieren, ist die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode denkbar, wenn die Wiederverkaufspreismethode aus praktischen Gründen nicht anwendbar ist. Dies ist etwa dann gegeben, wenn – wie in den Branchen der Medizintechnik und der Pharmaindustrie üblich – identische Produkte über verschiedene Vertriebskanäle zu deutlich auseinanderliegenden Preisen verkauft werden.3 Demgegenüber soll nach Auffassung der Finanzverwaltung die TNMM auf Mittelunternehmen nicht anwendbar sein.4 Allerdings sind nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise aufgrund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.5 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von „Renditeziffern funktional (zumindest eingeschränkt) vergleichbarer Unternehmen in dem betreffenden Geschäftsbereich“6 bestimmt werden. Dies läuft de facto jedoch auf die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode hinaus.7

4.364 TNMM als Regelmethode für Low-Risk-Distributor. Für ein als Low-Risk-Distributor ausgestal-

tetes Vertriebsunternehmen kommen zwar – entsprechend dem Stufenverhältnis in § 1 Abs. 3 Sätze 3 bis 4 AStG – grundsätzlich der tatsächliche Fremdvergleich und damit die Preisvergleichsmethode vorrangig zur Anwendung. Allerdings fehlt es i.d.R. an den Anwendungsvoraussetzungen (Rz. 4.360). Der Low-Risk-Distributor trägt keine bzw. allenfalls geringe unternehmerische Risiken (z.B. hinsichtlich der Marktentwicklung, Bestandsrisiken und Forderungsausfälle) und übt einfache, kommissionärsähnliche Vertriebsfunktionen aus. Angesichts dieses beschränkten Funktionsund Risikoprofils sind derart organisierte Vertriebsunternehmen als Routineunternehmen zu klassifizieren. Für diese lässt die Finanzverwaltung die Anwendung der TNMM ausdrücklich zu.8 Sie fordert allerdings den Nachweis der zumindest eingeschränkten Vergleichbarkeit der Vergleichs1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35. 3 Vgl. hierzu etwa das Beispiel bei Bauer, DB 2008, 157. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. c. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.6 Buchst. b Abs. 4 1. Spiegelstrich. 7 Siehe hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1553. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b.

536 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.366 Kap. 4

unternehmen und Anpassungsrechnungen im Falle besonderer, tatsächlich entstandener Gewinne oder Verluste des Vertriebsunternehmens, die in den Renditekennziffern der Vergleichsunternehmen keine Entsprechung finden. Durch Anwendung der TNMM wird dem Vertriebsunternehmen eine geringe, aber relativ stabile Nettomarge zugeordnet. Allerdings gilt dies nur im Normalfall. In Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs kann die Nettomarge herabgesetzt oder auf sie gänzlich verzichtet werden, wenn dem gesamten Unternehmen oder der gesamten Branche keine Gewinnerzielung mehr möglich ist; ein Verlustausweis sollte allerdings vermieden werden.1 In der Verrechnungspreispraxis stellt die TNMM bei Lieferungen an Vertriebsgesellschaften, die als LowRisk-Distributor agieren, die Regelmethode dar. Kosten- und umsatzabhängige Kommissionärsprovision. Der Kommissionär erwirbt im Gegensatz zum Eigenhändler kein Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Er erbringt an den Kommittenten eine Vermittlungsdienstleistung. Im Hinblick auf die Vergütung dieser Dienstleistung ist sowohl eine kosten- als auch eine umsatzabhängige Kommission denkbar.2 Die vorrangige Ermittlung einer umsatzabhängigen Kommission geht auf die Anwendung der Preisvergleichsmethode zurück und steht somit im Einklang mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis der anzuwendenden Verrechnungspreismethoden, nach dem bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen ist, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Hierbei sind branchenabhängig die zwischen fremden Dritten vereinbarten – und somit marktentstandenen – Kommissionärsprovisionen als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Zwar existieren keine allgemeingültigen Provisionssätze. In vielen Fällen erhält der Kommissionär allerdings eine Provision zwischen 3 % und 7 % vom Umsatz, wenn daneben kein Kostenersatz vereinbart wird. Bei einem zusätzlichen Kostenersatz kommt häufig eine Provisionsbandbreite zwischen 0,5 % und 5 % zur Anwendung. Da die Ermittlung angemessener Kommissionärsprovisionen in der Verrechnungspreispraxis – mangels Vergleichstransaktionen – auf Basis der Preisvergleichsmethode oftmals nicht möglich ist, kommt zur Ermittlung der Kommissionärsprovision häufig die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Dies ist insofern sachgerecht, als es sich bei der Kostenaufschlagsmethode um die Regelmethode zur Ermittlung von Verrechnungspreisen für Dienstleistungen handelt und der Kommissionär eine vertriebsbezogene Dienstleistung erbringt. Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode steht in Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung.3 Da der Kommissionär lediglich eine Routinefunktion ausübt, wird in der Verrechnungspreispraxis in Kommissionärsfällen i.d.R. ein Gewinnaufschlag i.H.v. 5 bis 10 % angewandt (Rz. 4.278).

4.365

Kostenaufschlagsmethode bei Handelsvertretern. Ebenso wie der Kommissionär erwirbt der Handelsvertreter kein Eigentum an den durch ihn vertriebenen Produkten. Vielmehr erbringt er eine Vermittlungsdienstleistung, indem er die Produkte des Prinzipals in dessen Namen und auf dessen Rechnung vertreibt. Das beschränkte Funktions- und Risikoprofil des Handelsvertreters qualifiziert ihn als Routineunternehmen. Da Marktdaten für branchenspezifische Handelsvertreterprovisionen nicht verfügbar sind, scheidet die Ermittlung umsatzabhängiger Handelsvertreterprovisionen mittels der Preisvergleichsmethode in der Verrechnungspreispraxis regelmäßig aus. Dem beschränkten Funktions- und Risikoumfang wird deshalb in der Praxis durch die Kostenaufschlagsmethode Rechnung getragen, über die dem Handelsvertreter ein weitgehend risikoloser Gewinn zugeordnet wird. Dieser ist aufgrund des geringen Umfangs der vom Handelsvertreter übernommenen Funktionen und Risiken im Vergleich zur Handelsspanne des Eigenhändlers und zur Kommission des Kommissionärs am geringsten.

4.366

1 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 35; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 144. 2 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 87 f.; Isensee, IStR 2001, 695 f. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWGFunktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 66.

Baumhoff/Liebchen | 537

Kap. 4 Rz. 4.367 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

II. Finanzierungsleistungen 1. Verrechnung dem Grunde nach

4.367 Voraussetzung der Verrechnung dem Grunde nach. Bevor die Angemessenheit des Verrech-

nungspreises einer Finanzierungsleistung der Höhe nach geprüft wird, ist zunächst zu beurteilen, ob überhaupt eine dem Grunde nach verrechenbare, schuldrechtliche Leistungsbeziehung zwischen den international verbundenen Unternehmen vorliegt oder ob die Finanzierungsleistung vielmehr der gesellschaftsrechtlichen Ebene zuzuordnen und somit zwischen den Konzerngesellschaften nicht verrechenbar ist.

4.368 „Patronatsurteil“ des BFH. In diesem Zusammenhang hat der BFH in seinem sog. „Patronats-

urteil“ vom 29.11.2000 entschieden, dass zu einer gesellschaftsrechtlich veranlassten Finanzierung nicht nur die Ausstattung der Tochtergesellschaft mit Eigenkapital, sondern auch die Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der Tochtergesellschaft gehört, die die Gewährung von Eigenkapital ersetzen.1 Hierzu zählen nach Auffassung des BFH insbesondere Maßnahmen einer Muttergesellschaft, die ihre Tochtergesellschaft erst kreditwürdig machen (z.B. Übernahme von Garantien zugunsten der Tochtergesellschaft) und damit erst ermöglichen, dass diese die ihr zugedachten wirtschaftlichen Funktionen ausüben und erfüllen kann. Derartigen Leistungen der Muttergesellschaft seien der gesellschaftsrechtlichen Ebene zuzuordnen und daher – im Gegensatz zur Gewährung von Krediten an eine bereits kreditwürdige Konzerngesellschaft – zwischen Mutterund Tochtergesellschaft dem Grunde nach nicht verrechenbar2. Im Anwendungsbereich von § 1 AStG macht es keinen Unterschied, ob die Tochtergesellschaft eine für ihr Funktions- und Risikoprofil hinreichende Kapitalausstattung erhält oder ob der Gesellschafter sie mit einem nur unzureichenden Eigenkapital ausstattet und zum Ausgleich dafür die Geschäftstätigkeit der Tochterkapitalgesellschaft mit unentgeltlichen Stützungsmaßnahmen ermöglicht.

4.369 Weiterentwicklung der Rechtsprechungsgrundsätze. Der BFH hat mit Urteil vom 27.8.20083 diese Rechtsprechungsgrundsätze auch für § 1 Abs. 4 AStG a.F. bestätigt. Mit Urteil vom 23.6.20104 hat der BFH schließlich diese Rechtsprechungsgrundsätze weitergehend konkretisiert. Hiernach schließen nicht jedwede unverzinslichen Gesellschafterdarlehen eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. aus. Sie sind vielmehr nur dann nicht Gegenstand einer Geschäftsbeziehung, wenn sie – nach dem maßgeblichen Gesellschaftsstatut der darlehensnehmenden Gesellschaft als Zuführung von Eigenkapital anzusehen sind5 oder – der Zuführung von Eigenkapital in einer Weise nahestehen, die eine steuerrechtliche Gleichbehandlung mit jener gebietet6 oder – aus anderen Gründen auch im Verhältnis zwischen fremden Dritten unverzinslich gewährt worden wären. Entscheidend sind hier insbesondere die Voraussetzungen dafür, dass die Darlehensgewährung wirtschaftlich einer Eigenkapitalzuführung entspricht und deshalb steuerlich gleich zu behandeln ist. Der BFH verlangt hier insbesondere, dass die Darlehensgewährung eine unzureichende Kapitalausstattung der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft ausgleicht und eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugewiesene wirtschaftliche Funktion überhaupt erfüllen kann.7 Dies erfordere unter dem Gesichtspunkt der „funktionsgerechten Kapitalausstat1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720. Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2001, 636. Vgl. BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123. Vgl. hierzu BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; v. 29. 4.2009, – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.372 Kap. 4

tung“, dass die darlehensnehmende Gesellschaft so offensichtlich unterkapitalisiert ist, dass sich die Darlehensgewährung von vornherein einem Fremdvergleich entzieht. Funktionsgerechte Kapitalausstattung. Fraglich ist, nach welchen Kriterien die „Funktionsgerechtigkeit“ der Kapitalausstattung zu beurteilen ist. Der einschlägigen Rspr. des BFH1 zur „funktionsgerechten Kapitalausstattung“ lagen vornehmlich Fälle zugrunde, in denen die Tochtergesellschaft bzw. Enkelgesellschaft bereits mit ihrer Errichtung nicht mit einer Dotation versehen wurde, die zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion ausgereicht hätte. Aus ihr lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:

4.370

– Ob die ausländische Tochtergesellschaft offensichtlich unterkapitalisiert bzw. ihre Kapitalausstattung unzureichend ist, bestimmt sich nach dem Kapitalbedarf, der zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion erforderlich ist. – Es kommt nicht darauf an, ob die Eigenkapitalausstattung bereits bei Errichtung unzureichend war oder erst im Laufe des Bestehens für die Erfüllung der zugewiesenen Funktion nicht mehr ausreicht.2 – Die Stützungsmaßnahme muss darauf gerichtet und geeignet sein, eine „funktionsgerechte Kapitalausstattung“ zu ersetzen oder herbeizuführen. – Ohne die kapitalersetzende Stützungsmaßnahme hätte die Funktion der Tochtergesellschaft nicht erfüllt werden können. Vor diesem Hintergrund können allgemeingültige Relationen etwa zwischen der Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaft und dem zugeführten Fremdkapital nicht bestehen. Es ist jeweils für den konkreten Einzelfall zu bestimmen, ob ein auf die Funktionsausübung zurückgehender Kapitalbedarf in einem so offenkundigen Missverhältnis zu ihrer Eigenkapitalausstattung der Tochtergesellschaft steht, dass erst mittels der Stützungsmaßnahme durch die Muttergesellschaft die zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Funktion erforderliche Kapitalausstattung herbeigeführt werden kann. BFH-Urteil vom 25.6.2014: Aufteilung. Mit Urteil vom 25.6.2014 hat der BFH wiederum zu § 1 Abs. 4 AStG a.F. diese Rechtsprechungsgrundsätze bestätigt und zudem klargestellt, dass eine Zerlegung des einheitlichen Rechtsgeschäfts der Darlehensgewährung in Betracht komme und dass nur bezogen auf den Teil, der die funktionsadäquate Kapitalausstattung sicherstellt, keine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. vorläge.3 Dieser Aufteilung wird auch insofern Bedeutung beigemessen, als bis zur gesetzlichen Definition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ im Rahmen des Zollkodex-Anpassungsgesetzes (Rz. 4.72) die „Geschäftsbeziehung“ von der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ abzugrenzen ist.4

4.371

Nichtanwendungserlass vom 17.10.2002/BMF-Schreiben vom 12.1.2010. Den ursprünglichen Nichtanwendungserlass5 gegen das „Patronatsurteil“ hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 12.1.20106 aufgehoben. Ferner hat sie ihre Auffassung zu den Anforderungen an eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. konkretisiert. Hiernach sind die Rechtsprechungs-

4.372

1 Vgl. BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123; v. 29. 4.2009, – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648. Siehe ferner BFH v. 29.4.2009 – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648; FG Münster v. 24.8.2006 – 6 K 2655/03 E, rkr., EFG 2007, 92; FG München v. 17.7.2009 – 2 K 2798/06, rkr., EFG 2010, 22. 2 Vgl. FG Münster v. 24.8.2006 – 6 K 2655/03 E, rkr., EFG 2007, 92. 3 Vgl. BFH v. 25.6.2014 – I R 88/12, BFH/NV 2015, 57; siehe hierzu auch Rasch, ISR 2015, 10 ff. Zur Aufteilung des einheitlichen Rechtsgeschäfts siehe ausführlich die vorinstanzliche Entscheidung des FG Schleswig-Holstein v. 29.11.2012 – 1 K 118/07, EFG 2013, 279; siehe hierzu Puls, IStR 2013, 706 f. 4 Vgl. Puls, IStR 2013, 706 f.; Rasch, ISR 2015, 12. 5 Vgl. BMF v. 17.10.2002 – IV B 4 - S 1341 - 14/02, BStBl. I 2002, 1025. 6 Vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/100009, BStBl. I 2010, 34.

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Kap. 4 Rz. 4.372 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen grundsätze „auf alle offenen Fälle anzuwenden, in denen eine inländische Konzernobergesellschaft ihrer ausländischen Tochtergesellschaft eigenkapitalersetzende Stützungsmaßnahmen gewährt, z.B. eine sog. harte Patronatserklärung.“ Zwar ist die generelle Anwendung auf diese Stützungsmaßnahmen gegenüber ausländischen Tochtergesellschaften – statt der Beschränkung auf ausländische Finanzierungsgesellschaften – folgerichtig. Angesichts der vom BFH1 vorgenommenen analogen Anwendung auch auf Enkelgesellschaften ist die unterbliebene Einbeziehung sämtlicher nachgeordneter Gesellschaften jedoch kritisch zu sehen.2 Für die gleich gelagerte Frage der Qualifikation zinsloser oder verbilligter Darlehensausreichung an die ausländische Tochtergesellschaft als Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. formuliert das BMF überdies zu enge und systematisch nicht überzeugende Anforderungen. Hiernach soll in diesen Fällen nur dann keine Geschäftsbeziehung anzunehmen sein, wenn „die Gewährung solcher Darlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führt, weil eine (verdeckte) Zuführung von Eigenkapital vorliegt.“3 Einerseits implizieren diese Einschränkungen, dass die hier relevante Grenzziehung zwischen einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und einer „Geschäftsbeziehung“ genau dort vorgenommen werden soll, wo eine (echte) – nach dem ausländischen Gesellschaftsstatut zu beurteilende – Zuführung von Eigenkapital gegeben ist, um letztlich – jedenfalls bei Auslandssachverhalten – lückenlos entweder die Rechtsfolgen des § 1 AStG oder aber diejenigen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG zum Tragen kommen zu lassen. Diese Intention mögen Erwägungen tragen, die die Finanzverwaltung – vor Etablierung von § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG – im Hinblick auf Wertminderungen auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht hat durchsetzen können. Denn die feinsinnige Unterscheidung zwischen einer Gleichsetzung mit Eigenkapital und einer steuerlichen Behandlung als Eigenkapital führt u.E. unter dem Tatbestand des § 1 Abs. 4 AStG a.F. zum Nichtvorliegen einer Geschäftsbeziehung,4 weil es sich vom wirtschaftlichen Gehalt her um einen Gesellschafterbeitrag handelt. Allerdings ist hier mit Wassermeyer zu konzedieren, dass der Fremdvergleich in diesen Fragen an Grenzen stößt.5 Zum Anwendungsbereich von § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG hatte der BFH entschieden, dass die Behandlung wie Eigenkapital steuerwirksamen Abschreibungen auf zinslose Darlehen nicht entgegensteht.6 Andererseits ist diese Einschränkung vor dem Hintergrund des BFH-Urteils vom 23.6.20107 (Rz. 4.372) nicht zu rechtfertigen. Denn als weitere Fallgruppe hat der BFH solche Fremdkapitalzuführungen identifiziert, die Eigenkapitalzuführungen in der Weise nahestehen, dass dies eine steuerliche Gleichbehandlung mit diesen gebietet. Insofern ist eine Darlehensgewährung, die eine unzureichende Kapitalausstattung der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft ausgleicht und eine notwendige Bedingung dafür ist, dass diese Gesellschaft die ihr zugewiesene wirtschaftliche Funktion überhaupt erfüllen kann, ebenfalls keine Geschäftsbeziehung. Nach der Rspr. des BFH ist die Darlehensgewährung dann von vornherein einem Fremdvergleich entzogen, wenn die darlehensnehmende Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der „funktionsgerechten Kapitalausstattung“ offensichtlich unterkapitalisiert ist (Rz. 4.372). Fraglich ist, ob die Finanzverwaltung diese Einschränkung aufgegeben hat. Im BMF-Schreiben vom 29.3.20118 heißt es in Tz. 33: „Für Veranlagungszeiträume vor 2003 […] gilt, dass die Gewäh1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 29.4.2009 – I R 88/08, juris. Vgl. hierzu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 477. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 - S 1341/07/100009, BStBl. I 2010, 34. Vgl. hierzu BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2009, 123; v. 29.4.2009 – I R 88/08, juris.; v. 29.4. 2009 – I R 26/08, BFH/NV 2009, 1648. Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 108. Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674; hierzu ausführlich Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 709 ff. m.w.N. Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.374 Kap. 4

rung eigenkapitalersetzender zinsloser oder zinsgünstiger Darlehen durch eine inländische Konzernobergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft keine Geschäftsbeziehung i.S. des § 1 Abs. 1 AStG darstellt.“ Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG 2003. Nach der Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG im Rahmen des StVergAbG v. 16.5.20031 sind diese Grundsätze des „Patronatsurteils“ und des BMF-Schreibens v. 12.1.2010 legislativ überholt. Eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG v. 16.5.2003 ist „jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist.“ Ausweislich der Gesetzesbegründung qualifizieren verbindliche Kreditgarantien, zinslose und zinsgünstige Darlehen sowie die unentgeltliche oder teilentgeltliche Gewährung anderer Leistungen einer inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft als „Geschäftsbeziehungen“, und zwar unabhängig davon, ob sie fehlendes Eigenkapital der Tochtergesellschaft ersetzen oder die wirtschaftliche Betätigung dieser Gesellschaft stärken sollen.2

4.373

Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Vermeidung einer Geschäftsbeziehung. Nach § 1 Abs. 4 AStG i.d.F. des StVergAbG vom 16.5.2003 und der bis einschließlich dem VZ 2012 anwendbaren Begriffsdefinition des § 1 Abs. 5 AStG i.d.F. des UntStRefG vom 14.8.20073 erfasste der Begriff der Geschäftsbeziehung jede „schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist“. Zweifelsfrei führt hiernach die Überlassung von Eigenkapital im Wege einer gesellschaftsrechtlichen Einlage nicht zu einer Geschäftsbeziehung. Dagegen sollten Finanzierungsunterstützungsmaßnahmen, wie Garantien, Bürgschaften und harte Patronatserklärungen zugunsten einer ausländischen Tochtergesellschaft vom Begriff der Geschäftsbeziehung erfasst sein. Bei einer harten Patronatserkärung verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft entweder, die Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass diese ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachkommen kann, oder eine genau bestimmte Kapitalausstattung bei der Tochtergesellschaft aufrechtzuerhalten.4 Dem Grunde nach wäre die Verrechnung von Avalprovisionen deshalb zwingend. Allerdings ist die Verrechnungspflicht dem Grunde nach bei harten Patronatserklärungen und weiteren Stützungsmaßnahmen (z.B. Garantien) nicht zweifelsfrei. So wird mit Hinweis auf die beherrschende Gesellschafterstellung vorgebracht, die Muttergesellschaft verfüge über die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, das Ausfallrisiko dadurch zu minimieren, dass sie ihre Tochtergesellschaft zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen anhält.5 Insofern wird auf die Rspr. des BFH zur vGA im Falle der fehlenden Darlehensbesicherung Bezug genommen.6 Hier hatte der BFH entschieden, dass der Fremdvergleich im Rahmen der vGA lediglich das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung erfordere, den Fortbestand der übrigen Bedingungen hingegen nicht berühre,7 m.a.W. den tatsächlich verwirklichten Leistungsaustausch umzudeuten nicht geeignet ist.

4.374

Vor diesem Hintergrund wurde in der Verrechnungspreispraxis dazu übergegangen, kapitalersetzende Stützungsmaßnahmen gesellschaftsvertraglich zu regeln, wobei unklar war, ob jede formale Aufnahme einer Leistungsbeziehung im Gesellschaftsvertrag genügt, um eine Geschäftsbeziehung auszuschließen, oder ob zwischen originär gesellschaftsvertraglichen und verdeckten übrigen schuldrechtlichen Abreden unterschieden werden muss.8

1 2 3 4 5 6

BGBl. I 2003, 660. Vgl. BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, 53; vgl. hierzu auch Rödder/Schumacher, DStR 2003, 817. BGBl. I 2007, 1912. Vgl. hierzu Ditz in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 2314. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 478 f. Vgl. hierzu ausführlich Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 712 f.; Ditz in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 83 ff. 7 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 8 Siehe Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85ff.

Baumhoff/Liebchen | 541

Kap. 4 Rz. 4.375 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.375 Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG durch das AmtshilfeRLUmsG 2013. Durch das AmtshilfeR-

LUmsG vom 26.6.20131 wurde der Begriff der Geschäftsbeziehung umfassend neu definiert. Geschäftsbeziehungen sind hiernach „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftlich Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“, denen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt und „die Teil einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder der nahestehenden Person sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder anzuwenden wären, wenn sich der Geschäftsvorfall im Inland unter Beteiligung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und einer inländischen nahestehenden Person ereignet hätte“ (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG). Der Ersatz des Begriffs „schuldrechtliche Beziehung“ durch den Begriff „wirtschaftlicher Vorgang“ führte zu Zweifelsfragen der Anwendbarkeit des § 1 AStG auch auf originär gesellschaftsrechtliche Vorgänge, denen eine schuldrechtliche Vereinbarung nicht zu Grunde liegen kann.2 Hiergegen spricht allerdings bereits systematisch die Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG: „Liegt einem Geschäftsvorfall keine schuldrechtliche Vereinbarung zugrunde, ist davon auszugehen, dass voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten oder eine bestehende Rechtsposition geltend machen würden, die der Besteuerung zugrunde zu legen ist, es sei denn, der Steuerpflichtige macht im Einzelfall etwas anderes glaubhaft.“ Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung „klarstellen“, dass Geschäftsbeziehungen ohne oder ohne nachweisliche schuldrechtliche Vereinbarung so behandelt werden, als ob ihnen schuldrechtliche Vereinbarungen zugrunde lägen, wobei der Hinweis „wie im Regelfall unter voneinander unabhängigen Personen üblich“ deutlich macht, dass für den konkreten Sachverhalt auch üblicherweise zwischen fremden Dritten eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen werden müsste.3 Der Steuerpflichtige kann insofern unter Rückgriff auf Fremdvergleichsgesichtspunkte stets anderes glaubhaft machen.

4.376 „Klarstellung“ durch das ZollkodexAnpG vom 22.12.2014. Eine wesentliche Erweiterung erfährt

der Anwendungsbereich des § 1 AStG durch die enge Begriffsdefinition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ in § 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b letzter Halbs. AStG. Hiernach ist eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung „eine Vereinbarung, die unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt“. Nach der Gesetzesbegründung soll eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung hiernach z.B. bei einer Veränderung der Beteiligungshöhe oder der Beteiligungsrechte gegeben sein.4 Da wirtschaftliche Vorgänge, denen eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt, keine Geschäftsbeziehungen darstellen und deshalb nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AStG fallen, ist der Anwendungsbereich denkbar weit.5 Der Gesetzgeber setzt damit die Stärkung und Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 1 AStG im Hinblick auf die von Begriff der Geschäftsbeziehung erfassten Sachverhalte fort, die mit der Änderung der Begriffsdefinition durch das StVergabG vom 16.5.20036 („schuldrechtliche Beziehungen, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist“) begonnen wurde. Insbesondere für gesellschaftsrechtlich veranlasste Leistungen der inländischen Mutter- an ihre ausländische Tochtergesellschaft, insb. kapitalersetzende Maßnahmen (eigenkapitalersetzende Darlehen, Bürgschaften, Garantien, harte Patronatserklärungen) lässt sich deshalb eine Geschäftsbeziehung und damit die Anwendung von § 1 AStG nicht vermeiden. 2. Verrechnung der Höhe nach

4.377 Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Hat die Verrechnung von Finanzierungsleistungen

dem Grunde nach zu erfolgen, d.h., erfolgt die Gewährung von Krediten auf schuldrechtlicher und nicht auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, ist in einem nächsten Schritt die Angemessenheit entspre-

1 2 3 4 5 6

AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. Siehe hierzu etwa Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.428. Vgl. BT-Drucks. 17/10000 v. 19.6.2012, 63. Vgl. auch BT-Drucks. 18/1370 v. 3.11.2014, 53. Siehe Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85. StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.378 Kap. 4

chender Vergütungen der Höhe nach zu prüfen. Als Prüfungsmaßstab ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz des Fremdvergleichs heranzuziehen.1 Unvergleichbarkeit bankenüblicher Soll-Zinssätze. Folgt man in diesem Zusammenhang der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung, ist „Fremdpreis der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.“ Dabei sei „von den Zinssätzen auszugehen, zu denen Banken unter vergleichbaren Verhältnissen Kredite gewähren (Sollzins)“.2 Diese Verwaltungsauffassung verkennt, dass die Bankfinanzierung einerseits und die Konzernfinanzierung andererseits unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Verbundene Unternehmen handeln nicht als Banken und sind daher auch nicht gehalten, den bankspezifischen Geschäftserfolg anzustreben.3 Während Banken das Ziel verfolgen, aus der gewerblichen Geldanlage einen Gewinn zu erwirtschaften, hat die Konzernfinanzierung die Absicht, Liquidität im Konzern aufzunehmen und weiterzuleiten, damit die einzelnen Konzerngesellschaften ihre eigene unternehmerische Zielsetzung im Interesse der gesamten Gruppe verfolgen können.4 Bei Darlehensgewährungen im internationalen Unternehmensverbund steht somit nicht der Geldanlagecharakter, sondern die Investitionsentscheidung im Vordergrund.5 Die Zinskonditionen von Banken können daher nicht allein als Angemessenheitskriterien für Finanzierungskonditionen im internationalen Unternehmensverbund herangezogen, sondern allenfalls als Anhaltspunkt für die Angemessenheit des Zinses betrachtet werden.6 Insofern relativieren auch die VWG 1983 ihre in Tz. 4.2.1 getroffene Grundaussage der Verwendung von sog. Sollzinssätzen der Banken, indem für die Festsetzung von konzerninternen Zinssätzen alle „Umstände des Einzelfalls“ zu berücksichtigen seien.7 Dazu gehören neben der Kredithöhe, der Laufzeit und der Art des Kredits die Sicherheiten8 und die Kreditwürdigkeit des Schuldners, die Wechselkursrisiken und die sonstigen Umstände der Kreditgewährung, wie z.B. die Verhältnisse auf den Kapitalmärkten. Dabei gehen die VWG 1983 davon aus, dass sich der konzerninterne Zinssatz ggf. nur im Rahmen einer Zinsbandbreite ermitteln lässt.9 Insofern ist – entsprechend der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters – zu berücksichtigen, dass neben der darlehensgebenden Konzerngesellschaft der ordentliche Geschäftsleiter der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft Berück1 An dieser Stelle soll nur auf die fremdvergleichskonforme Ermittlung von konzerninternen Zinssätzen und Avalen eingegangen werden. Zur Verrechnungspreisermittlung bei weiteren Finanzierungsleistungen, wie z.B. Factoring, vgl. Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.529 ff. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.2.1. 3 Vgl. OECD-Bericht 1979, Tz. 181; Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.436. 4 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Anm. zu Tz. 4.2.1 VWG 1983. 5 Siehe auch Morlock, JbFStR 2008/2009, 792, der zutreffend aus den unterschiedlichen Zielsetzungen der Kreditvergabe die Notwendigkeit ableitet, die unter Rückgriff auf bankübliche Zinssätze gewonnenen Werte sachgerecht anzupassen. 6 Vgl. Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.436; Strunk in S/K/K, § 1 AStG Rz. 1179. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.2.2. 8 Allerdings vertritt der BFH zu Recht die Auffassung, dass sich im Anwendungsbereich der vGA die Forderung der Darlehensbesicherung im Verhältnis zu einem beherrschenden Gesellschafter nicht auf Fremdvergleichsgesichtspunkte gründen lässt, vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1997, 573. Zur fehlenden Besicherung verbundinterner Darlehen siehe Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 711 ff.; Ditz in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 82 ff.; zur Anerkennung eines tatsächlich bestehenden Rückhalts im Konzern als Sicherheitsäquivalent siehe auch BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277, Rz. 11. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.2.2 Satz 3.

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4.378

Kap. 4 Rz. 4.379 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen sichtigung finden muss.1 Vor diesem Hintergrund kann sich der konzerninterne Zinssatz keinesfalls nur einseitig am Sollzinssatz orientieren. Vielmehr ermittelt er sich innerhalb eines Zinsbandes, d.h. der Bandbreite zwischen Soll- und Habenzinssatz.

4.379 Zinsurteile des BFH. Diese Zinsbandbetrachtung entspricht der Rspr. des BFH. So sind nach Auffassung des BFH in seinen sog. „Zinsurteilen“ die banküblichen Habenzinsen als Untergrenze und die banküblichen Sollzinsen als Obergrenze für angemessene Zinsen zu beachten, wobei sich „im Zweifel“ Darlehensgläubiger und Darlehensschuldner die Spanne zwischen bankenüblichen Habenund Schuldzinsen teilen sollen.2 Dem steht auch das BFH-Urteil vom 17.10.2001 nicht entgegen, mit dem grundsätzlich der Mittelwertmethode die Rechtfertigung abgesprochen wurde. Denn der BFH konzedierte den Ansatz des Mittelwertes dann, „wenn er aus Fremdvergleichswerten abgeleitet werden kann.“3 Auf einen solchen, wenngleich pauschalen Fremdvergleich geht der Erfahrungssatz zurück, dass sich – im Zweifel – Darlehensgläubiger und -schuldner die Spanne zwischen banküblichen Haben- und Schuldzinsen teilen.4

Allerdings sei dann der Sollzinssatz der Banken als Obergrenze des Zinsbandes anzusetzen, wenn sich die darlehensgewährende Konzerngesellschaft selbst, d.h. zum Sollzinssatz der Banken, refinanzieren muss. Verfügt demgegenüber die darlehensgewährende Konzerngesellschaft über eigene Liquidität, die ohne Kreditaufnahme zur Verfügung steht, ist nach Ansicht des BFH der Habenzinssatz als Untergrenze des Zinsbandes maßgeblich. Letztlich kann damit auch der Habenzinssatz als Vergleichsmaßstab zur Ermittlung angemessener konzerninterner Zinssätze fungieren. Eine eindeutige Vorgehensweise zur Ermittlung konzerninterner Zinssätze gibt der BFH jedoch nicht vor, so dass letztlich i.S. der Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters (Rz. 4.175 ff.) ein Zinssatz zu ermitteln ist, der den Entscheidungssituationen von Gläubiger einerseits und Schuldner andererseits Rechnung trägt. Dabei ist grundsätzlich auf den sog. Währungszins abzustellen, d.h., der Zinssatz richtet sich nach der Währung, in der die Darlehen gewährt werden.5

4.380 Zinsbandbetrachtung und hypothetischer Fremdvergleich. Die vorstehenden und heute gemein-

hin üblichen6 Überlegungen zur fremdvergleichskonformen Ermittlung von Zinsentgelten bedürfen nicht zuletzt wegen der in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Grundsätze zur Ableitung von Fremdvergleichspreisen einer begrifflichen wie inhaltlichen Neuordnung. Eine Zinsbandbreite entsteht durch die Zusammenstellung marktentstandener, d.h. direkt am Markt beobachtbarer Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen. Sie geht folglich auf einen tatsächlichen Fremdvergleich zurück (Rz. 4.158 ff.). Entsprechend dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis ist bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Was den tatsächlichen Fremdvergleich anbelangt, ist die Preisvergleichsmethode die einzige Verrechnungspreismethode, die auf Marktpreisen aufsetzt. Für den unwahrscheinlichen Fall uneingeschränkt vergleichbarer Referenztransaktionen (Rz. 4.111 f.) – insofern im Einklang mit dem BFH-Urteil v. 17.1.20017 – kann der Steuerpflichtige jeden beliebigen Wert aus der Bandbreite wählen.8 Sind demgegenüber die Vergleichsdaten allenfalls eingeschränkt vergleichbar, ist die Bandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Aus dieser mittels der Methode 1 Ähnlich Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 53. 2 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/03, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, BStBl. II 2004, 307. 3 BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 4 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 353 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f. 5 Vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.2.3. 6 Vgl. hierzu Morlock, JbFStR 2008/2009, 792 f.; Buciek, JbFStR 2008/2009, 795 f. 7 Vgl. BFH v. 17.1.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 8 § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.380 Kap. 4

der Interquartile-Range oder – besser geeigneter – mathematischer Verfahren eingeengten Bandbreite kann der Steuerpflichtige zwar jeden Zinssatz ansetzen. Allerdings kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Zinssatz außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. Mit der Rspr. des BFH zum Zinsband zwischen (banküblichem) Soll- und Habenzins und dessen Aufteilung haben diese Grundsätze nichts gemein. Diese beiden Werte entspringen keinem tatsächlichen Fremdvergleich mit realen Markttransaktionen. Vielmehr ist diese Beurteilung konzeptionell im hypothetischen Fremdvergleich zu suchen. Im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs markieren die Preisobergrenze der kapitalnehmenden Tochtergesellschaft und die Preisuntergrenze der kapitalgebenden Muttergesellschaft einen Einigungsbereich. Diese Grenzpreise können zwar durch den banküblichen Habenzinssatz (Darlehensgeber) und den banküblichen Sollzinssatz (Darlehensnehmer) theoretisch verkörpert werden. Dies gilt aber nur dann, wenn sie mit der günstigsten alternativen Kapitalanlagemöglichkeit des Darlehensgebers und der günstigsten alternativen Kapitalaufnahmemöglichkeit des Darlehensnehmers korrespondieren.1 Es kommt letztlich auf die zu Entscheidungswerten verdichteten Handlungsalternativen beider Kontrahenten an, die jeweils an der Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu verproben sind (Rz. 4.175 ff.). Die Forderung des BFH, im Falle der Refinanzierung der darlehensgebenden Muttergesellschaft mindestens den Refinanzierungszinssatz als Preisuntergrenze anzusetzen, gründet genau auf diesen Überlegungen. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde mindestens den Zinssatz verlangen, zu dem er sich selbst refinanziert. In diesem Fall entsteht nur dann ein Einigungsbereich, wenn der historische Refinanzierungszinssatz hinter dem aktuellen Sollzinssatz zurückbleibt; anderenfalls markiert der Refinanzierungszinssatz u.E. den angemessenen Zinssatz. Wenn Buciek diesen Refinanzierungszinssatz noch um einen Gewinnaufschlag erhöhen will,2 gründet diese Überlegung zum einen methodisch auf der Kostenaufschlagsmethode, deren Eignung für die Ermittlung fremdvergleichskonformer Zinssätze mehr als fraglich ist. Zum anderen trägt sie nicht der Perspektive der darlehensnehmenden Tochtergesellschaft Rechnung. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einen höheren als den aktuellen bankenüblichen Sollzinssatz jedenfalls dann nicht akzeptieren, wenn der Kapitalbedarf des von ihm vertretenen Unternehmens zu ebendiesem Zinssatz über eine Bankenfinanzierung abgedeckt werden kann. Als günstigste alternative Kapitalanlagemöglichkeit des Darlehensgebers kommt grundsätzlich die Verzinsung einer risikolosen Investition am Kapitalmarkt in Betracht, ferner die Kapitalanlage zum banküblichen Habenzinssatz. Als alternative Handlungsmöglichkeit kommt aber auch die Tilgung von Altverbindlichkeiten in Betracht. Insofern verkörpert sich die Preisuntergrenze im historischen Sollzinssatz. Dies allerdings nicht unter der Erwägung, eine zulasten der Muttergesellschaft verlustbehaftete Darlehensvergabe zu verhindern, wie dies im Falle der Refinanzierung richtigerweise erfolgt. Vielmehr verkörpert die Erkenntnis, dass der Grenzpreis nach der letztlich günstigsten alternativen Handlungsmöglichkeit zu ermitteln ist, den methodischen Kern des hypothetischen Fremdvergleichs in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung. Dies wird von der Finanzverwaltung jedenfalls für den Bereich der Bewertung von Funktionsverlagerungen im Grundsatz anerkannt.3 Bilden hiernach die ermittelte Preisuntergrenze des Darlehensgebers und die Preisobergrenze des Darlehensnehmers einen Einigungsbereich, entspricht jeder Wert innerhalb dieses Einigungsbereichs grundsätzlich dem Fremdvergleich. Gleichwohl ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der Mittelwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige keinen anderen Wert glaubhaft macht. Da dieser die 1 Der Rückgriff auf Marktdaten stellt den hypothetischen Fremdvergleich gerade nicht infrage, sondern verschafft die Referenz für das ökonomisch adäquate Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf der jeweiligen Vertragsseite. Der bisweilen eingeleitete Abgesang auf den hypothetischen Fremdvergleich gründet letztlich auf einem falschen Verständnis dessen, was den tatsächlichen Fremdvergleich inhaltlich ausmacht; infrage gestellt etwa von Wellens, IStR 2010, 155. 2 Vgl. Buciek, JbFStR 2008/2009, 796. 3 Vgl. § 7 FVerlV sowie BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 96, 117, 126, 128 u. 133. Siehe ferner Tz. 9.27 u. 9.31 OECD-Leitlinien 2017.

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Kap. 4 Rz. 4.381 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Eignung aufweisen muss, „dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit“ zu entsprechen, gerät die Plausibilisierung eines anderen Wertes als des Mittelwertes zu einem letztlich unmöglichen Unterfangen (Rz. 4.194 ff.).

4.381 Urteil des FG Münster v. 7.12.2016. Das FG Münster hat mit Urteil vom 7.12.2016 eine Rechts-

auffassung vertreten, die die Verrechnungspreispraxis bei der Bestimmung fremdvergleichskonformer Zinssätze im Rahmen der Konzernfinanzierung in Frage stellt; wobei die Bestätigung durch den BFH in der Revision abzuwarten bleibt.1 Zwar hat das FG Münster im Grundsatz anerkannt, dass die klassischen Verrechnungspreismethoden für die Bestimmung fremdüblicher Konzernfinanzierungszinssätze gleichrangig nebeneinander anwendbar sind (Rz. 4.313 ff.). Was jedoch die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode betrifft, verlangt das FG Münster eine Identität der Transaktionen (Rz. 4.214) mit der Folge, dass sowohl die Voraussetzungen eines inneren Preisvergleichs (Rz. 4.216 ff.) als auch diejenigen eines äußeren Preisvergleichs (Rz. 4.219 ff.) regelmäßig nicht vorliegen werden. Die Anwendbarkeit eines inneren Preisvergleichs lehnte das FG Münster im Urteilssachverhalt mit dem Hinweis ab, dass unbesicherte Darlehen der Finanzierungsgesellschaft nicht mit den besicherten Bankdarlehen (Bürgschaft Konzernobergesellschaft) vergleichbar seien. Der äußere Preisvergleich wurde mit der Begründung für nicht anwendbar erachtet, dass Finanzierungsgesellschaften nicht mit einem externen Finanzdienstleister vergleichbar seien, ein Stand-Alone-Rating nicht möglich und „praxisfern“ sei, externe Kredit-Ratings nicht vom FG überprüfbar und Ratings für Unternehmensanleihen nicht auf Darlehen übertragbar seien. Das FG Münster zog die Möglichkeit von Anpassungsrechnungen nicht in Betracht, wohl auch, weil es davon ausging, dass der Fremdvergleichspreis für Zwecke einer vGA nach anderen Grundsätzen zu bestimmen sei als für Zwecke des § 1 AStG. Ebenso wenig setzt die Vergleichbarkeitsprüfung auf einer Funktions- und Risikoanalyse auf. Im Ergebnis vertritt das FG Münster die Auffassung, dass im Bereich der Konzernfinanzierung die Kostenaufschlagsmethode die „allein praktikable Methode“ zur Ermittlung fremdvergleichskonformer Zinssätze sei,2 wobei die Finanzierungsvergütung nach den tatsächlichen Refinanzierungskosten der Finanzierungsgesellschaft, der konzernüblichen Eigenkapitalverzinsung des durchschnittlich eingesetzten Eigenkapitals, den Selbstkosten der Finanzierungsgesellschaft und einem Gewinnaufschlag auf diese Selbstkosten (im Urteilssachverhalt: 5 %) zu bestimmen sei.

4.382 Betriebliche Veranlassung beim Darlehensgeber. Grundsätzlich entspricht nur eine verzinsliche Überlassung von Fremdkapital – eine schuldrechtliche Kapitalüberlassung unterstellt – dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen eine zinslose bzw. eine zinsbegünstigte Überlassung von Fremdkapital bei der darlehensgewährenden Konzerngesellschaft betrieblich veranlasst ist: – In Entwicklungsländern bestehen oftmals Devisentransferbeschränkungen bzw. -verbote, die für Zinszahlungen einer ausländischen Tochtergesellschaft eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund kann es geboten sein, dass die deutsche Muttergesellschaft der ausländischen Tochtergesellschaft zinsbegünstigt oder zinslos Fremdkapital zur Verfügung stellt. Tz. 4.2.6 VWG 1983 sieht für diesen Fall keine Einkünftekorrektur bei der Muttergesellschaft vor.3 – Soweit „nach Handelsbrauch“ fremde Dritte keine Zinsen verrechnen würden, können auch im Konzern zinslose bzw. zinsbegünstigte Kredite gewährt werden.4 Dies betrifft insbesondere Lieferantenkredite für Waren und Dienstleistungen innerhalb üblicher Zahlungsziele. 1 Vgl. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334 – Rev. I R 4/17. Siehe hierzu zu Recht ablehnend Stein/Schwarz/Nientimp, DB 2017, 1169; Schnorberger/Haverkamp, ISR 2017, 151; Nolden, Der Konzern 2017, 278. 2 Vgl. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, EFG 2017, 334, Rz. 83 – Rev I R 4/17. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.2.6. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.3.1.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.384 Kap. 4

– Zur eigenen Absatzförderung und somit im eigenen betrieblichen Interesse gewährt die Muttergesellschaft einer Tochter-Vertriebsgesellschaft einen zinslosen Warenkredit.1 – Die Einfuhrbestimmungen einiger Staaten sehen vor, dass Einfuhrgenehmigungen nur erteilt werden, wenn sog. Einfuhrdepots mit bestimmten Mindestlagermengen oder im Rahmen der Hinterlegung von Liquidität eingerichtet werden. Zinslose Kredite, die zur Finanzierung solcher Einfuhrdepots von der Mutter- an die ausländische Tochtergesellschaft gewährt werden, sind nicht zu beanstanden.2 Konzerninterne Avale und Preisvergleichsmethode. Sind Bürgschaften, Garantien und ähnliche Verpflichtungen, die geeignet sind, eine Eventualverbindlichkeit für den Sicherungsgeber zu begründen (z.B. harte Patronatserklärung), dem Grunde nach entgeltpflichtig, ist sodann die angemessene Provision (Aval) zu bestimmen. Weder die OECD-Leitlinien noch die VWG 1983 enthalten Anhaltspunkte für die Bestimmung angemessener Avale. Ebenso wenig pflegen konzerninterne Avalprovisionen in Datenbanken gesammelt und bereitgestellt zu werden.

4.383

Fraglich ist, ob auf die von Banken erhobenen Bürgschaftsprovisionen von 1 bis 3 % i.S. einer Obergrenze als Vergleichsmaßstab zurückgegriffen werden kann. Die Betriebsprüfungspraxis zeigt, dass die Finanzverwaltung auf diese Datenbasis abstellt.3 Entsprechendes gilt für die – soweit ersichtlich – einzige finanzgerichtliche Entscheidung in Deutschland zu dieser Frage.4 Allerdings liegen die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode nicht vor, auf die letztlich der Rückgriff auf bankübliche Avalgebühren methodisch zu stützen wäre. Dies deshalb nicht, weil die Geschäftsbedingungen des bankenüblichen Avalkreditgeschäfts mit denen konzerninterner Avalkredite nicht vergleichbar sind und Bürgschaftsübernahmen durch Kreditinstitute deshalb keine adäquaten Vergleichstransaktionen darstellen. Banken unterliegen besonderen aufsichtsrechtlichen und Solvabilitätsvorschriften, die sich in ihren Kalkulations- und Ausgestaltungsgrundsätzen für Avalkredite widerspiegeln.5 Avalkredite sind mit Eigenkapital zu unterlegen und verursachen deshalb hohe Opportunitätskosten, die eingepreist werden.6 Ferner ist die Übernahme von Bürgschaften für Banken i.d.R. ein besonderer Geschäftszweig, wobei sich eine große Anzahl von Kunden gegen Zahlung von Risikoprämien (Avalen) gewissermaßen versichert; dieser Geschäftszweig stützt nicht selten das eigene Kreditgeschäft der Banken. Ebendiesen Geschäftsbedingungen unterliegen konzerninterne Avalkredite nicht. Nach den in den VWG-Verfahren ausdifferenzierten Vergleichbarkeitsgraden sind die Transaktionen unvergleichbar, weil sich „die maßgeblichen Funktionen oder [und; d. Verf.] Risiken erheblich unterscheiden.“7 Urteil des Tax Court of Canada vom 4.12.2009. Die mangelnde Eignung banküblicher Avalgebühren und damit der Preisvergleichsmethode zur Bestimmung angemessener konzerninterner Avalgebühren bestätigt die Entscheidung des Tax Court of Canada in der Rechtssache „GE Capital Canada“. Der Tax Court of Canada hat in seinem Urteil vom 6.12.2009 die angemessene Avalprovision aus dem Zinsvorteil abgeleitet, den die Tochtergesellschaft infolge der Garantie ihrer Muttergesellschaft realisieren konnte.8 Nach einem solchen vorteils- bzw. nutzenbezogenen Ansatz bestimmt sich die Avalvergütung nach der „Verbesserung“ der Konditionen für die Fremdkapitalaufnahme des Garantienehmers, welcher sich auf Grund der Gewährung der Garantie, Bürgschaft oder der (harten) Patronatserklärung ergibt, d.h. der Vorteil des Garantienehmers spiegelt sich in 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.3.2 Buchst. a. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 4.3.2 Buchst. b. 3 Vgl. Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.552; Zech, IStR 2009, 418, allerdings mit (Gesamt-)Provisionen von 1 bis 2,5 %. 4 Vgl. FG Nds. v. 23.3.1999 – VI 357/95, DStRE 2000, 411. 5 Vgl. Crüger/Köhler, RIW 2008, 379; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 534. 6 Vgl. Scholz/Crüger, RIW 2008, 379. 7 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. b Satz 2 Alt. 2. 8 Vgl. hierzu ausführlich Ditz/Schneider, DB 2011, 780 f.

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4.384

Kap. 4 Rz. 4.385 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen der Zinssatzdifferenz wider.1 Dieser vorteils- bzw. nutzenbezogenen Ansatz wäre nach deutschem Steuerrecht methodisch im hypothetischen Fremdvergleich gem. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG anzusiedeln, wobei der gesamte Zinsvorteil letztlich den Einigungsbereich ausmacht, innerhalb dessen die zu zahlende Avalprovision liegt. Kann innerhalb dieses Einigungsbereichs kein Wert glaubhaft gemacht werden, der dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entspricht, käme gem. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG der Mittelwert des Einigungsbereichs zum Tragen, d.h., der Zinsvorteil wäre hälftig zwischen Garantiegeber und Garantienehmer aufzuteilen und dementsprechend als Avalprovision darzustellen (Rz. 4.194 ff.).

4.385 Finanzmathematischer Ansatz. In der Literatur wird ferner ein finanzmathematischer Ansatz zur

Ermittlung angemessener Avalgebühren mittels Credit Default Swaps (CDS) vorgeschlagen, der eine ökonomisch belastbare Ableitung leisten können soll.2 Durch ein CDS wird das Kreditrisiko von der zugrunde liegenden Kreditbeziehung entkoppelt und das Ausfallrisiko aus einer bestimmten Kreditposition für eine festgesetzte Frist auf einen Vertragspartner (Sicherungsgeber) gegen periodische Zahlung einer Risikoprämie für die Risikoübernahme transferiert. Insofern erfüllen CDS eine vergleichbare wirtschaftliche Funktion wie konzerninterne Garantien oder harte Patronatserklärungen und sie weisen ferner eine vergleichbare Zahlungsstruktur auf.3 Überdies wird die Vergleichbarkeit von Garantiegebühr bzw. Avalprovision und CDS-Spread darauf gestützt, dass sich die Bundesregierung, eine Reihe weiterer europäischer Staaten, die EU-Kommission sowie die Europäische Zentralbank bei der Bewertung ihrer im Zuge der Finanzkrise eingeräumten Staatsgarantien an CDS ausrichten.4

4.386 Verrechnungspreispraxis. Vor diesem Hintergrund haben sich im steuerlichen Schrifttum und in

der Betriebsprüfungspraxis jährliche Provisionssätze von 0,125 % bis 0,25 % des tatsächlich in Anspruch genommenen Kredits herausgebildet.5 Allerdings handelt es sich allenfalls um pragmatische Ansätze. Wenngleich die benannte Spanne als angemessen angesehener Avale auf eine breite und langjährige Betriebsprüfungs- und Beraterpraxis zurückgeht, fehlt diesen Werten jedoch die ökonomische Fundierung.6 Allerdings handelt es sich durchaus um realistische Ansätze. Ausgehend von einer am Markt üblichen Avalvergütung für Geschäftsbanken i.H.v. 1 % des Sicherungsvolumens, ergibt sich nach Abzug der wesentlichen konzernspezifischen Faktoren, die bei konzerninternen Sicherungsverhältnissen zu berücksichtigen sind, eine Bandbreite konzerninterner jährlicher Avalprovisionen zwischen 0,1 % und 0,4 % des Sicherungsvolumens.7

3. Cash-Pooling

4.387 Zentralisierung der Finanzierungsfunktion. Aufgrund der zunehmenden Globalisierung, Deregu-

lierung und Institutionalisierung der internationalen Finanzmärkte umfassen Finanzierungsleistungen zwischen international verbundenen Unternehmen mittlerweile weitaus mehr als die konzerninterne Darlehensgewährung oder die Einräumung von Lieferantenkrediten. Vielmehr übernehmen konzerninterne Finanzierungsstellen bzw. konzerneigene Finanzierungsgesellschaften8 bisher den Banken vorbehaltene Finanzgeschäfte selbst, um damit zum einen die konzerninternen Finanz1 2 3 4 5

Vgl. auch Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.525. Vgl. hierzu Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 ff.; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 ff. Vgl. Crüger/Köhler, RIW 2008, 380; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 535. Vgl. hierzu Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 534 f. m.w.N. Vgl. Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.527; Ditz, IStR 2009, 422; Ditz/Schneider, DB 2011, 781. 6 Zur insofern berechtigten Kritik Crüger/Köhler, RIW 2008, 379; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533. 7 Vgl. Puls, IStR 2012, 214; siehe hierzu ferner Ditz in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.527. 8 Zu den steuerlichen und außersteuerlichen Vorteilen einer Finanzierungsgesellschaft vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1096 ff.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.390 Kap. 4

funktionen zu optimieren und zum anderen neue Ertragsquellen bzw. neue Kostensenkungspotenziale zu erschließen. Cash Management. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang sog. Cash-Management-Systeme, die i.d.R. in einem sog. „Corporate Treasury“1 organisiert sind. Durch ein solches Corporate Treasury werden die Finanzierung und die Liquidität eines Konzerns zentral gesteuert.2 Dabei werden im Rahmen der konzerninternen Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten (sog. Netting) bzw. durch die Konsolidierung der Zahlungskonten der einzelnen Konzerngesellschaften mit einem Verrechnungskonto (sog. Pooling) Finanzierungs- und Transaktionskosten eingespart und durch die Bündelung der Nachfrage nach Fremdkapital bzw. der Erhöhung des Anlagevolumens günstigere Zinskonditionen auf dem Kapitalmarkt ermöglicht. Ferner führt das sog. Devisen-Management im Rahmen einer konzerninternen Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten in der gleichen Währung zu einer Verringerung der Währungsrisiken bzw. zu einer Einsparung von Kurssicherungskosten. Durch die Tätigkeit des Corporate Treasury als zentrale Finanzierungseinheit des Konzerns entstehen somit Synergievorteile, deren betriebswirtschaftlicher Nutzen für die beteiligten Konzerngesellschaften innerhalb der Gewinnabgrenzung nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs zu berücksichtigen ist.3 Dies soll an folgendem – stark vereinfachten – Beispiel illustriert werden:

4.388

Beispiel: Die drei unabhängigen Unternehmen A, B und C vereinbaren, künftig die Anlage freier liquider Mittel gemeinsam durchzuführen, um aufgrund des höheren Anlagevolumens bessere Konditionen am Kapitalmarkt zu erzielen, als dies bei einer jeweiligen Einzelanlage möglich wäre. Um die gemeinsame Geldanlage umzusetzen, beauftragen sie einen Finanzfonds, der das Gesamtkapital der Unternehmen am Kapitalmarkt renditeoptimal anlegt, die Geldanlage verwaltet und nach Fälligkeit wieder – proportional zu den Einlagen – an A, B und C ausbezahlt. Das Gesamtkapital der drei Unternehmen wird durch den Finanzfonds am Kapitalmarkt angelegt. Aufgrund des erhöhten Anlagevolumens erzielt der Finanzfonds eine um 10 % höhere Rendite, als sie sich bei einer Einzelanlage durch das jeweilige Unternehmen ergeben hätte. Nunmehr stellt sich die Frage, wie die drei Unternehmen und der Finanzfonds als – i.S. des Fremdvergleichs – voneinander unabhängige Personen abrechnen würden. Dabei kommen prinzipiell die drei folgenden Alternativen in Betracht:

4.389

1. Der Finanzfonds könnte die volle Mehrrendite i.H.v. 10 % an A, B und C weitergeben. In diesem Fall würde der Finanzfonds allerdings keine Vergütung für seine Leistungen erhalten und hätte somit selbst keinen Vorteil, sondern vielmehr lediglich Kosten aus seiner Tätigkeit. 2. Dem Finanzfonds könnte die Mehrrendite i.H.v. 10 % als Entgelt für seine Tätigkeit gewährt werden. Die drei Unternehmen würden in diesem Fall die Rendite erzielen, die sie bei einer jeweiligen Einzelanlage realisiert hätten. Diese Regelung würde allerdings von den kapitalanlegenden Unternehmen nicht akzeptiert werden, da sie aus ihrer Kooperation letztlich keinen Vorteil erzielen würden. 3. Der Finanzfonds könnte die Mehrrendite i.H.v. 10 % nur partiell an die Unternehmen weitergeben, wobei er den nicht ausgegebenen Anteil so bemessen würde, dass ein angemessenes Entgelt für seine Tätigkeit verbleibt. Damit würde zum einen der Finanzfonds für seine Tätigkeit angemessen vergütet und zum anderen würden A, B und C von ihrer Kooperation in Form einer gegenüber der jeweiligen Einzelanlage höheren Rendite profitieren.

Ansatz vergünstigter Verrechnungspreise. Unzweifelhaft führt nur die dritte Alternative zu einem ökonomisch angemessenen Ergebnis. Während der Grundsatz des Fremdvergleichs einerseits eine Verteilung der Synergieeffekte in Form der höheren Rendite auf die Unternehmen A, B und C impliziert, ist andererseits dem Finanzfonds – wie unter fremden Dritten üblich – ein Entgelt 1 Das Corporate Treasury wird i.d.R. als zivilrechtlich unselbstständige Betriebsabteilung geführt, kann aber auch in Form einer selbstständigen Konzernfinanzierungsgesellschaft organisiert sein. 2 Zur Begriffsabgrenzung des Cash-Managements vgl. Werdenich, Modernes Cash-Management2, 11 ff.; Ammelung/Kaeser, DStR 2003, 655 ff.; Waldens, PiStb 2003, 49 ff. 3 Vgl. Nieß in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 60 f.

Baumhoff/Liebchen | 549

4.390

Kap. 4 Rz. 4.391 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen für seine Geldanlagetätigkeit zu gewähren. Bezogen auf das Cash- und Devisenmanagement des Corporate Treasury eines Konzerns folgt aus dem dargestellten Beispiel, dass die erzielten Synergieeffekte dieser Abteilung an die beteiligten Konzerngesellschaften weiterzugeben sind. Jede Konzerngesellschaft trägt durch Liquidität zur Erhöhung der Nachfragemacht am Kapitalmarkt bzw. durch die Übertragung ihrer Forderungen und Verbindlichkeiten zur Senkung der Transaktions-, Finanzierungs- und Kurssicherungskosten bei, so dass diese an den daraus resultierenden Synergieeffekten zu beteiligen sind. Derartige Vorteile werden schließlich nicht durch die eigene Aktivität des Corporate Treasury geschaffen, sondern entstehen erst durch das Zusammenwirken aller beteiligten Konzerngesellschaften. Insofern sind sie – wie bei einem Pool (Rz. 4.455 ff.) – im Rahmen einer Umlage nach Abzug der dem Corporate Treasury in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten (einschließlich eines Gewinnaufschlags) auf die betroffenen Konzerngesellschaften zu verteilen. Im Weiteren besteht die Möglichkeit, die erzielten Synergieeffekte durch den Ansatz vergünstigter Verrechnungspreise an die Konzerngesellschaften weiterzugeben (z.B. geringere Sollzinsen bei Darlehensgewährung, erhöhte Habenzinsen bei Kapitalanlage oder günstigere konzerninterne Devisenkurse).

4.391 Abrechnung von Dienstleistungen. Ferner hat die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Un-

ternehmen nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes zur Folge, dass dem Corporate Treasury für seine erbrachten Dienstleistungen eine angemessene Vergütung zusteht (analog der Vergütung der Tätigkeit des Finanzfonds im obigen Beispiel). Da insoweit – aufgrund der konzernspezifischen Ausrichtung des Corporate Treasury – vergleichbare Marktpreise i.d.R. nicht existieren und damit die Anwendung der Preisvergleichsmethode auszuschließen ist, kommt i.d.R. die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) zur Quantifizierung entsprechender Verrechnungspreise in Betracht. Da das Corporate Treasury lediglich Routinefunktionen ausübt, also solche Funktionen, die ohne Weiteres auch marktbeziehbar sind, nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt und nur geringe, nämlich auf die Funktionsausübung beschränkte Risiken trägt, kann nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Methodenwahl bei solchen Routineunternehmen auch die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) herangezogen werden.1

III. Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter 1. Verrechnung dem Grunde nach a) Voraussetzung des betrieblichen Nutzens

4.392 Überblick. Neben konzerninternen Warenlieferungen, Dienst- und Finanzierungsdienstleistungen

kommt der Übertragung und der Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern zwischen international verbundenen Unternehmen eine immer größere Bedeutung zu. Immaterielle Wirtschaftsgüter leisten einen signifikanten Beitrag zur Gesamtwertschöpfung internationaler Konzerne und können – auch unter steuerlichen Gesichtspunkten – bei bestimmten Gesellschaften konzentriert werden. Im Rahmen des sog. BEPS-Aktionsplans der OECD/G20 wurden Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen international tätiger Konzerne vorgeschlagen. Die Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans betraf die Überarbeitung der Verrechnungspreisgrundsätze für immaterielle Wirtschaftsgüter mit dem Ziel, die betreffenden Einkünfte am Ort der Wertschöpfung zu erfassen. Die Abschlussberichte zu den Maßnahmen Nr. 8–10 des BEPS-Projekts vom 5.10.2015 im Zusammenhang mit der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für immaterielle Wirtschaftsgüter führten zu umfangreichen Änderungen insbes. des Kap. VI der OECD-Leitlinien, die vor allem die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen im Zusammenhang mit immateriellen Werten („intangible related returns“) für Verrechnungspreiszwecke betreffen. Dem rechtlichen Eigentümer sollen hiernach nur dann die erwarteten Erträge aus der Verwertung des betreffenden immateriellen Werts zustehen, wenn er

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.395 Kap. 4

– alle Funktionen im Zusammenhang mit der Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, Verwertung und dem Schutz des betreffenden intangible tatsächlich ausübt und kontrolliert; – alle Wirtschaftsgüter, einschließlich der Finanzierung, die zur Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, Verwertung und zum Schutz des betreffenden immateriellen Werts erforderlich sind, bereitstellt, und – alle Risiken im Zusammenhang mit der Entwicklung, Erhaltung, Verbesserung, Verwertung und dem Schutz des betreffenden immateriellen Werts trägt. In dem Umfang, in dem diese Voraussetzungen durch andere Gesellschaften des Konzerns erfüllt werden, ist dies mit der Folge zu berücksichtigen, dass ihnen für Verrechnungspreiszwecke entsprechend anteilig „intangible related returns“ zuzuordnen sind.1 Alleine das rechtliche Eigentum ohne tatsächliche Funktionsausübung und Kontrolle soll hiernach nicht zu Vergütung aus Transaktionen unter Verwendung von immateriellen Werten berechtigen;2 gleiches gilt für die bloße Finanzierung (sog. „Cash box“).3 In diesem Zusammenhang ist das Risikokontrollkonzept in Tz. 1.56 ff. OECD-Leitlinien von entscheidender Bedeutung (Rz. 4.139 ff.).4 Benefit test. Werden immaterielle Wirtschaftsgüter einem verbundenen Unternehmen zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“ ein angemessenes Entgelt in Form einer Lizenz zu verrechnen. Bevor allerdings eine Lizenz der Höhe nach ermittelt werden kann, stellt sich die – logisch vorgelagerte – Frage, ob überhaupt eine Lizenzgebühr dem Grunde nach zwischen den Konzerngesellschaften zu verrechnen ist. Überlässt ein Unternehmen einem international verbundenen Unternehmen ein immaterielles Wirtschaftsgut zur Nutzung, ist hierfür grundsätzlich nur dann ein Entgelt zu verrechnen, wenn auch fremde Dritte, d.h. unabhängige Unternehmen, ein solches vereinbart hätten. Dabei ist nach Auffassung der OECD insbesondere auf die Sichtweise des leistungsempfangenden Konzernunternehmens, d.h. des Lizenznehmers, abzustellen. Eine Lizenzverrechnung ist dem Grunde nach nur gerechtfertigt, wenn der Lizenznehmer aus der Verwertung der zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter einen Vorteil erwarten kann und demnach auch ein unabhängiges Unternehmen bereit wäre, die geforderte Lizenzgebühr zu zahlen.5 Vor diesem Hintergrund findet der – bei der Dienstleistungsverrechnung im internationalen Konzern ebenfalls angewandte6 – „benefit test“ auch und gerade bei der Prüfung der Verrechnungsfähigkeit von Lizenzgebühren Anwendung.

4.393

Ex-ante-Grundsatz. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung ist eine Lizenzgebühr verrechenbar, wenn sie für den Lizenznehmer einen betrieblichen Nutzen erwarten lässt.7 Insoweit muss – korrespondierend mit der Auffassung der OECD – der Lizenznehmer im Rahmen einer Ex-ante-Betrachtung aus der Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsgutes für sein Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil erwarten (zur Ex-ante-Betrachtung vgl. Rz. 4.259) bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut muss geeignet sein, seine Geschäftstätigkeit zu fördern.8 Darüber hinaus hat die Nutzungsüberlassung beim Lizenznehmer zu erhöhten Erlösen bzw. zu Kostenersparnissen zu führen und sie muss dort objektiv erforderlich sein.

4.394

Vorteil ohne tatsächliche Nutzung. Einen betrieblichen Nutzen erkennt die deutsche Finanzverwaltung ausdrücklich auch in den Fällen an, in denen „das empfangende Unternehmen das immaterielle Wirtschaftsgut nicht nutzt, aber einen wirtschaftlichen Nutzen daraus erzielt oder voraus-

4.395

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Tz. 6.71 u. Tz. 6.35 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 6.35 u. 6.42 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 6.59 OECD-Leitlinien 2017; Kroppen/Rasch, IWB 2015, 832. Vgl. Tz. 6.67, 1.56 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 6.82 u. 6.127 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 7.6 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.1.1. Siehe hierzu auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 7.

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Kap. 4 Rz. 4.396 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen sichtlich erzielen wird (z.B. Sperrwirkung bei Vorrats- oder Sperrpatenten).“1 Diese Aussage verdeutlicht, dass es für die Frage der Verrechenbarkeit dem Grunde nach nicht nur auf die unmittelbare tatsächliche Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes ankommen kann. Vielmehr kann auch bei einer fehlenden tatsächlichen Nutzung des überlassenen immateriellen Wirtschaftsgutes ein wirtschaftlicher Vorteil aus der Lizenzierung gezogen werden. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Abschluss eines Lizenzvertrages nur erfolgt, um an einem vereinbarten regelmäßigen Erfahrungsaustausch teilzunehmen, ohne dass die lizenzierten Rechte unmittelbar genutzt werden.

4.396 Verbot der Doppelverrechnung. Dagegen ist nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung2 die

Verrechnung von gesonderten Lizenzentgelten dem Grunde nach nicht möglich, wenn die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Lieferungen und Leistungen steht und fremde Dritte ein Gesamtentgelt vereinbart hätten. Zweck dieser Vorgehensweise ist der Ausschluss einer doppelten Verrechnung, indem z.B. die in den Liefer- und Leistungspreisen einbezogenen Kalkulationsbestandteile für die Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern im Wege einer gesonderten Lizenzvereinbarung nochmals verrechnet werden. Dies entspricht der Auffassung der OECD, wobei aus dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht allgemein abzuleiten ist, dass eine Vertriebsgesellschaft Lizenzgebühren zu zahlen habe, wenn sie für Verrechnungspreiszwecke neben dem Nutzungsrecht im Rahmen des Vertriebs der Markenprodukte keine Rechte an den Marken oder vergleichbaren immateriellen Werten hat und nicht an den Erlösen aus der Verwertung dieser Immaterialgüter teilhat.3

4.397 Produktmarkenlizenz gegenüber Konzernvertriebsgesellschaften. Die jüngere Betriebsprüfungs-

praxis zeigt hier jedoch, dass inländische Produktionsgesellschaften, die als Entrepreneure (Rz. 4.149) agieren, zunehmend mit der Forderung nach einer gesonderten Verrechnung einer Produktmarkenlizenz gegenüber Konzernvertriebsgesellschaften konfrontiert werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Lieferverrechnungspreise gegenüber der Vertriebsgesellschaft nach der „regelmäßig“ anzuwendenden Wiederverkaufspreismethode bestimmt werden.4 Nach der Methodik der Wiederverkaufspreismethode ist die Verwendung immaterieller Wirtschaftsgüter (z.B. Patente, Marken) durch den Produzenten bzw. Strategieträger mit dem Lieferverrechnungspreis vergütet. Die Forderung nach einer gesonderten Verrechnung einer Produktmarkenlizenz lässt sich deshalb nicht mit dem sog. „Verbot einer Doppelverrechnung“ vereinbaren. Sie verträgt sich überdies nicht mit der Charakterisierung der Produktionsgesellschaft als „Strategieträger“ bzw. „Entrepreneur“, die insbesondere auch darauf zurückgeht, dass die Produktionsgesellschaft die für die Lieferbeziehung wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter einsetzt.5 Aufgrund dieser Eigenschaft gebührt der Produktionsgesellschaft der konzerninterne Residualgewinn bzw. -verlust. Mit diesem Residualanspruch sind die bezogen auf die konkrete Lieferbeziehung ausgeübten Funktionen, getragenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter abgegolten. Dies folgt schließlich auch aus Tz. 3.4.10.2 der VWG-Verfahren, wonach die Unternehmenscharakterisierung bezogen auf die Lieferbeziehung „regelmäßig unverzichtbar“ ist6 und dementsprechende verrechnungspreisbezogene Konsequenzen auslöst. Nicht anderes gilt i.Ü., wenn gegenüber risikoarmen Vertriebsgesellschaften („Low-Risk-Distributor“) die Lieferverrechnungspreise nach der TNMM bestimmt werden und dem Produzenten über den Abzug einer angemessenen Nettomarge für die Funktionsausübung der Vertriebsgesellschaften der auf die Produktmarken entfallende Wertbeitrag („intangible releated return“) zugeordnet wird. Dies entspricht auch den Empfehlungen der OECD nach den umfangreichen Änderungen des Kap. VI der OECD-Leitlinien im Rahmen der Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans. Hiernach 1 2 3 4

BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.1.1. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.1.2. Vgl. Bsp. 12 zu Kap. VI, Tz. 41 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.1.3 Bsp. 1; Tz. 2.54 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. b. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.398 Kap. 4

ist bei dem Vertrieb von Markenartikeln, die der Markenrechtsinhaber produziert und an eine Vertriebsgesellschaft liefert und für die die Vertriebsgesellschaft keine darüber hinausgehenden Marketing- und Marktentwicklungsfunktionen übernimmt, der auf die Produktmarke entfallende Wertbeitrag ausschließlich dem Produzenten zuzuordnen, und zwar über den Lieferverrechnungspreis ohne gesonderte Produktmarkenlizenz.1 Ebenso geht die deutsche Finanzverwaltung davon aus, dass in den Einkaufspreisen der Waren, die durch den Verkauf der Waren an die Vertriebsgesellschaft in den Verkehr gebracht werden, die Vergütung für die Verwendung der immateriellen Werte bereits enthalten und abgegolten ist.2 Sofern eine Vertriebsgesellschaft Marktentwicklungsfunktionen übernimmt sowie vertriebs- und marketingbezogene Aufwendungen trägt, ist der Wertbeitrag zur Schaffung des Markenwerts zugunsten des Markenrechtsinhabers ggf. ausgleichspflichtig, wobei der Ausgleich über die Reduzierung der Lieferverrechnungspreise erfolgen kann.3 b) Lizenzverrechnung bei firmennamensgleichen Marken Recht auf Führen des Firmennamens. Grundsätzlich ist die Einräumung eines Rechts auf Führung des Firmennamens steuerlich nicht verrechenbar.4 Die Verleihung eines Firmennamens ist die Aufgabe bzw. Pflicht des Gründers (Gesellschafters) und gehört damit zur „Grundausstattung“ der neu gegründeten Gesellschaft. Sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und kann deshalb nicht Gegenstand von zusätzlichen schuldrechtlichen Verträgen sein. Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn der Firmenname auch als Marke für die Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen genutzt wird, mithin also firmennamensgleiche Marken zur Nutzung überlassen werden. In diesem Fall sind nach dem BFH-Urteil vom 9.8.2000 Marken und Markenrechte als produkt- und dienstleistungsidentifizierte Kennzeichnungen einerseits und Firmen- bzw. Unternehmensbezeichnungen als besondere Bezeichnungen des Geschäftsbetriebs andererseits strikt voneinander zu trennen.5 Die Firma ist der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt.6 Dagegen wird die vom Firmenträger gewählte Schreibweise oder sonstige grafische Gestaltung der Firma nicht Firmenbestandteil, auf deren Eintragung er einen Anspruch hätte.7 Die Firma ist mit dem Handelsgeschäft derart verknüpft, dass sie nur zusammen mit dem Handelsgeschäft veräußert werden kann, für welches sie geführt wird.8 Ferner genießt die Firma sowohl öffentlichrechtlichen als auch privatrechtlichen Schutz.9 Im Gegensatz dazu können als Marke alle Zeichen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Eine Marke kann neben Wörtern auch grafische Gestaltungen, Farben etc. beinhalten.10 Markenschutz entsteht insbesondere durch die „Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom Patentamt geführte Register.“11 Der Markenschutz gewährt dem Inhaber der Marke das Recht, jeden Dritten von der Nutzung der Marke auszuschließen.12 Firma 1 Vgl. Tz. 6.78 und Bsp. 8, Tz. 25 zu Kap. VI der OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701 Tz. 7 („keine wirtschaftliche Bedeutung“). 3 Vgl. Tz. 6.76 ff. und Bsp. 10 zu Kap. VI, Tz. 33 OECD-Leitlinien 2017. 4 Die Finanzverwaltung lehnt die Zahlung eines Entgelts für das Recht, einen Firmennamen zu führen, unter Hinweis auf den nicht verrechenbaren sog. „Rückhalt im Konzern“ gem. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2 ab. 5 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 6 Vgl. § 17 Abs. 1 HGB. Die Anforderungen an eine ordnungsmäßige Firma sind insbesondere in §§ 18, 19 u. 30 HGB geregelt. 7 Vgl. KG Berlin v. 23.5.2000 – 1 W 247/99, BB 2000, 1957. 8 Vgl. § 23 HGB. 9 Vgl. § 37 Abs. 1 u. Abs. 2 HGB, §§ 12, 823 u. 826 BGB, § 1 UWG sowie § 15 MarkenG. 10 Vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG. 11 § 4 Nr. 1 MarkenG. 12 Vgl. § 14 Abs. 1 MarkenG.

Baumhoff/Liebchen | 553

4.398

Kap. 4 Rz. 4.399 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen und Marke haben damit zwar gemeinsam, dass beide in ein Register einzutragen sind und dem Inhaber ermöglichen, andere von der Nutzung auszuschließen. Sie unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Funktion und ihrer Inhalte. Daher sind sie unabhängig voneinander verwertbar und aufgrund dessen sowohl rechtlich als auch hinsichtlich ihrer steuerlichen Verrechenbarkeit unterschiedlich zu behandeln.1 Möchte demnach eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft ermöglichen, sowohl den Konzernnamen zu führen als auch die gleichlautende Konzernmarke zu nutzen, handelt es sich um zwei rechtlich zu trennende Vorgänge. Die Zuweisung der Firma ist auf der Ebene des gesellschaftsrechtlichen Gründungsaktes anzusiedeln. Eine Vergütung für die Zuweisung der Firma kommt nicht in Betracht. Da es sich um einen Akt der „Dotation“ handelt, kann für Bestandteile eines bekannten Konzernnamens nichts anderes gelten als für jede andere Firma.2 Die auf gesellschaftsrechtlicher und nicht auf schuldrechtlicher Basis erfolgende Dotation nach den Grundsätzen des Firmenrechts ist auch – nach wie vor – nach den OECD-Leitlinien dem Grunde nach nicht verrechenbar. Tz. 6.81 der OECD-Leitlinien stellt als allgemeinen Grundsatz ausdrücklich klar, dass für die bloße Nutzung des Konzernnamens als Zeichen der Konzernzugehörigkeit für Verrechnungspreiszwecke kein Entgelt zu berücksichtigen ist.3 Es gelten dieselben Grundsätze wie für den Rückhalt im Konzern.4

4.399 Identität von Firma und Marke. Die Gewährung von Nutzungsrechten an der Marke erfolgt demgegenüber auf schuldrechtlicher Ebene. Die Überlassung von (werthaltigen) immateriellen Wirtschaftsgütern zur Nutzung ist zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften grundsätzlich als entgeltfähiger Vorgang anzusehen, der mittels einer Fremdvergleichslizenz zu verrechnen ist. Dies gilt auch dann, wenn die Firma des Lizenznehmers der Markenbezeichnung entspricht, da der Inhaber einer Firma nicht ohne weiteres zur Nutzung einer gleichlautenden Marke berechtigt ist. Soweit eine überlassene Marke werthaltig ist, kann sie einem verbundenen Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie einem fremden Dritten überlassen werden. Eine Werthaltigkeit ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Konzernmarke entsprechend den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1–3 MarkenG entweder rechtlich wirksam eingetragen oder in den beteiligten Verkehrskreisen bzw. „notorisch“ bekannt ist.5 Sind Firmenname und Markenname identisch, so hat das Namensrecht gegenüber dem Markenrecht zumindest teilweise zurückzutreten.6 Daher ist der in der Literatur und dem – durch das BFH-Urteil vom 9.8.2000 revidierten – Urteil des FG Rh.-Pf. vom 14.12.19987 vertretenen Auffassung, wonach die Frage der Entgeltfähigkeit davon abhängig sei, ob das Schwergewicht auf der Firmenbezeichnung oder der Markenrechtsüberlassung liege, keine Bedeutung beizumessen.8 Vielmehr ist dieser Umstand allenfalls für die Bestimmung der Höhe des Lizenzentgelts relevant.9 1 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; zu diesem Urteil vgl. auch Lahodny-Karner/Furherr, SWI 2001, 301; Borstell/Wehnert, IStR 2001, 127; Engler/Gotsis in V/B/E4, O Rz. 506 ff. 2 A.A. Greil/Wargowske, IStR 2017, 12, die die „Duldung der Nutzung eines Namens durch ein anderes zum Unternehmensverbund zugehöriges Unternehmen“ als aktives Tun verstehen und aus dem Rückhalt im Konzern ausnehmen wollen. Das BMF hat eine entsprechende „Aufweichung“ des Konzernrückhalts nicht vorgenommen, vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701. 3 Vgl. Tz. 6.81 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Tz. 7.12 OECD-Leitlinien 2017. 5 Siehe zur Werthaltigkeit einer Marke auch Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 55 ff. 6 Vgl. § 23 MarkenG. 7 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 14.12.1998 – 5 K 2821/96, EFG 1999, 499. 8 So ausdrücklich BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; Baumhoff, IStR 1999, 534. 9 Hinsichtlich der wertdeterminierenden Faktoren einer Markenlizenz stellt der BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 insbesondere darauf ab, wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und Erhalt (z.B. Marketingaufwendungen) getragen hat. Zur Markenwertmessung im Allgemeinen vgl. Rohnke, DB 1992, 1941 f.; Stein/Ortmann, BB 1996, 788 f.; Havenstein/Heiden, BB 2003, 1275 f.; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 76 ff. m.w.N.

554 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.401 Kap. 4

Verrechnungspflicht. Hinsichtlich der Frage, ob ein Lizenzentgelt für eine Markenüberlassung – auch bei gleichzeitiger Identität mit dem Firmennamen – dem Grunde nach zu verrechnen ist, ist letztlich darauf abzustellen, ob die mit der Einräumung des Nutzungsrechts „verbundenen besonderen und marktfähigen Schutzrechte geeignet sind, zur Absatzförderung beizutragen“1. Es reicht somit bereits die Möglichkeit aus, mit der Benutzung einer Marke absatzwirtschaftliche Vorteile zu erzielen, unabhängig davon, ob die Benutzung der Marke „tatsächlich zu einer Absatzsteigerung und/oder zu einer Erhöhung des einschlägigen Marktanteils geführt hat.“2 Entscheidend ist somit die sog. Ex-ante-Betrachtung, wonach zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Lizenzvertrages mit markenbedingten absatzwirtschaftlichen Vorteilen gerechnet werden konnte. Nach Rspr. des BFH vom 9.8.2000 ist für das Vorliegen einer verrechenbaren Markenüberlassung insbesondere zu prüfen, „wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und dessen Erhalt (bspw. durch Weiterentwicklung, Werbung, Marketingmaßnahmen) getragen hat.“3 Hierbei schließt die Kostentragung durch den jeweiligen Lizenznehmer die Lizenzfähigkeit dem Grunde nach zwar nicht aus. Für die Lizenzierung der Höhe nach wirkt sich die Kostentragung durch die lokalen Gesellschaften in einer deutlichen Reduzierung der Lizenzgebühr aus. Unter Umständen entfällt eine Lizenzgebühr sogar gänzlich.

4.400

OECD-Empfehlungen i.d.F. der BEPS-Abschlussberichte. In diese Richtung gehen ferner die Empfehlungen der OECD-Leitlinien für Fälle, in denen die Vertriebsgesellschaft durch eigene Aufwendungen und Leistungen substantielle Beiträge zur Entstehung, Einführung und Werterhöhung einer Marke in dem betreffenden Vertriebsgebiet (z.B. Marketingmaßnahmen) leistet. Konkret empfehlen die OECD-Leitlinien, dass einerseits die übernommenen Marketingaktivitäten und die damit verbundenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgüter im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse mit denen von unverbundenen Vertriebsgesellschaften zu vergleichen sind, zum anderen ist der Beitrag der Vertriebsgesellschaft zur Schaffung und Erhöhung des Markenwerts mit dem erwarteten Nutzen der Vertriebsgesellschaft aus dem Vertrieb der Markenprodukte abzugleichen.4 So wird es als fremdvergleichskonform angesehen, dass eine Vertriebsgesellschaft für den Zeitraum der Einführung und Etablierung einer Marke keine Lizenzgebühren zahlt, wenn sie eigene Marketingaktivitäten im Rahmen der Einführung und Etablierung der Marke übernimmt, die betreffenden Marketingkosten trägt und das Ausmaß der von vergleichbaren Vertriebsunternehmen getragenen Kosten der Entwicklung einer Marketing- und Vertriebsinfrastruktur überschritten wird.5 Bei kurzfristigen Vertriebsverträgen können in diesen Fällen Ausgleichszahlungen an die Vertriebsgesellschaft für den Wertbeitrag zur Schaffung des Markenwerts erforderlich werden, wenn die Vertriebsgesellschaft keine Nutzen aus den auf eigenes Risiko übernommenen Marketing- und Vertriebsaufwendungen hat und der Nutzen ausschließlich dem Markenrechtsinhaber zufällt.6 Dagegen kann bei langfristigen Vertriebsverträgen die Anschlussnutzung einer durch die Marketingaktivitäten und die Marketingkosten der Vertriebsgesellschaft eingeführten Marke ohne Zahlung einer Lizenzgebühr dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.7 Nach Auffassung der OECD lasse sich aus dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht allgemein ableiten, dass eine Vertriebsgesellschaft Lizenzgebühren zu zahlen habe, wenn sie für Verrechnungspreiszwecke neben dem Nutzungsrecht im Rahmen des Vertriebs der Markenprodukte keine Rechte an den Marken oder vergleichbaren immateriellen Werten hat und nicht an den Erlösen aus der Verwertung dieser Immaterialgüter teilhat.8

4.401

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. Vgl. Tz. 6.78 und Bsp. 8–13 zu Kap. VI OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Bsp. 11 zu Kap. VI OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 6.76 ff. und Bsp. 11 zu Kap. VI, Tz. 36 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Anhang zu Kap. VI, Bsp. 12, Tz. 41 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Anhang zu Kap. VI, Bsp. 12, Tz. 41 OECD-Leitlinien 2017.

Baumhoff/Liebchen | 555

Kap. 4 Rz. 4.402 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.402 Urteil des FG Münster vom 14.2.2014. Mit Urteil vom 14.2.2014 hat das FG Münster zur Ent-

geltpflicht der Nutzung firmennamensgleicher Marken entschieden.1 Die Entscheidung wirft sowohl im Hinblick auf die Verrechnung dem Grunde nach als auch im Hinblick auf die Verrechnung der Höhe nach Zweifelsfragen auf. Was die Verrechnungspflicht anbelangt, hat das FG Münster die Werthaltigkeit der Marke aus der tatsächlichen Verwendung abgeleitet, ohne auf deren abstrakte Eignung, zur Absatzförderung beizutragen, Substanzielles aufzuklären und festzustellen.2 Es bleibt insofern völlig offen, welcher erwartete Vorteil mit der angenommenen Nutzung der Marke verbunden gewesen sein soll (sog. Benefit test).3 Wie vielfach auch in der Betriebsprüfungspraxis verkannt, vermag allein der markenrechtliche Schutz nicht, eine Lizenzfähigkeit dem Grunde nach zu begründen. Ohne markenrechtlichen Schutz auf dem betreffenden Absatzmarkt entspricht es in diesem Fall dem Fremdvergleichsgrundsatz, dass für die Nutzung einer solchen Marke kein Entgelt zu entrichten ist, da auch fremde Dritte die Marke unentgeltlich nutzen können. Im Gegenteil würde im Falle von Lizenzzahlungen eine Vorteilszuwendung der Tochtergesellschaft an den Inhaber des – für andere Gebiete geschützten – Markenrechts eine Vorteilszuwendung vorliegen, die ihrerseits Einkünftekorrekturen auslöst. Die Rspr. des BFH beschränkt sich deshalb auf Schutzrechte auf dem betreffenden Absatzmarkt.

Die Rspr. des BFH beschränkt sich ferner auf sog. eingeführte Marken, wobei der BFH ausdrücklich den „Ruf“ und das „Standing“ des Markenrechtsinhabers von der absatzfördernden Wirkung abgrenzt, die eine „eingeführte“ Marke zu entfalten geeignet sein kann. Eine potenzielle Werthaltigkeit macht der BFH daran fest, dass auch ein solcher Lizenznehmer geneigt sein wird, seine Situation zu verbessern, was durch eine „eingeführte Marke“ gelingen könne.4 Der Rechtsprechung ist unstreitig zu entnehmen, dass die Lizenzfähigkeit und -pflicht firmennamensgleicher Marken im Kern auf die mit der Bedeutung der Marke verbundene „starke Stellung des Markenrechtsinhabers“ zurückgeht, die dem Lizenznehmer qua Nutzung der Marke eingeräumt wird. Insofern besteht nur für die Nutzung eingeführter Marken der erwartete Vorteil des Lizenznehmers darin, dass der Absatz des Lizenznehmers durch den Einsatz der (Produkt-)Marke befördert wird. Was die Verrechnung der Höhe nach betrifft, geht das FG Münster – vermeintlich – unter Rückgriff auf die Preisvergleichsmethode davon aus, dass die für Schadensersatzansprüche zur Anwendung kommende markenrechtliche Lizenzanalogie mit einer „Bandbreite marktüblicher Lizenzsätze“ von 1 bis 5 % sachgerechte Vergleichspreise bereitstellt. Ausdrücklich wird die Anwendung der sog. Knoppe-Formel (vgl. Rz. 4.411), d.h. eines pauschalen Gewinnaufteilungsmaßstabs, abgelehnt. Zwar entspricht diese Ablehnung pauschaler Ansätze („rule of thumb“) den Empfehlungen der OECD-Leitlinien.5 Dies gilt allerdings deshalb, weil diese pauschalen Ansätze den finanziellen Vorteil für den Lizenznehmer aus der Nutzung des Markenrechts, die mit anderen Handlungsalternativen verbundenen Kosten und den Nutzen sowie die relativen Wertbeiträge des Markenrechtsinhabers und des Lizenznehmers zum Wert der Marke unter Berücksichtigung der jeweiligen Funktions- und Risikoprofile unberücksichtigt lassen.6 Der vom FG Münster zugrunde gelegte Ansatz berücksichtigt demgegenüber auch keinen dieser Bestimmungsfaktoren, insbesondere bleibt der erwartete Vorteil des Nutzenden völlig unberücksichtigt.7 Ferner erfüllen die herangezogenen Vergleichswerte auch nicht die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode, weil es sich nicht um marktentstandene Lizenzsätze für Vergleichstransaktionen handelt, die unter glei1 Vgl. FG Münster v. 14.2.2014 – 4 K 1053/11 E, EFG 2014, 921; siehe hierzu Baumhoff in FS Gosch, 9 f.; Ditz/Bärsch, IStR 2014, 492; Greil/Wargowske, ISR 2014, 324; Haverkamp, ISR 2014, 191; Renz/ Kern, IStR 2015, 132. 2 Siehe hierzu ferner Ditz/Bärsch, IStR 2014, 492. 3 Vgl. auch Baumhoff in FS Gosch, 7 und 12 f. Hierauf verweisend auch BFH v. 21.1.2016 – I R 22/14, BFH/NV 2016, 1085, unter B.I.2.d). 4 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140 unter II.4.b). 5 Vgl. Tz. 2.9 u. 6.144 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. auch Tz. 6.83 OECD-Leitlinien 2017. 7 Siehe auch Greil/Wargowske, ISR 2014, 328.

556 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.404 Kap. 4

chen oder vergleichbaren Bedingungen zustande gekommen sind. Die Rechtsprechung des BFH zur Berücksichtigung der Perspektive des Leistungsempfängers nach den Grds. des sog. doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Rz. 4.175 ff.) und den – in den Streitjahren nicht relevanten – Regelungen zum hypothetischen Fremdvergleich in § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG kommt eine Nichtberücksichtigung der vom (potenziellen) Lizenznehmer erwarteten Vorteile bei der Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr nicht in Betracht (vgl. auch Rz. 4.406). Urteil des BFH vom 21.1.2016. Der BFH hat die vorgenannte Entscheidung des FG Münster mit Urteil vom 21.1.2016 aufgehoben und die Sache lediglich in einer anderen streitigen Rechtsfrage an die Vorinstanz zurückverwiesen.1 Konkret zur angenommenen Überlassung einer firmennamengleichen Marke hat der BFH festgestellt, dass in dem vorliegenden Urteilssachverhalt lediglich die Nutzung des Konzernnamens im Raum steht (Rz. 4.398) und für die Nutzung eines davon zu trennenden Markenrechts keine Anhaltspunkte bestehen.2 Insofern hat der BFH die Zuweisung der Firma auf der Ebene des gesellschaftsrechtlichen Gründungsaktes als gesellschaftsvertragliche Vereinbarung beurteilt und eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG a.F. abgelehnt. Nichts anderes gilt nach der aktuellen Fassung des Begriffs der Geschäftsbeziehung und der Begriffsdefinition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ in § 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b letzter Halbs. AStG. Hiernach ist eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung „eine Vereinbarung, die unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt.“ Die Zuweisung der Firma als gesellschaftsrechtlicher Gründungsakt sowie die Änderung der Firma im Rahmen einer Änderung des Gesellschaftsvertrags stellen keine Geschäftsbeziehung dar, wobei bereits das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorgangs fraglich sein sollte. Der BFH hat ferner bezogen auf sein Grundsatzurteil vom 9.8.20003 angedeutet, dass er seine Rspr. auf firmennamensgleiche Warenzeichen für die im Gebiet verkauften oder zum Verkauf angebotenen Produkte, d.h. auf produktbezogene Markenrechte beschränkt sieht.4 Dies wirft im Hinblick auf Handelskonzerne die Frage auf, ob die vielfach in der Betriebsprüfungspraxis eingeforderte Dachmarkenlizenz bezogen auf ein firmennamensgleiches Markenrecht noch eine Berechtigung hat.

4.403

BMF-Schreiben zur Namensnutzung im Konzern. Mit Schreiben vom 7.4.2017 hat sich die deutsche Finanzverwaltung erstmals zur Nutzung des Konzernnamens und zur Nutzung firmennamensgleicher Marken bezogen auf die Rspr. des BFH (Rz. 4.398 ff. und Rz. 4.403) geäußert.5 Zwar geht das BMF im Grundsatz – und damit übereinstimmend mit Tz. 6.3.2. VWG 19836 und der Rspr. des BFH – davon aus, dass die „bloße“ Nutzung des Konzernnamens nicht entgeltfähig ist. Allerdings wird dieser Grundsatz dahingehend eingeschränkt, dass dies nur gelten soll, wenn sich allein aus der Namensnutzung keine wirtschaftlichen Vorteile ergeben, für die nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ein Entgelt zu verlangen und zu bezahlen wäre.7 Was die „Konkretisierung“ des Fremdvergleichsgrundsatzes betrifft, soll anhand des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG das Bestehen eines ausschließlichen Rechts zur Namensnutzung und des Unterlassungsanspruchs (Versagen der Namensnutzung) beurteilt werden. Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, soll nach der Rechtsauffassung des BMF die Erlaubnis oder die Duldung der Namensnutzung die Nutzungsüberlassung eines immateriellen Werts darstellen, für die grundsätzlich von einer Vergütungspflicht auszugehen ist.8

4.404

1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 21.1.2016 – I R 22/14, BFH/NV 2016, 1085. Vgl. BFH v. 21.1.2016 – I R 22/14, BFH/NV 2016, 1085, unter B.I.2.d). Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. Vgl. BFH v. 21.1.2016 – I R 22/14, BFH/NV 2016, 1085, unter B.I.2.d). BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2. Vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 4. Vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 4; so bereits Greil/Wargowske, IStR 2017, 12. Allerdings folgt das BMF nicht der „Umdeutung“ der Duldung oder des Unterlassens (= Konzerneffekte/Rückhalt im Konzern) in aktive Konzerneffekte, wie sie von Vertretern der Finanzverwaltung vorgenommen wird, vgl. hierzu Greil/Wargowske, IStR 2016, 272.

Baumhoff/Liebchen | 557

Kap. 4 Rz. 4.404 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Bemerkenswert sind die markenrechtlichen Erwägungen des BMF, insbesondere zu der Annahme bestehender Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche, die nach deutschem MarkenG (§ 15 Abs. 4 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 MarkenG bzw. § 15 Abs. 5 Satz 1 i.V. mit Abs. 4 Satz 1 MarkenG) bezogen auf die Verletzung des Rechts am Unternehmenskennzeichen zu beurteilen sein sollen.1 Das BMF geht hier von einer unzutreffenden Rechtslage aus, jedenfalls insoweit Ansprüche in Deutschland ansässiger Konzernobergesellschaften als Inhaber des Unternehmenskennzeichens gegenüber ausländischen Konzerngesellschaften angenommen werden. Denn der Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 MarkenG betrifft die Verletzung einer geschäftlichen Bezeichnung, die nur vorliegt, wenn der Anspruchsgegner eine geschäftliche Bezeichnung unbefugt im geschäftlichen Verkehr und im räumlichen Schutzbereich des Kennzeichens gebraucht. Dieser Unterlassungsanspruch (und damit eine entgeltpflichtige Nutzungsüberlassung) wird regelmäßig nicht gegeben sein. Im Einzelnen: 1. Eine Kennzeichenrechtsverletzung nach § 15 Abs. 2 MarkenG scheidet aus, wenn neben der Konzernobergesellschaft auch die nachgeordneten Konzerngesellschaften als Rechtsinhaber anzusehen sind. Benutzen mehrere zu einer Unternehmensgruppe gehörende Unternehmen ein einheitliches Kennzeichen, so hat das Kennzeichen nur dann für ein einzelnes dieser Unternehmen Verkehrsgeltung, wenn der Verkehr es gerade auch ihm zuordnet. In einem solchen Fall können sich sämtliche Konzernunternehmen auf die geschäftliche Bezeichnung berufen, die den Namen etwa in ihrer Firma führen, wenn der Verkehr das Unternehmenskennzeichen auch dem einzelnen Unternehmen zuordnet.2 2. Die geschäftliche Bezeichnung muss in ihrem räumlichen Schutzbereich betroffen sein. Diese Tatbestandsvoraussetzung spielt vor allem im Zusammenhang mit der Frage eine Rolle, ob die Verletzungshandlung lediglich Auslands- oder (zumindest auch) Inlandsbezug hat. Denn der Schutzbereich einer geschäftlichen Bezeichnung ist aufgrund des im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzips auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, weshalb entsprechende Ansprüche aus der geschäftlichen Bezeichnung eine das Kennzeichenrecht verletzende Benutzungshandlung im Inland voraussetzen.3 An einer solchen Benutzungshandlung im Inland fehlt es regelmäßig bei typischen Konzernsachverhalten aufgrund der territorialen Abgrenzung der Unternehmenstätigkeit der Konzerngesellschaften. 3. Für potenzielle „Verletzungshandlungen“, für die der räumliche Schutzbereich des Kennzeichens (Bundesrepublik Deutschland) nicht betroffen ist, scheidet ein Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 MarkenG ebenso aus wie ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 5 Satz 1 i.V. mit Abs. 4 Satz 1 MarkenG. Im Übrigen gelten für eine auf den Fremdvergleichsgrundsatz zurückgeführte Entgeltpflicht für die Nutzung von Unternehmenskennzeichen die allgemeinen Beweislastgrundsätze, wobei insb. die markenrechtlichen Bezüge fiktive Ansprüche betreffen, die sich in der aktuellen Rechtsordnung so nicht wiederfinden. Was die i.d.R. praxisrelevanten Fälle betrifft, in denen die Marke mit dem Konzernnamen übereinstimmt, mithin nicht die isolierte Nutzung des Konzernnamens hinsichtlich der Entgeltfähigkeit im Raum steht, will das BMF die Entgeltfähigkeit dem Grunde nach wiederum allein auf markenrechtliche Abwehransprüche stützen. Hierbei wird aus Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen des Markenrechtsinhabers nach §§ 4 und 14 MarkenG ein wirtschaftlicher Vorgang (Ge1 Siehe hierzu bereits Greil/Wargowske, IStR 2017, 12. 2 Vgl. BGH v. 31.3.2010 – I ZR 75/08, DB 2010, 2102, Rz. 21 = GRUR 2010, 1020 (1022) – Verbraucherzentrale; v. 31.7.2008 – I ZR 21/06, GRUR 2008, 1108 (1112), Rz. 46 – Haus & Grund III; v. 13.10.2004 – I ZR 66/02, GRUR 2005, 61 (62) – CompuNet/ComNet II; v. 27.6.1975 – I ZR 81/74, DB 1975, 1981 = GRUR 1975, 606 (608) – IFA; Ingerl/Rohnke, MarkenG3, § 15 Rz. 79; Kaiser in Erbs/ Kohlhaas, § 5 MarkenG Rz. 19; Weiler in Beck OK, MarkenG § 5 Rz. 96. 3 Vgl. BGH v. 8.3.2012 – I ZR 75/10, GRUR 2012, 621 (624), Rz. 34 – Oscar; v. 13.10.2004 – I ZR 163/ 02, GRUR 2005, 431 (432) – Hotel Maritime; Thalmeiner in Beck OK, § 15 MarkenG Rz. 96.

558 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.405 Kap. 4

schäftsvorfall) i.S.v. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG und eine Entgeltfähigkeit dem Grunde nach abgeleitet.1 Wegen des im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzips und der im Regelfall nicht vorliegenden verletzenden Benutzungshandlung durch ausländische Konzerngesellschaften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind zum einen die vorgenannten Ansprüche nicht gegeben. Zum anderen würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des nutzenden ausländischen Konzernunternehmens für ein ausschließlich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränktes Markenrecht keine Lizenzgebühr zahlen, wenn er in diesem Gebiet nicht unternehmerisch tätig wird. Die Entgeltfähigkeit (und -pflicht) der (Outbound-)Markenüberlassung bestimmt sich im Ausgangspunkt richtigerweise danach, ob der Markenrechtsinhaber entsprechende Abwehransprüche in dem Gebiet des Nutzenden hat, d.h. nach dem jeweiligen ausländischen Markenrecht (z.B. bei dortigen nationalen Marken, Europäischen Marken oder Internationalen Marken). Unter Verrechnungspreisgesichtspunkten ist allerdings vielmehr problematisch, dass die Perspektive des (potenziellen) Lizenznehmers hinsichtlich seines erwarteten Nutzens bzw. wirtschaftlichen Vorteils völlig unberücksichtigt bleibt. 2. Verrechnung der Höhe nach a) Entgeltdeterminierende Faktoren Bestimmungsfaktoren. Sowohl nach Auffassung der OECD2 als auch nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung3 ist die Höhe einer Lizenzgebühr am Fremdpreis auszurichten.4 Dabei sind insbesondere die folgenden Gesichtspunkte als entgeltdeterminierende Faktoren der Lizenzgebühr zu berücksichtigen:5 – die geografische Reichweite der Nutzungsrechte, – die Art des Lizenzvertrages (einfache, alleinige oder ausschließliche Lizenz), – die für die Nutzung der überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter erforderlichen Investitionen des Lizenznehmers, – die mit der Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes entstehenden Anlauf- und Markterschließungskosten, – das Recht zur Vergabe von Unterlizenzen, – das Recht des Lizenznehmers auf Nutzung der vom Lizenzgeber betriebenen Weiterentwicklungen, – die Art der Lizenz (z.B. Produktions- oder Vertriebslizenz), – das Ausmaß und die Dauer des Patentschutzes, – Übernahme der Aufgaben und Kosten im Zusammenhang mit der Erhaltung des rechtlichen Schutzes des überlassenen immateriellen Wirtschaftsgutes, – das Risiko der Substitution des Schutzrechtes durch neue Erfindungen, – die durch die Nutzung des immateriellen Wirtschaftsgutes entstehenden Risiken (wie z.B. Produkthaftungsrisiko), – ordentliche und außerordentliche Kündigungsrechte des Lizenzgebers, – Kaufoptionsrechte des Lizenznehmers und Andienungsrechte des Lizenzgebers.6 1 2 3 4 5

Vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 6. Vgl. Tz. 6.116 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.1.1. Zu einem Vergleich der OECD-Leitlinien mit den VWG 1983 vgl. Boos/Rehkugler, IStR 2002, 535 ff. Vgl. dazu Tz. 6.118 ff. OECD-Leitlinien 2017; Stumpf/Groß, Der Lizenzvertrag, Rz. C 99; Baumhoff/ Greinert, Ubg 2009, 545. 6 Zu weiteren Bewertungs- und Einflussfaktoren vgl. Engler/Gotsis in V/B/E4,O Rz. 537.

Baumhoff/Liebchen | 559

4.405

Kap. 4 Rz. 4.406 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.406 Handlungsalternativen und die Perspektiven beider Vertragsparteien. Ferner sind nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs als entgeltbestimmende Faktoren die jeweilige Entscheidungssituation von Lizenzgeber und Lizenznehmer zu berücksichtigen.1 Die OECD-Leitlinien führen hierzu als allgemeinen Grundsatz aus, dass bezogen auf beide Vertragsparteien die realistisch verfügbaren Handlungsalternativen und die Perspektiven beider Vertragsparteien einzubeziehen sind.2 Darüber hinaus wird der Lizenzgeber i.d.R. durch die gesamte Lizenzgebühr (unter Barwertgesichtspunkten) seine Kosten, wie z.B. Forschungs- und Entwicklungskosten sowie die laufenden Kosten der Lizenzvergabe, abgedeckt haben wollen. Insoweit ergibt sich eine Preisuntergrenze des Lizenzgebers. In der Praxis wird allerdings im Rahmen der Festsetzung von Lizenzgebühren weniger auf die Kostensituation des Lizenzgebers als vielmehr auf den erwarteten Nutzen des potenziellen Lizenznehmers abgestellt. Für diesen stellt der in Zukunft erwartete Nutzen in Form ersparter Kosten bzw. zusätzlicher Erlöse das maßgebliche Entscheidungskriterium dar.3 Seine Preisobergrenze liegt bei einer Lizenzgebühr, die ihm mindestens einen ebenso hohen Nutzen wie bei Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit einem alternativen Anbieter oder einer Eigenentwicklung des immateriellen Wirtschaftsgutes belässt. Liegt die Preisobergrenze des Lizenznehmers über der Preisuntergrenze des Lizenzgebers, so existiert ein Einigungsbereich, innerhalb dessen die angemessene Lizenzgebühr liegen muss. Dieser Einigungsbereich berücksichtigt die Interessen sowohl des ordentlichen Geschäftsleiters des Lizenznehmers als auch des Lizenzgebers und ist Ausdruck des Spielraums kaufmännischen Ermessens, der sich im konkreten Einzelfall aus der Art, der Funktion, der Marktsituation und der Verhandlungsposition der beteiligten Unternehmen ergibt.

Auf diesen Überlegungen basiert der hypothetische Fremdvergleich in Gestalt der Einigungsbereichsbetrachtung, so wie er in § 1 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AStG verankert ist. Nach der dort geregelten Simulation eines Preisbildungsprozesses unter Bezugnahme auf die Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Rz. 4.175 ff.) hat der Steuerpflichtige „aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu ermitteln (Einigungsbereich).“ Im Einzelnen wird hierzu auf die Darstellungen zum hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 4.164 ff.) und die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen (Rz. 4.480 ff.) verwiesen. b) Anwendung der klassischen Methoden

4.407 Preisvergleichsmethode. Die Ermittlung der angemessenen Lizenzentgelte ist zunächst dem all-

gemeinen Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich unterworfen, so wie es in § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 5 AStG geregelt ist (Rz. 4.313 ff.). Demnach sind die Lizenzsätze vorrangig mittels des tatsächlichen Fremdvergleichs auf Grundlage uneingeschränkt vergleichbarer oder eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte abzuleiten. Der tatsächliche Fremdvergleich wird durch die Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) ausgefüllt. Ihrer Anwendung sind jedoch im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren enge Grenzen gesetzt. Aufgrund der Individualität und Einzigartigkeit der immateriellen Wirtschaftsgüter ist es i.d.R. äußerst schwierig, Vergleichspreise zu finden, die unter vergleichbaren Verhältnissen am Markt zustande kamen.4 Sofern ein immaterielles Wirtschaftsgut sowohl verbundenen als auch fremden Unternehmen zur Nutzung überlassen wird, lässt sich die angemessene Lizenzgebühr i.d.R. mithilfe eines inneren Preisvergleichs bestimmen. Dies ist die einfachste und zuverlässigste Art der Ermittlung einer an1 Hierzu ausführlich Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 111 ff.; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, 208 ff. 2 So auch Tz. 6.112 f. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 112. 4 Zu einer Übersicht über branchenspezifische Lizenzsätze vgl. Böcker, StBp 1991, 79; Gross, BB 1998, 1321; Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.577; Engler/Gotsis in V/B/E4, O Rz. 574 ff., 582, 584 u. 495.

560 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.408 Kap. 4

gemessenen Lizenzgebühr. Dies entspricht auch der Auffassung der OECD-Leitlinien, die auf die Ableitung von Lizenzsätzen aus Lizenzdatenbanken und sonstigen Zusammenstellungen öffentlich verfügbarer Lizenzverträge und sonstiger Verträge hinweisen, für die die allgemeinen Ausführungen von Datenbanken in Tz. 3.30–3.34 OECD-Leitlinien und damit auch die Vorziehenswürdigkeit interner Vergleichswerte uneingeschränkt gelten.1 Ein äußerer Preisvergleich orientiert sich demgegenüber an Preisen oder Vereinbarungen, die zwischen voneinander unabhängigen Dritten festgelegt werden. Um einen äußeren Preisvergleich im Zusammenhang mit der Ermittlung angemessener Lizenzen im Einzelfall durchführen zu können, führt das deutsche Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die sog. Lizenzkartei. Diese Lizenzkartei, die in Tz. 5.2.2 VWG 19832 und Tz. 2.6 VWG-Verfahren3 ausdrücklich erwähnt wird, ist eine Datenbank, in der die von der Finanzverwaltung geprüften Lizenzvereinbarungen registriert sind. Einzellizenzsätze werden dem Betriebsprüfer auf Anfrage für bestimmte Branchen mitgeteilt. Die Verwendung von Daten aus der Lizenzkartei des BZSt für die Prüfung von Verrechnungspreisen durch die steuerliche Betriebsprüfung ist umstritten.4 Der BFH hat allerdings mit Urteil vom 17.10.20015 die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten (sog. „secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich für zulässig erachtet (Rz. 4.172). Damit bestätigt der BFH implizit die Zulässigkeit der Führung und Verwendung der für den Steuerpflichtigen nicht einsehbaren Lizenzkartei des BZSt. Allerdings können die Daten der Lizenzkartei allenfalls grobe Anhaltspunkte für eine angemessene Lizenzgebühr bieten. Einerseits wird man die Daten der Lizenzkartei nicht als eine „safe harbour“-Regelung betrachten können, andererseits muss der Steuerpflichtige in begründeten Fällen die Möglichkeit haben, den Lizenzgebührenrahmen der Lizenzkartei zu verlassen. Für eine effiziente Lizenzgebührenplanung erforderlich wäre letztlich ein Zugriff auf die Lizenzkartei durch die Steuerpflichtigen. Ein solcher Zugriff ist heute leider (noch) nicht möglich, wird jedoch auch von Vertretern der deutschen Finanzverwaltung gefordert.6 In der Verrechnungspreispraxis werden externe Vergleichswerte vornehmlich mittels der Datenbanken – ktMINE, – RoyaltyStat und – RoyaltySource ermittelt, die überwiegend Informationen zu US-Lizenzverträgen bereitstellen. Wiederverkaufspreismethode. Die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 4.224 ff.) kann für die Bestimmung angemessener Lizenzgebühren dann herangezogen werden, wenn immaterielle Wirtschaftsgüter an ein verbundenes Unternehmen lizenziert werden und der Konzernlizenznehmer seinerseits das immaterielle Wirtschaftsgut im Wege der Unterlizenz einem unabhängigen Dritten zur Nutzung überlässt. Solche Rahmenbedingungen sind typisch für Konzerne mit Lizenz- bzw. Patentverwertungsgesellschaften. Bei diesen Gesellschaften werden die Patente und das Know-how aller Unternehmen der Gruppe für Zwecke der Verwertung bzw. der zentralen Verwaltung zusammengefasst. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Wiederverkaufspreismethode ist von der Unterlizenz, die die Lizenzverwertungsgesellschaft an einen unabhängigen Dritten vergibt, eine angemessene Spanne abzuziehen, woraus sich die angemessene Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung im Konzern ergibt. Insofern berechnet sich die angemessene Lizenzgebühr nach folgendem Schema: 1 2 3 4 5 6

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Tz. 6.130 OECD-Leitlinien 2017 unter Hinweis auf Tz. 3.30 ff. OECD-Leitlinien 2010. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.2.2. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 2.6. etwa Böcker, StBp 1991, 79. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Kuckhoff/Schreiber, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1881; siehe hierzu auch Engler in V/B/E4, O Rz. 554 f.

Baumhoff/Liebchen | 561

4.408

Kap. 4 Rz. 4.409 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Lizenzgebühren an unabhängige Dritte ./. vergleichbare Gewinnmarge ./. vergleichbare Selbstkosten1 =

angemessene Lizenzgebühr

4.409 Kostenaufschlagsmethode. Die Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) kann bei der Bestimmung

angemessener Lizenzgebühren nur in Ausnahmefällen sachgerechte Ergebnisse liefern. Dies liegt daran, dass die entstandenen Kosten bei der Bestimmung von Lizenzgebühren normalerweise nicht preisdeterminierend sind, es sei denn, es kann zwischen den Kosten für die Forschung und Entwicklung der Technologie und dem Wert der Technologie am freien Markt ein direkter Zusammenhang hergestellt werden. Ein solcher Zusammenhang wird allerdings sowohl von den OECD-Leitlinien als auch der Literatur verneint.2 Insofern stellt Tz. 5.2.4 VWG 1983 zutreffend fest, dass die Kostenaufschlagsmethode nur in Ausnahmefällen zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren in Betracht kommt und allenfalls als Verprobungs- und Schätzungsinstrument dienen kann.3

c) Anwendung gewinnorientierter Methoden

4.410 Anwendung der PSM. Da sich die klassischen Methoden zur Bestimmung angemessener Lizenz-

gebühren als wenig praktikabel erwiesen haben, ist es i.d.R. erforderlich, zur Ableitung angemessener Lizenzsätze auf den hypothetischen Fremdvergleich abzustellen. Konkret kommen dabei zumeist gewinnorientierte Methoden (Rz. 4.284 ff.) zur Anwendung. Die VWG 1983 empfehlen für den Fall, dass die Preisvergleichsmethode nicht zu sachgerechten Ergebnissen führt, bei der Ermittlung der angemessenen Lizenzgebühr auf den Betriebsgewinn des Lizenznehmers abzustellen. So sei davon auszugehen, „dass eine Lizenzgebühr von dem ordentlichen Geschäftsleiter eines Lizenzunternehmens nur bis zu der Höhe gezahlt wird, bei der für ihn ein angemessener Betriebsgewinn aus dem lizenzierten Produkt verbleibt.“4 Bei dieser gewinnorientierten Betrachtung stehen somit die Renditeerwartungen des Lizenznehmers im Vordergrund. Die Kosten für die Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts aufseiten des Lizenzgebers sind ohne Einfluss auf die Höhe der angemessenen Lizenzgebühr. Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr sind somit die Gewinnerwartungen aus der Überlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter. Letztlich basiert dieses Verfahren der Verrechnungspreisbestimmung nicht mehr auf den klassischen Methoden zur Verrechnungspreisbestimmung, sondern vielmehr auf den gewinnorientierten Methoden, und zwar in Form der PSM (Rz. 4.291 ff.).

4.411 Knoppe-Formel. Zur Konkretisierung und praktischen Umsetzung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode bedient sich die Betriebsprüfungspraxis sehr häufig der sog. „KnoppeFormel“.5 Danach steht dem Lizenzgeber für die zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter ein Anteil i.H.v. 25 % bis 33 1/ 3 % des vorkalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus den Lizenzprodukten ohne Berücksichtigung der Lizenzgebühr zu.6 Diese pauschale Ermittlung der Lizenzgebühr nimmt indessen keine Rücksicht auf die konzernspezifische Funktions- und Risiko-

1 Wird unterstellt, dass die Lizenzverwertungsgesellschaft das Nutzungsrecht an den immateriellen Wirtschaftsgütern unverändert weiter überträgt, setzen sich die Selbstkosten im Wesentlichen aus den anteiligen Verwaltungs- und Vertriebskosten zusammen. 2 Vgl. Tz. 6.142, ferner 6.79 u. 6.102 OECD-Leitlinien 2017; Portner in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 95; Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 295 ff.; Greinert, Ubg 2010, 104. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.2.4. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.2.3. 5 Vgl. etwa Böcker, StBp 1991, 80; Böcker in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 169 ff. 6 Zurückgehend auf die Veröffentlichungen von Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-howVerträge, 102; Knoppe, BB 1967, 1117.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.413 Kap. 4

verteilung des Einzelfalls. Auch Renditezahlen von Unternehmen mit ähnlichen Produkten bleiben i.d.R. unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund ist die Formel letztlich willkürlich und daher wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen.1 Geht man im Übrigen auf die Ursprünge dieser Formel zurück, stellt man fest, dass Knoppe selbst keine uneingeschränkte Anwendung dieser Formel befürwortet. Vielmehr betont er, dass diese Formel einen völlig unverbindlichen und vagen Anhaltspunkt für die Angemessenheit der Lizenzgebühr im konkreten Fall biete; je nach Wert der Lizenz könne der als angemessen anzusehende Prozentsatz nicht unerheblich nach oben oder unten abweichen.2 Geht man ferner davon aus, dass die von Knoppe zugrunde gelegten Erfahrungswerte vor nahezu 40 Jahren gesammelt wurden, liegt es nahe, dass seine Feststellungen nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden können. Ungeachtet dieser konzeptionellen Angreifbarkeit wird die Knoppe-Formel – nicht zuletzt wegen ihrer Akzeptanz in der Finanzverwaltung – in der Verrechnungspreispraxis oft zur Verprobung von Lizenzsätzen für immaterielle Wirtschaftsgüter herangezogen.3 25 %-Rule. Mittlerweile bestätigen und präzisieren umfangreiche Studien den Gehalt dieser Vorgehensweise.4 Hierbei sind besonders die Arbeiten von Goldscheider hervorzuheben, der bereits vor Jahrzehnten die sog. „25 %-Rule“ zur Ermittlung angemessener Lizenzsätze auf Grundlage eigener empirischer Untersuchungen sowie Vorarbeiten anderer Experten abgeleitet hatte.5 Nach dieser Regel ist ein angemessener Lizenzsatz so zu bemessen, dass der Lizenzgeber 25 % des mit dem lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgut generierten (erwarteten) Gewinns erhält. Basierend auf einem Datensatz von 1.500 Lizenzverträgen aus 15 verschiedenen Branchen haben Goldscheider/ Jarosz/Mulhern6 diese Regel bestätigt.7

4.412

Insofern ist im Normalfall eine Orientierung bei 25 % des Gewinns sachgerecht. Die durch die Knoppe-Formel vorgegebene Bandbreite von 25 bis 33 1/3 % ist – jedenfalls für den Durchschnittsfall – zu hoch. Eine Ausrichtung an den 25 % liefert die wohl zutreffenderen Werte,8 sofern man generell die Knoppe-Formel für anwendbar hält. Jedenfalls liefern die Knoppe-Formel und die 25 %-Rule für Verprobungszwecke sachgerechte Anhaltspunkte für die Angemessenheit von Lizenzgebühren. BEPS. Im Rahmen des BEPS-Projekts der OECD/G20 wurde unter anderem überprüft, inwieweit die bisherigen Verrechnungspreismethoden im Zusammenhang mit globalen Wertschöpfungsketten noch zu sachgerechten Ergebnissen führen. Die BEPS-Maßnahme Nr. 10 betraf vor diesem Hintergrund insbesondere den Anwendungsbereich der PSM. Mit den Abschlussberichten vom 5.10.2015 wurde das Mandat zur Überarbeitung der Grundsätze zur Anwendung der PSM erteilt, die 2016–2017 abgeschlossen sein soll und die sich inhaltlich insbesondere auf die Grundsätze zur Methodenwahl nach dem Konzept der „am besten geeigneten“ Verrechnungspreismethode, die Anwendung der PSM bei hoch integrierten Geschäftsbeziehungen, bei einzigartigen wertvollen Beiträgen und bei Synergievorteilen sowie auf die Aufteilungsfaktoren und die Nutzung der PSM zur Bestätigung von Ergebnissen nach der TNMM und zur Bestimmung z.B. von Lizenzraten beziehen soll.9 Vor diesem Hintergrund wird die PSM zukünftig auch für die Bestimmung angemessener Lizenzraten an Bedeutung gewinnen. Ein erster Diskussionsentwurf wurde am 4.7. 1 Ebenfalls kritisch Menck, JbFStR 1983/84, 138; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 733. 2 Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz- und Know-how-Verträge, 102. 3 Zur Eignung der Knoppe-Formel in der Praxis vgl. Zech, IStR 2009, 419; Ditz, IStR 2009, 423; Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.585; Greil/Wargowske, ISR 2014, 327 f. 4 Vgl. hierzu Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 547; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 158 f.; Ditz, IStR 2011, 130. 5 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulhern in Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 31; Granstrand, Les Nouvelles 2006, 179. 6 Goldscheider/Jarosz/Mulhern, Les Nouvelles 2002, 133. 7 Im Einzelnen hierzu Baumhoff/Greinert, Ubg 2010, 547 f. 8 Kritisch Zech, IStR 2011, 137, der als Vertreter der Finanzverwaltung davon ausgeht, dass der Rahmen der Knoppe-Formel bis zu 33 1/ 3 % des Gewinns reicht und insofern dieser Rahmen – wohl zulasten des Steuerpflichtigen – jedenfalls zunächst ausgeschöpft werden müsse. 9 Vgl. Abschlussberichte zu den Maßnahmen 8–10 des BEPS-Projekts v. 5.10.2015, 59 ff.

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4.413

Kap. 4 Rz. 4.414 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 2016 veröffentlicht,1 ein überarbeiteter Diskussionsentwurf am 22.6.2017.2 Diese enthalten allerdings zur Bestimmung angemessener Lizenzraten mittels der PSM keine Anhaltspunkte. Die Überarbeitung der Grundsätze zur Anwendung der PSM ist aktuell noch nicht abgeschlossen. Den Empfehlungen der OECD-Leitlinien 2017 zur Anwendung der PSM ist deshalb ein entsprechender Hinweis vorangestellt.

IV. Dienstleistungen 1. Erscheinungsformen von Dienstleistungen

4.414 Weltweite „Transfer-Pricing“-Umfrage. Verrechnungspreise für konzerninterne Dienstleistungen

stehen im Fokus der nationalen Fisci. Im Rahmen einer weltweiten „Transfer-Pricing“-Umfrage wurden 877 multinational operierende Unternehmen aus 25 Staaten3 zu ihren Erfahrungen und Prognosen für die steuerliche Behandlung von gruppeninternen grenzüberschreitenden Transaktionen befragt. Hiernach stellen mit Abstand konzerninterne Dienstleistungen den Prüfungsschwerpunkt der jeweiligen Betriebsprüfungen dar. Nach dieser Studie aus dem Jahr 2010 wurde in 66 % aller Prüfungsfälle die Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen untersucht, wobei der Anteil gegenüber dem Jahr 2007 um 20 % angestiegen war.4 Aus Sicht der international agierenden Konzerne werden von allen Transaktionsarten zwei Dienstleistungskategorien als besonders anfällig für eine Überprüfung durch die jeweilige Finanzverwaltung eingeschätzt, nämlich die administrativen und kaufmännischen Dienstleitungen einerseits und die technischen Dienstleistungen andererseits. Auch weitere Studien belegen die hohe Aufgriffsanfälligkeit.5

Dieses hohe Prüfungsrisiko liegt im Wesentlichen darin begründet, dass in einer Vielzahl der Fälle konzerninterner Dienstleistungstransfers kein tatsächlicher Fremdvergleich möglich ist. Dies hat zur Folge, dass – von einigen Ausnahmefällen abgesehen – sowohl die Preisvergleichs- als auch die Wiederverkaufspreismethode zur Ermittlung angemessener Verrechnungspreise für Dienstleistungen ausscheiden. So verwundert es nicht, dass nach der o.g. Umfrage die kostenorientierten Methoden (Kostenaufschlagsmethode, TNMM) mit 63 % die Ermittlung von Verrechnungspreisen im Dienstleistungsbereich dominieren, wobei die Kostenaufschlagsmethode immer noch die meistgenutzte Verrechnungspreismethode für die (Einzel-)Abrechnung von Dienstleistungen ist (Rz. 4.435 ff.).

4.415 Verschiedene Erscheinungsformen. Dienstleistungen zwischen international verbundenen Unter-

nehmen besitzen eine beachtliche Fülle von Erscheinungsformen. Art und Umfang ihrer Erbringung sind sowohl vom Geschäftszweig als auch der organisatorischen Struktur der international verbundenen Unternehmen abhängig. Bei dezentraler Organisationsstruktur erbringen die einzelnen Unternehmen die benötigten Dienstleistungen entweder selbst oder sie bedienen sich verbundexterner Leistungserbringer. Die Aufgaben der Muttergesellschaft beschränken sich insoweit auf die Überwachung ihrer Tochtergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Anteilseignerin.6 Demgegenüber werden in zentralisierten oder integrierten Konzernen7 von der Muttergesellschaft oder von einer speziellen Dienstleistungsgesellschaft Dienstleistungen von zentraler Stelle aus an die einzelnen Konzerngesellschaften erbracht. Diese umfassen insbesondere den Bereich der Ad1 Vgl. OECD, Public Discussion Draft, BEPS Actions 8–10, Revised Guidance on Profit Splits v. 4.7. 2016; OECD, Comments received on Public Discussion Draft, BEPS Actions 8–10, Revised Guidance on Profit Splits Part II v. 5.9.2016. 2 Vgl. OECD, Public Discussion Draft, BEPS Action 10, Revised Guidance on Profit Splits v. 22.6.2017. 3 Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz, Spanien, Südafrika, Südkorea, USA. 4 Vgl. Ernst & Young, 2010 Global Transfer Pricing Survey 2010, 14. 5 Vgl. Ditz/Eberenz et. al., DB 2015, 2596. 6 Vgl. Tz. 7.4 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. dazu Kleineidam, IStR 2001, 724 f. m.w.N.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.417 Kap. 4

ministration, der EDV sowie der Forschung und Entwicklung (im Rahmen der Auftragsforschung). Hauptziel einer solchen Konzernorganisation ist die Realisierung von Synergieeffekten.1 Der Dienstleistungsaustausch im internationalen Unternehmensverbund kann grundsätzlich zwischen sämtlichen Unternehmenseinheiten stattfinden, wobei es unerheblich ist, ob die Muttergesellschaft, die Tochtergesellschaft oder eine Gemeinschaftseinrichtung (Interessen-Pool) als Leistungserbringer fungiert. Leistungsempfänger können einzelne, mehrere oder alle verbundenen Unternehmen zusammen sein. Kategorisiert man konzerninterne Dienstleistungen nach ihrem Leistungsobjekt, sind administrative bzw. kaufmännische Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen2 (Rz. 4.367 ff.), industrielle und technische Dienstleistungen sowie Dienstleistungen im Bereich der Forschung und Entwicklung zu unterscheiden. Administrative und kaufmännische Dienstleistungen. Insbesondere den administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen kommt bei international verbundenen Unternehmen ein hoher Stellenwert zu, weil sie alle qualifizierten Planungs-, Informations-, Verwaltungs-, Koordinationssowie Kontrollaktivitäten eines Unternehmens umfassen. Das Spektrum von administrativen und kaufmännischen Dienstleistungen, die zwischen international verbundenen Unternehmen ausgetauscht werden können, reicht von

4.416

– allgemeiner Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, – Buchführungs- und Revisionsaufgaben, – Überwachungs- und Kontrollaufgaben (z.B. Qualitätskontrollen), – Marketing- und Marktforschungsleistungen, – Beschaffungs- und Absatzleistungen, – Dienstleistungen im Organisations- und Finanzbereich, – Dienstleistungen im Personalbereich (z.B. Personalbedarfsplanung, Einstellung und Ausbildung), – EDV-Dienstleistungen, – Produktions-, Investitions-, Absatz- und Lagerhaltungsplanung, – Planung, Koordination und Kontrolle von Rechnungs- und Berichtswesen, FuE-Aktivitäten, des Leistungsprogramms, der Werbung und der Marktuntersuchungen bis hin – zur kompletten oder bereichsbezogenen Wahrnehmung von Verwaltungs- und Managementfunktionen der Tochtergesellschaften. Industrielle, technische und F&E-Dienstleistungen. Demgegenüber betreffen technische Dienstleistungen Inputfaktoren zur Produktion von materiellen Gütern.3 Sie umfassen insbesondere die Lohnfertigung (Rz. 4.337 ff.), Ingenieurleistungen, Instandhaltungen sowie Reparatur- und Montageleistungen. Dienstleistungen im Bereich der Forschung und Entwicklung beziehen sich insbesondere auf die sog. Auftragsforschung. Diese liegt vor, wenn ein Konzernunternehmen einem verbundenen Unternehmen einen Einzelforschungsauftrag erteilt, nach welchem spezielle Aufgabenstellungen des Auftraggebers zu lösen sind, die diesem später ausschließlich und uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Forschungsauftrag kann sich dabei auf die Grundlagenforschung wie auch auf die angewandte Forschung und Entwicklung beziehen.4 1 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 285 f. 2 Kritisch zur Qualifikation von Darlehensgewährungen als Finanzdienstleistungen Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 195. 3 Zur Begriffsabgrenzung im Einzelnen vgl. Joos in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 860 f. 4 Zur Auftragsforschung vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.3; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886 – Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 216; Tz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1804 ff.; Engler/Karchur in V/B/E4, O Rz. 123 ff.

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4.417

Kap. 4 Rz. 4.418 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.418 Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (Low Value-Adding Services). Eine nicht nach

konkreten Leistungsgegenständen abgrenzbare Dienstleistungskategorie der verrechenbaren, d.h. auf schuldrechtlichen Leistungsaustauschbeziehungen basierenden Dienstleistungen stellen die Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (Low Value-Adding Services – LVAS) dar. Hierbei handelt es sich um Dienstleitungen, die ein oder mehrere Unternehmen an andere Unternehmen desselben Unternehmensverbunds erbringen und die – lediglich unterstützender Natur sind, – nicht zum Kerngeschäft des Unternehmensverbundes gehören, – nicht den Einsatz einzigartiger und wertvoller immaterieller Wirtschaftsgüter erfordern oder zur Schaffung solcher Wirtschaftsgüter führen, und – die nicht die Übernahme oder Kontrolle substanzieller und signifikanter Risiken einbeziehen oder zur Entstehung solcher Risiken führen.1

Die Abgrenzung konzerninterner Dienstleistungen mit einer geringen Wertschöpfung von konzerninternen Dienstleistungen mit einer nicht nur geringen Wertschöpfung ist erforderlich, weil die OECD im Rahmen der Maßnahme 10 des BEPS-Programms eine vereinfachte Ermittlung fremdvergleichskonformer Dienstleistungsvergütungen eingeführt hat, die auf der modifizierten Kostenaufschlagsmethode basiert und insbesondere einen lediglich geringen Gewinnaufschlag zwischen 2 % und 5 % vorsieht.2 Ein vergleichbarer Ansatz wurde für die EU vom EU-JTPF entwickelt.3 Ungeachtet des Vorliegens von Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung soll der vereinfachte Ansatz dann nicht zum Tragen kommen, wenn die betreffenden Dienstleistungen auch an unverbundene Dienstleistungsempfänger erbracht werden. In diesem Fall geht die OECD davon aus, dass im Rahmen eines internen Preisvergleichs verlässliche Vergleichswerte zur Bestimmung einer fremdvergleichskonformen Dienstleistungsvergütung festgestellt werden können. Folgende Dienstleistungen sind keine Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (für den vereinfachten Ansatz), die der Anwendung des vereinfachten Ansatzes zugänglich sind: – Dienstleistungen, die die Haupttätigkeit des Unternehmensverbunds betreffen, – FuE-Dienstleistungen (z.B. Auftragsforschung oder -entwicklung),4 – Fertigungs- und Produktionsdienstleistungen (z.B. Lohnfertigung, vgl. Rz. 4.338 ff.), – Verkaufs-, Marketing- und Vertriebsdienstleistungen (z.B. Dienstleistungen eines Kommissionärs oder Handelsvertreters, vgl. Rz. 4.357 f.), – Dienstleistungen im Zusammenhang mit Finanztransaktionen, – die Gewinnung, Förderung oder die Be- und Verarbeitung von Bodenschätzen, – Versicherungs- und Rückversicherungsdienstleistungen, – Dienstleistungen von Führungskräften.5 Beispielhaft nennen die OECD-Leitlinien folgende Konzerndienstleistungen mit geringer Wertschöpfung: – Rechnungslegungs- und Prüfungsdienstleistungen, – Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung, 1 Vgl. Tz. 7.45 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 7.61 OECD-Leitlinien 2017, siehe hierzu z.B. Elbert/Münch, IStR 2015, 341 ff.; Ackermann/ Greil, IWB 2015, 3 f.; Hüning/Hewera/Geyik, IWB 2016, 298 ff. 3 EU-JTPF, Leitlinien zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, abgedr. in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise5, 485 ff. 4 Vgl. hierzu Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1798 ff. 5 Vgl. Tz. 7.47 OECD-Leitlinien 2017.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.420 Kap. 4

– Personaldienstleistungen, – Dienstleitungen im Zusammenhang mit der Überwachung und Zusammenstellung von Daten entsprechend den regulatorischen Anforderungen an das Unternehmen, – Dienstleistungen im Bereich der Informationstechnologie, – Unterstützungsdienstleistungen in den Bereichen interne und externe Unternehmenskommunikation und Public Relations, – rechtliche und steuerliche Beratungsdienstleistungen, – allgemeine administrative Dienstleistungen unterstützender Art.1 2. Verrechnung dem Grunde nach a) Abgrenzungskriterium der betrieblichen Veranlassung Gesellschaftsrechtliche vs. schuldrechtliche Veranlassung. Erbringt eine Muttergesellschaft gegenüber ihren Tochtergesellschaften Dienstleistungen, ist zunächst zu prüfen, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Basis erbracht werden. Eine Verrechnung von Dienstleistungen dem Grunde nach ist insoweit erforderlich, als ein echter Dienstleistungsaustausch auf schuldrechtlicher Basis vorliegt, der zumindest mittelbar geeignet ist, die betrieblichen Interessen des dienstleistungsempfangenden Konzernunternehmens zu fördern. Demgegenüber scheidet die Verrechnung eines Entgelts aus, wenn die Leistung ihre Rechtsgrundlage in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der beteiligten Unternehmen findet und somit die Interessen des leistenden Konzernunternehmens (Muttergesellschaft) im Vordergrund der Leistungserbringung stehen.2

4.419

Mit der Frage der Verrechenbarkeit von Dienstleistungen geht die Frage nach der steuerlichen Abzugsfähigkeit der durch die Dienstleistung verursachten Aufwendungen bei dem leistungsempfangenden Konzernunternehmen einher. Der Prüfung der Verrechenbarkeit der Dienstleistung aus Sicht der leistenden Konzerngesellschaft und der Abzugsfähigkeit der entsprechenden Aufwendungen als Betriebsausgaben aus Sicht der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft sind dabei einheitliche Kriterien zugrunde zu legen. Mithin ist diese Fragestellung unter Fremdvergleichsgesichtspunkten („dealing at arm’s length“) danach zu beurteilen, ob die Dienstleistung unter vergleichbaren Verhältnissen auch unter fremden Dritten vereinbart und vergütet worden wäre3 bzw. ob ein ordentlicher Geschäftsleiter die Leistungserbringung als Eigenleistung veranlasst oder die Leistung gegen Entgelt angenommen hätte. Betriebliche Veranlassung. Der Grundsatz des Fremdvergleichs konkretisiert sich in diesem Zusammenhang – nach deutschem Steuerrecht – in der Frage, ob eine betriebliche Veranlassung i.S. des § 4 Abs. 4 EStG gegeben ist.4 Liegt eine solche vor, sind die beim Leistungsempfänger für die Inanspruchnahme der Dienstleistung entstehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben steuerlich abzugsfähig.5 Angesichts des systematisch – jedenfalls innerhalb einer Rechtsordnung – zwingenden Gleichlaufs6 der Abgrenzungskriterien beim leistungsempfangenden wie beim leistungserbrin1 Vgl. Tz. 7.49 OECD-Leitlinien 2017. Die detalliertere Aufstellung des EU-JTPF geht deutlich über den Anwendungsbereich der OECD hinaus, vgl. EU-JTPF, Leitlinien zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, Anhang 1 abgedr. in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise5, 485 ff. (503 ff.). 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.1. 3 Vgl. Tz. 7.6, 7.14 u. 7.29 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218 Tz. 6.2.1; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. VII Tz. 7.6 Anm. 36; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.212. 4 Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.4.1. 5 Zum Verhältnis des Betriebsausgabenbegriffs i.S. des § 4 Abs. 4 EStG zu den Einkünftekorrekturnormen der vGA, der verdeckten Einlage und des § 1 AStG vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 461. 6 Vgl. etwa auch § 160 Abs. 1 AO.

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4.420

Kap. 4 Rz. 4.421 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen genden Unternehmen ist die betriebliche Veranlassung als das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Dienstleistungsverrechnung dem Grunde nach anzusehen.1 Infolgedessen ist die zu beurteilende Dienstleistung aus Sicht des leistenden Konzernunternehmens zu verrechnen und hier als Einnahme/Ertrag zu erfassen. Denn wenn eine Leistung beim Leistungsempfänger betrieblich veranlasst ist, ist sie aus der Sicht des Leistenden verrechnungsfähig und nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs auch verrechnungspflichtig. Ist die Leistung hingegen beim Leistungsempfänger nicht betrieblich veranlasst, muss deren betriebliche Veranlassung entweder beim Leistenden selbst oder bei seinem Auftraggeber gegeben sein, so dass der entsprechende Aufwand bei diesen abzugsfähig ist. Aufwendungen gelten bei einem verbundenen Unternehmen als betrieblich veranlasst, wenn sie in einem objektiven Zusammenhang mit dessen Betrieb stehen.2 Bei einer Vielzahl von Leistungen ist allerdings ein direkter, objektiver Zusammenhang mit dem Betrieb des Leistungsempfängers nicht erkennbar, so dass es an einer unmittelbaren betrieblichen Veranlassung fehlt. Folglich ist eine zweifelsfreie Zuordnung von Aufwendungen bestimmter Leistungen zur gesellschafts- oder schuldrechtlichen Sphäre nicht immer möglich. Die betriebliche Veranlassung kann jedoch nicht nur i.S. einer kausalen Notwendigkeit verstanden werden. Daher gelten nicht nur solche Aufwendungen als betrieblich veranlasst, die unmittelbar, d.h. objektiv für jeden erkennbar, durch den Betrieb verursacht wurden, sondern auch solche, die nur mittelbar mit dem Betrieb zusammenhängen. In solchen Fällen kommt es entscheidend auf die subjektiven Erwägungen des Steuerpflichtigen an,3 d.h., der Steuerpflichtige muss mit den entsprechenden Aufwendungen den Betrieb subjektiv fördern wollen. Im Ergebnis wird damit die Qualifizierung von Aufwendungen als Betriebsausgabe bei nur mittelbarer betrieblicher Veranlassung allein durch die subjektive Zweckbestimmung des ordentlichen Geschäftsleiters (Rz. 4.164 ff.) bestimmt. Er beurteilt letztlich im Rahmen seines Entscheidungsspielraums die betriebliche Veranlassung bestimmter Aufwendungen, wobei diese Aufwendungen nicht unmittelbar der betrieblichen Nutzenerzielung dienen müssen. Vielmehr reicht bereits die Möglichkeit aus, dass die Aufwendungen zukünftig, wenn auch nur mittelbar, dem Unternehmen einen diesen Aufwendungen entsprechenden wirtschaftlichen Vorteil bringen können bzw. dazu geeignet sind, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zu fördern.

4.421 Indizien der betrieblichen Veranlassung. Angesichts der offensichtlich bestehenden Unschärfen

in Verständnis und Anwendung des Veranlassungszusammenhangs4 stellt die Finanzverwaltung indizielle Hilfskriterien zur Konkretisierung der betrieblichen Veranlassung als Kriterium der Verrechenbarkeit von Dienstleistungen im Konzern zur Verfügung.5 Hiernach ist eine Dienstleistung verrechenbar (und entgeltpflichtig), wenn sie – eindeutig abgrenzbar und messbar ist, – im Interesse des leistungsempfangenden Unternehmens erbracht wird, wovon auszugehen ist, wenn sie einen Vorteil erwarten lässt und eigene Kosten erspart, und – auch von einem unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen in Anspruch genommen würde.

1 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS. 1983 Anm. zu Tz. 1.4.1, 6.1 u. 6.3 VWG; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. VII Tz. 7.6 Anm. 33; Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 57; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.212; Kurzewitz, Die Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 204 f. 2 Vgl. BFH v. 21.11.1983 – GrS 2/82, BStBl. II 1984, 160; Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Anm. 792. 3 Vgl. Stapperfend in H/H/R, § 4 EStG Anm. 806 ff. 4 Vgl. hierzu etwa Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, 61 ff. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.2.2.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.423 Kap. 4

Eine ähnliche Konkretisierung der betrieblichen Veranlassung als Maßstab der Dienstleistungsverrechnung dem Grunde nach nimmt die OECD im Rahmen des sog. „benefit test“ vor. Nach diesem sind Dienstleistungen grundsätzlich verrechenbar, wenn beim leistungsempfangenden Unternehmen ein Nutzen oder Vorteil entstanden ist bzw. wenn dieser zum Zeitpunkt der Dienstleistungserbringung zu erwarten war.1 Darüber hinaus wird darauf abgestellt, ob ein unabhängiges Unternehmen für die betreffenden Dienstleistungen ein Entgelt entrichtet oder die Dienstleistung selbst durchgeführt hätte.2 Die Abgrenzungskriterien des Nutzens, Vorteils bzw. Interesses3 sind schließlich nur dann als solche geeignet, wenn entsprechend dem allgemein anerkannten Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung4 auf den erwarteten Vorteil und nicht auf den tatsächlich realisierten Vorteil abgestellt wird.5 Hiervon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistungen eine Förderung der Geschäftstätigkeit des leistungsempfangenden Konzernunternehmens vernünftigerweise erwartet werden kann. Die Dienstleistung ist in diesem Fall auch dann verrechenbar, wenn sich der mögliche und erwartete Vorteil später nicht einstellt bzw. sich aus der Dienstleistung sogar ein Nachteil ergibt. b) Verrechenbare und nicht verrechenbare Dienstleistungen Gesellschafteraufwand/Stewardship-Expenses. Verwendet man die betriebliche Veranlassung als das Hauptkriterium für die Verrechenbarkeit von Leistungen, sind letztlich alle Maßnahmen, die eine Muttergesellschaft trifft, um ihre Rechte als Gesellschafterin gegenüber ihrer Tochtergesellschaft wahrzunehmen bzw. um deren Tätigkeit zu überwachen, unzweifelhaft bei der Muttergesellschaft betrieblich veranlasst. Infolgedessen sind die daraus resultierenden Aufwendungen nur bei der Muttergesellschaft als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die OECD spricht in diesem Fall zutreffend von einem „Gesellschafteraufwand“.6 Dieser ist im Rahmen der Gesellschaftereigenschaft der Muttergesellschaft regelmäßig nicht verrechenbar, da er bei einer gesellschaftsrechtlichen Unabhängigkeit der Tochtergesellschaft nicht erforderlich wäre und ihm daher kein echter Leistungsaustausch zugrunde liegt.7 Vielmehr verfolgt die Muttergesellschaft in diesem Zusammenhang ihre eigenen Interessen, um die zielkonforme Führung ihrer Tochtergesellschaft einschließlich ihrer Verwaltung und Kontrolle zu gewährleisten.

4.422

Nicht verrechenbare Dienstleistungen. Zu den gesellschaftsrechtlich veranlassten und somit nicht verrechenbaren Dienstleistungskategorien gehören insbesondere:8

4.423

– Die Leitung und Organisation des Konzerns, die Festlegung der Konzernpolitik sowie die Finanzplanung für den Gesamtkonzern: Hierzu zählen Aufwendungen im Rahmen der dispositiven Tätigkeit des Konzern-Vorstandes, des Konzern-Aufsichtsrates sowie der Gesellschafterversammlung der Konzernspitze. Ferner betreffen sie Leistungen im Zusammenhang mit der Festlegung von Unternehmenszielen und der Unternehmenspolitik einschließlich der Erarbei1 Vgl. Tz. 7.6 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. Tz. 7.2 u. 7.8 OECD-Leitlinien 2017; siehe auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.1. 3 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1751 ff.; ferner Engler/Wellmann in V/ B/E4, N Rz. 68; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 689. 4 Vgl. dazu im Allgemeinen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 741 und 1132. 5 Vgl. auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.1; BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 7. 6 Vgl. Tz. 7.9 OECD-Leitlinien 2017; siehe ferner BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.1 u. 6.2.1; BFH v. 19.3.1969 – I R 31/67, BStBl. II 1969, 497. 7 Vgl. Tz. 7.10 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2. 8 Vgl. Tz. 7.10 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1756 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 779.; Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 113.

Baumhoff/Liebchen | 569

Kap. 4 Rz. 4.424 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen tung zielorientierter Konzeptionen und Strategien, wie z.B. die rechtliche Organisation des Konzerns, die Unternehmens- und Bereichsdiversifizierung, Maßnahmen zur Risikostreuung, die Gründung neuer Gesellschaften oder eine Kapitalbedarfsplanung für den Gesamtkonzern. – Die Planung von Investitions-, Produktions-, Forschungs- und Absatzmaßnahmen im Gesamtkonzernbereich sowie deren zentrale Koordination: Solche Aufgaben können aufgrund ihres Charakters nur von der Konzernspitze bearbeitet werden und erfolgen ausschließlich im Interesse des Gesamtunternehmens. Eine umfassende Unternehmensplanung und vollständige Integration aller Leistungs- und Unternehmensbereiche sind Bestandteil einer effektiven Unternehmensführung und unabdingbar zur Nutzung möglicher Synergieeffekte im Konzern. – Die Dokumentation der Konzernergebnisse sowie alle Kontrollmaßnahmen zur Überwachung der Aktivitäten der Untergesellschaften: Bei diesen typischen Aufgaben der Konzernspitze geht es im Einzelnen um die Einführung und Überwachung eines einheitlichen Rechnungs- und Berichtswesens, die Konsolidierung des Konzernergebnisses, die Aufstellung einer Weltbilanz und deren Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer. Zu den Kontrollmaßnahmen zählt man die Überwachung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften einschließlich der Analyse und Kontrolle ihres Rechnungswesens, die Innenrevision durch konzerneigene oder fremde Prüfer sowie Informationsbesuche von Vertretern der Konzernspitze bei den Untergesellschaften. – Der sog. Rückhalt im Konzern: Für die Vorteile, die einer Tochtergesellschaft aus der reinen Konzernzugehörigkeit in Form der rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Eingliederung in den Unternehmensverbund bei völliger Passivität der Konzern-Spitzeneinheit erwachsen, darf kein Dienstleistungsentgelt verrechnet werden. Hierzu zählen bspw. die erhöhte Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, die Risikostreuung, das Recht auf Führung des Konzernnamens (Rz. 4.398) sowie günstigere Absatzmöglichkeiten, die einer Konzerngesellschaft im Rahmen ihrer bloßen Zugehörigkeit zum Konzern zur Verfügung stehen.1 Mangels schuldrechtlichen Leistungsaustausches sind Aufwendungen, die in diesem Zusammenhang stehen, nicht verrechenbar. Davon zu unterscheiden sind allerdings Vorteile einer Tochtergesellschaft, die aus unmittelbaren aktiven Handlungen der Muttergesellschaft bzw. Konzernspitze resultieren (z.B. Marketing-Kampagnen, zentralisierter Einkauf, Cash-Pooling [Rz. 4.387 ff.] etc.).2 Hierbei handelt es sich um abgrenzbare Einzelleistungen, die nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs zu verrechnen sind.3

4.424 Qualifikationskonflikte. Allerdings gehen die deutsche Finanzverwaltung und die OECD in ihrem

Verständnis vom Umfang des Gesellschafteraufwands auseinander. Die OECD – und mit ihr eine Reihe wesentlicher Industriestaaten, z.B. Japan, Großbritannien und Frankreich4 – reduziert den nicht verrechnungsfähigen Gesellschafteraufwand auf diejenigen Aktivitäten, die mit dem Erwerb und der Verwaltung der Beteiligungen im Zusammenhang stehen, d.h. die im ausschließlichen Beteiligungsinteresse der Muttergesellschaft ausgeführt werden, und den Rückhalt im Konzern.5 Demgegenüber rechnet die deutsche Finanzverwaltung explizit zum nicht verrechenbaren Gesellschafteraufwand bestimmte zentrale Management- und Kontrolltätigkeiten, weil sie aufgrund ihres Charakters nur von der Konzernleitung vorgenommen werden können und deshalb bei dieser betrieblich veranlasst sind.6 Nach Tz. 7.10 der OECD-Leitlinien zählen etwa die hierunter fallende Tätigkeit des Vorstands, die Produktions- und Investitionssteuerung, die Revision sowie die Pla1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2 Bsp. 1. 2 Vgl. auch Tz. 7.13 OECD-Leitlinien 2017 mit einer Unterscheidung zwischen aktiven (verrechenbaren) und passiven (nicht verrechenbaren) Konzerneffekten. 3 Vgl. im Einzelnen Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1769. 4 Vgl. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 201 m.w.N. 5 Vgl. Tz. 7.9 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.2.

570 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.426 Kap. 4

nung und Koordinierung zu den Leistungskategorien, die einer Verrechnung grundsätzlich zugänglich sind.1 Verrechenbare Dienstleistungen. Den nicht verrechenbaren Dienstleistungen steht die Gruppe der eindeutig beim Leistungsempfänger betrieblich veranlassten und damit verrechenbaren Leistungen gegenüber. Hierzu zählen insbesondere die folgenden Dienstleistungen:2

4.425

– Gewerbliche Dienstleistungen: Hierunter fallen marktgängige Leistungen, z.B. Leistungen im Bereich des Transportwesens, der Informations- und Nachrichtenübermittlung, der Instandhaltung, der Reinigung und der Bewachung. – Unterstützungs- und Beratungsleistungen in wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Angelegenheiten: Dazu gehören etwa Beratungsleistungen im Bereich der EDV, des Rechnungswesens, des Marketings sowie die zeitlich begrenzte Überlassung von Arbeitskräften im Rahmen einer Dienst- oder Werkleistungsverpflichtung.3 – Geschäftsführungs- und Managementleistungen: Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die von der Tochtergesellschaft selbst – z.B. im Rahmen ihrer Geschäftsführungsorgane – erfüllt werden müssten, jedoch von der Obergesellschaft mit dem Ziel erbracht werden, die Tochtergesellschaft zu entlasten oder deren Organe zu ergänzen oder zu ersetzen. Dazu gehören z.B. die konkrete Investitions- und Finanzplanung, die Festlegung des Produktionsprogramms, die Personal- und Beschaffungspolitik, die Erstellung von Marketingkonzepten etc. – Aus- und Fortbildungsleistungen: Hierunter fallen Leistungen der Betreuung, Aus- und Fortbildung von Personal. – Überwachungs- und Kontrollleistungen: Solche Leistungen sind nur dann verrechenbar, wenn sie in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Tochtergesellschaft fallen und insoweit eigene Kosten vermieden werden. Dies betrifft bspw. die Kontrolle der Produktqualität, der Arbeitsproduktivität, die Erstellung von Rentabilitätsrechnungen, die Einrichtung und Überwachung eines unternehmensspezifischen internen Kontrollsystems etc., sofern diese im Auftrag und im Interesse der Tochtergesellschaft durchgeführt werden. – Spezielle Forschungsleistungen: Dazu gehört insbesondere die Auftragsforschung (Rz. 4.416) sowie die Durchführung von Markt- und Verbraucheranalysen. – Leistungsbereitschaft auf Abruf: Grundsätzlich ist eine konzerninterne Dienstleistung nur verrechenbar, wenn sie tatsächlich erbracht wird. Dies schließt indessen nicht aus, dass die Verfügbarkeit einer Dienstleistung i.S. einer Bereitschaftsleistung – zusätzlich zur tatsächlichen Leistungserbringung – verrechnet wird. Voraussetzung einer Verrechnung ist allerdings, dass die Leistungsbereitschaft in angemessenem Umfang innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes tatsächlich abgerufen wird und auch ein unabhängiges Unternehmen ein Entgelt für die „auf Abruf“ zur Verfügung stehende Dienstleistung entrichten würde.4 Mischleistungen und Aufteilung. Den beiden Gruppen der nicht verrechenbaren bzw. verrechenbaren Dienstleistungen stehen die sog. Mischleistungen gegenüber. Bei diesen handelt es sich um Dienstleistungen, die sowohl im Interesse der Muttergesellschaft bzw. des Gesamtkonzerns als 1 Siehe hierzu etwa Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Tz. 7.9 Anm. 49 f. sowie Tz. 7.10 Anm. 1 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 205 f. m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.1; Tz. 7.2, 7.8, 7.14 u. 7.16 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769, Tz. 2.1 Abs. 2. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.3.1 Bsp. 5; Tz. 7.16 OECD-Leitlinien 2017; Stock/Kaminski, DB 1997, 1054; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1763 ff.; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Tz. 7.16 Anm. 77.

Baumhoff/Liebchen | 571

4.426

Kap. 4 Rz. 4.427 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen auch im Interesse einer oder mehrerer Konzerngesellschaften erbracht werden.1 Aufgrund der Notwendigkeit der Zuordnung solcher Dienstleistungen entweder zur gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Sphäre entsteht die Schwierigkeit, darüber zu entscheiden, welchem Unternehmen die Dienstleistungen Vorteile gebracht haben bzw. in welchem Verhältnis der Vorteil auf die beteiligten Unternehmen entfällt.2 Infolgedessen ist eine Aufteilung in einen verrechenbaren und einen nicht verrechenbaren Teil vorzunehmen. Dies entspricht den Empfehlungen des EUJTPF zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung, wonach bei Mischleistungen ausdrücklich von einer Kostenaufteilung ausgegangen wird.3

4.427 Keine Verrechnung als Ausnahme. Angesichts der Individualität und Vielfalt der zwischen inter-

national verbundenen Unternehmen ausgetauschten Dienstleistungen erweist sich die betriebliche Veranlassung (Rz. 4.419) im Rahmen von Mischleistungen häufig als zu undifferenziert, um eine zweifelsfreie Trennung zwischen verrechenbaren und nicht verrechenbaren Dienstleistungen zu ermöglichen. Daher ist es sinnvoll und zulässig, die bereits erwähnten Hilfskriterien der VWG 19834 (Rz. 4.420) (Forderung nach einer Abgrenzbarkeit und Messbarkeit der Leistung sowie das Interesse des Leistungsempfängers in Form eines erwarteten Vorteils) in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. Diese ergänzenden Hilfskriterien erleichtern die Entscheidung über die Frage, bei welchem Unternehmen die Dienstleistung betrieblich veranlasst ist. Im Übrigen betonen auch die OECD-Leitlinien, dass die Erzielung eines mittelbaren, indirekten, kaum greifbaren oder „nebenbei entstehenden“ Vorteils die Verrechnung einer Dienstleistung nicht rechtfertige.5 Diese Feststellung erscheint allerdings insofern zu pauschal, als bereits festgestellt wurde, dass bei nur mittelbarer betrieblicher Veranlassung die subjektive Zweckbestimmung eines ordentlichen Geschäftsleiters im Rahmen seines Ermessensspielraums darüber entscheidet, ob er eine Leistung durch seinen Betrieb veranlasst und als für diesen geeignet ansieht oder nicht (Rz. 4.419). Daher sollte eine Verrechnung bei mittelbarer oder unbedeutender Vorteilszuwendung nur für den Fall ausgeschlossen bleiben, in dem auch ein ordentlicher Geschäftsleiter solche Vorteile als nicht entgeltfähig betrachten würde. In der Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung stellen diese Mischleistungen, die letztlich eine Aufteilung in verrechenbaren und nicht verrechenbaren Aufwand erfordern, die typischen Kompromissfälle dar.

4.428 Praktische Bedeutung. Angesichts des international unterschiedlichen Verständnisses vom Um-

fang des Gesellschafteraufwands wird zwangsläufig sowohl das Vorliegen sog. Mischleistungen als auch die praktische Bedeutung einer Aufteilung international uneinheitlich beurteilt. In Deutschland ist der nicht verrechenbare Gesellschafteraufwand durchaus weit gefasst und bezieht insbesondere zentrale Management- und Kontrolltätigkeiten ein, da sie aufgrund ihres Charakters nur von der Konzernspitze wahrgenommen werden können und deshalb ausschließlich dort betrieblich verlasst sind (Rz. 4.423). Naturgemäß bestehen deshalb größere Überschneidungsbereiche zu verrechenbaren Dienstleistungen. Demgegenüber ist der Bereich des Gesellschafteraufwands in den OECD-Leitlinien und nach den Verrechnungspreisgrundsätzen wesentlicher Industriestaaten deutlich eingeengt (Rz. 4.424). Zumeist schließt ein konkreter, quantifizierbarer Nutzen in Gestalt eines wirtschaftlichen oder kommerziellen Werts, den die Leistung erwarten lässt, das Vorliegen von Gesellschafteraufwand aus und führt zu einer Verrechnungspflicht. Praktisch sind Mischleistungen deshalb kaum von Bedeutung.6 Für Deutschland bleibt abzuwarten, ob die anstehende Fremdvergleichsverordnung und die Revision der VWG 1983 in Bezug auf Gesellschafteraufwand zu einer Annäherung an Tz. 7.9 OECD-Leitlinien7 führen werden.

1 Vgl. Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Tz. 7.6 Anm. 38 m.w.N. 2 Vgl. Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Tz. 7.6 Anm. 38. 3 Vgl. KOM (2011) 16 endgültig, Rz. 47. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.2.2. 5 Vgl. Tz. 7.12 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Engler/Wellmann in V/B/E4, N Rz. 113. 7 Vgl. Tz. 7.9 OECD-Leitlinien 2017.

572 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.431 Kap. 4

3. Verrechnung der Höhe nach a) Formen der Leistungsverrechnung Verrechnungsformen. Wird nach Würdigung aller Umstände eine Dienstleistung nach dem Prinzip der betrieblichen Veranlassung als dem Grunde nach verrechenbar angesehen, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage der Verrechnung der Höhe nach. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Verrechnungsformen zu unterscheiden (vgl. aber auch Rz. 4.334):

4.429

– Einzelabrechnung der Dienstleistung im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Konzerngesellschaften, – Konzernumlage in Form der – Leistungsumlage im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Konzerngesellschaften (Leistungsaustauschkonzept), – Kosten- bzw. Poolumlage im Rahmen der Begründung eines Pools zum Leistungsempfang im gemeinsamen Interesse und auf gemeinsames Risiko der involvierten Konzerngesellschaften (Poolkonzept). Leistungsaustauschkonzept. Während bei der Einzelabrechnung für jede einzelne, im Rahmen einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen den Konzerngesellschaften erbrachte Dienstleistung ein separates Entgelt verrechnet wird, ist im Zusammenhang mit der Konzernumlage zu differenzieren, ob zwischen den involvierten Konzerngesellschaften ein schuldrechtlicher Leistungsaustausch stattfindet oder nicht.1 Ist dies der Fall, werden nach dem Leistungsaustauschkonzept von einem (zentralen) Leistungserbringer als Auftragnehmer gegenüber mehreren verbundenen Unternehmen als Auftraggeber Leistungen erbracht, z.B. indem eine spezialisierte Dienstleistungsgesellschaft im Bereich des Rechnungswesens gleichartige Leistungen an mehrere Konzerngesellschaften erbringt. Dabei wird der Verrechnungspreis der Dienstleistung an die einzelnen Auftragnehmer pauschal durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zuzüglich eines Gewinnaufschlages mithilfe einer sachgerechten Schlüsselung bestimmt (sog. Leistungsumlage). Insofern handelt es sich bei der Leistungsumlage im Ergebnis um eine besondere Form der Verrechnungspreisermittlung auf der Grundlage einer modifizierten Kostenaufschlagsmethode mit einer einhergehenden pauschalen Kostenermittlung und -verteilung zuzüglich eines Gewinnaufschlags (Rz. 4.449 f.).

4.430

Leistungsumlage statt Einzelabrechnung. Die Leistungsumlage ist eine der Einzelabrechnung gleichwertige Abrechnungsform, die insbesondere in solchen Fällen Anwendung findet, in denen die Einzelabrechnung der Dienstleistungen nicht oder – aufgrund eines hohen Verwaltungsaufwandes – zumindest nicht wirtschaftlich sinnvoll möglich ist (sog. Vereinfachungsfunktion der Leistungsumlage).2 Vor diesem Hintergrund findet nach Auffassung der OECD die Leistungsumlage insbesondere dann Anwendung, wenn „der anteilsmäßige Wert der an die verschiedenen maßgeblichen Unternehmen erbrachten Dienstleistungen nur auf der Grundlage eines Näherungsoder Schätzwertes berechnet werden“3 kann. Dies sei bspw. bei der zentralen Verkaufsförderung, z.B. mithilfe internationaler Messen oder bei der Werbung in der internationalen Presse, der Fall.4

4.431

1 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348; Baumhoff, IStR 2000, 693 f.; Oestreicher, IStR 2000, 760 f.; Kaminski, IWB Fach 3 Gruppe 2, 892 ff.; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 693 ff.; Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Anm. 7.1 ff.; Ditz, DB 2004, 1949 f.; rechtsvergleichend siehe etwa Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 209 ff. m.w.N. 2 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348. 3 Tz. 7.24 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. dazu im Einzelnen Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.336 ff.

Baumhoff/Liebchen | 573

Kap. 4 Rz. 4.432 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.432 Poolumlage. Demgegenüber schließen sich nach dem sog. Poolkonzept – international auch „cost

sharing“ bzw. „cost contribution“ genannt – mehrere verbundene Unternehmen zusammen, um im gemeinsamen Interesse und auf gemeinsames Risiko über einen längeren Zeitraum Leistungen zu erhalten bzw. zu erbringen.1 Die beteiligten Konzernunternehmen bilden insoweit eine Innengesellschaft (Pool), auf die sie eigene Leistungen, Leistungskomponenten oder unternehmensinterne Funktionsbereiche auslagern und gemeinsam nutzen. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten werden ohne Gewinnaufschlag nach einem nutzenorientierten Umlageschlüssel auf die Poolmitglieder verteilt (Rz. 4.455 ff.). Im Gegenzug können die Poolmitglieder entsprechend der Umlagevereinbarung auf die im Pool erzielten Ergebnisse zurückgreifen. Ein schuldrechtlicher Leistungsaustausch zwischen den Poolmitgliedern findet dabei grundsätzlich nicht statt. Die innerhalb des Pools erbrachten Leistungen haben vielmehr den Charakter von innerbetrieblichen Leistungen.2 Die damit verbundenen Aufwendungen sind demnach als eigene originäre Aufwendungen der Poolmitglieder zu behandeln und bei diesen als Betriebsausgaben abzugsfähig.3 Ferner qualifiziert der Eintritt in einen Pool nicht als Funktionsverlagerung (Rz. 4.480 ff.).4

4.433 Methoden der Verrechnung. Die OECD bezeichnet die Einzelabrechnung von Dienstleistungen als direkte Methode,5 die Konzernumlage nach dem Leistungsaustauschkonzept als indirekte Methode.6 Daneben werden in Kap. VIII der OECD-Leitlinien die Kostenumlagen nach dem Poolkonzept erörtert. Insofern lassen die OECD-Leitlinien eine klare Trennung der drei dargestellten Abrechnungskategorien erkennen. Demgegenüber war aufgrund der missverständlichen Formulierung der Tz. 1 VWG-Umlage,7 wonach die Einzelverrechnung sowohl nach der direkten als auch der indirekten Methode erfolgen kann,8 zunächst unklar, ob auch nach Einführung der VWG-Umlage9 die Leistungsumlage mit ihrer Vereinfachungsfunktion Anwendung finden kann. Dies wird sowohl von der h.M. im Schrifttum10 als auch von Vertretern der deutschen Finanzverwaltung11 bejaht.

Allerdings wurden von Vertretern der Finanzverwaltung12 Zweifel an diesem Verständnis geweckt. Hiernach soll mit den VWG-Umlage eine abschließende Regelung erfolgt sein, die ab dem Jahr 2001 ausschließlich Poolumlagen zulässt. Begründet wird diese Auffassung damit, dass Tz. 7 der VWG 1983 durch die VWG-Umlage aufgehoben wurde13 und dass bestehende Umlageverträge gem. Tz. 8 der VWG-Umlage14 bis zum 31.12.2000 anzupassen waren. Geschieht dies nicht, wird 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.1. 2 Vgl. IDW, WPg 1999, 714. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.4 Abs. 1. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 50. 5 Vgl. Tz. 7.21 f. OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Tz. 7.23 f. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1. 8 Der Wortlaut der Tz. 1 VWG-Umlageverträge 1999 ist insofern missglückt, als entsprechend der Handhabung der OECD-Leitlinien die Einzelverrechnung von Leistungen mit der direkten Methode und die Konzernumlage nach dem Leistungsaustauschkonzept mit der indirekten Methode gleichgesetzt wurden. 9 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122. 10 Vgl. Oestreicher, IStR 2000, 762; Baumhoff, IStR 2000, 694; Kaminski, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 894 f.; Becker, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 880 f.; Waldens, ITPJ 2001 No. 2, 50 f.; Freytag/Vögele, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 1498; Ditz, DB 2004, 1949; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 693 ff.; Arbeitskreis Außensteuerrecht beim Institut der Wirtschaftsprüfer in GS Krüger, 25; a.A. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249; Vögele, DB 2000, 297. 11 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 347. 12 Vgl. Böcker, StBp 2008, 8 ff. 13 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 7. 14 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 8.

574 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.435 Kap. 4

durch Tz. 8 auf Tz. 6 verwiesen, die bei gravierenden Mängeln von Umlageverträgen eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs vorsieht. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Sie ist schon deshalb abzulehnen, weil Tz. 8 der VWG-Umlage1 sich nur auf erforderliche Anpassungen bestehender Umlageverträge bezieht, nicht jedoch auf die Kündigung bestehender Verträge über Leistungsumlagen.2 Unternehmerische Dispositionsfreiheit. Grundsätzlich ist jede Konzernleitung bzw. jeder Gesellschafter frei, den organisatorischen Aufbau und die funktionale Untergliederung seiner Unternehmensgruppe nach freiem Ermessen zu gestalten.3 Gegenstand dieser unternehmerischen Dispositionsfreiheit ist auch die Entscheidung, ob konzerninterne Dienstleistungen in der Organisationsform des Kostenpools oder auf der Basis eines gesonderten Dienstleistungsvertrages (Leistungsumlage oder Einzelabrechnung) erbracht werden sollen. Sie ist daher als unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Funktions- und Risikoverteilung im Konzern von der Finanzverwaltung generell zu akzeptieren.4

4.434

Allerdings sind aus der gewählten Organisationsstruktur der zentralen Dienstleistungserbringung die entsprechenden Rückschlüsse im Hinblick auf die Verrechnung der daraus resultierenden konzerninternen Leistungsflüsse zu ziehen. Entscheidet man sich demnach für eine Leistungserbringung im gemeinsamen Interesse und im gemeinsamen Risiko der betroffenen Konzerneinheiten (Pool), kann die Leistungsverrechnung nur über eine Kostenumlage ohne Gewinnaufschlag erfolgen. Wird demgegenüber ein Leistungsaustausch zwischen der leistungsbringenden und der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft vereinbart, ist die Leistung nach dem Grundsatz des „dealing at arm’s length“ zwingend unter Einbeziehung eines Gewinnaufschlages zu verrechnen. Dabei ist nach Auffassung der OECD der Einzelverrechnung der Dienstleistungen mittels der klassischen Methoden der Vorrang gegenüber der Leistungsumlage einzuräumen, soweit die entsprechenden Leistungen zur Haupttätigkeit der leistungserbringenden Konzerngesellschaft gehören und sowohl gegenüber verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erbracht werden.5 Denn für diesen Fall wird vermutet, dass eine gesonderte, d.h. auf die einzelne Leistung bezogene, Preisermittlung möglich ist, nämlich durch inneren Preisvergleich. b) Einzelverrechnung mittels der klassischen Methoden Voraussetzungen der Einzelverrechnung. Im Rahmen der Einzelabrechnung wird für jede einzelne konzerninterne Dienstleistung ein Entgelt verrechnet. Insofern wird dem Grundsatz der Tz. 2.1.4 VWG 1983 entsprochen, nach welchem im Rahmen des Prinzips des „dealing at arm’s length“ jede einzelne Leistung gesondert zu vereinbaren und abzurechnen ist.6 Dies setzt voraus, dass die Dienstleistung klar definiert ist und von anderen konzerninternen Liefer- und Leistungsbeziehungen abgegrenzt werden kann. Insbesondere in Fällen, in denen Dienstleistungen in Form von Neben-, Zusatz- und Serviceleistungen erbracht (Rz. 4.334) bzw. zusammengefasste Entgelte für Haupt- und Nebenleistungen vereinbart werden,7 kann eine solche Abgrenzung zu praktischen Schwierigkeiten führen. 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 8. 2 Vgl. ausführlich Kaminski, SAM 2009, 175 ff.; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 703. 3 Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 324; Borstell, StbJb 2001/2002, 221; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 76 f.; Werra, IStR 2009, 82. Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 4 Vgl. Akzeptanz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 5 Vgl. Tz. 7.22 f. OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.4. 7 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.2.3.3 nennt in diesem Zusammenhang „z.B. Garantie-, Wartungs- oder branchenübliche Kulanzleistungen“.

Baumhoff/Liebchen | 575

4.435

Kap. 4 Rz. 4.436 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.436 CUP – innerer Preisvergleich. Zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für konzerninterne

Dienstleistungen im Wege der Einzelabrechnung kommen grundsätzlich die drei klassischen Methoden der Verrechnungspreisermittlung in Betracht. Dabei kann im Rahmen der Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) ein innerer oder ein äußerer Preisvergleich durchgeführt werden. Der innere Preisvergleich (Rz. 4.216) erweist sich immer dann als besonders geeignet, wenn ein internationaler Unternehmensverbund über organisatorisch und rechtlich selbständige Dienstleistungsgesellschaften verfügt, die sowohl zu verbundenen wie auch zu unverbundenen Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit einem vergleichbaren Leistungsprogramm unterhalten. Zu denken ist hierbei insbesondere an konzerneigene Marketing-, F&E-, Verwaltungs-, Unternehmensberatungsund Engineering-Gesellschaften.1 Daneben ist ein innerer Preisvergleich auch im umgekehrten Fall denkbar, in dem Konzerngesellschaften bestimmte Dienstleistungen sowohl von verbundenen wie auch von unverbundenen Unternehmen empfangen.

Im Gegensatz zum äußeren Preisvergleich (Rz. 4.437) erfordert der innere Preisvergleich keine Marktgängigkeit der betreffenden Dienstleistungen, sondern lässt bereits eine gewisse Marktfähigkeit hinreichen. Den objektivierenden Charakter marktentstandener Vergleichspreise vermittelt allein die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen auch an unverbundene Dienstleistungsempfänger bzw. deren Bezug von unverbundenen Dienstleistungserbringern. Hierbei kommt es jedoch darauf an, dass die verbundexternen Referenztransaktionen ein gewisses Mindestvolumen aufweisen. Anderenfalls muss man sich gegebenenfalls des Verdachts erwehren, die verbundexternen Geschäfte allein zum Zwecke der Verrechnungspreisrechtfertigung abgeschlossen zu haben.2 Diese Anforderung lässt sich auch aus der Rechtsprechung des BFH ableiten, der die Voraussetzungen eines betriebsinternen Fremdvergleichs nicht als gegeben ansah, wenn die Referenztransaktionen lediglich 5 % des Gesamtumsatzes ausmachen.3 Unter diesen Voraussetzungen ist eine Marktpreisorientierung auch bei schlecht standardisierbaren und speziell abnehmerorientierten Dienstleistungen möglich.4

4.437 CUP – äußerer Preisvergleich. Der äußere Preisvergleich (Rz. 4.219), bei dem auf den Leistungs-

verkehr zwischen unabhängigen Unternehmen abgestellt wird, eignet sich indessen nur für den Bereich der marktgängigen und marktfähigen Dienstleistungen,5 da nur für diese Leistungen eine vergleichbare Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten identifiziert werden kann. Dazu gehören in erster Linie die sog. gewerblichen Dienstleistungen, wie z.B. Transport-, Versicherungs-, Überwachungs-, Reinigungs-, Wartungs-, Montage-, Reparatur- und Marketingleistungen sowie Dienstleistungen im Bereich der EDV. Für den ebenfalls zu den Dienstleistungen zählenden Bereich der Auftragsforschung (Rz. 4.417) ist ebenfalls eine Marktpreisorientierung möglich. So können bspw. Vergleichsangebote von unabhängigen Forschungseinrichtungen (wie z.B. Universitätsinstitute oder F&E-Abteilungen unabhängiger Unternehmen) eingeholt werden.6 1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Stock/Kaminski, IStR 1997, 451 ff. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 567; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 688 f.; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung, 148. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 = FR 2002, 154 sowie hierzu Baumhoff, IStR 2001, 751 ff. 4 Vgl. auch Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 224. 5 Vgl. Tz. 7.2 OECD-Leitlinien 2017. 6 Dagegen sieht BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.3 im Rahmen der Auftragsforschung „regelmäßig“ die Kostenaufschlagsmethode vor. Dies entspricht der grundsätzlichen Auffassung der Finanzverwaltung zur Abgeltung von Unternehmen mit Routinefunktionen, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 67. Dieser pauschalen Aussage kann indessen nicht gefolgt werden, so dass auch hier die Preisvergleichsmethode Anwendung finden kann, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind. Im Übrigen entspricht sie nicht dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich.

576 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.440 Kap. 4

Freiberufliche Dienstleistungen und Gebührenordnungen. Darüber hinaus kann ein Preisvergleich häufig im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen, wie z.B. der Rechts-, Steuer-, Unternehmens- und Ingenieurberatung, durchgeführt werden. Als Vergleichsmaßstab fungieren dabei die am Markt realisierten Honorar- bzw. Stundensätze bzw. die einschlägigen Gebührenverordnungen der Steuerberater, Rechtsanwälte etc. Die Verwendung von Gebührenordnungen – konkret die Anwendung der Steuerberatergebührenverordnung bei einer konzerneigenen Steuerberatungsgesellschaft – und damit die Anwendung der Preisvergleichsmethode für konzerninterne Dienstleistungen hat der BFH in seinem Urteil vom 23.6.1993 ausdrücklich bestätigt.1 Danach würde auch ein ordentlicher Geschäftsleiter für geleistete Steuerberatungsdienstleistungen ein an der entsprechenden Gebührenverordnung orientiertes Entgelt fordern, weil dies „standesrechtlich geboten“ ist. Der BFH betont in seinem Urteil allerdings ausdrücklich, dass eine konzerneigene Steuerabteilung nicht in vergleichbarer Weise an den Gebührenrahmen der Steuerberater gebunden sei. Insofern ist die Vergleichbarkeit der Verhältnisse eventuell nicht gegeben, was den Anwendungsbereich der Preisvergleichsmethode jedenfalls dann ausschließt, wenn die bestehenden Unterschiede nicht mittels sachgerechter Anpassungen eliminiert werden können. Für die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist hierbei entscheidend, dass diesbezügliche Unterschiede selbst auf Grundlage eines tatsächlichen Fremdvergleichs quantifiziert und angepasst werden, so dass eine Beeinträchtigung der Vergleichbarkeit ausgeschlossen werden kann. Dagegen gefährden Anpassungen, die sich nicht auf Marktdaten stützen können, grds. die Anwendung der Preisvergleichsmethode.2 Für den Bereich konzerninterner Steuerberatungsleistungen sollte vor diesem Hintergrund die Anwendung der Preisvergleichsmethode ausscheiden. Dies macht andere Lösungsansätze erforderlich, wobei hier vornehmlich die kostenorientierte Entgeltbemessung – insb. nach der Kostenaufschlagsmethode – in Betracht kommt.

4.438

Praktische Anwendungsprobleme. Die Preisvergleichsmethode stößt im Zusammenhang mit konzerninternen Dienstleistungen i.d.R. auf erhebliche Anwendungsprobleme. Trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen für bestimmte Dienstleistungsarten scheitert ein Preisvergleich häufig an einer fehlenden Übereinstimmung der maßgeblichen Vergleichstatbestände der konzerninternen Dienstleistung einerseits und der identifizierten Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten andererseits. Im Übrigen sind Anpassungsrechnungen zur Herstellung einer indirekten Vergleichbarkeit (Rz. 4.117) bzw. eingeschränkten Vergleichbarkeit (Rz. 4.114) oftmals problematisch. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass sich für den großen Bereich der konzernspezifischen Dienstleistungen (z.B. der Übernahme von Managementfunktionen, die Arbeitnehmerentsendung,3 das Cash-Pooling [Rz. 4.387 ff.] etc.) aufgrund ihrer fehlenden Marktgängigkeit i.d.R. keine Vergleichsobjekte finden lassen. Letztlich kommt daher der Preisvergleichsmethode zur Ermittlung von konzerninternen Dienstleistungsentgelten eine untergeordnete Bedeutung zu.

4.439

Kein genereller Ausschluss der Wiederverkaufspreismethode. Im Rahmen der Ermittlung angemessener Dienstleistungsentgelte ist die Wiederverkaufspreismethode (Rz. 4.224 ff.) umstritten. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung deren Anwendung im Zusammenhang mit Dienstleistungen prinzipiell ausscheidet, weil Dienstleistungen i.d.R. immaterieller Natur sind und nicht weiterveräußert werden,4 wird in Teilen des Schrifttums die Ansicht vertreten, dass ein genereller Ausschluss der Wiederverkaufspreismethode für den Bereich der konzerninternen

4.440

1 Vgl. BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801. 2 Vgl. Ditz/Liebchen. DB 2012, 1469 f. 3 Zum Problem der Umsetzung des Fremdvergleichs im Rahmen der konzerninternen Arbeitnehmerentsendung vgl. Schnorberger/Waldens, IStR 2001, 24 f.; siehe ferner Hick in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1851 ff. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.2.3.2. Die OECDLeitlinien äußern sich nicht zur Eignung der Wiederverkaufspreismethode bei der Festsetzung konzerninterner Dienstleistungsentgelte. Insofern misst auch die OECD der Wiederverkaufspreismethode in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

Baumhoff/Liebchen | 577

Kap. 4 Rz. 4.441 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Dienstleistungen nicht gerechtfertigt sei.1 Als Beispiele werden dabei Unterlizenzverträge für die Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter, die Weitervermietung von Wirtschaftsgütern (sog. „Sub-Leasing“), die Weiterveräußerung von Software sowie die Existenz von Handelsstufen im Versicherungs- und Transportgewerbe genannt (Rz. 4.407 f.). Zwangsläufig beschränkt sich die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode zur Bestimmung von konzerninternen Dienstleistungsentgelten auf den Bereich der marktgängigen Dienstleistungen, weil sie ex definitione ihren Ausgangspunkt in dem Preis findet, den das verbundene Unternehmen von einem unabhängigen Käufer für die Dienstleistungserbringung am Markt realisiert. Infolgedessen erweist sich die Wiederverkaufspreismethode für Dienstleistungen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit ausschließlich im Unternehmensverbund und nicht zwischen unabhängigen Dritten ausgetauscht werden (sog. konzernspezifische Dienstleistungen), grundsätzlich als ungeeignet.

4.441 Abgrenzung zu Vermittlungsleistungen. Die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode setzt

ferner voraus, dass das wiederverkaufende Konzernunternehmen gegenüber dem leistungserbringenden Konzernunternehmen als „Käufer“ der Leistung auftritt; mithin somit zwischen dem leistungserbringenden und dem leistungswiederverkaufenden Konzernunternehmen eine unmittelbare Rechtsbeziehung i.S. eines Dienstleistungsverkaufs respektive Dienstleistungseinkaufs besteht. Erst im Anschluss daran kann das wiederverkaufende Unternehmen die betreffende Leistung an fremde Dritte weiterverkaufen. Von der Wiederverkaufspreismethode ausgeschlossen bleiben demnach alle Vermittlungsleistungen, bei der das „zwischengeschaltete“ Konzernunternehmen nur als Makler, Treuhänder oder Vermittler und nicht als Käufer bzw. Wiederverkäufer der Dienstleistung fungiert. In diesen Fällen wird nämlich keine Dienstleistung „weiterverkauft“. Vielmehr erbringt das „zwischengeschaltete“ Konzernunternehmen eine – von der vermittelten Dienstleistung zu unterscheidende – Vermittlungsleistung, die ihrerseits mit einem fremdvergleichskonformen Leistungsentgelt (ermittelt i.d.R. nach der Kostenaufschlagsmethode) zu vergüten ist (Rz. 4.357 f.).

4.442 Beschränkung auf Ausnahmefälle. Im Ergebnis ist die Anwendung der Wiederverkaufspreis-

methode im Dienstleistungsbereich auf Ausnahmefälle beschränkt, in denen die entsprechende Dienstleistung auf einem geeigneten Trägermedium gespeichert und somit durch den Wiederverkäufer am Markt veräußert werden kann. Dies ist allerdings nur in seltenen Einzelfällen, wie z.B. bei bestimmten EDV-Dienstleistungen (Programmierung von Software) oder der Erstellung von Gutachten, möglich.2 Abgesehen von solchen Sonderfällen scheidet die Wiederverkaufspreismethode für die Verrechnungspreisermittlung von Dienstleistungen aus, weil Dienstleistungen i.d.R. nicht speicherbar sind.

4.443 Breiter Anwendungsbereich der Kostenaufschlagsmethode. Aufgrund der Tatsache, dass die

Preisvergleichsmethode für die Bestimmung von Dienstleistungsentgelten nur begrenzt einsetzbar ist und darüber hinaus die Wiederverkaufspreismethode nur in wenigen Ausnahmefällen Anwendung finden kann, kommt der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 4.240 ff.) im Rahmen der Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen die größte Bedeutung zu.3 Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen für eine konzerninterne Dienstleistung keine Marktpreise als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen, etwa weil – es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Dienstleistungen handelt, – vorliegende Marktpreise aufgrund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, 1 Vgl. Becker in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS 1983 Anm. Tz. 3.2.1 u. 3.2.3; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Anm. 153; Klein/Nohl/Zschiegner/Klein, Konzernrechnungslegung und Konzernverrechnungspreise, 176. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreise zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 230. 2 Hier ist grundsätzlich auch eine Veränderung oder Ergänzung der Dienstleistung vor dem Weiterverkauf denkbar, was bei der Bestimmung der Handelsspanne zu berücksichtigen ist. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 3.2.3.2.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.446 Kap. 4

– tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht identifizierbar sind, – schon der Grundsatz des Fremdvergleichs bei gewissen Dienstleistungen eine Verrechnung mit der Kostenaufschlagsmethode verlangt (Rz. 4.241 u. 4.345 ff.). Ausgestaltung der Kostenaufschlagsmethode. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Kostenaufschlagsmethode im Rahmen der Ermittlung von Dienstleistungsentgelten kann auf die allgemeinen Ausführungen zur Kostenaufschlagsmethode verwiesen werden (Rz. 4.240 ff.). Von besonderer Bedeutung ist allerdings, dass im Rahmen der Einzelabrechnung von Dienstleistungen nach der Kostenaufschlagsmethode zwingend ein Gewinnaufschlag zu verrechnen ist. Denn der ordentliche Geschäftsleiter des leistungserbringenden Konzernunternehmens wird i.d.R.1 keine Leistung erbringen, aus welcher er sich keinen Gewinn verspricht. Allerdings ist bei der Bemessung des Dienstleistungsentgelts auch der Entscheidungssituation des Leistungsempfängers Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für dessen wirtschaftliche Handlungsalternativen im Rahmen der Eigenerstellung der Dienstleistung (sog. „make or buy“-Kalkül). Diese determinieren die Preisobergrenze des Leistungsempfängers2 (z.B. in Form der Kosten der Eigenerstellung einer Dienstleistung) ohne Rücksicht darauf, ob und wenn ja, in welcher Höhe der Leistende einen Gewinnaufschlag realisieren kann.3 Dies entspricht im Übrigen der sog. „Einigungsbereichsbetrachtung“ des § 1 Abs. 3. Sätze 5 ff. AStG.

4.444

Grenzen der Kostenaufschlagsmethode. Wie bei jedweder transaktionsbezogenen Verrechnungspreismethode bestehen die Grenzen der Kostenaufschlagsmethode in der fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse, wenn diese auch mittels Anpassungsrechnungen nicht hergestellt werden kann. Insbesondere bei individualisierten Dienstleistungen, die unter Einsatz besonders wertvoller, ggf. einzigartiger immaterieller Wirtschaftsgüter erstellt bzw. erbracht werden, ist die Kostenaufschlagsmethode regelmäßig nicht anwendbar. Gleiches gilt, wenn zwischen den Kosten der Leistungserstellung und dem Wertschöpfungsbeitrag des Dienstleisters keinerlei Zusammenhang besteht. Letzteres insb. deshalb, weil die Nachfrageverhältnisse, d.h. die Entscheidungssituation des Abnehmers nicht berücksichtigt wird. Als kostenorientierte Methode führt die Kostenaufschlagsmethode zur Allokation eines sicheren Gewinns. Dies reflektiert den Wertschöpfungsbeitrag des Dienstleistungserbringers dann nicht zutreffend, wenn wertvolle immaterielle Wirtschaftsgüter in den Leistungserstellungsprozess integriert werden und/oder nicht nur geringe Risiken getragen werden.

4.445

Zulässigkeit der TNMM. Die TNMM (Rz. 4.297 ff.) ist als eine i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG „geeignete Verrechnungspreismethode“ eine zulässige Verrechnungspreismethode für die Bestimmung von Dienstleistungsentgelten, die auf der zweiten Stufe des in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnisses zum Tragen kommen kann (Rz. 4.315). Auf dieser Stufe sind eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte nach Vornahme sachgerechter Anpassungen „einer geeigneten Verrechnungspreismethode“ zugrunde zu legen. Zwar regelt § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG zwischen den „geeigneten Verrechnungspreismethoden“ kein Rangfolgeverhältnis. Nach Tz. 3.4.10.3 Buchst. b der VWG-Verfahren4 kommt die TNMM jedoch nur subsidiär zu den klassischen Methoden zur Anwendung. Ferner ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die TNMM nur für Routineunternehmen zulässig, die sich dadurch als solche qualifizieren, dass sie marktgängige Dienstleistungen erbringen, keine unternehmerischen Risiken tragen und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzen.5

4.446

1 Ausnahmen bestehen für das Poolkonzept und besondere Umstände, in denen die Teilkostenrechnung Anwendung findet. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.4.1. 3 Vgl. Tz. 7.33 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a.

Baumhoff/Liebchen | 579

Kap. 4 Rz. 4.447 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.447 Grenzen des Anwendungsbereichs der TNMM. Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargen-

methode führt ebenso wie die Kostenaufschlagsmethode zur Allokation eines sicheren Gewinns und trägt hierdurch der Risikoverteilung zwischen den Transaktionspartnern nur dann hinreichend Rechnung, wenn – wie bei Unternehmen mit Routinefunktionen, aber auch ggf. bei sog. Mittel- bzw. Hybridunternehmen – nur geringe Risiken getragen werden. Erfolgt die Dienstleistungserstellung bzw. -erbringung unter Einsatz einzigartiger bzw. wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter, liegen die Anwendungsvoraussetzungen der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode regelmäßig nicht vor. Wie für die Anwendung der klassischen Methoden fehlt es auch für die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode an der Vergleichbarkeit der Verhältnisse. Zwar wird die Nettomarge durch Produkt- und Funktionsunterschiede im Vergleich zu Preisen oder zur Bruttomarge geringer beeinflusst, allerdings verbleiben zahlreiche relevante Einflussfaktoren, deren fehlende hinreichende Vergleichbarkeit zur Einengung des Anwendungsbereiches der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode führt. Zu diesen Einflussfaktoren gehören insbesondere Wettbewerbsposition, Führungseffizienz, individuelle Strategie, Kosteneffizienz und Auslastung des Unternehmens, Bedrohung durch neue Produkte und Anbieter usw., wobei jeder dieser Faktoren wiederum durch zahlreiche andere Faktoren beeinflusst wird.1 Mit dem Einsatz besonders wertvoller, einzigartiger immaterieller Wirtschaftsgüter erbringt der Dienstleister individualisierte Leistungen,2 wobei sich der Einsatz dieser immateriellen Wirtschaftsgüter sowohl auf das „Produkt“ Dienstleistung als auch auf den Leistungserstellungsprozess auswirken kann. Vergleichsmargen können hier regelmäßig nicht um den Einfluss immaterieller Wirtschaftsgüter angepasst werden.3

4.448 Anwendungsbereich der PSM. Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode kommt

regelmäßig bei stark integrierten Wertschöpfungsprozessen, beim Einsatz besonders wertvoller immaterieller Wirtschaftsgüter und bei sonstigen besonders wertvollen Beiträgen eines Transaktionspartners in Betracht. Dies betrifft im Rahmen konzerninterner Dienstleistungen insb. den Bereich des sog. „Global Development“.4 Überdies ist bei internationalen Dienstleistungskonzernen der Leistungserstellungsprozess ebenso von wechselseitigen Transaktionen geprägt wie die Produktion von Gütern und Waren. Im Rahmen der erforderlichen Funktions- und Risikoanalyse und der hiernach vorzunehmenden transaktionsbezogenen Unternehmenscharakterisierung können mehrere Strategieträger bzw. Entrepreneure bestehen, deren jeweiliger Erfolgsbeitrag nur durch Gewinnaufteilung bestimmt werden kann. Im Einzelnen wird auf die allgemeinen Ausführungen zur geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode verwiesen (Rz. 4.291 ff.). c) Konzernumlagen nach dem Leistungsaustauschkonzept

4.449 Praktische Schwierigkeiten der Einzelabrechnung. In der Verrechnungspraxis hat sich die Einzelabrechnung konzerninterner Dienstleistungen häufig als unpraktikabel und unzweckmäßig erwiesen. Dies insbesondere in den Fällen, in denen der Vorteil und Nutzen einzelner Dienstleistungen für ein bestimmtes Konzernunternehmen nur sehr vage oder nur aufgrund von Schätzungen quantifiziert werden kann (z.B. im Zusammenhang mit Management- und Marketingleistungen). Außerdem bestehen konzerninterne Dienstleistungen häufig aus einem gesamten Leistungsbündel, in dem die einzelnen Leistungskomponenten überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand erfasst und bewertet werden können (z.B. im Bereich des IT und im Marketing). Aufgrund dieser praktischen Schwierigkeiten der Einzelabrechnung wird in der Verrechnungspreispraxis im Rahmen konzerninterner Dienstleistungen – insbesondere bei einer zentrali-

1 Vgl. Tz. 2.71 OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. Greinert, RIW 2006, 453. 3 Vgl. Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 241 m.w.N. 4 Vgl. dazu Kaminski, IStR 2001, 540 f.; Fischer/Looks/Reese, IStR 2008, 254 ff.; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, 340 ff.

580 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.452 Kap. 4

sierten Leistungserbringung einer Konzernobergesellschaft an mehrere Konzernuntergesellschaften – häufig die Abrechnungsform der Konzernumlage bevorzugt. Umlagekonzept. Mit Veröffentlichung der VWG-Umlage ist im Rahmen der Konzernumlagen zwischen dem Leistungsaustauschkonzept („Leistungsumlage“) und dem Poolkonzept („Poolumlage“) zu differenzieren (Rz. 4.429). Während Tz. 7 VWG 1983 diese beiden Konzepte noch gleichermaßen regelte,1 betreffen die VWG-Umlage nur noch die Konzernumlage auf der Grundlage des Poolkonzepts und berücksichtigen das Leistungsaustauschkonzept nicht unmittelbar. Die Leistungsumlage unter Berücksichtigung der Vereinfachungsfunktion findet ihre Legitimation vielmehr in den – weiterhin gültigen – Tz. 2.4.3 und 6.4.1 VWG 1983.2 Im Übrigen wird in Tz. 1 VWG-Umlage expressis verbis zum Ausdruck gebracht, dass die VWG-Umlage die Leistungsverrechnung (verstanden als Einzelabrechnung) auf Basis der „indirekten Methode“ unberührt lassen. Daher ist davon auszugehen, dass auch nach Einführung der VWG-Umlage die Leistungsumlage auf der Basis eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches von der deutschen Finanzverwaltung als Abrechnungsform akzeptiert wird (Rz. 4.433).

4.450

Modifizierte Kostenaufschlagsmethode. Bei der Leistungsumlage wird von einer leistungserbringenden Konzerngesellschaft gegenüber einem oder mehreren verbundenen Unternehmen eine Leistung bzw. ein Leistungsbündel erbracht (schuldrechtlicher Leistungsaustausch), wobei der Verrechnungspreis pauschal durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zuzüglich eines Gewinnaufschlags mithilfe eines sachgerechten Schlüssels bestimmt wird. Im Ergebnis findet somit eine modifizierte Kostenaufschlagsmethode Anwendung, im Rahmen derer – aus Gründen der Vereinfachung – die durch die Dienstleistung veranlassten Kosten gesammelt, um einen Gewinnaufschlag erhöht und sachgerecht auf die leistungsempfangenden Konzerngesellschaften verteilt werden. Hinsichtlich der Ermittlung der „Umlagemasse“, d.h. der Ermittlung der Kostenbasis und des Gewinnaufschlages, sind dabei die allgemeinen Grundsätze der Kostenaufschlagsmethode anzuwenden (Rz. 4.240 ff.).3 Die Verteilung dieser „Umlagemasse“ auf die leistungsempfangenden Konzernunternehmen hat einem Fremdvergleich zu genügen, d.h., es ist die Frage zu stellen, ob der ordentliche Geschäftsleiter der leistungsempfangenden Konzerngesellschaft in Erwartung der zukünftigen Vorteile bzw. des zu erwartenden Nutzens aus den Leistungen bereit gewesen wäre, die vereinbarten Beiträge zu zahlen. Insofern hat sich der Umlageschlüssel am Verhältnis des erwarteten Nutzens der leistungsempfangenden Konzerngesellschaften auszurichten (Rz. 4.465).4

4.451

Umlagevertrag. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Leistungsumlage ist der Abschluss eines entsprechenden Umlage- bzw. Dienstleistungsvertrages zwischen der leistungserbringenden Konzerneinheit einerseits und den leistungsempfangenden Konzerngesellschaften andererseits. Freilich gilt – rein formal betrachtet – die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages aufgrund des Wegfalls der Tz. 7 VWG 1983 nur noch für Poolumlagen.5 Tz. 2.4.3 VWG 1983,6 in deren Anwendungsbereich die Leistungsumlage nunmehr fällt, sieht die Pflicht zur Erstellung eines schriftlichen Vertrages insoweit nicht vor. Allerdings sollte auch die Verrechnung von Leistungsumlagen auf der Grundlage eines schriftlichen Umlagevertrages erfolgen, da die Finanzverwaltung Verträge zwischen nahestehenden Personen nur dann anerkennt, wenn hierüber im Voraus getroffene, klare und eindeutige Vereinbarungen bestehen

4.452

1 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Rz. 7 wurde durch die VWGUmlageverträge 1999 aufgehoben, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 7. 2 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.3 u. 6.4.1. Vgl. Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 347. 3 Vgl. Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.338. 4 Vgl. Tz. 8.12 OECD-Leitlinien 2017; Ditz, DB 2004, 1949 f. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 5.1.1. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.4.3.

Baumhoff/Liebchen | 581

Kap. 4 Rz. 4.453 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen (Rz. 4.31). Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECDMA ist jedoch festzustellen, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern eine Sperrwirkung.1

4.453 Umlagevertrag in der Verrechnungspreisdokumentation. Darüber hinaus ist ein schriftlicher

Umlagevertrag wesentlicher Bestandteil einer nach § 90 Abs. 3 AO und nach der GAufzV gesetzlich vorgeschriebenen Verrechnungspreisdokumentation, die den Steuerpflichtigen vor einer Schätzung gem. § 162 Abs. 3 AO und vor Strafzuschlägen gem. § 162 Abs. 4 AO schützt (Rz. 4.619 ff.). Zu berücksichtigen ist hier, dass der Abschluss eines Umlagevertrages einen außergewöhnlichen Geschäftsvorfall i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO i.V.m. § 3 Abs. 2 GAufzV darstellt, für den der Gesetzgeber letztlich eine sog. Vorratsdokumentation fordert.2 Aufzeichnungen sind deshalb zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem der Umlagevertrag abgeschlossen wurde, zu erstellen.3 Gerade die Dokumentation von Leistungsumlagen erweist sich in der Praxis als besonders problematisch, wobei insbesondere mittels der erforderlichen Nutzenanalyse im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz darzulegen hat, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die anteiligen Kosten des – regelmäßig zugrunde liegenden – Leistungsportfolios tragen würde.4

4.454 Erforderliche Regelungsgegenstände. Der Umlagevertrag sollte vor diesem Hintergrund mindestens die folgenden Tatbestände regeln:5

– Konkretisierung der zu erbringenden Dienstleistungen (Art und Umfang), – Bestimmung der leistungserbringenden und leistungsempfangenden Konzerngesellschaften (Vertragsparteien), – Ermittlung und Umfang der umlagerelevanten Kosten, – Bestimmung des Gewinnaufschlages, – Bestimmung des Umlageschlüssels, – Angaben über die Abrechnungsmodalitäten (ggf. Vorauszahlungen, Endabrechnung), – Zahlungsbedingungen (z.B. Verzinsung bei Zahlungsverzug), – Dokumentationspflichten der Vertragsparteien, – Öffnungsklausel für Vertragsanpassungen (insbesondere bei langfristigen Verträgen), – Laufzeit und Kündigung des Vertrags, 1 Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB, Fach 3a, Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 704 f.; Rasch, IWB 2012, 198 ff. Siehe ferner zur Beschränkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen auf die materielle Angemessenheit BFH v. 17.12. 2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = ISR 2015, 121 m. Anm. Ditz/Quilitzsch; v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 22.10.2015 – I B 122/14, BFH/NV 2016, 405. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2007, 1461 (1466). 3 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 4 Vgl. Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 157 (161 f.). 5 Vgl. hierzu auch Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.341; Hahn in Formularbuch Recht und Steuern6, 591 ff.; Engler/Reinert in V/B/E4, N 351 ff.; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VIII Anm. 214 ff. Siehe hierzu auch Tz. 8.52 OECD-Leitlinien 2017. Da die VWG-Umlageverträge 1999 nur für den Bereich der Poolumlagen gelten, können ihre umfangreichen Dokumentationsvorgaben in Tz. 5 für einen Umlagevertrag im Rahmen der Leistungsumlage keine Wirkung entfalten.

582 | Baumhoff/Liebchen

D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.457 Kap. 4

– anwendbares Recht, – salvatorische Klausel. d) Konzernumlagen nach dem Poolkonzept (Poolumlage) Begriffsdefinition. Bei dem sog. Poolkonzept – international auch „cost sharing“ bzw. „cost contribution“ genannt – schließen sich mehrere verbundene Unternehmen zusammen, um im gemeinsamen Interesse und auf gemeinsames Risiko über einen längeren Zeitraum Leistungen zu erhalten bzw. zu erbringen.1 Die beteiligten Konzernunternehmen bilden insoweit eine Innengesellschaft (Pool), auf die sie eigene Leistungen, Leistungskomponenten oder unternehmensinterne Funktionsbereiche auslagern und gemeinsam nutzen. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten werden ohne Gewinnaufschlag nach einem nutzenorientierten Umlageschlüssel auf die Poolmitglieder verteilt. Im Gegenzug können die Poolmitglieder entsprechend der Umlagevereinbarung auf die im Pool erzielten Ergebnisse zurückgreifen. Ein schuldrechtlicher Leistungsaustausch zwischen den Poolmitgliedern findet dabei grundsätzlich nicht statt. Die innerhalb des Pools erbrachten Leistungen haben vielmehr den Charakter von innerbetrieblichen Leistungen.2 Die damit verbundenen Aufwendungen sind demnach als eigene originäre Aufwendungen der Poolmitglieder zu behandeln und bei diesen als Betriebsausgaben abzugsfähig.3 Dementsprechend finden die Vorschriften über nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (z.B. § 4 Abs. 5 EStG, § 4h EStG und § 160 AO) auf Ebene des Poolmitglieds Anwendung. Gleiches gilt für die Abgrenzung sofort abzugsfähiger Betriebsausgaben von Anschaffungskosten, wie dies insbesondere bei der Umlage von Forschungs- und Entwicklungskosten im Konzern von Bedeutung ist.4 Ferner stellt der Eintritt in einen Pool keine Funktionsverlagerung dar (Rz. 4.480 ff.).5

4.455

Abgrenzung zum Konzernfinanzierungsverfahren. Von diesem Poolgedanken begrifflich und inhaltlich zu unterscheiden ist das sog. „Kostenfinanzierungsverfahren“ bzw. „cost funding“. Hierbei handelt es sich um eine pauschalierte Bezuschussung einer dienstleistungserbringenden Konzerneinheit durch die an den Dienstleistungen interessierten Konzernmitglieder. Der Zuschuss bzw. Beitrag wird dabei auf der Basis einer vorher festgesetzten betriebswirtschaftlichen Bezugsgröße (i.d.R. der Umsatz) bestimmt, wobei die beim Leistungserbringer entstandenen Kosten unberücksichtigt bleiben. Diese kostenunabhängige Bezuschussung wird von den VWG-Umlage zutreffend abgelehnt,6 weil sie nicht dem Grundsatz des Fremdvergleichs entspricht.

4.456

Gleichgerichtete Interessen. An einer Poolumlage können als Poolmitglieder nur solche Konzernunternehmen teilnehmen, die gleichgerichtete Interessen verfolgen, d.h., sie müssen die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen.7 Da im Rahmen des Poolkonzepts zwischen den Poolmitgliedern kein schuldrechtlicher Leistungsaustausch erfolgt, sondern vielmehr die Poolmit-

4.457

1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.1. 2 Vgl. IDW, WPg 1999, 714. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.4 Abs. 1. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.1 („alle Leistungskategorien“). Zu den Änderungen bei F&E-Poolumlagen insb. bei ungleichen Beiträgen der Poolmitglieder durch das BEPS-Projekt siehe inbs. Tz. 8.11, 8.15 ff. und 8.34 ff. OECD-Leitlinien 2017; siehe hierzu auch Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. VIII Anm. 95 ff. u. 174 ff. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886 – VWG Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 50. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.1 Abs. 2; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 378. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.2 Abs. 1. Vgl. hierzu auch Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.342 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.458 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen glieder mit der Zusammenlegung von Aktivitäten, Ressourcen oder Fähigkeiten gegenseitigen Nutzen ziehen, ist der Teilnehmerkreis zwangsläufig auf Unternehmen beschränkt, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen.1 Infolgedessen kommt es nicht zu Leistungsflüssen zwischen den Poolmitgliedern; vielmehr bildet der Pool als Innengesellschaft eine Interessengemeinschaft wirtschaftlich gleichberechtigter Partner. Diese Innengesellschaft (BGB-Gesellschaft) verfolgt keine Gewinnerzielungsabsicht und begründet – zumindest nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung – keine Betriebsstätte.2

4.458 BEPS – Aufnahme Risikokontrollkonzept. Im Rahmen der Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans

wurden auch die Verrechnungspreisgrundsätze für Kostenumlagevereinbarungen (Cost Contribution Arrangements – CCA) geändert. Im Hinblick auf die Anforderungen an den Teilnehmerkreis wurde neben einer berechtigten Erwartung, einen Nutzen aus dem CCA für sich selbst zu ziehen, das Risikokontrollkonzept in Tz. 1.56 ff. OECD-Leitlinien (Rz. 4.139 ff.) auch auf CCA übertragen. Hiernach muss ein Poolmitglied auch über die spezifischen Risiken, die im Rahmen des Umlagepools übernommen werden, die Kontrolle ausüben und die finanzielle Fähigkeit haben, diese Risiken zu tragen. Dies erfordert konkret, dass der Teilnehmer eines CCA – über die Entscheidungskompetenzen zur Übernahme, Nichtübernahme oder Verringerung der durch das CCA repräsentierten risikobehafteten (unternehmerischen) Chancen verfügt und diese Entscheidungsbefugnisse auch tatsächlich ausübt; – über die Fähigkeit verfügt, Entscheidungen über die Art und Weise der Reaktion auf die mit den unternehmerischen Chance verbundenen Risiken zu treffen und diese Entscheidungsfunktion auch tatsächlich ausübt.3

Im Falle der Auslagerung von Risikokontrollfunktionen muss gewährleistet sein, dass mindestens ein Mitglied des CCA die Risikokontrollfunktionen über die ausgelagerten Risiken ausübt.4

4.459 Abgrenzung zu reinen Auftragnehmern. Da der Teilnehmerkreis bei Poolumlagen auf Unterneh-

men beschränkt ist, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen, stehen reine Auftragnehmer, die lediglich Leistungen im Interesse der Poolmitglieder erbringen, ohne die Ergebnisse selbst zu nutzen oder zu verwerten, außerhalb des Pools.5 Ihre Leistungen an den Pool, der in diesem Fall als sog. Nachfragepool auftritt,6 sind zu Fremdpreisen im Wege der Einzelabrechnung (z.B. mithilfe der Preisvergleichs- oder Kostenaufschlagsmethode) zu verrechnen.7 Gleiches gilt für Poolmitglieder, die Leistungen im Interesse des Pools bzw. anderer Poolmitglieder erbringen, ohne die Ergebnisse selbst zu nutzen oder zu verwerten.8 Gem. Tz. 1.4. Abs. 2 VWG-Umlage kann dem Nachfragepool ein nach Art und Umfang bestimmter Anspruch eingeräumt werden, Leistungen selbst abzurufen oder dem leistungserbringenden Unternehmen Aufträge zu erteilen. Werden diese 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.2 Abs. 2. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.1 Abs. 2. Indessen ist nicht sichergestellt, dass auch der ausländische Fiskus eine Betriebsstätte im Rahmen eines Pools, d.h. eine Betriebsstätte der jeweiligen Poolmitglieder, negiert. Vgl. hierzu Kuckhoff/ Schreiber, IStR 2000, 350; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 711 f. 3 Vgl. Tz. 8.15 OECD-Leitlinien 2017; hierzu auch Greil, IWB 2015, 433; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VIII Anm. 95 ff. 4 Vgl. Tz. 8.17 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.2 Abs. 4. 6 Zu denken ist etwa an die Auftragsforschung, die eine zentrale F&E-Gesellschaft an mehrere, als Pool organisierte Konzerngesellschaften erbringt. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.7. Darüber hinaus ist auch eine Leistungsumlage denkbar. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.2 Abs. 4; Tz. 8.14 OECD-Leitlinien 2017.

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Leistungen, die poolexterne Auftragsleistungen darstellen, mit Hilfe der Kostenaufschlagsmethode abgerechnet, sollte der zu verrechnende Gewinnaufschlag in einer Bandbreite zwischen 5 % und 10 % liegen. Ermittlung der Kostenbasis. Voraussetzung für die Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen nach dem Poolkonzept ist die Ermittlung der Kostenbasis, welche mittels eines sachgerechten Umlageschlüssels auf die Poolmitglieder zu verteilen ist (sog. umlegbare Kostenmasse).1 Diese erstreckt sich nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung auf „die tatsächlichen direkten und indirekten Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehen.“2 Insoweit sind der Kostenumlage die Vollkosten auf Istkostenbasis zugrunde zu legen, wobei auch kalkulatorische Kostenelemente, wie eine Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals lt. Steuerbilanz nach dem Habenzinssatz, Berücksichtigung finden können.3 Durch den Ansatz der Vollkosten auf Istkostenbasis wird sichergestellt, dass auch außerordentliche Aufwendungen bzw. ungeplant angefallene Kosten in die zu verteilende Kostenbasis mit einfließen. Dies gilt selbst für den Fall, dass aufgrund unvorhersehbarer Umstände die tatsächlichen Kosten die geplanten Kosten um ein Mehrfaches übersteigen. Ein Pool stellt eine Risikogemeinschaft dar, so dass dessen Mitglieder gemeinsam über die Kostenumlage sämtliche Risiken der Pooltätigkeit tragen. Dazu gehören insbesondere das Kostenrisiko sowie das Preisabweichungsrisiko.4

4.460

Kürzung von Dritteinnahmen. Von der Kostenbasis zu kürzen sind Erträge, „die mit den Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.“5 Die sog. Dritteinnahmen fallen insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie der Erbringung von Dienstleistungen an, sofern die Poolleistungen außerhalb der Gruppe der Poolmitglieder verwertet werden (z.B. aus der Lizenzierung der F&E-Ergebnisse eines Forschungspools an externe Dritte oder an Konzerngesellschaften, die nicht dem Pool angehören). Die Minderung der umlegbaren Kostenmasse durch Dritteinnahmen ist insofern sachgerecht, als die aus der „Drittverwertung“ der Pooltätigkeit resultierenden Gewinne nach dem Poolkonzept allen Poolmitgliedern anteilig zustehen. Dies gilt im Übrigen auch für Standortvorteile, Zuschüsse und Zulagen sowie die Effekte aus steuerlichen Sondervergünstigungen, wie z.B. Sonderabschreibungen.6

4.461

Gewinnaufschlag – kein internationaler Konsens. Über die Frage, ob auf die umlegbare Kostenmasse ein Gewinnaufschlag zu erheben ist oder nicht, konnte bisher international noch kein Konsens erzielt werden.7 Die OECD-Leitlinien lassen diese Frage offen. Auch das EU-JTPF äußert sich in seinen Leitlinien zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung nicht zur Erhebung eines Gewinnaufschlags bei der Poolumlage. Demgegenüber lehnen die VWG-Umlage einen Gewinnaufschlag mit Hinweis auf den gemeinsamen Zweck des Pools und das fehlende unternehmerische Risiko für den Pool grundsätzlich ab.8 Jedoch ist auch die Vorgehensweise der

4.462

1 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.355 ff. 2 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 1. Vgl. zum Terminus „Aufwendungen“ kritisch Kaminski, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 901; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 712 f.; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.355; Baumhoff, IStR 2000, 700. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 4. 4 Das Risiko liegt also nicht beim Pool, sondern (anteilig) bei dessen Mitgliedern; gl.A. Vögele/Freytag, IStR 2000, 249; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 348. 5 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 2. 6 Im Ergebnis ähnlich Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 101 f.; Kuckhoff/ Schreiber, IStR 2000, 376; Baumhoff, IStR 2000, 704; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 712. 7 Zu einem internationalen Vergleich siehe Narraina/Neubauer/Viegener, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 802 ff. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.2.

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Kap. 4 Rz. 4.463 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen deutschen Finanzverwaltung im Ergebnis nicht konsequent, da andererseits die Verrechnung kalkulatorischer Kosten (insbesondere kalkulatorische Eigenkapitalzinsen), welche de facto Gewinncharakter haben, zugelassen wird.1

4.463 Konsequente Unterscheidung zwischen Leistungsumlage und Poolumlage. Die Ursache für die

unterschiedlichen Ansätze in der Frage der Verrechnung eines Gewinnaufschlages sind in den divergierenden Zwecksetzungen der Leistungsumlage einerseits und der Poolumlage andererseits zu suchen (Rz. 4.429 f.). Sieht man in der Leistungsumlage eine gegenüber der Einzelverrechnung zwar vereinfachte, aber dennoch gleichberechtigte Form der Entgeltbestimmung, tritt das leistungserbringende Konzernunternehmen als Dienstleistungsunternehmen auf. Infolgedessen ist seine Tätigkeit darauf gerichtet, Gewinne zu erzielen, so dass ihr nach Maßgabe des Fremdvergleichs auch ein Gewinnzuschlag zusteht.2 Demgegenüber entspricht es dem Grundsatz des Fremdvergleichs im Rahmen des Poolkonzepts, nach welchem mehrere verbundene Unternehmen als gleichberechtigte Partner bei gemeinschaftlichem Risiko einen gemeinsamen Zweck verfolgen, ausschließlich die Kosten ohne Gewinnaufschlag auf die Poolmitglieder zu verteilen. Denn der Pool übt lediglich eine Hilfsfunktion seiner Mitglieder aus und stellt insoweit eine „Non-Profit-Innengesellschaft“ dar.3 Mithin lässt sich der Verzicht auf einen Gewinnaufschlag damit rechtfertigen, dass der Pool selbst kein unternehmerisches Risiko trägt, das eine Risikoprämie in Gestalt eines Gewinnzuschlages erfordern bzw. rechtfertigen würde.4

4.464 Risikosituation des Leistenden als Entscheidungskriterium. Entscheidend für die Frage eines Gewinnaufschlages dem Grunde nach ist letztlich die Risikosituation, in der sich die leistungserbringende, umlageerhebende Konzerneinheit befindet. Werden die Dienstleistungen mit einer rechtlich selbständigen Konzern-Servicegesellschaft im Wege der Umlage abgerechnet, wobei diese Servicegesellschaft ein wirtschaftliches Risiko trägt, ist ein Gewinnaufschlag nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ zwingend. Liegt eine bloße Kooperation international ansässiger Konzerngesellschaften in Form eines Pools, der als Interessengemeinschaft kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt, vor, kann dagegen ein Gewinnaufschlag nicht gefordert werden.

4.465 Umlageschlüssel. Steht die Höhe der umzulegenden Kosten fest, sind sie in einem nächsten Schritt

auf die Poolmitglieder zu verteilen. Dazu ist die Bestimmung eines dem Grundsatz des Fremdvergleichs genügenden Umlageschlüssels notwendig.5 Dieser ist zur Sicherstellung einer verursachungsgerechten Kostenverteilung in regelmäßigen Zeitabständen zu prüfen und ggf. anzupassen.6 Die Rspr. räumt dem Steuerpflichtigen bei der Auswahl des Umlageschlüssels einen erheblichen Ermessensspielraum ein und will einen Umlageschlüssel nur dann beanstanden, wenn für seine Anwendung keine sachlichen Gründe angeführt werden können.7 Grundsätzlich müsse die Wahl des angemessenen Verteilungsschlüssels „den Vereinbarungen der Beteiligten überlassen bleiben“; es

1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 4. 2 So auch Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 66 ff.; Stock/Kaminski, IStR 1998, 9; Kaminski, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 906; Kaminski/Strunk, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1846; Ditz, DB 2004, 1949; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 720 f. 3 Vgl. Raupach, StuW 1990, 400; Scheffler, ZfbF 1991, 483. 4 Ebenso BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.2; IdW, Beilage zu den IDW-FN 1-2/1999, Anm. zu Tz. 7.1.6 VWG 1983; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.218; Engler/Elbert in V/B/E4, N Rz. 427; a.A. Kaminski, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 906; wohl auch Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 721 f. 5 Siehe im Einzelnen zur Bestimmung des Umlageschlüssels Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.368 ff. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.3; siehe auch Tz. 8.34 ff. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BFH v. 2.2.1960 – I 194/59, BB 1960, 731; Ditz, DB 2004, 1950 f.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.466 Kap. 4

sei dabei „nicht vom Standpunkt jedes einzelnen angeschlossenen Unternehmens für jedes Jahr getrennt“ auszugehen, sondern vielmehr sei „die Auswirkung des Maßstabes auf längere Sicht und unter Beachtung der Interessen aller betreuten Unternehmen“ zu analysieren. Von einer gewissen Flexibilität im Rahmen der Festlegung des Umlageschlüssels gehen auch die VWG-Umlage sowie die OECD-Leitlinien aus. So ist nach Tz. 3.2 Abs. 1 VWG-Umlage „der Schlüssel auszuwählen, der im Einzelfall der sachgerechteste ist.“1 Erweisen sich mehrere Umlageschlüssel als „gleichwertig“, liegt es im Ermessen des Steuerpflichtigen, welchen Schlüssel er wählt. Sowohl nach Auffassung der OECD2 als auch der deutschen Finanzverwaltung3 ist die umlegbare Kostenmasse auf der Basis des Nutzens, den jedes Poolmitglied aus der Pooltätigkeit für sich erwartet, aufzuteilen. Dies impliziert letztlich einen Umlageschlüssel nach dem Verhältnis des erwarteten Nutzens eines jeden Poolmitglieds zum erwarteten Gesamtnutzen aus dem Pool.4 Der erwartete Nutzen ist im Rahmen einer sog. Nutzenanalyse anhand betriebswirtschaftlicher Grundsätze und unter Berücksichtigung aller Umstände, die bei Abschluss des Umlagevertrages abzusehen sind, zu ermitteln. Er konkretisiert sich i.d.R. in Form zukünftiger Kosteneinsparungen oder zukünftiger Umsatzsteigerungen aus der Poolteilnahme.5 Dabei muss ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem ermittelten Aufteilungsschlüssel und dem voraussichtlichen Nutzen der Poolmitglieder bestehen. In diesem Zusammenhang kommt als Aufteilungsschlüssel häufig das Verhältnis der Umsätze der Poolmitglieder zur Anwendung. Dies insbesondere aus pragmatischen Gründen.6 Neben dem Umsatz kommen darüber hinaus die Wertschöpfung, der Betriebsgewinn, die Lohnsumme, das investierte Kapital, das Vermögen, der Materialaufwand, die Maschinenstunden, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Anzahl der voraussichtlich eingesetzten, hergestellten oder verkauften Einheiten einer Produktlinie oder sonstige betriebliche Kennziffern in Betracht.7 Diese Schlüsselgrößen können auch als sog. „Mischschlüssel“ – ggf. mit unterschiedlicher Gewichtung – kombiniert werden.8 Eintrittszahlungen. Verbundene Unternehmen, die sich nach Abschluss eines Kostenumlagevertrages erst zu einem späteren Zeitpunkt einem Kostenpool anschließen, haben gem. Tz. 4.1 Abs. 1 VWG-Umlage9 eine Eintrittszahlung (sog. „buy in payment“) zu leisten, soweit sie von den in der Vergangenheit durch den Pool entwickelten Ergebnissen ad hoc profitieren. Dies kann bspw. im Rahmen eines F&E-Pools der Fall sein, der bereits vor Eintritt des neuen Poolmitglieds materielle oder immaterielle Vermögenswerte bzw. Know-how entwickeln konnte, deren Zugang sich das neue Poolmitglied im Rahmen der Eintrittszahlung erkauft.10 Im Dienstleistungssektor haben Ein1 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.2 Abs. 1. 2 Vgl. Tz. 8.5 f., 8.12 f. und 8.23 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.2 Abs. 1. 4 Siehe hierzu Tz. 8.13 und 8.23 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.372; Engler/Elbert in V/B/E4, N Rz. 416. Dazu kritisch Ditz, DB 2004, 1952. 5 Vgl. dazu Vögele/Scholz, IStR 2000, 557 ff.; Ditz, DB 2004, 1951 f. 6 Dazu kritisch Vögele/Scholz/Hoffmann, IStR 2001, 94. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122 Tz. 3.2 Abs. 2; Tz. 8.19 OECD-Leitlinien 2017. Die Aufzählung in den VWG-Umlageverträge 1999 und den OECD-Leitlinien ist indessen nicht abschließend. Insofern können auch weitere Umlageschlüsse Anwendung finden, soweit sie zu einem angemessenen Ergebnis führen, vgl. Runge in FS Haas, 303; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS.Uml Rz. 95 sowie OECD-Kap. VIII Anm. 113. 8 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 3.2 Abs. 2. 9 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.1 Abs. 1. 10 Zur Aktivierungspflicht der Eintrittszahlung vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.1 Abs. 1.

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4.466

Kap. 4 Rz. 4.467 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen trittszahlungen hingegen eine nur untergeordnete Bedeutung;1 die VWG-Umlage lehnen eine Eintrittszahlung bei verwaltungsbezogenen Leistungen sogar gänzlich ab.2 Die OECD-Leitlinien haben ihre generelle Ablehnung von Eintrittszahlungen bei verwaltungsbezogenen Leistungen aufgegeben; die Erforderlichkeit von Eintrittszahlungen ist im Hinblick auf den Poolzweck und die Teilhabe des neuen Poolmitglieds an vorhandenden Vorleistungen, materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern unter Fremdvergleichsgesichtspunkten zu bestimmen.3 Dies ist bezogen auf verwaltungsbezogene Dienstleistungen auch sachgerecht. Zum einen hat sich die dem Pool beitretende Konzerngesellschaft bis zum Zeitpunkt ihres Eintritts nicht an den Aufwendungen des Pools zur Schaffung der Voraussetzungen zur Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen beteiligt. Zum anderen können auch im Dienstleistungsbereich verwertbare und „speicherbare“ Vorleistungen erbracht werden, die eine Eintrittszahlung unter Fremdvergleichsgesichtspunkten rechtfertigen.4 Zu denken ist etwa an Gutachten im Rahmen von Projektanalysen sowie die Erstellung von Vertragsentwürfen und Studien, wie z.B. Standort-, Markt- oder Produktanalysen.

4.467 Höhe der Eintrittszahlungen. Als besonders schwierig erweist sich die Frage der Bewertung der

Eintrittszahlung. Die Eintrittszahlung hat sich nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs am Wert der vorhandenen Projektergebnisse im Zeitpunkt des Beitritts des neuen Poolmitglieds auszurichten. Darüber hinaus hat sie den erwarteten Nutzen der beitretenden Konzerngesellschaft aus der Verwertung der vorhandenen Ergebnisse des Pools zu berücksichtigen. Dieser zukünftige Nutzen ist allerdings nur schwer quantifizierbar. In der Verrechnungspreispraxis wird daher auf die Kostenaufschlagsmethode zurückgegriffen, wobei nur solche Kosten berücksichtigungsfähig sind, die ein ordentlicher Geschäftsleiter in einer vergleichbaren Situation als erforderlich ansehen würde. Bringt das beitretende Mitglied eigene Projektergebnisse in den Pool ein, die im Interesse, zum Nutzen und zum Vorteil der bisherigen Poolmitglieder sind, können die ggf. daraus resultierenden Ausgleichszahlungen an das leistende Mitglied und die von ihm ggf. zu entrichtende Eintrittszahlung miteinander verrechnet werden. Dies führt letztlich zur Verrechnung eines Spitzenausgleichs.5 Bringt der Eintretende einen annähernd gleichen Wissensstand wie die bisherigen Poolmitglieder in den Pool mit ein, scheidet dagegen ein Ausgleich vollkommen aus.6

4.468 Höhe der Austrittszahlungen. Neben Eintrittszahlungen sehen die VWG-Umlage in bestimmten

Fällen Austrittszahlungen (sog. „buy out payment“) bei vorzeitigem Ausscheiden eines Poolmitglieds vor.7 Austrittszahlungen an die verbleibenden Poolmitglieder sind zu leisten, wenn der Austritt des Poolmitglieds zu einer identifizierbaren und quantifizierbaren Verminderung des Werts des fortgeführten Umlagevertrages führt. Dies ist bspw. der Fall, wenn die verbleibenden Poolmitglieder vom Pool entwickelte Rechte an immateriellen Vermögenswerten bzw. halbfertigen

1 Gl.A. Runge in Raupach, Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen in betriebswirtschaftlicher, gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, 173; wohl a.A. Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 726; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS.Uml Anm. 115 f. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.1 Abs. 3. 3 Siehe hierzu Tz. 8.44 f. OECD-Leitlinien 2017; zur vorherigen Auffassung siehe Tz. 8.36 OECD-Leitlinien 2010. 4 Vgl. Baumhoff, IStR 2000, 731. 5 Vgl. Tz. 8.45 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.1 Abs. 1; zu den möglichen Eintrittszahlungen bei F&E-Pools vgl. Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.390; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS.Uml Anm. 116; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, 395 ff. 6 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.1 Abs. 1. 7 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.2.

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D. Verrechnungspreisermittlung bei Liefer- und Leistungsbeziehungen | Rz. 4.469 Kap. 4

Arbeiten oder Kenntnisse, die im Rahmen der bisherigen Poolaktivitäten geschaffen wurden, dem austretenden Poolmitglied überlassen oder abtreten.1 Umgekehrt erhält das ausscheidende Poolmitglied eine Austrittszahlung von den verbleibenden Poolmitgliedern, wenn die bisher vom Pool entwickelten Erkenntnisse und Ergebnisse zukünftig nur oder überwiegend den verbleibenden Poolmitgliedern zugutekommen. Dies ist der Fall, wenn der Ausscheidende seine Vermögensrechte aus dem Umlagevertrag an die verbleibenden Poolmitglieder überträgt.2 Insoweit entsteht bei diesem ein einmaliger Veräußerungsgewinn, es sei denn, die entsprechenden Rechte werden an die verbleibenden Poolmitglieder lizenziert (Rz. 4.392 ff.).3 Wird die Poolaktivität als Ganzes beendet bzw. aufgelöst, stehen den Poolmitgliedern die Ergebnisse der Pooltätigkeit jeweils anteilig zu. Dieser Anteil bemisst sich an den während der Laufzeit des Umlagevertrages gezahlten Kostenumlagen sowie eventuell geleisteter Eintritts- oder Ausgleichszahlungen an den Pool.4 Kostenumlagevertrag und Dokumentation. Um eine ausreichende Dokumentation des jeweiligen Poolkonzepts sicherzustellen5 – insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 90 Abs. 3 AO und 5 Abs. 2 Nr. 2 GAufzV6 – kann in der Verrechnungspreispraxis auf den Abschluss eines schriftlichen Kostenumlagevertrages (sog. „cost allocation agreement“) nicht verzichtet werden.7 Ein Umlagevertrag sollte dabei insbesondere folgende Regelungen enthalten:8 – Benennung der Poolmitglieder sowie ggf. weiterer Nutznießer aus dem Umlagevertrag, – Beschreibung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistung(en), – Ermittlungsart und Umfang der umlagerelevanten Kosten, – Ermittlung des voraussichtlichen Nutzens für die jeweiligen Poolmitglieder, – Bestimmung des Umlageschlüssels, – Beschreibung, wie der Wert der anfänglichen und der späteren Leistungsbeiträge der Poolmitglieder ermittelt und einheitlich auf alle Poolmitglieder verrechnet wird, – Art und Umfang der Rechnungskontrolle (z.B. bei Vorauszahlungen, Zeitpunkt der Zahlungen), – Bestimmungen über die Anpassung an veränderte Verhältnisse (vertragliche Anpassungsklausel), – Vertragsdauer, 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.2 Abs. 1. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.2 Abs. 3; Vögele/Freytag, IStR 2000, 252. 3 Vgl. IdW, WPg 1999, 716. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.2 Abs. 4. 5 Vgl. insbesondere auch die Dokumentationsanforderungen nach BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 5. Siehe dazu im Einzelnen Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 381 ff.; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.394 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 122 f. 6 § 4 Abs. 2 Nr. 2 GAufzV. 7 Siehe auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 1.3. 8 Vgl. hierzu BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 5.1.1; Tz. 8.50 ff. OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.394 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 609; Hahn in Formularbuch Recht und Steuern6, 591 ff.; Engler/Elbert in V/B/E4, N Rz. 435 f.; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, VerwGrS.Uml Anm. 140 ff.

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4.469

Kap. 4 Rz. 4.470 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – Bestimmungen über die Vertragsauflösung sowie ggf. die Voraussetzungen und Folgen des Eintritts neuer und des vorzeitigen Austritts bisheriger Poolmitglieder (Ein- und Austrittszahlungen), – Zugriff auf Unterlagen, welche die Ermittlung der umzulegenden Kostenmasse und des Umlageschlüssels sowie die Leistungen des Pools bzw. des leistungserbringenden Unternehmens dokumentieren, – Zuordnung der Nutzungsrechte an immateriellen Vermögenswerten im Falle eines Forschungsund Entwicklungspools, – Berücksichtigung von Dritteinnahmen und anrechenbaren Leistungen, – Festlegung von Informations- und Prüfungsrechten bzw. -pflichten, – Sicherstellung der Dokumentationserfordernisse nach den nationalen Steuergesetzen der Ansässigkeitsstaaten der Poolmitglieder, – Steuern (Umsatz- und ggf. Quellensteuer1), – anwendbares Recht, – Schiedsgerichtsregelung, – salvatorische Klausel.

E. Vorteilsausgleich I. Rechtsgrundlage und Begriff 4.470 Rechtsgrundlage. Als Rechtsgrundlage für einen Vorteilsausgleich kommt zunächst § 1 AStG in

Betracht, der als einzige Einkünftekorrekturvorschrift den Fremdvergleichsgrundsatz ausdrücklich erwähnt und konkretisiert. Allerdings ist in § 1 AStG vom Vorteilsausgleich unmittelbar keine Rede. Der steuerrechtliche Einfluss eines Vorteilsausgleichs auf die Rechtsfolge des § 1 AStG ergibt sich unmittelbar aus dem Veranlassungsprinzip, das durch den Fremdvergleich konkretisiert wird. Die Inkaufnahme eines Nachteils muss durch einen anderweitigen Vorteil veranlasst sein. Die entsprechende Veranlassung setzt voraus, dass sich Vor-und Nachteil annähernd ausgleichen bzw. dass der Vorteil höher als der Nachteil ausfällt. Der Vorteilsausgleich erfordert eine innere Verknüpfung zwischen den betreffenden Geschäftsbeziehungen. Die innere Verknüpfung ergibt sich aus dem Veranlassungsprinzip, in das auch § 1 AStG eingebettet ist. Innerhalb des § 1 AStG ist unter dem Fremdvergleich der Fremdvergleich i.S. von „dealing at arm’s length“ zu verstehen. Da ein fremder Dritter betriebswirtschaftlich vernünftig handelt, wenn er einen Vermögensnachteil in Kauf nimmt, um einen anderweitigen (zumindest gleich hohen) Vermögensvorteil zu erzielen, muss sich auch der Steuerpflichtige in der Beurteilung seiner Beziehung zu einer ihm nahestehenden Person auf diesen Grundsatz berufen können. Vor diesem Hintergrund besteht die Rechtsgrundlage des Vorteilsausgleichs unmittelbar im Fremdvergleichsgrundsatz selbst, wie ihn § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG definiert und § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG mit dem Handeln ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter als Sollvergleichstatbestand konkretisiert. Insofern fehlt es bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Vorteilsausgleichs an einem Abweichen der vertraglich vereinbarten Bedingungen vom Fremdvergleichsgrundsatz, auf das eine Minderung im Inland steuerpflichtiger Einkünfte für eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG zurückgehen muss („dadurch […] dass“). Der Vorteilsausgleich muss im Bereich der vGA, der verdeckten Einlage, der Entnahme und des § 1 AStG einheitlich behandelt werden. Der Vorteilsausgleich muss ferner unter zwei unterschied1 Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung unterliegen die Umlagezahlungen nicht der Quellensteuer, vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 4.4 Abs. 1; hierzu Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 6.410 f.

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E. Vorteilsausgleich | Rz. 4.473 Kap. 4

lichen Aspekten gesehen werden. Er kann zum einen Gegenstand der zwischen verbundenen Unternehmen tatsächlich bestehenden Geschäftsbeziehungen sein. Insoweit stellt sich die Frage, ob der Vorteilsausgleich die Annahme einer Einkünfteminderung für Zwecke von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG (vgl. Rz. 4.77) oder einer Minderung des bilanziellen Unterschiedsbetrags für Zwecke einer vGA (vgl. Rz. 4.28 ff.) ausschließt. Daneben kann sich jedoch auch innerhalb eines tatsächlichen oder hypothetischen Fremdvergleichs die Frage stellen, ob entweder tatsächlich existierende oder aber gedachte ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einen bestimmten Vorteilsausgleich akzeptiert hätten. Begriff. Grundsätzlich sind konzerninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen einzeln nach dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ zu erfassen und mit einem angemessenen Verrechnungspreis zu bewerten (Grundsatz der Einzelbewertung). Allerdings ist es auch zwischen unabhängigen Dritten bei dauerhaften und umfangreichen Geschäftsbeziehungen durchaus üblich, Vorteile aus einem Einzelgeschäft mit Nachteilen aus einem anderen zu kompensieren. Hierbei wird von einem Vorteilsausgleich gesprochen.

4.471

Unter einem Vorteilsausgleich versteht man den kalkulatorischen Ausgleich von Vorteilen des einen Geschäfts mit Nachteilen eines anderen, wobei begrifflich zwischen den Geschäften kein personeller, sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Insoweit knüpft der Vorteilsausgleich an die wechselseitigen Leistungsbeziehungen zwischen zwei Vertragspartnern (hier: zwei Konzernunternehmen) an. Dabei erbringen die beiden Vertragspartner ihre jeweiligen Leistungen gegenüber dem anderen entweder zu einem – isoliert gesehen – unangemessen hohen oder niedrigen Entgelt, wobei sich die unangemessenen Beträge der Höhe nach entweder voll oder teilweise decken. Außerdem ist der Fall denkbar, dass der eine Vertragspartner dem anderen mehrere Leistungen erbringt, von denen er für die eine ein unangemessen hohes und für die andere ein unangemessen niedriges Entgelt fordert. Auch in diesem Fall können sich Vor- und Nachteile aus den Leistungsbeziehungen ganz oder teilweise ausgleichen. Kalkulatorischer Ausgleich. Wirtschaftlich betrachtet erfolgt beim Vorteilsausgleich eine Saldierung vorteilhafter mit nachteiligen Geschäften. Es werden bei bestimmten Einzeltransaktionen bewusst Gewinneinbußen in Kauf genommen, um, wie z.B. im Wege eines absatzwirtschaftlichen Verbundes, diese mit besonders gewinnträchtigen Geschäften zu kompensieren (sog. kalkulatorischer Ausgleich). Derartige Konstellationen treten innerhalb eines internationalen Unternehmensverbunds insbesondere im Zusammenhang mit wechselseitigen Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen auf. So kann z.B. die Zahlung einer überhöhten Beratungsgebühr an die Muttergesellschaft durch eine zu niedrige Lizenzgebühr zugunsten der Tochtergesellschaft ausgeglichen werden, ohne dass daraus einem der Geschäftspartner wirtschaftliche Nachteile entstehen. Daher kann es nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelerfassung internationaler Liefer- und Leistungstransfers angesehen werden, einen solchen Ausgleich vor- und nachteiliger Geschäfte auch zwischen international verbundenen Unternehmen zuzulassen und unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich anzuerkennen. Die besondere steuerliche Relevanz einer solchen Saldierung von Einzelgeschäften wird daraus ersichtlich, dass sowohl die OECD-Leitlinien1 als auch die VWG 19832 den Vorteilsausgleich in einem gesonderten Abschnitt diskutieren.

4.472

Angemessenheit beim Vorteilsausgleich. Ein Vorteilsausgleich ist in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst wird für die im Wege des Vorteilsausgleichs zu verrechnende Leistung und Gegenleistung isoliert festgestellt, ob und inwieweit die vereinbarten Entgelte angemessen bzw. unangemessen sind. Ist die Angemessenheit oder Unangemessenheit eines Leistungsentgelts festgestellt, so schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung an, ob und inwieweit sich für den einzelnen Vertragspartner die aus einem unangemessenen Entgelt ergebenden Vor- oder Nachteile durch andere Nach- oder Vorteile ausgleichen bzw. ob ein an sich angemessenes Entgelt mit Rücksicht auf

4.473

1 Vgl. Tz. 3.13 ff. OECD-Leitlinien 2010. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.

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Kap. 4 Rz. 4.474 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen weitere Leistungsbeziehungen als unangemessen zu behandeln ist. Aufgrund eines Vorteilsausgleichs kann sich deshalb sowohl die Angemessenheit eines (isoliert gesehen) unangemessenen Verrechnungspreises als auch die Unangemessenheit eines (isoliert gesehen) angemessenen Verrechnungspreises ergeben. Er beinhaltet stets die Kompensation wirtschaftlich selbständiger Geschäfte. Er ist deshalb von Teilleistungen innerhalb eines wirtschaftlich einheitlichen Geschäftes abzugrenzen. Bei dem wirtschaftlich einheitlichen Geschäft besteht stets ein personeller, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang, der zu einer Gesamtschau von Leistungen und Gegenleistungen zwingt. Ferner sind im Vorfeld der Vorteilsausgleichsproblematik zivilrechtliche Ansprüche aus der Vorteilszuwendung zu prüfen. Diese Prüfung sollte vor Durchführung des zweiten Schritts vorgenommen werden. Allerdings kann kein Vorteilsausgleich angenommen werden, soweit ein verbundenes Unternehmen seinem konzerninternen Vertragspartner mit Rücksicht auf langjährige Geschäftsbeziehungen einen Vorzugspreis einräumt, der einem fremden Dritten nicht gewährt worden wäre.

4.474 Voraussetzungen der steuerlichen Anerkennung. Rechtsprechung1 wie Finanzverwaltung erkennen den Vorteilsausgleich grundsätzlich an. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung2 setzt die steuerliche Anerkennung eines Vorteilsausgleichs jedoch voraus, dass

1. derselbe auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen (unabhängigen Dritten) denkbar ist, 2. die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang zueinanderstehen, 3. die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind und 4. die Vor- und Nachteilsverrechnung vereinbart war oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäftes gehört. Die erste Forderung, dass der Vorteilsausgleich auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen (unabhängigen Dritten) denkbar ist, hat in der Verrechnungspreispraxis wenig Bedeutung. Mithilfe dieser Voraussetzung soll ein Vorteilsausgleich steuerlich dann nicht anerkannt werden, wenn besondere Umstände des konkreten Einzelfalles die Annahme nahelegen, dass der Vorteilsausgleich zwischen fremden Dritten nicht bzw. so nicht vereinbart worden wäre. Ob die zweite Forderung nach einem „inneren Zusammenhang“ zwischen Geschäft und Gegengeschäft wirklich gerechtfertigt ist, ist fraglich. Die Rechtsgrundlage des Vorteilsausgleichs legitimiert eine solche Forderung nicht. Der Ausdruck „innerer Zusammenhang“ ist im Übrigen unklar. Er wird in Tz. 2.3.1 VWG 19833 i.S.v. wirtschaftlich einheitlichen Geschäften ausgelegt. Danach müssen Leistung und Gegenleistung so miteinander verknüpft sein, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind. Eine solche Forderung widerspricht jedoch geradezu dem Grundgedanken des Vorteilsausgleichs, der sich gerade nicht auf wirtschaftlich einheitliche, sondern auf wirtschaftlich verschiedene Geschäfte bezieht (Rz. 4.472) und steht im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Realität, in der voneinander unabhängige Dritte einen Vorteilsausgleich nicht nur innerhalb wirtschaftlich einheitlicher Geschäfte akzeptieren. Anzuerkennen sind dagegen die beiden weiteren Voraussetzungen nach der Quantifizierbarkeit der Vor- und Nachteile und der Kompensationsabsicht der Vertragspartner. Beide Forderungen lassen sich unmittelbar aus dem Fremdvergleich ableiten. Ein fremder Dritter wird einen Nachteil nur in Kauf nehmen, wenn er von vornherein mit seinem Ausgleich durch einen anderweitigen Vorteil hinreichend sicher rechnen kann. Eine solche Prognose setzt die Quantifizierbarkeit der 1 Vgl. etwa FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, rkr., EFG 2006, 1562. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.1 u. 2.3.2. Siehe dazu auch Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.165 ff., Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.173 ff. mit einer Abgrenzung des Vorteilsaugleichs im Rahmen der vGA vom Vorteilsausgleich im Rahmen von § 1 AStG; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 613 f.; Gundel in FS Flick, 790 f. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.1.

592 | Baumhoff/Liebchen

E. Vorteilsausgleich | Rz. 4.475 Kap. 4

Vor- und Nachteile von vornherein voraus. Außerdem muss zwischen Vor- und Nachteil eine „do ut des“-Absicht bestehen. Verbundene Unternehmen müssen deshalb das Vorhandensein ihrer Kompensationsabsicht im Zeitpunkt des Abschlusses des nachteiligen Geschäfts nachweisen. Zweckmäßigerweise wird die Kompensationsabsicht in eine schriftliche Vereinbarung aufgenommen. Dies ist allerdings keine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung des Vorteilsausgleichs. Die Existenz einer Kompensationsabsicht kann auch in anderer Weise nachgewiesen werden. Der Fremdvergleich rechtfertigt schließlich auch die Forderung nach einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem vorteilhaften und dem nachteilhaften Geschäft. Ein fremder Dritter würde einem nachteiligen Geschäft nur zustimmen, wenn er mit dem Abschluss des vorteilhaften Geschäftes sicher rechnen kann. Dies ist nur der Fall, wenn er einigermaßen konkret damit rechnen kann. Dies setzt einen gewissen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Geschäften voraus. Deshalb kann aber nicht ein Ausgleich innerhalb desselben Wirtschaftsjahres gefordert werden.1 Vorteilsausgleich nach den OECD-Leitlinien vs. VWG 1983. Der OECD-Steuerausschuss betont, dass eine konzerninterne Vereinbarung über einen Vorteilsausgleich keinesfalls die Forderung nach der Fremdvergleichbarkeit der Verrechnungspreise aufheben kann.2 In diesem Zusammenhang wird dem Steuerpflichtigen empfohlen, eine Dokumentations- und Nachweisvorsorge derart zu treffen, dass dieser Vorteils-/Nachteilsausgleich im Zeitpunkt der Vereinbarung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz in Einklang stand. Vorausgesetzt wird also auch hier eine Kompensationsabsicht zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses, wobei lediglich gefordert wird, dass sich die einander gewährten Vorteile „bis zu einem bestimmten Grad“ ausgleichen. Das setzt jedoch voraus, dass man sich über die Höhe der wechselseitig gewährten Vorteile bewusst ist und diese auch im Einzelnen quantifizieren kann. Vergleicht man den Forderungskatalog der OECD-Leitlinien zum Vorteilsausgleich mit demjenigen der VWG 1983, so zeigt sich, dass die OECD-Leitlinien lediglich voraussetzen, dass – ein Ausgleich auch zwischen Fremden denkbar sein muss und – die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind. Demgegenüber fordern die VWG 19833 zusätzlich, dass – die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang stehen und – die Vorteilsverrechnung vereinbart gewesen ist oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäfts gehört hat. Dieser Versuch der VWG 1983, den Vorteilsausgleich unter enge zeitliche und sachliche Grenzen zu stellen, wird somit von den OECD-Leitlinien nicht gedeckt. Allerdings steht die Forderung nach einer im Voraus getroffenen Vereinbarung über einen Vorteilsausgleich im Einklang mit der Rspr. des BFH.4 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECDMA ist jedoch zu beachten, dass die ihr entsprechenden Vorschriften des jeweiligen DBA nicht auf diesen formalen Aspekt abstellen. Gegenüber rein formalen Beanstandungen entfalten diese insofern eine Sperrwirkung.5 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass die 1 2 3 4 5

So jedoch Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.3. Vgl. Tz. 3.15 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.2. Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; H 8.5 KStH 2015 „Vorteilsausgleich“. Vgl. FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, rkr., EFG 2008, 161; BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerecht4, Rz. 21.143 m.w.N., Baumhoff/ Greinert, IStR 2008, 353; Rasch, IWB, Fach 3a, Gruppe 1, 1103; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 704 f.; Rasch, IWB 2012, 198 ff. Siehe ferner zur Beschränkung der Art. 9 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen auf die materielle Angemessenheit BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = ISR 2015, 121 m. Anm. Ditz/Quilitzsch; v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 22.10.2015 – I B 122/14, BFH/NV 2016, 405.

Baumhoff/Liebchen | 593

4.475

Kap. 4 Rz. 4.476 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen OECD-Leitlinien den nationalen Finanzverwaltungen zumindest die Möglichkeit eröffnen,1 auch einen unbeabsichtigten, d.h. nachträglichen, Vorteilsausgleich zu gewähren.2 Eine solche Möglichkeit wird von der deutschen Finanzverwaltung in den VWG 1983 aber ausdrücklich nicht zugelassen.3

4.476 Vorteilsausgleich im Konzern. Umstritten ist die Frage, ob neben einem „bilateralen“ Vorteilsaus-

gleich zwischen zwei verbundenen Unternehmen auch ein Vorteilsausgleich zwischen mehreren Gesellschaften des Unternehmensverbundes steuerlich anzuerkennen ist (sog. Vorteilsausgleich im Konzern). Während die VWG 1983 in diesem Zusammenhang keine eindeutige Stellung beziehen,4 gehen die OECD-Leitlinien nur von einem bilateralen Vorteilsausgleich aus.5 Dies entspricht im Übrigen der Rspr. des BFH, nach welcher ein Vorteilsausgleich nur innerhalb eines zweiseitigen Verhältnisses möglich sein soll.6 Ferner deutet der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG in diese Richtung.7 Sieht man jedoch die theoretische Rechtfertigung des Vorteilsausgleichs im Grundsatz des Fremdvergleichs, bleibt für eine Ablehnung des Vorteilsausgleichs im Konzern kein Raum. Dies zeigt bereits die Rspr. zu Gewinnverlagerungen zwischen Schwestergesellschaften (Rz. 4.56 ff.). Wenn Gewinnverlagerungen zwischen Schwestergesellschaften steuerlich unter Einbeziehung des gemeinsamen Gesellschafters abzuwickeln sind, ist auch ein Vorteilsausgleich unter Einbeziehung des Gesellschafters anzuerkennen.8 Darüber hinaus wäre auch ein ordentlicher Geschäftsleiter bereit, einen Nachteil von einem verbundenen Unternehmen hinzunehmen, wenn er im Verhältnis zu einem anderen verbundenen Unternehmen mit einem entsprechenden Vorteil rechnen kann. Allerdings ist es schwieriger, die Vor- und Nachteile zu quantifizieren, wenn mehrere Personen an dem zu verrechnenden Leistungsaustausch beteiligt sind. Ferner lässt sich die Kompensationsabsicht umso schwieriger feststellen, je mehr Personen Vor- und Nachteile untereinander verrechnen wollen. Darüber hinaus muss sich für alle beteiligten Konzernunternehmen ein Ausgleich ihrer Vor- und Nachteile ergeben. Deshalb ist der Vorteilsausgleich innerhalb einer Gruppe von verbundenen Unternehmen nur schwer durchführbar. An seinen Nachweis sind – insbesondere vor dem Hintergrund der Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO (Rz. 4.582 ff.) – hohe Anforderungen zu stellen.

4.477 Kein fiktiver Vorteilsausgleich mehr. Die deutsche Finanzverwaltung ließ einige Jahre lang bei

der Erbringung von „technologischen Dienstleistungen“ deutscher Muttergesellschaften gegenüber Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern in bestimmten Fällen einen sog. „fiktiven Vorteilsausgleich“ zu.9 Sofern der Abschluss von Lizenz- und Dienstleistungsverträgen im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft verboten war, devisenrechtliche Transferverbote einer Entgeltzahlung entgegenstanden oder in diesem Zusammenhang eine „exzessive Besteuerung“ bzw. eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs drohte, sollte sich die Außenprüfung auf eine globale Prüfung des Waren- und Leistungsverkehrs beschränken. Faktisch wurde damit, sofern die o.g. Voraussetzungen vorlagen, im Interesse einer Sicherung der Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern auf die Zahlung von Vergütungen für technische und administrative Beratungsleistungen und für die Überlassung von im1 Vgl. Tz. 3.17 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. hierzu auch Dawid/Renaud in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECDKap. III Anm. 82 ff. 3 Siehe auch H 8.5 KStH 2015 „Vorteilsausgleich“. 4 Siehe aber auch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 2.1 Abs. 7. 5 Vgl. Tz. 3.13 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; gl.A. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.176. 7 So auch Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.176. 8 Vgl. hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 3.169. 9 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 10.8.1995, WPg 1995, 674. Siehe hierzu auch Böcker in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 179.

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E. Vorteilsausgleich | Rz. 4.479 Kap. 4

materiellen Wirtschaftsgütern (z.B. Patenten, Marken, Know-how) verzichtet. Allerdings waren Löhne und sonstige Kosten von entsandtem oder durch die ausländische Tochtergesellschaft unmittelbar eingestelltem Personal von dieser Regelung ausgenommen.1 Die vorgenannten Grundsätze gehen dem Vernehmen nach auf einen gemeinsamen Beschluss der Außensteuerreferenten des Bundes und der Länder Ende der 1970er Jahre zurück. Sie wurden für die Prüfung „technologischer Dienstleistungen“, d.h. für die Prüfung von Vergütungen für technische und administrative Beratungsleistungen und für die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. Lizenzen für Patente, Marken, Know-how), bundeseinheitlich angewandt.2 Mit Verfügung vom 4.3.2010 wurde diese Verfügung ersatzlos gestrichen,3 so dass ab dem Jahr 2011 davon ausgegangen werden muss, dass diese Grundsätze durch die Finanzverwaltung nicht mehr angewendet werden. Gleichwohl deuten Äußerungen von Vertretern der Finanzverwaltung darauf hin, dass diese Verwaltungspraxis auch auf spätere Jahre angewendet wurde bzw. noch heute wird.4

II. Vorteilsausgleich und Palettenbetrachtung Vor- und Nachteile aus Liefer- und Leistungspaketen. Vom „echten“ Vorteilsausgleich zu unterscheiden ist die Saldierung von Vor- und Nachteilen aus Liefer- und Leistungspaketen bzw. einzelnen Teilleistungen. Hierbei wird im Rahmen einer Angemessenheitsbeurteilung nicht isoliert auf den einzelnen Produktpreis oder die einzelne Dienstleistung abgestellt, vielmehr wird eine gesamte Produktpalette bzw. eine Gruppe gleichartiger oder verwandter Produkte bzw. Leistungen analysiert. Die Angemessenheitsprüfung bezieht sich damit auf eine Gesamtanalyse i.S. einer Saldobetrachtung; auf die Angemessenheit des Produkteinzelpreises bzw. der einzelnen Leistungsgebühr kommt es insoweit nicht an.

4.478

In der Praxis der steuerlichen Verrechnungspreisprüfung hat sich für eine derartige Saldierung unangemessen niedriger mit unangemessen hohen Produkteinzelpreisen bzw. Leistungsgebühren der Begriff der „Palettenbetrachtung“5 herausgebildet, wofür die Finanzverwaltung die strengen Regeln der VWG 1983 (Rz. 4.474) zum Vorteilsausgleich nicht anwendet. Somit muss zunächst nicht jeder einzelne Produktpreis oder jede einzelne Gebühr beim konzerninternen Lieferungs- und Leistungsaustausch einem Fremdvergleich standhalten. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass hinsichtlich der zu analysierenden Produktpalette bzw. des Leistungsbündels ein angemessener Gesamtpreis vereinbart wurde. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch unter fremden Dritten aus marktspezifischen Erwägungen vielfach Mischkalkulationen i.S. eines kalkulatorischen Ausgleichs vorgenommen werden, um Preisnachteile bei Einzelprodukten und -leistungen mit anderen Preisvorteilen zu verrechnen. „Paketgeschäfte“ nach den OECD-Leitlinien. Die OECD diskutiert die Zusammenfassung von Vor- und Nachteilen mehrerer Teilleistungen unter dem Stichwort „Paketgeschäfte“. In Tz. 3.9 OECD-Leitlinien wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es häufig Geschäfte gibt, die so eng miteinander verbunden sind, dass bei separater Betrachtung eine Angemessenheitsbeurteilung unmöglich ist.6 Als Beispiele werden Langzeitverträge über Warenlieferungen oder Dienstleistungen, Rechte zur Benutzung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Bewertung einer Gruppe verwandter 1 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 10.8.1995, WPg 1995, 674. 2 Vgl. nur Rupp in D/P/M, IntGA Rz. 947 (Stand: August 2014). 3 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 4.3.2010 - S 1341A - St 33 3, vgl. IDW, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2016, Bd. 1, 1425 Fn. 1. 4 Vgl. nur Rupp in D/P/M, IntGA Rz. 947 (Stand: August 2014). 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.13; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 521 f.; kritisch Kleineidam, IStR 2001, 728. Zur Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen instruktiv auch Bauer, DB 2008, 152 ff.; Baumhoff in Baumhoff/Schönfeld, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 147 f. 6 Vgl. Tz. 3.9 OECD-Leitlinien 2017.

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4.479

Kap. 4 Rz. 4.480 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Produkte (i.S. einer Produktlinie oder -palette), sofern es unpraktisch wäre, für jedes einzelne Produkt oder jeden einzelnen Geschäftsvorfall einen gesonderten Preis festzulegen, genannt. Derartige Geschäfte, die in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, können nach Auffassung der OECD zusammen bewertet werden, wenn es sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hierbei um die Verrechnung von Vor- und Nachteilen mehrerer Teilleistungen handelt.1 Solche Teilleistungskombinationen sind auch zwischen Fremden denkbar und in vielen Geschäftszweigen üblich. So können die Lizenzierung von Herstellungs-Know-how und die Überlassung wesentlicher Komponenten jeweils als Teilleistung bzw. -lieferung betrachtet werden, die erst zusammengefasst als einheitliches Geschäft anzusehen sind und daher nur über einen Gesamtpreis verrechnet werden können (siehe auch Rz. 4.335 und 4.396 f.). Die OECD-Leitlinien weisen in Tz. 3.12 zu Recht auf die praktischen Schwierigkeiten hin, die dadurch entstehen können, dass sich die Besteuerung der verschiedenen Teilelemente eines Gesamtgeschäfts nach nationalem Recht oder auf Basis der DBA unterscheidet.2 Als Beispiel werden Lizenzgebühren angeführt, die Gegenstand einer Quellenbesteuerung sind, während Leasinggebühren i.d.R. ohne Quellensteuer vereinnahmt werden. Insofern kann unter diesem Aspekt ggf. dennoch eine Aufteilung der Gesamtgeschäfte in mehrere Teilgeschäfte geboten sein.3

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen I. Einführung 4.480 Gesamtbewertung eines Transferpakets. Durch das UntStRefG 20084 wurden erstmals der Tat-

bestand der Funktionsverlagerung sowie deren Besteuerung in § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG gesetzlich verankert. Gemäß diesen Vorschriften soll bei der Verlagerung betrieblicher Funktionen ins Ausland eine Gesamtbetrachtung anhand eines sog. „Transferpakets“ erfolgen, wobei das damit verbundene sog. „Gewinnpotenzial“ ermittelt und der Besteuerung in Deutschland zugrunde gelegt werden soll. Hierdurch wird der Grundsatz der Einzelbewertung aufgegeben. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass mit einem durch das „Transferpaket“ verkörperten Konglomerat aus übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen auch geschäftswertbildende Faktoren übergehen und der Besteuerung zu unterwerfen sind. Gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs soll diese Gesamtbewertung notwendig sein, „weil der Preis für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht angemessen widerspiegelt.“5 Dem Gesetzgeber geht es folglich um die Erfassung eines funktionsbezogenen Geschäftsoder Firmenwerts (Rz. 4.523). Gemäß § 21 Abs. 16 AStG sind die Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.6 Zwischenzeitlich wurden die Regelungen zu Funktionsverlagerungen mehrfach, allerdings zumeist geringfügig, geändert, zuletzt durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013.7

4.481 FVerlV und VWG-Funktionsverlagerung. Auf Grundlage der in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG a.F.8

verankerten Ermächtigung des BMF, die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 u. Abs. 3 AStG im Rahmen einer Rechtsverordnung zu konkretisieren, ist

1 Zu einem Beispiel aus der Pharmaindustrie vgl. Kroppen/Rasch, IWB, Fach 5, Gruppe 2, 355. Siehe auch Bauer, DB 2008, 157. 2 Vgl. Tz. 3.12 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 611 f. Siehe hierzu auch Bauer, DB 2008, 157. 4 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) v. 14.8.2007, BStBl. I 2007, 1912. 5 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. 6 Zur steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen vor 2008 siehe Greinert/Thiele, DStR 2011, 1197; Ditz/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1201 ff. 7 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 (Art. 6). 8 § 1 Abs. 6 AStG i.d.F. AmtshilfeRLUmsG.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.483 Kap. 4

die FVerlV vom 12.8.20081 erlassen worden. Mit Datum vom 13.10.2010 hat die Finanzverwaltung die VWG-Funktionsverlagerung veröffentlicht, die die gesetzlichen Regelungen über Funktionsverlagerungen aus Sicht der Finanzverwaltung konkretisieren und ergänzen.2 Evaluation zu den Erfahrungen mit FVerl. Der Bundesrat hatte seine Zustimmung zur FVerlV mit der Bitte verbunden, spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen zu Funktionsverlagerungen über die Erfahrungen und die Auswirkungen auf Unternehmen zu berichten.3 Der Bericht über die Erkenntnisse aus Betriebsprüfungsfällen („Evaluation zu den Erfahrungen mit Funktionsverlagerung“) zum Stichtag 31.12.2015 wurde durch das BZSt erstellt und mit Datum vom 21.3.2016 vorgelegt.4 Bereits im Vorwege haben Vertreter der Finanzverwaltung über die verwaltungsseitigen Betriebsprüfungserfahrungen mit den Funktionsverlagerungsgrundsätzen berichtet.5 Die Betriebsprüfungserkenntnisse beziehen sich auf 119 Betriebsprüfungsfälle mit insgesamt 133 „gemeldeten“ Funktionsverlagerungen, aus denen man insb. ableiten zu können glaubt, dass die ursprünglich im Rahmen der Abschätzung der Bürokratiekosten der FVerlV abgeschätzte Anzahl von 150–600 „betroffenen Unternehmen“ unterschritten würde. Ferner erfolgen in zwei Drittel der Fälle Einkünftekorrekturen; in ca. 30 % aller Fälle wurden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Insgesamt beurteilt die Finanzverwaltung die gesetzlichen und verwaltungsseitigen Regelungen zu Funktionsverlagerungen als positiv, insb. prüfungserleichternd.

4.482

Die Erkenntnisse der Finanzverwaltung beziehen sich auf durchgesetzte Einkünftekorrekturen. Die Betriebsprüfungspraxis zeigt aus Beratersicht, dass das deutsch-steuerliche Instrumentarium zu Funktionsverlagerungen standardmäßig in Betriebsprüfungen in Stellung gebracht wird und dass die hierauf gestützten Betriebsprüfungsaufgriffe deutlich von den Erkenntnissen der Finanzverwaltung abweichen. Dies betrifft sowohl die Fallzahlen als auch die betragsmäßigen Erkenntnisse. Datenerhebungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz belegen, dass branchen- und unternehmensgrößenübergreifend ca. 24 % der befragten Unternehmen in Betriebsprüfungen mit Funktionsverlagerungsthemen konfrontiert wurden.6 Der Stellenwert ist damit auch im Verhältnis zu Dienstleistungsvergütungen (37 %), Lizenzgebühren (34 %) und Vergütungen für Finanzierungen (31 %) unter den Verrechnungspreisthemen deutlich höher anzusiedeln. Ferner sind in der Beratungspraxis Funktionsverlagerungen ins Inland und Fälle der Lizenzierung von Transferpaketen deutlich präsenter, als dies die Auswertungen der Finanzverwaltung annehmen lassen. Gründe für Funktionsverlagerungen. Die Motivation zur Reorganisation und -allokation betrieblicher Funktionen im Unternehmensverbund ist mannigfaltig. Sie ist regelmäßig nicht (allein) steuerlich induziert, sondern geht auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen vornehmlich über den Standort und die Organisationsstruktur zurück, die letztlich vom Liefer- und Leistungsprogramm des Unternehmensverbundes bestimmt werden. Vielfach tritt sie als postintegrative Maßnahme im Gefolge von Unternehmenserwerben und -zusammenschlüssen auf. Im Schrifttum werden folgende Hauptbeweggründe für die „Verlagerung“ von Funktionen benannt:7 – Verbesserung der Wettbewerbsposition (etwa durch Vermeidung tarifärer und non-tarifärer Handelshemmnisse oder zur Sicherung [wesentlicher] Vertriebskanäle), – Optimierung der Wertschöpfungsprozesse (etwa Realisierung von Kostendegressionseffekten, Senkung von Logistikkosten, Verbesserung des Informationsflusses und neue Steuerungsmöglichkeiten), 1 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 (Beschluss) v. 4.7.2008. 4 Vgl. BR-Drucks. 153/16 v. 22.3.2016. 5 Siehe hierzu Naumann/Greil, IStR 2015, 429. 6 Vgl. Ditz/Eberenz et. al., DB 2015, 2596. 7 Vgl. Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 2 ff.

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4.483

Kap. 4 Rz. 4.484 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – Kostenreduzierung (insbesondere Lohn- und Lohnnebenkosten), – Optimierung von Managementfunktionen, – günstigere Standortfaktoren (etwa rechtliche Rahmenbedingungen, politische Stabilität, staatliche Regulierung, Besteuerung).1

4.484 Erscheinungsformen von Funktionsverlagerungen. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung einer Funktionsverlagerung werden im Schrifttum vier Erscheinungsformen unterschieden:2

– Funktionsausgliederung: vollständige Übertragung einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern; – Funktionsabschmelzung: Übertragung eines Teils einer Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken einschließlich Wirtschaftsgütern; – Funktionsabspaltung: Übertragung (eines Teils) einer Funktion unter Beibehaltung der Chancen und Risiken; – Funktionsverdoppelung bzw. Funktionsvervielfältigung: Verdoppelung bzw. Vervielfachung einer im Inland weiterhin ausgeübten Funktion mit den dazugehörigen Chancen und Risiken.

II. Funktionsverlagerung dem Grunde nach 1. Überblick

4.485 Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG. Der Tatbestand der „Funk-

tionsverlagerung“ wird in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG abschließend behandelt. Hiernach liegt eine Funktionsverlagerung vor, wenn „eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mit übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert“ wird. Diese vermeintliche Begriffsdefinition erschöpft sich allerdings in einer tautologischen Aussage, da der Begriff „Funktionsverlagerung“ als „Verlagerung einer Funktion“ umschrieben wird.3 Diese Unschärfen gehen letztlich auf eine Vermengung des Funktionsbegriffs mit demjenigen Konglomerat aus Funktion, zugehörenden Chancen und Risiken, übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen zurück, die der Gesetzgeber als „Transferpaket“4 (Rz. 4.521 ff.) bezeichnet. Im Schrifttum wird angesichts dieser Gesetzesformulierung vorgeschlagen, zwischen einer Funktion i.e.S. und einer solchen i.w.S. zu unterscheiden.5 Unseres Erachtens besteht jedoch zwischen einer Funktion i.w.S. und dem Transaktionsobjekt „Transferpaket“ nahezu Deckungsgleichheit, so dass der Mangel eines gesetzlich letztlich nicht definierten Tatbestands verbleibt.6 Mithin bedürfen beide Begriffsbestandteile – „Funktion“ einerseits und „Verlagerung“ andererseits – begriffliche Definitionen, die § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG allerdings nicht bereitstellt.

4.486 Definition der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 2 FVerlV. Demgegenüber enthält § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV eine konkrete Definition der Funktionsverlagerung. Danach ist von einer solchen

1 Zu Einflussfaktoren von Standortentscheidungen siehe Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 572 ff. 2 Vgl. Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2208; Frischmuth, StuB 2007, 387; Kaminski, RIW 2007, 599; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 758 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 760 ff.; Ditz/Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 7.42 ff.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.199; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 73 ff. 3 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650. 4 Letztlich geht dieser Begriff zurück auf Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 105 f., der hierbei noch vom „Transfergegenstand“ spricht. 5 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 731. 6 Siehe auch Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 227; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 319 f.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.487 Kap. 4

auszugehen, „wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahestehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird.“1 Eine Funktionsverlagerung setzt folglich voraus, dass – eine Funktion als Verlagerungsgegenstand vorliegt (Rz. 4.487 ff.), – diese Funktion bei dem im Inland ansässigen Unternehmen eingestellt oder zumindest eingeschränkt wird (sog. Verlagerung der Funktion, Rz. 4.495 ff.) und – Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile, die der Funktionsausübung zugrunde liegen, sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken übertragen bzw. zur Nutzung überlassen werden (Rz. 4.496). 2. Funktion Betriebswirtschaftliche Definition. In der Betriebswirtschaftslehre fehlt es an einer definitorischen und systematisierenden Bestimmung des Funktionsbegriffs. Vielmehr sieht man sich mit Katalogen konfrontiert, die sämtliche wesentlichen Aufgabenkomplexe des Unternehmens mehr oder weniger umfänglich als deren Funktionen wiedergeben.2 Hierbei wird die Gesamtheit aller betrieblichen Funktionen mit der unternehmerischen Gesamtaufgabe gleichgesetzt.3 Eine systematisierende Begriffsbildung bietet Eisele, der zwischen dem Funktionsbegriff i.w.S. und dem Funktionsbegriff i.e.S. unterscheidet.4 Ersterer fußt auf der betriebswirtschaftlichen Erkenntnis, dass sich Produktivitätssteigerungen in erster Linie durch Arbeitsteilung und Spezialisierung auf die Kernkompetenzen erreichen lassen. Diese Begriffsbildung bietet den Ansatz für das betriebswirtschaftliche Funktionsverständnis. Zur organisatorischen Umsetzung ist die unternehmerische Gesamtaufgabe nach bestimmten Kriterien (Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung5) in diverse Teilaufgaben zu zerlegen (Aufgabenanalyse), um in einem zweiten Schritt gleichartige Teilaufgaben wieder zusammenzufassen und den einzelnen Aufgabenträgern zuzuordnen (Aufgabensynthese). Nach der Kosiol’schen Gestaltungslehre6 stellt die Aufgabensynthese den eigentlichen Organisationsakt dar. Er verbindet die Zusammenfassung der Teilaufgaben nach bestimmten Zentralisierungskriterien mit der Bündelung auf die Funktionsträger. Die Zentralisierungskriterien für die Zusammenfassung gleichartiger Teilaufgaben entsprechen den der Aufgabenanalyse zugrunde gelegten, so dass zwischen Verrichtungszentralisation (gleiche Verrichtungen), Objektzentralisation (gleiche Objekte), Entscheidungs- bzw. Rangzentralisation (gleicher Rang), Phasenzentralisation (gleiche Phase) und Verwaltungs- bzw. Zweckzentralisation (gleiche Zweckbeziehung) unterschieden wird.7 Der Funktionsbegriff i.w.S. umfasst jedwede Zentralisierung, ohne dass ein Bezug zu 1 § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV. 2 Siehe etwa Hasenack in Seischab/Schwantag, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band 23, Sp. 2097; Heinen, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre9, 126 f.; Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Grundlagen2, 86 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre21, 20 f.; Schreyögg, Organisation4, 129. 3 Vgl. Schneider, Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Grundlagen2, 89. 4 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 12 ff. 5 Vgl. Kosiol, Organisation der Unternehmung, 49 ff.; Picot/Dietl/Franck, Organisation4, 229; Schreyögg, Organisation4, 114 ff.; um das Analysekriterium „Ort“ erweiternd Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 13 ff. 6 Vgl. Kosiol, Die Unternehmung als wirtschaftliches Aktionszentrum, 64 ff.; Kosiol, Aufgabensynthese, abgedruckt in Kosiol, Bausteine der Betriebswirtschaftslehre, 1. Band, 534 ff. 7 Vgl. Kosiol, Organisation der Unternehmung, 82; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 16.

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4.487

Kap. 4 Rz. 4.488 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen konkreten Einzeltätigkeiten besteht.1 Hiernach lässt sich eine Funktion definieren als unselbständiges Bündel gleichartiger Aufgaben, das als Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgabe zum einen vom Unternehmensgegenstand abhängig und zum anderen durch eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist.2 Demgegenüber leitet sich der Funktionsbegriff i.e.S. aus der funktional geprägten Organisationsform ab, wonach eine Funktion ausschließlich aus der Zusammenfassung von Aufgaben gleicher Verrichtung entsteht.3 Dementsprechend hat die frühe Betriebswirtschaftslehre den Funktionsbegriff wie folgt gefasst: „Eine betriebswirtschaftliche Funktion ist die zweckbetonte Zusammenfassung wirtschaftlicher Obliegenheiten gleichen Verrichtungsgepräges.“4

4.488 Kein allgemeingültiges steuerliches Begriffsverständnis. Zwar findet der Funktionsbegriff in vie-

len Bereichen des Steuerrechts Verwendung.5 Ein allgemeingültiges Begriffsverständnis fehlt gleichwohl. Vielmehr ist der Funktionsbegriff von jeweils unterschiedlichen Begriffsinhalten geprägt.6 Mangels einer Legaldefinition boten bisher die Verlautbarungen der Finanzverwaltung einen Anhaltspunkt für die inhaltliche Konkretisierung des Funktionsbegriffs. Allerdings gehen die VWG 19837 ebenso wie die – zwischenzeitlich durch die VWG BsGa8 überholten – BetriebsstättenVWG9 über eine beispielhafte Begriffsbildung („Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, verwaltungsbezogene Leistungen, Absatz, Dienstleistungen“) nicht hinaus. Gleiches gilt für die VWG-Verfahren.10

4.489 Begriffsdefinition gem. § 1 Abs. 1 FVerlV. Der Funktionsbegriff wird in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG

nicht definiert, dafür findet sich eine Begriffsbestimmung in § 1 FVerlV. Gemäß § 1 Abs. 1 FVerlV ist eine Funktion „eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden.“ Diese Begriffsdefinition entspricht weitestgehend dem betriebswirtschaftlichen Begriffsverständnis (Rz. 4.487).11 Ferner wird der Funktionsbegriff durch § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV weitergehend dahin definiert, dass eine Funktion „ein organischer Teil eines Unternehmens [ist; d. Verf.], ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss.“

4.490 Gleichsetzung von Funktion und Geschäftstätigkeit. Im Ausgangspunkt setzt die Begriffsdefi-

nition „Funktion“ und „Geschäftstätigkeit“ gleich und versucht die „Geschäftstätigkeit“ unter Rückgriff auf die Aufgabenverteilung im Unternehmen zu konkretisieren. Was jedoch konkret eine Geschäftstätigkeit ausmacht, lässt die Definition offen. Auffällig ist zunächst, dass jedweder

1 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 18. 2 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 22 ff.; ähnlich Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft, 174; Borstell in StbJb 2001/2002, 203; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 7; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 203; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 14. 3 Vgl. Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, 19. 4 Hasenack in Seischab/Schwantag, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band 23, Sp. 2096. 5 So etwa die „funktionslose Gesellschaft“ im Zusammenhang mit der Missbrauchsvorschrift des § 42 AO (vgl. hierzu ausführlich BFH v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016 ff. m.w.N.); die „funktionslose Holdinggesellschaft“ in Fällen des „Treaty Shopping“ und der Missbrauchsabwehr gem. § 50d Abs. 3 EStG; die „Funktionsholding“ gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 AStG a.F.; die „funktionale Betrachtungsweise“ des § 8 Abs. 1 AStG; die „Risiko- und Funktionsanalyse“ als Gegenstand allgemein erforderlicher Dokumentationen gem. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a GAufzV. 6 Vgl. Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 200. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.3. 8 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.1 Abs. 3. 10 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.4. 11 Vgl. Ditz/Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 7.18 ff.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.491 Kap. 4

Bezug zum Sachziel des Unternehmens fehlt. Nach dieser Begriffsbildung erfüllt etwa die Zusammenfassung einfachster Tätigkeiten diese Anforderungen, wenn sie nur von demselben Funktionsträger erfüllt werden. Ein solcherart weitgehendes Begriffsverständnis impliziert auch § 2 Abs. 2 FVerlV, wonach die Auslagerung einer Tätigkeit, die sodann vom übernehmenden Unternehmen ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausgeübt wird und deren Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu bemessen ist, als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sein soll.1 Vom Sachziel des Unternehmens („unternehmerische Gesamtaufgabe“) grenzt sich eine Funktion dadurch ab, dass sie nur einen Bestandteil dieser ausmacht, deshalb nicht sämtliche zur Erwirtschaftung der Gesamtwertschöpfung notwendigen Elemente umfasst und durch dementsprechend eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist (Rz. 4.487).2 Von der einzelnen Tätigkeit – gewissermaßen die Abgrenzung der Funktion „nach unten“ – fehlt demgegenüber jedwede Abgrenzung, so dass eine tätigkeitsbezogene Atomisierung des Funktionsbegriffs festzustellen ist.3 Die VWG-Funktionsverlagerung führen zur Konkretisierung der Geschäftstätigkeit lediglich aus, dass diese auch dann vorliegt, wenn sie nur konzernintern ausgeübt wird, es mithin – insofern – keiner Marktteilnahme gegenüber unverbundenen Unternehmen bedarf.4 Ferner wird die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber der übrigen Geschäftstätigkeit herausgestrichen,5 ohne dass eine inhaltliche Konkretisierung gegenüber einzelnen Tätigkeiten vorgenommen wird. Produkt- und marktbezogenes Begriffsverständnis. Die VWG-Funktionsverlagerung gehen neben einem tätigkeitsbezogenen kumulativ auch von einem produktbezogenen Begriffsverständnis aus. So heißt es in Tz. 16: „Zur eindeutigen Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit ist es in Verlagerungsfällen notwendig, die betreffende Funktion anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter (insbesondere der immateriellen Wirtschaftsgüter) und Vorteile sowie der mit der bestimmten Geschäftstätigkeit konkret verbundenen Chancen und Risiken tätigkeitsbezogen und objektbezogen zu definieren.“6 Beispielhaft werden „die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region“ angeführt. Frischmuth spricht in diesem Zusammenhang von einer horizontalen und vertikalen Atomisierung des Funktionsbegriffs.7 Fraglich ist, ob sich dieses Begriffsverständnis noch mit § 1 Abs. 1 FVerlV vereinbaren lässt. Ausweislich der Verordnungsbegründung sollte eine „ausufernde Anwendung“ der Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vermieden werden.8 Überdies lässt sich der Entstehungsgeschichte der FVerlV zum einen entnehmen, dass dem Verordnungsgeber die Unterscheidung zwischen einer kompletten Funktionsverlagerung und einer teilweisen Funktionsverlagerung bewusst war,9 und dass zum anderen produkt- und marktbezogen abgegrenzte Teilverlagerungen für die endgültige Fassung nicht durchgesetzt werden 1 Vgl. hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 44. 2 Vgl. hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 14. 3 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2444; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 825 f.; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 44; Frischmuth in Schaumburg/ Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 86 f.; Frischmuth, StuB 2010, 94 ff.; Blumers, DStR 2010, 20. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 17. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 16. 6 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 16 Satz 1. 7 Vgl. Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 87. 8 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 22.5.2008, 10. 9 § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV-E v. 17.12.2007.

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4.491

Kap. 4 Rz. 4.492 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen konnten.1 Die Auffassung der Finanzverwaltung geht insofern über die Rechtsverordnung hinaus und entbehrt deshalb einer Rechtsgrundlage.

4.492 Organischer Teil eines Unternehmens. Eine Funktion ist überdies gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV

ein organischer Teil eines Unternehmens. Begrifflich rückt die FVerlV die Auslegung dieses Begriffsmerkmals in die Nähe des Teilbetriebsbegriffs, indem sie negativ abgrenzt, dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne nicht vorliegen muss. Offen bleibt jedoch, was konkret den Funktions- vom Teilbetriebsbegriff unterscheidet.2 Die VWG-Funktionsverlagerung führen hierzu aus, dass diese Voraussetzung vorliege, „wenn sie [die Funktion; d. Verf.] sich entweder beim verlagernden oder beim übernehmenden Unternehmen als eine zweckgerichtete, abgrenzbare Tätigkeit unter Nutzung von bestimmten Wirtschaftsgütern, insbesondere immateriellen Wirtschaftsgütern, und Vorteilen zur Erwirtschaftung von Ergebnisbeiträgen darstellt.“3 Die organische Geschlossenheit erfordert einen inneren betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang der betreffenden Teilaufgaben, wobei für diesen Zusammenhang betriebswirtschaftliche Anforderungen maßgeblich sind. Neben diesem aufgabenbezogenen Zusammenhang fordert die Finanzverwaltung einen produkt- und marktbezogenen Zusammenhang (Rz. 4.490).4 Ferner kommt diese organische Geschlossenheit in der Zuordnung der zur Aufgabenerfüllung notwendigen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter zum Ausdruck.5 Sie sind es letztlich, die Gegenstand der Verlagerung sind und nach außen hin die Funktion erkennbar gegenüber den anderen Funktionen des Unternehmens abgrenzen. Zudem muss die sich letztlich tätigkeitsbezogen darstellende Aufgabenerfüllung in gewissen Zeitabständen wiederholt werden (können) und darf nicht auf eine einmalige Erledigung ohne Wiederholungsabsicht angelegt sein.6

4.493 Betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit der Funktion. Eine entscheidende begriffliche Konkreti-

sierung der organischen Geschlossenheit ist das Erfordernis einer gewissen betriebswirtschaftlichen Eigenständigkeit der Funktion, die es ermöglicht, ihr bestimmte Aufwendungen und Erträge sowie Chancen und Risiken zuzuordnen.7 Diese Einschränkung des Funktionsbegriffs ist sachgerecht, denn unter Fremdvergleichsgesichtspunkten ist eine Vergütung der Übertragung einer Funktion nur dann vorstellbar, wenn diese eindeutig abgrenzbar, insbesondere aber bewertbar ist.8 Im Schrifttum wird aus dem Erfordernis der funktionsspezifischen Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen gefolgert, dass sich der Funktionsbegriff mittels des Konzepts der Cash generating Unit (CGU) nach IAS 36 präzisieren ließe.9

4.494 Verhältnis zur „Activity“ des Kap. IX OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien knüpfen für eine unter Fremdvergleichsgesichtspunkten zu beurteilende Vergütungspflicht für Transaktionen im Rahmen von Umstrukturierungen der Geschäftstätigkeit nicht an den für die Funktions- und Ri-

1 Vgl. hierzu Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 162; Kroppen/Rasch, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2444 f.; Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 162. Kritisch hierzu auch Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 67 f.; Ditz/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1207 f. 2 Im Einzelnen zur Abgrenzung Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 279 ff.; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 26 ff. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 18 Satz 1. 4 Vgl. hierzu auch Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1286 f. 5 Vgl. auch Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 280; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 27. 6 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 280; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 34. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 18. 8 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1286. 9 Siehe hierzu Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 284; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 41 ff.; Blumers, BB 2007, 1762; Looks/Freudenberg, BB 2009, 2515. Zur CGU siehe Klingels, Die Cash generating Unit nach IAS 36 im IFRS-Jahresabschluss – Bildung, Gestaltungsmöglichkeiten und Auswirkungen, passim.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.496 Kap. 4

sikoanalyse (Rz. 4.122 ff.) maßgeblichen Funktionsbegriff an, sondern setzen eine „Activity“ voraus.1 Der Begriff der „Activity“ wird dahingehend eingeschränkt, dass nur der Übergang eines „Ongoing Concern“ eine zusammenfassende Bewertung erfordert.2 Unter dem „Ongoing Concern“ sind die Vielzahl der mit der Geschäftstätigkeit zusammenhängenden Wirtschaftsgüter, die der Ausübung von bestimmten Funktionen dienen und denen Risiken zugeordnet werden können, zu verstehen.3 Ferner definieren die OECD-Leitlinien den „Ongoing Concern“ weitergehend als „Functioning Economically Integrated Business Unit“, bei deren Übergang alle werthaltigen Elemente („all valuable elements“) einbezogen werden sollten.4 Insofern muss – für Zwecke einer Gesamtbewertung – die Übertragung einer Geschäftstätigkeit mit dem Übergang eines „Ongoing Concern“, d.h. den dieser Geschäftstätigkeit zuzuordnenden Wirtschaftsgütern, Funktionen und Risiken, verbunden sein. Eine „bloße“ Übertragung einer Funktion, ohne dass eine „Business Unit“ übertragen wird, führt deshalb nicht zu einer Gesamtbewertung der Transaktionen im Rahmen einer Reorganisationsmaßnahme. Hierbei wird der Begriff der „Business Unit“ im Hinblick auf die Erfassung eines Goodwill oder von Goodwill-Elementen u.E. zutreffend mit dem deutsch-steuerlichen Teilbetriebsbegriff gleichgesetzt, da sich diese aus mehreren Funktionen zusammensetzt.5 3. (Funktions-)Verlagerung Verlagerungsbegriff. Der Begriff der „Verlagerung“ wird ebenso wenig wie derjenige der „Funktion“ durch § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG definiert (Rz. 4.487). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV liegt eine Funktionsverlagerung vor, „wenn ein Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) einem anderen, nahe stehenden Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt, damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird.“ Damit muss die in das Ausland „verlagerte“ Funktion beim inländischen Unternehmen eingestellt oder zumindest eingeschränkt werden. Während der Begriff des „Einstellens“ insofern eindeutig ist, als damit die Aufgabe der entsprechenden Funktion im Inland gemeint ist, ist die Auslegung des Begriffs „einschränken“ problematisch. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Begriff der Einschränkung einer Funktion tätigkeitsbezogen oder produktbezogen auszulegen ist. Die Finanzverwaltung geht von einem rein produktbezogenen Begriffsverständnis aus. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie durch die gesetzliche Definition der Funktionsverlagerung nicht gedeckt ist (Rz. 4.487 ff.). Soweit § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV eine „Verlagerung“ bereits mit einer Einschränkung der Funktion beim inländischen Unternehmen annimmt, während § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG von einer Einstellung der Funktion im Inland ausgeht, verlässt die FVerlV ihren Ermächtigungsrahmen und ist insoweit ohne Rechtsgrundlage.

4.495

Kumulativer Übergang von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen. Eine Funktionsverlagerung setzt zunächst voraus, dass mit der Funktion Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile auf den neuen Funktionsträger übergehen. Hierbei handelt es sich um ein konstitutives Tatbestandsmerkmal, d.h., ohne Übertragung und/oder Überlassung von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen fehlt es an einer Funktionsverlagerung.6 Allein die Übertragung einer Funktion, verstanden als be-

4.496

1 Vgl. Tz. 9.42 ff. OECD-Leitlinien 2017; Kroppen/Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IX Anm. 319 ff.; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 2 Vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 3 Vgl. Tz. 9.43 OECD-Leitlinien 2017; Kroppen/Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IX Anm. 331. 4 Vgl. Tz. 9.42 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Baumhoff/Puls, IStR 2009, 80; Kroppen/Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IX Rz. 321; Ditz/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 1217 und 1267. 6 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 48; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1288.

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Kap. 4 Rz. 4.497 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen triebliche Aufgabenstellung des Funktionsträgers, ist ein steuerlich irrelevanter Vorgang. Dies gilt zumindest dann, wenn die Erfassung eines Wertschöpfungs- bzw. Gewinnpotenzials beabsichtigt ist. Entscheidend ist allenfalls, ob das übernehmende Unternehmen mittels des übergehenden Konglomerats aus Wirtschaftsgütern, sonstigen Vorteilen und zugehörenden Chancen und Risiken in die Lage versetzt wird, die betreffende Funktion auszuüben. Ebenso wenig stellt die isolierte Übertragung von Chancen oder Risiken eine Funktionsverlagerung dar. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV spricht insofern zutreffend von „damit verbundenen Chancen und Risiken“, ohne allerdings zu konkretisieren, ob es auf die Verbundenheit mit der Funktion selbst oder aber mit den übergehenden Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen ankommt. Richtigerweise ist von Letzterem auszugehen.1

4.497 Qualitative Auslegung der Einschränkung einer Funktion. Entscheidendes Merkmal des Verlage-

rungsbegriffs ist die Einstellung, jedenfalls aber die Einschränkung der nämlichen Funktion durch das verlagernde Unternehmen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es hierfür qualitativ nicht darauf ankommen, ob das übernehmende Unternehmen mit den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern die Funktion in gleicher Weise wie das verlagernde Unternehmen ausübt.2 Diese Einschränkung ist insofern nicht sachgerecht, als dann ggf. im Ausland neu entstehende Funktionen bzw. eine Neukonfiguration der Funktion in den Bewertungsbereich des Transferpakets eingehen können, welche im Inland vor der Funktionsverlagerung nicht bestanden.3 Als Indikatoren werden etwa Personalabbau oder der Wegfall von Debitoren angesehen.

4.498 Quantitative Auslegung der Einschränkung einer Funktion. Was den quantitativen Maßstab für

die Einstellung oder Einschränkung anbelangt, geht die Finanzverwaltung von dem mit der konkreten Funktion erzielten Umsatz aus.4 Hiernach ist eine Funktionseinschränkung erst bei Umsatzeinbußen von mehr als 1.000.000 Euro (Bagatellgrenze) gegeben.5 Fraglich ist, ob ein erfolgsabhängiger Maßstab wie der Umsatz geeignet ist, hieran das tatbestandliche Vorliegen einer Funktionsverlagerung festzumachen. Für sich genommen markiert er jedenfalls keinen kausalen Zusammenhang zum Umfang der Funktionsausübung,6 d.h., Umsatzrückgänge können, müssen aber nicht auf eine Funktionseinstellung oder -einschränkung zurückgehen. Vergleichbare Schwächen weisen aber auch andere, in Betracht zu ziehende Kriterien (z.B. Stückzahlen/Volumen, Mitarbeiteranzahl, Kapitalbindung oder Materialeinsatz) auf, so dass vor dem Hintergrund der Zwecksetzung der Funktionsverlagerungsbesteuerung ein umsatzorientierter Indikator vertretbar erscheint.7 Allerdings ist dem Steuerpflichtigen der Gegenbeweis einzuräumen, dass ein Umsatzrückgang nicht aus der Einschränkung der betreffenden Funktion herrührt. § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV bietet hierfür eine hinreichende rechtliche Grundlage.

4.499 Substitution einer Funktion. Dass die Finanzverwaltung eine Einschränkung der nämlichen

Funktion auch in Substitutionsfällen annimmt,8 geht auf die u.E. unzutreffende produktbezogene Auslegung des Funktionsbegriffs (Rz. 4.490) zurück.9 In diesen Fällen wird allerdings unter be1 So auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 48. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 24; so bereits BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 11. 3 Kritisch hierzu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Kroppen/Rasch, IWB, Fach 1, Gruppe 3, 2342. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 23. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 22 mit Verweis auf Tz. 48 f. u. 58. 6 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1289. 7 Vgl. auch Frischmuth in FS Schaumburg, 679 ff. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 23. 9 So zu Recht Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 77 ff.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.501 Kap. 4

stimmten Voraussetzungen eine Transferpaketbewertung zu einem Mindestpreis beim verlagernden – und wohl auch beim übernehmenden – Unternehmen von null konzediert.1 4. Abgrenzungsfragen a) Funktionsverdoppelung/-vervielfältigung Tatbestandsverwirklichung innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums. Insbesondere in Fällen der Funktionsverdoppelung kommt dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals der Einschränkung der betreffenden Funktion entscheidende Bedeutung zu. Unter einer Funktionsverdoppelung bzw. -vervielfältigung versteht man gemeinhin die Verdoppelung bzw. Vervielfältigung einer durch den bisherigen (alleinigen) Funktionsträger weiterhin ausgeübten Funktion.2 Begrifflich ist die Funktionsverdoppelung nicht als Funktionsverlagerung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV zu qualifizieren, da es an der Einstellung oder Einschränkung der Funktionsausübung durch den bisherigen Funktionsträger fehlt. Gleichwohl geht § 1 Abs. 6 Satz 1 FVerlV offenkundig von einem Unterfall der Funktionsverlagerung aus.3 Hiernach soll eine Funktionsverlagerung erst dann nicht gegeben sein, „wenn es trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen […] innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion […] zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion […] kommt (Funktionsverdoppelung).“ Begrifflich soll eine Funktionsverdoppelung final mithin erst dann vorliegen, wenn eine Funktionseinschränkung beim „verlagernden“ Unternehmen innerhalb einer 5-Jahres-Frist nicht zu verzeichnen ist. Diese Regelung ist offenkundig als Missbrauchsvermeidungsnorm zur Vermeidung sukzessiver Verlagerungen konzipiert.4 Die Finanzverwaltung will etwa Fälle nicht als Funktionsverdoppelung, sondern als Funktionsverlagerung behandeln, in denen im Ausland eine Vertriebstochtergesellschaft neu errichtet wird und ebendieser Vertriebskanal zuvor vom Inland aus bedient wurde.5 Demgegenüber dürfte die Erschließung eines neuen Vertriebskanals bzw. Absatzmarktes stets als Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit zu qualifizieren sein.6 Dies entspricht im Übrigen der auch regionalen Auslegung des Funktionsbegriffs durch die Finanzverwaltung (Rz. 4.490).

4.500

Erhebliche Funktionseinschränkung. Unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung der Funktionsausübung vorliegt, regelt § 1 Abs. 6 FVerlV nicht. Würde die Auslegung des Einschränkungstatbestands gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV zugrunde gelegt (Rz. 4.343), führt jedweder Umsatzrückgang zum Wandel einer Funktionsverdoppelung in eine -verlagerung. Bereits die Begründung zu § 1 Abs. 6 FVerlV führt jedoch aus, dass eine lediglich geringfügige oder zeitlich begrenzte Einschränkung der betreffenden Funktion unschädlich sein soll.7 Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn der Vorgang auch unter fremden Dritten nicht als Veräußerung oder Verlagerung einer Funktion angesehen würde (§ 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV). Die konkrete Ausgestaltung dieser Bagatellregelung stellt der Verordnungsgeber der VWG-Funktionsverlagerung anheim. Gemäß Rz. 49 der VWG-Funktionsverlagerung ist eine Funktionseinschränkung nicht mehr nur geringfügig, sondern erheblich, „wenn der Umsatz aus der Funktion, den das ursprüng-

4.501

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 119. Siehe hierzu auch Frischmuth in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 98 f. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 560. 3 So auch Borstell in FS Herzig, 1005 f.; Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 327. 4 Vgl. Kroppen/Rasch, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2450; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 828; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 83. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 42 f. 6 Zur Neuaufnahme einer Geschäftstätigkeit siehe BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 57. 7 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 13.

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Kap. 4 Rz. 4.502 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen lich tätige Unternehmen i.S. des § 1 Absatz 2 FVerlV im letzten vollen Wirtschaftsjahr vor der Funktionsänderung erzielt hat, innerhalb des Fünfjahreszeitraums i.S. des § 1 Absatz 6 FVerlV in einem Wirtschaftsjahr um mehr als 1.000.000 € absinkt.“1 Ein Überschreiten dieser Bagatellgrenze in einem Wirtschaftsjahr führt ungeachtet der Umsatzentwicklung in vorangehenden oder nachfolgenden Wirtschaftsjahren zwingend zur Annahme einer Funktionsverlagerung. Liegen die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung aufgrund einer Funktionseinschränkung innerhalb des fünfjährigen Beobachtungszeitraums vor, verbleibt nur noch der durch § 1 Abs. 6 Satz 2 letzter Halbs. FVerlV konzedierte „Gegenbeweis“ für das Vorliegen einer Funktionsverdoppelung. Hiernach kann der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass die Funktionseinschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht, sondern auf andere Ursachen zurückgeht. Die Glaubhaftmachung des Nichtbestehens dieser ereignis- und umsatzbezogenen Kausalität mit der ursprünglichen Funktionsverdoppelung2 verlangt vom Steuerpflichtigen die plausible Darlegung aller tatsächlichen und objektiven Umstände, die den Rückschluss zulassen, dass kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einschränkung der betreffenden Funktion beim inländischen Unternehmen und der Aufnahme dieser Funktion durch das ausländische Unternehmen gegeben ist.3 Insofern sind die kausalen Ereignisse zu benennen, auf die die Funktionseinschränkung zurückgeht. Diese können etwa in veränderten Wettbewerbsbedingungen, in gewandeltem Verbraucherverhalten, geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen etc. bestehen. Entsprechend dem abgeschwächten Beweismaß der Glaubhaftmachung muss für die Ursächlichkeit des oder der behaupteten Ereignisse eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben sein.4 b) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen

4.502 Begriffsdefinition/Funktions- und Risikoprofil. Als Routineunternehmen ist nach Tz. 3.4.10.2

Buchst. a der VWG-Verfahren ein Unternehmen zu qualifizieren, das lediglich Routinefunktionen ausübt, geringe Risiken trägt und nur in geringem Umfang Wirtschaftsgüter einsetzt.5 Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen und einfache Vertriebsfunktionen benannt. Routineunternehmen i.d.S. sind etwa der Auftragsfertiger, der Lohnfertiger, der Kommissionär oder der sog. Low-Risk-Distributor (risikoarmer Eigenhändler). Das Funktionsprofil eines Routineunternehmens beschränkt sich regelmäßig auf die (konkrete) Funktions- bzw. Tätigkeitsausübung. Eigene Marktchancen und -risiken nimmt es nicht wahr. Die für die Geschäftsbeziehung wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter werden nicht durch das Routineunternehmen eingesetzt, sondern durch den Auftraggeber – in der Regel kostenlos – beigestellt. Insofern kennzeichnen das Risikoprofil eines Routineunternehmens lediglich die mit der Funktionsausübung verbundenen Risiken. Die eingeschränkte Funktionsausübung des Routineunternehmens ist grundsätzlich – ausgenommen der risikoarme Eigenhändler – als Dienstleistung an den Auftraggeber anzusehen. Für diese wird in der Verrechnungspreispraxis i.d.R. ein – nach der Kostenaufschlagsmethode oder geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode ermitteltes – kostenorientiertes Entgelt vergütet. Insofern erzielen Routineunternehmen „bei üblichem Geschäftsablauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne“.6 Von Verlusten werden Routineunternehmen – bei gewöhnlichem Geschäftsverlauf – durch den Auftraggeber freigehalten, was durch die kostenorientierte Entgeltbemessung gewährleistet ist (Rz. 4.154).

1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 49. 2 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 47. 3 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 14. 4 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 40. 5 Vgl. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2 Buchst. a.

606 | Baumhoff/Liebchen

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.505 Kap. 4

Keine Verlagerung eines Gewinnpotenzials. Wird lediglich die Funktionsausübung im Wege der Funktionsabspaltung oder -abschmelzung auf ein Routineunternehmen übertragen, ist der Tatbestand der Funktionsverlagerung regelmäßig nicht erfüllt.1 Sowohl die Funktion selbst als auch die mit ihr verbundenen (wesentlichen) Chancen und Risiken verbleiben beim verlagernden Unternehmen und gehen nicht auf das aufnehmende Unternehmen über. Was die mit der Funktions- bzw. Tätigkeitsausübung einhergehenden Chancen und Risiken anbelangt, sind diese jedweder Tätigkeitsausübung eigen.2 Sie erwachsen aus der Funktionsausübung selbst. Ebenso wenig gehen auf das Routineunternehmen ein Gewinnpotenzial ausmachende immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile über. Vielmehr wird es (lediglich) in die Lage versetzt, eine nur die Tätigkeitsausübung betreffende fremdvergleichskonforme Vergütung zu erzielen. Insofern rechtfertigen sich unter Fremdvergleichsgesichtspunkten keine Kompensationszahlungen.3 Wollte man dies anders sehen, wären solche Zahlungen zulasten späterer laufender, fremdvergleichskonformer Vergütungen zu berücksichtigen. Dies führt im Saldo zu Vergütungen, die mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht zu vereinbaren sind.

4.503

Funktionsverlagerung nach Auffassung der Finanzverwaltung. Von ebensolchen Überlegungen geht auch die Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 FVerlV aus. Dort heißt es: „Auf ein solches Unternehmen [mit Routinefunktionen; d. Verf.] gehen aufgrund der Funktionsverlagerung keine Chancen und Risiken über, die die Zahlung eines besonderen Entgelts an das verlagernde Unternehmen für die Übertragung oder Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile rechtfertigen.“4 Allerdings hat der Verordnungsgeber dieses zutreffende Verständnis nicht zum Gegenstand einer Abgrenzung vom Tatbestand der Funktionsverlagerung gemacht, sondern „kuriert“ die Bewertungsfolge. Während der Verordnungsgeber im Hinblick auf das Vorliegen einer Funktionsverlagerung letztlich unbestimmt bleibt,5 geht die Finanzverwaltung davon aus, dass eine Funktionsverlagerung gegeben ist.6 Allerdings lässt die Finanzverwaltung offen, woran sie ihre Auffassung festmacht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des u.E. einschlägigen § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV. Hiernach liegt keine Funktionsverlagerung vor, wenn ausschließlich Wirtschaftsgüter veräußert oder zur Nutzung überlassen oder Dienstleistungen erbracht werden.

4.504

Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV. Ginge man entgegen der hier vertretenen Auffassung vom Vorliegen einer Funktionsverlagerung aus, käme dem Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV entscheidende Bedeutung zu. Mit dieser Vorschrift hat der Verordnungsgeber seine zutreffende Auffassung, dass die Zahlung eines besonderen Entgelts an das verlagernde Unternehmen mangels Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile nicht zu rechtfertigen sei, jedenfalls partiell auf Ebene der Bewertungsfolge, umgesetzt. § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV regelt die den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eröffnende gesetzliche Vermutung, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden, wenn

4.505

– das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und – das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist. 1 Zu der h.M. vgl. etwa Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1650; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 560; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 552 f.; Ditz, IStR 2011, 126; Ditz/Just, DB 2009, 142, Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287; Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93 f., Looks/Freudenberg, BB 2009, 2516; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, 268 ff.; Zech, IStR 2011, 133; Ditz/Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 7.62 ff. 2 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287; Zech, IStR 2011, 133. 3 Vgl. hierzu auch Rasch/Schmidtke, IStR 2009, 93 f.; Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287. 4 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16. 5 So auch Zech, IStR 2011, 133. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 21 und 206 f.

Baumhoff/Liebchen | 607

Kap. 4 Rz. 4.506 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG anstelle der Transferpaketbewertung und -besteuerung die Einzelbewertung zum Tragen (Rz. 4.556 ff.).

4.506 Funktionsausübung nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen. Eine lediglich partielle

Umsetzung könnte zunächst deshalb festzustellen sein, weil § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV auf Fälle beschränkt ist, in denen das Routineunternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt. Agiert das aufnehmende Unternehmen etwa als Lohnfertiger auch für andere Konzernunternehmen, ist grundsätzlich fraglich, ob die tatbestandlich geforderte Exklusivität noch gegeben ist. Hier wird man angesichts der Bezugnahme auf die Ausübung nämlicher übergehender Funktion feststellen müssen, dass der ausschließlichen Funktionsausübung gegenüber dem verlagernden Unternehmen daneben bestehende weitere Lohnfertigungsverhältnisse des aufnehmenden Unternehmens nicht entgegenstehen. Dies gilt selbst dann, wenn diese marktgängige Leistung der Lohnfertigung gegenüber unverbundenen Marktteilnehmern erbracht wird. Entscheidend ist, dass bezogen auf das jeweilige Lohnfertigungsverhältnis die erforderlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter durch den jeweiligen Auftraggeber beigestellt werden und eigene Marktchancen und -risiken nicht daraus entspringen, dass die vom verlagernden Unternehmen beigestellten Produktionsmittel dazu eingesetzt werden, höhere als die Tätigkeitsausübung abgeltende Renditen aus anderweitigen Lohnfertigungsverhältnissen zu realisieren. Diese Überlegungen kommen auch in Tz. 208 f. der VWG-Funktionsverlagerung zum Ausdruck.1 Dort vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass in Fällen der Lohnfertigung stets zu prüfen sei, ob und ab wann ggf. weitergehende Funktionen ausgeübt werden, z.B. der eigenständige Vertrieb an Kunden des Auftraggebers zu Marktpreisen, um aus der Umstellung vom Lohnfertiger zum Eigenproduzenten die – aus Verrechnungspreissicht – notwendigen steuerlichen Konsequenzen zu ziehen ([weitere] Funktionsverlagerung einerseits und Entgeltpflicht für die Nutzungsüberlassung bisher kostenlos beigestellter Produktionsmittel andererseits). Allerdings betrifft dieser Fall eine nachfolgende, weitere Funktionsverlagerung, die mit der ursprünglichen Funktionsabspaltung auf den Lohnfertiger nicht zu vermengen ist.

4.507 Transaktionsbezogene Unternehmenscharakterisierung. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich

die Unternehmenscharakterisierung auf die jeweilige Geschäftsbeziehung bezieht, für die transaktionsbezogen Verrechnungspreise zu ermitteln sind. Insofern beschränkt sich das Funktions- und Risikoprofil des jeweiligen Transaktionspartners auf die konkrete Geschäftsbeziehung. Der Klassifizierung als Routineunternehmen – bezogen auf das Lohnfertigungsverhältnis – steht es deshalb nicht entgegen, wenn das aufnehmende Unternehmen für anderweitige verbundinterne Transaktionen als Mittelunternehmen oder gar als Entrepreneur einzuordnen ist.

4.508 Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der TNMM. Daneben ist der Anwendungs-

bereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV darauf beschränkt, dass für die Verrechnungspreisermittlung die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kommt. Die VWG-Funktionsverlagerung dehnen den Anwendungsbereich auf die zulässigerweise zur Anwendung kommende kostenbasierte, transaktionsbezogene TNMM und die Vergütung mittels einer das niedrigere Risiko berücksichtigenden Provision aus.2 Voraussetzung ist neben der exklusiven Funktionsausübung, dass diese Verrechnungspreisermittlung zu vergleichbaren Ergebnissen führt.

4.509 Stufenverhältnis des § 1 Abs. 3 AStG. Die Festlegung auf bestimmte Verrechnungspreismethoden

wirft die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem in § 1 Abs. 3 AStG verankerten Stufenverhältnis auf. Hiernach hat der tatsächliche Fremdvergleich mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte Vorrang vor dem tatsächlichen Fremdvergleich mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte sowie schließlich dem hypothetischen Fremdvergleich (Rz. 4.313 ff.). Da richtigerweise

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 208 f. (insbesondere das angeführte Beispiel). 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 67.

608 | Baumhoff/Liebchen

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.511 Kap. 4

in der praktischen Anwendung ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Gestalt der Preisvergleichsmethode (Rz. 4.213 ff.) möglich ist, weil sich nur diese Methode an marktentstandenen Preisen orientiert (Rz. 4.314), gebührt ihr grundsätzlich der Vorrang. Der Verordnungsgeber ging in der Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV unter Hinweis auf Tz. 3.4.10.2 Buchst. a der VWG-Verfahren demgegenüber offenkundig („ist vor allem anzuwenden“) von einer zwingenden Anwendung der Kostenaufschlagsmethode auf die Abgeltung der Ausübung von Routinefunktionen aus.1 Dies entspricht jedoch weder der Rechtslage vor Einführung des benannten Rangfolgeverhältnisses in § 1 Abs. 3 AStG, denn nach der BFH-Rechtsprechung2 war die Methode heranzuziehen, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“, d.h., die klassischen Methoden standen gleichberechtigt nebeneinander. Noch viel weniger lässt sich ein solcher Vorrang § 1 Abs. 3 AStG entnehmen. Insofern ist jedenfalls und vor allem die Preisvergleichsmethode in Betracht zu ziehen, wenn mittels eines inneren (Rz. 4.216) oder äußeren Preisvergleichs (Rz. 4.219) uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte identifiziert werden können. Sie ist u.E. zwingend vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV erfasst.3 c) Einzeltransaktionen (Nicht-) Zugehörigkeit zu einer Funktionsverlagerung. Von Fällen der Funktionsverlagerung sind neben der Funktionsverdoppelung auch Einzeltransaktionen abzugrenzen, die begrifflich nicht als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind. § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV stellt hierzu klar, dass insbesondere die isolierte Veräußerung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder die Erbringung von Dienstleistungen für sich genommen nicht als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind.4 Allerdings gilt dies nur insoweit, als diese Geschäftsvorfälle nicht einer Funktionsverlagerung zugehören. Unter welchen Voraussetzungen diese Transaktionen Bestandteile einer Funktionsverlagerung sind, regelt § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV nicht. Vielmehr bestimmt sich nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 FVerlV, ob von einer Funktionsverlagerung auszugehen ist. Hierfür ist es wiederum erforderlich, dass eine Funktion eindeutig sowohl beim verlagernden als auch beim aufnehmenden Unternehmen identifiziert und dergestalt abgegrenzt werden kann, dass dieser Funktion entsprechende Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile und Dienstleistungen zugeordnet werden können.5 Der Verweis in Tz. 51 der VWG-Funktionsverlagerung6 deutet darauf hin, dass vornehmlich Geschäftsvorfälle im Rahmen einer sukzessiven Funktionsverlagerung von der Einschränkung betroffen sein sollen, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums zusammenzufassen sind.

4.510

d) Personalentsendungen Einschränkungen nach § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV. Ferner stellen Personalentsendungen im Konzern, ohne dass eine Funktion mit übergeht, keine Funktionsverlagerung dar.7 Vielmehr sind – bei Vorliegen der Voraussetzungen der VWG-Arbeitnehmerentsendung8 – lediglich die für die entsandten Arbeitnehmer angefallenen Kosten zu verrechnen. Liegen die Voraussetzungen der VWG1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Gl.A. im Ergebnis Ditz/Just, DB 2009, 142. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 51 ff. Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 48. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 51. § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769.

Baumhoff/Liebchen | 609

4.511

Kap. 4 Rz. 4.512 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Arbeitnehmerentsendung hingegen nicht vor, weil die Arbeitnehmer in Erfüllung einer Dienstleistungsverpflichtung des entsendenden Unternehmens tätig werden,1 ist diese Dienstleistung regelmäßig nach der Kostenaufschlagsmethode zu verrechnen. Allerdings will die Finanzverwaltung eine Funktionsverlagerung in Personalentsendungsfällen dann annehmen, „wenn das entsandte Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich aus dem entsendenden Unternehmen mitnimmt und nach der Entsendung im übernehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt.“2 Die Finanzverwaltung geht hier vom Vorliegen der Voraussetzungen der Funktionsverlagerung aus. Dies muss jedenfalls für normale Personalentsendungen im Konzern bezweifelt werden, da es am Übergang einer Funktion i.S. eines organischen Teils des Unternehmens fehlt. Ferner ist die Rückausnahme des § 1 Abs. 7 Satz 1 Alt. 2 AStG dann zu beachten, wenn die Voraussetzungen der VWGArbeitnehmerentsendung nicht erfüllt sind und die Dienstleistungen des entsendenden Unternehmens Teil einer Funktionsverlagerung sind. Sie rechnen dann zum Transferpaket.3 e) Fremdvergleichsgesichtspunkte

4.512 Kein(e) Funktionsveräußerung/-erwerb unter fremden Dritten. Eine Funktionsverlagerung soll

schließlich gem. § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV auch dann nicht vorliegen, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.“ Im Wesentlichen sind von dieser Ausnahme in der Praxis zwei Fallgruppen betroffen: – zeitlich befristete und geringfügige Verlagerungen (Bagatellfälle) und – Vorgänge, die nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht als Funktionsverlagerung abgewickelt werden.

4.513 Zeitlich befristete und geringfügige Verlagerungen (Bagatellfälle). Die erste Fallgruppe zeitlich

befristeter und geringfügiger Verlagerungen (Bagatellfälle) sollte mangels relevanter Gewinnauswirkung aus der Funktionsverlagerungsbesteuerung ausgenommen werden, obgleich der Tatbestand der Funktionsverlagerung erfüllt ist.4 Im Hinblick auf die konkrete Abgrenzung der Geringfügigkeits- bzw. Wesentlichkeitsschwelle verweisen die VWG-Funktionsverlagerung auf die Bagatellregelung, die in Fällen der Funktionsverdoppelung für die Feststellung einer nicht nur geringfügigen Funktionseinschränkung zum Tragen kommt.5 Demnach führen Umsatzrückgänge von weniger als 1.000.000 Euro nicht zu einer Funktionsverlagerungsbesteuerung. Überdies führen die VWGFunktionsverlagerung exemplarisch die Verlagerung eines einzelnen Auftrages an. Allerdings dürfte bei der Verlagerung einzelner Aufträge fraglich sein, ob die Auftragsverlagerung überhaupt als Funktionsverlagerung zu qualifizieren ist.

4.514 Andere Abwicklung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Eine zweite Fallgruppe erfasst Vor-

gänge, die formal als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden. Dies gilt z.B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen (z.B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen) oder das Auslaufen von Vertragsbeziehungen.6 Die VWG-Funktionsverlagerung führen überdies exemplarisch die zentrale, optimierte Steuerung der Produktion durch die Muttergesellschaft

1 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01 – VWG-Arbeitnehmerentsendung, BStBl. I 2001, 769, Tz. 2.1 Abs. 2. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 56; so bereits die Begründung zu § 1 Abs. 7 Satz 2 FVerlV, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 14. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774 Rz. 51. Siehe hierzu auch Zech, IStR 2011, 135. 4 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 58. 6 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15.

610 | Baumhoff/Liebchen

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.517 Kap. 4

und die damit verbundene Zuteilung eingehender Aufträge an die Produktionsgesellschaften des Verbundes an.1 In all diesen Fällen ist allerdings schon fraglich, ob überhaupt eine Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG vorliegt.2 f) Übertragung versus Lizenzierung Wahlrecht nach § 4 Abs. 2 FVerlV. Im Rahmen einer Funktionsverlagerung ist zu klären, ob ein Transferpaket übertragen oder zur Nutzung überlassen wird. Sofern diese Frage nicht eindeutig zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen geklärt ist, wird auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen (§ 4 Abs. 2 FVerlV). Der Verordnungsgeber will durch dieses faktische Wahlrecht zugunsten des Steuerpflichtigen eine Sofortversteuerung („ggf. erheblicher“)3 stiller Reserven (Differenz zwischen dem Fremdvergleichspreis und dem Buchwert) vermeiden, um besteuerungsbedingte unerwünschte Liquiditätsprobleme, die bei einer Sofortbesteuerung auftreten könnten, nicht aufkommen zu lassen.

4.515

Übertragung vs. Überlassung. Dieses – begrüßenswerte – Wahlrecht basiert aber wirtschaftlich und rechtlich auf zwei unterschiedlichen Sachverhalten. Bei einer Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen auf das übernehmende Unternehmen kommt es bei dem verlagernden Unternehmen zu einer vollständigen Aufdeckung und Sofortbesteuerung der in den übertragenden Wirtschaftsgütern und Vorteilen ruhenden stillen Reserven. Hier ist dann eine Lizenzierung nicht mehr möglich. Die Abwicklung der Kaufpreiszahlung (z.B. Kaufpreisraten) verhindert die Sofortbesteuerung verbunden mit dem entsprechenden Liquiditätsabfluss nicht.4 Verbleibt demgegenüber das wirtschaftliche Eigentum bei dem verlagernden Unternehmen und wird dem übernehmenden Unternehmen lediglich ein Nutzungsrecht an dem Transferpaket eingeräumt, ist dies als eine Lizenzierung zu qualifizieren. Diese Situation wäre dann einer Teilbetriebsverpachtung ähnlich,5 man könnte auch von einer Funktions- bzw. Transferpaketverpachtung sprechen. Steuerliche Folge wäre, dass das verlagernde Unternehmen die Lizenzerträge versteuern müsste, und zwar im Zeitablauf mit ihrer Realisierung. Es kommt dann jedoch nicht zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern und Vorteilen, so dass sich die in ihnen enthaltenen stillen Reserven erst im Zeitablauf über die Lizenzerträge auflösen.6

4.516

Quellenbesteuerung bei Lizenzierung. In diesem Zusammenhang soll noch ein für die Besteuerung weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Übertragung und Überlassung erwähnt werden. Bei der Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter (als Bestandteile einer Funktionsverlagerung) im Wege der Lizenzierung behalten sich die meisten Fisci die Einbehaltung von Quellensteuer vor,7 wobei die Höhe dieser Quellensteuer häufig durch DBA8 oder andere Vorschriften (insbesondere EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie9) reduziert wird. Bei Erhebung von Quellensteuer besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, die so entstehende Doppelbesteuerung durch Anrech-

4.517

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 59. 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1947. 3 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 20. 4 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 546; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 154. 5 So zutreffend Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 6 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 546; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 154; Baumhoff in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 575 f. 7 Vgl. etwa aus deutscher Perspektive § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG u. § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG. 8 Sofern der Lizenzartikel des konkreten DBA Art. 12 OECD-MA nachgebildet ist. 9 Vgl. Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. EG Nr. L 157, 49.

Baumhoff/Liebchen | 611

Kap. 4 Rz. 4.518 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nung oder Abzug zu reduzieren.1 Bei der Abzugsmethode lässt sich die Doppelbesteuerung jedoch lediglich mildern, so dass eine Definitivbelastung eintritt. Selbst wenn die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt, können Anrechnungsüberhänge entstehen. Dann führt die ausländische Quellensteuer auch bei Anwendbarkeit der Anrechnungsmethode zu einer Definitivbelastung und einer Erhöhung der Steuerquote.

4.518 Einzelfallbeurteilung. Vor diesem Hintergrund ist es bei einer Funktionsverlagerung von Bedeu-

tung festzustellen, ob eine Übertragung oder Überlassung vorliegt. Es ergeben sich jedoch nicht nur die dargestellten Auswirkungen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung und den Anfall von Quellensteuer. Vielmehr hat die Frage der Übertragung und Überlassung auch selbst Auswirkungen auf die Höhe des maßgebenden Verrechnungspreises für die Funktionsverlagerung. Ausweislich der VWG-Funktionsverlagerung prüft die Finanzverwaltung das Vorliegen einer Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter oder deren zeitlich befristete Nutzungsüberlassung anhand der „Gesamtumstände des Einzelfalls“.2 Hierbei soll es auf den „erkennbaren Willen“ der Beteiligten ankommen, wie er sich im Ausgangspunkt aus den schriftlichen Unterlagen über die Funktionsverlagerung ergibt oder – mangels schriftlicher Unterlagen – aus dem tatsächlichen Ablauf und der Handhabung durch die Beteiligten festgestellt werden kann.3 Die Finanzverwaltung geht hier davon aus, dass der tatsächliche Ablauf „regelmäßig erkennen lassen“ wird, ob die betreffenden Wirtschaftsgüter vor der Funktionsverlagerung im wirtschaftlichen Eigentum des verlagernden Unternehmens standen und nach der Funktionsverlagerung durch das übernehmende Unternehmen genutzt werden.4 Hierzu wird man feststellen müssen, dass die Nutzung der betreffenden Wirtschaftsgüter und Vorteile durch das übernehmende Unternehmen für den fraglichen und letztlich beachtlichen Wechsel in der steuerlichen Zurechnung nichts hergibt. Ob eine Übertragung oder Überlassung der Wirtschaftsgüter und Vorteile gegeben ist, entscheidet sich danach, ob das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist oder nicht. In der Praxis dürfte diese Feststellung mit erheblichen Problemen verbunden sein.5 Insofern werden jedenfalls Zweifel bestehen bleiben. Das durch § 4 Abs. 2 FVerlV zugestandene und durch die VWG-Funktionsverlagerung nicht mit zusätzlichen Anforderungen verbundene Wahlrecht, „hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile […] von einer Nutzungsüberlassung“ auszugehen, wird regelmäßig eröffnet sein.

4.519 Bestimmung der Lizenz. Für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Lizenzgebühr für die

Nutzungsüberlassung des Transferpakets ist zunächst das in § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 5 AStG geregelte Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich zu beachten. Hiernach sind die Lizenzsätze primär auf Grundlage des tatsächlichen Fremdvergleichs zu ermitteln, und zwar mittels uneingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte oder – nachrangig – mittels eingeschränkt vergleichbarer Referenzwerte. Allerdings dürfte ein tatsächlicher Fremdvergleich nur in Ausnahmefällen zum Tragen kommen, weil es keinen Markt für die Nutzungsüberlassung von Transferpaketen gibt bzw. solche Nutzungsüberlassungen zwischen fremden Dritten nur schwer denkbar sind.6 Zudem gelten die bei der Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter bestehenden

1 Vgl. § 34c EStG. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 100. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 100 f. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 101. 5 Siehe hierzu ausführlich Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 545; Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 152 f. 6 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 für die Bestimmung angemessener Pachtzinsen bei (Teil-) Betriebsverpachtungen sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 147.

612 | Baumhoff/Liebchen

F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.520 Kap. 4

Vorbehalte gegenüber der Anwendung der Preisvergleichsmethode für den Fall der Überlassung eines Transferpakets respektive dessen Bestandteile entsprechend (Rz. 4.407). Im Übrigen kann die Höhe der Lizenzgebühr nicht unmittelbar aus dem Wert des Transferpakets abgeleitet werden, weil es wirtschaftlich einen Unterschied macht, ob das „Stammrecht“ beim verlagernden Unternehmen verbleibt (Überlassung) oder auf das übernehmende Unternehmen übergeht (Übertragung). Verbleibt das Stammrecht beim verlagernden Unternehmen, darf das übernehmende Unternehmen das Stammrecht nicht vollumfänglich, sondern nur in der Weise nutzen, wie es im zugrunde liegenden Vertrag vereinbart wurde, etwa beschränkt auf einzelne Produktgruppen oder Regionen. Die Nutzung wird auch häufig in der Weise beschränkt, dass eine anderweitige Verwertung, etwa durch Sublizenzierung, untersagt ist. Möglicherweise wird sogar anderen Unternehmen gestattet, ebenfalls das Stammrecht zu nutzen (einfache Lizenz). Zudem muss das übernehmende Unternehmen die überlassene Funktion bei Beendigung der Nutzungsüberlassung wieder zurückgeben. Diese Rückübertragung stellt dann allerdings keine weitere entgeltpflichtige Funktionsverlagerung dar.1 Das Ursprungsunternehmen hat vielmehr nach Rückgabe des Transferpakets sogar die Möglichkeit, es selbst zu nutzen, es auf ein weiteres Konzernunternehmen zu übertragen oder anderweitig zu verwerten und hierfür erneut ein Entgelt zu verlangen. Bei einem Übergang des Stammrechts auf das übernehmende Unternehmen wäre diese Möglichkeit hingegen ausgeschlossen. Pachtzinskalkül und Pauschalansätze. Die Wahl zwischen Übertragung oder Überlassung einer Funktion führt zu gravierenden Unterschieden im Hinblick auf den zu erwartenden Nutzen aus der Funktion. Solche betriebswirtschaftlichen Abweichungen müssen auch entsprechende steuerliche Unterschiede hinsichtlich der Höhe der Entgelte zur Folge haben.2 Bei der Lizenzalternative ist im Rahmen der Kalkulation des Lizenzentgelts vor allem von Bedeutung, ob der Lizenznehmer (übernehmendes Unternehmen) zur Substanzerhaltung der Funktion verpflichtet ist.3 Wäre dies der Fall, so müsste die Funktion bei Beendigung der Nutzungsüberlassung in dem bei Beginn der Nutzungsüberlassung gegebenen Zustand unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung zurückgegeben werden. Letztlich ist daher i.d.R. erforderlich, zur Ableitung der angemessenen Lizenzsätze für die Überlassung einer Funktion auf den hypothetischen Fremdvergleich abzustellen. Konkret kommen dabei meist gewinnorientierte Verrechnungspreismethoden zur Anwendung, bei denen auf den aus der Funktion resultierenden Gewinn abgestellt wird. Hierbei kann auch unmittelbar auf die Vorschläge Bezug genommen werden, die die Literatur4 bereits vor langer Zeit zur mathematisch exakten Ermittlung von Pachtzinsen bei konzerninternen Pachtverhältnissen auf Basis der Einigungsbereichsbetrachtung gemacht hat. Die Grundüberlegungen bei der Verpachtung eines Betriebs oder Betriebsteils sind jedenfalls vergleichbar mit denen bei der Überlassung einer Funktion. Diese Vorschläge enthalten sogar schon die Einigungsbereichsbetrachtung, wie sie nahezu 25 Jahre später § 1 Abs. 3 Sätze 5 ff. AStG vorsieht. Allerdings erfordern diese Kalkulationen einen erheblichen mathematischen Aufwand5. Sie sind deshalb – in der mathematisch exakten Anwendung – nur begrenzt praktikabel. Daher ist auf die bereits für die Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter diskutierten vereinfachten Verrechnungspreismethoden, die die erforderliche Gewinnorientierung aufweisen, zurückzugreifen, nämlich die sog. „Knoppe-Formel“ oder die sog. „Goldscheider-Rule“ (Rz. 4.412). 1 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1288. 2 A.A. Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 147. 3 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 4 Vgl. Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 233 sowie Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 147. 5 Siehe hierzu insbesondere Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, 208 ff.; Brändel, Verrechnungspreise bei grenzüberschreitender Lizenzierung von Marken im Konzern, 71 ff.

Baumhoff/Liebchen | 613

4.520

Kap. 4 Rz. 4.521 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

III. Funktionsverlagerung der Höhe nach 1. Gesamtbewertung a) Bewertungsobjekt: Transferpaket

4.521 Rechtsfolge Transferpaketbewertung. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ist der Einigungsbereich auf

der Grundlage des „Transferpaketes“ zu bestimmen, wenn der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen kommt. Dies ist immer dann der Fall, wenn für das „Transferpaket als Ganzes“ keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen. Die Gesamtbewertung des übergehenden Transferpakets ist mithin als gesetzlicher Regelfall konzipiert.

4.522 Bewertungsobjekt Transferpaket. Der Begriff des Transferpakets ist in § 1 Abs. 3 FVerlV de-

finiert. Hiernach besteht das Transferpaket „aus einer Funktion und den mit dieser Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken sowie den Wirtschaftsgütern und Vorteilen, die das verlagernde Unternehmen dem übernehmenden Unternehmen zusammen mit der Funktion überträgt oder zur Nutzung überlässt, und den in diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistungen.“ Zutreffend wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass die Definition des Begriffs des „Transferpaket“ angesichts einer Vermengung mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung das Bewertungsobjekt nicht eindeutig abgrenzt.1 Bestandteile des Transferpakets sind Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile sowie ferner die Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung von dem verlagernden an das übernehmende Unternehmen erbracht werden. Diese einzelnen Komponenten sind nicht zu isolieren, sondern in ihrer Gesamtheit, nämlich als Transferpaket, zu bewerten.

4.523 Funktionsbezogener Geschäftswert/geschäftswertbildende Faktoren. Unklar ist hierbei, was un-

ter dem Begriff „sonstige Vorteile“ zu verstehen ist.2 Die Begründung zur FVerlV erwähnt im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 Satz 2 FVerlV als Vorteile exemplarisch „Patente“ und „Know-how“.3 Diese sind jedoch bereits als immaterielle Wirtschaftsgüter zu qualifizieren. Im Wirtschaftsgutbegriff gehen wirtschaftliche Vorteile, tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten auf, deren Erlangung sich der Kaufmann etwas kosten lässt (Erwerb durch Aufwendungen), die selbständig bewertungsfähig (als Einzelheit greifbar, gegenüber dem Geschäftswert abgrenzbar), einzeln oder zusammen mit dem Betrieb übertragbar („Teilwertfähigkeit“) sind und einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen.4 Hiernach verbleiben als Vorteile, die keine Wirtschaftsgüter sind, die Bestandteile des Geschäfts- und Firmenwerts (geschäftswertbildende Faktoren).5 Allerdings gehen geschäftswertbildende Faktoren, wie etwa eine eingespielte Betriebsorganisation, gute Verkehrsanbindungen, gute Beziehungen zu Genehmigungsbehörden, bestehende Konzessionen oder Zertifizierungen, im Rahmen einer Funktionsverlagerung nicht auf das übernehmende Unternehmen über, sofern sich die Funktionsverlagerung nicht auf die Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs erstreckt.6 Vielmehr verbleiben sie beim verlagernden Unternehmen oder gehen im Zuge der Funktionsverlagerung unter. Bezogen auf die übergehende Funktion müssen geschäftswertbildende Faktoren beim übernehmenden Unternehmen erst geschaffen werden. Allenfalls sog. singuläre oder unternehmerische Geschäftschancen, d.h., die Möglichkeit, aus einem Geschäft oder einer betrieblichen Funktion zukünftig einen weitgehend konkretisierten Gewinn zu erzielen, kämen als übergehende „sonstige Vorteile“ in Betracht,7 sollten diese nicht bereits die Vo1 2 3 4

Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 227; siehe auch Kroppen/Rasch, IWB 2010, 319 f. Vgl. IDW, FN-IDW 2007, 498. Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 16. Vgl. Weber-Grellet in Schmidt36, § 5 EStG Rz. 94; Federmann, Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht12, 287. 5 Vgl. hierzu Pohl, IStR 2010, 360; Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229 f. 6 Zur Abgrenzung der Funktionsverlagerung von einer Betriebs- oder Teilbetriebsübertragung siehe Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1313. Siehe hierzu auch Kroppen in FS Schaumburg, 869 ff. 7 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1946.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.525 Kap. 4

raussetzungen eines immateriellen Wirtschaftsguts erfüllen.1 Die VWG-Funktionsverlagerung gehen demgegenüber von der Einbeziehung geschäftswertbildender Faktoren in das Transferpaket aus.2 b) Tatsächlicher versus hypothetischer Fremdvergleich Gesetzliches Rangfolgeverhältnis. Methodisch ist die Bewertung des Transferpakets an dasselbe Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich verwiesen, das § 1 Abs. 3 Sätze 1-5 AStG für „normale“ Transaktionsgegenstände vorgibt (Rz. 4.313 ff.). Hiernach ist bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen zunächst auf den tatsächlichen Fremdvergleich abzustellen und erst dann auf den hypothetischen Fremdvergleich überzugehen, wenn keine uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbaren Werte festgestellt werden können. Gegenüber der ursprünglichen Fassung der Regelungen zum Transferpaket in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F., die wegen der isolierten Bezugnahme auf § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG die Anwendung nur des hypothetischen Fremdvergleichs implizierten, ist gesetzlich klargestellt, dass der tatsächliche Fremdvergleich vorrangig zum Tragen kommt. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG setzt tatbestandlich den eröffneten Anwendungsbereich des hypothetischen Fremdvergleichs voraus, „weil für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte vorliegen.“ Diese Tatsache wurde bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 FVerlV ausdrücklich bestätigt.

4.524

Beschränkter Anwendungsbereich des tatsächlichen Fremdvergleichs. Es ist deshalb auch im Falle einer Funktionsverlagerung zunächst zu prüfen, ob die Bewertung im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs erfolgen kann. Dies gilt insbesondere für Hilfs- oder Routinefunktionen, wie z.B. EDV, Transport und Logistik, Buchhaltung und Cash Management, die auch zwischen fremden Dritten verlagert werden. Routinefunktionen liegen vor, wenn die Funktionsausübung begrenzt ist, nur in geringem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter eingesetzt werden und die Aufgabenerfüllung nur geringen Risiken ausgesetzt ist (Rz. 4.148). Für diese Funktionsverlagerungen lassen sich Marktpreise innerhalb gewisser Bandbreiten feststellen, die bei uneingeschränkter, zumindest aber eingeschränkter Vergleichbarkeit vorrangig heranzuziehen sind.3 Vor diesem Hintergrund kann der pauschalen Auffassung der Finanzverwaltung nicht zugestimmt werden, dass es „regelmäßig nicht möglich“ sei, die Bewertung eines Transferpakets anhand des tatsächlichen Fremdvergleichs durchzuführen. Allerdings ist zu konzedieren, dass der Nachrangigkeit des hypothetischen Fremdvergleichs eine besondere praktische Relevanz nicht zukommen wird, da es in der Praxis regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein wird, die Anforderungen an die uneingeschränkte bzw. eingeschränkte Vergleichbarkeit im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs für die Bewertung eines konkreten Transferpakets zu erfüllen.4 Ferner fallen die infrage kommenden (Routine-) Funktionen gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG, die statt der Gesamt- die Einzelbewertung zulässt, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion nur gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und die Verrechnungspreise für die entsprechenden Lieferungen oder Leistungen auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden (Rz. 4.567 ff.).

4.525

Daneben wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass in Fällen von Unternehmenskäufen mit nachfolgender Funktionsabschmelzung auf den Erwerber der Kaufpreis als Referenz im Rahmen ei1 Weder in der Rspr. noch in der Literatur hat sich bislang eine allgemeine Definition der Geschäftschance herausgebildet. Vgl. dazu im Einzelnen Ditz, DStR 2006, 1625 ff.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 584; Wassermeyer, GmbHR 1993, 332; Kuckhoff/ Schreiber, IStR 1999, 325; Liebchen in Federmann/Kußmaul/Müller, Handbuch der Bilanzierung, Rz. 135c (verdeckte Gewinnausschüttung), Rz. 66 ff. m.w.N. zur BFH-Rspr. (sog. Geschäftschancenlehre). 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 29, 39 und 79. 3 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2008, 1948; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 563; Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 166. 4 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 546; Günter, WPg 2007, 1084; Jenzen, NWB, Fach 2, 9422; Kaminski, RIW 2007, 599; Wulf, DB 2007, 2283.

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Kap. 4 Rz. 4.526 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen nes tatsächlichen Fremdvergleichs mittels der Preisvergleichsmethode herangezogen werden könnte bzw. müsste und hierzu mittels Anpassungsrechnungen eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit hergestellt werden könnte.1 Regelmäßig sollten u.E. die Anwendungsvoraussetzungen der Preisvergleichsmethode allerdings mangels Vergleichbarkeit der Verhältnisse, insbesondere der Produkteigenschaften des Unternehmens einerseits und des Transferpakets andererseits, nicht vorliegen.2 c) Ermittlung des Einigungsbereichs für ein Transferpaket aa) Eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren

4.526 Eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren. Für die Bewertung von Transferpaketen im

Rahmen von Funktionsverlagerungen gibt § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren vor, wenn der Wert des Transferpakets nicht aus jedenfalls eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten abgeleitet werden kann. Dieses Bewertungsverfahren basiert auf der Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs und erfordert die Ermittlung eines Einigungsbereichs. Nach der für diese Einigungsbereichsermittlung generell geltenden Bewertungsvorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG kommt ein zweiseitiges Bewertungskonzept zum Tragen: Für das verlagernde Unternehmen ist der Mindestpreis und für das übernehmende Unternehmen der Höchstpreis für das Transferpaket zu ermitteln. Ein dadurch entstehender Einigungsbereich (Mindestpreis = Preisuntergrenze des Verkäufers und Höchstpreis = Preisobergrenze des Käufers) wird von den Gewinnerwartungen (Gewinnpotenzialen) bestimmt. Die Preisuntergrenze des Einigungsbereichs ergibt sich nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV „aus dem Ausgleich für den Wegfall oder die Minderung des Gewinnpotenzials zuzüglich der ggf. anfallenden Schließungskosten.“ Die Preisobergrenze des Einigungsbereichs bestimmt sich nach § 7 Abs. 4 FVerlV als „Gewinnpotenzial des übernehmenden Unternehmens aus der übernommenen Funktion.“ Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG hat der Steuerpflichtige den „Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht.“ Wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, kommt der Mittelwert zum Ansatz.

4.527 Einzelne Bewertungsschritte. Das eigenständige steuerliche Bewertungsverfahren für Transferpakete ist folglich durch drei Bewertungsschritte gekennzeichnet: – Ermittlung der Preisuntergrenze des Verkäufers, – Ermittlung der Preisobergrenze des Käufers/Übernehmers und – Aufteilung des Einigungsbereichs. Kein betriebswirtschaftliches Bewertungsverfahren bildet dieses spezifische steuerliche Bewertungsverfahren konkret ab. Soweit nach IDW S 1 und IDW S 5 Bewertungsverfahren für Einigungswerte angesprochen werden, sind die Modalitäten zwischen den Parteien frei verhandelbar.3 Insofern können allgemein anerkannte Bewertungsverfahren und -grundsätze nur insofern herangezogen werden, als sie den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der Funktionsverlagerungsverordnung entsprechen. Im Einzelnen ergeben sich die Bewertungsparameter und -prämissen aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AStG sowie der Funktionsverlagerungsverordnung, konkret aus den §§ 3–8 FVerlV.

4.528 Anwendung kapitalwertorientierter Verfahren. Die in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, § 3 und § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 FVerlV verwendeten Begriffe „innerbetriebliche Planrechnungen“, „Gewinnerwartungen“ und „Gewinnpotenziale“ verdeutlichen, dass für einzelne Bewertungsschritte (Ermittlung der Preisgrenzen des Einigungsbereichs) kapitalwertorientierte Verfahren zu verwenden sind. 1 Vgl. Schilling/Kandels, DStR 2012, 1099; Schilling/Kandels, DB 2012, 1065. 2 Vgl. hierzu Ditz/Liebchen, DB 2012, 1469 ff. 3 Vgl. Vgl. IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 53.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.529 Kap. 4

Dies hat aus zweierlei Perspektiven zu erfolgen, nämlich aus Sicht des verlagernden wie auch aus derjenigen des übernehmenden Unternehmens. Hierbei treten dieselben Aspekte in den Vordergrund, die die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter und die Unternehmensbewertung prägen:1 – Isolierung und Prognose der künftigen, dem Transferpaket zurechenbaren Gewinne, – Ermittlung der Nutzungsdauer des Transferpakets und – Ableitung eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes. bb) Ermittlung der zu diskontierenden Zahlungsströme Maßgebliche Überschussgröße. Die Bewertung von Transferpaketen setzt in einem ersten Schritt die Isolierung und Prognose der auf das Transferpaket zukünftig entfallenden Gewinne voraus. Dies folgt unmittelbar aus der Formulierung in § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG, wonach die Einigungsbereichsgrenzen von den jeweiligen Gewinnerwartungen der miteinander kontrahierenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abhängen. § 3 Abs. 2 FVerlV stellt hierzu klar, dass die erwarteten Gewinnpotenziale „vor und nach der Funktionsverlagerung unter Berücksichtigung bestehender Handlungsmöglichkeiten“ zu ermitteln sind. Im Hinblick auf die maßgebliche Überschussgröße konkretisiert § 1 FVerlV die „Gewinnpotenziale“ gem. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG als „Reingewinne nach Steuern“. Nach Tz. 31 der VWG-Funktionsverlagerungen sind nur die „finanziellen Überschüsse nach Fremdkapitalkosten und Steuern wertrelevant, die als Nettoeinnahmen […] in den Verfügungsbereich des jeweiligen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gelangen.“2 Diese Begriffsvielfalt schafft zunächst Verwirrung. Einerseits werden die dem pagatorischen Rechnungswesen entstammenden Begriffe „Gewinne“, „Gewinnerwartungen“ und „Reingewinne“ verwendet,3 die als Unterschiedsbetrag zwischen Erträgen und Aufwendungen zu verstehen sind und über diese Größen auf Periodisierungen beruhen. Andererseits wird mit den Begriffen „finanzielle Überschüsse“ und „Nettoeinnahmen“ auf Zahlungsgrößen (Einzahlungen, Auszahlungen) und damit nicht auf Periodisierungen abgehoben. Die letztlich rein betriebswirtschaftliche Fragestellung nach der zutreffenden Überschussgröße ist im Einklang mit den Grundsätzen der Unternehmensbewertung und der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter zwar zugunsten von Einzahlungsüberschüssen zu beantworten.4 Allerdings erweist sich der Rückgriff auf Zahlungsgrößen insofern in der praktischen Anwendung als problematisch, als Rechnungswesen und Planungsrechnungen auf periodisierten Größen (Erträge und Aufwendungen) beruhen.5 Insofern ist der in den VWG-Funktionsverlagerung gewählte Ansatz unter pragmatischen Gesichtspunktionen zu begrüßen. Nach Tz. 31 kann die „zugrunde gelegte Planungsrechnung (..) – je nach Üblichkeit im betreffenden Unternehmen – nach handelsrechtlichen, steuerrechtlichen oder anderen Vorschriften (z.B. IFRS, US-GAAP) aufgestellt sein.“6 Mithin können auch aus periodisierten Größen abgeleitete Werte zugrunde gelegt werden.7 Allerdings sind in diesem Fall nicht zahlungswirksame Ergebnisbeiträge sachgerecht zu korrigieren.8 1 Vgl. Vgl. IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 24 ff.; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/ 10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 84; Greinert, DB 2004, 2116 f.; Greinert, Ubg 2010, 102 ff. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 31. 3 §§ 1 Abs. 4, 3 Abs. 1 u. Abs. 2, 7 Abs. 1 FVerlV. 4 Vgl. hierzu ausführlich Greinert, DB 2009, 755 ff. 5 Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1949. 6 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 31. 7 Vgl. hierzu auch Baumhoff in FS Schaumburg, 549. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 31.

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4.529

Kap. 4 Rz. 4.530 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.530 Direkte versus indirekte Wertermittlung. Bei der indirekten Wertermittlung wird nicht das

Transferpaket selbst bewertet, sondern der Wert des Transferpakets ergibt sich als Residualgröße. Konkret wird hierbei der Unternehmenswert „vor und nach der Funktionsverlagerung“ ermittelt; die Differenz dieser beiden Werte stellt den Wert des Transferpakets dar.1 Zudem ist die Unternehmensbewertung sowohl aus der Perspektive des abgebenden als auch aus derjenigen des aufnehmenden Unternehmens durchzuführen. Mithin ist deshalb im Grundsatz eine vierfache Unternehmensbewertung erforderlich.2 Eine solche Vorgehensweise erweist sich in vielen Fällen, insbesondere bei Groß- und Konzernunternehmen, angesichts des verursachten Verwaltungsaufwands als nicht praxistauglich und unverhältnismäßig. Bei dieser Bewertungsmethodik ist allenfalls das Abstellen auf die jeweils kleinste Unternehmenseinheit (Bewertungsobjekt), z.B. auf einen Geschäftsbereich, ein Profitcenter oder einen originären Teilbetrieb i.S. eines organisatorisch selbständigen, für sich alleine lebensfähigen Betriebsteils mit eigenständiger Gewinnermittlung, vorstellbar, weil für diese ein „Unternehmenswert“ bestimmbar ist.3 Die Finanzverwaltung lässt die Anwendung der indirekten Methode zu, wenn die Berechnungen betriebswirtschaftlich nachvollziehbar sind.4 Dies impliziert allerdings, dass dergleichen der direkten Wertermittlung nicht „abverlangt“ wird. Die Alternative hierzu stellt die direkte Wertermittlung dar. Hierbei werden unmittelbar die Gewinnpotenziale des zu bewertenden Transferpakets ermittelt, und zwar aus Sicht des verlagernden wie des übernehmenden Unternehmens. Eine Differenzbetrachtung aus dem Wert vor und nach der Funktionsverlagerung erfolgt dagegen nicht; eine zweifache Bewertung wäre hierbei also ausreichend. Eine solche direkte Bewertung kommt in Betracht, wenn z.B. eine Unternehmenssparte verlagert wird. Hierbei kann anhand der Spartenergebnisrechnung des Unternehmens das zugehörige Gewinnpotenzial ermittelt werden. Schwieriger gestaltet es sich jedoch, wenn Gegenstand eines Transferpakets nicht eine Sparte, sondern eine funktional engere Unternehmenseinheit ist. Hier hängt es dann insbesondere von der Qualität und Ausgestaltung des Rechnungswesens des Unternehmens ab, ob Ergebniszahlen für diese Einheit zur Verfügung stehen oder nicht. Die Betriebsprüfungspraxis zeigt, dass die Bewertung von Transferpaketen regelmäßig nach der direkten Methode erfolgt.5

4.531 Anwendung betriebswirtschaftlicher Bewertungsverfahren. Die betriebswirtschaftliche Bewer-

tungspraxis in Deutschland stellt zur Ermittlung der (funktionsbezogenen) Gewinnpotenziale alternativ sowohl indirekte als auch direkte Bewertungsverfahren zur Verfügung.6 Da die indirekten Bewertungsverfahren auf einer Differenzanalyse der (Gesamt-) Unternehmenswerte, wie sie sich für das übernehmende und das verlagernde Unternehmen vor und nach der Funktionsverlagerung ergeben, beruhen, liegt es nahe, auf Bewertungsverfahren nach IDW S 17 zurückzugreifen, d.h. sowohl auf das Ertragswertverfahren als auch auf das Discounted-Cashflow-Verfahren nach IDW S 1. Während das Ertragswertverfahren vorrangig auf die zu erwartenden Gewinne eines Unternehmens abstellt, die für Ausschüttungen an oder Entnahmen durch die Anteilseigner zur Verfügung stehen, orientiert sich das DCF-Verfahren demgegenüber an den erwarteten Zahlungsströmen (cash-flows), die auf den Bewertungszeitpunkt zu diskontieren sind. Bei der direkten Wertermittlung steht die Bewertung materieller und immaterieller Vermögenswerte (einschl. eines Geschäftswerts) im Vordergrund. Hierbei ist die zu verlagernde Funktion als Bewertungseinheit zu verstehen. In der Literatur8 wird vorgeschlagen, hierfür kapitalwertorientierte Verfahren nach 1 Zur indirekten Wertermittlung vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638 f.; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 565 f.; Baumhoff in FS Schaumburg, 547 f. 2 Vgl. hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 565. 3 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 548. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 31. 5 Vgl. auch Naumann/Greil, IStR 2015, 433. 6 Vgl. hierzu im Einzelnen Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1638. 7 IDW S 1 i.d.F. 2008, IDW-FN 2008, 271 ff. 8 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1639.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.532 Kap. 4

IDW S 51 heranzuziehen. Grundlage einer direkten Bewertung wären die funktionsbezogenen Einnahmeüberschüsse. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass für die Bewertung von Transferpaketen ein eigenständiges steuerliches Bewertungsverfahren geregelt ist (Rz. 4.526 ff.). Betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren und -grundsätze können deshalb nur insoweit angewendet werden, wie sie den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der FVerlV entsprechen.2 Die Finanzverwaltung gibt kein konkretes Bewertungsverfahren vor. Nach Tz. 89 der VWG-Funktionsverlagerung ist die Anwendung eines dem IDW S 1 oder IDW S 5 entsprechenden oder eines anderen betriebswirtschaftlich anerkannten Bewertungsverfahrens zulässig. Die Geeignetheit und steuerliche Anerkennung im konkreten Einzelfall ist von „dem Charakter und der Bedeutung der Funktionsverlagerung“3 abhängig. Konkret wird die Anwendung eines IDW S 5 entsprechenden Bewertungsverfahrens als nahe liegend erachtet, wenn vornehmlich immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen sind, und ein Bewertungsverfahren nach IDW S 1, wenn sich die Funktionsverlagerung als Verlagerung eines Unternehmens oder eines Betriebsteils, der über eine eigene Lebensfähigkeit verfügt, darstellt. cc) Berücksichtigung von Steuern im Rahmen der Bewertung Periodische Besteuerungseffekte. Gemäß § 1 Abs. 4 FVerlV ist bei der Ermittlung des funktionsbezogenen Gewinnpotenzials auf die „jeweils zu erwartenden Reingewinne nach Steuern (Barwert)“ abzustellen. Im Hinblick auf die Eliminierung der Steuerbelastung ist fraglich, ob nur die Steuern des Unternehmens oder auch zusätzlich die der Anteilseigner zu berücksichtigen sind. Bezieht man sich auf die entsprechende Regelung des IDW S 1, so sind die Nettozuflüsse „unter Berücksichtigung der […] Ertragsteuern des Unternehmens und grundsätzlich der aufgrund des Eigentums am Unternehmen entstehenden persönlichen Ertragsteuern der Unternehmenseigner zu ermitteln.“4 Diese Vorgehensweise überzeugt insofern, als letztlich die beim Gesellschafter ankommenden Zuflüsse die Größe „Wert“ bestimmen. Für die Bewertung ist es dabei allerdings entscheidend, dass nicht nur bei den erwarteten Nettogewinnen, sondern auch bei der durch den Kalkulationszinssatz verkörperten alternativen Anlage des Investors die Steuern in der gleichen Weise zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund konzediert IDW S 1 eine Typisierung, nach der „die persönliche Ertragsteuerbelastung der Nettozuflüsse aus dem zu bewertenden Unternehmen der persönlichen Ertragsteuerbelastung der Alternativinvestition in ein Aktienportfolio entspricht.“5 Die VWG-Funktionsverlagerung nehmen typisierend nur auf die Steuern des Unternehmens, nicht dagegen auf die Steuern der Gesellschafter Bezug.6 Es wird jedoch dem Steuerpflichtigen auch die Möglichkeit eingeräumt, die persönliche Steuerbelastung der Gesellschafter zu berücksichtigen und damit ein finanzmathematisch exaktes Ergebnis zu berechnen. In diesem Fall ist bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes bzgl. der Steuerbelastung entsprechend zu verfahren.7 Aus Vereinfachungsgründen wird bei Personengesellschaften das Wahlrecht zugestanden, typisierend die Ertragsteuern anzusetzen, „die entstanden wären, wenn statt Personenunternehmen Kapitalgesellschaf1 IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f. 2 Vgl. hierzu auch Stellungnahme des IDW zur Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, FN-IDW 2011, 592 ff. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 89. 4 IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 28. 5 IDW S 1 i.d.F. 2008, FN-IDW 2008, 271 Tz. 45. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 34. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 36.

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4.532

Kap. 4 Rz. 4.533 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen ten an der Funktionsverlagerung beteiligt gewesen wären.“1 Anstelle dieser Typisierung kann die Steuerbelastung nach den individuellen Steuersätzen ermittelt werden.

4.533 Keine Einbeziehung (periodischer) persönlicher Ertragsteuern. Zweifelsohne ist die explizite Be-

rücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern und damit der wertrelevanten steuerlichen Verhältnisse der Anteilseigner in dem Bewertungskalkül bei der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts stets sachgerecht.2 Die Bewertung von Transferpaketen im Rahmen von Funktionsverlagerungen ist jedoch nach § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG durch hypothetischen Fremdvergleich unter Beachtung des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG durchzuführen. Hiernach ist für die Anwendung des Fremdvergleichs insbesondere davon auszugehen, dass die voneinander unabhängigen Dritten nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln. Mit der Bezugnahme auf die Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl auf Seiten des verlagernden wie auf Seiten des übernehmenden Unternehmens (sog. doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter; Rz. 4.175 ff.) ist die Grenzpreisermittlung (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens, Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) auf die Gesellschaftsebene eingeengt und festgelegt. Die maßgeblichen Entscheidungswerte sind deshalb diejenigen auf Gesellschaftsebene und nicht diejenigen auf Gesellschafterebene.3 Der zwingende Verzicht auf die persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften folgt unmittelbar auch aus § 1 Abs. 4 FVerlV, nach dem bei der Bewertung die Perspektiven des verlagernden und des übernehmenden Unternehmens maßgebend sind. Vor diesem Hintergrund ist für das in Tz. 34 der VWGFunktionsverlagerung eingeräumte Wahlrecht eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich.

4.534 Berücksichtigung aperiodischer Besteuerungseffekte. Neben periodischen Besteuerungseffekten

will die Finanzverwaltung auch aperiodische Besteuerungseffekte in die Ermittlung des jeweiligen Grenzpreises des Leistungserbringers und des Leistungsempfängers einbeziehen. Die Finanzverwaltung macht sich hierbei eine vereinzelt im Schrifttum vertretene Auffassung zu eigen,4 ohne diese allerdings zu begründen oder aus den gesetzlichen Vorgaben abzuleiten. So heißt es in Tz. 118 der VWG-Funktionsverlagerung denkbar knapp: „Für die Berechnung des Mindestpreises des verlagernden Unternehmens ist auch dessen Steuerbelastung auf den Ertrag aus der Veräußerung von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion zu berücksichtigen.“5 Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll mithin die erst durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung ausgelöste Steuerbelastung auf den Veräußerungsgewinn (sog. Exit-Tax bzw. Tax-Gross-up) bei der Ermittlung der Preisgrenze des Leistenden einbezogen werden. Zu der Ermittlung der Preisgrenze des übernehmenden Unternehmens (Höchstpreis) führen die VWG-Funktionsverlagerung in Tz. 125 aus, „dass auch die steuerlichen Auswirkungen der Aufwendungen für den Erwerb von Bestandteilen des Transferpakets der verlagerten Funktion (Abschreibungen auf erworbene Wirtschaftsgüter) zu berücksichtigen“6 seien. Die Finanzverwaltung will also die Besteuerungseffekte des durch die Funktionsverlagerungsbesteuerung erst entstehenden Abschreibungspotenzials (sog. Tax Amortization Benefit [TAB]) in die Ermittlung des Höchstpreises einbeziehen. Die Berücksichtigung einer Exit-Tax und eines TAB ist weder Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens zum Unternehmensteuerreformgesetz gewesen, noch kann sie der Begründung des Ver1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 35. 2 Vgl. IDW S 1 i.d.F. 2008, FN-IDW 2008, 271 Tz. 43 f. u. 46 f. 3 Vgl. auch Greinert/Reichl, DB 2011, 1183; für die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter Kasperzak/Nestler, Bewertung von immateriellem Vermögen, 136. 4 Vgl. Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1698 f.; Heining, Funktionsverlagerungen ins Ausland, 127 ff.; Oestreicher/Wilcke, DB 2010, 1714 f. 5 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 118. 6 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 125.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.536 Kap. 4

ordnungsgebers zur FVerlV1 entnommen werden.2 Das BMF hat diese Beurteilung der Finanzverwaltung auch erst seiner endgültigen Fassung der VWG-Funktionsverlagerung zugrunde gelegt. Hierbei mutet es schon befremdlich an, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung im Wesentlichen anhand eines Beispiels darbringt.3 Beide Vorgaben der Finanzverwaltung bewirken, dass sich die Preisgrenzen deutlich erhöhen und es durch diese Art einer wertmäßigen „Parallelverschiebung nach oben“ zu einer Steigerung des Werts des Transferpakets kommt.4 Überdies führt die Barwertermittlung zu einer Einengung des Einigungsbereichs, weil die zeitlich später anfallenden abschreibungsbedingten Entlastungseffekte regelmäßig hinter der Exit-Tax zurückbleiben.5 Auffassung des IDW. Mit der h.M. im Schrifttum,6 entspricht nach Auffassung des IDW die zwingende Berücksichtigung von Exit Tax und TAB nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der FVerlV, dem Konzept des hypothetischen Fremdvergleichs und dem Fremdvergleichsgrundsatz nach den OECD-Leitlinien. Im Einzelnen:7

4.535

– Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 AStG und der FVerlV folgt, dass ausschließlich die ertragsteuerliche Belastung zu berücksichtigen ist, die auf die zukünftig erwarteten Reingewinne aus der Ausübung der Funktion entfällt, d. h. die laufende Besteuerung der übertragenen Gewinnpotenziale. – Nach § 3 Abs. 1 FVerlV sind andere als die aus der Ausübung der Funktion erwarteten Gewinne (d.h. vorliegend der Veräußerungsgewinn für Zwecke der Exit Tax) nicht in die Bewertung einzubeziehen. Auch handelt es sich bei der Exit Tax nicht um verlagerungsbedingte Schließungskosten i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 1 FVerlV. – Eine Berücksichtigung dieser Steuereffekte sehen auch die OECD-Leitlinien i.R.d. Grenzpreisbewertung immaterieller Wirtschaftsgüter nicht vor. Ferner lässt das Verrechnungspreiskonzept nach den OECD-Leitlinien Steuern unberücksichtigt (Tz. 2.80 OECD-Leitlinien). – Maßgeblich für die Bewertung sind marktübliche Transaktionsbedingungen (Fremdvergleichsverhalten). Die Berücksichtigung dieser Steuereffekte lässt sich aber nicht aus einem solchen Fremdvergleich ableiten, wie die aktuelle Praxis bei Unternehmenskäufen zeigt. – Die Einbeziehung von Exit Tax und TAB lässt sich nicht mit der Fiktion vollständiger Information und Markttransparenz nach § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG vereinbaren. Denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens würde in Kenntnis der preiserhöhenden Auswirkung auf die Einbeziehung von Abschreibungspotenzial verzichten. Jedenfalls aber würde er auf Grundlage des für das Transferpaket anzusetzenden Verrechnungspreises kalkulieren und nicht auf Grundlage seines Grenzpreises. dd) Die Eliminierung des sog. Funktionsgewinns Implikationen der gesetzlichen Regelung. § 3 Abs. 2 FVerlV geht bei der Anwendung der indirekten Methode im Grundsatz von einer vierfachen Bewertung aus. Hiernach sind für das abge1 V. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. 2 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008. 3 Vgl. hierzu BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Anlage Beispiel 1, Abwandlung C. 4 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 168; Greinert/Reichl, DB 2011, 1183. 5 Vgl. hierzu auch Greinert/Reichl, DB 2011, 1185. 6 Vgl. ferner Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 161 (168 f.); Greinert/Reichl, DB 2011, 1182 ff.; Menninger/Wellens, TMTR v. 30.6.2011, 4; a.A. Oestreicher, Ubg 2011, 515 ff.; Liebchen in Federmann/Kußmaul/Müller, Handbuch der Bilanzierung, Stichw. 50 (Funktionsverlagerung), Rz. 39 f.; Ditz/Greinert in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 7.102 ff. 7 Vgl. hierzu auch Stellungnahme des IDW zur Bewertung von Transferpaketen im Rahmen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, FN-IDW 2011, 592 ff.

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4.536

Kap. 4 Rz. 4.537 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen bende wie für das aufnehmende Unternehmen die zukünftig erwarteten Gewinne zu prognostizieren, und zwar jeweils „auf Grundlage einer Funktionsanalyse vor und nach der Funktionsverlagerung.“ Ohne Korrekturen impliziert diese Vorgehensweise, dass dem aufnehmenden Unternehmen – abgesehen von Standortvorteilen und etwaigen gehobenen Synergieeffekten – das Gewinnpotenzial ursächlich bedingt und ohne eigenes Zutun nur durch die Funktionsverlagerung zufällt. Für das abgebende Unternehmen würde hiermit korrespondierend der Rückgang zukünftig erwarteter Gewinne exklusiv auf die Funktionsverlagerung zurückgeführt. Diese Sichtweise lässt unberücksichtigt, dass dem abgebenden Unternehmen angesichts des durch Abgabe der Funktion (und Risiken) veränderten Funktions- und Risikoprofils auch ein geringerer Gewinn gebührt.1 Demgegenüber rechtfertigt der veränderte Funktions- und Risikoumfang des aufnehmenden Unternehmens eine höhere Gewinnteilhabe.

4.537 Funktionsausübung und Routineunternehmen. Grundsätzlich kann im Rahmen der Bewertung

eines Transferpakets nur der Gewinn angesetzt werden, der den sog. Funktionsgewinn übersteigt. Der Funktionsgewinn spiegelt i.d.R. nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals wider. Methodisch findet sich diese Normalverzinsung in der Kostenaufschlagsmethode wieder, sofern nur ein Gewinnaufschlag auf die Vollkosten i.H. einer Normalverzinsung erhoben wird. Daher dürften folglich Gewinnpotenziale, die nur eine Normalverzinsung beinhalten, nicht Gegenstand einer Transferpaketbesteuerung sein, selbst wenn der dahinterstehende Geschäftsvorfall als Funktionsverlagerung anzusehen sein sollte.

Folgerichtig regelt § 2 Abs. 2 FVerlV auch, dass z.B. in Fällen einer Funktionsabspaltung, in denen anschließend die Kostenaufschlagsmethode für die Funktionsausübung zur Anwendung kommt, davon auszugehen ist, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter übergehen, so dass es zu keinen transferpaketbedingten Besteuerungsfolgen aufgrund der Funktionsverlagerung kommt (Rz. 4.567 ff.). Nach der Begründung zu § 2 Abs. 2 Satz 1 der FVerlV werden diese Sachverhalte generell von der Transferpaketbetrachtung ausgenommen, „um eine zu weitgehende Behandlung von Geschäftsvorfällen als Funktionsverlagerungen zu vermeiden“, selbst wenn diese Vorgänge ex definitione als Funktionsverlagerungen anzusehen sind. Praktische Bedeutung hat diese Regelung bei der Übertragung von Routinefunktionen (wie z.B. Lohnfertiger oder Kommissionäre), mit denen keine bzw. geringe Chancen und Risiken übergehen, so dass der Verrechnungspreis i.d.R. keine die Normalverzinsung übersteigenden Gewinnelemente enthält. So hat auch die Rspr. bei der Übertragung von Funktionen auf einen Lohnfertiger (Funktionsabspaltung) bislang keinen Grund gesehen, eine Gewinnrealisierung bei dem verlagernden Unternehmen vorzunehmen.2

4.538 Beschränkung auf Übergewinne. Wenn diese Überlegung im Rahmen der Verlagerung von Rou-

tinefunktionen richtig ist, so ist es konsequent, dementsprechend auch bei den anderen Formen der Funktionsverlagerung zu verfahren. Demnach kann nur derjenige Gewinn im Rahmen einer Funktionsverlagerung bzw. eines Transferpakets erfasst werden, der den Funktionsgewinn der übertragenen Funktion übersteigt.3 Es wäre mithin nicht gerechtfertigt, die gesamte Veränderung des Gewinns vor und nach der Funktionsverlagerung zu betrachten. Korrigierend müsste vielmehr berücksichtigt werden, dass mit der Funktionsverlagerung auch eine Funktion im Inland nicht mehr ausgeübt wird und insofern der Funktionsgewinn wegfällt.4 Dies ist auch insoweit nachvoll1 Vgl. Freytag, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2197; So weisen Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 2208 zu Recht darauf hin, dass ein Unternehmen bei der Abgabe von Risiken, z.B. an Versicherungen, ein Entgelt entrichten muss, nicht dagegen ein Entgelt von der das Risiko übernehmenden Gesellschaft erhält. 2 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, rkr., EFG 2006, 1562; vgl. zu diesem Urteil Baumhoff/ Greinert, IStR 2006, 789 ff.; vgl. auch Kaminski, RIW 2007, 594, 599. 3 Vgl. Baumhoff in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkunftsabgrenzung, 86 f.; Ditz, DStR 2006, 1627; Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 140. 4 Vgl. Greinert, DB 2009, 757.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.540 Kap. 4

ziehbar, als der Funktionsgewinn idealerweise nur eine Normalverzinsung des für die jeweilige Funktion investierten Kapitals wiedergibt. Wenn nun das entsprechende Kapital im Inland nicht mehr verwendet wird, folgt daraus zwangsläufig, dass auch der jeweilige Gewinn – also der Funktionsgewinn – wegfällt. Auch aus der Perspektive des übernehmenden Unternehmens ist diese Überlegung zwingend. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter des übernehmenden Unternehmens wäre nicht bereit, ein Entgelt für diejenigen Gewinne an den Verlagernden zu entrichten, die auf seine Funktionsausübung entfallen. Diese Gewinne sind ein Äquivalent für die von dem Übernehmenden ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken. Würde er dafür ein Entgelt an den Verlagernden entrichten, so müsste der Übernehmende letztlich gewinnlos wirtschaften. Dies würde ein fremder Dritter allerdings nicht akzeptieren.1 Damit kann nur der über den Funktionsgewinn hinausgehende Gewinn Gegenstand der Besteuerung i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG sein. Dies steht auch im Einklang mit der Intention des Gesetzes, soll doch mit der Besteuerung von Funktionsverlagerungen der Gewinn erfasst werden, der mit den jeweiligen Chancen und Risiken verbunden ist. Chancen und Risiken sind jedoch nur das, was über die eigentliche Funktionsausübung hinausgeht bzw. nur diejenige Verzinsung, welche die Normalverzinsung übersteigt.2 Auch nach Auffassung von Vertretern der Finanzverwaltung stellt unternehmerisches Gewinnpotenzial nur das Gewinnpotenzial dar, „das über die Verzinsung des eingesetzten Kapitals für risikoadäquate Anlagen am Kapitalmarkt zzgl. eines Unternehmerlohns hinausgeht.“3 Insofern ist dieser Umstand bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes zu berücksichtigen mit der Folge, dass eine „Normalverzinsung“ immer zu einem Barwert in Höhe des Werts des eingesetzten Kapitals führt. Gegenteilige Schrifttumsauffassung. Demgegenüber wird im Schrifttum4 die Auffassung vertreten, die Eliminierung bzw. Separierung des Funktionsgewinns erfolge automatisch mit der Diskontierung der zukünftigen Gewinne oder Cashflows zum Kapitalisierungszinssatz, so dass es zu keiner doppelten Besteuerung dieser Zukunftsgewinne komme. Die mit der Diskontierung verbundene Zuweisung dieser Gewinne bewirke gerade, dass der Wert des Transferpakets insoweit vermindert würde.

4.539

Dem kann jedenfalls für die indirekte Methode nicht gefolgt werden, denn sie führt über ihre vierfache Bewertung nicht zu einer dementsprechenden Separierung des auf die zukünftige Funktionsausübung entfallenden Gewinnanteils. Ebenso ist im Rahmen der direkten Wertermittlung zu beachten, dass mittels der – aus der Perspektive des verlagernden wie aus derjenigen des übernehmenden Unternehmens vorzunehmenden – Diskontierung die jeweiligen Preisgrenzen determiniert werden, die den Einigungsbereich abstecken. Der zum Ansatz kommende Wert des Transferpakets geht auf die Aufteilung dieses Einigungsbereichs zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen zurück. ee) Die Ermittlung des Diskontierungsfaktors Funktions- und risikoadäquate Kapitalisierungszinssätze. Für die Ermittlung des Ertragswerts ist es erforderlich, die für die einzelnen Jahre isolierten und prognostizierten Gewinne auf den Übertragungsstichtag zu diskontieren. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG sieht hierfür die Anwendung „funktionsund risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze“ vor. Diese Formulierung verdeutlicht, dass die Ermittlung des Diskontierungsfaktors den Methoden unterliegt, die von der Finanzwirtschaftslehre im Allgemeinen und der Unternehmensbewertungslehre im Besonderen abgeleitet wurden.5 Hiernach bestimmt die günstigste alternative Kapitalanlage den Kapitalisierungszinssatz. Dieser reprä1 So auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 307. 2 Vgl. Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1287. 3 Schreiber, Ubg 2008, 436; siehe auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 73. 4 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 85 Fn. 25; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 751 Fn. 403. 5 Vgl. Naumann, Status: Recht 2007, 204.

Baumhoff/Liebchen | 623

4.540

Kap. 4 Rz. 4.541 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen sentiert folglich die Renditeerwartung einer zum Transferpaket adäquaten Alternativanlage.1 Im Rahmen der indirekten Wertermittlung erfordert dies denklogisch die Ermittlung von vier Kapitalisierungszinssätzen, nämlich für das abgebende wie für das aufnehmende Unternehmen jeweils vor und nach der Funktionsverlagerung. Im Rahmen der direkten Wertermittlung ist diese Bewertungsgrundlage demgegenüber lediglich zweimal zu ermitteln.

4.541 Basiszinssatz. Die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes setzt zunächst an der Verzinsung ei-

ner risikolosen Investition am Kapitalmarkt (Basiszinssatz) an, deren Laufzeit der voraussichtlichen Ausübung der Funktion entspricht. Dieser Basiszinssatz ist gesondert für das abgebende und das aufnehmende Unternehmen für den jeweils relevanten Markt zu ermitteln.2 Die aktuelle Fassung des Bewertungsstandards IDW S 1 sieht die Ableitung des Basiszinssatzes unter Verwendung fristadäquater Zerobondsätze vor.3 Hierzu empfehlen sowohl das IDW als auch das Schrifttum,4 bei Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf die von der Deutschen Bundesbank geschätzte Zinsstrukturkurve zurückzugreifen, um so unterschiedliche Zinssätze während des Zeitraums der Funktionsausübung zu berücksichtigen. Daneben wird es für Funktionsverlagerungen innerhalb Europas als sachgerecht erachtet, die entsprechenden Daten der Europäischen Zentralbank zu verwenden, die die Daten nach derselben Methode bereitstellt.5 Ferner ist – vergleichbar mit dem Konzept der funktionalen Währungsumrechnung nach IAS 21.86 – der Rückgriff auf die Zinsstrukturkurve eines anderen Staates als des Sitzstaates des Unternehmens gerechtfertigt, wenn sich dort sein primäres wirtschaftliches Umfeld befindet.7 Ungeachtet des relevanten Marktes konzediert die Finanzverwaltung schließlich die Verwendung des risikolosen Zinssatzes für die Bundesrepublik Deutschland, wenn sich die länderspezifischen Risiken im Risikozuschlag angemessen niederschlagen.8

4.542 Funktions- und risikoadäquate Zuschläge. Der nach diesen Grundsätzen als Ausgangsgröße für

die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes ermittelte Basiszinssatz ist um funktions- und risikoadäquate Zuschläge zu erhöhen. Der funktions- und risikoadäquate Zuschlag ist gem. § 5 Satz 3 FVerlV so zu bemessen, „dass er sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen die in vergleichbaren Fällen jeweils unternehmensübliche Risikobeurteilung berücksichtigt.“ Hierzu sollen die Risikozuschläge aus „marktüblichen Renditen“ abgeleitet werden, „die für die Ausübung vergleichbarer Funktionen erzielt werden, wenn ausreichend vergleichbare Renditeerwartungen ermittelt werden können.“9 Mithin sollen mittels eines tatsächlichen Fremdvergleichs Vergleichsrenditen ermittelt werden. Berücksichtigt man jedoch, dass für die begrifflich als Funktionsverlagerung qualifizierende Verlagerung von Routinefunktionen (Rz. 4.149) regelmäßig keine Gesamt-, sondern eine Einzelbewertung zum Tragen kommt (§ 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG i.V.m. § 2 Abs. 2 FVerlV), verengt sich die Vergleichsanalyse auf hybride Funktionen und Entrepreneurfunktionen (Rz. 4.149). Unabhängig davon, lassen sich für Funktionen keine marktüblichen Renditen ermitteln.10 Marktorientiert lassen sich nur Renditen und damit Risikozuschläge für börsen-

1 Vgl. Mandl/Rabel in Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung3, Rz. 407 u. 428. 2 Vgl. zutreffend BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 105; hierzu auch Baumhoff in FS Schaumburg, 554. 3 IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 117. 4 Vgl. Günter, WPg 2007, 1087 m.w.N. 5 Vgl. Baumhoff in FS Schaumburg, 554. 6 Zur funktionalen Währungsumrechnung siehe Küting/Weber, Der Konzernabschluss10, 201 ff.; Lüdenbach in Lüdenbach/Hoffmann, IFRS Kommentar6, § 27 Rz. 24 ff. 7 U.E. zutreffend stellt das BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 104 auf den „betreffenden Markt“ ab. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 104. 9 BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 19; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 106. 10 Vgl. Oestreicher, Ubg 2009, 93 f.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.544 Kap. 4

notierte Unternehmen berechnen (Rz. 4.543). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll in Fällen, in denen keine ausreichend vergleichbare Renditeerwartungen ermitteln werden können, „der funktions- und risikoadäquate Zuschlag aus den Gewinnerwartungen des Gesamtunternehmens“ abgeleitet und der verlagerten Funktion – basierend auf einer Wertschöpfungsanalyse – ein angemessener Anteil am zu erwartenden Gesamtgewinn zugeordnet werden.1 Dies ist nicht zuletzt deshalb verfehlt, weil sich dieser Ansatz methodisch auf die Übernahme der Eigenkapitalkosten und hieraus abgeleitet des Kapitalisierungszinssatzes des Gesamtunternehmens beschränkt.2 Wenn ferner für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen die Risikobeurteilung zu unterstellen sein soll, „die sich aus der übrigen Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unternehmens oder der Unternehmensgruppe (des Konzerns) ergibt“,3 bezieht sich die Risikoprämie auf die „übrige Geschäftstätigkeit“. Sachgerecht kann jedoch nur sein, dass die Risikoprämie aus den mit der übernommenen Funktion verbundenen Risiken abgeleitet wird. Angesichts des Tatbestandes, dass – im Rahmen der direkten Wertermittlung – mit der verlagerten Funktion spezifische funktionsbezogene Risiken verbunden sind und dass – im Rahmen der indirekten Wertermittlung – die Risikoprofile von verlagerndem und übernehmendem Unternehmen infolge der Funktionsverlagerung naturgemäß Veränderungen erfahren, überzeugt diese „Vereinfachung“ nicht.4 Kapitalmarktorientierte Verfahren. In der Unternehmensbewertung wird zur Ermittlung des Risikozuschlags typischerweise auf Modelle der Preisbildung an Kapitalmärkten zurückgegriffen. Hierdurch können aus den am Kapitalmarkt empirisch ermittelten Aktienrenditen mithilfe von Kapitalmarktpreisbildungsmodellen (CAPM, Tax-CAPM) Risikoprämien abgeleitet werden.5 Allerdings ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM) als das in der Praxis der Unternehmensbewertung gebräuchlichste und anerkannteste Verfahren6 primär auf die Bewertung ganzer Unternehmen ausgerichtet, weil der maßgebende Beta-Faktor unter Berücksichtigung der Kursschwankungen der Wertpapiere von börsennotierten Unternehmen ermittelt wird. Für einzelne Funktionen existieren hingegen keine an Börsen festgestellten Marktpreise.

4.543

Der Bewertung immaterieller Vermögenswerte liegt ein vergleichbarer Ansatz zugrunde.7 Nach der „Risikozuschlagsmethode“ sind die Erwartungswerte der Cashflows mit einem risikoadjustierten Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren. Ausgangsgröße sind hier die „gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten des Unternehmens (Weighted Average Cost of Capital, WACC)“.8 Hierbei können sowohl die Gegebenheiten am Kapitalmarkt als „auch unternehmensintern vorgegebene oder anderweitig abgeleitete Renditeerwartungen zur Diskontierung der Cashflows herangezogen werden.“ Die vermögenswertspezifischen Eigenkapitalkosten sollen ebenfalls analog zum CAPM ermittelt werden. Verwendung von Kapitalmarktdaten und Anpassungen. Da für einzelne Funktionen keine an Börsen festgestellten Marktpreise existieren, scheidet zumindest eine unmittelbare Ableitung des Risikozuschlags für Transferpakete aus Kapitalmarktdaten aus.9 Auf sie ist jedoch mittelbar Bezug zu nehmen. Dass diese Daten einem tatsächlichen Fremdvergleich entspringen, stellt den metho1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 106, so bereits schon die Verordnungsbegründung, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 19. 2 Vgl. hierzu auch Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, 1694. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 106. 4 Kritisch auch Kaminski/Strunk, RIW 2009, 713. 5 Vgl. IDW S 1, FN-IDW 2008, 271 Tz. 118. 6 Vgl. Paulsen, WPg Sonderheft 2008, S109 ff.; Wüstermann, BB 2009, 1521. 7 Zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte vgl. Greinert, Ubg 2010, 101 ff. 8 Vgl. IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 41. 9 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1952; Baumhoff in FS Schaumburg, 555; Kaminski/Strunk, RIW 2009, 713; Vögele, DStR 2010, 422.

Baumhoff/Liebchen | 625

4.544

Kap. 4 Rz. 4.545 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen dischen Ansatz des hypothetischen Fremdvergleichs bei der Bewertung von Transferpaketen nicht infrage.1 Die deutsche Finanzverwaltung spricht in diesem Zusammenhang von der Berücksichtigung „tatsächlichen Fremdverhaltens“ im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs.2 Bei der Verwendung von Kapitalmarktdaten ist zu berücksichtigen, dass diese letztlich auf erwartete Preisschwankungen von Wertpapieren zurückgehen, wobei neben unternehmensbezogenen Daten auch Ausstattungsmerkmale ebendieser Wertpapiere kursbestimmend sind. Anpassungen werden etwa erforderlich aufgrund des mit der Ausübung unternehmerischer Funktionen verbundenen Haftungsrisikos (über den Totalverlust der Anfangsinvestition hinaus), das unter Fremdvergleichsgesichtspunkten eine Risikoprämie rechtfertigt, die über die am Kapitalmarkt für Aktienanlagen beobachtbare hinausgeht.3 Während sich der Basiszinssatz an den periodenspezifischen Zerobondrenditen der aktuellen Zinsstrukturkurve orientieren sollte, ist die vermögenswertbezogene Risikoprämie für den Fall, dass keine unternehmensbezogenen Kapitalmarktdaten vorliegen, auf Basis einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer-Group) abzuleiten. Bei der Auswahl der adäquaten Peer-Group sollte eine weitestgehende Übereinstimmung der operativen Geschäftstätigkeit sowie der Unternehmensgröße angestrebt werden.4 Die mittelbare Bezugnahme auf Kapitalmarktdaten erfordert Anpassungen an den jeweiligen Funktions- und Risikoumfang des Transferpakets (Zu- und Abschläge) durch – mehr oder weniger subjektive – Schätzungen. Die hierbei bestehende Schätzungsunsicherheit darf nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen.

4.545 Berücksichtigung der Steuerbelastung. Im Einklang mit der Eliminierung der Steuerbelastung aus

den prognostizierten Zahlungsströmen (§ 1 Abs. 4 FVerlV) verlangt § 5 FVerlV, dass der Steuerbelastung auch beim Kapitalisierungszinssatz Rechnung zu tragen ist. Diesbezüglich ist das Äquivalenzprinzip zu beachten. Hiernach ist entscheidend, dass nicht nur bei den erwarteten Nettogewinnen, sondern auch bei der durch den Kalkulationszinssatz verkörperten alternativen Anlage des Investors die Steuern in der gleichen Weise zu berücksichtigen sind. Wenn die erwarteten Gewinne aus dem Transferpaket nur um die Steuern des Unternehmens gekürzt werden, ist der Kapitalisierungszinssatz auch nur um die Steuern des Unternehmens zu reduzieren. Dementsprechend schlägt sich eine Berücksichtigung auch der Steuerbelastung der Gesellschafter bei den Gewinnen des Transferpakets gleichsam im Kapitalisierungszinssatz nieder (Rz. 4.532). ff) Die Ermittlung des Kapitalisierungszeitraums

4.546 Grundsatz: Ewige Rente. Der Isolierung der auf das Transferpaket entfallenden Gewinne und der

Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes schließt sich die Bestimmung des Zeitraums an, über den die Gewinne zu kapitalisieren sind (Kapitalisierungszeitraum). Gemäß § 6 FVerlV ist grundsätzlich „ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zugrunde zu legen“, sofern „keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht [werden; d. Verf.] oder […] solche Gründe nicht ersichtlich“ sind. Mithin kommt die Formel der „ewigen Rente“ zum Tragen, sofern für den Steuerpflichtigen keine kürzeren Kapitalisierungszeiträume ersichtlich sind. Die Verordnungsbegründung verweist zur Begründung dieses Ansatzes darauf, dass Funktionsverlagerungen Betriebs- oder Teilbetriebsveräußerungen ähnlich seien und für diese „betriebswirtschaftlich“ auch ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum angewendet werde.5 Ob diese Begründung im Allgemeinen trägt oder schon im Ansatz – angesichts der fehlenden Deckungsgleichheit der Bewertungsobjekte – verfehlt ist, kann hier dahinstehen.

1 Kritisch Oestreicher, Ubg 2009, 93 f. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 65. 3 Vgl. Roeder in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 154. 4 Vgl. IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 43. 5 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 21.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.549 Kap. 4

Nur begrenzter Kapitalisierungszeitraum fremdvergleichskonform. Betriebswirtschaftlich rechtfertigt sich ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum jedenfalls nur dann, wenn die Rückflüsse aus der übertragenen Funktion ohne Zusammenwirken mit nicht in dieser Funktion angelegten Einflussfaktoren (z.B. Synergieeffekten oder Standortfaktoren des aufnehmenden Unternehmens) ihre Erhaltung sichern. Dies umfasst insbesondere auch die Realisierung von Ersatzinvestitionen aus den dieser Funktion zuzuordnenden Zahlungsüberschüssen.1 Diesen Charakter einer dauerhaften Einkunftsquelle, d.h. eines zeitlich unbegrenzten „ewigen“ Gewinnpotenzials,2 werden die meisten Funktionen nicht aufweisen. Regelmäßig wird ihre Nutzungsdauer begrenzt sein. Bei der Verlagerung von Vertriebsfunktionen müssten etwa die Laufzeit des Vertriebsvertrages oder aber, falls ein solcher nicht existiert, die gesetzlichen Kündigungsfristen Berücksichtigung finden. Ferner sind zeitliche Aspekte wie Produktlebenszyklen, technische Entwicklungen, Absatzmarktänderungen, Bedarfswandlungen am Markt etc. von besonderer Bedeutung für die Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums. Vor diesem Hintergrund ist es bei der Bewertung typischerweise geboten, nur einen begrenzten Zeitraum zugrunde zu legen. Die auf die Praxis der Unternehmensbewertung zurückgehenden Vorschläge in der Literatur, von Prognosezeiträumen von ca. drei bis fünf Jahren auszugehen,3 sind daher eher vertretbar und wohl auch fremdvergleichskonform.

4.547

Glaubhaftmachung eines begrenzten Kapitalisierungszeitraums. Zutreffend ist es deshalb, dass § 6 FVerlV die Möglichkeit einräumt, durch die Funktionsausübung bestimmte kürzere Kapitalisierungszeiträume zugrunde zu legen. Dies erfordert, dass die von der Funktionsausübung abhängigen Umstände „glaubhaft gemacht werden oder ersichtlich sind.“ Die Formulierungen „ersichtlich“ und „glaubhaft gemacht“ verdeutlichen, dass keine zu hohen Anforderungen an den Nachweis gerichtet sind.

4.548

VWG-Funktionsverlagerung. Die VWG-Funktionsverlagerung gehen „regelmäßig“ dann von einem unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum aus, wenn sich die Funktionsverlagerung auf einen Betrieb, Teilbetrieb oder eine unternehmerische Einheit bezieht, die für sich allein lebensfähig ist.4 Lediglich unterhalb der Schwelle eines Teilbetriebs wird ein begrenzter Kapitalisierungszeitraum als sachgerecht erachtet. Als in der Funktionsausübung angelegte Umstände für einen zeitlich begrenzten Kapitalisierungszeitraum wird auf die zeitlich begrenzte Überlassung der Funktion und die begrenzte Laufzeit eines Patents verwiesen, wobei die Nachweispflicht – außerhalb der Offenkundigkeit – beim Steuerpflichtigen liegen soll.5 Als Anhaltspunkte für die Bestimmung des Kapitalisierungszeitraums benennt Tz. 110 der VWG-Funktionsverlagerung beispielhaft den Technologiezyklus, den Produktlebenszyklus, die Dauer eines Patentschutzes, die Dauer eines Vertriebsrechts oder die garantierte Dauer der Funktionsausübung. Hierbei verlangt die Finanzverwaltung im Falle unterschiedlicher Nutzungsdauern der Bestandteile eines Transferpakets die Orientierung an der längsten Nutzungsdauer unter Berücksichtigung einer etwaigen Gewichtung.6 Ferner indiziert nach Auffassung der Finanzverwaltung die Einbeziehung eigener Aufwendungen des übernehmenden Unternehmens für die Erhaltung oder den Ersatz immaterieller Wirtschaftsgüter in dessen Gewinnerwartungen einen längeren Kapitalisierungszeitraum, während deren Nichtberücksichtigung keine Indizienwirkung zukommen soll.7 Aus Vereinfachungsgründen soll typisierend für das verlagernde und für das übernehmende Unternehmen ein einheitlicher Kapitalisierungs-

4.549

1 Vgl. hierzu Oestreicher, Ubg 2009, 94. 2 Vgl. Frotscher, FR 2008, 56, Fn. 24; Baumhoff in FS Schaumburg, 553. 3 Vgl. Ditz, DStR 2006, 1628; Finsterwalder, IStR 2004, 767; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1951; Vögele, DStR 2010, 422. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 109. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 110. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 110. 7 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 111.

Baumhoff/Liebchen | 627

Kap. 4 Rz. 4.550 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen zeitraum zum Tragen kommen.1 Allerdings ist diese Typisierung unter Nachweis der entsprechenden Voraussetzungen widerlegbar. d) Berücksichtigung von Handlungsalternativen bei der Grenzpreisermittlung

4.550 Verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV

und § 7 Abs. 1 Satz 2 FVerlV sollen für die Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen die jeweiligen Handlungsalternativen sowohl bei der Ermittlung der Gewinnpotenziale als auch bei der Ermittlung des jeweiligen Grenzpreises berücksichtigt werden.2 Im Hinblick auf die Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten führen die VWG-Funktionsverlagerung in Tz. 96 aus, dass für den anzustellenden Fremdvergleich die rechtliche und wirtschaftliche Position der Vertragspartner zu berücksichtigen sei.3 Bestehen etwa für das übernehmende Unternehmen konkrete, realistische und eindeutig vorteilhaftere Handlungsmöglichkeiten, so wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter versuchen, aus diesen bestehenden Handlungsmöglichkeiten einen Verhandlungsvorteil abzuleiten und diesen in die Preisverhandlungen zu seinen Gunsten einzubringen.4 Demgegenüber wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übertragenden Unternehmens nicht bereit sein, einen wirtschaftlichen Vorteil ganz oder teilweise unentgeltlich abzugeben, wenn z.B. konkret die Möglichkeit bestünde, einen höheren Preis für die Abgabe der Funktion zu erzielen; er würde vielmehr versuchen, ein optimales Ergebnis für das von ihm vertretene, verlagernde Unternehmen zu erreichen. Diese Aussagen der Finanzverwaltung stellen letztlich zutreffende Konkretisierungen des Fremdvergleichsgrundsatzes dar. Ferner wirkt sich die Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung ausschließlich auf die Ermittlung der jeweiligen Grenzpreise aus. So heißt es in Tz. 117 der VWG Funktionsverlagerung, dass realistischerweise verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen bei der Bestimmung des Mindestpreises (des verlagernden Unternehmens) berücksichtigt werden müssen, was zutreffend mit deren Einfluss auf diesen Grenzpreis begründet wird.5

4.551 Vergleich mit transferpaketbezogener Preisgrenze. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stehen sich

bei Preisbildungsprozessen zwei voneinander unabhängige Entscheidungsträger mit individuellen Zielfunktionen gegenüber, die nur dann zu einem Ergebnis gelangen können, wenn ihre Interessen in angemessener Weise gewahrt werden. Damit gilt für die Herstellung eines Interessenausgleichs als Grundvoraussetzung, dass beide Seiten den Bedingungen eines Transfers nur dann zustimmen können, wenn sich diese – zumindest langfristig – nicht negativ auf das Betriebsergebnis der von ihnen vertretenen Unternehmen auswirken. Um dies beurteilen zu können, ist eine vorherige Festlegung der individuellen Entscheidungssituationen der Geschäftspartner durch Ermittlung der individuellen Preisgrenzen sowie der Handlungsalternativen erforderlich, die sowohl dem Anbieter als auch dem Nachfrager neben dem zu beurteilenden Liefer- bzw. Leistungstransfer offenstehen.6 Rationales Verhalten unterstellt, würde jeder der unabhängigen Entscheidungsträger seinen Grenz1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 112. 2 Zur Berücksichtigung verfügbarer Handlungsalternativen bei der Grenzpreisermittlung siehe Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.211, 5.214 und 5.218. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 94 und 121 ff. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 96. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 117. 6 Zum betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozess bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen im Rahmen der sog. „Bandbreitenbetrachtung“ vgl. auch Kleineidam/Baumhoff/Seutter, DB 1986, 238 ff.; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 139 u. 236 ff.; Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Roeder, Ubg 2008, 205 f.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1464 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 24 ff.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.553 Kap. 4

preis nach der letztlich günstigsten, d.h. vorteilhaftesten, alternativen Handlungsmöglichkeit ermitteln. Dies erfordert, dass die Handlungsalternativen zu identifizieren und zu bewerten sind. Sowohl aus Sicht des verlagernden als auch aus Sicht des übernehmenden Unternehmens ist vor diesem Hintergrund die bezogen auf das Transferpaket bestimmte jeweilige Preisgrenze (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bzw. Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) mit der jeweiligen günstigsten alternativen Handlungsmöglichkeit zu vergleichen. Führt dieser Vergleich zu einem Grenzpreis, der das betreffende Unternehmen besser stellt, ist dieser Grenzpreis für die Einigungsbereichsbetrachtung maßgeblich. e) Bestimmung des Wertes im Einigungsbereich Hälftige Teilung des Einigungsbereichs. Die Bestimmung des Wertansatzes im Einigungsbereich ist in § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG gesetzlich geregelt. Hiernach „ist der Preis im Einigungsbereich der Einkünfteermittlung zugrunde zu legen, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen“. Wenn also nichts anderes glaubhaft gemacht wird, ist zunächst auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Teilung des Einigungsbereichs ist zunächst nicht abwegig, zumal sie betriebswirtschaftlich der sog. Arbitriumwertlösung entspricht.1 Auch die sog. Zinsurteile des BFH2 machen einen entsprechenden Lösungsvorschlag. In gleicher Weise geht die Rechtsprechung zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger davon aus, dass Auftraggeber und Lohnfertiger den sich durch die Standortvorteile ergebenden Einigungsbereich hälftig teilen (Rz. 4.351).

4.552

Widerlegbare Vermutung. Allerdings handelt es sich bei der hälftigen Teilung des Einigungsbereichs um eine widerlegbare Vermutung. Der Steuerpflichtige muss hierzu glaubhaft machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit „der höchsten Wahrscheinlichkeit“ entspricht. Hierbei erfordert die Glaubhaftmachung ein herabgesetztes Beweismaß. Der Steuerpflichtige muss darlegen, dass für die behauptete Tatsache – der behauptete Wert entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit – „eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist“; d.h., das Bestehen der behaupteten Tatsache „wahrscheinlicher ist als ihr Nichtbestehen“.3 Nach Auffassung der Finanzverwaltung in den VWG Funktionsverlagerung4 bleibt für die Glaubhaftmachung eines anderen Werts als des Mittelwerts die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der Transaktionspartner unberücksichtigt. Demgegenüber können als Kriterien für einen dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der größten Wahrscheinlichkeit entsprechenden Wert die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten und Standortvorteilen herangezogen werden. Ferner sind – unter Verweis auf die Auffassung der OECD5 – die Handlungsalternativen der Parteien zu beachten. Wichtig wird hier sein, dass die unternehmensseitig angelegten Kriterien bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten (Rz. 4.578 ff.) hinreichend dargelegt werden.

4.553

Auch besteht – entgegen der von Vertretern der Finanzverwaltung6 bisweilen vertretenen Gegenauffassung – für einen abweichenden Wertansatz ein steuerliches Wahlrecht zwischen dem Mittelwert und einem günstigeren anderen Wertansatz (vgl. Rz. 4.197). 1 Vgl. hierzu Baumhoff in FS Wassermeyer, 351; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.226 ff., jeweils m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, BStBl. II 2004, 307 = DStRE 2004, 304. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 40. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 128. 5 Vgl. Tz. 1.38, 1.40, 1.52 f., 1.64, 1.122, 1.126 und 9.27 ff. OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Zech, IStR 2011, 136.

Baumhoff/Liebchen | 629

Kap. 4 Rz. 4.554 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen f) Nachträgliche Einkünftekorrekturen

4.554 Unzutreffender Verrechnungspreisansatz/Einigungsbereich. Zu nachträglichen Einkünftekorrek-

turen in Fällen, in denen der Einigungsbereich zutreffend ermittelt, aber der Verrechnungspreis unzutreffend angesetzt wurde, und in Fällen eines unzutreffend ermittelten Einigungsbereichs wird auf die Darstellungen in Rz. 4.198 ff. verwiesen.

4.555 Gesetzliche Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11 f. AStG. Zu nachträglichen Einkünf-

tekorrekturen aufgrund der widerlegbaren gesetzlichen Vermutung in § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG zur Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel und der Bestimmung des Korrekturbetrags nach der gesetzlichen Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 12 AStG wird auf die Darstellungen in Rz. 4.201 ff. verwiesen. 2. Einzelbewertung als Ausnahme a) Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG

4.556 Gesetzliche Regelung. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG lässt von der Gesamtbewertung Ausnahmen zu

und gestattet alternativ eine Einzelbewertung. Hiernach sind eine Abweichung von der Gesamtbewertung und stattdessen eine Einzelbewertung der betroffenen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen zulässig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass – keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren (1. Alternative), – die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpaketes als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht (2. Alternative), – zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und er es genau bezeichnet (3. Alternative).

4.557 Glaubhaftmachung. Was die Glaubhaftmachung anbelangt, fordert sie ein deutlich herabgesetztes Beweismaß. Eine Tatsache ist hiernach schon dann glaubhaft gemacht, wenn für sie eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht; eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Tatsche ist nicht erforderlich. Dem folgt auch die Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung.1 Hiernach ist eine vom darlegungspflichtigen Steuerpflichtigen behauptete Tatsache dann zugrunde zu legen, wenn ihr Bestehen wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. aa) Keine Verlagerung wesentlicher iWG und Vorteile

4.558 Wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter. Die erste und die dritte Escape-Regelung knüpfen

ihren Anwendungsbereich an das Wesentlichkeitserfordernis der übergehenden immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile. § 1 Abs. 5 FVerlV definiert dieses Tatbestandsmerkmal zwar exklusiv für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG, die Finanzverwaltung will diese Legaldefinition gleichwohl auch für die dritte Alternative anwenden.2 Hiernach sind funktionsverlagerungsbedingte immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile „wesentlich“, wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind (qualitativer Maßstab) und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpaketes beträgt (quantitativer Maßstab).

4.559 Qualitativer Maßstab. Weder der FVerlV noch deren Begründung lässt sich entnehmen, was unter dem qualitativen Maßstab der Erforderlichkeit für die verlagerte Funktion konkret zu verstehen

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 40; kritisch hierzu Eigelshoven/Nientimp, Ubg 2010, 234 f. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 38 und 75.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.560 Kap. 4

sein soll. Die Entwurfsfassung der VWG-Funktionsverlagerung führte hierzu noch aus, dass die immateriellen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile „aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Ausübung der Funktion notwendig“ sein müssen,1 und sorgte hiermit allenfalls insofern für eine Konkretisierung, als sich die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen richtet. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht käme es auf eine kausalrechtlich beachtliche MittelZweck-Beziehung (Input-Output-Zusammenhang) an, die zwischen dem jeweiligen immateriellen Wirtschaftsgut bzw. Vorteil und der Erfüllung des mit der Funktion verbundenen Aufgabenumfanges nachzuweisen wäre. Diese Produktivitätsbeziehung findet ihren Ausdruck in Produktions- und Faktoreinsatzfunktionen.2 Angesichts durchaus erheblicher Schwierigkeiten bei der Formulierung konkreter Produktions- und Faktoreinsatzfunktionen können Fremdvergleichsgesichtspunkte bei vorgegebenem Aufgabenumfang eine objektivierende Konkretisierung herbeiführen. Entscheidend wäre hiernach, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung der aus der Funktion erwarteten Gewinne das betreffende immaterielle Wirtschaftsgut eingesetzt bzw. sich des betreffenden Vorteils bedient hätte oder nicht.3 Überdies ließen sich die Anforderungen an den qualitativen Maßstab unter Rückgriff auf das Begriffsverständnis von wesentlichen Betriebsgrundlagen konkretisieren, allerdings beschränkt auf die funktionale Betrachtungsweise.4 Da die Endfassung der VWG-Funktionsverlagerung einen vergleichbaren Hinweis nicht mehr enthält, lässt sich allenfalls mutmaßen, dass für die Anwendung der Escape-Regelungen vornehmlich der quantitative Maßstab gelten soll. Quantitativer Maßstab. Für die Prüfung des quantitativen Maßstabs ist der Anteil der Fremdvergleichspreise der betroffenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile insgesamt (mithin die Summe der Einzelpreise) an der Summe der Einzelverrechnungspreise aller Wirtschaftsgüter und Vorteile des Transferpakets zu ermitteln. Dies erfordert, dass – alle immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile einzeln zu bewerten sind (hierbei kommen methodisch sowohl der tatsächliche Fremdvergleich als auch der hypothetische Fremdvergleich zum Tragen), – zudem – für Zwecke der Summe der Einzelverrechnungspreise – alle materiellen Wirtschaftsgüter einzeln zu bewerten sind und – schließlich im Rahmen der Gesamtbewertung des Transferpakets die einzelnen geschäftswertbildenden Faktoren bzw. Bestandteile des Geschäftswerts als Residualgröße zu ermitteln sind.5 Abschließend ist das Verhältnis zwischen der Summe der Einzelverrechnungspreise der immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile an der Summe der Einzelverrechnungspreise aller materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter sowie sonstigen Vorteile zu bilden und auf das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle von 25 % zu prüfen. Sind hiernach der qualitative und/oder der quantitative Maßstab der Wesentlichkeit nicht erfüllt, sind keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung. Alternativ zur Gesamtbewertung kann der Steuerpflichtige die Einzelverrechnungspreise für die betroffenen Wirtschaftsgüter und 1 Vgl. Entwurf VWG-Funktionsverlagerung v. 17.7.2009, abgedruckt in Schreiber, Verrechnungspreise2, 755 ff., Tz. 2.1.5 Abs. 2. 2 Vgl. hierzu Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 155 ff.; Kleineidam in FS Fischer, 703 ff.; Bauer, Neuausrichtung der Internationalen Einkunftsabgrenzung, 65 ff.; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 211 ff. 3 Vgl. hierzu Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 213 f. u. 225 ff. 4 Vgl. Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 82 ff. für Zwecke des § 4 Nr. 2 Buchst. b GAufzV; wohl auch Greinert, Ubg 2010, 107 für Zwecke der Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG. 5 Vgl. hierzu Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 81; Pohl, IStR 2010, 359; siehe auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 39.

Baumhoff/Liebchen | 631

4.560

Kap. 4 Rz. 4.561 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Dienstleistungen ansetzen. Der entscheidende Unterschied besteht mithin darin, dass etwaige im Transferpaket enthaltene sonstige Vorteile, die angesichts der quantitativen Wesentlichkeitsgrenze bis zu 25 % des Werts des Transferpakets ausmachen können, keiner Besteuerung unterliegen.1

4.561 Keine präzise Wertermittlung nach Verwaltungsauffassung. Nach Auffassung der Finanzverwal-

tung in den VWG-Funktionsverlagerung ist für die Alternativen 1 und 3 eine „präzise Wertberechnung für das Transferpaket [..] nicht erforderlich.“2 Insofern würde der Vereinfachungscharakter nicht dadurch konterkariert, dass bereits tatbestandlich eine Gesamtbewertung erforderlich wäre, um sodann die Vereinfachung der Einzelbewertung in Anspruch nehmen zu können. Die Finanzverwaltung lässt allerdings offen, welche Anforderungen konkret an die Glaubhaftmachung der (Nicht-)Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter gestellt werden. Im Rahmen der Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen (Rz. 4.578 ff.) fordert sie, dass aus den auf Anforderung vorzulegenden Unterlagen die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gründe für die Durchführung der Funktionsverlagerung hervorgehen müssen. Neben Angaben über die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile hat der Steuerpflichtige „deren relativen Wert im Verhältnis zum Wert der Summe der Bestandteile des Transferpakets glaubhaft zu machen.“3 Mithin muss in Fällen des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben sein, dass die 25 %-Grenze (wohl deutlich) unterschritten wird. Da die Finanzverwaltung grundsätzlich vom Übergang eines funktionsbezogenen Geschäftswertes ausgeht (Rz. 4.523), dürften sich die Anforderungen in praxi auf die Nichtexistenz ebendieses funktionsbezogenen Geschäftswertes bzw. funktionsbezogener geschäftswertbildender Faktoren konzentrieren.4 bb) Summe der Einzelverrechnungspreise entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz

4.562 Ermittlung der Summe der Einzelverrechnungspreise. Sind demgegenüber wesentliche immate-

rielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung, verbleiben zumindest die zweite und dritte Alternative. Nach der zweiten Alternative ist glaubhaft zu machen, dass die Summe der angesetzten Einzelverrechnungspreise, gemessen an der Bewertung des Transferpakets als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Hiermit wird zumindest eine Möglichkeit geschaffen, von dem Wert des Transferpakets insgesamt abzuweichen. Diese Alternative geht mit dem bereits für die Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze übergehender immaterieller Wirtschaftsgüter und sonstiger Vorteile verbundenen Nachteil einher, dass sie einen erheblichen Aufwand verursacht. So ist es dabei erforderlich, sowohl den Einigungsbereich als auch den Wert des Transferpaketes als Ganzes zu bestimmen. Darüber hinaus ist es zum anderen erforderlich, die Werte der einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter jeweils getrennt zu ermitteln. Hierbei kommen für die Ermittlung der Einzelverrechnungspreise sowohl der tatsächliche als auch der hypothetische Fremdvergleich zur Anwendung. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich bei der Einzelbewertung bereits im Rahmen der Identifizierung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter, z.B. in den Fällen, in denen selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. ungeschütztes Knowhow) verlagert werden. Eine Doppelarbeit ist insofern unvermeidlich.

4.563 Summe im Einigungsbereich für das Transferpaket. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV darf, wenn

diese beiden Werte vorliegen, die Summe der Einzelverrechnungspreise für die Wirtschaftsgüter und Vorteile nur dann angesetzt werden, „wenn sie im Einigungsbereich liegt und der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass sie dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.“

1 So zutreffend Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 81. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 71, inhaltsgleich Rz. 75. 3 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 41. 4 Siehe zur Berücksichtigung eines funktionsbezogenen Geschäftswerts aus Sicht der Finanzverwaltung auch Zech, IStR 2011, 132.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.564 Kap. 4

Eine Einzelbewertung ist faktisch damit nur unter zwei Voraussetzungen möglich: 1. Die Summe der Einzelwirtschaftsgüter (Gesamtergebnis) muss im Einigungsbereich liegen. 2. Der Steuerpflichtige muss glaubhaft machen, dass die Summe der Einzelverrechnungspreise dem Fremdvergleich am besten entspricht.1 Was die zweite Anforderung anbelangt, findet sie keine Grundlage im Gesetz.2 Die Forderung nach einer bestmöglichen Entsprechung mit dem Fremdvergleich korrespondiert mit derjenigen, von der § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG für „normale“ Transaktionen eine andere als die hälftige Teilung des Einigungsbereichs abhängig macht (Rz. 4.194 ff.). Dort hat der Steuerpflichtige glaubhaft zu machen, dass ein anderer Wert als der Mittelwert dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht. Während für Zwecke des § 1 Abs. 3 Satz 7 Halbs. 2 AStG u.E. keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Glaubhaftmachung eines anderen Wertes als des Mittelwertes besteht (Rz. 4.197),3 verlangt § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV dies ausdrücklich. Die Glaubhaftmachung mittels Wahrscheinlichkeiten – verstanden als Häufung einer (beobachtbaren) Ausprägung – muss im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs scheitern, weil eine größere Häufung einer Ausprägung ebenso wie der hypothetische Fremdvergleich einem Denkprozess entspringen muss.4 Die Anforderung lässt deshalb die zweite Alternative der Einzelbewertung de facto leerlaufen, da mit ihr nur dasselbe Ergebnis zu erlangen ist, das sich bei der Gesamtbewertung einstellt. Hierauf deutet nicht zuletzt auch die in Tz. 73 der VWG-Funktionsverlagerung vertretene Auffassung der Finanzverwaltung hin. Hiernach wird dem Steuerpflichtigen abverlangt, auch „die Differenz zwischen der Summe der Einzelverrechnungspreise und dem Wert für das Transferpaket“ aufzuklären und zu begründen, „warum die Summe der Einzelverrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht.“5 An dieser Unmöglichkeit6 wird der Ansatz des Mittelwerts festgemacht. cc) Verlagerung zumindest eines genau bezeichneten wesentlichen iWG Genaue Bezeichnung eines wesentlichen iWG. Durch das EU-Umsetzungsgesetz7 wurde die Escape-Klausel in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG um eine dritte Alternative erweitert. Hiernach kommt die Einzelbewertung der Bestandteile des Transferpakets auch dann zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut Gegenstand der Funktionsverlagerung ist, und er es genau bezeichnet. Diese Alternative kommt grundsätzlich zum Tragen, wenn die Anwendungsvoraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt sind, denn die Bildung der Summe der Einzelverrechnungspreise für die Bestandteile des Transferpakets setzt denklogisch voraus, dass alle übertragenen Wirtschaftsgüter identifiziert und eindeutig bezeichnet sind.8 Allerdings reicht ausweislich des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts tatbestandlich die Identifizierung und klare Bezeichnung (genau) eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts aus, um die Einzelbewertung zu erlangen.9 Für die dritte Escape-Klausel in § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG soll nach Auffassung der Finanzverwaltung dieselbe Wesentlichkeitsschwelle gelten, 1 So die Begründung zu § 2 Abs. 3 Satz 2 FVerlV, vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 17. 2 Hierzu ausführlich Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 121. 3 A.A. Zech, IStR 2011, 136. 4 Vgl. hierzu ausführlich Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 556; Greinert, Ubg 2010, 106; Kroppen in FS Schaumburg, 872. 5 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 73. 6 Vgl. Kaminski/Strunk, RIW 2009, 711. 7 Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie weiterer steuerrechtlicher Regelungen v. 8.4.2010, BGBl. I 2010, 386. 8 Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229. 9 Vgl. Oestreicher/Wilcke, Ubg 2010, 229; Kroppen/Rasch, IWB 2010, 322.

Baumhoff/Liebchen | 633

4.564

Kap. 4 Rz. 4.565 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen was jedoch praktisch zu Problemen führt und der Regelungsabsicht des Gesetzgebers1 nicht entspricht (Rz. 4.558).

4.565 Mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter. Entsprechend dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG („zumindest“) findet diese Öffnungsklausel auch dann Anwendung, wenn mehrere immaterielle Wirtschaftsgüter Gegenstand der Funktionsverlagerung sind. Die Finanzverwaltung fordert in den VWG-Funktionsverlagerung, dass die Wesentlichkeitsvoraussetzung für jedes einzelne Wirtschaftsgut erfüllt ist. Demgegenüber soll der Anwendungsbereich nicht eröffnet sein, wenn ein immaterielles Wirtschaftsgut erst zusammen mit anderen übertragenen oder zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgütern die relative Wertgrenze von 25 % überschreitet.2 Eine Rechtsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich.3 Die Finanzverwaltung konzediert in Tz. 81 der VWGFunktionsverlagerung allerdings die Zusammenfassung mehrere immaterieller Wirtschaftsgüter und die Behandlung wie ein einheitliches immaterielles Wirtschaftsgut, wenn deren Bewertung in Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden sachgerecht ist.4 Beispielhaft soll dies etwa für ein Patent und Produktions-Know-how gelten, die der Herstellung derselben Wirtschaftsgüter dienen, wobei die Finanzverwaltung weitergehend auf die Grundsätze zur Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nach Tz. 3.9 ff. OECD-Leitlinien verweist (Rz. 4.478 f.).

4.566 Genaue Bezeichnung. Das immaterielle Wirtschaftsgut ist ferner genau zu bezeichnen. Fraglich

ist, welche Anforderungen an die „genaue Bezeichnung“ zu stellen sind. So erfordern bereits die bestehenden Dokumentationspflichten eine Zusammenstellung der wesentlichen immaterieller Wirtschaftsgüter.5 Entsprechend den Systematisierungen immaterieller Wirtschaftsgüter im Schrifttum sind z.B. zu unterscheiden: – marketingbezogene (z.B. Marken, Geschmacksmuster, Internet-Domains), – technologiebezogene (z.B. Patente, Gebrauchsmuster, Erfindungen, Rezepturen, Software), – kundenbezogene (z.B. Kundenstamm, Auftragsbestand), – vertragsbezogene (z.B. Lizenzen, Belieferungsrechte, Konzessionen) oder – kunstbezogene (z.B. Zeitschriften, Bilder, Schauspiele) immaterielle Wirtschaftsgüter.6 Eine Orientierung an diesen Begriffen müsste der Forderung des genauen Bezeichnens eigentlich genügen.7

Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll hingegen ein immaterielles Wirtschaftsgut erst dann genau bezeichnet sein, „wenn es aufgrund der Angaben des Steuerpflichtigen so eindeutig identifiziert werden kann, dass entweder ausreichende Vergleichswerte ermittelt werden können […] oder eine sachgerechte Preisbestimmung nach dem hypothetischen Fremdvergleich […] möglich ist.“8 Be1 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP v. 26.10.2009, 17. Legislaturperiode, 11. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 80; siehe auch Pohl, IStR 2010, 358. 3 Vgl. auch Stellungnahme des IDW v. 5.7.2011, Ubg 2011, 579 unter 2. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 81. 5 Vgl. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 4 Nr. 2 Buchst. b GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.3 Abs. 3. 6 Vgl. IFRS 3, Illustrative Examples. Eine weitere Systematisierung hat der Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft erstellt. Vgl. hierzu und zu der Erläuterung der einzelnen Kategorien AK Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2001, 990 f. Siehe ferner IDW S 5 i.d.F. v. 16.4.2015, WPg Supplement 3/2011, 98 ff., FN-IDW 7/2011, 467 ff., WPg Supplement 3/2015, 16 f., FN-IDW 8/2015, 447 f., Tz. 13. 7 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1312; wohl auch Pohl, IStR 2010, 359. 8 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 78.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.569 Kap. 4

reits die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 3 AStG hatte die Identifizierung immaterieller Wirtschaftsgüter als „zwingende Voraussetzung für eine sachgerechte, betriebswirtschaftlich fundierte Bewertung“ herausgestellt.1 Fraglich bleibt jedoch, ob die genaue Bezeichnung die Beibringung von Vergleichswerten bzw. der Grundlagen für die Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs durch den Steuerpflichtigen umfasst. Weder dem Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung lässt sich diese Anforderung entnehmen. b) Funktionsverlagerung auf Routineunternehmen Sonderregelung für Routineunternehmen. § 2 Abs. 2 FVerlV enthält eine speziell auf Routineunternehmen zugeschnittene Regelung, die unter bestimmten Voraussetzungen zu der gesetzlichen Vermutung führt, dass mit dem übergehenden Transferpaket keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden und deshalb der Anwendungsbereich der Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eröffnet ist. Wie bereits dargelegt, geht der Verordnungsgeber der FVerlV davon aus, dass der Tatbestand der Funktionsverlagerung erfüllt ist, wenn lediglich die Funktionsausübung übergeht (Rz. 4.502 ff.).

4.567

Gesetzliche Vermutung. § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV regelt die den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG eröffnende gesetzliche Vermutung, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden, wenn

4.568

– das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und – das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt gem. § 1 Abs. 3 Satz 10 Alt. 1 AStG anstelle der Transferpaketbewertung und -besteuerung die Einzelbewertung zum Tragen (Rz. 4.556 ff.). Nur partielle Umsetzung. Die Herstellung eines Ergebnisses, das wirtschaftlich mit dem Nichtvorliegen einer Funktionsverlagerung und einer lediglich einzeltransaktionsbezogenen Besteuerung vergleichbar ist, wird mit § 2 Abs. 2 FVerlV nur partiell umgesetzt. Zunächst ist § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV auf Fälle beschränkt, in denen das Routineunternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt. Agiert das aufnehmende Unternehmen etwa als Lohnfertiger auch für andere Konzernunternehmen, ist grundsätzlich fraglich, ob die tatbestandlich geforderte Exklusivität noch gegeben ist. Hier wird man angesichts der Bezugnahme auf die Ausübung nämlicher übergehender Funktion feststellen müssen, dass dem daneben bestehende weitere Lohnfertigungsverhältnisse des aufnehmenden Unternehmens nicht entgegenstehen. Dies gilt selbst dann, wenn diese marktgängige Leistung Lohnfertigung gegenüber unverbundenen Marktteilnehmern erbracht wird. Entscheidend ist, dass bezogen auf das jeweilige Lohnfertigungsverhältnis die erforderlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter durch den jeweiligen Auftraggeber beigestellt werden und eigene Marktchancen und -risiken nicht daraus resultieren, dass die vom verlagernden Unternehmen beigestellten Produktionsmittel dazu eingesetzt werden, höhere als die Tätigkeitsausübung abgeltende Renditen aus anderweitigen Lohnfertigungsverhältnissen zu realisieren.2 Daneben ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV darauf beschränkt, dass für die Verrechnungspreisermittlung die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung kommt. Die VWG-Funktionsverlagerung dehnen den Anwendungsbereich auf die zulässigerweise zur Anwendung kommende TNMM und die Vergütung mittels einer das niedrigere Risiko berücksichtigenden Provision aus (Rz. 4.502 ff.).3 1 BT-Drucks. 17/939 v. 4.3.2010, 16; siehe ferner Stellungnahme des IDW v. 8.2.2010, Ubg 2010, 151 f. 2 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 208 f. (insb. das angeführte Beispiel). 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 67.

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4.569

Kap. 4 Rz. 4.570 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen c) Ansatz von Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen

4.570 Tatsächliche Abwicklung mittels Kompensationszahlungen. Eine Funktionsverlagerung liegt

nach § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV dann nicht vor, „wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.“ Der Verordnungsgeber hatte als eine wesentliche Fallgruppe Vorgänge im Blick, die formal als Funktionsverlagerung qualifizieren, aber entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz tatsächlich anders abgewickelt werden (Rz. 4.512 ff.). Dies gilt z.B. für die fristgerechte Kündigung von Verträgen (z.B. von Lizenz-, Vertriebs-, Kommissionärs- oder Handelsvertreterverträgen) oder das Auslaufen von Vertragsbeziehungen.1 Die VWG-Funktionsverlagerung stellen in diesem Zusammenhang wiederholt fest, dass eine „dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende, vertragskonforme Funktionsänderung (z.B. Ablauf des Vertriebsvertrags, fristgerechte Kündigung) und die damit einhergehende Verminderung von Chancen und Risiken […] als solche für sich allein nicht als Funktionsverlagerung behandelt“ wird.2 Dementsprechend kommt keine Transferpaketbewertung und -besteuerung, sondern allenfalls eine Einzelverrechnung etwaiger Transaktionen in Betracht. Es entspricht dem Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, dass gesetzliche oder vertragliche Schadenersatz-, Ausgleichs- oder Entschädigungsansprüche eingefordert werden; ebenso wird der verpflichtete Vertragspartner durch die jeweilige Rechtsordnung zur Leistung dieser Kompensationszahlungen angehalten.3

4.571 Ansatz gesetzlicher/vertraglicher Ansprüche. Gemäß § 8 Satz 1 FVerlV können gesetzliche „oder

vertragliche Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüche, die voneinander unabhängigen Dritten zustünden, wenn ihre Handlungsmöglichkeiten vertraglich oder tatsächlich ausgeschlossen würden, (..) der Besteuerung einer Funktionsverlagerung zugrunde gelegt werden, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass solche Dritte unter ähnlichen Umständen in vergleichbarer Art und Weise verfahren wären.“ § 8 Satz 2 FVerlV verlangt ferner die Glaubhaftmachung, „dass keine wesentlichen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen oder zur Nutzung überlassen worden sind“, ausgenommen die Übertragung oder Überlassung, die zwingend auf die bezeichneten Ansprüche zurückgeht. Während nach § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV für das Nichtvorliegen einer Funktionsverlagerung mithilfe des Fremdvergleichsgrundsatzes zu bestimmen ist, ob auch unter fremden Dritten keine Veräußerung und kein Erwerb einer Funktion angenommen würde, ist gem. § 8 Satz 1 FVerlV nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beurteilen, ob die Erfüllung mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen ein Verfahren „in vergleichbarer Art und Weise“ darstellt. Augenscheinlich macht die durch § 8 Satz 1 FVerlV gestellte Anforderung jedenfalls eine Teilmenge dessen aus, was bereits § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV verlangt. Denn die „andere Abwicklung“ als diejenige der Übertragung oder Überlassung einer Funktion setzt denklogisch deren Konkretisierung voraus. Eine solche Konkretisierung ist die im Geschäftsverkehr übliche Beschränkung auf solche Ansprüche. Fraglich ist vor dem Hintergrund der Rechtsfolge des § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 AStG, nämlich dem Nichtvorliegen einer Funktionsverlagerung, welche Bedeutung der Anforderung des § 8 Satz 2 FVerlV im Hinblick auf eine Transferpaketbewertung und -besteuerung zukommt. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass bei Einbeziehung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter und Vorteile, deren Übertragung oder Überlassung nicht zwingende Folge fremdüblichen, vertragsgemäßen Verhaltens ist, „das Entgelt für die Funktionsverlagerung nach den allgemeinen Re-

1 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.5.2008, 15. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 214 und 60. Vgl. hierzu ausführlich Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des internationalen Steuerrechts 2010, 9 ff.; Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 165 f. 3 Vgl. hierzu Tz. 9.43 u. 9.75 ff. OECD-Leitlinien 2017; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 203 f.; Puls, IStR 2010, 89.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.573 Kap. 4

geln zu bestimmen [ist; d. Verf.], d.h. grundsätzlich Transferpaketbetrachtung mit Ermittlung des Einigungsbereichs auf Grundlage der jeweiligen Gewinnpotenziale und ggf. Ansatz des Mittelwerts.“1 Unseres Erachtens hat das Konzept der Funktionsverlagerungsbesteuerung mittels Transferpaketansatzes jedenfalls im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 7 Satz 2 Alt. 2 FVerlV mangels Vorliegens einer Funktionsverlagerung keine Rechtsgrundlage. Vielmehr folgt aus § 8 Satz 2 FVerlV „lediglich“, dass die Besteuerung nicht auf den Ansatz der zivilrechtlichen Ansprüche beschränkt ist, sondern sich auch auf etwaige übertragene oder überlassene wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile erstreckt, wobei diese Transaktionen einzeln zu bewerten sind. Dies schließt insbesondere den Ansatz eines funktionsbezogenen Geschäftswerts aus. Es wurde bereits an anderer Stelle hinreichend deutlich gemacht, dass geschäftswertbildende Faktoren nicht auf das übernehmende Unternehmen übergehen und deshalb einer einzeltransaktionsbezogenen Bewertung und Besteuerung nicht zugrunde zu legen sind (Rz. 4.480 u. 4.523). Vertragliche und gesetzliche Ansprüche. Die Finanzverwaltung will ferner im Zusammenhang mit dem Ansatz zivilrechtlicher Schadenersatz-, Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüche regelmäßig prüfen, „ob (schriftliche) Verträge bestehen […], ob diese dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und ob die beteiligten Unternehmen sich tatsächlich entsprechend den vertraglichen Bestimmungen verhalten haben.“2 Im Hinblick auf diese formalen Anforderungen ist zunächst festzustellen, dass diese nach Tz. 151 der VWG-Funktionsverlagerung der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zugeordnet werden. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.3 Insbesondere für die Einräumung und Geltendmachung vertraglicher Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche empfiehlt es sich, diesen Ansprüchen schriftliche Verträge zugrunde zu legen. Anderenfalls dürfte ihr Bestehen nur schwerlich darzulegen sein. Im Hinblick auf die Forderung der Fremdvergleichskonformität der vertraglichen Vereinbarungen über Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche kann sich die Finanzverwaltung auf Tz. 9.106 OECD-Leitlinien stützen. Demgegenüber bedürfen gesetzliche Ansprüche dieser Art keiner vertraglichen Vereinbarung, sollte nicht die jeweils maßgebliche Rechtsordnung ihre zivilrechtliche Existenz an die Beachtung von Formvorschriften knüpfen. Hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung des vertraglich Vereinbarten wird auf die Ausführungen zu Funktions- und Risikoverteilung verwiesen (Rz. 4.127 ff. u. 4.136 ff.).

4.572

Beispiele. Die VWG-Funktionsverlagerung benennen in Rz. 132 beispielhaft als in Betracht kommende Schadenersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche

4.573

– gesetzliche Ausgleichsansprüche des Handelsvertreters, Kommissionärs, Agenten oder Vertragshändlers aus § 89b HGB bzw. aus dessen analoger Anwendung, – vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z.B. für nicht amortisierte Investitionen eines Vertragshändlers, die auf Veranlassung des Herstellers vorgenommen wurden, – vertraglich vereinbarter Schadenersatz, z.B. für entgangene Gewinne und für entstandene Schließungskosten (z.B. weiterlaufende Miete) bei vorzeitiger Vertragsauflösung, – Ansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot.4 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 134. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 131. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 132. Siehe hierzu auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 206 ff.; Puls, IStR 2010, 90 ff.; rechtsvergleichend zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters Eigelshoven/Mank, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 2021 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.574 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

IV. Funktionsverlagerung dem Zeitpunkt nach 4.574 Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung. In zeitlicher Hinsicht vollziehen sich Funktionsver-

lagerungen regelmäßig nicht schlagartig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern sukzessive innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dem gesetzlichen Tatbestand der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG kann der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung nicht entnommen werden. Er beschränkt sich darauf, dass eine „Funktion […] verlagert“ wird und formuliert die Rechtsfolge einer Funktionsverlagerungsbesteuerung dahingehend, dass „auf die verlagerte Funktion Satz 5 anzuwenden“ ist. Die vornehmlich für Fälle der Funktionsverlagerung eingeführten Regelungen zur Preisanpassungsklausel verweisen für die widerlegbare Vermutung bestehender Bewertungsunsicherheiten in Fällen, in denen keine vertragliche Preisanpassungsklausel vereinbart wurde, auf den „Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses“.1 Die Formulierung der Rechtsfolge deutet mit der Verwendung von „verlagerte Funktion“ darauf hin, dass die Funktionsverlagerungsbesteuerung erst zu dem Zeitpunkt in Betracht kommt, in dem die Funktionsverlagerung abgeschlossen ist. § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV bestimmt als maßgeblichen Zeitpunkt den Zeitpunkt, zu dem die Tatbestandsvoraussetzungen der Funktionsverlagerung „durch ihre gemeinsame Verwirklichung wirtschaftlich erfüllt sind“. Die VWG-Funktionsverlagerung stellen dementsprechend für den Zeitpunkt, zu dem sich eine Funktionsverlagerung „ereignet“ hat, auf den Zeitpunkt ab, in dem der Tatbestand der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 FVerlV vollständig verwirklicht wurde; dies ungeachtet später folgender, wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehörender und deshalb in die Transferpaketbetrachtung einzubeziehender Geschäftsvorfälle.2

4.575 Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraums. Für sukzessive

Verlagerungsvorgänge, in denen sich die Funktionsverlagerung über einen längeren Zeitraum erstreckt, bestimmt § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV, dass Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllen, als einheitliche Funktionsverlagerung zusammenzufassen sind. Die Vorschrift ordnet damit eine veranlagungszeitraumübergreifende Betrachtung an. Dieser Regelung kommt insofern in der Praxis erhebliche Bedeutung zu, als der in § 1 Abs. 7 Satz 1 FVerlV geregelte Grundsatz, dass Einzeltransaktionen, die für sich genommen nicht als Funktionsverlagerung zu qualifizieren sind (z. B. isolierte Veräußerung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder die Erbringung von Dienstleistungen), dann nicht gilt, wenn diese Transaktionen Bestandteile einer Funktionsverlagerung sind. Das Vorliegen einer Funktionsverlagerung bestimmt sich hierbei im Einzelnen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 1 Abs. 2 FVerlV. Soweit die Finanzverwaltung dabei auf die in den Veranlagungszeiträumen tatsächlich verwirklichten Geschäftsvorfälle und nicht auf die Absicht des Steuerpflichtigen abstellt,3 verstößt sie gegen den Grundsatz der „Ex-ante“-Betrachtung.4

4.576 Maßgeblicher Bewertungsstichtag. Der Zeitpunkt, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen vollstän-

dig verwirklicht sind, ist der maßgebliche Bewertungsstichtag i. S. von § 3 Abs. 1 FVerlV. Zu diesem Bewertungsstichtag sind die auf das Transferpaket entfallenden Gewinnpotenziale sowohl aus der Sicht des übertragenden als auch aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens zu bestimmen.

4.577 Zeitpunkt bestehender Handlungsalternativen. Eine andere Frage ist allerdings, auf welchen Zeit-

punkt im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen „eindeutig vorteilhafterer Handlungsalternativen“ abzustellen ist. Diese sind bei der Bestimmung der für die Einigungsbereichsbetrachtung 1 § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 156. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 27. 4 Zu einem Beispiel vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 26.

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F. Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen | Rz. 4.579 Kap. 4

maßgeblichen Grenzpreise zu berücksichtigen und der jeweils bezogen auf das übergehende Transferpaket bestimmten Preisgrenze (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens/Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) gegenüberzustellen (Rz. 4.550 f.). Wenn sowohl für die Existenz als auch für die Bewertung von Handlungsalternativen auf den Bewertungsstichtag abgestellt würde, lägen der Verrechnungspreisbestimmung Informationen zugrunde, die dem Steuerpflichtigen bei der Entscheidung über die Realisierung einer bestimmten verbundinternen Transaktion anstelle einer anderen alternativen Handlungsmöglichkeit nicht verfügbar waren. Richtigerweise ist der Zeitpunkt der Entscheidung der späteste Zeitpunkt der Informationsverfügbarkeit. Diese Entscheidung erfolgt allerdings auf der Grundlage bewerteter Handlungsalternativen. Bei längeren Entscheidungsprozessen wäre deshalb bereits der Zeitpunkt der vorgelagerten Entscheidung über die Einbeziehung und Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten von Bedeutung. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Fremdvergleichsgrundsatz, auf den die OECD-Leitlinien das Konzept der realistischerweise zur Verfügung stehenden Handlungsalternative zurückführen.1

V. Dokumentationspflichten bei Funktionsverlagerungen Zeitnahe Aufzeichnungspflicht. Funktionsverlagerungen stellen regelmäßig außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 8 AO i.V.m. § 3 Abs. 2 GAufzV dar, da sie mit einer Änderung von Geschäftsstrategien, d.h. mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen, verbunden sind.2 Aufzeichnungen sind deshalb zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich Funktionsverlagerung ereignete,3 zu erstellen.4 Im Hinblick auf den für die Zeitnähe der Aufzeichnungen beachtlichen Zeitpunkt, in dem sich die Funktionsverlagerung ereignet hat, stellen die VWG-Funktionsverlagerung auf das Wirtschaftsjahr ab, in dem der Tatbestand der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 FVerlV vollständig verwirklicht wurde; dies ungeachtet später folgender, wirtschaftlich zur Funktionsverlagerung gehörender und deshalb in die Transferpaketbetrachtung einzubeziehender Geschäftsvorfälle.5 Insofern ist entgegen den VWG-Verfahren6 nicht auf das Wirtschaftsjahr abzustellen, in dem das Verpflichtungsgeschäft, d.h. die Entscheidung über die Funktionsverlagerung, erfolgte.7 Sukzessive Funktionsverlagerungen, deren Geschäftsvorfälle nach § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren zusammenfassend zu betrachten sind, unterliegen nicht bezogen auf die einzelnen Geschäftsvorfälle, sondern erst mit tatsächlicher Verwirklichung der Funktionsverlagerung den Dokumentationsanforderungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle.8

4.578

Umfang notwendiger Aufzeichnungen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung rechnen zu den notwendigen Aufzeichnungen insbesondere auch alle die Funktionsverlagerung betreffenden schriftlichen Verträge, weil sie – jedenfalls im Ausgangspunkt – für die konkrete Disposition des Steuerpflichtigen und damit letztlich auch für die Bestimmung von Verrechnungspreisen von erheblicher praktischer Bedeutung sind.9 Allerdings ordnet Tz. 97 der VWG-Funktionsverlagerung10 formale Anforderungen („in Form von im Voraus abgeschlossenen, klaren und eindeu-

4.579

1 Vgl. Tz. 9.27 ff., 1.38, 1.40, 1.52 f., 1.64, 1.122 und 1.126 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 155. 3 Vgl. § 3 Abs. 1 GAufzV. 4 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 156. 6 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 7 So auch Borstell/Wehnert in V/B/E4, R Rz. 744. 8 Vgl. BR-Drucks. 352/08 v. 23.4.2008, 11. 9 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 157. 10 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 97.

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Kap. 4 Rz. 4.580 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen tigen [möglichst schriftlichen] Verträgen“) zutreffend der Nachweis- bzw. Beweisvorsorge zu. Ihr Fehlen erhöht die Darlegungslast des Steuerpflichtigen im Rahmen der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs. 2 AO über den abgeschlossenen Vertrag als solchen und dessen Inhalt.1 Im Zweifel unterstellt die Finanzverwaltung – unter Hinweis auf die OECD-Leitlinien – Verträge, die dem konkreten Verhalten der betreffenden Unternehmen entsprechen.2 Die Nichtvorlage von Verträgen über die Funktionsverlagerung für sich genommen löst insofern nicht die Rechtsfolgen des § 162 Abs. 3 Satz 3 AO wegen Nichtvorlage der nach § 90 Abs. 3 Satz 8 AO geforderten Aufzeichnungen oder wegen im Wesentlichen unverwertbarer Aufzeichnungen aus.

4.580 Nachweisvorsorge für glaubhaft zu machende Umstände. Im Rahmen der Erstellung der Doku-

mentation über die Funktionsverlagerung ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige die Besteuerungsfolgen einer Funktionsverlagerung in nicht unwesentlichem Ausmaß dahingehend beeinflussen kann, dass er die von ihm behaupteten Umstände „glaubhaft“ macht. So hat der Steuerpflichtige etwa das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Wesentlichkeit immaterieller Wirtschaftsgüter mit der Folge glaubhaft zu machen, dass der Anwendungsbereich einer Öffnungsklausel zur Einzelbewertung nach § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG eröffnet ist (Rz. 4.556 ff.). Hierzu hat der Steuerpflichtige auf Anforderung Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die für die Unternehmensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte für die Funktionsverlagerung die im Rahmen der Funktionsverlagerung übertragenen bzw. zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile sowie die relativen Wertverhältnisse ergeben.3 Im Rahmen von Funktionsverdoppelungen mit nachfolgender Funktionseinschränkung beim verlagernden Unternehmen wird eine Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 6 Satz 2 FVerlV dann nicht ausgelöst, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht.4 Nach § 6 FVerlV müssen Gründe für einen bestimmten, von der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum glaubhaft gemacht werden, um den anderenfalls zugrunde zu legenden unbegrenzten Kapitalisierungszeitraum zu suspendieren. Nach § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG erfordert eine andere als die hälftige Teilung des Einigungsbereichs die Glaubhaftmachung eines anderen als des Mittelwertes, der dem Fremdvergleich mit der größten Wahrscheinlichkeit entspricht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung können als Kriterien hierfür die jeweiligen Marktpositionen, das jeweilige mit der Transaktion verbundene Interesse, die Kapitalausstattung und Ertragslage der Kontrahenten, die Entstehung von Synergieeffekten, jeweiligen Standortvorteile sowie die Höhe ersparter Anlaufkosten des übernehmenden Unternehmens herangezogen werden.5 Diese nicht abschließenden Beispiele mögen hinreichend verdeutlichen, dass Darlegungen darüber, dass für eine behauptete Tatsache eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist, eine dementsprechende Erstellung oder Aufbereitung der Aufzeichnungen bereits bei der Erfüllung der Dokumentationspflichten erforderlich macht.

4.581 Zwingende Bestandteile. Die VWG-Funktionsverlagerung verlangen die Erstellung und Vorlage insbesondere folgende Aufzeichnungen:6

1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145 ff. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 151. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 41. 4 Siehe hierzu auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 46 f. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 128. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 157. Siehe zu Dokumentationsbestandteilen auch Borstell, IStR 2009, 334 f.; Borstell/Wehnert in V/ B/E4, R Rz. 755 ff.

640 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.582 Kap. 4

– im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation – Veränderungen der operativen Konzernstruktur, der Personalstruktur und der Verträge, die den Geschäftsbeziehungen mit den Nahestehenden zugrunde liegen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c u. Nr. 2 GAufzV); – Informationen über die Änderung von Geschäftsstrategien (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e GAufzV); – Aufzeichnungen über die betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundlagen und -methoden sowie die eintretenden Vorteile bzw. Nachteile der Funktionsverlagerung sowohl aus Sicht der Unternehmensgruppe als auch aus Sicht der betroffenen Unternehmen, die Grundlage für die Entscheidung waren, die Funktionsverlagerung durchzuführen; – eine Verrechnungspreisanalyse (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 GAufzV), aus der sich die Angemessenheit des Verrechnungspreises für das Transferpaket bzw. für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Vorteile aus Sicht der beteiligten Unternehmen, ausgehend von deren Gewinnprognosen, ergibt; – Aufzeichnungen über die angewandten Verrechnungspreismethoden für den laufenden Lieferund Leistungsverkehr vor und nach der Funktionsverlagerung, die die geänderte Funktionsaufteilung berücksichtigen; – Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben und Forschungstätigkeiten (§ 4 Abs. 2 Nr. 6 GAufzV), weil diese Hinweise dafür enthalten können, dass immaterielle Wirtschaftsgüter von einer Funktionsverlagerung betroffen sind.

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung I. Dokumentationsvorgaben der OECD OECD-Leitlinien 1995/1996 und zwischenzeitliche Entwicklungen. Die mit den OECD-Leitlinien 1995/1996 eingeführten und seitdem unveränderten Ausführungen zur Dokumentation der Verrechnungspreisermittlung im Kapitel V waren dringend überarbeitungsbedürftig. Seinerzeit hatten weder die Steuerverwaltungen noch die Steuerpflichtigen im Bereich der Verrechnungspreisermittlung und im Bereich der Verrechnungspreisdokumentation besondere Erfahrungen.1 Auch waren die Ausführungen der OECD-Leitlinien für eine Etablierung international harmonisierter Dokumentationsgrundsätze nicht geeignet. Hinsichtlich der konkret seitens des Steuerpflichtigen zu erstellenden Unterlagen gaben die OECD-Leitlinien keinen verpflichtenden Mindestkatalog vor, sondern beschrieben vielmehr diejenigen Dokumentationsangaben, die sich als „nützlich“, „vorteilhaft“ oder „hilfreich“ erweisen können.2 Insoweit war es weitgehend in das Ermessen des Steuerpflichtigen gestellt bzw. der Präzisierung durch nationale gesetzliche Vorschriften oder durch Verlautbarungen der nationalen Steuerbehörden überlassen, in welcher Art und in welcher Form der Steuerpflichtige seine Verrechnungspreisermittlung dokumentiert. In den vergangenen 20 Jahren sind sukzessive in vielen Staaten umfassende Dokumentationsanforderungen gesetzlich oder durch Verwaltungsanweisungen eingeführt worden.3 Vor diesem Hintergrund hat sich aufgrund der national sehr unterschiedlich ausgestalteten Besteuerungsverfahren ein Nebeneinander von international unterschiedlichsten Dokumentationserfordernissen entwickelt, wobei nicht in allen Steuerrechtskreisen Klarheit darüber besteht, welche Tatbestände in welchem Umfang im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung konkret zu dokumentieren sind.4 Begrüßenswert waren in diesem Zusammenhang bereits die Bestrebungen der EU, die Dokumentationspflichten zumindest in der EU in Anlehnung an die Vorgaben der OECD-Leitlinien zu har1 2 3 4

Vgl. Tz. 5.1 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.16 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Übersicht bei Mank in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 9. So etwa in Deutschland vor Einführung des § 90 Abs. 3 AO u. der GAufzV v. 13. 11. 2003, BGBl. I 2003, 2296.

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4.582

Kap. 4 Rz. 4.583 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen monisieren. Der Rat der EU hat am 27.6.2006 hierzu einen Vorschlag der EU-Kommission und des von dieser eingesetzten Joint Tranfer-Pricing Forums zur Vereinheitlichung der Verrechnungspreisdokumentation in der EU angenommen.1 Allerdings ist der einheitliche Dokumentationsansatz für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich, so dass weitergehende nationale Anforderungen hinzutreten können.2 Einen vergleichbaren Ansatz harmonisierter Mindeststandards für die Verrechnungspreisdokumentation (sog. „PATA Documentation Package“) hat die „Pacific Association of Tax Administrators (PATA)“, ein internationaler Zusammenschluss der Finanzbehörden von Australien, Kanada, Japan und den USA, am 12.3.2003 unternommen.3 Auch hier ist es dem Steuerpflichtigen freigestellt, die Mindeststandards als Gesamtheit anzuwenden oder die jeweiligen nationalen Regelungen zu befolgen.

4.583 Maßnahme 13 des BEPS-Projekts. Die Maßnahme 13 des BEPS-Projekts der OECD/G20 (Überprüfung der Verrechnungspreisdokumentation) gehört mit den Maßnahmen 11 (Verbesserung der statistischen Erfassung von BEPS-Daten), 12 (Verbindliche Offenlegung von Steuerplanungsmodellen) und 14 (Effektive Ausgestaltung von Streitbeilegungsmechanismen) zu den Maßnahmen, die sich mit der Herstellung einer größeren Transparenz im Besteuerungsverfahren befassen.4 Gegenstand dieser Maßnahme war die „Erarbeitung von Regeln zur Verrechnungspreisdokumentation mit dem Ziel einer Verbesserung der Transparenz für Steuerverwaltungen unter Berücksichtigung der Compliance Kosten für Unternehmen. Die zu entwickelnden Regelungen können eine Verpflichtung von global agierenden Unternehmen enthalten, allen maßgeblichen Staaten die erforderlichen Informationen über die weltweite Verteilung der Einkünfte, der wirtschaftlichen Tätigkeit und der gezahlten Steuern auf die verschiedenen Staaten zur Verfügung zu stellen“. Mit Datum vom 5.10.2015 wurde der Abschlussbericht zu dieser Maßnahme veröffentlicht, das Kapitel V der OECD-Leitlinien wurde entsprechend neu gefasst.5

4.584 Ziele der Verrechnungspreisdokumentation. Tz. 5.5 der OECD-Leitlinien definiert die Ziele der Verrechnungspreisdokumentation. Hiernach soll die Verrechnungspreisdokumentation

– sicherstellen, dass Steuerpflichtige sich umfassend mit den Dokumentationsanforderungen auseinandersetzen, um Preise und andere Bedingungen der Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen festzulegen und um die hieraus resultierenden Einkünfte in der Steuererklärung zu erklären; – den Finanzverwaltungen die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen, um eine Risikoeinschätzung der Verrechnungspreisgestaltung („transfer pricing risk assessment“) durchzuführen; – den Finanzverwaltungen die hilfreiche Informationen zur Verfügung stellen, um eine vollständige Prüfung der Verrechnungspreisgestaltung der Gesellschaften sachgerecht durchzuführen, die in ihrem Land steuerpflichtig sind, wobei während der Prüfung ergänzende Information zur Vervollständigung der Aufzeichnungen erforderlich werden können.6 1 ABl. EU 2006/C 176, 1 ff. 2 Vgl. hierzu und zu der EU Transfer Pricing Documentation (TPD) Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 244 ff. m.w.N. 3 Siehe hierzu ausführlich Ackermann/Heimer/Wood u.a., TNI July/2002, 556 f.; Kroppen/Reis, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 1623 ff.; Hobster/Thibeault/Tomar/Wright, ITPJ May/June 2003, 83 ff.; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 254 ff. m.w.N. 4 Vgl. zur Verrechnungspreisdokumentation und zum CbCR Tomson in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. V; Pinkernell, FR 2014, 970; Ditz/Qulitzsch, DStR 2014, 128; Benz/Böhmer, IStR 2015, 381; Rasch/Mank/Tomson, IStR 2015, 424; Bärsch/Engelen/Färber, DB 2016, 972. Insgesamt zum BEPS-Projekt siehe Oestreicher (Hrsg.), BEPS – Base Erosion and Profit Shifting, Herne 2015; BDI/EY/VDA, OECD/G20-Projekt BEPS, Bonn 2015. 5 Vgl. OECD/G20 BEPS, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13, Final Report. 6 Vgl. Tz. 5.5 OECD-Leitlinien 2017.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.587 Kap. 4

Dreistufiger Ansatz für die Verrechnungspreisdokumentation. Die OECD-Leitlinien empfehlen in Tz. 5.16–5.26 der OECD-Leitlinien einen standardisierten dreiteiligen Ansatz für die Verrechnungspreisdokumentation. Hiernach sollen sich die verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungen aus den folgenden drei Bestandteilen zusammensetzen:

4.585

– Master File (Stammdokumentation) mit standardisierten Informationen zu den weltweiten Aktivitäten der Unternehmensgruppe; – Local Files (landesspezifische Dokumentationen) mit spezifischen Informationen zu den wesentlichen Geschäftsbeziehungen; – Country-by-Country Report (länderbezogene Berichterstattung) mit bestimmten Informationen zur weltweiten Verteilung des Gewinns der Unternehmensgruppe und der gezahlten Steuern sowie zu bestimmten Indikatoren der standortbezogenen Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb der Unternehmensgruppe.1 Dieser dreistufige Ansatz soll den Finanzverwaltungen die erforderlichen und verlässlichen Informationen zur Verfügung stellen, um eine effiziente und belastbare Risikoeinschätzung der Verrechnungspreisgestaltung („transfer pricing risk assessment“) durchzuführen.2 Ferner sollen den Steuerpflichtigen die Mittel und Anreize zur Verfügung gestellt werden, die Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz bei den wesentlichen Geschäftsbeziehungen aussagekräftig zu berücksichtigen und zu beschreiben.3 Vergleich zum Verhaltenskodex des EU-JTPF. Der Verhaltenskodex des EU-JTPF sieht eine standardisierte und z.T. zentralisierte Verrechnungspreisdokumentation innerhalb der Europäischen Union vor, die aus den folgenden beiden Teilen bestehen soll:

4.586

– Master File mit einheitlichen, standardisierten Informationen, die für alle in der Europäischen Union ansässigen Konzerngesellschaften relevant sind, und – standardisierte Local Files für die Konzerngesellschaften in der Europäischen Union mit jeweils landesspezifischen Informationen. Diese beiden Bestandteile der Verrechnungspreisdokumentation gleichen weitgehend den nunmehr in den OECD-Leitlinien geregelten Bestandteilen.4 Master File (Stammdokumentation). Mit dem Master-File soll ein weltweiter Überblick über die wirtschaftlichen Aktivitäten, einschließlich der Art der weltweiten Geschäftsbeziehungen, das Verrechnungspreissystem, sowie die weltweite Verteilung des Einkommens und der wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmensgruppe gegeben werden.5 Auf dieser Grundlage sollen die Finanzverwaltungen eine Risikoeinschätzung vornehmen können. Die OECD-Leitlinien führen in Tz. 5.18 ferner aus, dass das Master File lediglich einen allgemeinen Überblick vermitteln soll, um das Verrechnungspreissystem der Unternehmensgruppe in seinen wirtschaftlichen, rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Zusammenhang einzuordnen.6 Eine erschöpfende Darstellung aller Einzelheiten widerspricht deshalb der mit dem Master File verfolgten Zwecksetzung. Vielmehr soll sich der Abstrahierungs- bzw. Detailierungsgrad im Hinblick auf die einzubeziehenden wesentlichen Vertragsbeziehungen, immateriellen Werte und Geschäftsbeziehungen nach der Beurteilung eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters unter Berücksichtigung der Zwecksetzung des Master Files bestimmen.7 Im Einzelnen soll das Master File eine „Blaupause“ 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Tz. 5.16 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.17 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.17 OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu Mank in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 41. Vgl. Tz. 5.18 Satz 1 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.18 Satz 2 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.18 Satz 4 OECD-Leitlinien 2017.

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4.587

Kap. 4 Rz. 4.588 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen des Unternehmensverbunds liefern und Informationen der folgenden fünf Kategorien enthalten, die im Anhang 1 zum Kapitel V näher beschrieben werden: – Organisationsaufbau des Unternehmensverbunds, – Beschreibung der Geschäftstätigkeit(en) des Unternehmensverbunds, – die wesentlichen immateriellen Werte des Unternehmensverbunds, – konzerninterne Finanzierungsaktivitäten, – die Finanzlage und steuerliche Situation des Unternehmensverbunds.1 Die OECD geht ferner davon aus, dass das Master File den Finanzverwaltungen aller beteiligten Staaten zur Verfügung gestellt werden soll, und zwar auch dann, wenn eine geschäftsbereichsbzw. geschäftsfeldbezogene Unterscheidung der Stammdokumentation gewählt und begründet wird.2 Die deutsche Finanzverwaltung lehnt diese Auffassung ohne effektive Regelungen zur Streitbeilegung ab.3 Bei einer geschäftsbereichsbezogenen Stammdokumentation müssen jedoch die zentralisierten Funktionen der Unternehmensgruppe sowie die Geschäftsbeziehungen zwischen den Geschäftsbereichen dargestellt werden.

4.588 Local Files (landesspezifische Dokumentationen). Im Gegensatz zu den überblicksartigen Informationen des Master Files bezogen auf den gesamten Unternehmensverbund soll das Local File detaillierte Informationen zu den einzelnen konzerninternen Geschäftsbeziehungen der betreffenden Gesellschaft enthalten. Diese sollen ergänzend zu dem Master File sicherstellen, dass der Steuerpflichtige die landesspezifischen Anforderungen an den Fremdvergleichsgrundsatz bezogen auf die wesentlichen Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen einhält. Die Informationen des Local Files betreffen die folgenden drei Kategorien, die inhaltlich im Anhang 2 zum Kapitel V näher dargestellt werden: – Finanzinformationen bezogen auf die Geschäftsbeziehungen der betreffenden lokalen Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen, – die Vergleichbarkeitsanalyse, – die Auswahl und Anwendung der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode (Rz. 4.307 ff.).4

4.589 Country-by-Country Report (länderbezogener Bericht). Die länderbezogene Berichterstattung

durch den Country-by-Country Report (CbCR) stellt als dritter Bestandteil des Dokumentationskonzepts der OECD die wesentliche Novität dar und ist – unter Transparenzgesichtspunkten – das wesentliche Element, um die weltweite Verteilung der Einkünfte, der wirtschaftlichen Aktivitäten und der gezahlten Steuern weltweit agierender Unternehmensgruppen, d.h. einer wesentlichen Zielsetzung der Maßnahme 13 des BEPS-Projekts (Rz. 4.583), darzustellen. Die wesentliche Zwecksetzung des CbCR soll es sein, den Finanzverwaltungen die überblicksartige Analyse von Verrechnungspreisrisiken zu ermöglichen, und zwar im Hinblick auf Gewinnverlagerungen durch Verrechnungspreisgestaltung und weitere Risiken im Zusammenhang mit BEPS.5 1 Vgl. Tz. 5.19 OECD-Leitlinien 2017; im Einzelnen ferner Anhang 1 zu Kapitel V. Zu einem Vergleich der Anforderungen an das Master File mit den Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV siehe Übersicht bei Mank in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 48. 2 Vgl. Tz. 5.20 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Naumann/Gross, IStR 2014, 794; zu den Anforderungen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) siehe ferner Ditz/Qulitzsch, DStR 2014, 129; Pinkernell, FR 2014, 970; Zech, IWB 2015, 930 f. 4 Vgl. Tz. 5.22 OECD-Leitlinien 2017; im Einzelnen ferner Anhang 2 zu Kapitel V. Zu einem Vergleich der Anforderungen an das Local File mit den Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV siehe Übersicht bei Mank in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 55. 5 Vgl. Tz. 5.25 Satz 1 OECD-Leitlinien 2017.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.589 Kap. 4

Die OECD-Leitlinien weisen in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass der CbCR eine konkrete verrechnungspreisbezogene Prüfung der einzelnen Geschäftsbeziehungen und der vereinbarten (Verrechnungs-)Preise nicht ersetzt, sondern lediglich erste Anhaltspunkte für eine detaillierte Verrechnungspreisprüfung liefern kann, wobei die Informationen des CbCR für sich genommen weder für noch gegen die Angemessenheit der Verrechnungspreise sprechen.1 Insbesondere kann auf Basis der Informationen des CbCR keine Verrechnungspreisanpassung nach der – mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht zu vereinbarenden (Rz. 4.302 ff.) – globalen Gewinnaufteilungsmethode vorgenommen werden.2 Die OECD empfiehlt, dass globale Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Konzernumsatz von mehr als 750 Mio. Euro verpflichtet sein sollen, einen CbCR einzureichen,3 wobei nach Schätzungen der OECD 85–90 % der globalen Unternehmensgruppen von der Erstellung befreit würden und 90 % aller von globalen Unternehmensgruppen kontrollierten Umsätze vom Country-by-Country Reporting abgedeckt seien.4 Grundsätzlich soll der CbCR von der Konzernobergesellschaft („Ultimate Parent Company“) zu erstellen sein,5 wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Ersatz-Konzernobergesellschaft zu bestimmen ist, insb. wenn der Ansässigkeitsstaat der tatsächlichen Konzernobergesellschaft noch keine das CbCR betreffenden Dokumentationspflichten umgesetzt hat.6 Der CbCR soll erstmalig für das Berichtsjahr 2016 zu erstellen und bis zum 31.12.2017 im Ansässigkeitsstaat der Konzernobergesellschaft abzugeben sein.7 Das CbCR umfasst, wie im Einzelnen im Anhang III zu Kapitel 5 der OECD-Leitlinien dargestellt, folgende 3 Tabellen mit folgenden Informationen:8 – Verteilung von Einkommen, Steuern und wirtschaftlichen Aktivitäten nach Steuerhoheitsgebieten (Tabelle/Template 1): – die Umsätze der Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets, getrennt nach Umsätzen mit verbundenen Unternehmen und Umsätzen mit unabhängigen Unternehmen sowie den kumulierten Umsätzen (einschl. sonstiger Bezüge, wie z.B. Zinserträge); – das kumulierte Vorsteuerergebnis (Gewinn/Verlust vor Steuern – EBT) aller Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets; – die Summe der tatsächlich gezahlten Steuern (einschl. Quellensteuern); – die Summe der noch zu zahlenden Ertragsteuern auf das kumulierte Vorsteuerergebnis (einschl. periodenfremder Steuerzahlungen, keine Erfassung latenter Steuern oder von Rückstellungen für Steuerrisiken); – die Summe des ausgewiesenen Kapitals aller Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets (nur gezeichnetes Kapital [Grund-/Stammkapital], nicht das gesamte Eigenkapital); – die Summe der thesaurierten Gewinne aller Konzerngesellschaften eines Steuerhoheitsgebiets (Jahresüberschuss, Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag); – die Gesamtanzahl der Arbeitnehmer aller Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets (ausgedrückt als Vollzeitäquivalente); – Gesamtsumme der Buchwerte der materiellen Vermögensgegenstände aller Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets ausgenommen Zahlungsmittel, -äquivalente, immaterielle Ver1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Tz. 5.25 Satz 2 f. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.25 Satz 4 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.52 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.53 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.50 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.50 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Tz. 5.60 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Anhang III zu Kapitel V der OECD-Leitlinien 2017. Siehe hierzu auch Tomson in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 64 ff.

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Kap. 4 Rz. 4.590 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen mögensgegenstände, Finanzanlagen, d.h. Gesamtsumme der Buchwerte des Sachanlagevermögens, bezogen auf das Umlaufvermögen bestehen Unklarheiten bzgl. Vorräten (keine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, keine Anzahlungen); – Überblick über die Konzerneinheiten und die von ihnen ausgeübten wesentlichen Geschäftstätigkeiten (Tabelle/Template 2): – Benennung der in einem Steuerhoheitsgebiet ansässigen Konzerneinheiten unter Hinweis auf ein ggf. vom Steuerhoheitsgebiet der Ansässigkeit abweichendes Steuerhoheitsgebiet der Gründung oder der Handelsregistereintragung; – Benennung der wesentlichen Geschäftstätigkeiten der betreffenden Gesellschaft (FuE, Holding/Verwaltung von IP, Einkauf, Produktion, Vertrieb/Marketing, Administrative und unterstützende Leistungen, Dienstleistungserbringung an unverbundene Dienstleistungsempfänger, Konzernfinanzierung, Regulierte Finanzierungsleistungen, Versicherung, Beteiligungsholding, nicht-aktive Gesellschaft, andere Tätigkeit unter Spezifizierung der Art der Tätigkeit); – das kumulierte Vorsteuerergebnis (Gewinn/Verlust vor Steuern – EBT) aller Konzerneinheiten eines Steuerhoheitsgebiets; – die Summe der tatsächlich gezahlten Steuern (einschl. Quellensteuern); – die Summe der noch zu zahlenden Ertragsteuern auf das kumulierte Vorsteuerergebnis (einschl. periodenfremder Steuerzahlungen, keine Erfassung latenter Steuern oder von Rückstellungen für Steuerrisiken); – Weitergehende Angaben des Steuerpflichtigen, die der Steuerpflichtige zu Verständniszwecken oder als Ergänzung für erforderlich hält (Tabelle/Template 3).

4.590 Maßnahmen auf Ebene der EU. Die Europäische Kommission hat am 18.3.2015 im Rahmen ihrer

Agenda zur Bekämpfung von Steuervermeidung auf Unternehmensebene und schädlichem Steuerwettbewerb in der EU ein Maßnahmenpaket zur Steuertransparenz vorgelegt.1 Dieses Maßnahmenpaket umfasst als Kernelemente den Vorschlag, für Steuervorbescheide einen automatischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen, und die Ankündigung, dass die Europäische Kommission prüfen werde, ob weitergehende Verpflichtungen zur Offenlegung von Steuerinformationen der Unternehmen eingeführt werden sollen. Um die schnelle und einheitliche Umsetzung des Maßnahmenpakets der OECD/G20, insbesondere der transparenzbezogenen Maßnahmen sicherzustellen, hat die EU-Kommission auf die Mitgliedstaaten „kontinuierlich Druck ausgeübt“2 und im Einzelnen folgende Richtlinien zur verpflichtenden Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erlassen: – Mit der Richtlinie des Rates v. 8.12.20153 wurde die EU-Amtshilferichtlinie4 bezogen auf den automatischen Austausch über grenzüberschreitende Vorbescheide (Tax Rulings) und Vorabverständigungen über die Verrechnungspreisgestaltung (APAs) ab dem 1.1.2017 geändert. – Mit Richtlinie des Rates v. 25.5.20165 wurde die EU-Amtshilferichtlinie neuerlich geändert und die Verpflichtung zum automatischen Austausch länderbezogener Berichte (CbCR) eingeführt.

1 Vgl. COM (2015) 136 final v. 18.3.2015. 2 Schreiber/Greil, DB 2017, 11. 3 Richtlinie (EU) 2015/2376 des Rates v. 8.12.2015, ABl. EU Nr. L 332, abgedruckt in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise7, 849. 4 Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. L 64 v. 11.3.2011, 1. 5 Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016, ABl. EU Nr. L 146/8, abgedruckt in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise7, 885.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.593 Kap. 4

– Ferner wurde am 27.7.2016 die Richtlinie des Rates zur Bekämpfung von Steuervermeidung („Anti Tax Avoidance Directive – ATAD“) erlassen.1 Änderung der EU-Bilanzrichtlinie. Ein weiterer Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der EU-Bilanzrichtlinie vom 12.4.2016 mutet dagegen befremdlich an, weil mit ihm die Publizitätspflicht eines Ertragsteuerinformationsberichts eingeführt werden soll, der wesentliche Bestandteile der länderbezogenen Berichterstattung (CbCR) umfassen soll und multinationalen europäischen und nicht-europäischen Unternehmen zusätzliche Transparenzverpflichtungen auferlegen will, wenn der weltweite konsolidierte Nettoumsatz der Unternehmensgruppe den Betrag von 750 Mio. Euro überschreitet.2 Eine politische Einigung zu diesem Richtlinienentwurf steht aktuell aus.3

4.591

Ziel der Offenlegung. Erklärtes Ziel der Offenlegung, die sowohl im Unternehmensregister (für Deutschland: elektronischer Bundesanzeiger) als auch auf der Website, und zwar zu Vergleichszwecken für die letzten fünf Jahre, erfolgen soll, ist „eine verstärkte öffentliche Kontrolle von multinationalen Unternehmen, die in der Union tätig sind […], um Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, durch Steuern zum Wohlstand beizutragen, durch eine sachkundige öffentliche Debatte einen fairen Steuerwettbewerb in der Union zu fördern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fairness der nationalen Steuersysteme wiederherzustellen.“4 Aus deutsch-steuerlicher Sicht berührt die Offenlegungspflicht Kernbereiche der unter das Steuergeheimnis fallenden Informationen.5 Ferner birgt die Offenlegungspflicht das Risiko der – wohl gewollten – Stigmatisierung durch die breite Öffentlichkeit.

4.592

II. Dokumentationspflichten im Rahmen des nationalen Verfahrensrechts 1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen Einführung von Aufzeichnungspflichten durch das StVergAbG 2003. Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil vom 17.10.20016 sowie dem dazu ergangenen Beschluss vom 10.5.20017 ausführlich zu Dokumentations- und Mitwirkungspflichten bei der Prüfung internationaler Verrechnungspreise Stellung bezogen.8 Danach kommt der BFH zum Ergebnis, dass nach damals gültigem Recht außerhalb der Buchführungspflicht gem. §§ 238 ff. HGB und §§ 140 ff. AO keine verrechnungspreisspezifischen Dokumentationspflichten existierten. Auf diese beiden Entscheidungen des BFH hat der Gesetzgeber reagiert und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz9 Regelungen zu Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung in § 90 Abs. 3 AO auf1 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016, ABl. EU Nr. L 193/1, abgedruckt in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise7, 905. 2 Vgl. COM (2016) 198 final v. 12.4.2016, abgedruckt in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise7, 863. 3 Vgl Schreiber/Greil, DB 2017, 11. 4 COM (2016) 198 final v. 12.4.2016, 11, Absatz 5 der in Erwägung gezogenen Gründe. 5 Vgl. zu den Anforderungen des Steuergeheimnisses Seer, IWB 2016, 6. 6 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 7 Vgl. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFHE 194, 360. 8 Die Entscheidungen haben im Schrifttum eine heftige Diskussion über die Notwendigkeit einer Verrechnungspreisdokumentation ausgelöst. Vgl. Baumhoff, IStR 2001, 751 ff.; Gosch, StBp 2001, 360; Kuckhoff/Schreiber, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 863 ff.; Grützner, StuB 2002, 22 ff.; Hoffmann, GmbHR 2001, 1169 ff.; Kaminski/Strunk, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1831 ff.; Kroppen/Rasch/Roeder, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1787 ff.; Pezzer, FR 2002, 279; Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Wassermeyer, WPg 2002, 13 ff.; Andresen, RIW 2002, 134 ff.; Lahodny-Karner/Furherr, SWI 2002, 14 ff.; Wehner/Stalberg, IStR 2002, 141 ff.; Seer, FR 2002, 382; Baumhoff, IStR 2003, 2; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 107 ff. u. 351 ff. 9 StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660 sowie die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. 866/02 v. 28.11.2002, 83.

Baumhoff/Liebchen | 647

4.593

Kap. 4 Rz. 4.594 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen genommen. Hiernach ist der Steuerpflichtige verpflichtet, bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen. Diese Aufzeichnungspflicht, die erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 begonnen haben, anzuwenden war,1 umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit der nahestehenden Person. Zur weiteren Konkretisierung der Dokumentationspflichten hat der Gesetzgeber die sog. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung vom 13.11.2003 (GAufzV)2 erlassen und die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben vom 12.4.2005 (sog. VWG-Verfahren)3 veröffentlicht. Der BFH hat mit Urteil vom 11.4.2013 entschieden, dass die Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten nach § 90 Abs. 3 AO mit den Grundfreiheiten, konkret mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, vereinbar sind.4

4.594 Änderungen durch das BEPS-UmsG. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EUAmtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen v. 20.12.2016 (BEPS-UmsG)5 wurden die Ergebnisse der Maßnahme 13 des BEPS-Projekts der OECD/G20, d.h. das neue Kapitel V der OECDLeitlinien (Rz. 4.583 ff.), sowie die EU-rechtlichen Vorgaben zum CbCR (Rz. 4.589) in innerstaatliches Recht umgesetzt. Hierbei wurde der dreistufige Dokumentationsansatz der OECD – für die Stammdokumentation (Master File, Rz. 4.605 ff.) und die landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation (Local File, Rz. 4.609 ff.) i.R. der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV sowie – der länderbezogene Bericht im Rahmen der Anzeigepflichten in § 138a AO (Rz. 4.600 ff.) umgesetzt. Hierbei stellt die länderbezogene Berichterstattung – auch im innerstaatlichen Recht – die wesentliche Novität dar. Die weitere Neuerung der Stammdokumentation nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO beinhaltet zwar bezogen auf die Zwecksetzung, einen Überblick über den Organisationsaufbau und die Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe, die Verteilung der Wertschöpfung in der Unternehmensgruppe sowie das System der Verrechnungspreisbestimmung zu vermitteln, erweiterte Aufzeichnungsinhalte, diese setzen jedoch auf bereits bisher nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV verpflichtende Inhalte auf.6 Den inhaltlichen Kern der Verrechnungspreisdokumentation bildet die landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation, die entsprechend dem Tranaktionsbezug der Verrechnungspreisbestimmung die geschäftsvorfallbezogenen Aufzeichnungen sachverhalts- und angemessenheitsbezogen enthält, wobei die Aufzeichnungsinhalte den bisher verpflichtenden Angaben weitestgehend entsprechen.7 Basierend auf der Ermächtigungsgrundlage des § 90 Abs. 3 Satz 11 AO wurde zur weiteren Konkretisierung der geänderten Dokumentationspflichten die geänderte GAufzV am 20.7.2017 erlassen.8 1 Vgl. § 22 EGAO (Einführungsgesetz zur AO). 2 BGBl. I 2003, 2296. Zur GAufzV im Einzelnen vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 ff.; Hambitzer, StBp 2003, 295 ff.; Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 ff.; Kaminski/Strunk, StBp 2004, 1 ff.; zu verfassungsrechtlichen Fragen der GAufzV vgl. Frotscher in FS Wassermeyer, 391 ff. 3 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570. 4 Vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771. Siehe hierzu z.B. Gosch, BFH-PR 2013, 423 f.; Puls, IStR 2013, 210 ff. 5 BGBl. I 2016, 3000. 6 Siehe hierzu Übersicht bei Mank in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 48. 7 Zu einem Vergleich der Anforderungen an das Local File mit den Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV siehe Übersicht bei Mank in Kroppen, Handbuch der Verrechnungspreise, OECD-Kap. V Anm. 55. 8 BGBl. 2017, 2367. Zu den Änderungen gegenüber der bisherigen Fassung siehe im Einzelnen Schreiber/Greil, DB 2017, 514 ff.

648 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.596 Kap. 4

Vorlagefristen. Die Aufzeichnungen bzw. die Verrechnungspreisdokumentationen sind nach § 90 Abs. 3 Satz 6 AO im Regelfall nur im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegen.1 Das FA soll für die Anforderung der Aufzeichnungen die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen bezeichnen, die Gegenstand ihrer Prüfung sein sollen, und dabei Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen inhaltlich hinreichend bestimmt angeben.2 Insoweit sind nicht die gesamten Dokumentationen des Steuerpflichtigen, sondern nur die von der Außenprüfung angeforderten Teilbereiche vorzulegen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Betriebsprüfungspraxis zunächst versuchen wird, möglichst viele Informationen vom Steuerpflichtigen zu erhalten und damit sämtliche Aufzeichnungen, d.h. die gesamte Verrechnungspreisdokumentation, anzufordern.3 Einer entsprechenden Anforderung durch die Finanzverwaltung hat der Steuerpflichtige innerhalb von 60 Tagen nachzukommen.4 Für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle, zu denen nach § 3 Abs. 2 GAufzV z.B. Funktionsverlagerungen, Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Abschluss langfristiger Verträge mit besonderem Gewicht rechnen, beträgt die Frist zur Vorlage erforderlicher Aufzeichnungen 30 Tage.5 Ferner sind Aufzeichnungen auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen (§ 90 Abs. 3 Satz 10 AO).6

4.595

Gesetzliche Erstellungsfristen nur für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle. Da in § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV außer einer Regelung für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle keine Vorschriften über den Zeitpunkt der Dokumentationserstellung existieren, reicht der Zeitrahmen für die Dokumentationserstellung bei „normalen“ Geschäftsvorfällen prinzipiell bis zum Vorlagezeitpunkt bei der Finanzverwaltung.7 Allerdings scheint es nicht zweckmäßig, diesen Zeitrahmen für die Dokumentationserstellung voll auszunutzen. So zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass sich Dokumentationsunterlagen im Nachhinein, d.h. mehrere Jahre nach Verwirklichung eines Geschäftsvorfalls, nur mit einem erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand oder überhaupt nicht mehr erstellen lassen.8 Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, auf der Basis einer konzerninternen Dokumentationsrichtlinie einen Geschäftsvorfall unmittelbar nach dessen Abwicklung zu dokumentieren und entsprechende Unterlagen anzulegen.9

4.596

Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen, zu denen nach § 3 Abs. 2 GAufzV z.B. Funktionsverlagerungen, Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Abschluss langfristiger Verträge mit besonderem Gewicht zählen, sind die erforderlichen Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat,10 zu erstellen.11 1 Dabei ist auch der digitale Datenzugriff der Finanzverwaltung gem. § 147 Abs. 6 AO zu beachten. Vgl. dazu Schaumburg, DStR 2002, 833; Ditz, DStR 2004, 2038 ff.; Kroppen/Schnell, IWB, Fach 3, Gruppe 1, 1771 f. 2 Vgl. § 2 Abs. 6 GAufzV. 3 In der Betriebsprüfungspraxis hat sich mittlerweile eine zweistufige Anforderung herausgebildet, vgl. hierzu Fischer/Looks/Schlaa, BB 2010, 158. 4 § 90 Abs. 3 Satz 7 AO. 5 § 90 Abs. 3 Satz 8 AO. Kritisch zur gesonderten Vorlage der außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle angesichts der Vorlagepflicht der gesamten Verrechnungspreisdokumentation nach 60 Tagen, die auch die Funktions- und Risikoanalyse sowie die Verrechnungspreisanalyse enthält, IDW, IDW-FN 2007, 207; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 577; Strunk/Kaminski, BB 2007, 602 f. 6 Siehe bereits bisher § 2 Abs. 6 Satz 3 GAufzV. 7 Vgl. IDW, Beiheft zu FN-IDW 4/2006, B6; BT-Drucks. 15/481 v. 20.2.2003, 18. 8 Z.B. weil die verantwortlichen Mitarbeiter aus dem Unternehmen mittlerweile ausgeschieden sind. Vgl. zum Zeitpunkt der Erstellung von Aufzeichnungen auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 142. 9 Dies sollte für bestimmte Geschäftsbeziehungen in regelmäßigen Zeitabständen (z.B. viertel- oder halbjährlich) passieren. 10 Vgl. § 3 Abs. 1 GAufzV. 11 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2.

Baumhoff/Liebchen | 649

Kap. 4 Rz. 4.597 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.597 Beschränkung auf Geschäftsbeziehungen zu Nahestehenden. Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AStG hat

der Steuerpflichtige über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG Aufzeichnungen zu erstellen. Der Begriff der Geschäftsbeziehungen erfasst neben den anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG1 Geschäftsvorfälle zwischen dem Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehenden Person. Insofern kann eine Verrechnungspreisdokumentation für Leistungsbeziehungen mit Personen, welche die Nahestehensvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG (Rz. 4.76) nicht erfüllen, nicht verlangt werden. Liefert ein Unternehmen beispielsweise an ein im Ausland ansässiges verbundenes Unternehmen, an dem es nur zu 20 % beteiligt ist und bei dem im Übrigen auch die weiteren Kriterien des § 1 Abs. 2 AStG nicht erfüllt sind, so muss es hierzu keine, über das Maß einer normalen Inlandslieferung hinausgehenden Unterlagen (Aufbewahrung von Lieferschein und Rechnung)2 führen. Der BFH hatte bereits vor der Bezugnahme von § 90 Abs. 3 Satz 1 AO auf „Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG“ entschieden, dass im Hinblick auf die bis dahin geltende Begriffsdefinition des § 1 Abs. 5 AStG und den Verweis in § 1 Abs. 1 Satz 1 GAufzV auf die vorgehende Begriffsdefinition in § 1 Abs. 4 AStG a.F. eine lediglich „redaktionellen Anpassung“ vorlag und der Begriff der Geschäftsbeziehung nach der jeweils gültigen Gesetzesfassung als maßgebend anzusehen ist.3 Was die transaktionsbezogene Beschränkung der Aufzeichnungspflichten betrifft, sind § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 GAufzV zu beachten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GAufzV sind „sämtliche Tatsachen anzugeben, die für die Vereinbarung von Bedingungen für Geschäftsvorfälle, insbesondere von Verrechnungspreisen, steuerliche Bedeutung haben“, wobei die steuerliche Bedeutsamkeit der Tatsachen an der Möglichkeit der Finanzbehörde, eine umfassende Verrechnungspreisprüfung durchzuführen und die vereinbarten Verrechnungspreise nachzuvollziehen, ausgerichtet ist.4 Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV beschränkt sich die Aufzeichnungspflicht nicht auf die zivilrechtlichen Beziehungen, wobei ausweislich der Verordnungsbegründung sämtliche wirtschaftliche Umstände darzustellen sind, die für die Verrechnungspreisbestimmung relevant sind.5 Offensichtlich zielen beiden Regelungen auf vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen, die losgelöst von dem konkreten Transaktionsbezug Implikationen für den Verrechnungspreisansatz und dessen Angemessenheit haben können (insb. bei zentraliserten Entrepreneur-, Strategieträger- oder Supply-Chain-Geschäftsmodellen).6

4.598 Aufzeichnungserleichterungen für kleinere Unternehmen. Für Unternehmen, die lediglich in ge-

ringem Umfang Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Unternehmen im Ausland unterhalten, sieht § 6 GAufzV bestimmte Erleichterungen bei den Aufzeichnungspflichten vor. Die Erleichterungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 GAufzV bestehen vornehmlich darin, dass anstelle der (Erstellung und) Vorlage von Aufzeichnungen fristgerecht mündliche Auskünfte erteilt und vorhandene Unterlagen vorgelegt werden können; die Pflicht zur zeitnahen Aufzeichnung außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle entfällt.7 Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GAufzV müssen jedoch auch für die Erteilung entsprechender Auskünfte und die Vorlage vorhandener Unterlagen die Fristen nach § 90 Abs. 3 Sätze 7 und 8 eingehalten werden. Den Begriff des „kleineren Unternehmens“ definiert § 6 Satz 2 GAufzV anhand von Größenkriterien. Als „kleineres Unternehmen“ gelten hiernach Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften, wenn die Summe der gezahlten und/oder empfangenen Nettoentgelte (ohne USt) aus den Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG im Ausland im laufenden Wirtschaftsjahr weder den Betrag von 6 Mio. Euro – betreffend den Lieferverkehr – noch den Betrag von 600 000 Euro – betreffend den gesamten sonstigen Leistungsverkehr – übersteigt. Maßgeblich für die Aufzeichnungspflichten im aktuellen Wirtschaftsjahr sind nach § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GAufzV jeweils die Verhältnisse des vorangegangenen Wirtschafts-

1 2 3 4 5 6 7

Siehe auch § 16 BsGaV. Vgl. §§ 144 u. 146 AO. Vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771. Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 12. Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 12. Zu „zwischengeschalteten“ Gesellschaften siehe z.B. Schreiber/Greil, DB 2017, 514 f. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.17.

650 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.601 Kap. 4

jahres. Für die Prüfung der Betragsgrenzen sind gem. § 6 Abs. 3 GAufzV zusammengehörende Unternehmen1 sowie inländische Betriebsstätten verbundener Unternehmen als Gesamtheit zu betrachten, wodurch eine auf die Umgehung der Aufzeichnungspflichten gerichtete künstliche Atomisierung von Umsätzen auf rechtlich selbständige und unselbständige Organisationseinheiten verhindert werden soll. Bildung von Rückstellungen. Für die Erstellung der steuerlichen Verrechnungspreisdokumentation, ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB handelsbilanziell und – wegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG – auch steuerbilanziell dem Grunde nach zu bilden. Die für öffentlich-rechtlich begründete Verpflichtungen erforderliche hinreichende inhaltliche und zeitliche Bestimmtheit sowie die Sanktionsbewährung sind für gewöhnliche Geschäftsvorfälle regelmäßig und für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle stets erfüllt.2 Der Höhe nach ist diese Rückstellung mit Einzel- und angemessenen Teilen der Gemeinkosten anzusetzen und als unechte Ansammlungsrückstellung jährlich um die Aufwendungen zu erhöhen, die für die Dokumentation der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des abgelaufenen Wirtschaftsjahres voraussichtlich anfallen werden.3 Eine Abzinsung des Rückstellungsbetrags wird nur für die Dokumentation gewöhnlicher Geschäftsbeziehungen notwendig sein, wenn die Dokumentation nicht zeitnah, sondern erst auf Anforderung einer Außenprüfung erstellt werden soll.

4.599

2. Länderbezogene Berichte von multinationalen Unternehmen Abgrenzung zur Verrechnungspreisdokumentation. Mit dem BEPS-UmsG4 hat der Gesetzgeber den dritten Bestandteil des Dokumentationskonzepts der OECD (Rz. 4.589) entsprechend den EUrechtlichen Vorgaben (Rz. 4.590) i.R. der innerstaatlichen Anzeigepflichten, d.h. nicht als Bestandteil der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV, innerstaatlich umgesetzt und damit erstmals eine Verpflichtung zur Aufstellung und Übermittlung länderbezogener Berichte in § 138a AO begründet. Mit dem länderbezogenen Bericht soll eine erste Einschätzung steuerlicher Verrechnungspreisrisiken und anderer steuerlicher Risiken hinsichtlich Gewinnverlagerungen und Gewinnverkürzungen ermöglicht werden.5 Ziel und Zweck der Regelung entsprechen damit dem Mindeststandard der OECD-Leitlinien.6 Hiernach sind auch nach der gesetzlichen Umsetzung die Informationen des CbCR ausdrücklich nicht dazu geeignet, die (Un)Angemessenheit von Verrechnungspreisen zu belegen oder auf Basis dieser Informationen Verrechnungspreisanpassungen, insb. nicht nach der globalen Gewinnaufteilungsmethode, vorzunehmen.7 Vor diesem Hintergrund ist die gesetzessystematische Abgrenzung von den verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungspflichten auch konsequent.8

4.600

Erstellungs- und Übermittlungspflicht gem. § 138a AO. Der länderbezogene Bericht ist gem. § 138a Abs. 1 AO zu erstellen und dem BZSt zu übermitteln, wenn ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland einen Konzernabschluss aufstellt oder nach anderen Regelungen als den Steuergesetzen aufzustellen hat, wenn

4.601

– der Konzernabschluss mindestens ein Unternehmen mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland (ausländisches Unternehmen) oder eine ausländische Betriebsstätte umfasst und 1 § 6 Abs. 3 GAufzV stellt zur Definition zusammengehöriger Unternehmen auf die §§ 13, 18 und 19 BpO ab. 2 Siehe hierzu im Einzelnen Baumhoff/Liebchen/Kluge, IStR 2012, 821 ff. 3 Siehe hierzu im Einzelnen Baumhoff/Liebchen/Kluge, IStR 2012, 826 f. 4 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 5 Vgl. BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 37. 6 Vgl. Tz. 5.25 Satz 2 f. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 37. 8 Siehe hierzu auch Schreiber/Greil, DB 2017, 13.

Baumhoff/Liebchen | 651

Kap. 4 Rz. 4.602 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen – die im Konzernabschluss ausgewiesenen, konsolidierten Umsatzerlöse im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mindestens 750 Mio. Euro betragen haben und – die inländische Konzernobergesellschaft nicht selbst in den Konzernabschluss einer übergeordneten ausländischen Konzernobergesellschaft einbezogen wird. Neben der primären Erstellungspflicht regeln § 138a Abs. 3 u. 4 AO dispositive bzw. sekundäre Erstellungs- und Übermittlungspflichten. Gemäß § 138a Abs. 3 AO können ausländische Konzernobergesellschaften inländische Konzerngesellschaften mit der Abgabe und Übermittlung des CbCR beauftragen (sog. beauftragte Gesellschaft bzw. „Surrogate Parent Entity“). Ferner ist nach § 138a Abs. 4 Satz 1 AO auch jede inländische Konzerngesellschaft oder Betriebsstätte zur fristgerechten Übermittlung des CbCR verpflichtet, sofern das BZSt keinen Bericht von der ausländischen Konzernobergesellschaft erhalten hat. Diese sekundäre Berichtspflicht entfällt für alle anderen einbezogenen inländischen Konzerngesellschaften dieses Konzerns, sobald ein CbCR an das BZSt übermittelt worden ist (§ 138a Abs. 4 Satz 2 AO).

4.602 Einzubeziehende Konzerngesellschaften und Betriebsstätten. Weder die Regelungen des § 138a

AO noch die Gesetzesbegründung trifft konkrete Aussagen dazu, welche Unternehmen in den CbCR einzubeziehen sind. Nach § 138a Abs. 1 Satz 1 AO hat eine inländische Konzernobergesellschaft, die einen Konzernabschluss aufstellt oder nach nichtsteuerlichen Vorschriften aufzustellen hat, d.h. die inländische Konzernobergesellschaft, einen länderbezogenen Bericht „dieses Konzerns“ zu erstellen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind „Angaben zu allen Unternehmen und Betriebsstätten, die in den Konzernabschluss einbezogen werden“, zu erfassen.1 Gemäß § 138a Abs. 2 Satz 1 AO sind die inhaltlichen Positionen des Berichts „ausgehend vom Konzernabschluss des Konzerns“ auszuweisen. Nach diesen Regelungen und dem Gesamtzusammenhang ist auf die Unternehmen abzustellen, die für Zwecke der Rechnungslegung tatsächlich in den Konzernabschluss einbezogen werden.2 Bezogen auf deutsche Konzernobergesellschaften sind deshalb nur beherrschte Unternehmen i.S.v. § 290 Abs. 2 HGB in den länderbezogenen Bericht einzubeziehen. Dagegen sind assoziierte Unternehmen, die lediglich mittels der Equity-Methode im Konzernabschluss berücksichtigt und deshalb nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden (§§ 311 Abs. 1 Satz 1 und 312 Abs. 1 Satz 1 HGB), nicht in den länderbezogenen Bericht einzubeziehen.3

4.603 Inhalt des CbCR. Bezüglich der Inhalte des länderbezogenen Berichts wird auf Rz. 4.589 verwiesen, wobei die Inhalte in § 138a Abs. 2 Nr. 1–3 AO auch im Hinblick auf die Zielsetzung einer international einheitlichen Umsetzung der länderbezogenen Berichterstattung übereinstimmend mit dem Mindeststandard der OECD und den Anforderungen der geänderten EU-Amtshilferichtlinie4 aufgenommen wurden.5

4.604 Zeitliche Anwendung, Fristen, Sanktionen, Anzeigepflichten. Der länderbezogene Bericht ist

erstmals für Wirtschaftsjahre zu erstellen, die nach dem 31.12.2015 beginnen (§ 31 EGAO). Die Übermittlung an das BZSt muss nach § 138a Abs. 6 AO spätestens ein Jahr nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erfolgen, für das der länderbezogene Bericht zu erstellen ist. Bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr ergibt sich hiernach eine erstmalige Erstellung für das Wirtschaftsjahr 2016 und eine Übermittlung an das BZSt bis zum 31.12.2017. Hierbei muss die Übermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung erfolgen (§ 138a Abs. 6 Satz 3 AO).

Ferner hat jedes inländisches Unternehmen in seiner Steuererklärung anzugeben, ob es eine inländische Konzernobergesellschaft, eine beauftragte Gesellschaft oder eine einbezogene inländische 1 BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 38. 2 Vgl. Grotherr, IStR 2016, 994; Ditz/Bärsch/Engelen, IStR 2016, 844; Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 283; wohl auch Schreiber/Greil, DB 2017, 14. 3 Vgl. Ditz/Bärsch/Engelen, IStR 2016, 842. 4 Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016, ABl. EU Nr. L 146/8, abgedruckt in Schreiber/Nientimp, Verrechnungspreise7, 885. 5 Siehe auch BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 38.

652 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.606 Kap. 4

Konzerngesellschaft eines Konzerns mit ausländischer Konzernobergesellschaft ist (§ 138a Abs. 5 Satz 1 AO). Im Falle einer einbezogenen inländischen Konzerngesellschaft ist ferner anzugeben, bei welcher Finanzbehörde und von welchem Unternehmen der länderbezogene Bericht abgegeben wird (§ 138a Abs. 5 Satz 2 AO). Fehlt diese Angabe, ist die in einen Konzernabschluss einbezogene inländische Konzerngesellschaft oder inländische Betriebsstätte selbst zur fristgerechten Übermittlung des länderbezogenen Berichts verpflichtet (§ 138a Abs. 5 Satz 3 AO), womit insbesondere eine lückenlose Übermittlung der länderbezogenen Berichte sichergestellt werden soll. Die Sanktionierung der Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 138a AO wurde in den Bußgeldvorschriften geregelt (§ 379 Abs. 2 Nr. 1c AO). Kommt ein Steuerpflichtiger der Mitteilungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nach, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die bei Vorsatz mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro und bei Leichtfertigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann.1

III. Aufbau und Inhalt einer Verrechnungspreisdokumentation 1. Stammdokumentation (Master File) Tatbestandsvoraussetzungen. Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 AO hat ein Steuerpflichtiger einen Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung zu erstellen (Stammdokumentation). Tatbestandsvoraussetzungen für diese erweiterten Aufzeichnungspflichten unbeschränkt Steuerpflichtiger bezogen auf ihr inländisches Unternehmen und beschränkt Steuerpflichtiger bezogen auf ihre inländische Betriebsstätte sind, dass kumulativ

4.605

– der Steuerpflichtige gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt („für ein Unternehmen“);2 – Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG mit nahestehenden Personen oder Betriebsstätten bestehen, d.h. grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle mit diesen getätigt werden (Rz. 4.72 und Rz. 4.374 ff.), und deshalb Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AO zu erstellen sind; – das Unternehmen Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, wobei eine multinationale Unternehmensgruppe nach § 90 Abs. 3 Satz 4 AO aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen und einander nach § 1 Abs. 2 AStG nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat besteht und deshalb immer vorliegt, wenn Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG von Unternehmen im Raum stehen und – die Unternehmensgruppe im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen Umsatz von mindestens 100 Mio. Euro erzielt hat (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AO), wobei sich dieser Schwellenwert auf Umsätze sowohl mit nahestehenden Personen als auch mit fremden Dritten bezieht, „Innenumsätze“ mit Betriebsstätten nicht umfasst sowie inländische und grenzüberschreitende Umsätze umfasst; eine Verpflichtung, zusammenhängende inländische Unternehmen i.S.v. §§ 13, 18 und 19 BpO zusammenzufassen, besteht – anders als für Zwecke des § 6 Abs. 2 GAufzV-E (vgl. § 6 Abs. 3 GAufzV) – nicht.3 Bestandteil der Aufzeichnungen. Die Stammdokumentation ist Bestandteil der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungen, was durch § 90 Abs. 3 Satz 3 AO mit „gehört zu den Aufzeichnungen“ klar zum Ausdruck gebracht wird. Insofern gelten keine Sondervorschriften. Dies betrifft zum einen die Anforderung und Vorlage der Stammdokumentation, die sich nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO bestimmt, d.h. auch die Stammdokumentation soll regelmäßig nur für Zwecke der steu1 § 379 Abs. 4 AO, § 377 Abs. 2 AO, § 17 Abs. 1 und 2 OWiG. 2 Vgl. BT-Drucks. 18/9536 v. 5.9.2016, 35. 3 Vgl. Nientimp/Stein/Schwarz, Ubg 2016, 400; Schreiber/Greil, DB 2017, 13.

Baumhoff/Liebchen | 653

4.606

Kap. 4 Rz. 4.607 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen erlichen Außenprüfung angefordert werden.1 Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GAufzV bleibt ferner § 2 Abs. 5 GAufzV unberührt, d.h. auch die Stammdokumentation ist grundsätzlich in deutscher Sprache zu erstellen (§ 87 Abs. 2 AO), wobei auf Antrag des Steuerpflichtigen die Erstellung in einer anderen Sprache (insb. in englischer Sprache) zugelassen werden kann.2

4.607 Zweck der Stammdokumentation. Die innerstaatliche Umsetzung entspricht den Empfehlungen

der Tz. 5.18 ff. der OECD-Leitlinien.3 Dies betrifft insbesondere auch die Zwecksetzung der Stammdokumentation, die nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO über eine überblicksartige Darstellung nicht hinausgeht und insb. keinen Transaktionsbezug aufweist.4 Hierdurch scheiden insb. Sanktionen nach § 162 Abs. 3 und 4 AO (Rz. 4.619 ff.) aus. Dies betrifft ferner die Möglichkeit, die Inhalte der Stammdokumentation entsprechend den Empfehlungen der OECD international einheitlich und konsistent zu konzipieren, so dass diese von der jeweiligen Unternehmensgruppe nur einmal erstellt werden muss und allen Unternehmen der Unternehmensgruppe zur Vorlage bei der jeweiligen Finanzbehörde zur Verfügung gestellt werden kann. Die Möglichkeit hierzu eröffnet § 5 Abs. 1 Satz 2 GAufzV sowie der bestehende Beurteilungsspielraum, unbestimmte Rechtsbegriffe international einheitlich, nach offen gelegten Kriterien und interperiodisch konsistent anzuwenden (Rz. 4.608).5

4.608 Inhalt der Aufzeichnungen. § 5 Abs. 1 Satz 1 GAufzV verweist bezüglich der für die Stammdoku-

mentation erforderlichen Aufzeichnungen auf die Anlage zur GAufzV. Nach § 5 Abs. 2 GAufzV soll der Steuerpflichtige bei der Erstellung der Stammdokumentation eine vernünftige kaufmännische Beurteilung zugrunde legen, um die mit der Stammdokumentation verbundenen Ziele mit angemessenem Aufwand zu erreichen. Insofern wird hinsichtlich des erforderlichen Detaillierungsgrads bzw. des Abstrahierungsgrads der Stammdokumentation der Grundgedanke von Tz. 18 Satz 4 der OECD-Leitlinien 2017 aufgenommen (Rz. 4.587).6 Insbesondere betrifft dies auch die Vermeidung von redundanten Vorlagen mit der Stammdokumentation bezogen auf Unterlagen, die der Finanzbehörde bereits vorliegen.7 Im Einzelnen sind Aufzeichnungen zu folgenden Inhalten erforderlich, wobei dem Stpfl. bezogen auf unbestimmte Rechtsbegriffe ein eigenständiger Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, sofern dieser Beurteilungsspielraum international einheitlich, nach offengelegten Kriterien und interperiodisch konsistent angewandt wird:8 1. grafische Darstellung des Organisationsaufbaus (Rechts- und Eigentümerstruktur) sowie der geografischen Verteilung der zur Unternehmensgruppe i.S.d. § 90 Abs. 3 AO gehörenden Gesellschaften und Betriebsstätten; 2. Übersicht der bedeutenden Faktoren für den Gesamtgewinn der Unternehmensgruppe; 3. Beschreibung der Lieferketten für die fünf Produkte und/oder Dienstleistungen der Unternehmensgruppe, die die höchsten Umsatzerlöse erzielen (ggf. aussagefähige Grafik oder ein entsprechendes Diagramm); 4. Beschreibung der Lieferkette für alle weiteren Produkte und/oder Dienstleistungen, auf die jeweils mehr als 5 % der Umsatzerlöse der Unternehmensgruppe entfallen (ggf. aussagefähige Grafik oder ein entsprechendes Diagramm); 5. Auflistung und zusammenfassende Beschreibung wichtiger Dienstleistungsvereinbarungen zwischen Mitgliedern der Unternehmensgruppe (ohne FuE-Dienstleistungen), einschließlich 1 Vgl. auch § 2 Abs. 6 GAufzV. 2 Zu den Bedenken der Finanzverwaltung gegen punktuell zugelassenene englischsprachige Aufzeichnungen siehe nur Schreiber/Greil, DB 2017, 518. 3 Vgl. Tz. 5.18 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 1 GAufzV. 5 Siehe hierzu auch Schreiber/Greil, DB 2017, 517 f. 6 Vgl. Tz. 5.18 Satz 4 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 517. 8 Vgl. Anlage zur GAufzV.

654 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.609 Kap. 4

einer Beschreibung der Kapazitäten der Hauptstandorte, die bedeutende Dienstleistungen erbringen, sowie der Verrechnungspreispolitik für die Zuordnung von Dienstleistungskosten und die Bestimmung der konzerninternen Dienstleistungsvergütungen; 6. Beschreibung der wichtigsten geografischen Märkte für die Produkte und/oder Dienstleistungen der Unternehmensgruppe (s. Nr. 3 u. 4); 7. zusammenfassende Funktionsanalyse, die die Hauptbeiträge beschreibt, die die einzelnen Unternehmen oder Betriebsstätten der Unternehmensgruppe zur Wertschöpfung leisten, d.h. die ausgeübten Schlüsselfunktionen, wichtigen übernommenen Risiken und wichtigen genutzten Vermögenswerte; 8. zusammenfassende Beschreibung bedeutender, während des Wirtschaftsjahres erfolgter Umstrukturierungen der Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe sowie eine Auflistung und zusammenfassende Beschreibung der von der Unternehmensgruppe während des Wirtschaftsjahres vorgenommenen Unternehmenskäufe und -verkäufe; 9. allgemeine Beschreibung der Gesamtstrategie der Unternehmensgruppe für immaterielle Werte (Entwicklung, Eigentum, Schutz und Verwertung), einschließlich einer Auflistung der Standorte der wichtigsten FuE-Einrichtungen und der Standorte des FuE-Managements; 10. Auflistung der immateriellen Werte bzw. der Gruppen immaterieller Werte der Unternehmensgruppe, die für Verrechnungspreiszwecke von Bedeutung sind, sowie der Unternehmen, die rechtliche Eigentümer bzw. Inhaber dieser immateriellen Werte sind; 11. Auflistung wichtiger Vereinbarungen zwischen Unternehmen der Unternehmensgruppe mit Bezug zu den immateriellen Werten, einschließlich Kostenumlagevereinbarungen, wesentlicher F(uE)-Dienstleistungsvereinbarungen und Lizenzvereinbarungen; 12. allgemeine Beschreibung der Verrechnungspreispolitik der Unternehmensgruppe in Bezug auf FuE sowie immaterielle Werte; 13. allgemeine Beschreibung aller wichtigen Übertragungen von Rechten an immateriellen Werten zwischen Unternehmen der Unternehmensgruppe während des betreffenden Wirtschaftsjahres (einschl. beteiligter Unternehmen, Staaten und Vergütungen); 14. allgemeine Beschreibung der Finanzierung der Unternehmensgruppe einschließlich der Darstellung bedeutender Finanzierungsbeziehungen zu fremden Dritten; 15. Angabe derjenigen Unternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe, die eine zentrale Finanzierungs-, Cash-Management- oder Asset-Managementfunktion ausüben, wobei anzugeben ist, nach welchem Recht das jeweilige Unternehmen organisiert ist und an welchem Ort sich die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmens befindet; 16. allgemeine Beschreibung der Verrechnungspreisstrategie der Unternehmensgruppe in Bezug auf Finanzierungsbeziehungen innerhalb der Unternehmensgruppe; 17. Konzernabschluss der Unternehmensgruppe für das betreffende Wirtschaftsjahr, sofern ein solcher erstellt wurde; 18. Auflistung und kurze Beschreibung der bestehenden unilateralen Vorabverständigungsvereinbarungen über die Verrechnungspreisgestaltung der Unternehmensgruppe sowie anderer Vorabzusagen im Zusammenhang mit der Aufteilung der Erträge zwischen den Staaten. 2. Landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation (Local File) Begriff der Verrechnungspreisdokumentation. Der Begriff der Verrechnungspreisdokumentation wird weder im Gesetz noch in der GAufzV oder den VWG-Verfahren verwendet oder definiert. Vielmehr wird hier von „Aufzeichnungen“ gesprochen, welche der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seiner Verrechnungspreisermittlung zu erstellen, aufzubewahren und auf Anforderung Baumhoff/Liebchen | 655

4.609

Kap. 4 Rz. 4.610 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen den Finanzbehörden vorzulegen hat.1 Hinsichtlich der Bestandteile der Verrechnungspreisdokumentation übernimmt § 90 Abs. 3 Satz 2 AO die bisher in § 1 Abs. 1 Satz 1 GAufzV enthaltene Unterteilung in Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation. Die Sachverhaltsdokumentation betrifft hiernach Aufzeichnungen zur „Darstellung der Geschäftsvorfälle“, die gem. § 1 Abs. 2 GAufzV Aufzeichnungen über die Art, den Umfang und die Abwicklung sowie über die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Geschäftsvorfälle erfordern. Die Angemessenheitsdokumentation umfasst gem. § 90 Abs. 3 Satz 2 AO Aufzeichnungen zu den wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Verrechnungspreisen, sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten. Diese Aufzeichnungen umfassen nach § 1 Abs. 3 GAufzV – geschäftsvorfallbezogen – Aufzeichnungen zu der gewählten Verrechnungspreismethode und zu den Vergleichsdaten (z.B. Preise, Geschäftsbedingungen, Kostenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen, Nettospannen, Gewinnaufteilungen) sowie innerbetriebliche Daten zur Plausibilitätskontrolle (z.B. Prognoserechnungen, Daten zur Absatz-, Gewinn- und Kostenplanung). Eine Verrechnungspreisdokumentation ist an keine äußere Form gebunden und somit als (lose) Sammlung verschiedener Unterlagen zu Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen anzusehen. Die entsprechenden Unterlagen sind in schriftlicher oder elektronischer Form zu erstellen, in sachgerechter Ordnung zu führen und – mindestens zehn Jahre2 – aufzubewahren. Die Aufzeichnungen müssen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GAufzV das ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen belegen, seine Geschäftsbeziehungen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gestalten. Dieses „ernsthafte Bemühen“ wird im Hinblick auf die Anforderungen an die Beschaffenheit der Aufzeichnungen auf die allgemeine Zwecksetzung der Aufzeichnungspflichten bezogen, indem § 2 Abs. 1 Satz 4 GAufzV dieses weitergehend konkretisiert („daher“). Die Aufzeichnungen müssen es hiernach einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist ermöglichen festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtet hat. In dieser, für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen,3 beachtlichen inhaltlichen Konkretisierung des allgemeinen Maßstabs des „ernsthaften Bemühens“ will die deutsche Finanzverwaltung die Herstellung eines „unmittelbaren kausalen Zusammenhang(s)“ sehen, insbesondere soll aber die Erkennbarkeit dieses Bemühens von der Verwertbarkeit der Aufzeichnungen abhängen.4 Prinzipiell bietet es sich an, die landesbezogene, unternehmensspezifische (Verrechnungspreis-) Dokumentation eines international verbundenen Unternehmens an den Vorgaben von § 4 Abs. 1 und 2 GAufzV auszurichten. In diesem Zusammenhang sind – immer bezogen auf die Umstände des Einzelfalls5 – die in den Rz. 4.610 ff. dargestellten Tatbestände zu dokumentieren:

4.610 Allgemeine Informationen über Beteiligungsverhältnisse, Geschäftsbetrieb und Organisationsaufbau. Folgende Inhalte sind bezogen auf allgemeine Informationen über die Beteiligungsverhältnisse, den Geschäftsbetrieb und den Organisationsaufbau aufzuzeichnen:6

– Darstellung der Beteiligungsverhältnisse zwischen dem Steuerpflichtigen und nahestehenden Personen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG, mit denen er Geschäftsbeziehungen unterhält (einschließlich deren Veränderungen), 1 Vgl. etwa § 90 Abs. 3 Satz 1 AO; § 1 Abs. 1 u. § 4 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.1. 2 Vgl. § 147 Abs. 3 u. 4 AO; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.2.3. 3 § 7 GAufzV. 4 Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 516 f. 5 Vgl. § 2 Abs. 2 GAufzV. 6 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.2.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.610 Kap. 4

– Darstellung sonstiger Umstände, die das „Nahestehen“ i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG begründen können, – Darstellung der organisatorischen und operativen Konzernstruktur sowie deren Veränderungen (einschließlich Betriebsstätten und Beteiligungen an Personengesellschaften), – Beschreibung der Managementstruktur sowie der Organisationsstruktur des inländischen Unternehmens des Steuerpflichtigen, – Beschreibung der Tätigkeitsbereiche des Steuerpflichtigen (z.B. ausgeübte Funktionen in Form von Dienstleistungen, Produktion, Forschung und Entwicklung etc.) und der Geschäftsstrategie. Die vorstehenden Dokumentationsunterlagen dienen in erster Linie dazu, dem Betriebsprüfer zu Beginn der Prüfung einen Überblick über die Unternehmensgruppe zu verschaffen und ihm die Möglichkeit zu geben, frühzeitig Prüfungsschwerpunkte zu setzen. Die dargestellten Unternehmensinformationen beziehen sich i.d.R. auf allgemeine, im Zeitablauf gleichbleibende bzw. sich wenig ändernde Tatbestände der Verrechnungspreisermittlung und brauchen daher nicht jedes Jahr neu erstellt zu werden. Insoweit ist es zweckmäßig, diese Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung1 – ggf. EDV-gestützt – abzulegen und sie in regelmäßigen Abständen (z.B. halbjährlich) auf ihre Aktualität zu prüfen und – falls erforderlich – zu ergänzen bzw. zu aktualisieren.2 Gegenüber der Stammdokumentation i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO und § 5 GAufzV unterscheiden sich die z.T. redundanten Inhalte insbesondere durch den Geschäftsvorfallbezogenheit der Aufzeichnungen in der unternehmensspezifischen Dokumentation. Soweit Steuerpflichtige – insb. wegen Überschreitens der Umsatzschwelle – zur Erstellung und Vorlage einer Stammdokumentation verpflichtet sind, bietet es sich an, Darstellungen zu den Beteiligungsverhältnissen und zur organisatorischen und operativen Konzernstruktur einschließlich der jeweiligen Veränderungen in der Stammdokumentation aufzuzeichnen. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen,3 sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d GAufzV erstmals Aufzeichnungen zur Binnenorganisation des inländischen Unternehmens (bzw. der inländischen Betriebsstätte) einschließlich der relevanten Entscheidungsträger, der Entscheidungskompetenzen sowie deren tatsächlicher Ausübung erforderlich.4 Der Verordnungsgeber erwartet von diesen Aufzeichnungen, Aufschluss über die strategische sowie operative Führung des Unternehmens und die Arbeitsstrukturen zu erlangen.5 Neben der Übernahme der entsprechenden Empfehlung des neugefassten Kapitels V der OECD-Leitlinien6 besteht der Zweck dieser Neuregelung in der Notwendigkeit der Plausibilisierung und Nachvollziehbarkeit der Funktions- und Risikoanalyse im Hinblick auf das Risikokontrollkonzept der OECD-Leitlinien (Rz. 4.134 ff.) sowie – in Betriebsstättensachverhalten – bezogen auf die Zuordnung von Personalfunktionen.7 Schließlich gehören nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e GAufzV Angaben zu den Tätigkeitsbereichen und zur Geschäftsstrategie sowie deren Veränderungen nunmehr auch zu den allgemein aufzeichnungspflichtigen Inhalten und daneben – wie bisher – zu den im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse aufzuzeichnenden Inhalten.8 1 Zur Unterscheidung zwischen Stamm- und Transaktionsdaten im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 159 f.; Arbeitshilfe zur Verrechnungspreisdokumentation des IDW, Beiheft zu FN-IDW 6/2004, B 5 f. 2 Eine Aktualisierung ist insbesondere bei wesentlichen Änderungen der Konzernstruktur, z.B. im Rahmen außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle i.S. des § 3 Abs. 2 GAufzV, notwendig. 3 § 7 GAufzV. 4 Siehe auch BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 15. 5 Vgl. auch BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 15. 6 Vgl. Anhang II zu Kap. V OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 516. 8 § 4 Abs. 1 Nr. 3 Doppelbuchst. dd GAufzV.

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Kap. 4 Rz. 4.611 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.611 Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen. Hinsichtlich der zu nahestehenden Personen unterhaltenen grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen sind folgende Aufzeichnungen erforderlich:1 – Darstellung der Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen, insbesondere im Rahmen einer Übersicht über Art und Umfang dieser Geschäftsbeziehungen und deren vertragliche Grundlagen (z.B. für Wareneinkauf, Dienstleistungen, Darlehensverhältnisse, Nutzungsüberlassungen und Kostenumlagen);2 – Zusammenstellung – in Form einer Liste – der wesentlichen immateriellen Werte, die dem Steuerpflichtigen gehören und die er im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen nutzt oder zur Nutzung überlässt (Rz. 335 ff.). Auch die Aufzeichnungen zu konzerninternen Geschäftsbeziehungen betreffen zu einem Großteil Tatbestände, die im Zeitablauf einer gewissen Beständigkeit unterliegen. Insoweit bietet es sich auch hier an, diese Informationen als Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung nicht jedes Jahr neu zu erstellen, sondern vielmehr in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Dies gilt indessen nicht für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle,3 die gem. § 90 Abs. 3 Satz 8 AO „zeitnah“ zu erfassen sind und i.d.R. ein bestimmtes Wirtschaftsjahr betreffen.

4.612 Transaktionsbündelung. Da der Dokumentation eine transaktions- bzw. geschäftsvorfallbezogene

Betrachtungsweise zugrunde liegt,4 bietet es sich an, die konzerninternen Geschäftsbeziehungen differenziert nach Liefer- und Leistungsgruppen zu dokumentieren. Die Dokumentation sollte dabei die Art und den Umfang (der Menge und der Höhe nach) des Leistungsaustausches beschreiben. In diesem Zusammenhang ist nach § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. GAufzV eine Transaktionsbündelung für die Verrechnungspreisdokumentation zulässig, wenn 1. die Geschäftsvorfälle gemessen an Funktionen und Risiken wirtschaftlich vergleichbar sind sowie die Gruppenbildung nach vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln vorgenommen wurde und die Geschäftsvorfälle gleichartig oder gleichwertig sind oder 2. die Geschäftsvorfälle gemessen an Funktionen und Risiken wirtschaftlich vergleichbar sind sowie die Zusammenfassung auch bei Geschäften zwischen fremden Dritten üblich ist oder 3. die Geschäftsvorfälle ursächlich zusammenhängen oder Teilleistungen eines Gesamtgeschäfts sind und es für die Angemessenheitsprüfung weniger auf die Beurteilung des einzelnen Geschäftsvorfalls, sondern mehr auf das Gesamtgeschäft ankommt. Diese Berücksichtigung der sog. Palettenbetrachtung (Rz. 4.487 f.) im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings führt die Forderung nach einer Zusammenfassung von konzerninternen Leistungsbeziehungen nach „vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln“ dazu, dass der Steuerpflichtige die von ihm zugrunde gelegten Kriterien im Rah1 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.11.3. 2 Weder § 90 Abs. 3 AO noch die GAufzV beschränken die Dokumentationspflicht auf wesentliche, d.h. einen bestimmten Mindestumfang oder -betrag überschreitende, Geschäftsbeziehungen. 3 Dies sind gem. § 3 Abs. 2 GAufzV insbesondere Vermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen, die Übertragung und die Überlassung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen, Geschäftsvorfälle im Zusammenhang mit einer für die Verrechnungspreisbestimmung erheblichen Änderung der Geschäftsstrategie sowie der Abschluss und die Änderung langfristiger Verträge (Dauerschuldverhältnisse) von besonderem Gewicht, die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte aus den Geschäftsbeziehungen zu Nahestehenden auswirken und der Abschluss von Umlageverträgen. Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.8.2. 4 Vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.13 Abs. 2 Satz 1 sowie ferner BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.1.2.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.613 Kap. 4

men einer konzerninternen Richtlinie (z.B. einer Dokumentationsrichtlinie)1 darstellen und nachweisen muss.2 Dies kann, je nach Umfang der konzerninternen Leistungsbeziehungen, zu einer zusätzlichen administrativen Belastung des Steuerpflichtigen führen. Zu berücksichtigen ist auch hier, dass abkommensrechtlich Art. 9 OECD-MA Einkünftekorrekturen aufgrund rein formaler Beanstandungen entgegensteht (Rz. 4.78 und 4.93). Ferner geht die Forderung nach einer „Üblichkeit“ der Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen zwischen fremden Dritten über die Anforderungen von Tz. 3.9 der OECD-Leitlinien für „Leistungspakete“ hinaus.3 Schließlich muss als (begrifflich) weitestgehend ungeklärt bezeichnet werden, was unter „ursächlich zusammenhängenden“ Geschäftsvorfällen zu verstehen ist und nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, dass das Gesamtgeschäft die einzelnen Geschäftsvorfälle dominiert.4 Diese bereits bisher bestehenden Unklarheiten werden auch durch die Änderungen der GAufzV im Zusammenhang mit den Anpassungen der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungen an die Neufassung des Kapitels V der OECDLeitlinien nicht beseitigt. Funktions- und Risikoanalyse. Für die Funktions- und Risikoanalyse sind folgende Inhalte aufzuzeichnen:5 – Informationen über die jeweils vom Steuerpflichtigen und den nahestehenden Personen ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte (einschließlich deren Veränderungen); – Informationen über die vereinbarten Vertragsbedingungen, die gewählten Geschäftsstrategien und über die bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse, soweit letztere für die Besteuerung von Bedeutung sind; – Beschreibung der Wertschöpfungskette und Darstellung des Wertschöpfungsbeitrags des Steuerpflichtigen im Verhältnis zu den nahestehenden Personen, mit denen grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen bestehen. Die vorstehenden Angaben werden durch eine hinreichende Dokumentation der Funktionsanalyse der einzelnen in die Geschäftsbeziehungen einbezogenen verbundenen Unternehmen erfüllt (Rz. 4.122 ff., 4.337 ff. und 4.354 ff.). Dabei sind insbesondere die verrechnungspreisdeterminierenden Faktoren (ausgeübte Funktionen, getragene Risiken und eingesetzte Vermögenswerte/immaterielle Werte) aufzuzeichnen. Auch insoweit liegen Stammdaten der Verrechnungspreisermittlung vor, welche nicht jedes Wirtschaftsjahr erneut erstellt werden müssen, sondern bei wesentlichen Veränderungen der Verhältnisse zu aktualisieren sind (Rz. 4.610). Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Funktionsverlagerungen in der Unternehmensgruppe. Die Übertragung und die Überlassung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit wesentlichen Funktions- und Risikoänderungen im Unternehmen sind außergewöhnliche Geschäftsvorfälle i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 8 AO und § 3 Abs. 2 GAufzV,6 für die zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen sind (Rz. 4.596). Sowohl für die Übertragungs- und Überlassungsvorgänge im Zusammenhang mit der Funktionsverlagerung selbst, die Gegenstand einer Funktionsverlagerungsbesteuerung sind (Rz. 4.480 ff.), als auch für den konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausch in der „Post-Verlagerungsphase“7 ergeben sich umfangreiche Dokumentationsanforderungen. Sie wurden bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, so dass auf diese Ausführungen verwiesen werden kann (Rz. 4.578 ff.). 1 Zur Verwendung innerbetrieblicher Verrechnungspreisrichtlinien vgl. etwa Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, 262 ff. m.w.N. 2 Vgl. § 2 Abs. 3 Satz 4 GAufzV. 3 Kritisch hierzu auch Bauer, DB 2008, 154. 4 Vgl. hierzu ausführlich Bauer, DB 2008, 154 f. 5 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005 570, Tz. 3.4.11.4. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 155. 7 Kaminski in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 64.

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4.613

Kap. 4 Rz. 4.614 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen

4.614 Wertschöpfungsbeitragsanalysen und Verrechnungspreisbestimmung. Bei der Verwendung von

Wertschöpfungsbeitragsanalysen für die Verrechnungspreisbestimmung ist für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen,1 die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 4 GAufzV zu beachten. Hiernach muss die vom Steuerpflichtigen vorgenommene Gewichtung bezüglich der anteiligen Bedeutung der von ihm und den ihm nahestehenden Personen im Hinblick auf den Geschäftsvorfall ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte konsistent und quantitativ nachprüfbar sein. Nach der Verordnungsbegründung muss neben einer Darstellung und Beschreibung der vorgenommenen Verteilung der Funktionen und Risiken eine für die Finanzbehörde verifizierbare nummerische Gewichtung vorgenommen werden. Hierdurch soll die Finanzbehörde in die Lage versetzt werden, in quantitativer Hinsicht nachzuvollziehen, welcher der Beteiligten an einem Geschäftsvorfall welche Funktionen tatsächlich in welchem Umfang ausgeübt und welche Risiken dieser tatsächlich in welchem Ausmaß übernommen hat.2 Mit dieser Regelung sollen Gewichtungen bzw. Bewertungen anhand der subjektiven Einschätzungen des Managements ausgeschlossen werden.3 Anhand welcher quantitativen Kriterien diese Gewichtung erfolgen soll, lässt sich weder der Regelung selbst noch der Verordnungsbegründung entnehmen. Ein vorhergehender Diskussionsentwurf hatte beispielhaft, aber „prominent“ eine kostenbasierte Gewichtung angeführt. Vertreter der Finanzverwaltung führen für eine verifizierbare nummerische Gewichtung neben der Gewichtung anhand der Kosten die Bewertung von Vermögenswerten an.4

Offensichtlich will der Verordnungsgeber nur objektivierte und rechenlogisch „richtige“ Wertschöpfungsbeitragsanalysen anerkennen, was die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (Profit Split Method – PSM), die zweifelsohne eine „geeignete“ Verrechnungspreismethode i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG darstellt, erheblich einschränken würde. Auch wenn der Verordnungsgeber wohl von einer Begriffsidentität ausgeht,5 stellt die Wertschöpfungsbeitragsanalyse (z.B. als Value Contribution Analysis oder Process Contribution Analaysis) nur eine Ausgestaltungsform der PSM dar (Rz. 4.293). Problematisch an dieser Forderung ist, dass eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse regelmäßig nicht anhand kostenbasierter Verhältnisbildung quantitativ („rechenlogisch“ und „richtig“) durchführbar ist. Ein solches Vorgehen würde auch hinsichtlich der errechneten (bzw. errechenbaren) Wertschöpfungsbeiträge nicht zu zutreffenden Ergebnissen führen. Vielmehr stellt eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse stets eine qualitative und jeweils relative Gewichtung der wertschöpfenden Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette dar, wobei die Einschätzung der Werttreiber und deren relative Gewichtung ohne die subjektiven Einschätzungen der Entscheidungsträger nicht auskommt. Dies gilt auch, wenn die Wertschöpfungsbeitragsanalyse anhand des betriebswirtschaftlichen Konzepts der RACI-Analyse, bei der die Verantwortlichkeiten innerhalb der betriebswirtschaftlichen Haupt- und Teilprozesse der Wertschöpfungskette anhand der Involvierung unterschieden („Responsible, Accountable, Consulted, Informed“-RACI) und über die jeweilige Wertschöpfungskette Wertschöpfungsbeiträge quantifiziert werden, durchgeführt wird.6 Denn auch für eine hiernach durchgeführte Wertschöpfungsbeitragsanalyse bedarf es der subjektiven Einschätzung des Managements (z.B. hinsichtlich der Identifizierung und Gewichtung der Werttreiber). Problematisch ist ferner, dass die jeweiligen Kosten der an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen insbesondere für die Bestimmung von einzigartigen Wertschöpfungsbeiträgen ungeeignet sind.7 Allenfalls ließe sich im Hinblick auf die tatsächliche Funktionsausübung eine Verprobung anhand der tatsächlich aufgewendeten Kosten er1 2 3 4 5 6 7

§ 7 GAufzV. Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 13. Siehe hierzu auch Schreiber/Greil, DB 2017, 515. Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 515. Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 13; siehe auch Schreiber/Greil, DB 2017, 515. Siehe zur RACI-Analyse z.B. Stein/Schwarz/Holinski, DStR 2017, 118. Vgl. Tz. 6.142 f. OECD-Leitlinien 2017. Zur deutschen Verwaltungsauffassung siehe BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83 – VWG, BStBl. I 1983, 218, Tz. 5.2.4.; v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – VWG-Funktionsverlagerung, BStBl. I 2010, 774, Rz. 62 ff.; v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – VWG BsGa, BStBl. I 2017, 182 Tz. 99; v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003, BStBl. I 2017, 701, Rz. 7.

660 | Baumhoff/Liebchen

G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.616 Kap. 4

möglichen; gleiches gilt für die Kostentragung im Hinblick auf konkrete risikobezogene Auswirkungen. Insgesamt ist mehr als fraglich, wie die Anforderung von § 1 Abs. 3 Satz 4 GAufzV mit der Zwecksetzung des § 2 Abs. 1 Satz 3 f. GAufzV zu vereinbaren sein soll, denn die geforderten Aufzeichnungen sind mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Insofern überzeugen auch die von Vertretern der Finanzverwaltung unter Hinweis auf die BFH-Rspr.1 als Rechtfertigung angeführten Erfordernisse der wirksamen Steueraufsicht und der Verifizierbarkeit der Besteuerungsgrundlagen nicht.2 Verrechnungspreisanalyse. Für die Verrechnungspreisanalyse sind folgende Aufzeichnungen erforderlich:3

4.615

– Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, – die zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung verfügbaren und zur Preisbestimmung verwendeten Informationen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, – Darstellung der angewandten Verrechnungspreismethode und ihrer Anwendung, – Begründung der Auswahl und der Geeignetheit der angewandten Methode, – Unterlagen über die Berechnungen bei der Anwendung der gewählten Verrechnungspreismethode, – Aufbereitung der zum Vergleich herangezogenen Preise bzw. Finanzdaten unabhängiger Unternehmen sowie Unterlagen über vorgenommene Anpassungsrechnungen. Im Rahmen der Verrechnungspreisanalyse ist neben allgemeinen Informationen zu den vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreismethoden die Verrechnungspreisermittlung in Bezug auf eine konkrete Geschäftsbeziehung bzw. eine konkrete Gruppe von Geschäftsbeziehungen zu dokumentieren. Insoweit knüpft die Verrechnungspreisanalyse an die Dokumentation der konzerninternen Geschäftsbeziehungen an. Während die Aufzeichnungen zur allgemeinen Anwendung der Verrechnungspreismethoden in die dauerhaft geführten Stammdaten (Rz. 4.610) der Verrechnungspreisdokumentation aufgenommen werden können (insbesondere durch eine Verrechnungspreis-Richtlinie),4 ist die auf eine bestimmte Geschäftsbeziehung bezogene, konkrete Verrechnungspreiskalkulation im Rahmen einer „laufenden“ Verrechnungspreisdokumentation (des entsprechenden Wirtschaftsjahres) zu erfassen. In diesem Zusammenhang können bspw. – ggf. bezogen auf eine Produktpalette – Berechnungsschemata, aus denen sich die angewandte Verrechnungspreismethode, die Margen bzw. Aufschlagsätze und die als Bemessungsgrundlagen für die Margen bzw. den Aufschlag verwendeten Größe ergeben, den Finanzbehörden vorgelegt werden. Daneben sollten Unterlagen geführt werden, aus denen die Umsetzung der Berechnungsschemata bei der auf den Einzelfall bezogenen Verrechnungspreisermittlung deutlich wird. Darin können bspw. die konkrete Identifikation von Vergleichspreisen im Zusammenhang mit der Preisvergleichsmethode oder die Ermittlung der auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr bezogenen Plankosten und deren Zuordnung zu den einzelnen Kostenträgern mittels der Kostenrechnung sowie die Ermittlung des Gewinnaufschlags (z.B. mittels einer Datenbankanalyse) im Zusammenhang mit der Kostenaufschlagsmethode dargestellt werden. Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung. Mit dem BEPS-UmsG5 wurden als neu aufzuzeichnende Inhalte im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AO 1 Vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BFH/NV 2013, 1657. 2 Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 515. 3 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12. 4 Z.B. Beschreibung der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode: Ermittlung der Kostenkomponente und des Gewinnaufschlags. 5 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000.

Baumhoff/Liebchen | 661

4.616

Kap. 4 Rz. 4.617 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen Informationen über den Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung eingefügt. Ferner sind – wie bereits bisher – Informationen zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten aufzuzeichnen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b GAufzV sind in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung und die zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung verfügbaren und zur Preisbestimmung verwendeten Informationen aufzuzeichnen, soweit letztere für die Besteuerung von Bedeutung sind. Nach der Verordnungsbegründung soll durch die Angabe des Zeitpunkts der Verrechnungspreisbestimmung für die Finanzbehörde erkennbar werden, ob die Bestimmung des Verrechnungspreises im Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls erfolgte. Ferner sollen die zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung vorhandenen Informationen durch die Finanzbehörde nachvollziehbar und bezogen auf diesen Zeitpunkt beurteilbar sein, wobei eine Festlegung hinsichtlich der Akzeptanz des vom Steuerpflichtigen gewählten Zeitpunkts der Verrechnungspreisbestimmung nicht erfolgt.1 Vertreter der Finanzverwaltung sehen in den Regelungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b GAufzV „die verfahrensrechtliche Verankerung der von der deutschen Finanzverwaltung schon bisher vertretenen Auffassung (.), dass die Preisverhandlung sowie -vereinbarung zeitlich vorgelagert sind und nachträgliche Preisfestlegungen bzw. -anpassungen zwischen einander Nahestehenden daher steuerlich grds. nicht anerkannt werden können“.2 Auch wenn ein solches Verständnis der Finanzbehörden nachvollziehbar ist, lassen sich entsprechende Einschränkungen der Verrechnungspreisbestimmung in zeitlicher Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben, insb. § 1 Abs. 1 und 3 AStG, nicht entnehmen. I.Ü. ist auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass Art. 9 nach Rspr. des BFH allein auf die materielle Angemessenheit des Entgelts abstellt und deshalb gegenüber rein formalen Beanstandungen eine Sperrwirkung entfaltet (Rz. 4.93 f.).3

4.617 Begründung der Geeignetheit und der Auswahl der Verrechnungspreismethode. Neben der Do-

kumentation der konkreten Verrechnungspreisermittlung müssen die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen erkennen lassen, dass er „ernsthaft bemüht“ ist, seine Verrechnungspreise am Grundsatz des Fremdvergleichs auszurichten.4 Ferner hat er darzulegen, warum er – bezogen auf eine bestimmte Geschäftsbeziehung – die entsprechende Verrechnungspreismethodik für geeignet hält.5 Dabei war er allerdings bisher nicht verpflichtet – i.S. der „best method rule“ nach US-amerikanischem Vorbild6 bzw. des Konzepts der „most appropriate method“ nach Tz. 2.2 der OECD-Leitlinien7 (Rz. 4.306 ff.) – Aufzeichnungen für mehr als eine Methode zu erstellen, um den Nachweis zu führen, dass die von ihm gewählte Methodik die „richtige“ ist.8 Mit § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d GAufzV wurde für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen, die Verpflichtung eingeführt, neben der Geeignetheit der Verrechnungspreismethode auch die Auswahl der Verrechnungspreismethode zu begründen. Der Verordnungsbegründung lässt sich zu dieser Neuerung nichts entnehmen, stattdessen wird lediglich ausgeführt, dass die Formulierung „klarstellend angepasst“ worden sei.9 Demgegenüber wollen Vertreter der Finanzverwaltung in dieser Anforderung zum einen die Übernahme der Empfehlungen der OECD-Leitlinien zur Auswahl der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode verstehen, wonach der Steuerpflichtige gehalten sein soll, die Auswahlentscheidung bei mehreren geeigneten Verrechnungspreismethoden nach sachlichen Kriterien darzulegen.10 Ferner soll die Erfüllung dieser Verpflichtung „im Licht seines ernsthaften 1 Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 17. 2 Schreiber/Greil, DB 2017, 515 unter Hinweis auf BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWGVerfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.8. 3 Zu den zeitlichen Aspekten der Verrechnungspreisbestimmung („Ex-ante“- vs. „Ex-post“-Ansatz) siehe Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 272 ff. 4 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV. 5 Vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b GAufzV. 6 Vgl. US-Reg. § 1.6662-6 (d) (2) (ii). 7 Vgl. Tz. 2.2 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.1. Dies steht im Einklang mit Tz. 2.12 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. BR-Drucks. 404/17 v. 23.5.2017, 17. 10 Vgl. Schreiber/Greil, DB 2017, 516.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.619 Kap. 4

Bemühens um die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ zu beurteilen sein.1 Hierzu ist anzumerken, dass die Eignung einer Verrechnungspreismethode für den konkreten Sachverhalt stets die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes beinhaltet und der Steuerpflichtige bei Anwendung einer geeigneten Methode stets den gesetzlichen Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 u. 2 AStG genügt; die Anwendung der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode entsprechend dem Konzept der OECD-Leitlinien entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (Rz. 4.313). Dies schließt es nicht aus, dass die Finanzbehörde die Angemessenheit der Verrechnungspreise nach einer anderen Verrechnungspreismethode beurteilt. Von Bedeutung ist, dass eine als unzureichend begründet angesehene Auswahlentscheidung weder die Verwertbarkeit der vorgelegten Aufzeichnungen berührt, noch zu einer Umkehr der Beweislast führt. Ergänzende Angaben gem. § 4 Abs. 2 GAufzV. Folgende ergänzende Angaben sind im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation in besonderen Fällen erforderlich:2

4.618

– Informationen über einen durchgeführten Vorteilsausgleich (Rz. 4.470 ff.); – bei Kostenumlagen Angaben zu den Poolmitgliedern, dem Aufteilungsschlüssel und dem erwarteten Nutzen aus der Beteiligung am Umlageverfahren;3 – Informationen über beantragte oder abgeschlossene Verständigungs- und Schiedsstellenverfahren anderer Staaten sowie über unilaterale Verrechnungspreiszusagen und sonstige steuerliche Vorabzusagen ausländischer Steuerverwaltungen, die die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen berühren; – Aufzeichnungen über Preisanpassungen beim Steuerpflichtigen, insbesondere wenn diese eine Folge von Verrechnungspreiskorrekturen oder Vorabzusagen durch ausländische Finanzbehörden bei nahestehenden Personen sind; – Aufzeichnungen über die Ursachen von Verlusten und über Vorkehrungen des Steuerpflichtigen oder ihm Nahestehender zur Beseitigung der Verlustsituation, wenn der Steuerpflichtige in mehr als drei aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahren aus Geschäftsbeziehungen einen steuerlichen Verlust ausweist4 (Rz. 4.153 ff.); – in Fällen von Funktions- und Risikoänderungen i.S. des § 3 Abs. 2 GAufzV Aufzeichnungen über Forschungsvorhaben und laufende Forschungstätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Funktionsänderung stehen können und in den drei Jahren vor Durchführung der Funktionsänderung stattfanden oder abgeschlossen worden sind (mind. – bei entsprechender FuEDokumentation – Angaben über den Gegenstand der Forschungen und die insgesamt jeweils zuzuordnenden Kosten).

IV. Sanktionen bei der Verletzung der Mitwirkungspflichten Verletzung der Dokumentationspflichten. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht nach, indem – er die nach § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV vorgeschriebenen Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall (Rz. 544) nicht vorlegt, – die von ihm über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder – Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 8 AO nicht zeitnah erstellt wurden, 1 Schreiber/Greil, DB 2017, 516. 2 Vgl. § 4 Abs. 2 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.15. 3 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 14/99 – VWG-Umlageverträge, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 5. 4 Vgl. auch BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.

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4.619

Kap. 4 Rz. 4.620 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind als die bislang erklärten.1 Letztlich wird damit unterstellt, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte nicht auf der Grundlage eines Fremdvergleichs ermittelt wurden. Mithin liegt es dann – aufgrund der „Widerlegbarkeit“ dieser Vermutung – beim Steuerpflichtigen, die Angemessenheit der von ihm festgesetzten Verrechnungspreise nachzuweisen. Dies wird ihm jedoch nur dann mit Erfolg gelingen, wenn er dem FA die zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen und die entsprechende Verrechnungspreisermittlung in dem Umfang glaubhaft vortragen kann, wie er sie in einer ordnungsgemäßen Dokumentation i.S. des § 90 Abs. 3 AO hätte erläutern müssen. Mit dem BEPS-UmsG2 wurde – auch im Hinblick auf die Stammdokumentation nach § 90 Abs. 3 Satz 3 u. 4 AO – die Geschäftsvorfallbezogenheit der Aufzeichnungspflichten herausgestellt, indem sich die Sanktionen sowohl nach § 162 Abs. 3 AO als auch nach § 162 Abs. 4 AO auf Aufzeichnungen „über einen Geschäftsvorfall“ beziehen. Mangels Transaktionsbezugs sind § 162 Abs. 3 und 4 AO auf die Stammdokumentation nicht anwendbar. Da der Gesetzgeber die länderbezogene Berichterstattung (CbCR) nicht i.R. der Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO, sondern in § 138a AO, d.h. i.R. der Anzeigepflichten, geregelt hat, kommt bei Verletzung der Übermittlungs- und Mitteilungspflichten schon deshalb eine Anwendung von § 162 Abs. 3 und 4 AO nicht in Betracht.

4.620 Umkehr der Beweislast. Im Ergebnis führt die Vorschrift des § 162 Abs. 3 AO zu einer Beweis-

lastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen, welche im Widerspruch zu den allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.3 Nach § 88 Abs. 1 AO ist prinzipiell die Finanzbehörde verpflichtet, „von Amts wegen“ den Sachverhalt zu ermitteln. Daneben hat der Steuerpflichtige bestimmte Mitwirkungspflichten – insbesondere gem. § 90 Abs. 1 und 2 AO – zu erfüllen. Kommt er diesen nicht nach und ist der Sachverhalt nicht anderweitig aufklärbar, kann prinzipiell – zum Nachteil des Steuerpflichtigen – von einem Sachverhalt ausgegangen werden, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht.4 Im Gegensatz zu diesen allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts kommt es nach § 162 Abs. 3 i.V.m. § 90 Abs. 3 AO nicht mehr darauf an, ob der Sachverhalt ggf. anderweitig aufklärbar ist bzw. ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Verrechnungspreise dem Prinzip des „dealing at arm’s length“ entsprechen. Vielmehr wird gesetzlich – wenngleich durch den Steuerpflichtigen widerlegbar – ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fremdvergleichs vermutet.5 Diese Vorgehensweise kann im Einzelfall zu einem Verstoß gegen die Art. 9 OECD-MA nachgebildete DBA-Norm führen, da abkommensrechtlich nur bei tatsächlich unangemessenen Verrechnungspreisen eine Einkünftekorrektur möglich ist (Rz. 4.93).

4.621 Schätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen. Kann der Steuerpflichtige aufgrund einer fehlenden

oder im Wesentlichen unverwertbaren Verrechnungspreisdokumentation die Vermutung der Unangemessenheit seiner Verrechnungspreise nicht entkräften, ist das FA berechtigt, die Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsvorfällen zu schätzen. Können im Rahmen dieser Schätzung die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, z.B. in Form einer Bandbreite von Verrechnungspreisen (Rz. 4.318 ff.), ermittelt werden, kann das FA diesen Rahmen – entgegen der

1 Zu den Sanktionen des § 162 Abs. 3 u. 4 AO vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Rz. 4. 2 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 3 Vgl. Moebus, BB 2003, 1414; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 39. 4 Sog. Beweismaßreduktion auf die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, vgl. grundlegend BFH v. 15.12. 1989 – X R 16/86, BStBl. II 1989, 462; Seer in T/K, § 162 AO Rz. 2, 4 u. 7; Seer, BB 1999, 79. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 4.6.1; a.A. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFHE 194, 360 = DStR 2001, 985, nach dem aus einer fehlenden Verrechnungspreisdokumentation nicht die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass die festgesetzten Verrechnungspreise einem Fremdvergleich nicht genügen.

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G. Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung | Rz. 4.623 Kap. 4

legislativ überholten Rspr. des BFH1 – zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.2 Dazu ist es allerdings nicht verpflichtet, vielmehr liegt es in seinem Schätzungsermessen, welchen Wert es im Rahmen der Bandbreite wählt. Fraglich ist hier jedoch, ob das Schätzungsermessen angesichts von § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG reduziert wird.3 Hiernach kommt der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis bei lediglich eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt. Zuschläge (Penalties). Ferner ist bei fehlenden bzw. im Wesentlichen unverwertbaren Aufzeichnungen über einzelne Geschäftsvorfälle des Steuerpflichtigen gem. § 162 Abs. 4 AO ein Zuschlag („penalty“4) festzusetzen. Dieser ist als steuerliche Nebenleistung i.S. des § 3 Abs. 4 AO zu qualifizieren und stellt eine nichtabzugsfähige Betriebsausgabe dar.5 Der Zuschlag beträgt 5–10 v.H. des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich aufgrund einer Verrechnungspreiskorrektur nach § 162 Abs. 3 AO wegen nicht erfüllter Aufzeichnungspflichten ergibt, mindestens jedoch 5 000 Euro. Ferner sieht § 162 Abs. 4 Satz 3 AO einen Zuschlag bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen i.H.v. bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung, vor.

4.622

Grundsätzlich steht die Festsetzung von Zuschlägen i.S. des § 162 Abs. 4 AO dem Grunde nach nicht im Ermessen der Finanzbehörden („ist … festzusetzen“). Allerdings ist von einer Zuschlagsfestsetzung abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten i.S. des § 90 Abs. 3 AO „entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist“.6 Insoweit darf dem Steuerpflichtigen weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein,7 wobei das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen dem eigenen Verschulden des Steuerpflichtigen gleichsteht. Hinsichtlich der Festsetzung des Zuschlags der Höhe nach hat die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung neben dem Zweck des § 162 Abs. 4 AO, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage der Aufzeichnungen auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen.8 Werden im Einzelfall die Mindestbeträge von 5.000 Euro bzw. 100 Euro/Tag angesetzt, besteht indessen kein Ermessensspielraum seitens der Finanzverwaltung. Verwertbarkeit der Aufzeichnungen. Im Rahmen der Sanktionen des § 162 Abs. 3 und 4 AO kommt der Frage, in welchen Fällen Aufzeichnungen als „verwertbar“ bzw. als „im Wesentlichen unverwertbar“ anzusehen sind, zentrale Bedeutung zu. Denn letztlich definieren sie die Grenzen, ab denen der Steuerpflichtige mit den dargestellten Sanktionen rechnen muss.9 Für nach dem 1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171, wonach sich die Finanzverwaltung im Regelfall an der für den Steuerpflichtigen günstigeren Ober- oder Untergrenze einer Bandbreite von Verrechnungspreisen zu orientieren hat. Siehe ferner Wassermeyer, WPg 2002, 15. 2 Vgl. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO. Auch insoweit ist fraglich, ob diese Vorgehensweise abkommensrechtlich gedeckt ist. Ebenfalls kritisch Moebus, BB 2003, 1414; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 39. 3 Vgl. auch Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 5.206 f.; Engler/Elbert in V/B/E4, F Rz. 127. Zur Orientierung am Mittelwert der Bandbreite vgl. auch Seer in T/K, § 162 AO Rz. 70. 4 Vgl. etwa für die USA US-Reg. § 1.6038 A-4 (a) (1). 5 Vgl. § 10 Nr. 2 KStG; § 12 Nr. 3 EStG; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 4.6.3; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 818; Schnorberger, DB 2003, 1246; Korn/ Stahl, KÖSDI 2003, 13728; Andresen, RIW 2003, 493. 6 § 162 Abs. 4 Satz 5 AO. 7 Vgl. Baum, NWB, Fach 2, 8179 mit Verweis auf die Rspr. zur Definition des „groben Verschuldens“ gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. 8 Vgl. § 162 Abs. 4 Satz 4 AO. 9 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.19 Buchst. a.

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4.623

Kap. 4 Rz. 4.623 | Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen 31.12.2016 beginnende Wirtschaftsjahre1 treten die Rechtsfolgen bei Verletzung der Mitwirkungspflichten bereits dann ein, wenn einzelne Geschäftsvorfälle nicht oder nicht ausreichend dokumentiert wurden, obwohl die gesamte Verrechnungspreisdokumentation im Wesentlichen verwertbar ist. Ebenso strahlen nicht vorgelegte oder im Wesentlichen unverwertbare Aufzeichnungen über einzelne Geschäftsvorfälle nicht auf die Aufzeichnungen über andere Geschäftsvorfälle aus. Ferner bringt der Geschäftsvorfallbezug klar zum Ausdruck, dass es jeweils auf die Gesamtheit der für einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen und nicht auf die einzelnen Bestandteile (Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation bzw. – weiter untergliedert – die jeweiligen Bestandteile, z.B. Funktions- und Risikoanalyse, Wertschöpfungsbeitragsanalyse) ankommt, die insb. daraufhin zu beurteilen sind, ob sie insgesamt verwertbar oder im Wesentlichen unverwertbar sind. Hierbei bestimmt sich die Verwertbarkeit von (geschäftsvorfallbezogenen) Aufzeichnungen nach dem Zweck der Aufzeichnungspflichten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 4 GAufzV müssen es die Aufzeichnungen einem sachverständigen Dritten ermöglichen, innerhalb einer angemessenen Frist festzustellen, welche Sachverhalte der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit seinen Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen verwirklicht hat und ob und inwieweit er dabei den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat.2 Ob Aufzeichnungen als „im Wesentlichen unverwertbar“3 zu qualifizieren sind, kann nur bezogen auf den Einzelfall festgestellt werden. Dabei führt nach Tz. 3.4.19 Buchst. b VWG-Verfahren4 die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Aufzeichnungen in einzelnen Punkten nicht dazu, dass die gesamten Aufzeichnungen für den Geschäftsvorfall oder die Transaktionsgruppe (Rz. 4.612) als im Wesentlichen unverwertbar zu qualifizieren ist. Von „im Wesentlichen unverwertbaren“ Aufzeichnungen geht die Finanzverwaltung insbesondere in den folgenden Fällen aus:5 – Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheitsdokumentation6 in fremder Sprache,7 wenn die Aufzeichnungen trotz Aufforderung nicht übersetzt werden; – Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheitsdokumentation, aus denen sich lediglich ergibt, dass die Verrechnungspreise von einer nahestehenden Person vorgegeben wurden oder wenn zur Begründung der Verrechnungspreise nur die Verrechnungspreismethode und ihre Eignung für einen konkreten Fall ohne den Abgleich mit Fremdvergleichsdaten oder ohne ausreichende Planrechnungen dargelegt wird; – Vorlage von Aufzeichnungen zur Angemessenheit der Verrechnungspreise, die sich ausschließlich auf Daten stützen, die keinen Fremdvergleich erlauben.

1 2 3 4

§ 22 Abs. 1 EGAO. Vgl. Ditz/Bärsch/Engelen, IStR 2016, 796; Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 283; Schreiber/Greil DB 2017, 15. Vgl. § 162 Abs. 3 AO. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.19 Buchst. c. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.19 Buchst. c. 6 Zur Angemessenheitsdokumentation – insbesondere im Rahmen der Verrechnungspreisanalyse – vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12; Cordes in W/B, Verrechnungspreise int. verbundener Unternehmen, Rz. 8.114 ff. 7 Vgl. dazu § 2 Abs. 5 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05 – VWG-Verfahren, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.16.

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Kapitel 5 Betriebsstättengewinnabgrenzung A. Einleitung I. Hintergründe der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen . . . . . . . . II. Systematik der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinnermittlung vor Gewinnabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestandsmäßigkeit der Betriebsstättenbesteuerung a) Voraussetzungen im Überblick . b) Ausländische Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens . . . c) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens . .

. . . . .

B. Gewinnermittlung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung und -aufzeichnung III. Ausländische Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens 1. Buchführung und Aufstellung von Jahresabschlüssen . . . . . . . . . . . . . 2. Behandlung von Währungsverlusten 3. Ort der Betriebsstättenbuchführung . IV. Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens 1. Anzeigepflicht gegenüber zuständiger Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . 2. Buchführungspflicht im Inland . . . . 3. Ort der Betriebsstättenbuchführung . V. Behandlung von Innentransaktionen bei der Gewinnermittlung . . . . VI. § 1 Abs. 5, 6 AStG als verdrängende Gewinnermittlungsvorschrift? . . . . C. Gewinnabgrenzung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsgegenstand von Art. 7 OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schrankenwirkung nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA 1. Schranken für nationale Gewinnbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinnabgrenzung dem Grunde nach a) Unternehmensgewinne als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . .

_ _ _ _ _ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _

5.1

5.6 5.8

5.11 5.12 5.17 5.20 5.23

5.27 5.31 5.36

5.39 5.40 5.47 5.50 5.51 5.58 5.59

5.62

5.63

b) Unternehmensgewinn: Keine Attraktivkraft der Betriebsstätte . . c) Unternehmensgewinn: Theorienstreit zur Selbständigkeitsfiktion aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Relevant Business Activity Approach . . . . . . . . . . . . . cc) Functionally Separate Entity Approach . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinnabgrenzung der Höhe nach a) Functionally Separate Entity Approach als Maßstab . . . . . . . . b) Historische Entwicklung des AOA c) AOA in der deutschen Abkommenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . d) Anwendung des AOA auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA i.d.F. von 2008 durch Auslegung . . . . . . . . . . . e) Gewinnabgrenzung der Höhe nach gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 aa) Zuweisung der Einkünfte an den die Funktion tatsächlich ausübenden Unternehmensteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Direkte Methode („Separate Accounting“) . . . . . . . . . . . cc) Indirekte Methode („Fractional Apportionment“) . . . . . . dd) Gemischte Methode . . . . . . ee) Bedeutung der Methoden mit Blick auf Art. 7 OECD-MA 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gewinnabgrenzung der Höhe nach gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 aa) Gewinnabgrenzung folgt den Grundsätzen des AOA . . . . . bb) Schritt 1: Selbständigkeitsfiktion (1) Funktionszuordnung . . . . . . (2) Risikozuordnung . . . . . . . . (3) Zuordnung von Wirtschaftsgütern (i) Kriterien für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts . . . . . . (ii) Materielle Wirtschaftsgüter . . (iii) Immaterielle Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . (iv) Geschäftsvorfälle . . . . . . . . . (v) Kapitalausstattung – Dotationskapital . . . . . . . . . . . . . . . (vi) Kapitalausstattung – Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . .

_ _ _ _ __ _ _

5.67 5.69 5.71 5.74 5.76 5.77 5.82 5.84

_ _ __ _ _ __ __ __ _ _

5.92 5.94

5.97 5.101 5.102

5.103 5.104 5.106

5.107 5.110 5.111 5.112 5.113 5.119

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Kap. 5 | Betriebsstättengewinnabgrenzung (vii) Kapitalausstattung – Ausübung der TreasuryFunktion als Dealing . . . . . (viii) Dealings . . . . . . . . . . . . . cc) Schritt 2: Fiktive Verrechnungspreisbestimmung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV I. Ermächtigung zur Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte durch § 1 Abs. 5 AStG 1. Verordnungsermächtigung zur Einzelfallregelung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsbeziehung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG . . . . . . c) Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 AStG . . . d) Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch das zweistufige Verfahren nach § 1 Abs. 5 Satz 3, 4 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Persönlicher Anwendungsbereich § 1 Abs. 5 Satz 5 und 7 AStG a) Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . b) Ständige Vertreter (§ 1 Abs. 5 Satz 5 AStG) . . . . . . . . . . . . . . 4. Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG i.V.m. § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Escape-Klausel nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 6 AStG i.V.m. BsGaV 1. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftsjahre vor dem 1.1.2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2012 und vor dem 1.1.2015 – teilweise Verfassungswidrigkeit der BsGaV . . . . . . . . . . . . . . . d) Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2014 – Aufdeckung stiller Reserven ipso iure . . . . . . . . . . 4. Verwaltungsansicht: BsGaV vs. DBA a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) DBA-Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2010 . . . . . . .

668 | Haverkamp

__ _

5.123 5.125 5.126 5. 6.

_ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _

5.131 5.135 5.136

7. 8.

5.139

5.142 5.145 5.146 5.148 5.150

5.152 5.153 5.155 5.156

5.157 5.161 5.162 5.164

9.

c) DBA mit OECD-Mitgliedstaat mit Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2008 . . . . . . . . . . . d) DBA mit Nicht-OECD-Mitgliedstaat mit Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2008 bzw. Art. 7 UN-MA . . . . . . . . . . . . . e) Dogmatische Schwäche der Verwaltungsansicht . . . . . . . . . . Systematik der Gewinnabgrenzung . . Personalfunktion als Ausgangspunkt der Zuordnung a) Begriff der Personalfunktion . . . . b) Identifizierung von Funktionen . . c) Maßgebliche und nicht-maßgebliche Personalfunktionen . . . . . . d) Zuordnung von Funktionen anhand der Tätigkeit des Personals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfs- und Nebenrechnung . . . . . . . Zuordnung von Vermögenswerten a) Grundlegendes und Zuordnungskriterien im Überblick . . . . . . . . b) Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . c) Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . d) Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten . . . . . . . . . . . e) Zuordnung von Sonstigen Vermögenswerten . . . . . . . . . . . f) Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens . . . . g) Zuordnung von Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zuordnung von Sicherungsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . i) Zuordnung von Dotationskapital aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . bb) Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Unternehmens (§ 12 BsGaV) . . . . cc) Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmens (§ 13 BsGaV) . . . . j) Zuordnung übriger Passivposten . k) Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen . . . . . . . . . . . . . Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . b) Zuordnungsänderung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV aa) Ausgangspunkt . . . . . . . . . .

_ _ __ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _

5.165

5.167 5.169 5.170 5.172 5.173 5.174 5.177 5.180 5.190 5.191 5.194 5.201 5.208 5.209 5.211 5.215 5.219

5.222

5.231 5.235 5.239 5.243 5.247

Betriebsstättengewinnabgrenzung | Kap. 5 bb) Entstrickung/Verstrickung (1) Betriebsstätte wird begründet/ beendet oder Geschäftsmodell ändert sich . . . . . . . . . . . . (2) Konkurrenzverhältnis . . . . . (3) Tatbestand der Entstrickung . (4) Tatbestand der Verstrickung . (5) Gemeinsamer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall: Zuordnungsänderungen zwischen Auslandsbetriebsstätten . . . . . . . . . . c) Fiktive Hilfstätigkeiten und sonstige anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV . . . . . . . . . . d) Bestimmung der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung der Höhe nach . . . . . . . . . . . . . . .

__ __ _ _ _ _

5.248 5.251 5.253 5.258 5.260 5.261

5.262 5.264

e) Nutzung finanzieller Mittel nach § 16 Abs. 3 BsGaV aa) Fiktion unternehmensinterner Darlehensbeziehungen grundsätzlich unzulässig . . . . bb) Finanzierungsfunktion innerhalb des Unternehmens (§ 17 BsGaV) . . . . . . . . . . . cc) Fiktive kurzfristige Darlehensbeziehung . . . . . . . . . . . . . 10. Sonderfälle a) Branchenspezifische Sonderregelungen, insbesondere die Vertreterbetriebsstätte . . . . . . . . b) Gründung der Betriebsstätte . . . . c) Beendigung der Betriebsstätte . . . d) Finale Verluste . . . . . . . . . . . . . e) Funktionsverlagerungen zwischen Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . III. Dokumentationspflichten . . . . . . .

_ _ _ __ __ __

5.267 5.269 5.276

5.277 5.281 5.284 5.286 5.289 5.294

Literatur: Ackermann/Höft, Die steuerliche Berücksichtigung grenzüberschreitender Verluste – das endgültige Finale der finalen Verluste?, EuZW 2016, 258; Andresen, Grundsätzliche Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG definiert gleichzeitig Freiräume des BFH, dessen Grundfreiheitswidrigkeit über § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG hinaus festzustellen – zugleich ergänzende Anmerkungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache „SGI“, IStR 2010, 289; Andresen, Ulf Andresen: Missverstandener Authorised OECD Approach bei inländischer Bankbetriebsstätte mit mehrjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Arnauld, Völkerrecht, 3. Aufl., Heidelberg 2016; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, Diss., München 1971; Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2012, 317; Barig, Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte nach dem AOA, IWB 2013, 801; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Becker, Konzernumlagen und Konzernpreise bei Betriebstätten, EStZ 1971, 95; Becker, Die Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Becker, Funktionsnutzen oder Erwirtschaftungsgrundsatz, DB 1990, 392; Becker/Loose/Misere, Bewirkt § 20 Abs. 2 AStG eine Verrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste im Inland?, IStR 2016, 353; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften; 3. Aufl., Köln 1973; Benecke, Entstrickung und Verstrickung bei Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens – Verhältnis zu den Gewinnkorrekturvorschriften und Auswirkungen auf die Betriebsstättenbesteuerung, NWB 2007, 3231; Benecke/Schnitger, Neuregelung des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Benecke/Schnitger, Letzte Änderungen der Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, IStR 2007, 22; Benecke/Staats, Timac Agro: Verluste der österreichischen Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft - Timac Agro Deutschland GmbH/FA Sankt Augustin, IStR 2016, 74; Bernütz/Küppers, Bilanzierungspflicht der deutschen Betriebsstätte einer britischen Limited Liability Partnership?, IStR 2011, 587; Bierlaagh, Permanent establishments, the separate enterprise fiction: is it a fact?, INTERTAX Vol. 20 (1992), 156; v. Brocke/Jakob, Praxisrelevante Probleme im Zusammenhang mit dem Abzug finaler ausländischer Betriebsstättenverluste, DStR 2011, 57; Brödel/ Herlinghaus/Krumm/Naumann/Tcherveniachki, Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – AOA und neue BsGaV, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar für Praktiker und Doktoranden v. 7.11.2014; Broemel/Endert, Das Festwertverfahren in Handels- und Steuerbilanz, BBK 2013, 507; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2282; Busch, Die finale Fassung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, DB 2014, 2490; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, 1; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692 (Teil 1); Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1739 (Teil 2); Debatin, BB 1990, 826; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz, Betriebsstät-

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Kap. 5 | Betriebsstättengewinnabgrenzung tengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz, Der „Authorised OECD Approach“ wird Wirklichkeit, Kritische Analyse des § 1 Abs. 5 AStG i.d.F. AmtshilfeRLUmsG, ISR 2013, 261; Ditz/Bärsch, Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten nach dem AOA – ein Plädoyer für die Nullsummentheorie, IStR 2013, 411; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im AStG durch das AmtshilfeRLUmsG – Quo vadis Außensteuergesetz?, DStR 2013, 1917; Ditz/Quilitzsch, Internationale Aspekte des Zollkodex-Anpassungsgesetzes, DStR 2015, 545; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Ditz/Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten - Betriebsprüfungsfall zu § 12 Abs. 1 KStG, Ubg 2012, 101; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Dombrowski/Sommer/Dahle, Die Pflicht zur Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung für Betriebsstätten, IStR 2016, 109; Endres/Oestreicher/van der Ham, Die neue Betriebsstättengewinnaufteilung – 5 Musterfälle zur Auslegung (Teil 2), PIStB 2014, 303; Englisch, Einige Schlussfolgerungen zur Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG – zugleich Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. SGI, IStR 2010, 139; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Frischmuth, UntStRefG 2008 und Verrechnungspreise nach § 1 AStG n. F., IStR 2007, 485; Frotscher, Die Branch profits tax und das DBA-USA, IStR 2009, 51; Geberth/Burlein, E-Bilanz – Das Einführungsschreiben, die Taxonomie und der FAQ sind veröffentlicht, DStR 2011, 2013; Gebhardt/Quilitzsch, Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste im Rahmen der Gewerbesteuer, FR 2011, 359; Girlich/Müller, Betriebsstätte und Authorised OECD Approach, ISR 2015, 169; Gläser/Birk, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beschränkt Steuerpflichtiger Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 16. 5. 2011, BStBl. I 2011, 530, IStR 2011, 762; Glahe, Vereinbarkeit von § 1 AStG mit den Europäischen Grundfreiheiten, IStR 2010, 870; Glahe, Verlangt das Unionsrecht eine Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe im Fall fremdunüblicher Verrechnungspreise?, IStR 2015, 97; Gosch, Praxis-Hinweise zu BFH vom 17.07.2008, I R 77/06, BFH-PR 2008, 499; Gosch, Über Entstrickungen, IWB 2012, 779; Gosch, Über die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 87; Gosch, Seminar D „Judges’ Seminar“: Abkommensrecht vor Gericht – Stichworte zu zehn gängigen Streitpunkten, IStR 2014, 698; Greier/Persch, Auswirkungen der Änderung des Art. 7 OECD-MA auf die Gewinnabgrenzung bei Bankbetriebsstätten, BB 2012, 1318; Hagemann/Kahlenberg, Fallreihe zum Außensteuergesetz: Die Anwendung des Fremdvergleichs bei Betriebsstätten am Praxisfall, Praxis Internationale Steuerberatung, PIStB 2015, 159; Haverkamp, BFH lockert Anforderungen an konzerninterne Vertragsgestaltung, ISR 2013, 96; Haverkamp, Zur finalen Fassung der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung, ISR 2017, 33; Haverkamp/Binding, Landwirtschaftlich bewirtschaftetes Grundstück als Betriebsstätte i. S. von § 12 AO, SteuK 2014, 348; Haverkamp/Binding, Gesellschaftsvertragliche Vereinbarung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F., ISR 2015, 85; Haverkamp/Binding, Kein Betriebsausgabenabzug für Gründungsaufwand einer ausländischen festen Einrichtung, SteuK 2014, 362; Heinsen/Adrian, Anmerkungen zum aktualisierten BMF-Entwurfsschreiben zur E-Bilanz, DStR 2011, 1438; Hemmelrath/ Kepper, Die Bedeutung des „Authorized OECD Approach“ (AOA) für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Hennrichs, Zum Wahlrecht gemäß § 4 Abs. 3 EStG bei mitunternehmerischer Beteiligung an einer ausländischen, bilanzierenden Gesellschaft, DStR 2015, 1420; Hirsch, Ergebnisabgrenzung zwischen Betriebsstätte und Stammhaus auf der Grundlage des Betriebsstättenerlasses, StuB 2001, 372; Hofmann, Der Ausgleichsposten nach § 4g EStG i.d.F des SEStEG, DB 2007, 652; Hruschka, Steuererlass für Champions-League & Co – Verzicht auf Steuerabzug nach § 50a EStG und Schaffung „weißer Einkünfte“ bei deutschen Spitzensportlern, IStR 2008, 504; Hruschka, Sofortige Fälligkeit der Wegzugsbesteuerung einer Gesellschaft unverhältnismäßig, DStR 2011, 2334; Kaeser, Betriebsstättenvorbehalte und AOA: Der Begriff der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ nach dem OECD-MK 2010, ISR 2012, 63; Kahle, Aktuelle Entwicklungen der Ertragsbesteuerung ausländischer Betriebsstätten, IStR 2007, 757; Kahle, Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts, DStZ 2012, 691; Kahle/Baschnagel/Kindich, Aktuelle Aspekte der Ertragsbesteuerung von Server-Betriebsstätten, FR 2016, 193; Kahle/Franke, Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2009, 406; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, IStR 2911, 824; Kahlenberg, st die Figur der finalen Verluste letztlich doch nur ein Mythos?, NWB 2016, 1723; Kaminski, Änderungen im Bereich der internationalen Einkunftsabgrenzung durch die Unternehmensteuerreform 2008, RIW 2007, 594; Kaminski, Funktionsverlagerungen auf Betriebstätten nach dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, FS für Frotscher, München 2013, 301; Kaut/Freudenberg/Foth, Verrechnungspreismethodik: Ausgleichszahlungen als Instrument der Ergebnissteuerung bei Routineunternehmen, BB 2007, 1665; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV - Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012,

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Betriebsstättengewinnabgrenzung | Kap. 5 267; Kessler/Winterhalter/Huck, Überführung und Rückführung von Wirtschaftsgütern: Die Ausgleichspostenmethode des § 4g EStG, DStR 2007, 133; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349 (Teil 1); Kleineidam, Rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 141; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 304; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Kolbe/Schumann, § 5b EStG – Das Anwendungsschreiben zur E-Bilanz, SteuK 2011, 522; Korn/Strahl, Hinweise zum Jahreswechsel 2007/2008, KÖSDI 2007, 15783; Kosch, Der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Vergleich zum deutschen Recht, IStR 2010, 42; Kraft/Dombrowski, Einkommensteuer bei Insolvenz einer natürlichen Person, FR 2014, 1114; Kramer, Noch einmal: Der Ausgleichsposten nach § 4g EStG., DB 2007, 2338; Kroppen, Betriebsstätte – Quo vadis?, IWB 2005, 727; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Kußmaul/Delarber/Müller, BetriebsstättengewinnaufteilungsverordnungEntwurf – Ein allgemeiner Überblick, IStR 2014, 466; Kußmaul/Ruiner, Zur Umsetzung des OECD functionally separate entity approach in nationales Recht, BB 2012, 2025; Lang, Art. 3 Abs. 2 OECD-MA und die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen - Auslegungsgrundsätze für DBA, IWB 2011, 281; Linn, Das EuGH-Urteil in der Rs. DMC und der Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf – Ende der Diskussionen um die Wegzugssteuer?, IStR 2014, 136; Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Herne 2016; Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Köln 2013; Malherbe/Daenen, Permanent Establishments Claim Their Share of Profits: Does the Taxman Agree?, BIT 2010, 365; Melhem/ Dombrowski, Die unbestimmten Grenzen der Selbständigkeitsfiktion des AOA IStR 2015, 912; Meyering/ Portheine, Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz formerly known as JStG 2013 – Überblick über die Gesetzesfassung aus Unternehmenssicht, StuB 2013, 526; Micker, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Verlustverrechnung über die Grenze – BFH, Urteil vom 5.2.2014 – I R 48/11, IWB 2014, 548; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 I S. 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der Entstrickungsregelungen des JStG 2010, FR 2011, 706; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010 – Zugleich eine Erwiderung auf die Beiträge von Richter/Heyd, Ubg 2011, S. 172 ff. und Ungemach, Ubg 2011, S. 251 ff., Ubg 2011, 328; Mössner, Klaus Vogel Lecture 2009 – Comments, BIT 2010, 16; Mössner, EuGH und Entstrickung – Ist alles geklärt?, IStR 2015, 768; Müller, Das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG, die Goldfingerfälle und die Auslegung des BFH, BB 2015, 2327; MüllerGattermann, Aktuelle deutsche Abkommenspolitik, FR 2012, 1032; Müller-Gattermann, Unternehmensgewinne nach Art. 7 und 14 des deutsch-türkischen DBA, IStR 2015, 387; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Naumann, Sollen Betriebsstätten wie Tochtergesellschaften besteuert werden?, DStJG 36 (2013), 253; Neumann, Das Verhältnis von § 1 Abs. 5 AStG zu den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2013, 573; Neumann-Tomm, Die bloße Einkünftekorrekturfunktion des § 1 Abs. 5 AStG, IStR 2015, 907; Niehaves/Beil, Das neue DBA Deutschland – Liechtenstein, DStR 2012, 209; Niemann/Dodos, Verrechnung von „finalen“ Auslandsverlusten – auch nach „Timac Agro“!, DStR 2016, 1057; Nieminen, Dual Role of the OECD Commentaries – Part 1, INTERTAX 2015, 636; Nientimp/Schwarz/Stein, Einkünfteermittlung nach dem AOA – Plädoyer für eine einheitliche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, IStR 2016, 487; Oestreicher/van der Ham/Andresen, Die Neuregelung der Betriebsstättengewinnaufteilung in zwölf Fällen - zugleich eine Stellungnahme zum Entwurf der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1; Peters/Haverkamp, Verbesserte Möglichkeiten zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen – Vergleich des Schieds-verfahrens nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA und des EU-Schiedsverfahrens, BB 2011, 1303; Rasch/Wenzel, Die Entstrickungsbesteuerung in der BsGaV und ihre europarechtliche Würdigung, ISR 2015, 128; Reiter, Entstrickung durch Abschluss oder Revision eines DBA, IStR 2012, 357; Richter/Heyd, Die Konkretisierung der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Ritter, Grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung bei Betriebstätten – Ein systematischer Versuch, JbFST 1976/1977, 288; Roeder/Friedrich, Regelungsmängel der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, BB 2015, 1053; Rödder, Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DStR 2007, Beihefter zu Heft 40; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG - Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Rogall/Schwann, Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen im Inbound-Fall und bei Inbound-Akquisitionen, DStR 2015, 2633; Rohde, Kein Wahlrecht zur Überschussrechnung für den Gesellschafter einer bilanzierenden ausländischen Personengesellschaft, SteuK 2015, 320; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Schäfer,

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Kap. 5 Rz. 5.1 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Die konsequente Anwendung des Veranlassungsprinzips bei nachträglichen Betriebstätteneinkünften in der Rechtsprechung, IStR 2015, 346; Rubart/Langkau, Base Erosion und Profit Shifting – Eine empirische Untersuchung der Gewinnverlagerung deutscher multinationaler Konzerne, IStR 2013, 660; Schaumburg, Grenzüberschreitende Einkünftekorrektur bei Betriebsstätten, ISR 2013, 197; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Schnitger, EuGH: A Oy: „Endgültige Verluste“ aus einer grenzüberschreitenden Fusion?, IStR 2012, 618; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schnitger, EuGH in der Rs. Timac Agro zu finalen ausländischen Betriebsstättenverlusten – War es das bei der Freistellungsmethode?, IStR 2016, 72; Schnorberger/Dust, Gründungsaufwand bei ausländischen Betriebsstätten: Alles neu macht der … AOA, BB 2015, 608; Schnorberger/Dust, Verluste als profitable Dienstleistung? – Steuerrechtliche Grundlagen des Fremdvergleichs, BB 2015, 2903; Schnorberger/Haverkamp, Verrechnungspreismethoden zur Bestimmung von Darlehenszinsen, ISR 2017, 145; Schnorberger/Haverkamp/Etzig, Entwurf des Bundesministeriums der Finanzen zur Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung vom 21.2.2017, BB 2017, 1111; Schnorberger/Haverkamp/Etzig, Die neue Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung 2017, BB 2017, 2435; Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, Betriebsstättengewinnermittlung nach dem OECD-Ansatz: Der Grundfall der Vertriebsbetriebsstätte, IStR 2014, 81; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 124; Schön, Der Fremdvergleich, der Europäische Gerichtshof und die „Theory of the Firm“, IStR 2011, 777; Schön, Zur Zukunft des Internationalen Steuerrechts, StuW 2012, 213; Schoppe/Stumpf, Was sind „im Wesentlichen unverwertbare“ Aufzeichnungen?, BB 2014, 1116; Schumacher, Das EuGH-Urteil Timac Agro – Was bleibt von der Rechtsfigur der finalen Verluste übrig?, IStR 2016, 473; Seeleitner/Krinninger/Grimm, Verschärfung der steuerlichen Herausforderungen durch den Authorised OECD Approach (AOA) bei Bau- und Montagebetriebsstätten?, IStR 2013, 220; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996, 110; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt a.M. 1980; Strunk/Kaminski, Anmerkungen zum Betriebsstättenerlaß, IStR 2000, 33; Sydow, Neues bei der Exit-Tax: EuGH erklärt Fünftelungsregelung zur Besteuerung stiller Reserven und Bankgarantien für unionsrechtskonform, DB 2014, 265; Thömmes, Wegzugsbesteuerung von Gesellschaften verstößt gegen Unionsrecht, IWB 2011, 873; Thömmes, Einschränkung des grenzüberschreitenden Abzugs finaler Verluste - EuGH, Urteil vom 7.11.2013 - Rs. C-322/11, K, IWB 2013, 821; Thömmes, Zur Unionsrechtsverträglichkeit der Besteuerung stiller Reserven in Einbringungsfällen unter fünfjähriger Zahlungsstreckung, StuB 2014, 288; Vogel, The influence of the OECD commentaries on treaty interpretation – response to Prof. Dr Klaus Vogel, IBFD 2000, 612; Vogel, Transnationale Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 523; Wassermeyer, Dealing at arm’s length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in Lang/Jirousek (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS für Loukota, Wien 2005, 651; Wassermeyer, Entstrickung durch Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, DB 2006, 2420; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS für Krawitz, Wiesbaden 2010, 483; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer, Abgrenzungsfragen zwischen dem Abkommens- und dem innerstaatlichen Recht, in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Haarmann, FS für Haarmann, Düsseldorf 2015, 975; Wassermeyer, Die BFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR 2015, 37; Wulf, Änderungen im Außensteuerrecht und Sonderregelungen zu Funktionsverlagerungen nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, DB 2007, 2280; Ziehr, Zurechnung von Währungserfolgen aus der Umrechnung einer ausländischen Betriebsstättenrechnungslegung, IStR 2009, 261.

A. Einleitung I. Hintergründe der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen 5.1 Der Bestimmung des steuerpflichtigen Gewinns einer Betriebsstätte kommt entscheidende Bedeu-

tung sowohl für die Investitionsentscheidung als auch für die Aufteilung des Steuersubstrats zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat zu. Multinationale Unternehmen werden regelmäßig im Ausland teils aus regulatorischen Gründen (z.B. Banken und Versicherungen), teils aufgrund

672 | Haverkamp

A. Einleitung | Rz. 5.4 Kap. 5

der Natur der Tätigkeit (z.B. Montage oder Rohstoffförderung) in Form von Betriebsstätten tätig. Die Zuordnung von Vermögen zum Quellenstaat und die Besteuerung der aufgrund dieses Vermögens erzielten Gewinne ist in diesen Fällen nur gerechtfertigt, wenn das nicht ansässige Unternehmen im Quellenstaat eine nennenswerte wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.1 Das wird angenommen, wenn es die Tatbestandsmerkmale einer Betriebsstätte erfüllt.2 In der Folge greifen sowohl der Ansässigkeits- als auch der Quellenstaat nach ihrem innerstaatlichen Recht auf den durch die Betriebsstätte erwirtschafteten Gewinn zu. Verhindert wird eine Doppelbesteuerung durch abkommensrechtliche Gewinnabgrenzungsregelungen. In der Vergangenheit hat es der Gesetzgeber der Rechtsprechung und der Finanzverwaltung überlassen, Einzelfallfragen bei der Gewinnabgrenzung zu klären.3 Die Finanzverwaltung veröffentlichte insofern am 24.12.1999 die „Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen“ („Betriebsstättenerlass“, „BS VWG“), die in den Folgejahren mehrfach angepasst wurden. Gesetzlich blieb es bei den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften nach §§ 4 ff. EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, §§ 7 ff. GewStG), die durch abkommensrechtliche Gewinnabgrenzungsvorschriften beschränkt werden. Die deutschen DBA folgen Art. 7 OECD-MA in der jeweils einschlägigen Fassung. Die Regelung sieht vor, dass für Zwecke der Gewinnabgrenzung ein (fiktiver) Gewinn ermittelt wird, den die Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen unter vergleichbaren Umständen erzielt hätte (sog. Selbständigkeitsfiktion).

5.2

Wie weit diese Selbständigkeitsfiktion geht, wurde lange Zeit von den Finanzverwaltungen der OECD-Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt. Zur Klärung setzte die OECD eine Arbeitsgruppe ein, die einen autorisierten OECD-Ansatz („Authorised OECD Approach“, „AOA“) zum Umfang und zur näheren Ausgestaltung der Selbständigkeitsfiktion nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA entwickeln sollte.4 Am 17.7.2008 stellte die OECD schlussendlich den „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ vor („OECD-Betriebsstättenbericht 2008“). Darin erklärt die OECD den sog. Functionally Separate Entity Approach zum Authorised OECD Approach. Mit Bericht vom 22.7.2010 bestätigte die OECD diesen Ansatz endgültig mit dem „2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ („OECD-Betriebsstättenbericht 2010“). Das Musterabkommen der OECD („OECD-MA“)5 und der Musterkommentar („OECD-MK“) wurden im Anschluss an den AOA angepasst. Wortlaut und Inhalt von Art. 7 OECD-MA 2010 sind unverändert in den aktuellen OECD-MA 2014 übernommen worden.

5.3

Der deutsche Gesetzgeber folgte dem Beispiel der OECD und setzte mit dem Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26.6.20136 den AOA in innerstaatliches Recht um. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 1 Abs. 5 AStG (siehe auch Rz. 5.131 ff.). Darüber hinaus wurde das BMF gem. § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats Einzelheiten des AOA per Verordnung zu regeln. Die „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV)“ vom 13.10.20147 ist mit Wirkung vom 18.10.2014 in Kraft getreten. Am 18.3.2016 brachte das BMF zunächst den Entwurf, dann am 22.12.2016 das

5.4

1 Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). 2 Um den Konsens der Vertragsstaaten über die Aufteilung des Steuersubstrats zu wahren, sollte die Besteuerung an den Betriebsstättenbegriff im abkommensrechtlichen Sinne (Art. 5 OECD-MA) anknüpfen und nicht an § 12 AO. So ist wohl auch das Schreiben des BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 9 – VWG BsGa („mangels DBA-Betriebsstätte keine Betriebsstättengewinnermittlung durchzuführen“) zu verstehen. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 – im Folgenden BS-VWG. 4 Zur Historie vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Teil I, Rz. 3–7. 5 Seit der Fassung v. 22.7.2010 OECD-MA 2010. 6 Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 7 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 13.10.2014, BGBl. I 2014, 1603; vgl. hierzu Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 f.

Haverkamp | 673

Kap. 5 Rz. 5.5 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Schreiben zur Auslegung und Anwendung des BsGaV heraus („Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischem Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung [Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa]“1). Teilweise ersetzen die VWG BsGa den Betriebsstättenerlass, teilweise finden dessen Regelungen weiter Anwendung. Grundsätzlich bleibt es dabei, dass der Betriebsstättengewinn nach §§ 4 ff. EStG ermittelt wird. Allerdings gelten andere Maßstäbe bei der Gewinnabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Darüber hinaus erlauben die neuen Regelungen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV außerbilanzielle Korrekturen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Betriebsstätteneinkünfte.

5.5 Mit Referentenentwurf vom 31.5.2016 („Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen“) hat das BMF die Einführung von § 1 Abs. 1 Satz 5 AStG-E vorgeschlagen. Die Neuregelung sollte vorsehen, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nach innerstaatlichem Recht und nach DBA den Rechtssätzen folgt, wie sie in § 1 AStG aufgestellt sind. Das hätte grundsätzlich zur Folge gehabt, dass die Auslegung des AOA als Ausformung des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes sich ebenfalls am Maßstab von § 1 Abs. 1, 5, 6 AStG i.V.m. der BsGaV hätte messen lassen müssen.

II. Systematik der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen 1. Überblick

5.6 Der Betriebsstättengewinn ermittelt sich nach §§ 4, 5 ff. EStG. Nach ständiger Rechtsprechung wird

dafür der Betriebsstätte Vermögen anhand des Veranlassungsprinzips zugeordnet.2 Das kann zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Gewinnermittlung nach innerstaatlichem Steuerrecht auf der einen und dem AOA sowie der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV auf der anderen Seite führen.3

5.7 Das ist von der grundlegenden Systematik der Betriebsstättengewinnermittlung nach neuer Rechtslage gedeckt. Die Prüfung des im Inland der Besteuerung unterliegenden Anteils am Gesamtgewinn des Unternehmens ist insofern dreigeteilt: 1. Zunächst wird der Gewinn der Betriebsstätte nach §§ 4, 5 EStG ermittelt. 2. In einem zweiten Schritt findet eine Abgrenzung der Gewinne zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen anhand der Regelungen des einschlägigen DBA statt. Dabei kommt es darauf an, wie die Regelung des DBA im Einzelfall ausgestaltet ist. Grundlegend für die weitere Prüfung ist, ob die DBA-Regelung Art. 7 OECD-MA 2010 oder Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht und wann das DBA abgeschlossen wurde. Davon hängt es ab, nach welchen Grundsätzen die Gewinnabgrenzung erfolgt. Das DBA setzt der innerstaatlichen Gewinnermittlung der Höhe nach Grenzen (Schrankenwirkung des DBA).4 Sollte kein DBA einschlägig sein, bleibt es bei der Gewinnermittlung nach §§ 4, 5 EStG. 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 – im Folgenden VWG BsGa. 2 Jüngst BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 99/08, IStR 2010, 98 m. Anm. Benecke; v. 26.2.2014 – I R 56/12, IStR 2014, 567. 3 Vgl. Wassermeyer, IStR 2015, 37 (39); Schnorberger/Dust, BB 2015, 608 (609). 4 Der Ansatz von Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 124, wonach Art. 7 OECD-MA self-executing-Wirkung hat und dann wohl folgerichtig Einfluss auf die tatsächliche Ver-

674 | Haverkamp

A. Einleitung | Rz. 5.10 Kap. 5

3. In einem letzten Schritt wird der Gewinn außerbilanziell nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV korrigiert, soweit sich aus der Vermögenszuordnung und der Gewinnermittlung nach dem Regelungsrahmen der BsGaV ein höherer im Inland steuerpflichtiger Gewinn ergibt. Sollte der nach § 1 AStG ermittelte Gewinn indes geringer sein als der nach den Schritten 1 und 2 bestimmte, kommt es nicht zu einer Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen. 2. Gewinnermittlung vor Gewinnabgrenzung Bei der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen wird zwischen der Gewinnermittlung (= nationales Recht) und der Gewinnabgrenzung (= Abkommensrecht) unterschieden.1 Unstreitig ist die Gewinnermittlung nach nationalen Vorschriften und die Gewinnabgrenzung anhand des DBA entsprechend Art. 7 OECD-MA vorzunehmen.2 In der Literatur besteht indes Streit, ob unter systematischen Gesichtspunkten zuerst die nationale Gewinnermittlung3 oder zunächst die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung4 erfolgen sollte.

5.8

Der BFH hat in jüngster Zeit verstärkt auf die reine Schrankenwirkung von DBA hingewiesen, denen gerade keine self-executing-Wirkung zukommt.5 Die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung setzt die Gewinnermittlung voraus, um den nach innerstaatlichen Regeln ermittelten Gewinn zwischen den Vertragsstaaten zu verteilen und dem Steuerzugriff der Vertragsstaaten Schranken zu setzen.6

5.9

Diese Systematik wird offenbar, wenn man bedenkt, dass das DBA neben der Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte (Freistellungsmethode) auch die Anrechnung der ausländischen auf die inländische Steuer vorsehen kann (Anrechnungsmethode). Für die Anrechnung muss aber zunächst der Gewinn nach innerstaatlichem Steuerrecht ermittelt werden. Es ist insofern nur folgerichtig die Gewinnermittlung grundsätzlich vor der Gewinnabgrenzung durchzuführen. Die Prüfung der Einkünftekorrektur nach §§ 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV folgt der abkommensrechtlichen Gewinnabgrenzung. Grundsätzlich handelt es sich hierbei zwar um eine Gewinnermitt-

1 2 3 4 5

6

mögenszuordnung nimmt, steht nicht im Einklang mit der jüngsten Rechtsprechung des BFH zur fehlenden self-executing-Wirkung nach Art. 9 OECD-MA (BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = SteuK 2015, 173 m. Anm. Haverkamp/Binding; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009; v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; dazu auch Haverkamp, ISR 2013, 96 ff.). Warum der Fremdvergleichsgrundsatz uneinheitlich behandelt werden sollte, erschließt sich dem unbefangenen Leser der Vorschriften nicht. Auch ist der Ansatz von Schön überholt, da Gegenstand von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 (und der inhaltsgleichen Fassung 2014) in erster Linie die Zuordnung von Gewinnen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen erfolgt diese Zuordnung nach zivil- und handelsrechtlichen Grundsätzen sowie nach dem Veranlassungsprinzip gem. § 4 Abs. 4 EStG (analog). Barig, IWB 2013, 806; Sterner in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 286. Art. 7 Rz. 30, 32 OECD-MK 2010. Wassermeyer in FS Loukota, 653 ff. Becker, DB 1989, 10 (12); Becker, DB 1990, 392 (394); Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.10. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = SteuK 2015, 173 m. Anm. Haverkamp/Binding; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2015, 1009; v. 11.10. 2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; dazu auch Haverkamp, ISR 2013, 96 ff.; so schon früh RFH v. 3.10.1935 – III A 267/34, RStBl. 1935, 1399; BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; Nichtanwendungserlass des BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455; kritisch Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 124; zusammenfassend Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 7 OECD-MA Rz. 35 ff. m.w.N. Vogel, IStR 2003, 523 (524) spricht vom DBA als „eine Art Lochschablone, die auf das nationale Recht aufgesetzt wird“.

Haverkamp | 675

5.10

Kap. 5 Rz. 5.11 | Betriebsstättengewinnabgrenzung lungsvorschrift. Die Vorschrift müsste insofern vor der abkommensrechtlichen Gewinnabgrenzung geprüft werden. Allerdings sieht § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG vor, dass die abkommensrechtlichen Regelungen nur zur Anwendung kommen, wenn der Steuerpflichtige im Einzelfall nachweist, dass der im Inland steuerpflichtige Gewinn unter Zugrundelegung des einschlägigen DBA niedriger sein müsste als nach der BsGaV und dass der Vertragsstaat das DBA auch tatsächlich anwendet.1 Der Regelfall ist also, dass die Hinzurechnung nach §§ 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV die Schrankenwirkung des DBA auf Konkurrenzebene grundsätzlich verdrängt. Der Steuerpflichtige ist beweisbelastet. Systematisch ist vorliegender Prüfungsaufbau mithin naheliegend.2 3. Tatbestandsmäßigkeit der Betriebsstättenbesteuerung a) Voraussetzungen im Überblick

5.11 Die Gewinnermittlung für Betriebsstätten setzt zum einen voraus, dass es sich bei dem beschränkt

oder unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmen um eine Personengesellschaft oder einen Einzelunternehmer nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 15 EStG, um einen Selbständigen i.S. von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1, 18 EStG, um Land- und Forstwirte i.S. von §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 13 ff. EStG oder um eine Körperschaft i.S. des KStG handelt. Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes kann der Fiskus nur dann auf die Gewinne des Steuerpflichtigen zugreifen, wenn der Tatbestand erfüllt ist, der zu einer Besteuerung nach innerstaatlichem Recht führt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den ausländischen Betriebsstätten von im Inland ansässigen und mithin unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmen (Rz. 5.12 ff.) und der Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Auslandsunternehmen, die im Inland mit ihren Einkünften aus der Betriebsstättentätigkeit beschränkt steuerpflichtig sind (Rz. 5.17 ff.). b) Ausländische Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens

5.12 Im Inland ansässige Unternehmen3 sind nach §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG, § 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig. Es gilt das Welteinkommensprinzip. Einkünfte, die durch Betriebsstätten im Ausland erzielt werden, unterliegen der inländischen Besteuerung. Die Gewinnermittlung (Rz. 5.27 ff.) folgt §§ 4–7k EStG. Betriebsstättengewinne sind regelmäßig nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA i.V.m. Art. 23A Abs. 1 OECD-MA von der Besteuerung im Inland unter Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG4 auszunehmen. Weil der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens in dessen Gesamtgewinn aufgeht, kommt der Gewinnabgrenzung für die Bestimmung des im Inland freizustellenden Einkünfteanteils besondere Bedeutung zu.

5.13 Verluste von Betriebsstätten aus Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union und des Eu-

ropäischen Wirtschaftsraums sind, können regelmäßig nur mit positiven Einkünften derselben Art und aus demselben Staat nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeglichen werden. Eine Öffnungsklausel findet sich in § 2a Abs. 2 EStG, wonach Verluste bestimmter gewerblich tätiger Betriebsstätten, insbesondere bestimmte Produktions- und Explorationsbetriebsstätten zum Abzug im Inland zugelassen werden. Verluste von Betriebsstätten aus dem europäischem Ausland waren bislang grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Hintergrund ist die Entscheidung des EuGH vom 15.5. 2008 in der Rechtssache Lidl/Belgium.5 Ein Verlustabzug von Betriebsstätteneinkünften, die

1 Ditz, ISR 2013, 261 (266) („Treaty Override“). 2 Das BMF umgeht diese Problematik, indem die abkommensrechtliche Auslegung des AOA nach den Maßstäben des BsGaV vorgenommen wird, siehe VWG BsGa, Rz. 11. 3 Nachfolgende Ausführungen gelten für Gewerbetreibende, Land- und Forstwirte und für Selbständige gleichermaßen. 4 Zur Diskussion um die Europarechtswidrigkeit vgl. Heinicke in Schmidt36, § 32b EStG Rz. 34 m.w.N. 5 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl/Belgium, ECLI:EU:C:2008:278 = BStBl. II 2009, 692.

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A. Einleitung | Rz. 5.16 Kap. 5

grundsätzlich nach DBA freigestellt sind, komme aus Gründen des Unionsrechts ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich nicht anderweitig verwertbar sind.1 In jüngster Zeit sind EuGH und BFH von dieser Rechtsprechungspraxis abgewichen (Rz. 5.287). Neben dem Ansässigkeitsstaat greift auch der Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) regelmäßig auf die Betriebsstättengewinne zu. Die Doppelbesteuerung eines in Deutschland als Ansässigkeitsstaat unbeschränkt Steuerpflichtigen wird vermieden, indem entweder nach § 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG die im Quellenstaat auf den Betriebsstättengewinn abgeführten Ertragsteuern auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet oder die Einkünfte nach DBA (ggf. unter Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) freigestellt werden.2 Sonderregelungen für die Besteuerung von Einkünften, die von einem DBA erfasst werden, finden sich in § 34c Abs. 6 Sätze 2–6 EStG, § 26 Abs. 1 KStG. Anknüpfungspunkt sind die Einkünfte, die aus einem „ausländischem Staat stammen“. Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass sich die Feststellung, ob und in welcher Höhe Einkünfte aus dem Ausland stammen, nach den Regeln der BsGaV richten.3 Hintergrund ist die Ansicht der Finanzverwaltung, dass die Regelungen des AOA nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV deckungsgleich seien.4 Das ist in der Sache verfehlt, wie z.B. die unterschiedliche Behandlung von Treasury-Funktionen oder die Ermittlung des Dotationskapitals zeigen (Rz. 5.113 ff., 5.123 ff. und 5.220 ff.). In der Konsequenz hat der Steuerpflichtige vorbehaltlich seiner Nachweispflicht nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG also ein Wahlrecht, ob er sich auf die Gewinnermittlung nach den Regelungen des BsGaV oder einer abweichenden Gewinnabgrenzung nach DBA beruft. Ähnlich verhält es sich im Übrigen hinsichtlich der von der Finanzverwaltung vertretenen Bindungswirkung einer Einkünfteermittlung anhand der Vorgaben der BsGaV für die Ermittlung des gewerbesteuerlichen Kürzungsbetrags nach § 9 Nr. 3 GewStG.5

5.14

Regelmäßig fordert das DBA, dass die freizustellenden Betriebsstätteneinkünfte aus aktiver Tätigkeit stammen. Der Aktivitätsvorbehalt ist dabei in den deutschen DBA unterschiedlich ausgestaltet. Eine unilaterale Aktivitätsklausel findet sich in § 20 Abs. 2 AStG. Unterliegen die Einkünfte im Quellenstaat einer Niedrigbesteuerung (weniger als 25 v.H.) und werden die Aktivitätsanforderungen nach § 8 AStG nicht erfüllt, bleibt es beim Anrechnungsverfahren.

5.15

Liquiditätsüberschüsse der ausländischen Betriebsstätte können grundsätzlich ergebnisneutral vom inländischen Unternehmensteil („übriges Unternehmen“, „Stammhaus“, „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“) vereinnahmt werden. Es handelt sich gerade nicht um eine Dividende.6 In Ausnahmefällen fingieren die innerstaatlichen Regelungen des Betriebsstättenstaats eine Dividendenzahlung, die der Quellenbesteuerung unterfällt. Nach dem Steuerrecht der USA werden beispielsweise Liquiditätsüberschüsse der in den USA belegenden Betriebsstätte als fiktive Dividende an das

5.16

1 EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI: EU:C:2008:588 = BStBl. II 2009, 566, 556, zur Frage der Finalität von Verlusten bei zeitlich begrenztem Vortrag von Verlusten; BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065 = BFH/NV 2010 1742; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; v. Brocke/Jakob, DStR 2011, 57, sowie Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 359; Micker, IWB 2014, 548. 2 BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68 – I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 13.11.2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 17.7.2008 – I R 84/04, DStR 2008, 1869; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; grds. bestätigt durch EuGH v. 17.7.2014 – Rs. C-48/13 – Nordea Bank Danmark, ECLI:EU:C:2014:2087; a.A. BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719. 3 VWG BsGa, Rz. 22. 4 A.A. Ditz, ISR 2013, 261 (266). 5 VWG BsGa, Rz. 25. 6 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 540 m.w.N.

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Kap. 5 Rz. 5.17 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Stammhaus besteuert („branch profit tax“1).2 Das steuerpflichtige Unternehmen wird auf die Schrankenwirkung des DBA verwiesen.3 c) Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens

5.17 Unterhält ein im Ausland ansässiges Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte,4 ist es gem. §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 50, 50a EStG (i.V.m. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG) mit seinen inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig.

5.18 Nach § 50 Abs. 1 EStG kann die inländische Betriebsstätte Betriebsausgaben nur insoweit geltend machen, wie sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.5 Das Verlustrisiko wird aus deutscher Fiskalsicht mithin begrenzt. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine (echte) innerstaatliche Gewinnabgrenzungsvorschrift mit einer einseitigen Wirkung zu Lasten des Steuerpflichtigen.6

5.19 Das Anrechnungsverfahren (§ 34c EStG) findet nach § 50 Abs. 3 EStG entsprechend auf die inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens Anwendung. Einen grundsätzlichen Quellensteuereinbehalt auf Betriebsstätteneinkünfte im Inland sieht § 50a EStG nicht vor. Die inländische Betriebsstätte wird vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen veranlagt. Die Grenzen findet die deutsche Besteuerung regelmäßig auch in den Freistellungsregelungen einschlägiger DBA und dem Veranlassungsprinzip.

B. Gewinnermittlung I. Allgemeines 5.20 Die Rechtsgrundlagen für die Betriebsstättengewinnermittlung sind dem innerstaatlichen materiellen

Recht des Anwenderstaats zu entnehmen. Der Steuerpflichtige wird verpflichtet, Gewinne aufzuzeichnen und zu erklären. Das gilt auch dann, wenn ein DBA einschlägig ist. Das Abkommensrecht verweist im Hinblick auf die Gewinnermittlung auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats.

5.21 Hieraus folgt, dass sich sowohl die Form der Gewinnermittlung (z.B. Überschussrechnung oder Betriebsvermögensvergleich) als auch die jeweiligen Einzelheiten (etwa die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben z.B. nach § 50 EStG, aufgrund der Zinsschranke nach § 4h EStG oder der Lizenzschranke nach § 4j EStG) nach den innerstaatlichen Vorschriften richten.

Die Gewinnermittlungsvorschriften der Einzelstaaten unterscheiden sich zum Teil merklich.7 Da die Vertragsstaaten eines DBA nicht an die Gewinnermittlung des anderen Staats gebunden sind, sondern den Gewinn auf Grundlage der eigenen innerstaatlichen Regelungen ermitteln, gibt es nicht einen richtigen universalen Gewinn.

5.22 Grundlegend für die Einkünfteermittlung der Betriebsstätte ist regelmäßig, ob sie nach innerstaat-

lichem Recht buchführungspflichtig ist. Buchführung und Bilanzierung bilden die Grundlage, auf der spezielle Regelungen zur Anwendung kommen können. 1 Verstößt gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 OECD-MA, vgl. Art. 24 Rz. 60 OECD-MK; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 107. 2 § 884(a) Internal Revenue Code (United States Code [Title 26]). 3 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 546. 4 Alternativ führt auch die Bestellung eines ständigen Vertreters nach § 13 AO zur beschränkten Steuerpflicht. 5 Zur Verfassungswidrigkeit siehe Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 195 m.w.N. 6 BS-VWG, Rz. 1.1.3.1. Das Schreiben findet im Einzelfall neben VWG BsGa Anwendung, vgl. VWG BsGa, Rz. 461. 7 Vgl. Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 7a a.E. (Stand: Juli 2017).

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B. Gewinnermittlung | Rz. 5.28 Kap. 5

II. Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung und -aufzeichnung Die Einkünfteermittlung für Gewerbetreibende und deren Betriebsstätten richtet sich im Inland nach §§ 4, 5 EStG. Unterschieden wird zwischen dem Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG und der Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Die Vorschriften gelten nach § 8 Abs. 1 KStG auch für die Besteuerung von Körperschaften.1 Außerbilanzielle Korrekturen sind nach den allgemeinen Grundsätzen bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.

5.23

Sollten gerade ausländische Unternehmen im Inland nicht buchführungspflichtig sein und auch tatsächlich keine Bücher führen, steht es ihnen frei, die Gewinne durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. In der Praxis führen allerdings die meisten Unternehmen für ihre Betriebsstätten jedenfalls tatsächlich eigene Bücher.

5.24

Die Grundlage der Gewinnermittlung bildet der gem. § 244 HGB in deutscher Sprache und in Euro aufzustellende Jahresabschluss. Diese Verpflichtung gilt gleichermaßen für Einzelkaufleute, gewerblich tätige Personengesellschaften sowie Kapitalgesellschaften. Inländische Unternehmen stellen den Jahresabschluss für das Gesamtunternehmen, einschließlich ausländischer Betriebsstätten, auf (§ 242 HGB). Dabei sind die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung zu beachten. Hieraus folgt u.a., dass die Buchführung in einer lebenden Sprache zu erstellen ist.2 Sie muss einem sachverständigen Dritten in angemessener Frist einen Überblick über die Lage des Unternehmens vermitteln. Außerdem müssen die allgemeinen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit (Vollständigkeit, Vollzähligkeit, Belegprinzip) beachtet werden. Diese Verpflichtungen sind gem. § 140 AO auch für steuerliche Zwecke zu erbringen.

5.25

Neben diesen Buchführungspflichten stehen die sonstigen Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten. So hat der Steuerpflichtige Warenein- und -ausgänge gesondert aufzuzeichnen (§§ 143, 144 AO). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob sich dieser Warenverkehr auf Geschäfte mit Dritten erstreckt, zwischen Stammhaus und Betriebsstätte oder zwischen ausländischen Betriebsstätten desselben Unternehmens stattfindet. Außerdem bestehen die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Rahmen des Besteuerungsverfahrens (z.B. Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen, erweiterte Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 AO, Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO).3

5.26

III. Ausländische Betriebsstätte eines inländischen Unternehmens 1. Buchführung und Aufstellung von Jahresabschlüssen Die Pflicht eines inländischen Unternehmens zur Buchführung und zur Aufstellung von Jahresabschlüssen umfasst auch die Einkünfte und das Vermögen einer ausländischen Betriebsstätte. Dabei ist es unerheblich, ob die Betriebsstättengewinne aufgrund des DBA im Inland freizustellen sind.4 Unabhängig von der Art und Ausgestaltung einer zusätzlichen Buchführungspflicht im Betriebsstättenstaat muss für deutsche Besteuerungszwecke eine Gewinnermittlung nach deutschem Handelsrecht erfolgen.

5.27

Sollte der Steuerpflichtige die Gründung einer Betriebsstätte dem zuständigen Finanzamt nicht spätestens mit Einreichung der Jahressteuererklärung anzeigen, verhält er sich ordnungswidrig (§ 379 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 138 Abs. 2 AO).

5.28

1 Für die Ermittlung des zvE vgl. R 29 KStR. 2 Die Finanzverwaltung hat das Recht, ggf. eine Übersetzung zu verlangen (§ 87 Abs. 2 AO). 3 Im Anschluss an Action Point 13 der finalen BEPS-Berichte wurde das sog. Country-by-Country Reporting in § 138a AO eingeführt. Danach muss jedes multilaterale Unternehmen u.a. die handelsrechtlichen Gewinnkennzahlen seiner Betriebsstätte gegenüber der Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats offenbaren, die die erhaltenen Informationen mit den anderen Vertragsstaaten teilt. 4 BS-VWG, Rz. 1.1.4.2; zur Anwendbarkeit des Betriebsstättenerlasses nach Einführung der BsGaV, vgl. VWG BsGa, Rz. 460 ff.

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Kap. 5 Rz. 5.29 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.29 Das deutsche Recht sieht keine Pflicht zur separaten Betriebsstättenbuchführung. Es empfiehlt

sich jedoch regelmäßig, der Betriebsstätte einen gesonderten Kontenkreis im Rahmen der Gesamtbuchführung zuzuordnen, um der Pflicht zur gesonderten Bestimmung des Betriebsstättengewinns nachkommen zu können.1 Neben diesen innerstaatlichen Anforderungen sind allerdings regelmäßig auch ausländische Buchführungspflichten zu beachten. Ist die ausländische Betriebsstätte nach dem Recht des Betriebsstättenstaats verpflichtet, eigene Bücher zu führen, so können die Ergebnisse dieser Buchführung nach § 146 Abs. 2 Satz 2, 3 AO für die deutsche Gewinnermittlung übernommen werden.

5.30 In der Praxis ergeben sich immer dann besondere Schwierigkeiten, wenn die ausländische Be-

triebsstätte den Gewinn nach den handelsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Staats ermittelt (z.B. nach IFRS oder US-GAAP). In diesen Fällen bedarf es einer nachvollziehbaren Überleitungsrechnung,2 die die deutsche Finanzverwaltung mittels Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO maschinell einsehen und prüfen können muss.3 2. Behandlung von Währungsverlusten

5.31 Gerade bei ausländischen Betriebsstätten eines im Inland ansässigen Unternehmens ist auf die

sachgerechte Behandlung von Währungsumrechnungen zu achten.4 Ausländische Betriebsstätten sind nach dem jeweiligen Recht ihres Tätigkeitsstaats regelmäßig verpflichtet, ihre Einkünfte in nationaler Währung (und nach Maßgabe der nationalen Ermittlungsvorschriften) zu bestimmen. Nach §§ 238, 244 HGB ist der Jahresabschluss in Euro aufzustellen.5

5.32 Bei einem inländischen Unternehmen mit einer ausländischen Betriebsstätte sind folglich zwei Ge-

winnermittlungen nebeneinander für die ausländische Betriebsstätte zu berücksichtigen. Aus Sicht der Finanzverwaltung muss grundsätzlich jeder einzelne Geschäftsvorfall, der in ausländischer Währung durchgeführt wurde, mit dem maßgebenden Tageskurs (amtlich festgesetzter Devisenkurs, z.B. veröffentlicht im Bundesanzeiger) umgerechnet werden.6 Diese auch als Zeitbezugsmethode bezeichnete Vorgehensweise ist von der Rechtsprechung anerkannt.7 Eine geschäftsvorfallbezogene Ermittlung der Wechselkurse erscheint jedoch in einer Vielzahl von Fällen kaum administrierbar. Die deutsche Finanzverwaltung lässt es daher zu, bei nicht wesentlichen Kursschwankungen zwischen den Stichtagen auf das Stichtagskursverfahren zurückzugreifen.8 Insbesondere die Umrechnung mit monatlichen und jahresbezogenen Durchschnittskursen soll zulässig sein.9

5.33 Nach Auffassung der Finanzverwaltung10 hat die Umrechnung bei Wirtschaftsgütern des Anlageund Umlaufvermögens mit dem Briefkurs im Zeitpunkt des Zugangs, bei der Herstellung von

1 Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 118. 2 BS-VWG, Rz. 1.1.4.2. 3 BMF v. 14.11.2014 – IV A 4 - S 0316/13/10003 – DOK 2014/0353090, BStBl. I 2014, 1450 – Schreiben betr. Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD). 4 BS-VWG, Rz. 1.1.4.2. 5 Diese Thematik kann sich selbstverständlich auch aus Sicht eines ausländischen Unternehmens mit inländischer Betriebsstätte ergeben. 6 BS-VWG, Rz. 2.8.1. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung sich auch in Zukunft der Regelungen des Betriebsstättenerlasses für die Behandlung von Währungsdifferenzen bedienen wird, vgl. VWG BsGa, Rz. 460. 7 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940. 8 BS-VWG, Rz. 2.8.1. 9 Eine Bezugnahme auf die amtlich herausgegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse ist zulässig. Siehe auch BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175 und Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 820 ff. 10 Vgl. BS-VWG, Rz. 2.8.1.

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B. Gewinnermittlung | Rz. 5.35 Kap. 5

Wirtschaftsgütern fortschreitend zu erfolgen. Die so ermittelten Werte sollen die Anschaffungsoder Herstellungskosten dieser Wirtschaftsgüter in der inländischen Bilanz bilden. Ein Verlust, der sich nach Umrechnung der Buchwerte an verschiedenen Stichtagen ergibt, rechtfertige für sich allein keine Teilwertabschreibung, weil dem scheinbaren Wertverlust regelmäßig ein entsprechend gestiegener Teilwert im Betriebsstättenstaat gegenübersteht. Bei Forderungen, Geldbeständen und Ähnlichem sei zu prüfen, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung eingetreten ist. Verbindlichkeiten sind bei voraussichtlich dauerhaft gestiegenem Wechselkurs mit dem höheren Briefkurs anzusetzen und Rückstellungen sind zu dem jeweiligen Briefkurs umzurechnen. Erhaltene Anzahlungen, die wirtschaftlich ebenfalls Verbindlichkeitscharakter besitzen, sind mit dem Geldkurs zum Zahlungseingang zu erfassen und für Wertminderungen gelten die Aussagen über Verbindlichkeiten entsprechend. Demgegenüber sind geleistete Anzahlungen mit dem Briefkurs bei Zahlungsabfluss zu erfassen. Von der Rechtsprechung1 werden nur solche Umrechnungsverfahren anerkannt, die nicht gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung verstoßen. Namentlich nennt der BFH den Grundsatz der Einzelbewertung, den Realisationsgrundsatz, das Anschaffungskostenprinzip, das Imparitäts- und Niederstwertprinzip sowie das Stichtagsprinzip.

5.34

Der BFH2 hat in diesem Rahmen grundsätzlich eine Reihe von Umrechnungsverfahren für zulässig erklärt. Neben den bereits dargestellten und auch durch die Finanzverwaltung akzeptierten Verfahren, wie dem Zeitbezugsverfahren, dem Stichtagskursverfahren oder dem Nominal-Sachwertverfahren – alle Geldwerte (Forderungen, Verbindlichkeiten, liquide Mittel) werden zum Stichtagskurs und alle Sachwerte einschließlich Eigenkapital werden mit ihren historischen Werten umgerechnet3 –, ist nach der Rechtsprechung des BFH das Fristigkeitsverfahren zulässig. Beim Fristigkeitsverfahren sind bei langfristigen Bilanzposten (einschließlich Eigenkapital) die jeweiligen historischen Werte zu verwenden, während die Umrechnung von kurzfristigen Posten mit Stichtagskursen erfolgt. Aufwand und Erträge werden nach monatlichen Durchschnittswerten umgerechnet.4 Ein für die Praxis bedeutsames Thema ist die Behandlung von Währungsverlusten bei Dotationskapital ausländischer Betriebsstätten. Viele Staaten, so auch Deutschland, verlangen, dass das Dotationskapital bezogen auf die übernommene Funktion sowie die übernommenen Risiken angemessen hoch ist. Eine zu geringe Höhe des Dotationskapitals führt zur Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital und zur entsprechenden Reduzierung des Zinsabzugs.5 Mit dieser Notwendigkeit einer angemessenen Eigenkapitalausstattung ist die Frage verbunden, was passiert, wenn bei Beendigung der Betriebsstätte der für das Eigenkapital erhaltene Euro-Betrag geringer ist als das ursprünglich hingegebene Kapital. Ein Grund können Wechselkursveränderungen sein. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um Einkünfteminderungen, die aus der Sicht des Ansässigkeitsstaats ausgeblendet werden können, weil bei einer Bewertung nach Landeswährung gerade keine Minderung eingetreten ist. Ein berücksichtigungsfähiger Verlust liegt mithin nicht vor. Lange Zeit vertrat der BFH6 die Auffassung, dass etwaige Veräußerungsgewinne oder -verluste, die ausschließlich aus Wechselkursveränderungen entstanden sind, in Deutschland als Ansässigkeitsstaat nicht berücksichtigt werden. Diese Rechtsprechungspraxis war Gegenstand des EuGH-Urteils Deutsche Shell7, in dem der EuGH entschied, dass Währungsverluste auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte trotz 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940. Vgl. Fey in Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Währungsumrechnung, Rz. 5. Vgl. Fey in Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Währungsumrechnung, Rz. 4. Vgl. VWG BsGa, Rz. 249, Beispielsfall. BFH v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, ECLI:EU:C:2008:129.

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5.35

Kap. 5 Rz. 5.36 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Freistellung von der Steuer des Quellenstaats von den inländischen Einkünften abzugsfähig sein müssen.1 Rechtsprechung und Finanzverwaltung vertraten dazu die Ansicht, dass auf das Dotationskapital etwaig anfallende Währungsverluste der ausländischen DBA-Betriebsstätte zuzuordnen und damit im Inland nicht zu berücksichtigen seien.2 Nicht Gegenstand der Entscheidung des EuGH war jedoch die Frage, ob laufende Währungsverluste ebenso zu berücksichtigen und ob auch Währungsgewinne (sowohl laufend als auch bei Rückführung) entsprechend anzusetzen sind. Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung nur im Umfang der Entscheidung des EuGH angepasst.3 Dies wird zum Teil kritisch gesehen. Laufende Währungsverluste müssten abzugsfähig sein. Das zeige schon die Rechtsprechung des BFH4, nach der die Behandlung von laufenden Währungsverlusten und von Währungsverlusten aus der Rückführung von Dotationskapital gleich zu behandeln sind.5 3. Ort der Betriebsstättenbuchführung

5.36 Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 AO besteht die grundsätzliche Verpflichtung zur Führung und Aufbewah-

rung der Bücher und sonst erforderlichen Aufzeichnungen im Inland. Dies gilt auch für Buchführungen ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen. Nur wenn eine Auslandsbetriebsstätte nach dem Recht ihres Belegenheitsstaats verpflichtet ist, Bücher und Aufzeichnungen zu führen und dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommt, können die Bücher am Ort der Betriebsstätte im Ausland geführt und aufbewahrt werden (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). Weitere Voraussetzung ist, dass die Ergebnisse der Betriebsstättenbuchführung, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, Teil der Buchführung des inländischen Unternehmens sind. Hiervon abweichend kann die zuständige Finanzbehörde auf Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union geführt und aufbewahrt werden, sofern gem. § 146 Abs. 2a AO sichergestellt ist, dass

– der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort des Datenverarbeitungssystems und bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt (§ 146 Abs. 2a Nr. 1 AO), – der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140–147 und 200 Abs. 1, 2 AO ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist (§ 146 Abs. 2a Nr. 2 AO), – der Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO in vollem Umfang möglich ist (§ 146 Abs. 2a Nr. 3 AO) und – die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird (§ 146 Abs. 2a Nr. 4 AO).

5.37 Vorlagepflichten, beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung, sind bei einem unbeschränkt

Steuerpflichtigen nicht auf seine inländischen Unternehmensteile beschränkt. Sie erstrecken sich auf das Unternehmen als Ganzes und schließen ausländische Betriebsstätten ein. Der unbeschränkt Steuerpflichtige ist auf Verlangen der Finanzbehörde in aller Regel verpflichtet, auch die Bücher und Aufzeichnungen sowie die dazugehörigen Belege, Urkunden und sonstigen Geschäftspapiere einer ausländischen Betriebsstätte im Inland vorzulegen. Dies ergibt sich aus § 90 Abs. 2 AO i.V.m. §§ 97, 200 AO. 1 Kritisch zur Anwendbarkeit des Urteils nach Einführung der BsGaV: Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 24x; Busch, DB 2014, 2490 Fn. 33. 2 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; BS-VWG, Rz. 2.8.1 Buchst. d. 3 BMF v. 23.11.2009 – IV B 5 - S 2118-a/07/10011 – DOK 2009/0759198, BStBl. I 2009, 1332 – Schreiben betr. EuGH-Urteil in der Rs. C-293/06 „Deutsche Shell“; ebenso Hruschka, IStR 2008, 504. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 5 Ausführliche Diskussion bei Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1054 ff.; ebenso Ziehr, IStR 2009, 261; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 7 OECD-MA Rz. 183; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 537.

682 | Haverkamp

B. Gewinnermittlung | Rz. 5.41 Kap. 5

Die vom BFH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Abgabe der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bei Betriebsstätten gelten entsprechend für die Übermittlung der EBilanz.1 So hat ein bilanzierendes inländisches Unternehmen mit mindestens einer ausländischen Betriebsstätte für das Unternehmen als Ganzes eine Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung für Besteuerungszwecke einzureichen2 bzw. einen Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Im Ergebnis sind somit die Regelungen zur E-Bilanz nach § 5b EStG einschließlich des vorgegebenen Kontenrahmens auch auf die ausländische Betriebsstätte anzuwenden.

5.38

IV. Inländische Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens 1. Anzeigepflicht gegenüber zuständiger Gemeinde Unterhält ein ausländisches Unternehmen eine Betriebsstätte im Inland besteht für das ausländische Unternehmen eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Gemeinde nach § 138 Abs. 1 AO, welche das zuständige Finanzamt in Kenntnis setzt.

5.39

2. Buchführungspflicht im Inland Die Buchführungspflicht der Betriebsstätte hängt davon ab, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Zweigniederlassungen nach § 13 HGB erfüllt sind. Inländische Zweigniederlassungen beschränkt Steuerpflichtiger sind gem. § 13d HGB wie Hauptniederlassungen zu behandeln. Sie sind zur Buchführung nach § 238 HGB verpflichtet und haben gem. § 140 AO diese Verpflichtung auch für Zwecke der Besteuerung in Deutschland zu erfüllen. Folglich unterliegen inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen mit ihrer Buchführung in Deutschland sowohl den handelsrechtlichen als auch den steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften. Die handelsrechtliche Buchführungspflicht kann sich allerdings nur auf die der inländischen Zweigniederlassung zuzurechnenden Wirtschaftsaktivitäten erstrecken.3

5.40

Liegt hingegen keine inländische Zweigniederlassung i.S. des § 13 HGB vor, besteht regelmäßig auch keine Verpflichtung zur Führung von Büchern nach deutschem Handelsrecht, so dass handelsbilanzielle Ergebnisse für die Steuerbilanz insoweit nicht maßgeblich sind. Das HGB definiert den Begriff „Zweigniederlassung“ nicht. Nach h.M. ist eine Zweigniederlassung ein von der Hauptniederlassung räumlich getrennter, weitgehend selbständiger Teil des Unternehmens, der auf Dauer als zusätzlicher Mittelpunkt für die Geschäfte der Hauptniederlassung geschaffen ist und von dem aus für das Unternehmen wesentliche Geschäfte selbständig erledigt werden.4 Im Einzelnen müssen folgende Merkmale erfüllt sein: – zivilrechtliche Unselbständigkeit, – Ausführung von wesentlichen Geschäften des ausländischen Unternehmens, – selbständige Teilnahme am Geschäftsverkehr, – „eigenes“ Geschäftsvermögen und – Dauerhaftigkeit. 1 Vgl. hierzu BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133-b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855. 2 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 286; BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133 - b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855, Rz. 3. 3 Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht3, 598 f.; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 746 f. 4 Kleissler in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 20 ff.; Hopt in Baumbach/Hopt37, § 13 HGB Rz. 3 ff.

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5.41

Kap. 5 Rz. 5.42 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.42 Liegen die Voraussetzungen der Zweigniederlassung vor, so besteht eine Buchführungspflicht für

steuerliche Zwecke nach § 140 AO. Anderenfalls steht es dem Steuerpflichtigen frei, seine inländischen Einkünfte durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu bestimmen. Nach herrschender Rechtsprechung1 ist der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auch dann berechtigt, wenn er zum Führen von Büchern im Ausland verpflichtet ist. Insbesondere seien mit „andere Gesetze“ im Wortlaut von § 140 AO nicht ausländische Gesetze gemeint. Im Ergebnis bedeute dies regelmäßig, keine Buchführungspflicht für ausländische Unternehmen im Inland, soweit nicht eines der im HGB vorgegebenen Anknüpfungsmerkmale vorliegt. Die Finanzverwaltung hat in ihrem BMF-Schreiben vom 16.5.20112 die Vorschrift des § 140 AO allerdings anders ausgelegt: „Die Verpflichtung zur Führung von Büchern richtet sich nach §§ 140, 141 AO. Nach § 140 AO sind für die Besteuerung Bücher zu führen, wenn diese bereits nach ‚anderen Gesetzen als den Steuergesetzen‘ zu führen sind, wobei auch ausländische Rechtsnormen eine Buchführungspflicht nach § 140 AO begründen können.“ Diese Auffassung hat das BMF mittlerweile wiederholt bestätigt.3

5.43 Eine erneute Belebung erhält das Streitthema durch zwei jüngere Entscheidungen des BFH, in de-

nen dieser im Rahmen der sog. Goldfinger-Modelle sowohl einem im Inland ansässigen atypisch stillen Gesellschafter einer österreichischen GmbH als auch einem im Inland ansässigen Gesellschafter einer britischen Partnership das Wahlrecht zur Einkünfteermittlung im Wege der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG versagt hat.4 Eine Einkünfteermittlung nach den Überschussgrundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG käme dann nicht in Betracht, wenn die ausländische Gesellschaft eine Bilanz zur Gewinnermittlung erstellt. Die Auslegung von § 140 AO sei nach Auffassung des BFH dabei nicht entscheidend. In der Literatur ist die Rechtsprechung des BFH auf Kritik gestoßen.5 Es bleibt abzuwarten, ob der BFH diese Auffassung über den Einzelfall hinaus als grundsätzliche Auslegung von § 140 AO auch auf inländische Betriebsstätten eines ausländischen Unternehmens anwendet.6

5.44 In der Praxis erhält diese Diskussion besondere Bedeutung, weil die für die inländische Betriebs-

stätte erstellte Buchführung und der insoweit begrenzte Jahresabschluss den Vorschriften des § 5b EStG zur Erstellung und Abgabe einer E-Bilanz unterliegen.7 Die vom BFH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Abgabe der Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bei Betriebsstätten gelten entsprechend für die Übermittlung der E-Bilanz. Im Falle eines ausländischen Unternehmens erstreckt sich somit die Pflicht zur Aufstellung und Übermittlung der EBilanz auf die inländische Betriebsstätte als unselbständiger Unternehmensteil.8 1 FG Hessen v. 29.10.2010 – 11 V 252/10, IStR 2011, 116 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57 und v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; vgl. auch Bernütz/Küppers, IStR 2011, 587, sowie Klein13, § 140 AO Rz. 4a; differenzierend Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 7 f. (Stand: Juli 2017), der zwar grundsätzlich auch ausländische Normen erfassen will, jedoch daraus keine materiell-rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich der Einkünfteermittlung ziehen möchte und ausdrücklich weiterhin das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG bestehen lässt. 2 BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014 – DOK 2011/0349521, BStBl. I 2011, 530 – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f. Doppelbuchst. aa und § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG; kritisch hierzu Gläser/Birk, IStR 2011, 762. 3 BMF v. 31.1.2014 – IV A 3 - S 0062/14/10002 – DOK 2014/0037569, BStBl. I 2014, 290 – Neubekanntmachung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung; AEAO zu § 140. 4 BFH v. 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141; v. 10.12.2014 – I R 3/13, BFH/NV 2015, 667. 5 Hennrichs, DStR 2015, 1420; Rohde, SteuK 2015, 320; Müller, BB 2015, 2327. 6 Derzeit anhängig beim BFH (IV R 50/14), Vorinstanz FG Münster v. 11.12.2013 – 6 K 3045/11 F, EFG 2014, 753. 7 Geberth/Burlein, DStR 2011, 2013; Heinsen/Adrian, DStR 2011, 1438; vgl. Kolbe/Schumann, SteuK 2011, 522. 8 BMF v. 28.9.2011 – IV C 6 - S 2133 - b/11/10009 – DOK 2011/0770620, BStBl. I 2011, 855 Rz. 4 – Schreiben betr. elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen; Anwendungsschreiben zur Veröffentlichung der Taxonomie; zu den praktischen Auswirkungen vgl. Dombrowski/Sommer/Dahle, IStR 2016, 109 (114).

684 | Haverkamp

B. Gewinnermittlung | Rz. 5.50 Kap. 5

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann das zuständige Finanzamt die Betriebsstätte nach § 141 AO zur Führung von Büchern verpflichten, wenn eines der folgenden Merkmale erfüllt ist:

5.45

– Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8–10 UStG, von mehr als 600.000 Euro im Kalenderjahr (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) oder – selbstbewirtschaftete land- und forstwirtschaftliche Flächen mit einem Wirtschaftswert (§ 46 BewG) von mehr als 25.000 Euro (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) oder – einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 60.000 Euro im Wirtschaftsjahr (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO) oder – einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von mehr als 60.000 Euro im Kalenderjahr (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AO). – Die Größenmerkmale beziehen sich auf die Betriebsstätte und nicht auf das Gesamtunternehmen.1 In den Fällen von § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 AO sind erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen gem. § 7a Abs. 6 EStG nicht einzubeziehen. Im Falle der Mitunternehmerschaft erstreckt sich die aus § 141 AO resultierende Buchführungspflicht nach der Rechtsprechung des BFH auch auf das Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter.2

5.46

3. Ort der Betriebsstättenbuchführung Besteht die Buchführungspflicht, so sind die Bücher nach § 146 Abs. 2 Satz 1 AO grundsätzlich im Inland zu führen und aufzubewahren. Abweichend von diesem Grundsatz kann die zuständige Finanzbehörde die Führung und Aufbewahrung elektronischer Bücher und Aufzeichnungen im Ausland bewilligen, sofern der Steuerpflichtige die dafür genannten Voraussetzungen des § 146 Abs. 2a AO (Rz. 5.36) erfüllt.

5.47

Die darüber hinaus bestehende Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs und des Warenausgangs erstreckt sich auch auf den Warenaustausch mit dem ausländischen Unternehmensstammhaus und mit anderen Betriebsstätten des Unternehmens.

5.48

Weiterhin ist ein beschränkt Steuerpflichtiger zur Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Urkunden und sonstigen Geschäftspapieren sowie zur Mitwirkung nach den § 90 Abs. 3, § 97 und § 200 AO nur insoweit verpflichtet, als es um die Ermittlung seiner inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG geht.

5.49

V. Behandlung von Innentransaktionen bei der Gewinnermittlung Bei der handelsrechtlichen Gewinnermittlung einer Betriebsstätte werden Innentransaktionen3 zwischen der Betriebsstätte und dem Stammhaus ausgeblendet. Betriebsstätte und Stammhaus bilden eine rechtliche Einheit. Die Betriebsstätte kann nicht selbständig Inhaber von Rechten und 1 Drüen in T/K, § 141 AO Rz. 6 (Stand: Juli 2017) mit Hinweis auf BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260. 2 BFH v. 23.10.1990 – VIII R 142/85, BStBl. II 1991, 401; BMF v. 31.1.2014 – IV A 3 - S 0062/14/10002 – DOK 2014/0108334, BStBl. I 2014, 290 – Neubekanntmachung des Anwendungserlass zur Abgabenordnung; AEAO zu §141 Rz. 1; a.A. Drüen in T/K, § 141 AO Rz. 3a (Stand: Juli 2017); Hennrichs in Tipke/ Lang, Steuerrecht22, § 10 Rz. 116, der jedoch eine Buchführungspflicht der Gesellschaft für ihren Gesellschafter „im Wege der Lückenfüllung“ aus § 5 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ableitet. 3 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 1.4; siehe zu einer Definition auch die Erstauflage: Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.4, der Innentransaktionen wie folgt definiert: „Unter Innentransaktionen versteht man Lieferungen und sonstige Leistungen zwischen den unselbständigen Teilen ein und desselben Unternehmens. Sie sind sowohl zwischen dem Stammhaus und einer Betriebsstätte als auch zwischen mehreren Betriebsstätten desselben Unternehmens möglich.“

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5.50

Kap. 5 Rz. 5.51 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Pflichten sein.1 Schuldrechtliche und/oder sachenrechtliche Vereinbarungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte haben keine Rechtswirkung. Sofern beispielsweise Vermögenswerte vom Stammhaus in die Betriebsstätte überführt werden, handelt es sich um eine rechtlich unbeachtliche Vermögensumschichtung im Einheitsunternehmen. Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind mangels Personenverschiedenheit nicht möglich. Das bedeutet für die handelsbilanzielle Gewinnermittlung nach §§ 238 ff. HGB, dass Innentransaktionen mangels Rechtswirksamkeit weder als Forderungen oder Verbindlichkeiten zu bilanzieren, noch Warenbewegungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vermögenswirksam sind.2 Nach dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip können mithin nur Außentransaktionen ergebniswirksam sein.3 Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gilt dies auch für die steuerrechtliche Gewinnermittlung. Eine Ausnahme hat der Gesetzgeber mit den Entstrickungsregelungen nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG, § 12 KStG im Steuerrecht geschaffen.4 Die Ertragswirksamkeit von Vermögensumschichtungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte wird fingiert (Rz. 5.248 ff.). Darüber hinaus wird nur die Umlage von Kosten (ohne Gewinnaufschlag) zwischen den verschiedenen Unternehmensteilen akzeptiert.5

VI. § 1 Abs. 5, 6 AStG als verdrängende Gewinnermittlungsvorschrift? 5.51 Nach wie vor ist ungeklärt, ob §§ 1 Abs. 5, 6 AStG die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschrif-

ten nach §§ 4, 5 EStG verdrängt; also im welchem Konkurrenzverhältnis die Regelungen zueinander stehen. Die Finanzverwaltung scheint dieser Ansicht zu sein.6 Sie geht jedenfalls bei einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens davon aus, dass sich die Gewinnermittlung nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV richtet. Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine Gewinnermittlungsvorschrift eine andere aber nur insoweit verdrängen, als sich der Anwendungsbereich der Vorschriften deckt. Dafür müsste – entweder Art. 7 Abs. 2 OECD-MA self-executing-Wirkung haben und gleichzeitig den Rechtssätzen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. der BsGaV folgen oder – § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. der BsGaV den Charakter einer umfassenden Gewinnermittlungsvorschrift haben.

5.52 Hat die Abkommensregelung self-executing-Wirkung, könnte argumentiert werden, dass die innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften durch die BsGaV als innerstaatliche Umsetzung des abkommensrechtlichen AOA verdrängt werden. Hat das Abkommensrecht hingegen keine self-executing-Wirkung, werden die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4, 5 EStG) durch das Abkommen nur der Höhe nach beschränkt. Dies ist m.E. der richtige Ansatz (Rz. 5.8 ff.).7

5.53 § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV haben darüber hinaus keine umfassende Regelungswirkung.8 Unzweifelhaft ermittelt sich der steuerpflichtige Gewinn auch mittels außerbilanzieller Hinzurechnun-

1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 177 (Stand: Juli 2017). 2 BFH v. 27.7.1965 – I R 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185 (Stand: Juli 2017). 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185 (Stand: Juli 2017) m.w.N. 4 Kritisch zur Wirkungsweise der Entstrickungsregelungen Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; Wassermeyer, IStR 2008, 176 ff.; Gosch, BFH-PR 2008, 500; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483); Roser, DStR 2008, 2389 (2394); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (84). 5 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.310 m.w.N. 6 VWG BsGa, Rz. 8. 7 Ebenso Ditz in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, 103 (131). 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185 (Stand: Juli 2017); Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 454; Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 ff.; Rogall/Schwann, DStR 2015, 2633 (2636); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281); Schnitger, IStR 2012, 633 (634); Ditz, ISR 2013, 261 (262); a.A. Neumann, IStR 2013, 573 (576); differenzierend VWG BsGa, Rz. 8.

686 | Haverkamp

B. Gewinnermittlung | Rz. 5.56 Kap. 5

gen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG (i.V.m. BsGaV). Allerdings kann der Gewinn nicht ausschließlich an den Regelungen der BsGaV ermittelt werden, wie es teilweise vertreten wird.1 Die Hinzurechnungsbesteuerung setzt unter systematischen Gesichtspunkten vielmehr auf dem nach §§ 4, 5 EStG ermittelten Gewinn auf. Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig: Einkünfte, die aus Geschäftsvorfällen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte stammen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG), müssen nach § 1 Abs. 5 Satz 1, 1 Satz 1 AStG in derselben Höhe angesetzt werden wie die Preise, die unabhängige Personen für vergleichbare Geschäftsbeziehungen vereinbaren. Weichen sie von diesen Fremdpreisen ab und werden „dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht“, kommt es zur Einkünftekorrektur. Entscheidend ist also, dass im Inland gemessen am Fremdvergleichsgrundsatz zu niedrige Einkünfte erklärt wurden. Korrekturen zugunsten des Steuerpflichtigen sieht die Regelung gerade nicht vor. Deshalb geht es nicht um die Ermittlung fremdvergleichskonformer Betriebsstättengewinne, sondern um die Ausweitung des inländischen Steuerzugriffs.2 Die Gewinnermittlung wirkt also nicht neutral in beide Richtungen wie gem. §§ 4, 5 EStG. Betriebsstättenverluste können allein auf Grundlage der Regelungen nach § 1 Abs. 5 AStG nicht im Inland berücksichtigt werden.3

5.54

Gegen den Charakter als allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift sprechen im Übrigen auch die Überlegungen des historischen Gesetzgebers. Ziel der Reform war es, die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge für alle „Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln“.4 Damit soll der von der OECD entwickelte AOA in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Aus Sicht des Gesetzgebers reichen die Regelungen im DBA nicht aus, um „belastende Rechtsfolgen [auf den Fremdvergleichsgrundsatz] stützen zu können“.5 Dafür sei die Einführung von § 1 Abs. 5, 6 AStG erforderlich. Der historische Gesetzgeber verfolgt also das Ziel, § 1 Abs. 5, 6 AStG als Gegenstück zur Schrankenwirkung des DBA auszugestalten. Damit wird zwar im Ergebnis auf eine Besteuerung von Betriebsstätten am Maßstab des Fremdvergleichs und der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion abgezielt. Dafür bedient sich die Gesetzgebung indes einer Korrekturvorschrift, auf die sich ausschließlich die Finanzverwaltung berufen wird.

5.55

Während des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 20136 wurde von verschiedenen Institutionen die Ansicht geäußert, dass der AOA als eine Gewinnermittlungsvorschrift i.S. von §§ 4– 6 EStG und nicht als reine Korrekturvorschrift umzusetzen sei.7 In Kenntnis dieser Einwände hat der Gesetzgeber sich gegen eine Ausgestaltung als umfängliche Gewinnermittlungsvorschrift entschieden. Allein die Tatsache, dass die Finanzverwaltung Korrekturen nach § 1 Abs. 1, 5 AStG im Zusammenhang mit den Gewinnermittlungsvorschriften i.S.v. R 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 5 KStR 2009 nennt, ändert nichts an den dogmatischen Unterschieden.8 Die Gewinnkorrektur er-

5.56

1 2 3 4 5 6

Neumann, IStR 2013, 573 (576). Vgl. Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2013, BT-Drucks. 17/10000, 65; VWG BsGa, Rz. 10. Im Übrigen in Abweichung zum AOA, OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 3. JStG-E 2013, BT-Drucks. 17/10000, 61. JStG-E 2013, BT-Drucks. 17/10000, 62. Der Entwurf des JStG 2013, BT-Drucks. 17/10000, hatte u.a. die Regelungen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG zum Gegenstand. Aus verschiedenen Gründe wurde das JStG-E 2013 nicht umgesetzt. Die Regelungen wurden aber inhaltsgleich durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz in innerstaatliches Recht überführt. 7 Anstatt vieler Bundessteuerberaterkammer zu Referentenentwurf des JStG 2013 v. 30.3.2012, Anschreiben und Seite 6; aus dem Schrifttum Wassermeyer, IStR 2012, 277; Andresen, DB 2012, 879; Schnitger, IStR 2012, 633; Andresen/Busch, Ubg 2012, 451; Seeleitner/Krinninger/Grimm, IStR 2013, 220; Schaumburg, ISR 2013, 197 (198 f.); Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1114. 8 A.A. noch Neumann, IStR 2013, 573 (576) „spezielle Gewinnermittlungsvorschrift“ später wohl revidiert Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 ff.

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Kap. 5 Rz. 5.57 | Betriebsstättengewinnabgrenzung folgt insbesondere nur transaktionsbezogen und kann insofern nicht den Charakter einer umfassenden Gewinnermittlungsvorschrift einnehmen. Darüber hinaus spricht die Stellung der Regelung in Zusammenhang mit den außensteuerlichen Hinzurechnungstatbeständen grundlegend für den Charakter als Korrektur- und gerade gegen den einer umfassenden Gewinnermittlungsvorschrift. Diese Auslegung wird auch vom Sinn und Zweck der Regelung getragen. Während die abkommensrechtliche Unternehmensgewinnermittlung dem innerstaatlichen Steuerzugriff Grenzen setzen soll, ist der Gesetzgeber darum bemüht, Innentransaktionen, die nach §§ 4, 5 EStG ergebnisneutral sind, einer inländischen Besteuerung zugänglich zu machen. Damit soll verhindert werden, dass der AOA ausschließlich zugunsten des Steuerpflichtigen wirkt.1 Der Gesetzgeber schickt sich an, weiße Einkünfte zu verhindern.

5.57 Zur Vereinfachung der Systematik wäre es unstreitig sinnvoll gewesen, verschiedene Regelungen,

die nunmehr in § 1 Abs. 5 AStG ihren Niederschlag gefunden haben, im Rahmen der Gewinnermittlungsvorschriften im EStG zu implementieren.2 Ditz3 weist hier zu Recht auf folgende Hauptaspekte hin: – die Durchbrechung des Realisationsprinzips durch die Anerkennung von Gewinnen aus Innentransaktionen, – die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte abweichend vom Veranlassungsprinzip, – die bilanzielle Ermittlung des Dotationskapitals und – die Anerkennung des vollen Betriebsausgabenabzugs bei Betriebsstätten entgegen § 50 EStG. Gerade weil der Gesetzgeber sich aber gegen eine umfängliche Reform der Gewinnermittlung von in- und ausländischen Betriebsstätten entschieden hat, bleiben die bisherige Rechtsprechungspraxis und die allgemeinen und speziellen Vorschriften zur Gewinnermittlung von Betriebsstätten unangetastet.4

C. Gewinnabgrenzung I. Allgemeines 5.58 Die Gewinnabgrenzung richtet sich nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA 2010. Der zuvor nach inner-

staatlichem Recht ermittelte Gewinn wird zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat aufgeteilt. Dafür werden fiktiv die Gewinne für Stammhaus und Betriebsstätte ermittelt, die sie als selbständige Unternehmen bei einer vergleichbaren Sachlage hätten erzielen können. Im Rahmen dieser Gewinnabgrenzung steht es den Vertragsstaaten frei, die nach ihren nationalen Gewinnermittlungsvorschriften bestimmten Gewinne zu besteuern.

II. Regelungsgegenstand von Art. 7 OECD-MA 5.59 Gegenstand der Gewinnabgrenzung ist die Zurechnung von Gewinnanteilen zu den einzelnen Be-

triebsstätten des Einheitsunternehmens mit dem Ziel, den Steuerzugriff von Quellen- und Ansässigkeitsstaat zu beschränken. Ohne eine Gewinnabgrenzungsregel im DBA ist der Steuerpflichtige auf die Anrechnung der Quellensteuer nach §§ 34c Abs. 1, 34d Nr. 2 Buchst. a EStG, § 26 KStG bzw. vergleichbarer Regelungen im Ausland angewiesen.

1 JStG-E 2013, BT-Drucks. 17/10000, 62. 2 Ditz, ISR 2013, 261 (262); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281 f.); Andresen, DB 2012, 879 (885); Schnitger, IStR 2012, 633 (639); Kußmaul/Ruiner, BB 2012, 2025 (2027 f.). 3 Ditz, ISR 2013, 261 (262). 4 Wassermeyer, IStR 2012, 277; Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.134 m.w.N.

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C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.62 Kap. 5

Die Gewinnabgrenzung nach Art. 7 OECD-MA folgt der Grundüberlegung, dass Unternehmensgewinne grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Nur insoweit der Unternehmer Gewinne im Ausland erzielt und ein sog. „genuine link“1 zwischen der Unternehmenstätigkeit und dem Quellenstaat besteht, darf der Quellenstaat die Gewinne anteilig besteuern. Der Begriff genuine link ist völkerrechtlich geprägt und bezeichnet eine hinreichend enge Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem besteuernden Staat.2 Grundsätzlich erkennen die OECD-Staaten eine derart enge Beziehung nur zum Ansässigkeitsstaat an. Sie nehmen einen genuine link aber auch dann an, wenn die unternehmerische Betätigung im Quellenstaat dergestalt ist, dass die Merkmale einer Betriebsstätte erfüllt sind (zum Betriebsstättenbegriff vgl. Rz. 2.99). Die Betriebsstätte ist mithin sowohl subjektiver Anknüpfungspunkt als auch objektive Eingriffsschwelle für die Besteuerung des Unternehmens im Quellenstaat.3

5.60

Die Aufteilung der Unternehmensgewinne folgt aus Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, der zuletzt durch das OECD-Update 2010 angepasst wurde und seitdem unverändert Regelungswirkung entfaltet.4 Dem waren der Betriebsstättenbericht der OECD aus dem Jahr 20085 und der Bericht aus dem Jahr 20106 vorangegangen, die einen Rechtswandel bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung eingeleitet haben. Der AOA hat die Gewinnabgrenzung zwischen den Betriebsstätten international tätiger Einheitsunternehmen grundlegend reformiert und vereinheitlicht.

5.61

III. Schrankenwirkung nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA 1. Schranken für nationale Gewinnbesteuerung Der nationalen Gewinnbesteuerung setzen die einschlägigen DBA ihre Grenzen (Schranken).7 Der Ansässigkeitsstaat erhebt ohne entsprechende abkommensrechtliche Schrankenregelungen Anspruch auf die Besteuerung des gesamten Welteinkommens des Einheitsunternehmens. Gleichzeitig sehen die nationalen Regelungen vieler Staaten vor, die aus ihrem Land stammenden Einkünfte z.B. an der Quelle zu besteuern.8 Andere Staaten stellen auf die Besteuerung der Betriebsstättengewinne ab. Der daraus resultierenden Doppelbesteuerung soll die Gewinnabgrenzung nach Art. 7 OECD-MA entgegenwirken.9 Nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA i.d.F. von 2010 können Gewinne eines Unternehmens nur vom Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im Quellenstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Ist dies der Fall, sind der Betriebsstätte die Unternehmensgewinne zuzurechnen, die sie als selbständiges Unternehmen hätte erzielen können (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Das OECD-MA unterscheidet mithin zwischen einer Gewinnabgrenzung dem Grunde und der Höhe nach.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Begriff bei Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 10 ff.; Schön, StuW 2012, 213 (216). Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 11 m.w.N. Schön, StuW 2012, 213 (219). Art. 7 OECD-MA und dessen Kommentierung sind durch die Anpassungen des Musterabkommens in 2014 unangetastet geblieben. OECD, Report on The Attribution of Profits to Permanent Establishments 2008 v. 17.7.2008, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/41031455.pdf. OECD, Report on The Attribution of Profits to Permanent Establishments 2010 v. 22.7.2010, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/transfer-pricing/45689524.pdf. Zur Schrankenwirkung von DBA vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 324; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261. Vgl. z.B. die Regelungen zur Branch Profit Tax in den USA, Frotscher, IStR 2009, 51. Die Regelungen wurden im Übrigen weitgehend mit derselben Schrankenwirkung in Art. 7 UN-MA übernommen.

Haverkamp | 689

5.62

Kap. 5 Rz. 5.63 | Betriebsstättengewinnabgrenzung 2. Gewinnabgrenzung dem Grunde nach a) Unternehmensgewinne als Anknüpfungspunkt

5.63 Dem Grunde nach sind die Unternehmensgewinne Anknüpfungspunkt der Gewinnabgrenzung. Der Begriff „Unternehmen“ wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA 2010 als die „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ definiert. Erfasst werden neben gewerblichen auch freiberufliche und sonst selbständige Tätigkeiten (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA 2010). Entscheidend ist somit nicht die Person des Steuerpflichtigen, sondern die Art seiner Tätigkeit in den Vertragsstaaten.

5.64 Erstreckt sich die Unternehmenstätigkeit der abkommensberechtigten Person (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA 2010) auf beide Vertragsstaaten schließt Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA grundsätzlich eine Besteuerung im Quellenstaat aus. Allein der Ansässigkeitsstaat hat die Besteuerungshoheit.

Eine Ausnahme hiervon sieht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA nur dann vor, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im Quellenstaat durch eine Betriebsstätte ausübt. Die Betriebsstätte ist das genuine link (Rz. 5.60), also die hinreichend enge Beziehung zwischen der Unternehmenstätigkeit des Steuerpflichtigen und dem Quellenstaat.1 Die mit einer Betriebsstätte verbundene Teilnahme am Wirtschaftsleben rechtfertigt die anteilige Besteuerung im Quellenstaat. Allein der Abschluss von Verträgen im Quellenstaat soll hingegen nicht zur (anteiligen) Besteuerung im Quellenstaat führen.2 Das sollte sich im Einzelfall in dieser Deutlichkeit in Zukunft ändern, soweit der sog. „principal role test“ des Aktionspunkts 7 des OECD-BEPS-Projekts3 in einzelne DBA übernommen wird.

5.65 Das Betriebsstättenprinzip geht auf die ersten deutschen DBA zurück und wurde seitdem weltweit als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Quellenstaat übernommen. Sowohl OECDMA 1963, 1977, 2000, 2003, 2005, 2008, 2010 und 2014 als auch UN-MA 1996 und 2006 folgen dem Betriebsstättenprinzip.4 Dabei sieht die Regelung vor, dass grundsätzlich die Steuerhoheit für Unternehmensgewinne beim Ansässigkeitsstaat liegt. Soweit das Unternehmen Gewinne durch eine Betriebsstätte im Quellenstaat generiert, sollen diese aber anteilig vom Quellenstaat besteuert werden können.

5.66 Methodisch stellt der Ansässigkeitsstaat den nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA 2010 der Betriebs-

stätte zugewiesenen Unternehmensgewinn entweder nach Art. 23A OECD-MA frei oder rechnet die hierauf entfallende ausländische Steuer an (Art. 23B OECD-MA). Nach deutschen DBA wird der Betriebsstättengewinn i.d.R. von der deutschen Besteuerung freigestellt. b) Unternehmensgewinn: Keine Attraktivkraft der Betriebsstätte

5.67 Ausgangspunkt der Gewinnabgrenzung ist die Auslegung des Begriffs „Gewinn des Unternehmens“

nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Als Abkommensbegriff, ist er unabhängig vom nationalen Verständnis „aus dem Abkommen heraus“ auszulegen.5 Eine Definition für „Gewinn“ sieht das OECD-MA nicht vor. Abweichungen zum nationalen Gewinnverständnis sind im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Das ist im Ergebnis hinnehmbar, weil der Unternehmensgewinn im abkommensrechtlichen Sinne nur als Maßstab dafür dienen soll, die Steuerhoheit der Vertragsstaaten zu begrenzen. 1 Schön, StuW 2012, 213 (216). 2 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 3. 3 OECD/G20-Base Erosion and Profit Shifting, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7: 2015 Final Report. 4 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 3. 5 Debatin, DB 1985, 1 (5 f.); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.52; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 113b; Lang, IWB 2011, 281 (288); Vogel, IStR 2003, 523 (525); BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; v. 15.12.1998 – I B 45/98, BFH/NV 1999, 751.

690 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.70 Kap. 5

Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob die Betriebsstätte im Quellenstaat eine Attraktivkraft dergestalt ausübt, dass sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen im Betriebsstättenstaat ungeachtet eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zu ihrer operativen Tätigkeit der Betriebsstätte als steuerbarer Unternehmensgewinn zuzurechnen ist. Diese Frage wird im OECD-MA und im UN-MA unterschiedlich beurteilt.1 Die UN als Vertreter der Schwellen- und Entwicklungsländer steht dem Attraktionsprinzip naturgemäß aufgeschlossen gegenüber. Die OECD lehnt eine Attraktivkraft der Betriebsstätte indes ausdrücklich ab.2

5.68

Wenn auch einige zweiseitige Abkommen eine Missbrauchsklausel enthalten, die auf einem eingeschränkten Konzept der Attraktivkraft der Betriebsstätte basieren,3 wird das Attraktionsprinzip in Schrifttum und Rechtsprechung mehrheitlich abgelehnt.4 Während dies nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA i.d.F. von 2008 durch die Verwendung des Wortes „insoweit“ sprachlich hervorgehoben wurde,5 ist diese Einschränkung im Wortlaut der aktuellen seit 2010 unverändert geltenden Fassung entfallen.6 Das ändert aber nichts daran, dass bei der Anwendung von DBA, die dem OECD-MA folgen, weiterhin das Attraktionsprinzip nicht greift.7 Das zeigt sich vor allem darin, dass der Gewinn nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 OECD-MA 2010 funktionsbezogen dem Stammhaus und der Betriebsstätte zugeordnet wird. Die Besteuerungshoheit erstreckt sich mithin nur auf Einkünfte, die sich aus lokal ausgeübten Funktionen ableiten lassen. c) Unternehmensgewinn: Theorienstreit zur Selbständigkeitsfiktion aa) Überblick Ausschlaggebend für die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung ist das Verständnis vom Umfang des Unternehmensgewinns gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. Der Begriff deckt sich nur zum Teil mit dem nach nationalen Ermittlungsvorschriften festgestellten Gewinn.8 Als reine Schrankenregelung9 dient der Unternehmensgewinn nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA allein der Zuweisung von Besteuerungsrechten zwischen den Vertragsstaaten.

5.69

Vor diesem Hintergrund, sind die Entwicklungen auf OECD-Ebene zu verstehen. Bis zur Grundsatzentscheidung der OECD durch den AOA im Jahr 2010 wurde die Selbständigkeitsfiktion unterschiedlich ausgelegt. Der Relevant Business Activity Approach war bis zur Working Hypothesis der OECD im Jahr 2008 die vorherrschende Auslegungsmethode für Art. 7 Abs. 1 OECD-MA.10 Daneben sprach sich ein Großteil der steuerrechtlichen Literatur für den sog. Functionally Separate Entity Approach aus.11 Diesen Ansätzen liegt ein unterschiedliches Verständnis vom aufzuteilenden Unternehmensgewinn zugrunde. Während der Relevant Business Activity Approach den Unterneh-

5.70

1 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 5, 6, 42 m.w.N. 2 Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008. 3 Dabei werden i.d.R. Einkünfte erfasst, die auf Aktivitäten zurückgehen, die dem Funktionsprofil der Betriebsstätte entsprechen. 4 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 65; BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 5 „[…] so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können“; vgl. auch Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008. 6 „[…] so können die Gewinne, die der Betriebsstätte nach Absatz 2 zuzurechnen sind, im anderen Staat besteuert werden.“ 7 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 8. 8 Zur unabhängigen Abkommensauslegung siehe Gosch, ISR 2013, 87. 9 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 690 (Stand: Juli 2017); a.A. Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 124. 10 BS-VWG, Rz. 2.2; Storck, Ausländische Betriebsstätten, 298 f.; Debatin, DB 1989, 1692 und Debatin, DB 1989, 1739, Bierlaagh, INTERTAX Vol. 20 (1992), 156; Kleineidam, IStR 1993, 349. 11 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 78 m.w.N.

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Kap. 5 Rz. 5.71 | Betriebsstättengewinnabgrenzung mensgewinn im abkommensrechtlichen Sinne mit dem im Außenverhältnis realisierten Bilanzgewinn gleichstellt, stellt die Gewinnaufteilung nach dem Functionally Separate Entity Approach auf die Fiktion ergebniswirksamer Innentransaktionen ab. Damit kann der Unternehmensgewinn nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA bei Anwendung des Functionally Separate Entity Approach durchaus vom Bilanzgewinn abweichen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass den Vertragsstaaten durch das DBA keine erweiterten Besteuerungsrechte zugewiesen werden können. Vielmehr bleibt es auch beim Functionally Separate Entity Approach dabei, dass der nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats ermittelte steuerliche Gewinn aufgeteilt wird. Ein höherer fiktiver Unternehmensgewinn nach dem Functionally Separate Entity Approach führt lediglich dazu, dass die Besteuerungsrechte sich ggf. anders verteilen als bei Anwendung des Relevant Business Activity Approach. bb) Relevant Business Activity Approach

5.71 Der große Unterschied zwischen den Ansätzen ist, dass der Relevant Business Activity Approach

im Gegensatz zum Functionally Separate Entity Approach die rechtliche Unselbständigkeit der Betriebsstätte auch für Abgrenzungszwecke strikt befolgt.1 Die Betriebsstätte wird nur im Außenverhältnis zu Dritten wie eine selbständige Körperschaft behandelt, Innentransaktionen mit anderen Betriebsstätten des Einheitsunternehmens werden hingegen bei der Gewinnabgrenzung nur berücksichtigt, wenn sie sich in einem Außenumsatz realisieren.2 Darüber hinaus können – wenn überhaupt – nur Kosten weiterbelastet werden, die Verrechnung einer Gewinnkomponente lehnen die Befürworter dieses Ansatzes indes ab. Die Selbständigkeitsfiktion müsse dort enden, wo Betriebsstätte und Stammhaus als unselbständige Teile ein und desselben Unternehmens nicht wie Dritte miteinander verkehren können.3 Wegen dieser nur teilweisen Fiktion wird der Ansatz in der deutschen Steuerrechtslehre auch „eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion“ genannt.4

5.72 Einer der Gründe, warum die OECD sich in ihrem Betriebsstättenbericht 2008 gegen den Relevant

Business Activity Approach entschieden hat, ist die international uneinheitliche Umsetzung dieser eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion.5

5.73 Eine der praxisrelevanteren Umsetzungsvarianten ist sicherlich der auf Debatin6 zurückgehende

Erwirtschaftungsgrundsatz. Danach können der Betriebsstätte Gewinne nur dann zugeordnet werden, wenn sie im Außenverhältnis realisiert wurden. Unternehmensgewinne werden der Betriebsstätte aufgrund der durch sie ausgeübten Funktionen zugeordnet. Beispiel 1: Durch die Mitarbeiter der Betriebsstätte werden Waren vertrieben. Die Außenumsätze sind anteilig der Betriebsstätte zuzuweisen.

Das Stammhaus muss auf der anderen Seite für die Produktionstätigkeit am Gewinn beteiligt werden. Die Problematik besteht darin, dass die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion keine Innentransaktionen anerkennt, was die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte erschwert. Mangels hinreichender Abgrenzungsmöglichkeiten muss sich die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der indirekten Methode (Rz. 5.97 ff.) für die Gewinnabgrenzung bedienen.7 Dabei gebietet die rechtliche Unselbständigkeit der Betriebsstätte, dass der tatsächliche Gesamtgewinn des Einheitsunternehmens die Höchstgrenze bildet.8 Der der Betriebsstätte zugewiesene abkommensrechtliche „Unternehmensgewinn“ kann insofern nicht höher sein als der handels1 2 3 4 5 6 7 8

Wassermeyer in FS Loukota, 665. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 91. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 79 m.w.N. Lübbehüsen in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.34; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 79 m.w.N. OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Teil I, Rz. 64 ff. Debatin, DB 1989, 1692 ff. und Debatin, DB 1989, 1739 ff.; Debatin, BB 1990, 826 ff. So auch Debatin, DB 1989, 1692 ff.; Debatin, DB 1989, 1739 ff.; Debatin, BB 1990, 826 ff. Wassermeyer in FS Loukota, 665.

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C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.75 Kap. 5

rechtliche Gesamtgewinn des Unternehmens. Darin liegt die praktische Schwäche und gleichzeitig dogmatische Stärke der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion. Die Finanzverwaltung des Quellenstaats muss den Gesamtgewinn des Unternehmens kennen, um eine rechtmäßige Veranlagung vornehmen zu können.1 Gleichzeitig liegt es auf der Hand, dass eine Steuerfestsetzung auf Grundlage fiktiver Gewinne ein Doppelbesteuerungsrisiko in sich birgt. Dieses Risiko wird bei der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion minimiert. Beispiel 2: Der Steuerpflichtige hat im Ansässigkeitsstaat Verluste i.H.v. 50 erwirtschaftet, im Quellenstaat indes Gewinne i.H.v. 30. Trotz Verlusten kann der Quellenstaat nach dem AOA u.U. Gewinne i.H.v. bis zu 30 besteuern.

Die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion verbietet hingegen eine Gewinnbesteuerung im Quellenstaat, weil der Gesamtgewinn negativ ist. Weil dieser Ansatz in der Praxis nicht konsequent umgesetzt wurde, hat sich die OECD mit Bericht vom 17.7.2008 gegen den Relevant Business Activity Approach ausgesprochen.2 cc) Functionally Separate Entity Approach Mit dem Update 2010 hat sich die OECD zum Functionally Separate Entity Approach bekannt. Bereits mit der Working Hypothesis 2008 war dieser Wechsel eingeleitet.3 Hier erklärt das Working Committee die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion („Functionally Separate Entity Approach“) zum AOA.4 Zunächst wurden die Feststellungen aus der Working Hypothesis 2008 nur rudimentär in den OECD-MK übernommen, sodass die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion vorherrschend bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA 2008 blieb. Seit der Anpassung des Wortlauts von Art. 7 Abs. 1 Satz 2, 3 OECD-MA durch das OECD Update 2010 bestehen international keine Zweifel mehr daran, dass in Zukunft für die Gewinnabgrenzung die uneingeschränkte (hypothetische) Selbständigkeitsfiktion zugrunde zu legen ist5 (siehe zur historischen Entwicklung des AOA auch Rz. 5.77 ff.).

5.74

Dabei stellt die OECD bei der Gewinnabgrenzung darauf ab, Innentransaktionen (fiktiv) erfolgswirksam zu berücksichtigen.6 Unternehmensgewinne werden der Betriebsstätte u.a. aufgrund sog. Dealings (Rz. 5.103, 5.125 ff.) zugeordnet. Die Betriebsstätte wird für Zwecke der Gewinnabgrenzung wie eine selbständige Körperschaft behandelt.7 Es wird analysiert, welche Funktionen die Betriebsstätte übernimmt und welche Risiken sie trägt.8 Auf Grundlage dieser Analyse werden „Quasi-Geschäftsvorfälle“9 zu dem Stammhaus und anderen Betriebsstätten des Einheitsunternehmens fingiert. Für die auf diese Weise fingierten Rechtsbeziehungen werden angemessene Verrechnungspreise anhand der OECD-Verrechnungspreisleitlinien10 bestimmt. Im Ergebnis wird der unterneh-

5.75

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Teil I, Rz. 29. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.07.2008, 26. Hemmelrath/Kepper, IStR 2011, 37. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.07.2008, 26; OECD, Report in the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 22.7.2010; Art. 7 Rz. 32 f. OECDMK 2010. Die Staaten Neuseeland, Chile, Griechenland, Mexiko, Türkei, Slowakei und Portugal haben allerdings bereits angekündigt, das OECD-Update 2010 nicht in ihre Doppelbesteuerungspraxis zu übernehmen (Art. 7 Rz. 95–97 OECD-MK 2010). So schon Sieker, DB 1996, 110 (113). Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 762 ff.; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 84; Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften3, 234 ff.; Kluge, StuW 1975, 304; Becker, EStZ 1971, 95 (100); Becker, DB 1989, 10, Becker, DB 1990, 392. Zur Theorie des Funktionsnutzens siehe Becker, DB 1990, 392 ff.; Becker, DB 1989, 10 ff. Der Begriff stammt von Becker, DB 1989, 10 ff.; Becker, DB 1990, 392 ff. Zuletzt OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2017 v. 10.7.2017.

Haverkamp | 693

Kap. 5 Rz. 5.76 | Betriebsstättengewinnabgrenzung mensinterne grenzüberschreitende Leistungsaustausch also anhand der für verbundene Einzelunternehmen anwendbaren OECD-Verrechnungspreisleitlinien bewertet. Der Betriebsstätte wird so ein Gewinn zugewiesen, der losgelöst vom handelsrechtlichen Gesamtgewinn des Unternehmens gilt. Das hat zur Folge, dass das Einheitsunternehmen insgesamt einen Verlust in einem Veranlagungszeitraum erwirtschaftet, die Betriebsstätte aber dennoch im Quellenstaat besteuert wird. Auch wenn dies auf den ersten Blick abwegig erscheint, entspricht es in der Theorie durchaus dem Leistungsfähigkeitsgedanken, denn die fingierten Dealings stellen nichts anderes dar, als den Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Unternehmensteilen. In der Regel sollten sich die gegenseitigen Dealings indes ausgleichen, sodass der Extremfall einer Gewinnbesteuerung im Betriebsstättenstaat bei einer handelsrechtlichen Verlustsituation für das gesamte Unternehmen eine Ausnahme bleiben dürfte. 3. Gewinnabgrenzung der Höhe nach a) Functionally Separate Entity Approach als Maßstab

5.76 Der Höhe nach richtet sich die Gewinnzuordnung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Maßstab ist der Functionally Separate Entity Approach, wonach die Betriebsstätte für Gewinnabgrenzungszwecke wie ein uneingeschränkt selbständiges Unternehmen behandelt wird.

Der Betriebsstätte sind diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie als selbständiges unabhängiges Unternehmen eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausgeübt hätte. Die Regelung hebt ausdrücklich hervor, dass diese Selbständigkeitsfiktion auch für den „Verkehr mit anderen Teilen des Unternehmens, dessen Betriebsstätte sie ist“, gilt. Dabei sind die vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und durch andere Unternehmensteile ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken zu berücksichtigen. Das entspreche dem Grundsatz des Fremdvergleichs wie er nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA 2010 zwischen Gruppengesellschaften Anwendung findet („arm’s length principle“).1 Damit werden die dem Steuerpflichtigen offenstehenden verschiedenen Investitionsmöglichkeiten (d.h. Betriebsstätte oder Kapitalgesellschaft) einheitlich besteuert. In der Theorie werden der Betriebsstätte bei Anwendung des Functionally Separate Entity Approach Gewinne in gleicher Höhe zugerechnet, wie sie einer Tochtergesellschaft unter vergleichbaren Umständen zugewiesen würden. b) Historische Entwicklung des AOA

5.77 Seit dem OECD-MA 1963 sah Art. 7 Abs. 2–6 OECD-MA a.F. eine Gewinnabgrenzung zwischen

Stammhaus und Betriebsstätte am Maßstab des Fremdvergleichsgrundsatz vor. Danach wurden die Unternehmensgewinne der Betriebsstätte in der Höhe zugerechnet, „die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmens ausgeübt hätte und im Verkehr von dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“ Wie weit diese Selbständigkeitsfiktion geht, wurde zum Teil unterschiedlich zwischen den Vertragsstaaten ausgelegt.2 Methodisch war es zulässig, Gewinne entweder durch eine eigenständige Gewinnermittlung bei der Betriebsstätte (direkte Methode) oder durch Anwendung eines Verteilungsschlüssels auf den Gesamtgewinn des Einheitsunternehmens (indirekte Methode) zuzuordnen. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA a.F. sah insofern vor, die Un-

1 Die OECD weist in ihrem Betriebsstättenbericht 2008 darauf hin, dass seit den 1930’er Jahren der Fremdvergleichsgrundsatz auch auf Betriebsstätten Anwendung findet, OECD-Betriebsstättenbericht 2008 v. 17.7.2008, Teil I, Rz. 1. 2 Siehe OECD-Betriebsstättenbericht 2008 v. 17.7.2008, Teil I, Rz. 2 „To date, there has been considerable variation in the domestic laws of OECD member countries regarding the taxation of PEs. In addition, there has previously been no consensus amongst the OECD member countries as to the correct interpretation of Article 7.“

694 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.81 Kap. 5

ternehmensgewinne anhand eines im Anwenderstaat „üblichen“ Aufteilungsschlüssels anteilig der Betriebsstätte zuzuordnen. Nach Einführung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen im Jahr 19951 gab es Bestrebungen auf OECD-Ebene, die dort gewonnen Erkenntnisse zum Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 9 OECD-MA auf die Beziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Art. 7 OECD-MA zu übertragen. Die unterschiedliche Interpretation der Selbständigkeitsfiktion zwischen den Mitgliedsstaaten führte regelmäßig zu unbefriedigenden Ergebnissen.2 Das Committe on Fiscal Affairs bei der OECD setzte insofern eine Arbeitsgruppe ein, die sich dieser Themen annehmen sollte. In den Jahren zwischen 2001 und 2007 veröffentlichte die OECD verschiedene Teilentwürfe zur Neustrukturierung von Art. 7 Abs. 2–7 OECD-MA. Nach einer öffentlichen Konsultation veröffentlichte die OECD am 17.7.2008 den „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“. Der Betriebsstättenbericht konkretisierte die Selbständigkeitsfiktion. Die OECD verwarf in diesem Zuge den Relevant Business Activity Approach (Rz. 5.71 ff.) und entschloss sich vielmehr zu einer rechtsformneutralen Gleichstellung von Betriebsstätte und Kapitalgesellschaft im Rahmen der Gewinnverteilung nach dem Functionally Separate Entity Approach (Rz. 5.74 f.).3

5.78

Auf den AOA wurde in der Folge zwar im OECD-MK 2008 Bezug genommen,4 allerdings wurde zunächst auf Änderungen des OECD-MA verzichtet. Der OECD-MK 2008 erklärte den AOA solange für anwendbar, wie er nicht mit der bestehenden Kommentierung in Widerspruch trete.5

5.79

Die OECD legte am 7.7.2008 einen ersten und am 24.11.2009 einen überarbeiteten Entwurf von Art. 7 OECD-MA vor. Am 22.7.2010 hat der OECD-Rat mit dem „2010 Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ eine (zum Großteil nur redaktionell) überarbeitete Fassung des Betriebsstättenberichts und von Art. 7 OECD-MA vorgelegt („Update 2010“).6 Der AOA wurde zunächst in den OECD-MK 2010 und später in den aktuellen OECD-MK 2014 übernommen. Die neue Fassung spezifiziert den Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA dergestalt, dass die Betriebsstätte im Rahmen der Gewinnverteilung wie ein uneingeschränkt selbständiges Unternehmen behandelt wird. Insbesondere sollen auch Innentransaktionen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus ergebniswirksam Berücksichtigung finden. Das hat zur Folge, dass die (fiktive) Gewinnermittlung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA von der Gewinnermittlung nach den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften abweicht. Auf Abkommensebene werden Umsätze aus Innentransaktionen entgegen dem Realisationsprinzip auch dann berücksichtigt, wenn sich noch kein Außenumsatz realisiert hat. Gleichzeitig ist der abkommensrechtliche Gewinnbegriff nicht durch die nationale Gewinnermittlung begrenzt, sondern kann darüber hinausgehen.

5.80

Das liegt in der Natur der Sache, denn der Gewinnbegriff im Rahmen von Art. 7 OECD-MA dient allein der Vermeidung von Doppelbesteuerungen. Der Steuerpflichtige hat nur einen Anspruch darauf, mit denselben Einkünften nicht zweimal besteuert zu werden. Er kann indes nicht aus dem DBA ableiten, in welcher Höhe Gewinne zwischen den Vertragsstaaten aufgeteilt werden. Mit Abschluss eines DBA verpflichten sich die Vertragsstaaten allein dazu, die eigene Besteuerungshoheit

5.81

1 OECD, Verrechnungsgrundsätze für Multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen v. 13.7. 1995. 2 Art. 7 Rz. 4 OECD-MK: „Doppelbesteuerungen und doppelten Nichtbesteuerungen“. 3 Dabei beschränkt die OECD diese Gleichstellung ausdrücklich auf die Gewinnverteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und schließt gerade weitere Rechtsfolgen aus, vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2008 v. 17.7.2008, Teil I, Rz. 6. 4 Art. 7 Rz. 17 f., 39, 44 ff. OECD-MK 2008. 5 Art. 7 Rz. 7 OECD-MK 2008. 6 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Vorwort, Rz. 4; Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (38), die darauf hinweisen, dass es sich größtenteils nur um redaktionelle Änderungen zum Betriebsstättenbericht 2008 handelt.

Haverkamp | 695

Kap. 5 Rz. 5.82 | Betriebsstättengewinnabgrenzung in einem bestimmten Rahmen einzuschränken.1 Die Gewinnabgrenzung nach Art. 7 OECD-MA dient insofern dazu, die Schranken der nationalen Besteuerung und damit gleichzeitig die Reichweite der Besteuerung für den anderen Vertragsstaat zu bestimmen.2 Der nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 der Betriebsstätte zuzurechnende Gewinn ist Besteuerungsschranke und Einigungsbereich bei der Aufteilung des Steuersubstrats für Ansässigkeits- und Quellenstaat zugleich. Vor diesem Hintergrund ist es dogmatisch unbedenklich, wenn die Aufteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten, also ihr jeweiliges Besteuerungsrecht, von der Gewinnermittlung und damit vom Steuerzugriff nach den innerstaatlichen Vorschriften abweicht. c) AOA in der deutschen Abkommenspraxis

5.82 Zum 18.4.20133 wurde die neue Fassung von Art. 7 OECD-MA 2010 in „Die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen (DE-VG)“4 aufgenommen.5 Deutschland folgt damit einem internationalen Trend, denn die Mehrheit der Industrienationen hat zugesagt, den AOA in ihre DBA aufzunehmen.6 Bislang ist der AOA aber nur in wenigen deutschen DBA enthalten.

5.83 Mit ca. 90 DBA7 unterhält Deutschland ein umfangreiches DBA-Netz mit für die deutsche Wirtschaft

wichtigen Nationen.8 Obwohl Deutschland international als Befürworter des AOA wahrgenommen wird, hat die Bundesregierung den AOA im Zeitraum 2011–2013 nur in drei von vierzehn neu abgeschlossenen DBA umgesetzt.9 Mitte 2017 war der AOA in folgende DBA aufgenommen: – DBA-Liechtenstein vom 17.11.2011,10

– DBA-Niederlande vom 12.4.2012,11 – DBA-Luxemburg vom 23.4.2012,12 – DBA-Norwegen i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 24.6.2013,13 – DBA-Großbritannien i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 17.3.2014,14 – DBA-Irland i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 3.12.201415 und – DBA-Japan vom 17.12.2015.16 1 Im Ergebnis geht es um eine Abwägung des Welteinkommens- und des Territorialprinzips im Internationalen Steuerrecht. 2 Vogel, IStR 2003, 523 (524) m.w.N. 3 Redaktionell überarbeitet mit der Fassung vom 22.8.2013. 4 Abgedruckt in IStR 2013, Beihefter zu Heft 10, 46 ff. m. Anm. von Lüdicke, ebenda, 26 ff.; MüllerGattermann, FR 2012, 1032. 5 Für eine Synopse mit dem OECD-MA vgl. Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 809 ff. (Stand: Juli 2017). 6 Dagegen haben sich ausgesprochen: Portugal (jedenfalls bis zur Einführung nationaler Korrespondenzregelungen), Neuseeland, Chile, Griechenland, Mexiko, Türkei und die Slowakei, siehe Art. 7 Rz. 95 f. OECD-MK; zur Ablehnung der Schwellen- und Entwicklungsländer vgl. UN-MK, Art. 7 Rz. 1; Girlich/Müller, ISR 2015, 170. 7 BMF v. 17.1.2018 – IV B 2-S 1301/07/10017-08 – DOK 2018/0042503, BStBl. I 2018, 239. 8 Mit Ausnahme sicherlich von Hongkong und Brasilien, zu denen noch keine bzw. nicht länger DBABeziehungen bestehen. 9 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 378 (Stand: Juli 2017). 10 BGBl. II 2012, 1462 (1463 ff.); siehe auch Niehaves/Beil, DStR 2012, 209. 11 BGBl. II 2012, 1414 (1415 ff.); in Kraft getreten zum 1.12.2015, vgl. BGBl. II 2015, 1674. 12 BGBl. II 2012, 1402 (1403). 13 BGBl. II 2014, 906 (907 ff.). 14 BGBl. II 2015, 1297 (1298 ff.). 15 BGBl. II 2015, 1322 (1323 ff.). 16 BGBl. II 2016, 1306 (1307 ff.).

696 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.86 Kap. 5

Das DBA-USA i.d.F. der Bekanntmachung v. 4.6.2008 entspricht zwar der Fassung des OECD-MA in der Version 2008. Auch wenn sich das für den unvoreingenommenen Leser nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut ergibt, so nimmt dennoch die h.M. an, dass der AOA mit dem ergänzenden Protokoll vom 1.6.2006 zum DBA-USA für anwendbar erklärt wurde.1 d) Anwendung des AOA auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA i.d.F. von 2008 durch Auslegung Die OECD2 und die Finanzverwaltung3 scheinen der Ansicht zu sein, den AOA auch in DBA hineinlesen zu können, die auf einer früheren Fassung des Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA beruhen. Als Begründung wird zum einen darauf verwiesen, dass der AOA lediglich eine Interpretation des geltenden Abkommenswortlauts darstelle, zum anderen sei der OECD-MK dynamisch auszulegen. OECD-MK 2010 finde insofern auch auf bestehende DBA Anwendung.4

5.84

Dieser Auslegungsansatz der Verwaltung geht fehl: Der AOA ergibt sich aus den Betriebsstättenberichten 2008 und 2010 sowie aus der entsprechenden Kommentierung im OECD-MK. Umstritten ist bereits, ob der OECD-MK (geschweige denn Berichte der OECD) für die Auslegung des einzelnen Abkommens überhaupt herangezogen werden darf.5 Richtigerweise folgt die Auslegung eines DBA anderen Maßstäben als die Auslegung nationaler Regelungen. Insbesondere ist das DBA – trotz Transformationsgesetz – kein Bundesgesetz, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag.6 Seine Auslegung muss also völkerrechtlichen Bestimmungen folgen.7 Auslegungsregelungen finden sich in Art. 31–33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge8 („WÜRV“). Der BFH9 und die internationale Steuerpraxis10 sind sich einig, dass das WÜRV den Rahmen für die DBA-Auslegung setzt.

5.85

Ob und inwieweit der OECD-MK zur Auslegung von DBA nach Art. 31–33 WÜRV herangezogen werden kann, ist umstritten.11 Zum Teil wird angenommen, die Kommentierung nach dem OECD-MK stelle die „gewöhnliche Bedeutung“ des Abkommensbegriffs nach Art. 31 Abs. 1 WÜRV dar.12 Für andere liefert der OECD-MK die „besondere Bedeutung“ i.S. von Art. 31 Abs. 4 WÜRV, die die Vertragsstaaten dem Einzelbegriff bei Vertragsschluss beigemessen haben.13 Eine dritte Ansicht erkennt im OECD-MK ein weiteres unbenanntes „Auslegungsmittel“ nach Art. 32 WÜRV.14 Bedenkt man die Häufigkeit, mit der die OECD Änderungen im OECD-MK vornimmt,

5.86

1 Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA, Rz. 191 (Stand: Juli 2017); VWG BsGa, Rz. 425. 2 OECD-MK, Introduction Rz. 3 „these Commentaries, as modified from time to time“; Hemmelrath/ Kepper, IStR 2013, 37 (39). 3 Siehe z.B. Müller-Gattermann, IStR 2015, 387; Wichmann in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 104; Naumann, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar, 4, abrufbar unter: http:// www.fachanwalt-fuer-steuerrecht.de/vaBochumerSteuerseminar.aspx?vaGroup=vaBochumerSteuer seminar; VWG BsGa, Rz. 427. 4 Zur Diskussion vgl. Vogel, IStR 2003, 523 (527); Nieminen, INTERTAX Vol. 43 (2015), 636 (638) m.w.N. 5 Zum Streitstand vgl. Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (39) m.w.N. 6 Eindrucksvoll in der Darstellung der Reichweite von Art. 59 Abs. 2 GG Vogel, IStR 2003, 523. 7 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 57 (60, 65) „abkommensrechtliche Auslegung“ vgl. auch BFH v. 15.3.2000 – I R 28/99, BStBl. II 2002, 238 „abkommensrechtliche Betrachtung“ v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574 „Interpretation durch das Abkommen selbst“. 8 BGBl. II 1985, 927 ff. 9 BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 10.06.2015 – I R79/13, BStBl. II 2016, 326. 10 Vogel, IStR 2003, 523 (524) mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur sowie der deutschen und internationalen Spruchpraxis; Nieminen, INTERTAX Vol. 43 (2015), 636 (638) m.w.N. 11 Nieminen, INTERTAX Vol. 43 (2015), 636 (638 f.) stellt eindrucksvoll dar, warum es sich nicht um Völkergewohnheitsrecht handelt; vgl. hierzu v. Arnauld, Völkerrecht3, Rz. 249 ff. 12 Siehe bei Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 126 m.w.N. 13 Vogel, IBFD 2000, 612 (614 f.); Mössner, BIT 2010, 16 (18); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76. 14 Gosch, IStR 2014, 698 (699); Gosch, ISR 2013, 87 (91); Lang, IWB 2011, 281 (285).

Haverkamp | 697

Kap. 5 Rz. 5.87 | Betriebsstättengewinnabgrenzung bleiben jedoch Zweifel, ob hier hinreichend Kontinuität besteht, um von einer gewöhnlichen oder besonderen Bedeutung zu sprechen.1 Eine pauschale Lösung sollte sich verbieten. Die OECD-Staaten sind weder nach den Statuten der OECD verpflichtet, den OECD-MK bei der Auslegung ihrer DBA heranzuziehen,2 noch wäre dies verfassungsrechtlich zulässig.3 Der deutsche Gesetzgeber hat keine Rechtsetzungssouveränität an die OECD abgetreten. Sollen die Auslegungsansätze nach dem OECD-MK dem einschlägigen DBA zugrunde gelegt werden, müssen die Umstände des Vertragsschlusses darauf schließen lassen, dass die Vertragsstaaten den AOA tatsächlich einbeziehen wollten.

5.87 Davon kann man allerdings nicht ausgehen, wenn nach dem Jahr 2010 neue DBA auf Grundlage

des OECD-MA 2008 geschlossen werden oder trotz Kenntnis der Diskussion um den AOA die Vertragsstaaten die Anwendung des AOA nicht protokollarisch festlegen.4 Art. 31 Abs. 1 WÜRV liegt das Gebot der Entscheidungsharmonie zugrunde. Das bedeutet für die Anwendung des nicht im Abkommen oder durch Protokoll vereinbarten AOA, dass es auf die Anwendungspraxis der Vertragsstaaten ankommt. Beispiel: Beide Staaten wenden den AOA stillschweigend an. Es kann für DBA, die in der Übergangsphase von 2008–2010 geschlossen wurden, im Einzelfall unterstellt werden, dass die Vertragsstaaten bei Vertragsschluss von einer Anwendung des AOA ausgegangen sind.5 Abwandlung: Das DBA enthält einen Verweis auf die indirekte Methode entsprechend Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008. Damit haben die Vertragsstaaten eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine Auslegung nach der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion zulässig sein soll. Anderenfalls hätte es der Regelung nicht bedurft, die bei Anwendung des AOA ausgeschlossen und daher im OECD-MA 2010 entfallen ist.

5.88 Für die Jahre vor 2008 kann dahinstehen, ob die Kommentierungen nach dem OECD-MK zur

Auslegung der Abkommensbegriffe herangezogen werden dürfen. In keinem Fall können sie auf die Auslegung bereits bestehender DBA Einfluss nehmen. Der BFH ist in ständiger Rechtsprechung der dynamischen Abkommensauslegung entgegengetreten.6 Der Versuch der Finanzverwaltung, die dynamische Auslegung ohne formelle Rechtsgrundlage über die VWG BsGa einzuführen,7 trägt nur einseitig. Die Verwaltungsvorschrift bindet insofern nur die Finanzverwaltung, nicht aber den Steuerpflichtigen, dem damit faktisch ein Wahlrecht zusteht.

5.89 Der AOA stellt im Übrigen auch keine Klarstellung der bisherigen Rechtslage dar.8 Dafür ist die

Regelungsdichte zu umfassend. Der AOA stellt nicht nur klar, welche Auslegungsvariante (eingeschränkte vs. uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion) von der OECD favorisiert wird, sondern liefert auch Einzelfallregelungen für die Bestimmung des zurechnungsfähigen Gewinns. Hätte es sich beim AOA nur um eine Klarstellung handeln sollen, hätte es dieses Regelungsaufwands nicht bedurft.9

5.90 Des Weiteren darf nicht außer Acht bleiben, dass das Committee of Fiscal Affairs bei der OECD

in Abstimmung mit den Verwaltungen der Mitgliedstaaten agiert, die DBA allerdings durch den Gesetzgeber nach Art. 59 Abs. 2 GG bestätigt werden müssen. Diese Kompetenzverteilung, die auf 1 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 127c. 2 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital, Condensed Version v. 15.7.2015, Introduction, Rz. 29. 3 Vogel, IStR 2003, 523 (527 f.). 4 A.A. Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (40); VWG BsGa, Rz. 427. 5 Im Ergebnis Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (40). 6 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v 16.1.2014 – I R 30/12, BStBl. II 2014, 721 m.w.N. 7 VWG BsGa, Rz. 427. 8 Vgl. zu dieser Argumentationsform des BMF das Urteil des BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207 (208). 9 Vgl. BFH v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2009, 123 Rz. 16.

698 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.94 Kap. 5

den Grundsatz der Gewaltenteilung zurückgeht,1 würde ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung durchbrochen, wenn die Finanzverwaltung über die OECD-Vertretung den Inhalt des DBA ohne Parlamentsbeteiligung ändern könnte (und es wäre gleichzeitig ein Verstoß gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG). Dies wäre in Anbetracht der sich abzeichnenden neuen Trends, wonach die Änderung des Begriffsverständnisses nicht länger durch Wortlautanpassung im OECD-MA, sondern durch Anpassungen des OECD-MK umgesetzt werden, äußerst bedenklich.2 Es muss vielmehr auf das gemeinsame Verständnis der Vertragsstaaten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt werden. Damit ergibt sich richtigerweise folgendes Bild:

5.91

– keine Anwendung des AOA auf DBA, die vor 2008 geschlossen wurden; – nur bei hinreichender Begründung im Einzelfall Anwendung des AOA auf DBA, die auf Grundlage des OECD-MA 2008 geschlossen wurden; – Anwendung des AOA auf DBA, die auf Grundlage des OECD-MA 2010 geschlossen wurden.3 e) Gewinnabgrenzung der Höhe nach gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 aa) Zuweisung der Einkünfte an den die Funktion tatsächlich ausübenden Unternehmensteil Die Rechtslage nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 weicht merklich von der früheren Anwendung der Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 ab.

5.92

Die Zurechnung von Einkünften und Aufwendungen zur Betriebsstätte nach alter Abkommenslage stand (weitgehend) im Einklang mit dem allgemeinen Veranlassungsprinzip i.S. von § 4 Abs. 4 EStG. Aufwendungen wurden der Betriebsstätte zugerechnet, wenn dies unter fremden Dritten bei vergleichbarer Sachlage üblich ist, unabhängig davon, ob diese Aufwendungen beim Stammhaus oder bei der Betriebsstätte angefallen sind. Einkünfte werden nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 auf Grundlage einer grenzüberschreitenden Funktionsanalyse dem Unternehmensteil zugewiesen, der die Funktionen tatsächlich ausübt. Nach bisheriger Rechtslage konnte der Unternehmensgewinn grundsätzlich nach drei Methoden4 bestimmt werden:

5.93

– direkte Methode („Separate Accounting“) (Rz. 5.94 ff.), – indirekte Methode („Fractional Apportionment“) (Rz. 5.97 ff.), – gemischte Methode (Rz. 5.101) bb) Direkte Methode („Separate Accounting“) Die direkte Methode basiert auf dem Grundgedanken, dass der Betriebsstätte der hypothetisch ermittelte Gewinn zuzurechnen ist, der anhand einer separaten Betriebsstättenbuchführung ermittelt wird.5 1 Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.100. 2 Zuletzt Action Item 7 der OECD/G20-Base Erosion and Profit Shifting, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7: 2015 Final Report, 16 ff., wonach der Begriff der Vertreterbetriebsstätte gegenüber steuerlich unbeachtlichen Repräsentanzbüros nicht durch Anpassung von Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2010, sondern allein durch Änderung der Kommentierung im OECDMK verschärft werden soll. 3 A.A. VWG BsGa, Rz. 427. 4 Art. 7 Rz. 12, 25 OECD-MK 2008; BFH v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405 und v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 5 Die OECD spricht von „drawing a tax balance sheet“ OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 72 ff.

Haverkamp | 699

5.94

Kap. 5 Rz. 5.95 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Anstatt also vom gesamten Unternehmensgewinn auszugehen und retrograd der Betriebsstätte einen Gewinnanteil zuzurechnen, ist der Blick bei der direkten Methode auf die Betriebsstätte und den durch sie veranlassten Gewinn beschränkt.1 Da diese Methode besonders praxistauglich ist, haben sich auch nach bisheriger Abkommenslage die meisten Steuerpflichtigen mit längerfristigen Investitionsvorhaben für die direkte Methode und eine separate Buchhaltung entschieden.

5.95 In der Buchführung der Betriebsstätte werden regelmäßig nur solche Wirtschaftsgüter ausgewie-

sen, die auch in der Bilanz des Stammhauses enthalten sind. Damit lässt sich eine Aufgliederung der Bilanz des Gesamtunternehmens in solche Wirtschaftsgüter vornehmen, die in der Bilanz des Stammhauses enthalten sind, und solche, die in den Betriebsstättenbilanzen ausgewiesen werden. Die deutsche Finanzverwaltung vertritt im Betriebsstättenerlass die Auffassung2, dass die direkte Methode insbesondere dann anzuwenden sei, wenn Stammhaus und Betriebsstätte unterschiedliche Funktionen ausüben. Dabei sollen insbesondere berücksichtigt werden: – die Struktur, Organisation und Aufgabenverteilung im Unternehmen sowie der Einsatz von Wirtschaftsgütern, – die einzelnen Funktionen der Betriebsstätte und – in welcher Eigenschaft die Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen diese Funktion ausgefüllt hätte. Korrekturen seien nur vorzunehmen, soweit die Betriebsstätte Hilfsfunktionen übernimmt.3

5.96 Die Schwäche der direkten Methode liegt darin, dass sich nicht alle Aufwendungen und Erträge

direkt funktions- und leistungsgerecht zuordnen lassen. So entziehen sich z.B. Erträge aus gemeinsamen Geschäften des Unternehmensstammhauses und der Betriebsstätte, Geschäftsführungskosten, zentrale Werbeaufwendungen, die Kosten einer zentralen Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie Zinsen für Betriebsmittelkredite, die zur Finanzierung des Gesamtunternehmens vom Stammhaus aufgenommen worden sind, einer direkten Zuordnung. In diesen Fällen kommt auch die direkte Methode nicht ohne Schätzungen in Form von Verteilungsschlüsseln aus. cc) Indirekte Methode („Fractional Apportionment“)

5.97 Die indirekte Methode entspricht der Regelung gem. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008, die durch die

Revision des Art. 7 OECD-MA 2010 ersatzlos gestrichen wurde. Nichtsdestotrotz hat die indirekte Methode4 für die überwiegende Anzahl der gültigen DBA weiterhin unmittelbare Bedeutung, weil diese auf alten Fassungen des OECD-MA basieren.

5.98 Bei der indirekten Methode wird der Gesamtgewinn des Unternehmens ermittelt und anhand eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels auf Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt.5 Der Aufteilungsschlüssel muss dabei so gewählt werden, dass er zu einer dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verteilung des Unternehmensgewinns führt. International anerkannt sind drei Hauptkategorien von Verteilungsschlüsseln:6

1 Kleineidam, IStR 1993, 141 (144); Hirsch, StuB 2001, 373; Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.21 „Teilgewinnermittlung“. 2 Vgl. BS-VWG, Rz. 2.3.1. 3 Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (745) weisen darauf hin, dass der Begriff „Korrekturen“ mangels Definition zu unbestimmt und nicht praxistauglich sei. 4 Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.14 „Zerlegungsmethode“. 5 BS-VWG, Rz. 2.3.2. 6 Art. 7 Rz. 27 OECD-MK 2008; Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.20 weisen auf die inhaltliche Nähe zum Zerlegungsmaßstab in der Gewerbesteuer nach § 29 GewStG hin.

700 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.102 Kap. 5

– Umsatz- oder provisionsbezogene Schlüssel, – Lohn- bzw. andere kostenbezogene Schlüssel und – betriebsvermögensbezogene Schlüssel Besondere Probleme bereitet die Festlegung von geeigneten Schlüsselgrößen, die zu einer dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Gewinnaufteilung führen. Insbesondere bei Betriebsstätten, die mehrere Funktionen ausüben, ist ein Rückgriff auf eine größere Anzahl von Verteilungsschlüsseln unausweichlich. Auch kann die indirekte Methode nur zu sinnvollen Ergebnissen führen, wenn im Stammhaus und in der Betriebsstätte die gleichen Funktionen ausgeübt werden. Typischer Anwendungsbereich der indirekten Methode sind daher folgende Branchen, die regelmäßig uniforme Strukturen ausweisen:

5.99

– Handelsunternehmen, – Dienstleistungsunternehmen, – Banken und – Versicherungsunternehmen. Sind die Funktionen unterschiedlich oder weichen die innerbetrieblichen Strukturen des Stammhauses und der Betriebsstätten voneinander ab, so lassen sich geeignete Bezugs- und Schlüsselgrößen nur schwer finden. Handelt es sich beispielsweise um ein Produktionsstammhaus und eine Vertriebsbetriebsstätte ist eine Einkünftezurechnung nach der indirekten Methode nicht möglich, da z.B. die Schlüsselgröße Umsatz bei einem Produktionsunternehmen nicht mit dem Umsatz bei einem Handelsunternehmen vergleichbar ist. Im Kern entstammt die indirekte Methode dem Relevant Business Activity Approach1 (Rz. 5.69 ff.) und ist daher auf die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 nicht länger anwendbar, weil sie den tatsächlichen Gesamtgewinn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufteilt.

5.100

Die indirekte Methode hat großes Gestaltungspotential für den Steuerpflichtigen: Er kann durch entsprechende Wahl des Verteilungsschlüssel die Besteuerung steuereffizient lenken. dd) Gemischte Methode Die gemischte Methode soll die Prinzipien der direkten und der indirekten Methode verbinden. Sie geht davon aus, dass zunächst das direkt zurechenbare Vermögen und die entsprechenden Erträge nach Maßstäben der direkten Methode unmittelbar verursachungsgerecht aufgeteilt werden. Lediglich die Gewinnanteile, die nicht unmittelbar und eindeutig zurechenbar sind, sollen mit Hilfe der indirekten Methode umgelegt werden.2

5.101

ee) Bedeutung der Methoden mit Blick auf Art. 7 OECD-MA 2010 Soweit die Änderung des Art. 7 OECD-MA 2010 in die deutsche Abkommenspraxis übernommen wird, erscheint es kaum denkbar, dass noch ein Anwendungsbereich für die indirekte Methode oder die gemischte Methode verbleibt. Es sollte allein die direkte Methode mit der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 anwendbar sein.

1 Debatin, DB 1989, 1692 (1696); Ritter, JbFST 1976/1977, 288. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 191 (Stand: Juli 2017).

Haverkamp | 701

5.102

Kap. 5 Rz. 5.103 | Betriebsstättengewinnabgrenzung f) Gewinnabgrenzung der Höhe nach gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 aa) Gewinnabgrenzung folgt den Grundsätzen des AOA

5.103 Die Gewinnabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 folgt den Grundsätzen des AOA.1 Vorgesehen ist ein zweistufiges Verfahren.2

1. Zunächst werden Funktionen (Rz. 5.104 f.), Risiken (Rz. 5.106) und Wirtschaftsgüter (Rz. 5.107 ff.) der Betriebsstätte zugeordnet. Auf dieser Grundlage werden Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog. „Dealings“; Rz. 5.75, 5.125) fingiert und Geschäftsvorfälle (Außentransaktionen) zugewiesen. 2. Sodann wird bestimmt, in welcher Höhe die fingierten Dealings unter analoger Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien3 fremdvergleichskonform zu vergüten sind (Rz. 5.126 ff.).4 bb) Schritt 1: Selbständigkeitsfiktion (1) Funktionszuordnung

5.104 In einem ersten Schritt werden die in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeiten identifiziert.5 Dies

sollte mittels einer funktionalen Sachverhaltsanalyse geschehen („functional and factual analysis“), wobei auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien6 zurückgegriffen wird. Bei diesem Schritt werden die wirtschaftlich bedeutsamen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten ermittelt, die durch Mitarbeiter des Einheitsunternehmens ausgeübt werden. Der AOA spricht bei den auf diese Weise ermittelten Funktionen von wesentlichen Personalfunktionen („significant people functions“). Die Analyse sollte, soweit dies erheblich ist, die Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten der Betriebsstätte im Zusammenhang mit den Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten des Unternehmens als Ganzes würdigen, insbesondere die Teile des Unternehmens, die Transaktionen mit der Betriebsstätte durchführen. Zu unterscheiden ist zwischen wesentlichen („significant people functions“) und unwesentlichen Personalfunktionen („support or ancillary functions“).7 Die Abgrenzung erfolgt anhand der Bedeutung, die die Personalfunktion für die Erwirtschaftung des Unternehmenserfolges insgesamt hat.

5.105 Im Rahmen der „functional and factual analysis“ werden in einem ersten Schritt die durch das

Personal des Einheitsunternehmens ausgeübten Funktionen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus aufgeteilt und als wesentlich oder unwesentlich für den Unternehmenserfolg eingestuft. Ausschlaggebend sollte regelmäßig die Unternehmensstrategie des Einheitsunternehmens sein,8 aber auch andere Umstände wie beispielsweise die Markt- und wirtschaftliche Situation können entscheidend für die Klassifizierung sein.9

1 Ablehnend die Vereinte Nationen (Hrsg.), UN-Komm. 2011, Art. 7 OECD-MA Rz. 1; kritisch auch Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 102 f. 2 Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (38). 3 OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2017 v. 10.7.2017. 4 Art. 7 Rz. 40 OECD-MK 2014. 5 Zu Recht weist Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 77 ff. darauf hin, dass die primär geografische Zuordnung von Personen und Betriebsmitteln nach dem AOA im Widerspruch steht zu der zunehmenden Lösung von der Voraussetzung einer örtlichen Verfestigung im Rahmen von Art. 5 OECD-MA. 6 OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2017 v. 10.7.2017. 7 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 62. 8 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 64. 9 Vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 63; vgl. auch Kaeser, ISR 2012, 67 ff.

702 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.107 Kap. 5

(2) Risikozuordnung Sobald der Betriebsstätte die wesentlichen Personalfunktionen zugewiesen sind, werden mit der Funktion regelmäßig verbundene Wirtschaftsgüter1 und Risiken der Betriebsstätte zugeordnet.2 Die Risiken folgen dabei den bei der Betriebsstätte verorteten Funktionen („risk follows function“).3

5.106

(3) Zuordnung von Wirtschaftsgütern (i) Kriterien für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts Die unterschiedlichen Wirtschaftsgüter werden sodann anhand verschiedener Kriterien der Betriebsstätte zugeordnet. Dabei ist der Grundsatz der fehlenden Attraktivkraft der Betriebsstätte (Rz. 5.67 f.) zu beachten. Spricht man der Betriebsstätte eine Attraktionswirkung zu, müsste man alle Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zuordnen, die im Betriebsstättenstaat belegen sind. Dieser Grundsatz würde die Zuordnungsfrage nachhaltig erleichtern, zugleich aber dem Steuerpflichtigen erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Deshalb geht die Rechtsprechung davon aus, dass nur insoweit eine Zuordnung zur Betriebsstätte erfolgen kann, wie ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der Betriebsstätte besteht.4 Durch den AOA wird eine willkürliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern dem Grunde nach unterbunden, da deren Zuordnung zu einem Unternehmensteil das Ergebnis der vorzunehmenden Funktionsanalyse ist und sich somit sachfremder Überlegungen entzieht. Wirtschaftsgüter

Zuordnungskriterium

Materielle Wirtschaftsgüter (Rz. 5.110)

Ort der Nutzung im Einzelfall: Ort, an dem die relevante Entscheidung über den Ort der Nutzung getroffen wird

Immaterielle Wirtschaftsgüter (Marketing) (Rz. 5.111)

Ort, an dem strategische Entscheidungen über die Entwicklung und Sicherung z.B. von Marken- und Designrechten sowie Marketing-Knowhow tatsächlich getroffen werden

Immaterielle Wirtschaftsgüter (Rz. 5.111)

Ort, an dem Entscheidungen über die Entwicklung, den Kauf und den Umgang mit Risiken z.B. von Patenten oder Software tatsächlich getroffen werden

Geschäftsvorfälle (Rz. 5.112)

Zuordnung anhand des (fiktiven) Funktions- und Risikoprofils der Betriebsstätte

Dotationskapital (Rz. 5.113 ff.)

OECD-Mitgliedsstaaten konnten sich nicht auf eine einheitliche Methode einigen. Die OECD empfiehlt außerhalb des Finanzsektors daher die – Kapitalaufteilungsmethode („capital allocation approach“) – Fremdvergleichsmethode („thin capitalisation approach“)

Externe Finanzierungaufwendungen – entweder Zuordnung von tatsächlichen externen Aufwen(Rz. 5.119 ff.) dungen und Zinsraten entsprechend der Veranlassung („tracing approach“) oder – Zuordnung anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes („fungability approach“) 1 Anders als der deutsche Gesetzgeber differenziert die OECD im Betriebsstättenbericht 2010 nicht zwischen Wirtschaftsgütern und Vermögenswerten. Vielmehr wird einheitlich von „assets“ gesprochen. 2 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 97 „Asset and Risk follow Function“. 3 Kritisch Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 104, nach dem Stammhaus und Betriebsstätte stets dieselben Risiken tragen und eine Verschiebung z.B. durch ein Dealing nicht erlaubt sei. 4 Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356.

Haverkamp | 703

5.107

Kap. 5 Rz. 5.108 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Wirtschaftsgüter

Zuordnungskriterium – die OECD erlaubt ausdrücklich jede andere Methode, solange sie im Einklang mit den Grundsätzen des Fremdvergleichs steht

Treasury/Refinanzierungs-Dealing (Rz. 5.123 f.)

Keine Darlehen und/oder Sicherheitenstellung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Ausnahme: eine Unternehmenseinheit übt tatsächlich Treasury-Funktionen aus

5.108 Ausschlaggebend für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern ist das wirtschaftliche Eigentum1 („economic ownership“).2 Dem Unternehmensteil, der die Chancen und Risiken aus der Wertänderung eines Wirtschaftsguts trägt, sollen auch die daraus erwachsenen Einnahmen und Ausgaben zugeordnet werden.3 Der Betriebsstätte werden die Wirtschaftsgüter zugeordnet, die für die Ausübung der dort festgestellten Personalfunktionen benötigt werden.4

5.109 Die Wirtschaftsgüter sind nach dem Betriebsstättenbericht 2010 der OECD in einer Art „Steuerbilanz“ („tax balance sheet“5) festzuhalten, was wohl der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV entsprechen sollte. (ii) Materielle Wirtschaftsgüter

5.110 Materielle Wirtschaftsgüter werden aus Vereinfachungsgründen nach dem Ort der Nutzung der Be-

triebsstätte oder dem Stammhaus zugeordnet. Nur in Ausnahmefällen soll nicht der Ort der tatsächlichen Nutzung für die Zuordnung entscheidend sein, sondern die Frage, ob in der Betriebsstätte oder im Stammhaus tatsächlich die operative Entscheidung über den Ort der Nutzung des Wirtschaftsguts getroffen wird. Das ist beispielsweise von Bedeutung, wenn ein Wirtschaftsgut regelmäßig sowohl für operative Tätigkeiten des Stammhauses als auch der Betriebsstätte verwendet wird.6 (iii) Immaterielle Wirtschaftsgüter

5.111 Die OECD unterscheidet bei der Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter zwischen marketing-

bezogenen und sonstigen immateriellen Wirtschaftsgütern (z.B. Patente). Entscheidend für Zuordnung ist in beiden Fällen, ob die tatsächliche Entscheidungsbefugnis für die Aufnahme und Verwaltung von Risiken, die aufgrund des Erwerbs oder der Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter entstehen, durch Personal des Unternehmens bei der Betriebsstätte oder beim Stammhaus ausgeübt wird.7 Der AOA verweist auf das Personal, das beispielsweise die Entscheidungen in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung oder die Entscheidungen über Marketingstrategie und Markenschutz trifft. Der Erwerb bzw. die tatsächliche Entwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts soll weniger entscheidend sein; die OECD lässt Auftragsforschungs- und andere Kostenumlagemodelle als Dealings zu.8 Das wirtschaftliche Eigentum soll mithin nicht bei dem Unterneh1 2 3 4 5 6

7 8

Definiton in OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Fn. 5. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 18. Kosch, IStR 2010, 42 (43); Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (760). Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.53; so schon BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 72 ff. Vgl. BFH v. 02.04.2014 – I R 68/12, SteuK 2014, 348 m. Anm. Haverkamp/Binding zur Betriebsstättenqualität der im Ausland belegenen Ländereien eines inländischen Landwirtschaftsbetriebs, was die Frage aufwirft, welchem Unternehmensteil nach dem AOA die landwirtschaftlichen Maschinen zuzuordnen sind. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 94, 97. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 211 ff.; vgl. auch Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1030.

704 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.115 Kap. 5

mensteil entstehen, der die tatsächlichen Handlungen vornimmt, sondern dort, wo die relevanten Entscheidungen getroffen werden. Gleichzeitig ist eine (fiktive) Lizenzierung des immateriellen Wirtschaftsguts im Wege eines Dealings möglich.1 Dabei muss zunächst bestimmt werden, ob das immaterielle Wirtschaftsgut für die in der Betriebsstätte ausgeübte Funktion erforderlich bzw. förderlich ist. Ob von einer fiktiven Nutzungsüberlassung auszugehen ist, soll dann anhand eines Vergleichs mit unabhängigen eigenständigen Unternehmen bestimmt werden.2 (iv) Geschäftsvorfälle Geschäftsvorfälle mit unabhängigen Dritten und nahestehenden Personen werden auf Grundlage der Funktions- und Risikoanalyse zugeordnet.3 Dabei soll anhand ihres Funktions- und Risikoprofils ermittelt werden, welche Geschäftsbeziehungen die Betriebsstätte als unabhängiges Unternehmen eingegangen wäre.

5.112

(v) Kapitalausstattung – Dotationskapital Der Betriebsstätte muss ferner ausreichend Dotationskapital („free capital“) zugewiesen werden, um die ihr zugeordneten Risiken tragen zu können.4 Dotationskapital entspricht der Eigenkapitalausstattung bei Kapitalgesellschaften.5 Die OECD hebt im Betriebsstättenbericht 2010 hervor, dass sich die OECD-Mitgliedstaaten nicht auf eine verbindliche Methode zur Bestimmung eines angemessenen Dotationskapitals haben festlegen können. Sie stellt daher verschiedene mögliche Methoden vor, die alle gleichberechtigt Anwendung finden.

5.113

Außerhalb des Finanzsektors sind die (externe) Fremdvergleichsmethode („thin capitalisation approach“) und die Kapitalaufteilungsmethode („capital allocation approach“) von Bedeutung.

5.114

Die Kapitalaufteilungsmethode sieht eine Aufteilung des tatsächlich vorhandenen Eigenkapitals des Einheitsunternehmens anhand der Vermögens- und Risikostruktur vor („capital follows risk“). Dabei werden die übrigen der Betriebsstätte zugeordneten Vermögenswerte und Risiken ins Verhältnis gesetzt zu den Vermögenswerten und Risiken des Unternehmens insgesamt. Das Eigenkapital des Einheitsunternehmens wird anschließend nach diesem Verhältnis aufgeteilt.6

5.115

Beispiel: Die Betriebsstätte des Unternehmens produziert ausschließlich vergleichbar einem Lohnfertiger für das Stammhaus. Alle Entscheidungen werden im Stammhaus getroffen. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe werden bereitgestellt; die Produkte werden nach Vorgabe und auf Weisungen des Personals des Stammhauses hergestellt. Wertbildendes Knowhow findet sich in der Betriebsstätte nicht. Stellen die in der Betriebsstätte genutzten und ihr mithin zuzuordnenden Wirtschaftsgüter nur 10 v.H. des Werts aller Wirtschaftsgüter des Unternehmens dar, beträgt ihr Anteil am Eigenkapital des Unternehmens 10 v.H., weil die Betriebsstätte keine Risiken trägt und ein Risikovergleich daher entfällt. Die interessante Frage ist, ob der Steuerpflichtige argumentieren kann, dass die Entscheidungen über die Nutzung der Wirtschaftsgüter im Stammhaus getroffen werden und sie damit dem Stammhaus zuzuordnen sind.

Die Kapitalaufteilungsmethode erscheint in Anbetracht der Annahme, dass das Dotationskapital gerade dazu dienen soll, der Betriebsstätte ausreichend liquide Mittel zuzuordnen, die ein eigenständiges Unternehmen zur Finanzierung vergleichbarer Vermögenswerte und Risiken in einer hy1 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 207 ff.; Ditz, ISR 2012, 51; Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff. 2 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 209 f.; zu den dem Steuerpflichtigen offenstehenden Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Ditz, ISR 2012, 51. 3 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 98. 4 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 29, 104, 108. 5 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 494 m.w.N. 6 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 121.

Haverkamp | 705

Kap. 5 Rz. 5.116 | Betriebsstättengewinnabgrenzung pothetischen Krisensituation benötigt, grds. vorzugswürdig. Auf der anderen Seite ist die Kapitalaufteilungsmethode der Höhe nach beschränkt durch das tatsächlich vorhandene verfügbare Kapital. Vor dem Hintergrund, dass der AOA eine Beschränkung des zuordenbaren Gewinns auf den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn ablehnt, scheint eine Beschränkung auf tatsächliche Kapitalmittel mit der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion nicht vereinbar.

5.116 Nach der Fremdvergleichsmethode wird der Betriebsstätte Dotationskapital anhand einer Ver-

gleichsanalyse mit unabhängigen Unternehmen zugewiesen, die dieselben oder vergleichbare Tätigkeiten unter vergleichbaren Umständen im Quellenstaat ausüben.1 Ausschlaggebend soll das Funktions- und Risikoprofil der Betriebsstätte unter Berücksichtigung der Kapitalstruktur des Einheitsunternehmens insgesamt sein.2 Anhand des Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital der Vergleichsunternehmen soll im Anschluss die Höhe des Dotationskapitals für die Betriebsstätte bestimmt werden. Die OECD räumt allerdings ein, dass es im Einzelfall schwierig sein sollte, die Einflussfaktoren für das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital der Vergleichsunternehmen zu bestimmen.

5.117 Für den Finanzsektor verweist die OECD darüber hinaus auf die wirtschaftliche Kapitalauftei-

lungsmethode („economic capital allocation approach“), sofern hinreichend Vergleichswerte zur Verfügung stehen.3 Zur Zuordnung von Dotationskapital soll auf eine vergleichende Risikobewertung zurückgegriffen werden.4

5.118 Ablehnend steht die OECD der sog. Quasi-Fremdvergleichsmethode („quasi thin capitaliation approach“) gegenüber.5 Nach der Quasi-Fremdvergleichsmethode soll Dotationskapital anhand der Minimalkapitalausstattung von Vergleichsunternehmen zugeordnet werden. Die Methode vernachlässige, dass Betriebsstätte und Stammhaus in gleicher Höhe kreditwürdig seien.6 Natürlich ist die Schlussfolgerung nicht zwingend, denn der Grundsatz einer einheitlichen Kreditwürdigkeit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte hat die OECD im Konsultationsverfahren selbst festgelegt.7 Zwingend ist diese Ansicht nicht. Trotzdem ist die Quasi-Fremdvergleichsmethode i.d.R. abzulehnen, denn jedenfalls außerhalb des Finanzsektors werden verlässliche Vergleichswerte fehlen. (vi) Kapitalausstattung – Fremdkapital

5.119 Bei der Aufnahme von Fremdkapital bricht die OECD mit der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion. Zunächst wird angenommen, dass Betriebsstätte und Stammhaus dieselbe Kreditwürdigkeit („Credit Rating“) haben.8 Eine eigenständige Ermittlung der Kreditwürdigkeit der Betriebsstätte verbiete sich. Gleichzeitig seien Garantien wie beispielsweise interne Patronatserklärungen oder Bürgschaften nicht als Dealing dem Fremdvergleich nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA zugänglich.9 Dies sei der Natur der Betriebsstätte als rechtlich abhängigem Unternehmensteil des Einheitsunternehmens geschuldet.10

5.120 Dass gerade beim Fremdkapital die Grenze gezogen wird, scheint insgesamt konstruiert und in-

konsequent. So lässt der AOA Finanzierungsaufwendungen auch weiterhin nur in engen Grenzen zum Abzug bei der Betriebsstätte zu. Dem Grunde nach bleibt es bei einer direkten Zuordnung der tatsächlich anfallenden Außenzinsen zum funktional kapitalnutzenden Unternehmensteil („tra1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 129. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 130. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 128. Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.57. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 135 ff. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 135. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 101 mit Hinweis auf die Gegenansicht. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 99. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 103. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 104.

706 | Haverkamp

C. Gewinnabgrenzung | Rz. 5.123 Kap. 5

cing approach“) oder bei ihrer anteiligen internen Zurechnung nach einem zuvor festzulegenden Schlüssel („fungibility approach“).1 Nach dem sog. tracing approach wird der Betriebsstätte allein der Außenaufwand in Höhe der tatsächlich festgesetzten Zinsen zugeordnet, der für Zwecke der Finanzierung der Betriebsstätte aufgenommen wurde. Nach dem fungibility approach wird der Finanzierungsaufwand aller Betriebsstätten des Einheitsunternehmens gepoolt und nach einem angemessenen Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Betriebsstätten aufgeteilt.2 Die OECD erklärt beide Methoden für anwendbar.3 Insgesamt ist der Abzug von Zinsaufwendungen der Höhe nach durch das Dotationskapital begrenzt. Passivposten sind nur in der Höhe berücksichtigungsfähig, in der das (fiktiv) der Betriebsstätte zuordenbare Aktivvermögen das Dotationskapital überschreitet.4 Abzugsfähiger Aufwand stellt bei der Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach dem AOA mithin eine bloße Saldogröße dar.5 Auffällig ist die Parallele zu einer Routinevertriebsgesellschaft, die nach der Rechtsprechung des BFH6 unter Fremdvergleichsgesichtspunkten keine Verluste erzielen darf. Hier wie dort ist der Abzug von Aufwand durch das Aktivvermögen und das Eigenkapital beschränkt. Dass dies der Selbständigkeitsfiktion nicht gerecht werden kann, steht außer Frage. Nach allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen ist gerade der Unterschied zwischen einem Routineunternehmen und einem Entrepreneur, dass letzterer Verluste erzielen darf.7 Das bedeutet aber auch, dass der Entrepreneur gerade auch Aufwand in einem Umfang aufnehmen können muss, der sein Aktivvermögen überschreitet. Ein Jahresfehlbetrag und mithin steuerlich relevante Verluste sind die Folgen, die er in der Hoffnung in Kauf nimmt, in Zukunft entsprechend höhere Gewinnmargen erzielen zu können. Indem der AOA Verluste für die Betriebsstätte scheinbar nicht zulassen möchte, wird die Betriebsstätte ungeachtet ihres Funktions- und Risikoprofils im Ergebnis einem Routineunternehmen gleichgestellt. Das widerspricht auf den ersten Blick der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion, die der AOA propagiert.

5.121

Allerdings darf bei dieser Betrachtung nicht vergessen werden, dass der AOA allein das Ziel hat, die Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten aufzuteilen. Dafür reicht es, wenn im Saldo von Ertrag und Aufwand der Betriebsstätte ein Gewinn in Höhe von Null zugewiesen wird. Eine Verlustermittlung wäre ohnehin gegenstandslos, weil das DBA nur periodengerecht greift und gerade nicht erfolgswirksame, vortragsfähige Verluste begründen kann. Ob aufgrund nationaler Besteuerungsgrundlagen vortragsfähige Verluste festzusetzenden sind, ist losgelöst vom AOA zu klären.

5.122

(vii) Kapitalausstattung – Ausübung der Treasury-Funktion als Dealing Wenn ein Unternehmensteil eine Treasury-Funktion dauerhaft und nachhaltig ausübt, erkennt der AOA entsprechende Zinsbelastungen auch bei Unternehmen an, die nicht der Bank- oder Versicherungsbranche angehören.8 Gegenstand der Treasury-Funktion sind die Verwaltung der liquiden Mittel des Unternehmens und die Aufnahme und das Weiterreichen von Fremdkapital am Kapitalmarkt für das Unternehmen insgesamt (Refinanzierung der Unternehmensaktivitäten).9 Entscheidend für die Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentümers von Eigen- und Fremdkapital ist aus Sicht der OECD, dass der Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen ausübt 1 2 3 4 5 6 7 8 9

OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Teil I, Rz. 186 ff. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 154. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 156. Das gilt im Übrigen auch für alle Passivposten, die der Betriebsstätte dem Grunde nach zuzuordnen sind. Vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 162–168. BFH v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Chancen und Risiken, siehe Kaut/Freudenberg/Foth, BB 2007, 1666; Engler/Reinert in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. N, Rz. 150 f. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 152 f. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 153, 162.

Haverkamp | 707

5.123

Kap. 5 Rz. 5.124 | Betriebsstättengewinnabgrenzung (Rz. 5.104).1 Eine eindeutige Erläuterung, wann und unter welchen Umständen man eine TreasuryFunktion außerhalb des Finanzsektors annehmen kann, bleibt die OECD schuldig. Eindeutig wäre wohl ein enges Verständnis, wonach der Unternehmensteil ausschließlich die Verwaltung von Eigenund Fremdkapital ausübt. Dabei muss ein Maß an Entscheidungsfindung sowie Mittelaufnahme und -vergabe erreicht werden, das wertbildenden Charakter für das Gesamtunternehmen hat. Nach allgemeinen Grundsätzen kann ein Dealing nur angenommen werden, wenn ein wirtschaftlich wesentlicher Übergang von Risiken, Verantwortlichkeiten oder Vorteilen feststellbar ist.2 Den anderen Unternehmensteilen muss vor diesem Hintergrund also ein Vorteil durch die Treasury-Funktion einer Betriebsstätte nachvollziehbar zukommen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werden der Betriebsstätte die Finanzmittel jedenfalls anteilig zugerechnet und Zinsaufwand aufgeteilt.3

5.124 Die Treasury-Funktion führt zu einer angemessenen Vergütung der ausübenden Betriebsstätte. Da-

bei lässt die OECD grundsätzlich jede Verrechnungspreismethode zu, hebt die Verwendung der Preisvergleichsmethode und der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethoden jedoch besonders hervor.4 Unter Umständen liege auch eine Kostenumlagesituation vor, so dass eine kostenbezogene Vergütung nach Kapitel 8 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2017 Anwendung finde. (viii) Dealings

5.125 Jenseits der Darlehensvergabe ist Kernanliegen des AOA die Berücksichtigung interner Leistungsund Lieferbeziehungen (sog. „Dealings“) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.

Auf Grundlage des Funktions- und Risikoprofils und der Zuordnung von Wirtschaftsgütern werden (fiktive) Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (Dealings) identifiziert. Die OECD nimmt insbesondere zentrale Verwaltungsaktivitäten in den Fokus.5 Wie in der Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft sollen unterstützende Funktionen bei der Gewinnabgrenzung berücksichtigt werden. Als relevante Funktionen werden Strategic Management und eine zentralisierte Personal- und Steuerabteilung genannt. cc) Schritt 2: Fiktive Verrechnungspreisbestimmung der Höhe nach

5.126 In einem zweiten Schritt werden für die im ersten Schritt bestimmten fiktiven Leistungs- und Lie-

ferbeziehungen (Dealings) angemessene Verrechnungspreise durch analoge Anwendung der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze fremdvergleichskonform ermittelt.6 Dabei werden dieselben Kriterien angewendet, wie sie bei der Preisbestimmung zwischen Gruppengesellschaften angesetzt werden.7 Die OECD hebt hervor, dass materielle Wirtschaftsgüter stets zum Marktwert überführt werden, was – entsprechende nationale Gewinnermittlungsvorschriften vorausgesetzt – für die Bestimmung zukünftiger AfA-Werte von Bedeutung sei.8 Kostenumlagen ohne Gewinnaufschlag hält die OECD im Einzelfall bei der Entwicklung und Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter und bei unternehmensinternen Dienstleistungen für einschlägig.9

5.127 Im Übrigen scheint die OECD eine Bestimmung angemessener Verrechnungspreise für Dealings

sowohl nach den Standardmethoden (Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode) als auch nach den geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden10 (geschäftsvor1 2 3 4 5 6 7

OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 153. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 178. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 162. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 166. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 216. Kritisch Ditz, ISR 2012, 51; Busch, BB 2012, 2282. OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2017 v. 10.7.2017. 8 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 196 f.; Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1177). 9 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 185–188, 219. 10 Vgl. hierzu Kußmaul/Ruiner, BB 2012, 2025 (2026).

708 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.131 Kap. 5

fallbezogene Nettomargenmethode und geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode) zuzulassen.1 In Ermangelung hinreichender Vergleichswerte müssen ggf. die Verrechnungspreise für die fiktiven Innentransaktionen mittels hypothetischen Fremdvergleichs bestimmt werden.2 Auf Grundlage der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise für Dealings und (anteilig oder vollständig) der Betriebsstätte zuordenbarer Geschäftsvorfälle i.S. von Außentransaktionen ermittelt sich der fiktive Gewinn der Betriebsstätte, der ihr für Zwecke der Gewinnabgrenzung zugeordnet wird.

5.128

Sollten die Vertragsstaaten zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Gewinnabgrenzung kommen sieht Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 im Einzelfall die Möglichkeit eines Konsultationsverfahrens ähnlich Art. 9 Abs. 2 OECD-MA vor. Dabei kann nur die unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA Gegenstand des Verfahrens sein. Doppelbesteuerungen, die sich aus unterschiedlichen innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften der Vertragsstaaten ergeben, muss der Steuerpflichtige indes hinnehmen.3 Eine Gegenberichtigung ist allerdings nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA zwingend vorzunehmen, wenn die Finanzverwaltung in einem Vertragsstaat den vom Steuerpflichtigen für eine Betriebsstätte ermittelten Gewinn korrigiert hat (Primärkorrektur), dieser Gewinn im anderen Vertragsstaat bereits besteuert wurde und die Primärkorrektur mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA im Einklang steht.4

5.129

Teilweise wird diskutiert, ob die zwingende Gegenkorrekturverpflichtung den Finanzverwaltungen einen Anreiz für eine frühzeitige Primärverpflichtung bietet.5 Naheliegender ist, dass der zur Gegenkorrektur verpflichtete Vertragsstaat sich in der Praxis – ähnlich wie bei Gegenkorrekturen nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA – auf den Standpunkt stellen wird, die Primärkorrektur sei nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA vereinbar. Dem Steuerpflichtigen bleibt dann nur das Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-MA.

5.130

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV I. Ermächtigung zur Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte durch § 1 Abs. 5 AStG 1. Verordnungsermächtigung zur Einzelfallregelung des Fremdvergleichsgrundsatzes Mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26.6.2013 (Rz. 5.4) hat der Gesetzgeber den AOA durch Einführung von § 1 Abs. 5 AStG mit Wirkung zum 1.1.2013 in innerstaatliches Recht umgesetzt.6 Die Neuregelung ist erstmals für Wirtschaftsjahre anwendbar, die nach dem 31.12. 2012 beginnen (vgl. § 21 Abs. 20 Satz 3 AStG). Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG a.F. wurde zugunsten von § 1 Abs. 6 AStG gestrichen. Das BMF erhielt eine erweiterte Verordnungsermächtigung zur Einzelfallregelung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 5 AStG, die der Zustimmung durch den Bundesrat unterliegt (der „Verordnungsgeber“). Im Ergebnis ist § 1 Abs. 5 AStG die Ermächtigungsgrundlage für Gewinnkorrekturen in Betriebsstättenfällen. Konkrete Vorgaben zur Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit zur Umsetzung des AOA in innerstaat1 2 3 4

OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 185–188. Hierzu Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 906 ff. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 230. Zur Diskussion über die self-executing-Wirkung der Regelung vgl. Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 766 (Stand: Juli 2017) m.w.N. 5 Kahle/Mödinger, IStR 2911, 824; Malherbe/Daenen, BIT 2010, 365. 6 Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809; vgl. auch Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 ff.; Meyering/Portheine, StuB 2013, 526 ff.

Haverkamp | 709

5.131

Kap. 5 Rz. 5.132 | Betriebsstättengewinnabgrenzung liches Recht enthält das Gesetz nicht; dies erfolgt vielmehr durch die BsGaV1. Durch die Ermächtigung, Einzelbereiche durch die Verordnung zu regeln, soll eine schnellere Anpassung an internationale Entwicklungen möglich werden,2 wenngleich der Gesetzgeber auf diese Weise teilweise seine Regelungskompetenz an die Exekutive abgibt.3

5.132 Wie schon die OECD bezweckt auch der deutsche Gesetzgeber mit der Verankerung des AOA ins

deutsche Recht eine international einheitliche Besteuerung von grenzüberschreitenden Vorgängen, wobei es nicht um eine international einheitliche Besteuerung von Betriebsstätten und Stammhaus geht, sondern um einheitliche Besteuerungsansätze für Betriebsstätten und verbundene Unternehmen.4 Der Gesetzgeber zielt darauf ab, wie schon im Rahmen von § 20 Abs. 2 AStG, Betriebsstätten und Kapitalgesellschaften als Investitionsvehikel steuerlich gleich zu stellen. Insgesamt dient § 1 AStG der Sicherung des deutschen Steueraufkommens, der Vermeidung internationaler Besteuerungskonflikte (Doppelbesteuerung) und der Verhinderung einer Keinmalbesteuerung.5

5.133 Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind zivilrechtlich unwirksam (Nul-

lum). Sie wurden daher nach alter Rechtslage – wenn überhaupt – der Betriebsstätte als Kostenstelle im Rahmen der Kostenrechnung zugeordnet. Aufgrund der Neufassung des § 1 Abs. 5 AStG werden Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte steuerlich erfasst und dem Fremdvergleich unterworfen. Dafür wird fingiert, dass Stammhaus und Betriebsstätte unabhängige, selbständige Unternehmen sind. Der rechtlich und tatsächlich unselbständigen Betriebsstätte kann auf diese Weise ein Gewinn zugeordnet werden, obwohl das Gesamtunternehmen insgesamt einen Verlust erwirtschaftet.6

5.134 § 1 Abs. 5 AStG gilt für ausländische Betriebsstätten deutscher Unternehmen (Outbound) und für

inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen (Inbound).7 Die Vorschrift ist eine außerbilanzielle Korrekturnorm für den nach §§ 4, 5 EStG ermittelten Gewinn.8 Ergibt der Fremdvergleich einen geringeren inländischen Gewinn als der steuerliche Bilanzausweis, kommt es gerade nicht zu einer Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen.9 Ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG ist nämlich die Minderung inländischer oder die Erhöhung ausländischer Einkünfte; die Norm wirkt mithin allein zugunsten des nationalen Steueraufkommens. Der Steuerpflichtige muss sich hingegen auf die Schrankenwirkung des DBA berufen.10 2. Sachlicher Anwendungsbereich a) Überblick

5.135 Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG sind die Absätze 1, 3 und 4 des § 1 AStG entsprechend anwendbar, wenn

1. „für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 2 [AStG] 2. die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Er1 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 13.10.2014, BGBl. I 2014, 1603; vgl. hierzu Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); Melhem/Dombrowski IStR 2015, 912 f. 2 BT-Drucks. 17/13033, 82; Ditz, ISR 2013, 261 (262). 3 Zu einer möglichen Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz siehe Ditz, ISR 2013, 261 (266). 4 BT-Drucks. 17/13033, 82. 5 Ditz, ISR 2013, 261 (262); Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 5 (Stand: Juni 2017). 6 BT-Drucks. 17/13033, 84. 7 BT-Drucks. 17/13033, 85. 8 Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (908). 9 Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 66; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 44 (Stand: Juni 2017). 10 Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (909).

710 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.138 Kap. 5

mittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und 3. dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden.“ Ist der Tatbestand erfüllt, richtet sich die Korrektur der fiktiven Einzeltransaktionen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus nach § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG (analog). Die Gewinnkorrektur erfolgt mithin durch Korrektur einzelner Geschäftsvorfälle. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG („eine Geschäftsbeziehung im Sinne des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 2“ = „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG (analog) werden dann in einer Gesamtschau, die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte so angesetzt, wie sie sich bei Zugrundelegung fremdüblicher Bedingungen bei einem selbständigen Unternehmen realisiert hätten. b) Geschäftsbeziehung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG Nach der Vorgängervorschrift (§ 1 Abs. 5 AStG a.F.) galten allein „schuldrechtliche Beziehungen“ als Geschäftsbeziehung.1 Zwischen Stammhaus und Betriebsstätte können aber mangels Rechtsträgerqualität der Betriebsstätte gerade keine schuldrechtlichen Beziehungen geschlossen werden. Die bisherige Regelung war mithin auf sie nicht anwendbar. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG n.F. definiert deshalb den Begriff der Geschäftsbeziehung neu, als „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dabei der „wirtschaftliche Vorgang“ alle „rechtlichen Beziehungen und tatsächlichen Handlungen“ umfassen.2 Diese „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“ ist am Fremdvergleichsgrundsatz zu messen.3 Die Nähe zu den allgemeinen Verrechnungspreisbestimmungen zwischen verbundenen Unternehmen zeigt sich auch darin, dass die Bildung von Transaktionsgruppen vom Gesetzgeber anerkannt wird.

5.136

In § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG n.F. wird eine „schuldrechtliche Vereinbarung“ fingiert, soweit davon auszugehen ist, dass unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine solche abgeschlossen hätten oder Rechtspositionen geltend machen würden (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AStG). Der Steuerpflichtige kann diese Vermutung mittels Glaubhaftmachung widerlegen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AStG). Der Grund für die Fiktion ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut. Tatsächlich scheint die Fiktion überflüssig, weil die schuldrechtliche Vereinbarung nach neuer Rechtslage nicht für die Definition von Geschäftsbeziehung von Bedeutung ist, d.h. weder für Geschäftsvorfälle zwischen verbundenen Unternehmen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG) noch für Geschäftsvorfälle zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG) von Bedeutung ist. Daher ist § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG wohl allein als Gegenstück zu den „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen“ nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AStG zu verstehen,4 was aber aufgrund der systematischen Stellung auf Geschäftsvorfälle zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuwenden ist. Der Gesetzgeber scheint hier bewusst auf eine Unterscheidung zwischen Innentransaktionen und solchen zwischen Gruppengesellschaften zu verzichten.

5.137

Vor diesem Hintergrund müsste die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung für den Fall einer Betriebsstätte allerdings darauf abstellen, dass bei vergleichbarer Tatsachenlage unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter den Geschäftsvorfall durch (konstitutiven) Gesellschaftsvertrag geregelt hätten.5 Eine derartige Vereinbarung fehlt naturgemäß im Verhältnis zwi-

5.138

1 Zusammenfassend zu der Historie der Regelung und der Abgrenzung schuldrechtlicher und gesellschaftsvertraglicher Leistungsbeziehungen siehe Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85; vgl. auch Naumann, DStJG 36 (2013), 258. 2 BT-Drucks. 17/10000, 63. 3 Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 45 (Stand: Juni 2017); BT-Drucks. 17/10000, 63; a.A. Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (908). 4 Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85 (86). 5 Vgl. zur Abgrenzungssystematik Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85 (86 f.).

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Kap. 5 Rz. 5.139 | Betriebsstättengewinnabgrenzung schen Stammhaus und Betriebsstätte und kann sich wohl auch nur in besonderen Einzelfällen aus der tatsächlichen Beziehung ableiten lassen.1 Der praktische Nutzen der Regelung bleibt insofern unklar. Die BsGaV enthält hierzu keine klarstellenden Regelungen. c) Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 AStG

5.139 Entsprechend den Regelungen zum AOA wirkt der Fremdvergleichsgrundsatz2 im Rahmen von § 1

Abs. 5 Satz 1, 2 AStG auf zwei Ebenen. Zum einen setzt die Regelung voraus, dass eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung unter Bedingungen zustande kommt und abgewickelt wird, die mit dem Fremdvergleich nicht in Einklang zu bringen sind. Zum anderen wird die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch die Selbständigkeitsfiktion nach § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG erst ermöglicht. Die Betriebsstätte ist wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln. Durch diese Fiktion können der Betriebsstätte Vermögenswerte zugeordnet werden, und anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen erhalten steuerlich Bedeutung. Im Zusammenhang mit der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist es auch zu verstehen, wenn nach § 1 Abs. 5 Satz 4 AStG in einem zweiten Schritt, aufbauend auf der Zuordnung der Vermögenswerte und der Bestimmung der (ggf. zu korrigierenden) anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen,3 die „Art der Geschäftsbeziehungen“ zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen sowie die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen bestimmt werden. Der Gesetzgeber fordert eine Funktions- und Risikoanalyse.

5.140 Die Selbständigkeitsfiktion gilt ausschließlich für Zwecke der Gewinnermittlung am Maßstab des

Fremdvergleichsgrundsatzes. Sie hat keine Rechtswirkungen auf andere Bereiche des nationalen oder Internationalen Steuerrechts. Das zeigt zum einen der systematische Blick auf die Spezialregelung des § 20 Abs. 2 AStG, die anderenfalls obsolet wäre, und die enge Bindung der Selbständigkeitsfiktion an den Fremdvergleichsgrundsatz, wie er dem Gesetzestatbestand für eine Gewinnkorrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AStG zugrunde gelegt wird („Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“, § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG).

5.141 Die Selbständigkeitsfiktion soll auch im Rahmen der Einkünftekorrektur nach § 1 AStG nicht un-

eingeschränkt gelten. Die Betriebsstätte ist nicht wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, wenn „die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine andere Behandlung erfordert“. Die Öffnungsklausel ist insbesondere bei temporären Betriebsstätten (z.B. Bau- und Montagebetriebsstätten) anwendbar.4 d) Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch das zweistufige Verfahren nach § 1 Abs. 5 Satz 3, 4 AStG

5.142 Der Gesetzgeber folgt in § 1 Abs. 5 Satz 3, 4 AStG dem zweistufigen Verfahren des AOA (OECD Betriebsstättenbericht 2010).5

1 Schnitger, IStR 2012, 633 (637 f.) weist darauf hin, dass die Glaubhaftmachung des Fehlens einer schuldrechtlichen Vereinbarung zu einem Zirkelschluss führt, weil dies gerade Voraussetzung für die Annahme einer schuldrechtlichen Beziehung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG ist. M.E. ist allerdings entscheidend, dass der Wortlaut von § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG gerade nicht auf die „schuldrechtliche Beziehung“, sondern auf die „schuldrechtliche Vereinbarung“ abstellt. Will man dem Gesetzgeber keinen redaktionellen Fehler unterstellen, müssen die Begriffe streng getrennt werden. 2 Für eine Zusammenfassung der unionsrechtlichen Anforderungen an den Fremdvergleichsgrundsatz siehe Glahe, IStR 2015, 97 ff. 3 Kritisch Schön, StuW 2012, 213 (221). 4 Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 (912); Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.122 m.w.N.; vgl. auch Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (201). 5 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 429 (Stand: Juli 2017); BT-Drucks. 17/13033, 86.

712 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.145 Kap. 5

Auf der ersten Verfahrensstufe (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG) wird die Grundlage der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch eine Zuordnung von Betriebsvermögen zur Betriebsstätte geschaffen. Zugeordnet werden ihr

5.143

– Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen, § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG), – die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG), – die Chancen und Risiken des Unternehmens, die sie auf Grund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG) sowie – ein angemessenes Eigenkapital (Dotationskapital, § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG). Die Zuordnungsreihenfolge entspricht der des AOA. Ausgangspunkt der Vermögenszuordnung sind die zugeordneten Personalfunktionen (Nr. 1). Von ihnen wird die weitere Zuordnung der Vermögenswerte (Nr. 2) und der Chancen und Risiken (Nr. 3) abgeleitet. Dem liegt der Grundgedanke des AOA zugrunde, dass der Betriebsstätte grundsätzlich die Vermögenswerte und Unternehmensrisiken (z.B. Vorrats-, Kredit-, Währungs- und Gewährleistungsrisiken) zuzuordnen sind, für die das Personal der Betriebsstätte die Verantwortung trägt.1 Das Dotationskapital muss hingegen nach dem Gesetzeswortlaut ein „angemessenes Eigenkapital“ darstellen (Nr. 4). Von genauen Verfahrensregelungen zum Zwecke einer einheitlichen Zuordnung hat der Gesetzgeber aufgrund der erforderlichen Regelungsdichte abgesehen. Einzelfallregelungen sind der BsGaV vorbehalten (§ 1 Abs. 6 AStG).2 Die BsGaV konkretisiert die Regelungen nach § 1 Abs. 5 Satz 2–4 AStG, also allein der Erfolgs- und Vermögensabgrenzung.3 Unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten muss sich gem. Art. 20 Abs. 3, 80 GG der Regelungsgehalt der Verordnungsnormen aus dem abstrakt generellen Gesetzesbefehl nach § 1 Abs. 6 AStG ableiten lassen, der in § 1 Abs. 5 AStG angelegt ist.4 Die zweite Verfahrensstufe hat die eigentliche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zum Gegenstand: Die internen Geschäftsbeziehungen (sog. „dealings“ bzw. „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“, Rz. 5.75, 5.103, 5.125 ff., 5.136 ff.) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind ihrer Art nach zu identifizieren und ein angemessener Verrechnungspreis i.S. von § 1 Abs. 3 AStG ist zu bestimmen. Dies ist die Grundlage, auf der Korrekturen der Betriebsstätteneinkünfte ermittelt werden.5

5.144

3. Persönlicher Anwendungsbereich § 1 Abs. 5 Satz 5 und 7 AStG a) Unternehmer Die Regelung nach § 1 Abs. 4, 5 AStG stellt auf den Begriff des Unternehmers ab. Der Gesetzgeber wollte hiervon jede gewerbliche und selbständige Tätigkeit erfasst wissen.6 Nach § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG ist § 1 Abs. 5 Satz 1–4 AStG jedoch nicht auf Geschäftsbeziehungen zwischen einem Gesell1 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 68; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. L, Rz. 72. 2 BT-Drucks. 17/10000, 66. 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 780. Man wird wohl sagen müssen, dass die BsGaV die Regelungen nach § 1 Abs. 5 AStG nicht allein konkretisiert, sondern vielmehr konstitutiv Regelungen schafft. 4 Zur Wesentlichkeitstheorie siehe Jarass in Jarass/Pieroth14, Art. 20 GG Rz. 46 m.w.N. 5 Zu den europarechtlichen Anforderungen an den Fremdvergleich siehe EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C311/08 – SGI, ECLI:EU:C:2010:26; Englisch, IStR 2010, 139 ff.; Schön, IStR 2011, 777 (782); Andresen, IStR 2010, 289 ff.; Glahe, IStR 2010, 870 ff. 6 Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2013 v. 23.5.2012, 108 siehe bei Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.131.

Haverkamp | 713

5.145

Kap. 5 Rz. 5.146 | Betriebsstättengewinnabgrenzung schafter und seiner Personengesellschaft bzw. zwischen einem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft anzuwenden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Beteiligung unmittelbar oder ob sie gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG mittelbar besteht. § 1 Abs. 1 AStG gilt vielmehr unmittelbar. b) Ständige Vertreter (§ 1 Abs. 5 Satz 5 AStG)

5.146 Nach § 1 Abs. 5 Satz 5 AStG sind Selbständigkeitsfiktion, Fremdvergleichsgrundsatz und die Mög-

lichkeit zur Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1–4 AStG entsprechend auf den ständigen Vertreter anzuwenden. Der ständige Vertreter ist i.S. von § 13 AO zu verstehen.1 Ständiger Vertreter im Sinne der Vorschrift ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Dieser Definition unterfällt insbesondere eine Person, die für ein Unternehmen nachhaltig Verträge abschließt oder vermittelt, Aufträge einholt oder einen Bestand von Gütern oder Waren unterhält und davon Auslieferungen vornimmt.2

5.147 Die Anordnung einer entsprechenden Anwendung ist erforderlich, da ein ständiger Vertreter nach OECD-Grundsätzen (vgl. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA) – anders als nach nationalem Recht – als Betriebsstätte behandelt wird (Vertreterbetriebsstätte). Die Existenz einer Vertreterbetriebsstätte wird damit fingiert; nicht der Vertreter als Person stellt eine Vertreterbetriebsstätte dar.3 4. Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG i.V.m. § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG

5.148 Nach § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG schließt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Ge-

schäftsbeziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gem. § 1 Abs. 5 Satz 1, 2 AStG nicht die Möglichkeit aus, bei der Aufdeckung stiller Reserven aufgrund einer zeitgleichen Entstrickung eines Wirtschaftsguts einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG zu bilden.4 Nach § 4g Abs. 1 Satz 1 EStG kann ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens auf Antrag einen Ausgleichsposten bilden, soweit das Wirtschaftsgut infolge seiner Zuordnung zu einer Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als entnommen gilt. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG fingiert die Entnahme, wenn das Wirtschaftsgut eines inländischen Unternehmens ins Ausland überführt wird, wodurch das nationale Besteuerungsrecht ausgeschlossen wird (Entstrickung). Die mit der fingierten Entnahme verbundene Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven wird zeitlich hinausgeschoben durch die Bildung eines gewinnmindernden Ausgleichsposten.5 Statt der Sofortversteuerung der aufgedeckten stillen Reserven steht dem unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmensteil (Stammhaus oder Betriebsstätte) also wie verbundenen Unternehmen alternativ eine über fünf Jahre gestreckte Besteuerung zur Verfügung. Für im Inland beschränkt Steuerpflichtige gilt § 4g EStG nach § 12 Abs. 1 Satz 1 a.E. KStG entsprechend.

5.149 In sachlicher Hinsicht gilt § 4g EStG nur für das Anlagevermögen, nicht für Umlaufvermögen. Das

Wirtschaftsgut muss in seiner Substanz entnommen worden sein, nicht nur hinsichtlich seines Nutzwerts.6 Die Besteuerung der stillen Reserven erfolgt standardmäßig in Höhe von 1/5 pro Wirtschaftsjahr, und zwar unabhängig davon, ob es sich um abnutzbare Wirtschaftsgüter (z.B. Anteile an Kapitalgesellschaften, Grund und Boden, Lizenzen) handelt. 1 BR-Drucks. 401/14, 140 zu § 39 BsGaV. 2 Vgl. zu den Besonderheiten einer Vertreterbetriebsstätte vor dem Hintergrund von § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 39 BsGaV Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, IStR 2014, 81 ff.; Oestreicher/van der Ham/ Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1 (5 ff.). 3 Vgl. zur Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten Ditz/Bärsch IStR 2013, 411 ff. 4 BT-Drucks. 17/10000, 65; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 202 (Stand: Juni 2017); Kahle, DStZ 2012, 691 (698). 5 Crezelius in Kirchhof16, § 4g EStG Rz. 1. 6 Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 f.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.153 Kap. 5

5. Escape-Klausel nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG Durch die Neufassung des § 1 Abs. 5 AStG können Doppelbesteuerungskonflikte mit Staaten entstehen, mit denen ein DBA abgeschlossen ist, das nicht dem AOA folgt. Hintergrund ist, dass § 1 Abs. 5 AStG losgelöst vom konkreten Inhalt der einschlägigen DBA greift. Derzeit enthalten die Mehrzahl der deutschen DBA keine dem AOA entsprechende Regelung. Es ist der Verhandlung der betroffenen Staaten überlassen, ob die Regelung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 in bestehende DBA eingefügt und in neu abzuschließende DBA übernommen wird.

5.150

Auch sind der AOA und § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV nicht deckungsgleich.1 Daher kann es auch in den Fällen, in denen der AOA im DBA aufgenommen wurde, durchaus zu Doppelbesteuerungen kommen. Bei der Kollision von völkerrechtlich geltender eingeschränkter Selbständigkeitsfiktion und national geltender uneingeschränkter Selbständigkeitsfiktion droht die Gefahr der Doppelbesteuerung aufgrund unterschiedlicher Betriebsstättengewinnabgrenzungen. Dieser Treaty Override2 wird durch § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG abgemildert, indem dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, durch Nachweis einer tatsächlichen Doppelbesteuerung anhand entsprechender Unterlagen (z.B. ausländischer Steuerbescheid und ergänzende Unterlagen)3 die Anwendung von § 1 Abs. 5 Sätze 1–7 AStG auszuschließen (Escape-Klausel). Den Regelungen des konkreten DBA wird dann Vorrang gewährt.

5.151

II. Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 Abs. 6 AStG i.V.m. BsGaV 1. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) Am 18.10.2014 ist die „Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV)“ vom 13.10.2014 in Kraft getreten.4 Hierzu hat der parlamentarische Gesetzgeber das BMF unter Zustimmung des Bundesrats gem. § 1 Abs. 6 AStG ermächtigt.5

5.152

2. Sachlicher Anwendungsbereich § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 1 BsGaV findet in allen Fällen Anwendung, in denen es um die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eines Einheitsunternehmens geht. Wie bei der formalrechtlichen Gesetzesgrundlage wird grundsätzlich nicht unterschieden zwischen ausländischen Betriebsstätten eines inländischen Unternehmens (Outbound) und inländischen Betriebsstätten eines ausländischen Unternehmers (Inbound). Nach § 2 Abs. 1, 2 BsGaV ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung entscheidend dafür, ob ein Unternehmen inländisch oder ausländisch ist. Unabhängig von den einschlägigen Regelungen des DBA richtet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nach § 10 AO.6 Begrifflich wird insofern zwischen der Geschäftsleitungsbetriebsstätte bzw. dem Stammhaus und der operativen Betriebsstätte im anderen Staat unterschieden. 1 Ditz in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, 109 (137 f.). 2 Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 206 (Stand: Juni 2017); siehe auch Entscheidung des BVerfG v. 15.12. 2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 zur Verfassungsmäßigkeit steuerlicher Treaty Overrides mit abw. Stellungnahme von König. 3 BT-Drucks. 17/10000, 65. 4 BGBl I 2014, 1603. 5 Zu den Zweifeln an der Reichweite dieser Ermächtigung vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 502; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 211 (Stand: Juni 2017); Schnitger, IStR 2012,633 (634); Ditz, ISR 2013, 261 (267). 6 BR-Drucks. 401/14, 45.

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5.153

Kap. 5 Rz. 5.154 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.154 Neben einem allgemeinen Teil zum grundsätzlichen Vorgehen bei der Gewinnabgrenzung zwischen

dem Stammhaus und der operativen Betriebsstätte enthält die BsGaV Sondervorschriften für Finanzdienstleister, Bau- und Montageunternehmen, Explorationsbetriebsstätten und Vertreterbetriebsstätten. Damit ist der Detailierungsgrad der Verordnung größer als derjenige des Betriebsstättenberichts der OECD, der lediglich für Bank- und Versicherungsbetriebsstätten Sonderregelungen vorsieht.1 3. Zeitlicher Anwendungsbereich a) Überblick

5.155 Die Verordnung ist nach § 41 BsGaV am 18.10.2014, einen Tag nach ihrer Verkündung (diese

erfolgte am 17.10.2014 im Bundesgesetzblatt2), in Kraft getreten und findet für Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 31.12.2014 beginnen (§ 40 BsGaV)3. Damit fallen der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 AStG und der Verordnung auseinander, denn die gesetzliche Regelung findet bereits seit dem 1.1.2013 Anwendung (§ 21 Abs. 20 AStG; Rz. 5.131). Eine Rückwirkung der Verordnung hat der Verordnungsgeber aufgrund vehementer Kritik nach der Bekanntmachung des Verordnungsentwurfs4 bewusst vermeiden wollen.5 Rechtsunsicherheiten für den Zeitraum zwischen dem 1.1.2013 und dem 31.12.2014 sollen durch Verwaltungserlass geregelt werden.6 Am 18.3.2016 brachte das BMF zunächst das Entwurfs-Schreiben zur Auslegung und Anwendung des BsGaV heraus, das dann am 22.12.2016 unter Zustimmung des Bundesrats endgültig veröffentlicht wurde („Grundsätze für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und auf die Ermittlung der Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung [Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung – VWG BsGa]“7). Das Schreiben enthält Übergangsregelungen sowohl für Jahre vor dem 1.1.2013 als auch für den Zeitraum zwischen dem 1.1.2013 und dem 31.12.2014. Gleichzeitig regeln die VWG BsGa den Übergang zur neuen Rechtslage für Dauerbetriebsstätten.8 b) Wirtschaftsjahre vor dem 1.1.2013

5.156 Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2013 beginnen, soll weiterhin der („alte“) Betriebsstättenerlass9 gelten.10

c) Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2012 und vor dem 1.1.2015 – teilweise Verfassungswidrigkeit der BsGaV

5.157 Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, soll die Betriebsstätte grundsätzlich wie ein uneingeschränkt selbständiges Unternehmen behandelt werden.11 Allerdings bestehen Beson-

1 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil II–IV. 2 BGBl. I 2014, 1603. 3 Kritik an der kurzen Frist für die Implementierung der neuen Regelung Nientimp/Ludwig/Stein, IWB 2014, 809 (826). 4 Vgl. Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 715 (Stand: Juli 2017). 5 BR-Drucks. 401/14, 142. 6 BR-Drucks. 401/14, 142. 7 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 – im Folgenden VWG BsGa. 8 Zu dem Thema vgl. Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.202 f. 9 BS-VWG. 10 VWG BsGa, Rz. 436. 11 VWG BsGa, Rz. 438 f.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.161 Kap. 5

derheiten dahingehend, dass die Definitionen und Sonderregelungen, die der BsGaV vorbehalten sind, noch keine Anwendung finden.1 Das gelte auch für die Zuordnungsregelungen nach §§ 4–11 BsGaV, die nur andeutungsweise in § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG erwähnt sind.2 Insofern ergebe sich die Rechtsgrundlage aus dem OECD-Betriebsstättenbericht.3 Es sei die ausdrückliche Vorstellung des Gesetzgebers4, mit § 1 Abs. 5 AStG den AOA in innerstaatliches Recht umzusetzen. Mithin sei vor dem Inkrafttreten der Einzelfallregelungen der BsGaV auf die Interpretationen des OECD-Betriebsstättenberichts zurückzugreifen. Mit dieser Argumentation müsste grundsätzlich immer die Auslegung von § 1 Abs. 5 AStG anhand des AOA nach dem Betriebsstättenbericht der OECD den Einzelfallregelungen der BsGaV als niedrigeres – weil rein materielles – Recht vorgehen. Dieses Rechtsverständnis muss daher durchaus kritisch gesehen werden.5 Für den Übergangszeitraum sei der Steuerpflichtige nicht zur Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV verpflichtet.

5.158

Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen seien bereits auf Grundlage von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG zu berücksichtigen. Aufgrund der tatsächlichen funktionalen Umstände seien die schuldrechtlichen Beziehungen zu fingieren.6 Damit entfernt sich die Finanzverwaltung nicht allzu weit von der BsGaV. In der Praxis wird sie wohl auch in der Übergangszeit auf § 16 BsGaV abstellen.

5.159

Die besonderen Regelungen der BsGaV zur Bestimmung des Dotationskapitals (§§ 12, 13 BsGaV), die Zuordnung von Passivposten und Finanzierungsaufwendungen (§§ 14, 15 BsGaV) und die Zuordnung und Auslegung einer Finanzierungsfunktion nach § 17 BsGaV seien nicht anzuwenden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung enthält § 1 Abs. 5 AStG „keine ausdrückliche Rechtsgrundlage“ für diese Einzelregelungen.7 Dies vorausgeschickt, hätte die Finanzverwaltung diese Vorschriften auch nicht in die BsGaV aufnehmen dürfen. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG dürfen Rechtsverordnungen nicht weiter gehen als die Rechtsgrundlage, auf der sie fußen. Die BsGaV dient nach § 1 Abs. 6 AStG dazu „Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne der Absätze 1, 3, und 5 und Einzelheiten zu dessen einheitlicher Anwendung zu regeln sowie die Grundsätze zur Bestimmung des Dotationskapitals im Sinne des Absatzes 5 Satz 3 Nummer 4 festzulegen.“ Es fällt auf, dass das BMF zwar berufen ist, die Grundsätze zur Bestimmung des Dotationskapitals auszugestalten. Nicht hingegen lassen sich Regelungen in § 1 Abs. 6 AStG oder in § 1 Abs. 5 AStG zur noch darzustellenden Zuordnung von Passivposten als Residualgröße, zur Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen und der Finanzierungsfunktion nach § 17 BsGaV finden. Deutliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verordnung sind insofern angezeigt.8

5.160

d) Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.2014 – Aufdeckung stiller Reserven ipso iure Bis zum 31.12.2014 sei die Zuordnung von Vermögenswerten durch den Steuerpflichtigen von der Finanzverwaltung zu akzeptieren.9 Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, muss der Steuerpflichtige erstmalig nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BsGaV Wirtschaftsgüter und sonstige Vermögenswerte der Betriebsstätte zuordnen. Damit komme es zu fiktiven Entnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG – Entstrickung) und fiktiven Veräußerungen nach § 12 KStG bzw. zu fiktiven Ein1 2 3 4 5 6 7 8

Eine Rückwirkung ist aus Sicht der Verwaltung nicht zu beanstanden, VWG BsGa, Rz. 442. VWG BsGa, Rz. 444 f. VWG BsGa, Rz. 442, 441. BT-Drucks. 17/10000, 61. Vgl. Haverkamp, ISR 2017, 33 (40). VWG BsGa, Rz. 448. VWG BsGa, Rz. 446, 447, 449. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 502; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 211 (Stand: Juni 2017); Schnitger, IStR 2012, 633 (634); Ditz, ISR 2013, 261 (267). 9 VWG BsGa, Rz. 450.

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5.161

Kap. 5 Rz. 5.162 | Betriebsstättengewinnabgrenzung lagen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG – Verstrickung).1 Liquiditätsbelastungen mögen im Einzelfall durch Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO oder durch Ansatz eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG abgemildert werden.2 In Ermangelung eines tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs entfalle eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV.3 Ob hier ohne tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgang von einer Zuordnungsänderung im Sinne der Ent- und Verstrickungsregelungen ausgegangen werden kann, ist durchaus fraglich. Anders als bei einer späteren Zuordnungsänderung (Rz. 5.253 ff.) erhält Deutschland z.B. die Besteuerungshoheit an den stillen Reserven nach § 4 Abs. 1 Satz 2, 3 EStG nur, weil und wenn die Zuordnung auch abkommensrechtlich wechselt. Das setzt voraus, dass der AOA von beiden Vertragsstaaten deckungsgleich anhand der Einzelregelungen der BsGaV ausgelegt wird (gemeint ist ab dem 1.1.2015). Das ist an sich schon äußerst zweifelhaft. Darüber hinaus soll nicht eine tatsächliche Handlung die Besteuerung auslösen, sondern allein die Tatsache, dass die deutsche Finanzverwaltung ein bestehendes (!) DBA neu auslegt. Die Problematik ist vergleichbar mit dem Themenkreis einer Entstrickung aufgrund bloßer Abkommensänderung.4 Die Besonderheit besteht aber darin, dass sich nicht einmal das einschlägige DBA ändert, sondern nur die einseitige Auslegung des DBA durch die inländische Finanzverwaltung (Rz. 5.163 ff.). 4. Verwaltungsansicht: BsGaV vs. DBA a) Überblick

5.162 Die Verwaltung hat sich in den VWG BsGa dazu geäußert, in welchem Verhältnis die Regelungen

des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV zu den Abgrenzungsregelungen nach den verschiedenen DBA-Fassungen stehen sollen, und gleichzeitig zusätzliche Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen aufgestellt.5 Typisierend wird hier versucht, das nationale Rechts- und Begriffsverständnis, wie es in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV seinen Ausdruck gefunden hat, auf alle offenen Fälle anzuwenden.

5.163 Die VWG BsGa enthalten dezidierte Regelungen zur Anwendung und zur Auslegung der verschiedenen DBA-Regelungen.6 Unterschieden werden drei Fallgruppen:

1. Das DBA entspricht dem OECD-Musterabkommen 2010 (OECD-MA 2010). 2. Das DBA entspricht dem OECD-Musterabkommen 2008 (OECD-MA 2008). 3. Der Betriebsstättenstaat ist nicht Mitglied der OECD, das DBA entspricht OECD-MA 2008 bzw. dem Musterabkommen der Vereinten Nationen. b) DBA-Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2010

5.164 Die VWG BsGa sprechen zunächst die Fallgruppe an, dass das DBA eine Regelung entsprechend

Art. 7 OECD-MA 2010 enthält (z.B. DBA Liechtenstein, Luxemburg, Norwegen) oder der ausländische Staat zu erkennen gegeben hat, dass er den AOA im DBA mit Deutschland für anwendbar hält (wie die USA).7 Aus Verwaltungssicht wird unterstellt, dass der andere Vertragsstaat der Auslegung des AOA entsprechend der inländischen Umsetzung durch § 1 Abs. 5 AStG, der BsGaV und den VWG BsGa folgen wird. Die Regelungen der BsGaV sollen mithin deckungsgleich mit

1 2 3 4 5 6

VWG BsGa, Rz. 451. VWG BsGa, Rz. 455–459. VWG BsGa, Rz. 452. Vgl. zu dieser Diskussion Reiter, IStR 2012, 357. VWG BsGa, Rz. 433. Hier nimmt die Finanzverwaltung wohl eine Wechselwirkung an, wenn sie die Interpretation auslegungsfähiger Begriffe in § 1 Abs. 5 AStG durch den OECD-Betriebsstättenbericht für zulässig erklärt, vgl. VWG BsGa, Rz. 441. 7 VWG BsGa, Rz. 425.

718 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.167 Kap. 5

den Regelungen des AOA im abkommensrechtlichen Sinne sein. Das steuerpflichtige Unternehmen sei angehalten, seine „Betriebsstätteneinkünfte entsprechend § 1 Absatz 5 AStG und der BsGaV zu ermitteln“.1 Auch sei die Escape-Klausel nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG nicht anwendbar.2 Damit erklärt die Finanzverwaltung die Regelungen der BsGaV zur verbindlichen Auslegung des AOA nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Sollten trotzdem Doppelbesteuerungskonflikte entstehen, seien diese mittels Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-MA zu lösen.3 Im Ergebnis wird der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG eingeschränkt. Der Abkommensschutz wird damit weiter ausgehöhlt. c) DBA mit OECD-Mitgliedstaat mit Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2008 Bei OECD-Mitgliedsstaaten mit einem DBA in der Fassung des OECD-MA 2008 unterstellt die Verwaltung, dass auch in diesem Fall der andere Vertragsstaat der Auslegung des AOA nach § 1 Abs. 5 AStG, der BsGaV und den VWG BsGa folgt. Unter den OECD-Mitgliedstaaten sei man sich einig, dass der AOA auch den Sinn und Zweck bestehender DBA besser widerspiegele als der damalige OECD-MK.4 Die im Inland verpflichtende Ermittlung und Erklärung von Betriebsstätteneinkünften nach § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV führe insofern im Ausland nicht zur Doppelbesteuerung.5 Allerdings wendet die Finanzverwaltung diese Grundsätze auch bei der Auslegung des DBA zugunsten des Steuerpflichtigen an.6 Im Regelfall sei die Escape-Klausel nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG nicht anwendbar. Unter Umständen käme auch hier ein Verständigungsverfahren in Betracht. Sofern der OECD-MK 2008 spezielle Regelungen enthält, seien diese vorrangig anwendbar. Dies sei mit Blick auf die Bewertung immaterieller Werte der Fall.7

5.165

Der Steuerpflichtige müsse auf die Abweichung von § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV in seiner Steuererklärung ausdrücklich hinweisen.8 Die Finanzverwaltung setzt sich mit ihrer Auslegung der abkommensrechtlichen Gewinnabgrenzungsvorschriften über die Rechtsprechung und herrschende Literaturmeinung zum Verbot einer dynamischen Auslegung von DBA hinweg (Rz. 5.84 ff.). In der Praxis hat der Steuerpflichtige daher im Ergebnis ein Wahlrecht, ob er sich auf die für die Finanzverwaltung bindende Auslegung von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 im Einzelfall berufen oder ob er hiervon abweichend die einschlägigen DBA-Regelungen nach bisherigem Verständnis, insbesondere die eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion, unter Verweis auf die Rechtsprechung zur statischen Auslegung von DBA anwendet.

5.166

d) DBA mit Nicht-OECD-Mitgliedstaat mit Regelung entsprechend Art. 7 OECD-MA 2008 bzw. Art. 7 UN-MA Schließlich sehen die VWG BsGa vor, Betriebsstättengewinne in Staaten, die nicht OECD-Mitglied sind und deren relevante DBA-Regelungen Art. 7 OECD-MA 2008 oder Art. 7 UN-MA entsprechen, nach dem Betriebsstättenerlass zu ermitteln. Gewinnrealisierungen aufgrund von Innentransaktionen kommen dann nur im Rahmen der Ent- und Verstrickungsregelungen in Betracht. Der Steuerpflichtige muss mit Abgabe seiner inländischen Steuererklärung auch die Steuererklärungen, die er im anderen Vertragsstaat abgegeben hat, sowie entsprechende Steuerbescheide aus dem Vertragsstaat vorlegen.9 Das zuständige Finanzamt soll dann (ggf. unter Einschaltung des BZSt) prüfen, ob im anderen Vertragsstaat durch offizielle öffentliche Äußerungen die Anwendbarkeit des 1 2 3 4 5 6 7 8 9

VWG BsGa, Rz. 425. VWG BsGa, Rz. 425 a.E. VWG BsGa, Rz. 426. VWG BsGa, Rz. 427. VWG BsGa, Rz. 427. Siehe VWG BsGa, Rz. 427 („Fall“). Art. 7 Rz. 34 OECD-MK 2008. VWG BsGa, Rz. 429. VWG BsGa, Rz. 430.

Haverkamp | 719

5.167

Kap. 5 Rz. 5.168 | Betriebsstättengewinnabgrenzung AOA anerkannt wurde.1 Sollte dies der Fall sein, will die Finanzverwaltung bei der Besteuerung wohl auch auf § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. BsGaV abstellen. Ist dies nicht der Fall müsse der Steuerpflichtige sich im Übrigen nicht auf § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG berufen.2 Die Regelungen soll wohl von Amts wegen geprüft werden.

5.168 Warum der Steuerpflichtige nunmehr aber dafür nachweispflichtig sein soll, dass ein DBA nach

OECD-MA 2008 oder sogar nach UN-MA nicht dem AOA folgt, ist in Anbetracht der breiten internationalen Ablehnung des AOA (Rz. 5.77 ff.) unverständlich und überanstrengt die Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO. Der Finanzverwaltung ist augenscheinlich klar, dass jedenfalls in diesen Fällen sich eine Anwendung des AOA abkommensrechtlich verbietet. Die Beibringung ausländischer Steuererklärungen und Steuerbescheide ist weder geeignet noch erforderlich, um das Ob und das Wie der Anwendung des AOA im Ausland zu erforschen. Aus diesem Grund verzichtet die Verwaltung wohl auch rechtsverbindlich auf die Nachweispflichten des Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG.3 e) Dogmatische Schwäche der Verwaltungsansicht

5.169 Wie schon im Zusammenhang mit dem AOA der OECD dargestellt, geht die Ansicht der Finanz-

verwaltung grundlegend fehl (vgl. Rz. 5.84 ff.). Gegen eine einheitliche Auslegung von Abkommens- und inländischem Recht am Maßstab der VWG BsGa spricht die jüngere Rechtsprechung des BFH zu Art. 9 OECD-MA.4 Der BFH hat in verschiedenen Urteilen entschieden, dass Gewinnkorrekturen nach § 8 Abs. 3 KStG und nach § 1 AStG aufgrund der Schrankenwirkung von Art. 9 OECD-MA im Konkurrenzwege hinter den abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz zurücktreten. Das muss auch für das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Fremdvergleichsgrundsatz gem. Art. 7 OECD-MA und § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV gelten. Die Verwaltungsansicht verkehrt dieses Konkurrenzverhältnis und höhlt die Schrankenwirkung von Art. 7 OECD-MA aus. Ohne entsprechende Rechtsgrundlage verbietet sich dieser faktische Treaty Override. Per Referentenentwurf vom 31.5.2016 („Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen“) hatte das BMF zwar mit § 1 Abs. 1 Satz 5 AStG-E eine mögliche Rechtsgrundlage für die Überlagerung des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes durch § 1 AStG vorgesehen. Der parlamentarische Gesetzgeber hat diesen Gesetzesvorschlag aber verworfen. 5. Systematik der Gewinnabgrenzung

5.170 Systematisch folgt die BsGaV dem zweistufigen Aufbau des AOA. In § 1 Abs. 1 BsGaV wird unterschieden zwischen

– der Funktions- und Risikoanalyse (Schritt 1) und – der Vergleichbarkeitsanalyse (Schritt 2). In einem ersten Schritt wird fingiert, dass die Betriebsstätte ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen sei, um dann in einem zweiten Schritt das (außen-)steuerliche Ergebnis der Betriebsstätte am Maßstab der Verrechnungspreisgrundsätze zu ermitteln. Inhaltlich werden hierfür zunächst auf Grundlage des Ergebnisses der Funktions- und Risikoanalyse der Betriebsstätte Vermögenswerte (worunter nicht nur Wirtschaftsgüter zu verstehen sind) zugeordnet. Im Anschluss werden in einem zweiten Schritt der Betriebsstätte Innen- und Außenumsätze im Sinne von Ge1 2 3 4

VWG BsGa, Rz. 431. VWG BsGa, Rz. 432. VWG BsGa, Rz. 432. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261 = SteuK 2015, 173 m. Anm. Haverkamp/Binding; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 24.3.2015 – I B 103/13, BFH/NV 2005, 1009; v. 11.10. 2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 96 ff. m. Anm. Haverkamp.

720 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.173 Kap. 5

schäftsvorfällen und sog. anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (Dealings; Rz. 5.75, 5.103, 5.125 ff.) zugerechnet und diese am Maßstab der Verrechnungspreismethoden nach § 1 Abs. 3 AStG bewertet (Vergleichbarkeitsanalyse). Im Ergebnis soll sich so ein am Fremdvergleichsmaßstab gemessener Betriebsstättengewinn ermitteln. Die Zuordnung von Personalfunktionen und von Vermögenswerten folgt grundsätzlich dem gleichen Schema. Die Zuordnung erfolgt anhand einer Vermutungsregelung (z.B. Nutzen bei materiellen Wirtschaftsgütern), für die Sonderregelungen im Fall einer Funktionsaufteilung greifen. Eine Funktionsaufteilung besteht dann, wenn die maßgebliche Personalfunktion in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt wird. Um eine möglichst umfassende Regelungswirkung zu erreichen, die den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht wird, sieht die BsGaV verschiedene Öffnungsklauseln vor, auf die abweichende Zuordnungen gestützt werden können. Ein Beispiel ist die Personalfunktionenkonkurrenz; verschiedene Personalfunktionen können eine maßgebliche Bedeutung für den Vermögenswert haben. Aufgrund qualitativer (u.U. auch quantitativer) Umstände wird im Einzelfall ermittelt, bei welcher Betriebsstätte der Vermögenswert sachgerecht zugeordnet werden muss. Sollten diese Zuordnungsüberlegungen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, räumt die Verordnung dem Steuerpflichtigen einen Beurteilungsspielraum ein, wenngleich ihn die verfahrensrechtliche Feststellungslast dafür trifft, dass die Zuordnung nach den anderen Kriterien keine „eindeutigen“ Ergebnisse liefert.1

5.171

6. Personalfunktion als Ausgangspunkt der Zuordnung a) Begriff der Personalfunktion Ausgangspunkt für die Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken und von Geschäftsvorfällen zur Betriebsstätte ist die Personalfunktion nach §§ 4, 2 Abs. 3 BsGaV. Die Personalfunktion ist in § 2 Abs. 3 Satz 1 BsGaV legaldefiniert als „Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird“. Dabei handelt es sich insbesondere um

5.172

– die Nutzung, – die Anschaffung, – die Herstellung, – die Verwaltung, – die Veräußerung, – die Weiterentwicklung, – den Schutz, – die Risikosteuerung und – die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen. b) Identifizierung von Funktionen Personalfunktionen sind betriebswirtschaftliche Funktionen, die durch das Personal des Unternehmens als Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfungskette ausgeübt werden.2 Mangels eigener 1 Vgl. beispielhaft bei der Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter VWG BsGa, Rz. 84. 2 Vgl. Tcherveniachki, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar v. 7.11.2014, 13 (abrufbar unter: http://www.fachanwalt-fuer-steuerrecht.de/vaBochumerSteuerseminar.aspx?vaGroup=vaBochumerSteu erseminar), der darauf hinweist, dass in der betriebswirtschaftlichen Literatur bislang nicht geklärt ist, welchem Wertschöpfungsbeitrag die größte Bedeutung zukommen muss (Entwicklung, Schaffung oder Nutzung).

Haverkamp | 721

5.173

Kap. 5 Rz. 5.174 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Rechtspersönlichkeit der Betriebsstätte kann die Funktionsanalyse sich nicht an vertraglichen Absprachen orientieren.1 Auch sollten Pro-forma-Verträge2 zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgrund der inhärenten Manipulationsgefahr für die Funktions- und Risikoverteilung unbeachtlich sein.3 Vielmehr stellt die Rechtsverordnung auf die tatsächliche Funktionsausübung durch das Personal des Einheitsunternehmens ab (Personalfunktion).4 Das setzt eine gruppeninterne Funktions- und Wertschöpfungsanalyse voraus, um bestimmen zu können, welche Personalfunktionen durch welches Personal in welcher Betriebsstätte ausgeübt wird.5 Diese Analyse ist Ausgangspunkt für die weitere Vermögenszuordnung zwischen dem Stammhaus und dessen Betriebsstätten. Dabei kann es durchaus dazu kommen, dass einzelne Mitarbeiter verschiedene Personalfunktionen für unterschiedliche Betriebsstätten des Unternehmens ausüben.6 Beispiel:7 Die Consultingagentur X unterhält Betriebsstätten in verschiedenen Staaten. Der Mitarbeiter A reist in diese Staaten, um dort an jeweils mehr als 30 Tagen Kunden der X zu beraten. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 BsGaV übt der Mitarbeiter A nacheinander die Personalfunktion jeweils zugunsten der einzelnen Betriebsstätte aus, der die Personalfunktion zuzurechnen ist.

c) Maßgebliche und nicht-maßgebliche Personalfunktionen

5.174 Die Rechtsverordnung unterscheidet zwischen maßgeblichen und nicht-maßgeblichen Personal-

funktionen. Dies ist der Maßstab, an dem im Einzelfall die Abgrenzung vorzunehmen ist, wenn die Personalfunktionen verschiedener Betriebsstätten die Zuordnung von Vermögenswerten sowie von Chancen und Risiken betreffen.8 Welche Personalfunktion maßgeblich für deren Zuordnung ist, bestimmt sich durch Einzelfallabwägung. Die Vermögenswerte sowie Chancen und Risiken folgen der Personalfunktion, die „im üblichen Geschäftsbetrieb“ die „größte Bedeutung für den jeweiligen Zuordnungsgegenstand“ hat (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BsGaV). Die Abwägung versucht der Verordnungsgeber, mittels Negativabgrenzung weiter zu konkretisieren. Nicht-maßgeblich sind nach § 2 Abs. 5 Satz 2 BsGaV insbesondere9 solche Personalfunktionen, die lediglich unterstützenden Charakter haben, oder solche, die ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Einheitsunternehmens betreffen (Strategiefunktionen10). Die Finanzverwaltung ergänzt die Regelbeispiele um den Sonderfall, dass die Personalfunktion „lediglich formal durch Personal einer Betriebsstätte ausgeübt“ wird.11 Die tatsächliche Funktionsausübung vor Ort ist mithin für die Maßgeblichkeit entscheidend. Für die Praxis bedeutet dies erhöhte Substanzanforderungen an die einzelnen Betriebsstätten, was eine genauere Planung der Ressourcen und Kapazitätszuteilung sowie eine verbesserte Dokumentation der Arbeitsabläufe verlangt.

5.175 Bloßen Verwaltungstätigkeiten wie z.B. Rechts- und Steuerberatung, Buchhaltung oder interne Re-

vision kommt eine lediglich unterstützende Personalfunktion zu.12 Neben dem Dienstleistungscha-

1 OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen 2017 v. 10.7.2017, Rz. 1.42 ff. 2 Vgl. hierzu Kroppen, DB 2014, 2134 (2136); Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487 (492). 3 Roeder/Friedrich, BB 2015, 1053 (1054). 4 Kritisch Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 472 mit Beispielen. 5 Fraglich ist, wie der Gewinn bei automatisierten Betriebsstätten abgegrenzt werden soll, bei denen kein Personal tätig ist (Pipeline, Stromnetz, Automat, Server). Im Extremfall sollte die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 1 Abs. 5 AStG entfallen und sich die Besteuerung allein nach §§ 49, 50 i.V.m. §§ 4, 5 EStG richten, vorausgesetzt der Betriebsstättentatbestand nach § 12 AO ist erfüllt. 6 VWG BsGa, Rz. 36. 7 Vgl. Beispielsfall in VWG BsGa, Rz. 36. 8 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 466. 9 Hierbei handelt es sich um Regelbeispiele. 10 BR-Drucks. 401/14, 49. 11 VWG BsGa, Rz. 40. 12 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 467.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.178 Kap. 5

rakter dieser Verwaltungsfunktionen leisten sie keinen nennenswerten wertschöpfenden Beitrag für die Vermögenswerte des Unternehmens, was ihnen in aller Regel einen untergeordneten und lediglich unterstützenden Charakter zukommen lässt.1 Gleichzeitig wird die sog. Strategiefunktion, die nach Teilen der Literatur nach bisheriger Rechtslage eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern beim Stammhaus verlangt (Zentralfunktion des Stammhauses),2 i.d.R. nicht maßgeblich für die Zuordnung von Vermögenswerten sein, sondern ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens betreffen.3 Damit bestätigt sich die herrschende Literaturmeinung, wonach dem Stammhaus nicht allein aufgrund seiner „Zentralfunktion“ bestimmte Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, denn die Zentralfunktion ist auch nach bisheriger Rechtslage nicht klar von der Strategiefunktion, die die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens bestimmt, abgrenzbar. Nicht-maßgebliche Personalfunktionen sind zwar für die Zuordnung von Vermögenswerten unbeachtlich. Nichtsdestotrotz sind sie der Betriebsstätte zuzurechnen, weil sie Gegenstand anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen nach § 16 BsGaV sein können und damit Einfluss auf den (fiktiven) Gewinn der Betriebsstätte haben.4

5.176

d) Zuordnung von Funktionen anhand der Tätigkeit des Personals Die identifizierten Funktionen müssen durch eigenes Personal des Unternehmens in der Betriebsstätte ausgeübt werden. Eigenes Personal sind arbeitsvertraglich angestellte Mitarbeiter und Gesellschafter des Unternehmens, aber auch Leiharbeiter und entsandte Angestellte nahestehender Personen i.S. von § 1 Abs. 2 AStG (§ 2 Abs. 4 Satz 1, 2 BsGaV). Nicht hingegen wird der Betriebsstätte das Personal einer eigenständigen Kapitalgesellschaft (Schwestergesellschaft) zugerechnet, an das das Einheitsunternehmen bestimmte Einzeltätigkeiten und -funktionen ausgelagert hat (gruppeninternes Outsourcing). Diese Geschäftsvorfälle werden nach § 1 Abs. 1, 3 AStG am Fremdvergleichsmaßstab gemessen, was eine Attraktionswirkung der Betriebsstätte entbehrlich macht.5 Unternehmer bzw. Gesellschafter und diesen nahestehende Personen werden der Betriebsstätte auch dann als Personal zugeordnet, wenn sie auch nur tatsächlich für die Betriebsstätte tätig werden (§ 2 Abs. 4 Satz 3 BsGaV).

5.177

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV ist die Personalfunktion grundsätzlich der Betriebsstätte zuzuordnen, in der sie tatsächlich ausgeübt wird (Vermutungsregelung6). Entscheidend ist also, in welcher Betriebsstätte das eigene Personal tatsächlich seiner Tätigkeit nachgeht. In der Regel sollte sich das aus dem Arbeitsvertrag der Mitarbeiter ergeben. Im Einzelfall werden in der Praxis aber immer dann Nachweis- und Zuordnungsschwierigkeiten auftreten, wenn Mitarbeiter in verschiedenen Betriebsstätten des Unternehmens eingesetzt werden. Daher sieht § 4 Abs. 1 Satz 2 BsGaV vor, dass ein Mitarbeiter einer Betriebsstätte dann nicht zugeordnet wird, wenn er nur kurzfristig dort tätig wird (weniger als 30 Tage in einem Wirtschaftsjahr) und wenn kein sachlicher Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte besteht (kumulativ).

5.178

Beispiel:7 Einzelunternehmer A aus Deutschland unterhält in den Niederlanden eine Betriebsstätte. Er bewirbt sich erfolgreich um ein Großprojekt im Anlagenbau in den Niederlanden. Der Auftrag ist allein durch das persönliche Engagement von A zustande gekommen. Dafür war A an 29 Tagen innerhalb eines Wirtschaftsjahres in den Niederlanden. Die vertragliche Abwicklung erfolgt ausschließlich durch 1 2 3 4 5 6 7

Das entspricht dem Begriff „ancillary“ im Rahmen des Betriebsstättenberichts 2010 der OECD. BS-VWG, Rz. 2.4. BR-Drucks. 401/14, 49. VWG BsGa, Rz. 48. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 467. VWG BsGa, Rz. 71. Entnommen bei Tcherveniachki, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar v. 7.11.2014, 13, abrufbar unter: http://www.fachanwalt-fuer-steuerrecht.de/vaBochumerSteuerseminar.aspx?vaGroup=vaBo chumerSteuerseminar.

Haverkamp | 723

Kap. 5 Rz. 5.179 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Mitarbeiter des A in den Niederlanden und durch Subunternehmer. Der Geschäftsvorfall ist der Betriebsstätte zuzuordnen, weil die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BsGaV nicht kumulativ erfüllt sind. Zwar ist A an weniger als 30 Tagen in den Niederlanden, aufgrund der ausschließlichen Abwicklung des Auftrags in den Niederlanden besteht aber ein sachlicher Bezug zur niederländischen Betriebsstätte.1 Neben dem Ertrag, der sich aufgrund des Geschäftsvorfalls ergibt, müssen der Betriebsstätte anteilig der Personalaufwand für A und die sonstigen auftragsbezogenen Aufwendungen zugeordnet werden.

5.179 Kann eine Zuordnung anhand dieser Kriterien nicht eindeutig vorgenommen werden, soll die

Personalfunktion der Betriebsstätte zugeordnet werden, zu deren Geschäftstätigkeit der sachlich engste Bezug besteht (§ 4 Abs. 2 BsGaV). Der hier eingeräumte Beurteilungsspielraum bedarf einer Konkretisierung durch objektive Kriterien und Einzelnachweise.2 Sollte dies nicht gelingen, steht dem Steuerpflichtigen nach § 4 Abs. 3 BsGaV de facto ein Wahlrecht zu. Entscheidend ist, dass die gewillkürte Zuordnung nicht gegen die Maßstäbe nach § 4 Abs. 1, 2 BsGaV verstößt. Sofern der Steuerpflichtige die Zuordnung mithin ordnungsgemäß dokumentiert, sollte der Finanzverwaltung die Möglichkeit einer Korrektur durch Schätzung nach § 162 AO3 genommen sein. Die Beweislast, dass eine abweichende Zuordnung der Personalfunktion sachgerecht ist, liegt dann auf Seiten der Finanzverwaltung. Im Fall einer Funktionsaufteilung und einer Personalfunktionenkonkurrenz will die Finanzverwaltung auf qualitative Gesichtspunkte abstellen. In beiden Fällen sollen Betrachtungen aus vergangenen Wirtschaftsjahren und Zukunftsprognosen einbezogen werden.4 Eine Funktionsaufteilung liegt begrifflich vor, wenn verschiedene Personen in verschiedenen Betriebsstätten gleichzeitig dieselbe Personalfunktion im Hinblick auf einen Vermögenswert ausüben (z.B. Nutzung eines immateriellen Wirtschaftsguts). Die OECD verwendet den Begriff im AOA allein im Zusammenhang mit Bank- und Versicherungsbetriebsstätten.5 Die VWG BsGa weiten ihn auf alle Betriebsstättenfälle aus. Im Einzelfall will die Finanzverwaltung den nach qualitativen Gesichtspunkten bedeutendsten Teil der maßgeblichen Personalfunktion bestimmen. Unter Umständen soll auch eine quantitative Betrachtung erlaubt sein.6 Eine Personalfunktionenkonkurrenz liegt vor, wenn verschiedene Personalfunktionen gleichzeitig vom Personal des Unternehmens in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden. In diesem Fall sehen die Zuordnungsregeln des BsGaV vor, dass die Zuordnung anhand der größten wirtschaftlichen Bedeutung für den Vermögenswert erfolgt. Maßstab soll die im Einzelnen erbrachte Wertschöpfung sein.7 Nach dem VWG BsGa-E8 und dem OECD-Betriebsstättenbericht9 soll Betriebsstätten, denen keine Personalfunktion zuordenbar ist, kein bzw. allenfalls ein geringer Gewinn zugeordnet werden. Diese Klarstellung wurde in der finalen Fassung der VWG BsGa gelöscht, obwohl die Systematik der BsGaV dieses Ergebnis vorzugeben scheint. Betroffen sind Betreiber von automatisierten Geschäftseinrichtungen, wie bspw. Pipelines oder Internetservern, die in der Regel ohne Einbindung von lokalem Personal auskommen. In Anbetracht der BEPS10-Diskussionen auf OECD-Ebene um die Besteuerung der Digitalwirtschaft ist diese Abweichung vom AOA wohl politisch motiviert. 1 Kritisch wegen der Verschiebung der Besteuerungshoheit zugunsten des Quellenstaats Kroppen, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar v. 7.11.2014, 13, abrufbar unter: http://www.fachanwaltfuer-steuerrecht.de/vaBochumerSteuerseminar.aspx?vaGroup=vaBochumerSteuerseminar. 2 Eine Definition von „sachlicher Bezug“ bieten weder die BsGaV noch die VGW BsGa, Rz. 74. 3 BR-Drucks. 401/14, 56. 4 VWG BsGa, Rz. 44. 5 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil II, Rz. 159, Teil III, Rz. 206, Teil IV, Rz. 94. 6 VWG BsGa, Rz. 42. 7 VWG BsGa, Rz. 43. 8 VWG BsGa-E, Rz. 49. 9 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 14, 66. 10 Base Erosion and Profit Shifting, vgl. Gillamariam/Binding, DStR 2013, 1153 ff.; Rubart/Langkau, IStR 2013, 660 ff.

724 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.182 Kap. 5

7. Hilfs- und Nebenrechnung Der Betriebsstätte sind im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse Vermögenswerte zuzuordnen. Vermögenswerte im Sinne der BsGaV sind nach § 2 Abs. 6 Satz 1 BsGaV Wirtschaftsgüter und Vorteile. Regelbeispiele sind gem. § 2 Abs. 6 Satz 2 BsGaV

5.180

– materielle Wirtschaftsgüter, – immaterielle Werte einschließlich immaterieller Wirtschaftsgüter, – Beteiligungen und – Finanzanlagen. Der Steuerpflichtige ist nach § 3 Abs. 1 BsGaV verpflichtet, jeweils zum Beginn des Wirtschaftsjahres eine Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen, sie unterjährig fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen. In die Hilfs- und Nebenrechnung sind sowohl die der Betriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte als auch externe Geschäftsvorfälle und fiktive Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzunehmen, deren Ursache in anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen nach §§ 16, 17 BsGaV liegen. Auszuweisen sind insbesondere gem. § 3 Abs. 2 Satz 2, 3 BsGaV

5.181

– die zuzuordnenden Vermögenswerte nach §§ 5–8 BsGaV, sofern sie von einem selbständigen Unternehmen in der steuerlichen Gewinnermittlung erfasst werden müssten, – das Dotationskapital der Betriebsstätte nach §§ 12, 13 BsGaV, – die übrigen Passivposten (§ 14 BsGaV), – die mit den der Betriebsstätte zugeordneten Vermögenswerten zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sowie – fiktive Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgrund von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i.S. von §§ 16, 17 BsGaV. Dabei handelt es sich bei der Hilfs- und Nebenrechnung ausdrücklich nicht um eine Steuerbilanz i.S. von §§ 4, 5 EStG.1 Allerdings gelten wohl dieselben Grundsätze für ihre Erstellung.2 Die Hilfs- und Nebenrechnung muss zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung erstellt sein, zu der das Unternehmen verpflichtet (§ 149 AO) ist und in der die Einkünfte des Unternehmens zu berücksichtigen sind. Die Hilfs- und Nebenrechnung ist mithin Ausgangspunkt der Veranlagung.3 Die Hilfs- und Nebenrechnung leitet sich aus der inländischen bzw. der nach § 146 Abs. 2 Satz 3 AO, § 60 EStDV übergeleiteten ausländischen Bilanz des Einheitsunternehmens für die einzelne Betriebsstätte ab.4 Für die Praxis ergibt sich folgender Dreischritt: 1. Zunächst wird (verpflichtend oder freiwillig) der handelsbilanzielle Gewinn der Betriebsstätte ermittelt. 2. Dann wird der handelsbilanzielle Gewinn auf eine Steuerbilanz übergeleitet; dabei werden auch die Schranken des jeweils einschlägigen DBA berücksichtigt. 3. Sodann wird für Zwecke der außensteuerlichen Hinzurechnung eine Hilfs- und Nebenrechnung erstellt. 1 BR-Drucks. 401/14, 52. 2 BR-Drucks. 401/14, 51; VWG BsGa, Rz. 52 f., 59; z.B. sieht § 3 Abs. 2 Satz 2 BsGaV vor, dass selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter nur dann in die Hilfs- und Nebenrechnung aufgenommen werden sollen, wenn sie von einem rechtlich selbständigen Unternehmen in der Situation der Betriebsstätte in der steuerlichen Gewinnermittlung zu erfassen wären. 3 BR-Drucks. 401/14, 51. 4 BR-Drucks. 401/14, 51; VWG BsGa, Rz. 53 ff.

Haverkamp | 725

5.182

Kap. 5 Rz. 5.183 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.183 Die Verordnung bietet keine klaren Vorgaben, wie die Ausweisposten der Höhe nach zu bewerten

sind. Aus dem Wortlaut der BsGaV ergibt sich nicht eindeutig, ob §§ 6, 7 EStG (analog) Anwendung finden.1 Wenn auch nicht ausdrücklich, so scheint jedenfalls die Finanzverwaltung (stillschweigend) von einer analogen Anwendung der bilanziellen Bewertungsregeln auszugehen.2 Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen, denn bei der Begründung der Betriebsstätte3 werden die zuzuordnenden Vermögenswerte fiktiv zu Fremdvergleichspreisen angeschafft. Im Ergebnis bedeutet dies einen (fiktiven) Step-up bei der Bewertung der Vermögenswerte mit der Folge ergebniswirksamer höherer Abschreibungen bei der Betriebsstätte und einer Besteuerung aufgedeckter stiller Reserven beim Stammhaus (§ 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV).4

5.184 Der Steuerpflichtige hat die Hilfs- und Nebenrechnung jährlich aufzustellen und abzuschließen.

Der so ermittelte Hinzurechnungsbetrag ist in der Jahressteuererklärung anzugeben.5 Der Verordnungsgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass nicht allein aufgrund der Hilfs- und Nebenrechnung der Entstrickungstatbestand nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt werden kann.6 Das ist dogmatisch richtig, weil der Sinn und Zweck der Hilfs- und Nebenrechnung und der ihr zugrunde liegenden Zuordnung von Vermögenswerten allein in der Dokumentation und inhaltlichen Ausgestaltung des Fremdvergleichsmaßstabs nach § 1 Abs. 5, 1, 3 AStG liegt. Es handelt sich gerade nicht um eine Form der Gewinnermittlung (Rz. 5.51 ff.).

5.185 Die Gründe für Zuordnung einzelner Vermögenswerte und für die Annahme schuldrechtlicher Be-

ziehungen sind entsprechend § 90 Abs. 3 Satz 4 AO i.V.m. GAufZV zu dokumentieren (§ 3 Abs. 3 BsGaV).7 Nicht verwertbare Aufzeichnungen führen zur Schätzung nach § 162 Abs. 3 Satz 1 AO.8

5.186 Methodisch fordert die Hilfs- und Nebenrechnung zunächst die Zuordnung von Vermögenswer-

ten, die Eingang in die steuerliche Gewinnermittlung der Betriebsstätte finden würden, wenn es sich um ein selbständiges Unternehmen handelte (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BsGaV). Der offene Wortlaut der Regelung lässt darauf schließen, dass nicht nur die Gewinnermittlung anhand des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG gemeint ist,9 sondern auch anhand der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Ergebnis orientiert sich mithin auch die Zuordnung von Vermögenswerten an den Maßstäben der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung. Das wird durch § 3 Abs. 5 BsGaV ausdrücklich bestätigt.

5.187 Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verstehen, dass der Begriff der Vermögenswerte weiter ge-

fasst ist als der des Betriebsvermögens nach §§ 4, 5 EStG. Nach § 2 Abs. 6 BsGaV gelten neben materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern auch Vorteile als Vermögenswerte im Sinne der Verordnung. Daher sollte es auf die Bilanzierbarkeit der Vermögenswerte nicht ankommen.10 Dass der Firmenwert oder in der Betriebsstätte selbst geschaffene Schutzrechte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BsGaV nicht zuordenbar sein sollen,11 ist indes dogmatisch nicht haltbar. Die Hilfsund Nebenrechnung ist gerade keine Steuerbilanz. Warum dann deutsche steuerbilanzielle Gewinnermittlungsvorschriften wie z.B. § 5 Abs. 2 EStG Anwendung finden sollten, bleibt unklar. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (5). Vgl. z.B. VWG BsGa, Rz. 70. Gemeint ist wohl die Aufnahme der Betriebsstättentätigkeit i.S. von Art. 5 OECD-MA, § 12 AO. VWG BsGa, Rz. 62. BR-Drucks. 401/14, 51. BR-Drucks. 401/14, 51. Vgl. Busch, DB 2014, 2490 (2497), der darauf hinweist, dass die Zuordnungsentscheidung bereits im Zeitpunkt der Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung getroffen sein muss und lediglich zu einem späteren Zeitpunkt dokumentiert wird. Zur Auslegung von § 162 AO Schoppe/Stumpf, BB 2014, 1116. So wohl Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 473. VWG BsGa, Rz. 52, 59. BR-Drucks. 401/14, 52; VWG BsGa-E, Rz. 59.

726 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.190 Kap. 5

Entscheidend sollte sein, ob der einzelne Vermögenswert wertbildend ist, beispielsweise für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen wie beispielsweise die Lizenzierung von selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern.1 Wenn es gerade nicht auf die Bilanzierung von Wirtschaftsgütern ankommen soll, wäre es nur folgerichtig alle werthaltigen Vermögenswerte in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen. Verordnungsgeber und die Finanzverwaltung sind allerdings anderer Ansicht, weshalb der Steuerpflichtige in der Praxis eine Zuordnung unter entsprechender Anwendung der deutschen Bilanzierungsregeln anstreben sollte. In diesem Zusammenhang ist auch die Erfassung von Vorteilen i.S. von § 2 Abs. 6 Satz 1 BsGaV zu beurteilen. Die Schwierigkeit bei deren Erfassung in der Hilfs- und Nebenrechnung liegt wohl darin, dass der Begriff „Vorteil“ zu unbestimmt ist. Dass es sich hierbei nicht nur um Chancen handelt, zeigt der systematische Blick auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV, wo Chancen und Risiken neben den Vermögenswerten genannt sind.2 Der Steuerpflichtige wird aber kaum in der Lage sein, jeglichen Nutzen seiner operativen Tätigkeiten zu bestimmen und zu dokumentieren. Das kann von ihm auch nicht verlangt werden. Wenig zielführend sind insofern auch die Ausführungen der Finanzverwaltung, die darauf hinweisen, dass Vorteile für die Preisbestimmung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen von Bedeutung sein können.3

5.188

Ergiebiger ist da schon der Hinweis, dass Vorteile auch Finanzinstrumente nach § 254 HGB umfasst, die zwar nicht die Merkmale eines Wirtschaftsguts erfüllen, aber der Sicherung eines Vermögenswerts nach § 11 BsGaV dienen.4 Der Verordnungsgeber wollte anscheinend einen Auffangtatbestand schaffen.5 Entscheidend muss wohl sein, dass der Vorteil geeignet ist, Gegenstand eines Geschäftsvorfalls zu sein und einen eigenen Wert hat.6 Steuerpflichtigem und Betriebsprüfung steht insofern ein breiter Argumentations- und Gestaltungsspielraum offen. Es ist zu erwarten, dass bei der Vermögenszuordnung und insbesondere bei der Annahme von werthaltigen Vorteilen in der Betriebsprüfungspraxis ein Schwerpunkt liegen wird.7

5.189

8. Zuordnung von Vermögenswerten a) Grundlegendes und Zuordnungskriterien im Überblick Bei der (fiktiven) Gewinnermittlung nach der BsGaV8 werden die Vermögenswerte nach regelmäßig gleicher Methodik zugeordnet, nämlich anhand der maßgeblichen Personalfunktion. Sollte dies nicht zu eindeutigen Ergebnissen führen, wird der Vermögenswert der Betriebsstätte des Einheitsunternehmens zugewiesen, in der die Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Vermögenswert ausgeübt wird. Sollte auch dieser Ansatz nicht weiterhelfen sehen die Zuordnungsregeln Öffnungs- bzw. Auffangklauseln vor.9 Die VWG BsGa konkretisieren die Zuordnung. Nachfolgende Tabelle fasst die Kriterien für die Zuordnung von Aktiva zusammen:10

Kritisch Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 474. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 475. VWG BsGa, Rz. 50. VWG BsGa, Rz. 50. BR-Drucks. 401/14, 50. Rasch/Wenzel, ISR 2015, 128 (129). Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 475 erkennt in der Einführung des Begriffs „Vorteil“ zu Recht mehr „Verwirrung als Klärung“. 8 Vgl. VWG BsGa, Rz. 8. 9 Vgl. Übersicht bei Busch, DB 2014, 2490 (2492). 10 Vgl. Haverkamp, ISR 2017, 33, 35. 1 2 3 4 5 6 7

Haverkamp | 727

5.190

Kap. 5 Rz. 5.190 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Zuordnungsobjekt

Vorschrift

Regelzuordnung zur Personalfunktion

Konkretisierung durch VWG BsGa

Materielles Wirtschaftsgut (Rz. 5.191)

§ 5 BsGaV

Nutzung

Nutzung bedeutet unmittelbaren Verbrauch, d.h. Wertverzehr.1

Unbewegliches Ver- § 5 Abs. 2 mögen, in dem die Satz 3 Geschäftstätigkeit BsGaV der Betriebsstätte ausgeübt wird (Rz. 5.192 f.)

Belegenheit

Immaterielle Werte § 6 BsGaV (Rz. 5.194 ff.)

– Schaffung – Erwerb

Maßgebliche Personalfunktion: aktive und qualifizierte (nicht nur formale) Entscheidung über die Übernahme der mit Schaffung/ Erwerb verbundenen Risiken sowie aktives Risikomanagement2

Beteiligungen, § 7 BsGaV Finanzanlagen, ähnliche Vermögenswerte (Rz. 5.201 ff.)

– Nutzung

Funktionale Betrachtungsweise entsprechend Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 13 Abs. 2 OECD-MA3

Sonstige Vermögenswerte (Rz. 5.208)

§ 8 BsGaV

– Schaffung – Erwerb

Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens (Rz. 5.209 ff.)

§ 9 BsGaV

– Zustandekommen des Geschäftsvorfalls

Chancen und Risiken (Rz. 5.211 ff.)

§ 10 BsGaV – Bei unmittelbarem Zusammenhang mit einem Vermögenswert/Geschäftsvorfall wird dessen Schicksal geteilt – Ansonsten: Zuordnung zu der Personalfunktion, auf der sie beruhen

Sicherungsgeschäft (Rz. 5.215 ff.)

§ 11 BsGaV – Zuordnung folgt der Zuordnung der/des abzusichernden Personalfunktion/Vermögenswerts/Geschäftsvorfalls – Bei mittelbarem Sicherungszusammenhang anteilige Zuordnung anhand eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels

1 2 3 4 5

VWG VWG VWG VWG VWG

BsGa, BsGa, BsGa, BsGa, BsGa,

Rz. 76. Rz. 88, 89. Rz. 103. Rz. 112. Rz. 125, vgl. dort das Beispiel.

728 | Haverkamp

Maßgebliche Personalfunktion: die, die tatsächlich ursächlich für den Abschluss des Geschäftsvorfalls und die Risikoübernahme ist (Rechnungsstellung und bezeichnete Vertragsparteien nur indizielle Wirkung)4

Sachgerechter Aufteilungsschlüssel leitet sich im Einzelfall aus den abgesicherten Risiken und den Sicherungsgeschäften ab.5

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.194 Kap. 5

b) Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern Vermögenswerte umfassen insbesondere materielle Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens. Diese materiellen Wirtschaftsgüter sind der Betriebsstätte zuzuordnen, die das Wirtschaftsgut dauerhaft nutzt. Nach der Rechtsprechung zur alten Rechtslage kann die steuerbilanzielle Erfassung Indizwirkung für die Zuordnung haben.1 Darüber hinaus stellt die Rechtsprechung auf den Geschäftszweck ab, der mit der Betriebsstätte verfolgt wird.2 Der Betriebsstätte werden die Wirtschaftsgüter zugeordnet, die ein selbständiger Gewerbebetrieb am gleichen Ort unter gleichen Bedingungen zur Erzielung dieses Zwecks benötigt.3 Diese Grundsätze sollten auf die Gewinnermittlung nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV übertragbar sein. So versteht die Finanzverwaltung unter Nutzung den unmittelbaren Verbrauch des materiellen Wirtschaftsguts, d.h. dessen Wertverzehr.4 Es kommt also auf den Verbrauch für Zwecke der Unternehmenstätigkeit an.

5.191

Die Nutzung kann sich im Laufe der Zeit ändern, was die Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte erforderlich macht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Bei häufiger Nutzungsänderung sieht die Verordnung allerdings vor, dass das materielle Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zuzuordnen ist, für deren Geschäftstätigkeit es überwiegend genutzt wird (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BsGaV). Als Maßstab wird man i.d.R. auf die Zeiträume abstellen, für die das Wirtschaftsgut von einer bestimmten Betriebsstätte während eines bestimmten Veranlagungszeitraums genutzt wurde (z.B. nach Tagen), aber auch eine abnutzungsabhängige Zuordnung sollte im Einzelfall möglich sein. Der Wortlaut konkretisiert jedenfalls nicht, wann ein Wirtschaftsgut „überwiegend“ für die Geschäftstätigkeit der einen oder anderen Betriebsstätte genutzt wird. Die Nutzung durch die andere Betriebsstätte führt im Übrigen zu einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung, die angemessen zu vergüten ist (z.B. Miete, Leasing).

5.192

Das Wirtschaftsgut kann einer anderen Betriebsstätte als der nutzenden zugeordnet werden, wenn in der anderen Betriebsstätte eine Personalfunktion ausgeübt wird, die eindeutig gegenüber der Personalfunktion überwiegt, aufgrund dessen das Wirtschaftsgut genutzt wird. Andere überwiegende Personalfunktionen in diesem Sinne sind insbesondere solche, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, Herstellung, Verwaltung oder Veräußerung des betreffenden materiellen Wirtschaftsguts stehen. Dem Steuerpflichtigen wird insofern das Wahlrecht eingeräumt, materielle Wirtschaftsgüter über anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (z.B. Miete) der Betriebsstätte zu überlassen und so Erträge im Stammhaus zu generieren. Unbewegliches Vermögen, in dem die Geschäftstätigkeit einer Betriebsstätte ausgeübt wird, ist indes stets dieser Betriebsstätte zuzuordnen. Zeitlich beschränkte Nutzungsüberlassungen in Form einer fingierten Pacht oder Miete scheiden insofern aus.

5.193

c) Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern Immaterielle Vermögenswerte umfassen nicht nur bilanzierungsfähige immaterielle Wirtschaftsgüter wie z.B. entgeltlich erworbene Konzessionen oder gewerbliche Schutzrechte, sondern auch selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte sowie den Geschäfts- und Firmenwert. Die Regelungen nach der BsGaV geht mithin weit über die steuerbilanziellen Vermögensverhältnisse des Unternehmens hinaus. Hintergrund ist die anhaltende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte für die Wertbildung im gewerblichen Bereich.5

1 2 3 4 5

BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Entspricht in der Regel der Personalfunktion gem. § 4 BsGaV. BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374. VWG BsGa, Rz. 76. Zur Bedeutung immaterieller Wirtschaftsgüter für die internationale Steuerpraxis vgl. OECD/G20, Base Erosion and Profit Shifting, Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance, Action 5: 2015 Final Reports.

Haverkamp | 729

5.194

Kap. 5 Rz. 5.195 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.195 Entscheidend für die Zuordnung eines immateriellen Vermögenswerts ist, ob er in der Betriebsstätte geschaffen oder durch diese erworben wurde (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Sollte die Personalfunktion, durch deren Ausübung der Vermögenswert geschaffen oder erworben wird, gleichzeitig in verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt werden, stellt die Verordnung wie bei den materiellen Vermögenswerten auf die Personalfunktion ab, die für den immateriellen Vermögenswert die größte Bedeutung hat (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BsGaV).

5.196 Gleichzeitig kann der immaterielle Vermögenswert auch einer anderen Betriebsstätte als derjeni-

gen zugeordnet werden, die den Wert geschaffen oder erworben hat, sofern in der anderen Betriebsstätte eine Personalfunktion ausgeübt wird, deren Bedeutung gegenüber der Anschaffung des Vermögenswerts überwiegt. Beispielhaft werden hier die Nutzung, Verwaltung, Weiterentwicklung, der Schutz und die Veräußerung des Vermögenswerts genannt (§ 6 Abs. 2 BsGaV). Die Auslegungs- und Wertungsschwierigkeiten sollten hier im Einzelnen dieselben sein wie bei der Zuordnung materieller Vermögenswerte.

5.197 Die Besonderheit liegt darin, dass immaterielle Wirtschaftsgüter keine physische Präsenz haben

und i.d.R. von unterschiedlichen Abteilungen im Einheitsunternehmen genutzt werden. Dem Steuerpflichtigen muss ein Beurteilungsspielraum zugestanden werden. Im Zweifel kommt bei der Zuordnungsentscheidung einer Forschungs- und Entwicklungs-Betriebsstätte Vorrang vor der Produktionsbetriebsstätte zu. Auf der anderen Seite können beispielsweise die Funktionen der Patentverwaltung eine größere Bedeutung haben als die ursprüngliche Anschaffung des immateriellen Wirtschaftsguts, weil in der Betriebsstätte über die Lizenzierung des Patents und die Ausübung der Schutzrechte entschieden wird.1 Ausschlaggebend können allein die Umstände des Einzelfalls sein.

5.198 Ist eine Zuordnung insoweit nicht eindeutig möglich, erlaubt § 6 Abs. 4 BsGaV jede Art der Zu-

ordnung, sofern sie diesen Regeln nicht widerspricht. Eine anteilige Aufteilung auf verschiedene Betriebsstätten als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung sollte darüber hinaus jedenfalls bei dauerhafter Ausübung der Personalfunktion möglich sein. Entsprechend kann das immaterielle Wirtschaftsgut zumindest anteilig Stammhaus und Betriebsstätte zugeordnet werden.

5.199 Teilweise wird eingewandt, dass die Zuordnungsregelungen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 6

BsGaV zu weiteren Entstrickungen führten, weil nach bisheriger Verwaltungsansicht immaterielle Wirtschaftsgüter grundsätzlich dem Stammhaus zugerechnet wurden.2 Die Neuregelung solle daher in der Mehrzahl der Fälle zu Verlagerungen relevanter immaterieller Wirtschaftsgüter zu Lasten des deutschen Fiskus führen. Dem muss allerdings entgegengehalten werden, dass die außensteuerliche Zurechnung nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV keinen Einfluss auf die steuerbilanzielle Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach §§ 4, 5 EStG haben kann. Die steuerbilanzielle Erfassung und damit die Frage, ob der Entstrickungstatbestand nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 KStG erfüllt ist, bleibt von der BsGaV unberührt.3 Sobald die Zuordnung sich nicht nur fiktiv, sondern auch tatsächlich steuerbilanziell nach §§ 4, 5 EStG ändert, kommt es hingegen zur Aufdeckung der stillen Reserven durch Entstrickung. In der Regel werden die steuerbilanzielle und die außensteuerliche Zuordnung allerdings zu gleichen Ergebnissen führen. Wirtschaftsgüter werden nach h.M. der Betriebsstätte zugeordnet, der sie funktional dienen.4 Bei immateriellen Wirt-

1 Siehe hierzu auch OECD/G20, Base Erosion and Profit Shifting, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Action 8–10: 2015 Final Reports. 2 Aufgrund der sog. Zentralfunktion des Stammhauses, siehe BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/ 10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.4. 3 A.A. wohl Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 505, der einen Gleichlauf der Regelungen annimmt. 4 BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Rz. 2.4; Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 7 OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer DB 2006; 1176 (1178 f.).

730 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.203 Kap. 5

schaftsgütern soll die bloße Nutzung durch eine Betriebsstätte allerdings nicht ausreichen, um eine Änderung der Zuordnung zu begründen.1 Daraus können sich Qualifikationskonflikte zwischen der Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter für Zwecke der Entstrickungsbesteuerung und für die Gewinnaufteilung nach der BsGaV ergeben.2 Ob eine abweichende Zuordnung des Vermögenswerts eine Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG darstellt, ist dagegen im Einzelfall zu klären. Als besondere Bewertungsmethode ist die Transferpaketbewertung vom Verweis in § 1 Abs. 5 AStG grundsätzlich erfasst. Dabei kommt es darauf an, ob die außensteuerliche Zuordnung den Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllt. Die Finanzverwaltung sieht in der Zuordnung i.d.R. wohl eine Veräußerung, die als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung einen Veräußerungsgewinn im Inland zur Folge hat.3

5.200

d) Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten Die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten richtet sich gem. § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 BsGaV nach dem funktionalen Nutzen (Vermutungsregelung). Das bedeutet, dass die Nutzung der Beteiligung als maßgebliche Personalfunktion eine funktionale Betrachtung im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte und der Nutzung der Beteiligung fordert.4

5.201

Der Ansatz entspricht mithin dem allgemeinen Verständnis bei der Auslegung des Betriebsstättenvorbehalts nach Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 13 Abs. 2 OECD-MA. Die dort gewonnen Erkenntnisse gelten auch für die Zuordnung nach § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 BsGaV.5 Die Rechtsprechung hat die funktionale Betrachtungsweise für die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG bei Zwischengesellschaften entwickelt.

5.202

Nach dem Urteil des BFH vom 19.12.20076 wird ein Funktionszusammenhang zwischen einer Beteiligung bzw. Finanzanlage und der Geschäftstätigkeit eines Unternehmensteils vor allem dann bejaht, wenn – entweder das Halten der Beteiligung in der Weise positive Auswirkungen auf die aktive Tätigkeit der Betriebsstätte haben würde, dass die Beteiligungserträge als Nebenerträge zum Ergebnis aus der Haupttätigkeit anzusehen sind, oder – wenn der Betriebsstätte bestimmte geschäftsleitende Holdingfunktionen übertragen wurden, die eine Zuordnung rechtfertigen. Hingegen reicht es nicht aus, wenn die Beteiligung lediglich „wesentliche Bedeutung“ für das Ergebnis der Betriebsstätte hat.7 Vielmehr muss das Halten und Verwalten der Beteiligung positiven Einfluss auf die aktive Kerntätigkeit der Betriebsstätte nehmen.8 So nimmt die Rechtsprechung beispielsweise einen funktionalen Zusammenhang an, wenn die Betriebsstätte einer Vertriebsgesellschaft im Ausland ausschließlich Produkte einer im selben Staat ansässigen Produktionskapitalgesellschaft vertreibt, an der die Vertriebsgesellschaft beteiligt ist.9 Die Beteiligung an der Produktionskapitalgesellschaft „dient tatsächlich“ der aktiven Tätigkeit der Betriebsstätte, deren Geschäfts1 Mössner in Mössner/Seeger2, § 12 KStG Rz. 209; Lampert in Gosch3, § 12 KStG Rz. 114. 2 Zur Problematik vgl. Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1 (9). 3 VWG BsGa, Rz. 20, Beispielsfall (1); Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1 (9) m.w.N. 4 Kritik bei Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (470 f.); Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 (913). 5 Vgl. BR-Drucks. 401/14, 64; VWG BsGa, Rz. 103. 6 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 7 FG Münster v. 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, 704. 8 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 9 FG Köln v. 29.3.2007 – 10 K 4671/04, DStRE 2007, 1320.

Haverkamp | 731

5.203

Kap. 5 Rz. 5.204 | Betriebsstättengewinnabgrenzung tätigkeit vom Zugang zu den Produkten der Beteiligungsgesellschaft abhängt.1 Entscheidend ist die qualitative Beurteilung des Einzelfalls.2 So ordnet die Verwaltung – anders als im o.g. Beispiel aus der Rechtsprechung – die Beteiligung an einer Vertriebstochtergesellschaft der Produktionsbetriebsstätte zu, deren Produkte die Vertriebsgesellschaft ausschließlich vertreibt.3 Da sich die qualitative Beurteilung der Faktenlage auf Indizienbeweise stützen muss, ist die Zuordnung von Beteiligungen und Finanzanlagen in der Praxis schwierig.4

5.204 Sollte die Beteiligung verschiedenen Betriebsstätten qualitativ zuzuordnen sein (Funktionsauftei-

lung), kommt es zur Wertung, welche Personalfunktion die größte Bedeutung für den Vermögenswert hat. Im Regelfall sollte insbesondere von ausschlaggebender Bedeutung sein (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BsGaV), aufgrund welcher Personalfunktion die Mittel für die Anschaffung zur Verfügung stehen.5

5.205 Nach § 7 Abs. 2 BsGaV dürfen Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnliche Vermögenswerte nur

dann einer anderen Betriebsstätte als derjenigen zugeordnet werden, die sie nutzt, wenn eine Zuordnung bei einer anderen Betriebsstätte im Einzelfall dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht (Personalfunktionenkonkurrenz). Das wird regelmäßig angenommen, wenn Personalfunktionen ausgeübt werden, die in Zusammenhang stehen mit der Anschaffung, der Verwaltung, der Risikosteuerung oder der Veräußerung des Vermögenswerts.6

5.206 Sollten mehre andere Personalfunktionen von größerer Bedeutung für den Vermögenswert sein als

die funktionale Nutzung, regelt § 7 Abs. 3 BsGaV, dass die Finanzanlagen der Betriebsstätte zuzuordnen sind, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung für den Vermögenswert ausgeübt wird. Dafür soll der Rechtsanwender auf objektive Gesichtspunkte zurückgreifen.7 Die Verwaltung nimmt dies an, wenn kein funktionaler Zusammenhang festgestellt werden kann. Das sei insbesondere bei der Verwaltung von Anteilen anzunehmen, die nur eine anzunehmende schuldrechtliche Dienstleistungsbeziehung zu den anderen Unternehmensteilen i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BsGaV darstelle, nicht aber die Zuordnung der Anteile beim verwaltenden Unternehmensteil bewirke.8 Die Verwaltung bricht insofern mit ihrer bisherigen Rechtsansicht, wonach dem Stammhaus eine Zentralfunktion zukomme, kraft derer ihr im Zweifel Beteiligungen und andere Finanzanlagen zuzuordnen seien.

5.207 Dem Steuerpflichtigen ist nach § 7 Abs. 4 BsGaV ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, den er spätestens bei Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung ausüben muss. e) Zuordnung von Sonstigen Vermögenswerten

5.208 Alle Wirtschaftsgüter, die nicht von den Regelungen nach §§ 5–7 BsGaV erfasst sind, werden als

„Sonstige Vermögenswerte“ anhand der Personalfunktionen Anschaffung oder Erwerb zugeordnet (§ 8 BsGaV). Besonders betroffen sind hiervon Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens einschließlich Kapitalanteile, die nicht von § 7 BsGaV erfasst werden. f) Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens

5.209 Bedeutend für das Ergebnis des Einheitsunternehmens ist zweifelsohne der Außenumsatz. Die Zuordnung von Geschäftsvorfällen ist daher grundlegend auch für die fiktive Gewinnermittlung im 1 2 3 4 5 6 7 8

So wohl auch das BMF, VWG BsGa, Rz. 107 (Beispielsfall). Vgl. VWG BsGa, Rz. 104. VWG BsGa, Rz. 103. Z.B. Ausweis in der Buchhaltung, vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 38/89, BStBl. II 1993, 63. BR-Drucks. 401/14, 64. BR-Drucks. 401/14, 65, OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 20. BR-Drucks. 401/14, 66. VWG BsGa, Rz. 106.

732 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.213 Kap. 5

Rahmen von § 1 Abs. 5 AStG. Die Zuordnung von Geschäftsvorfällen mit unabhängigen Dritten und dem Unternehmen nahestehenden Personen richtet sich nach § 9 BsGaV. Erfasst werden sowohl Betriebseinnahmen als auch Betriebsausgaben. Maßgebliche Personalfunktion ist die, die ursächlich für den Abschluss des Geschäftsvorfalls und der Übernahme der damit verbundenen Risiken ist.1 Abzustellen ist nicht auf die Person, die innerhalb der Unternehmenshierarchie für die Entscheidung über die Risikoübernahme verantwortlich ist, sondern auf denjenigen, der die tatsächlich operative Entscheidung im Tagesgeschäft trifft.2 Das kann im Einzelfall schwierig sein, denn der operative Entscheidungsprozess ist in der Lebenswirklichkeit oft stark differenziert, findet auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen statt und wird durch verschiedene Abteilungen des Einheitsunternehmens wahrgenommen. Das gilt auch für die Frage, welche Person bzw. welche Abteilung im Unternehmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BsGaV die größte Bedeutung für den Geschäftsvorfall hat. Die fortschreitende Integration von Entscheidungs- und Wertschöpfungsprozessen in multinationalen Unternehmen und Unternehmensgruppen sorgt für weitere Unklarheit. Eine Auswertung der internen Betriebsabläufe des Unternehmens sollte insofern spätestens für die Dokumentation nach § 90 Abs. 3 AO vorgenommen werden. Im Übrigen sieht auch § 9 Abs. 2–4 BsGaV Öffnungsklauseln vor, wie sie auch in §§ 4–8 BsGaV enthalten sind.3

5.210

g) Zuordnung von Chancen und Risiken Nach § 10 Abs. 1 BsGaV folgen Chancen und Risiken der Zuordnung von Vermögenswerten (§§ 5–8 BsGaV) und Geschäftsvorfällen (§ 9 BsGaV), mit denen sie in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Nach dem Verordnungsgeber sind „Chancen und Risiken unmittelbarer Ausfluss unternehmerischer Tätigkeit und mittelbar oder unmittelbar mit Vermögenswerten und Geschäftsbeziehungen verbunden (z.B. Währungsschwankungen, Rohstoffpreise, Marktentwicklungen etc.)“.4 Mithin entscheide sich anhand der maßgeblichen Personalfunktion nicht ausschließlich die Zuordnung der Vermögenswerte, sondern regelmäßig auch die Zuordnung von Chancen und Risiken.5

5.211

Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verstehen, wenn nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BsGaV Chancen und Risiken abweichend einer Personalfunktion zugewiesen werden können, die gerade nicht für die Zuordnung von Vermögenswert und Geschäftsvorfall maßgeblich ist. Voraussetzung ist, dass auch die identifizierten Chancen und Risiken nicht unmittelbar durch die Vermögenswerte bedingt sind. Führt die Nutzung eines Vermögenswerts beispielsweise nicht zu einem Zuordnungswechsel und realisiert sich aufgrund der Nutzung ein Risiko, das nicht unmittelbar durch die Substanz und Beschaffenheit des Vermögenswerts an sich verursacht ist, muss die nutzende Betriebsstätte die Folgen des sich realisierenden Risikos tragen.6 Bei einer Funktionsaufteilung erfolgt die Zuordnung von Chancen und Risiken im Einzelfall am Maßstab der größten Bedeutung für deren Übernahme.

5.212

Bei Personalfunktionenkonkurrenz kommt es darauf an, ob die andere Personalfunktion eindeutig eine Zuordnung zu einer bestimmten Betriebsstätte erforderlich macht (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BsGaV). Andere Personalfunktionen in diesem Sinne sind bspw. (§ 10 Abs. 3 Satz 2 BsGaV) die Risikosteuerung, die Realisation, die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen, oder die Verwaltung von Chancen und Risiken. Die Zuordnung zur anderen Personalfunktion soll aus Verwaltungssicht eine Ausnahme bleiben.7

5.213

1 BR-Drucks. 401/14, 69. 2 VWG BsGa, Rz. 112; Greier/Persch, BB 2012, 1318 (1320) m.w.N. 3 Unsystematisch und in der Sache zu pauschal das Beispiel (3) zu § 9 Abs. 2 BsGaV in VWG BsGa, Rz. 114 („ursächlich“). 4 BR-Drucks. 401/14, 50. 5 BR-Drucks. 401/14, 71. 6 Vgl. VWG BsGa, Rz. 118. 7 VWG BsGa, Rz. 120.

Haverkamp | 733

Kap. 5 Rz. 5.214 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.214 Auch bei den Chancen und Risiken kommen eine Abwägung zwischen verschiedenen Personalfunktionen anhand des Kriteriums der „größeren Bedeutung“ und als letzte Möglichkeit in Zweifelfällen eine Willkürung in Betracht (§ 10 Abs. 4 und 5 BsGaV).1 h) Zuordnung von Sicherungsgeschäften

5.215 Grundsätzlich folgt die Verordnung dem Grundsatz der einheitlichen Betrachtung von Grund-

und Sicherungsgeschäft entsprechend § 254 HGB (Bewertungseinheit). Sicherungsgeschäfte werden abgeschlossen, um Risiken, die aus einem Vermögenswert oder einem Geschäftsvorfall entstehen (z.B. Währungs-, Forderungsausfall- oder Zinsrisiken) durch einen anderen, i.d.R. gegenläufigen Vermögenswert abzusichern (sog. Hedging).2 Der Verordnungsgeber möchte mit § 11 Abs. 1 BsGaV vor allem verhindern, dass der Steuerpflichtige Grund- und Sicherungsgeschäft willkürlich trennen kann.3 Die Gefahr von steuerlichen Manipulationen wird wohl befürchtet. Werden also Risiken einer Personalfunktion, eines Vermögenswerts oder eines Geschäftsvorfalls abgesichert, so wird das Sicherungsgeschäft einschließlich des zugehörigen Vermögenswerts der entsprechenden Betriebsstätte zugeordnet.

5.216 Ist eine direkte Zuordnung von Vermögenswerten, die Sicherungszwecken dienen, zu bestimmten

Risiken nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, liegt ein „mittelbarer Sicherungszusammenhang“ vor (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BsGaV). Sicherungsgeschäft und zugehöriger Vermögenswert sind anhand eines sachgerechten Aufteilungsschlüssels auf die Betriebsstätten umzulegen, auf die die Risiken entsprechend § 10 BsGaV entfallen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BsGaV). Was ein sachgerechter Aufteilungsschlüssel ist, soll im Einzelfall aus den abgesicherten Risiken und den Sicherungsgeschäften abgeleitet werden.4

Beispiel:5 Das im Inland ansässige Unternehmen A hat eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, die auch das Haftungsrisiko ausländischer Betriebsstätten absichert. Der Haftpflichtvertrag ist nach § 9 Abs. 1 BsGaV unstreitig dem Stammhaus zuzuordnen. Die Versicherungsprämien werden hingegen gem. § 11 Abs. 2 BsGaV nach einem sachgerechten Verteilungsschlüssel (z.B. Risikogeneigtheit der einzelnen Geschäftstätigkeit) zwischen allen Betriebsstätten des Unternehmens aufgeteilt. Gleichzeitig erhält das Stammhaus für die Führerschaft des Kostenpools nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BsGaV eine Routinevergütung. Konkrete Schadensfälle sollen aus Sicht der Finanzverwaltung indes direkt verrechnet werden.

5.217 Sofern es dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht, kann eine abweichende Zuordnung

nach § 11 Abs. 3 BsGaV erfolgen. Das ist anzunehmen, wenn sich der Sicherungszusammenhang zwingend ändert. Das ist bspw. der Fall, wenn das Grundgeschäft entfällt und das Sicherungsgeschäft zur Absicherung von Vermögenswerten einer anderen Unternehmenseinheit umgewidmet wird. In diesem Fall wechselt auch die Zuordnung des Sicherungsgeschäfts zu der anderen Unternehmenseinheit.6

5.218 Grundsätzlich wird die Sicherungsabsicht vermutet, sofern die Absicherung von Risiken, Per-

sonalfunktionen und Vermögenswerten tatsächlich eintritt. Kann diese Vermutung indes erschüttert werden, werden Sicherungsgeschäft einschließlich des zugehörigen Vermögenswerts nach den allgemeinen Regeln gem. § 11 Abs. 4 i.V.m. §§ 5–8 BsGaV zugeordnet.

1 2 3 4 5 6

VWG BsGa, Rz. 121 f. BR-Drucks. 401/14, 74. BR-Drucks. 401/14, 73. VWG BsGa, Rz. 125. Angelehnt an den Beispielsfall unter VWG BsGa, Rz. 125. VGW BsGa, Rz. 127.

734 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.223 Kap. 5

i) Zuordnung von Dotationskapital aa) Grundlegendes Grundlegend für die Bestimmung der Passivseite und damit die Zuordnung von Aufwandspositionen bei der Betriebsstätte ist die Ermittlung einer angemessenen Kapitalausstattung für die Betriebsstätte. Begrifflich spricht man vom Dotationskapital (Rz. 5.113 ff.) der Betriebsstätte. Während das Eigenkapital eine bilanzielle Residualgröße zwischen dem Aktiv- und dem Passivvermögen ist, wird das Dotationskapital gem. §§ 12, 13 BsGaV nach festgelegter Methodik so ermittelt, dass die übrigen Passivposten einen Residualwert in der Hilfs- und Nebenrechnung darstellen.1

5.219

Bei der Bestimmung des Dotationskapitals unterscheidet die Verordnung zwischen inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen und ausländischen Betriebsstätten inländischer Unternehmen. Dabei werden unterschiedliche Methoden angewendet und wird jeweils profiskalisch bei einer inländischen Betriebsstätte ein besonders hohes und bei einer ausländischen Betriebsstätten ein besonders niedriges Eigenkapital angesetzt. Hintergrund ist das Ziel, den Fremdkapitalanteil und mithin den Zinsabzug im Inland zu minimieren.2

5.220

Nur bilanzierende Unternehmen müssen ihr Dotationskapital bestimmen.3 Für nicht-bilanzierende Betriebsstätten finden sich Spezialregelungen für den Zinsabzug in § 15 Abs. 4, 5 BsGaV. Die Hilfs- und Nebenrechnung folgt mithin den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen.4

5.221

Anders als bilanzielles Eigenkapital wird das Dotationskapital allerdings nicht entsprechend § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB fortgeschrieben, sondern muss jeweils zum „Beginn eines Wirtschaftsjahres“ neu bestimmt werden (§§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 BsGaV).5 bb) Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Unternehmens (§ 12 BsGaV) Einer inländischen Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Unternehmens wird nach § 12 Abs. 1 BsGaV Dotationskapital anhand der Kapitalaufteilungsmethode (Capital Allocation Approach6) zugeordnet (Rz. 5.114 ff.). Die Betriebsstätte soll mit ausreichend Eigenkapital ausgestattet sein, um die ihr zugeordneten Vermögenswerte und die zugeordneten Chancen und Risiken entsprechend der Eigenart ihrer Geschäftstätigkeit absichern und wahrnehmen zu können.7 International gelte die Regel, dass ein höheres Risiko stets auch ein höheres Eigenkapital bedinge, um das Risiko unter Umständen tragen zu können.8

5.222

Die Kapitalaufteilungsmethode bestimmt das Dotationskapital nach der Kapitalquote der Betriebsstätte, d.h. nach dem Verhältnis der Vermögenswerte der Betriebsstätte zu den Vermögenswerten des übrigen Unternehmens.

5.223

Beispiel: Das Unternehmen X mit Sitz im Ausland hat ein Gesamtvermögen von 100.000, wobei auf die Betriebsstätte im Inland 10.000 entfällt. Wesentliche Risiken werden der Betriebsstätte nicht zugeordnet. Das Eigenkapital von X beträgt 2000. Damit beträgt nach § 12 Abs. 1 BsGaV das Dotationskapital der inländischen Betriebsstätte 200 (= 10.000/100.000 × 2.000).

1 2 3 4 5 6 7 8

Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 494. Endres/Oestreicher/van der Ham, PIStB 2014, 303 (304); Haverkamp, ISR 2017, 33 (36). BR-Drucks. 401/14, 76. BR-Drucks. 401/14, 75; Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.296; Jacobs, Internationales Unternehmenssteuerrecht8, 788. Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. L, Rz. 97. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 28, 107, 121 ff. BR-Drucks. 401/14, 76; Jacobs, Internationales Unternehmenssteuerrecht8, 787. BR-Drucks. 401/14, 76 unter Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010, Rz. 9.29 ff.

Haverkamp | 735

Kap. 5 Rz. 5.224 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.224 Anders als bei der reinen Kapitalspiegelmethode wird bei der Kapitalaufteilungsmethode eine funktions- und risikogerechte Zuordnung von Eigenkapital angestrebt.1 Dafür werden sowohl für die Betriebsstätte als auch für das übrige Unternehmen Vermögenswerte angesetzt, die der Höhe nach dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und Chancen und Risiken berücksichtigen.2

5.225 Kann der Steuerpflichtige glaubhaft machen, dass eine Bewertung nach den Buchwerten des aus-

ländischen Unternehmens nicht zu einer anderen Kapitalquote führen würde als nach der Kapitalaufteilungsmethode oder dass Abweichungen mittels Anpassungsrechnungen neutralisiert werden können, erlaubt § 12 Abs. 3 Satz 2 BsGaV, eine Bestimmung der Kapitalquote nach Buchwerten. Weder die BsGaV noch die VWG BsGa legen den Maßstab fest, an dem die Glaubhaftmachung gemessen wird. Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein geringeres Beweismaß als nach § 92 AO geboten (§ 294 ZPO i.V.m. § 155 FGO).3 Beispielsweise sollte die Finanzverwaltung nachvollziehbare selbst erstellte überschlägige Vergleichsrechnungen zulassen, um den Steuerpflichtigen nicht unverhältnismäßig zu belasten.

5.226 Das Eigenkapital des ausländischen Unternehmens ist gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 BsGaV nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen. Der Verordnungsgeber fürchtet grundlegende Unterschiede zwischen der deutschen steuerbilanziellen und der ausländischen Wertbestimmung.4 Aus Vereinfachungsgründen ist es erlaubt für die Zuordnung das eingezahlte Kapital zuzüglich der Rücklagen und Gewinnvorträge und abzüglich der Verlustvorträge anhand der ausländischen Bilanz zu erstellen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, – dass dieses Eigenkapital nicht erheblich von dem nach deutschem Steuerrecht anzusetzenden Eigenkapital abweicht oder – dass Abweichungen durch Anpassungen so ausgeglichen werden, dass das Ergebnis nicht erheblich hiervon abweicht.

5.227 Interessant ist, dass auch hier auf die Wertermittlung nach deutschem Steuerrecht abgestellt wird. Insofern stellt man auch weiterhin auf deutsche steuerbilanzielle Grundsätze ab und entwickelt hieraus die fiktiven Posten der Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV. Die Finanzverwaltung beanstandet im Übrigen Abweichungen zwischen den Bilanzposten und den fiktiven Ansätzen nach der BsGaV von höchstens 10 Prozentpunkten nicht.5

5.228 Gehört das Unternehmen zu einem Konzern im aktienrechtlichen Sinne, ermittelt sich das Dotationskapital nach der Konzernkapitalquote (Thin Capitalisation Rule6), wenn die Bestimmung nach der Kapitalaufteilungsmethode dauerhaft zu Verlusten führen würde.7 Ergibt eine betriebswirtschaftliche Prognoserechnung, dass aufgrund der Unterkapitalisierung auf Dauer nicht mit einem positiven Ergebnis gerechnet werden kann, wechselt die anzuwendende Methode gem. § 12 Abs. 4 BsGaV. Damit werden Verluste im Inland profiskalisch vermieden.

Beispiel:8 Die inländische Betriebsstätte B des ausländischen Unternehmens T gehört zu einem Konzern im aktienrechtlichen Sinne. Das Eigenkapital von T beträgt 40, das konsolidierte Eigenkapital des Konzerns dagegen 1000. Nach der Kapitalaufteilungsmethode gem. § 12 Abs. 1–3 BsGaV wäre B Dotationskapital i.H.v. 10 (25 v.H. vom Eigenkapital der T) zuzuordnen. Aufgrund einer hohen Fremdkapitalquote hätte 1 BR-Drucks. 401/14, 75 f. 2 Vgl. VWG BsGa, Rz. 137. 3 Vgl. BFH v. 10.7.1974 – I R 223/70, BStBl. II 1974, 736; v. 17.3.1981 – VII R 60/77, BFHE 133, 158; v. 9.10.1991 – II R 27/91, BFH/NV 1992, 604. 4 BR-Drucks. 401/14, 76. 5 VWG BsGa, Rz. 139. 6 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 129 ff. 7 Zum Zusammenspiel zwischen § 12 BsGaV und der deutschen Zinsschranke nach § 4h EStG, § 8a KStG vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 496. 8 Angelehnt an Beispielsfall in VWG BsGa, Rz. 141.

736 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.231 Kap. 5 dies dauerhaft Verluste für B zur Folge. Nach der Finanzverwaltung ist dieses Ergebnis nicht hinnehmbar, denn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde unter diesen Umständen die Betriebsstätte schließen. Aus diesem Grund bestimmt sich das Dotationskapital nach § 12 Abs. 4 BsGaV anhand des konsolidierten Eigenkapitals. Wenn die Kapitalquote des B bei Anwendung von § 12 Abs. 1–3 BsGaV bezogen auf das konsolidierte Eigenkapital 10 v.H. beträgt, wird das Dotationskapital der B mit 100 festgesetzt.

Erstellt das ausländische Unternehmen für die Betriebsstätte eine Handelsbilanz, darf ihr für steuerliche Zwecke kein niedrigeres Dotationskapital zugeordnet werden als der Wert, der in der Handelsbilanz ausgewiesen ist.1 Der Steuerpflichtige habe mit dem Ausweis in der Handelsbilanz zum Ausdruck gebracht, dass er das Dotationskapital in dieser Höhe benötige, um am inländischen Markt tätig zu sein.

5.229

Eine Besonderheit stellt die Anpassungsregelung nach § 12 Abs. 6 BsGaV dar, wonach das Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte innerhalb eines Wirtschaftsjahres nach oben (!) anzupassen ist, wenn sich die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahres ändert und dies zu einer erheblichen Veränderung der Höhe des Dotationskapitals führt. Die Finanzverwaltung geht von einer erheblichen Veränderung aus, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres um mehr als 30 v.H. vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahres abweicht, allerdings nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt.2 Bei Erlass der BsGaV nahm der Verordnungsgeber eine erhebliche Veränderung des Dotationskapitals schon bei Abweichungen von mehr als 20 v.H. an.3 Aus Vereinfachungsgründen will die Finanzverwaltung für die unterjährige Ermittlung des Dotationskapitals auf die Höhe des Dotationskapitals zu Beginn des Folgejahrs abstellen. Auf Anpassungen kann verzichtet werden, wenn sie unverhältnismäßig wären (z.B. geringes Mehrergebnis).

5.230

Die Finanzverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass Anpassungen nach § 1 Abs. 1 AStG nur zugunsten des Fiskus wirken.4 Das bedeutet, dass eine unterjährige Senkung des Dotationskapitals und damit die Zuordnung höherer Finanzaufwendungen unzulässig sei. Der Steuerpflichtige müsste sich insofern auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA und den AOA berufen. Der sieht aber ebenfalls keine Anpassungsklausel zugunsten des Steuerpflichtigen vor, so dass es aufgrund des § 12 Abs. 6 BsGaV zu Doppelbelastungen kommen kann. cc) Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmens (§ 13 BsGaV) Einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen bilanzierenden Unternehmens ist Dotationskapital nach § 13 Abs. 1 BsGaV nur zuzuordnen, „soweit das Unternehmen glaubhaft macht, dass ein Dotationskapital in dieser Höhe aus betriebswirtschaftlichen Gründen erforderlich ist (Mindestkapitalausstattungsmethode).“ Damit bricht die Verordnung mit den Grundsätzen der OECD im AOA, die keine Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fällen vorsieht.5 Auch bestehen deutliche Zweifel an der Folgerichtigkeit dieser Regelungen.6 Mit der Beweislastumkehr wird der Finanzverwaltung ein weiter Prüfungsrahmen bei der Verifizierung des Dotationskapitals ausländischer Betriebsstätten eingeräumt werden. Der Steuerpflichtige muss darlegen und ggf. Beweis dazu führen, ob und insbesondere in welcher Höhe der Betriebsstätte Kapital zuzuordnen ist. Interessant ist, dass auf „betriebswirtschaftliche Gründe“ abgestellt wird und nicht auf den Fremdvergleichsgrundsatz. 1 2 3 4 5 6

VWG BsGa, Rz. 142. VWG BsGa, Rz. 143. BR-Drucks. 401/14, 80. VWG BsGa, Rz. 143. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 146. Zweifel an der Konformität mit Unionsrecht und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bei Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 497, 501.

Haverkamp | 737

5.231

Kap. 5 Rz. 5.232 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.232 Der Fremdvergleichsgrundsatz findet nach § 13 Abs. 2 BsGaV nur im Einzelfall Berücksichtigung, wenn der Steuerpflichtige der ausländischen Betriebsstätte ein Dotationskapital zuweisen will, das oberhalb dessen liegt, was betriebswirtschaftlich erforderlich ist. Nach § 13 Abs. 2 BsGaV kann der ausländischen Betriebsstätte dieses höhere Dotationskapital zugewiesen werden, „soweit es im Einzelfall zu einem Ergebnis der Betriebsstätte führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.“1 Nach dem Wortlaut der Verordnung muss die Finanzverwaltung also nicht jede Begründung für eine abweichende Wertbestimmung akzeptieren. Die VWG BsGa verlangen, dass der Steuerpflichtige sich bei seiner Begründung z.B. betriebswirtschaftlicher Kennziffern bedient.2

5.233 Eine Höchstgrenze für das Dotationskapital ist nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BsGaV der Eigenkapitalwert, der nach der Kapitalaufteilungsmethode analog § 12 Abs. 1–3 BsGaV der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen wäre. Diese Höchstgrenze soll auf Grundlage der für die Besteuerung im Inland maßgeblichen Bilanzansätze ermittelt werden. Wollen Steuerpflichtiger oder Finanzverwaltung hiervon abweichen, tragen sie jeweils die Beweislast dafür, dass von den Bilanzansätzen abweichende Werte dem Fremdvergleichsgrundsatz in größerem Umfang Rechnung tragen.3 Höhere Werte dürfen darüber hinaus nur zugeordnet werden, soweit nicht-steuerliche Vorschriften des Quellenstaats dies erfordern. Gemeint sind regulatorische Mindestkapitalanforderungen z.B. in der Finanzindustrie.

Eine weitere Einschränkung nimmt § 13 Abs. 4 BsGaV dahingehend vor, dass das in der ausländischen Handelsbilanz der ausländischen Betriebsstätte tatsächlich ausgewiesene Kapital absolute Höchstgrenze für die Zuordnung von Dotationskapital ist.4 Beispiel:5 Die Bilanzwerte (BW) des inländischen Unternehmens X sind mit den Marktwerten (MW) der Wirtschaftsgüter identisch. Ein selbst geschaffenes immaterielles Wirtschaftsguts ist steuerbilanziell nicht erfasst. Der ausländischen Betriebsstätte sind aufgrund der dort wahrgenommenen Personalfunktionen verschiedene Vermögenswerte zuzuordnen (§§ 5–8 BsGaV). Zur Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit hat X ein Bankdarlehen aufgenommen. Die vereinfachte Bilanz von X stellt sich wie folgt dar: Bilanz der X in Deutschland Grundstück (BW/MW) Immaterielles Wirtschaftsgut (BW/MW) Sonstiges Anlagevermögen (BW/MW) Umlaufvermögen (BW/MW)

500/500 0/400 400/400 700/700

Bilanzsumme

1.600/2.000

Eigenkapital (BW/MW) (600/1.000) Fremdkapital 1.000

1.600/2.000

Kann X nicht glaubhaft machen, dass der ausländischen Betriebsstätte aus betriebswirtschaftlichen Gründen Kapital zugewiesen werden muss, wird ihr ein Dotationskapital i.H.v. Null zugeordnet. X steht es offen, darzulegen, dass ein anderer Wert dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Dafür sollte X zunächst den Höchstbetrag nach der Kapitalaufteilungsmethode analog § 12 Abs. 1–3 BsGaV bestimmen, sofern aus nicht-steuerlichen Vorschriften im Betriebsstättenstaat sich nicht ohnehin ein anderer Höchstwert ergibt. Bei der Bestimmung der Höchstwerte nach der Kapitalaufteilungsmethode sind die maßgeblichen Bilanzwerte der X zugrunde zu legen, es sei denn, andere Werte führen zu einem Ergebnis, welches dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Sind Buchwerte i.H.v. 200 direkt der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen, ist ihr grundsätzlich nach der Kapitalaufteilungsmethode Dotationskapital i.H.v. höchstens 75 (= 200/1.600 × 600) zuzuordnen. Kann X damit durchdringen, dass die Berücksichtigung des immateriellen Wirtschaftsguts zu einem Er1 Der unbestimmte Rechtsbegriff „besser“ scheint unglücklich gewählt und lässt ein hohes Maß an qualitativer, sprich subjektiver, Auslegung durch den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung zu. 2 VWG BsGa, Rz. 146 f. 3 VWG BsGa, Rz. 148. 4 Kritisch Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (473). 5 Angelehnt an Beispielsfall bei Jacobs, Internationales Unternehmenssteuerrecht8, 789 f.

738 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.238 Kap. 5 gebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht, ist der Betriebsstätte ein Dotationskapital i.H.v. 100 zuzuordnen (= 200/2.000 × 1.000), vorausgesetzt der Wertansatz in der ausländischen Handelsbilanz wird nicht überschritten. Das Unternehmen X hat bei entsprechender Nachweisvorsorge also praktisch ein Wahlrecht, Dotationskapital im Wert von zwischen 0 und 100 anzusetzen. Das bietet Gestaltungspotential.

Soweit sich das Dotationskapital während des Wirtschaftsjahrs gegenüber dem Beginn des Wirtschaftsjahrs erheblich verändert, sieht § 13 Abs. 5 BsGaV eine Pflicht zur Anpassung vor. Die Finanzverwaltung wendet dieselben Regeln wie im Zusammenhang mit § 12 Abs. 6 BsGaV (Rz. 5.230) an (mehr als 30 v.H. Abweichung, allerdings nur, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. Euro beträgt)1 – im Widerspruch zu den Grenzwerten, die im Gesetzgebungsverfahren zu § 1 Abs. 5 AStG genannt wurden. Danach sollte eine erhebliche Abweichung bei einer Veränderung von mehr als 20 v.H. vorliegen.2

5.234

j) Zuordnung übriger Passivposten Die übrigen Passivposten werden als Überhang der Aktivseite der Hilfs- und Nebenrechnung über dem Dotationskapital und den zugeordneten Risiken der Betriebsstätte zugewiesen (Residualgröße).3

5.235

Zunächst werden buchführungspflichtigen Betriebsstätten oder solchen, die tatsächlich Bücher führen, nach § 14 Abs. 1 BsGaV die übrigen Passivposten zugewiesen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den ihr zugeordneten Vermögenswerten und den ihr zugeordneten Chancen und Risiken stehen (direkte Zuordnung). Insbesondere sollen Vermögenswerte und die für ihre Finanzierung erforderlichen Aufwendungen nicht auseinanderfallen.4

5.236

Sofern die direkt zuordenbaren übrigen Passivposten in der Summe den zur Verfügung stehenden Überhang der Aktivposten der Hilfs- und Nebenrechnung über das Dotationskapital nebst Risikorückstellungen übersteigen, sieht § 14 Abs. 2 BsGaV eine quotale Kürzung aller Passivposten vor. Die Passivposten sind in Höhe des Kürzungsbetrags dem übrigen Unternehmen zuzuordnen.5 Sollten im Einzelfall die Summe des zwingend der Betriebsstätte zuzuordnenden Dotationskapitals und der zwingend zuzuordnenden Risiken die zugeordneten Vermögenswerte übersteigen (Passivüberhang), muss die Differenz durch Zuordnung von liquiden Mittel (z.B. Kasse oder Bank) ausgeglichen werden.

5.237

Verbleibt nach der Bestimmung der in der Hilfs- und Nebenrechnung auszuweisenden Risiken, des Dotationskapitals und der direkten Zuordnung übriger Passivposten ein Aktivüberhang, so ist dieser Überhang gem. § 14 Abs. 3 BsGaV mit den übrigen Passivposten des Unternehmens aufzufüllen (indirekte Zuordnung).

5.238

Beispiel:6 Unternehmen X aus dem Staat A unterhält im Staat B eine Produktionsbetriebsstätte, der zutreffend Vermögenswerte, Risiken und Dotationskapital zugewiesen wurde. Folgende vorläufige Hilfsund Nebenrechnung ergibt sich: Vorläufige Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte Maschine 1.000 Dotationskapital Rohstoffe 300 Gewährleistungsrückstellung (Risiko)

300 300

Für den Erwerb der Maschine hat X ein Bankdarlehen (I) i.H.v. 300 aufgenommen. Für den Erwerb eines Lkw, der zutreffend dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist, hat X ein Bankdarlehen (II) i.H.v. 1 2 3 4 5 6

VWG BsGa, Rz. 151. BR-Drucks. 401/14, 83. Kritisch Hagemann/Kahlenberg, PIStB 2015, 159 (165). BR-Drucks. 401/14, 83; VWG BsGa, Rz. 152 mit anschaulichem Beispiel. VWG BsGa, Rz. 153. VWG BsGa, Rz. 154.

Haverkamp | 739

Kap. 5 Rz. 5.239 | Betriebsstättengewinnabgrenzung 100 aufgenommen. Zur allgemeinen Unternehmensfinanzierung besteht ein Bankdarlehen (III) i.H.v. 350. Weitere Verbindlichkeiten bestehen nicht. Das Bankdarlehen (I) steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Maschine und ist daher nach § 14 Abs. 1 BsGaV der Betriebsstätte zuzuordnen. Weder Bankdarlehen (II) noch Bankdarlehen (III) sind direkt der Betriebsstätte zuzuordnen. Die Zuordnung der direkt zuordenbaren Passivposten führt insofern zu einem Aktivüberhang, der nach § 14 Abs. 3 BsGaV durch die Zuordnung weiterer Passivposten auszugleichen ist. Zunächst sind hierfür die übrigen Passivposten zuzuordnen, die nicht direkt einem anderen Unternehmensteil zuzuordnen sind (Vermeidung der Doppelerfassung). Damit ist zunächst Bankdarlehen (III) zuzuordnen, weil die allgemeine Unternehmensfinanzierung auch die Betriebsstätte betrifft. Da dies zum Auffüllen der Passivseite aber nicht ausreicht, ist auch der für den Ausgleich erforderliche Teil des Bankdarlehens (II) bei der Betriebsstätte zu erfassen. Es ergibt sich folgende endgültige Hilfs- und Nebenrechnung: Endgültige Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte Maschine 1.000 Dotationskapital Rohstoffe 300 Gewährleistungsrückstellung (Risiko) Bankdarlehen (I) Bankdarlehen (III) Bankdarlehen (II) 1.300

300 300 300 350 50 1.300

k) Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen

5.239 Neben der Zuordnung von Passiva, wie z.B. Verbindlichkeiten, sieht § 3 Abs. 2 Satz 2 BsGaV ins-

besondere auch vor, dass analog einer Gewinn- und Verlustrechnung u.a. Betriebsaufwendungen erfasst werden. Für Finanzierungsaufwendungen, die mit Passivposten zusammenhängen, die nach § 14 BsGaV der Betriebsstätte zugeordnet werden, hat der Verordnungsgeber in § 15 BsGaV Spezialregelungen geschaffen.

Beispiel: Der Forschungsbetriebsstätte B des Unternehmens X sind Maschinen im Wert von 300 und zugekaufte Patente im Wert von 1000 direkt zuzuordnen. Dotationskapital und Haftungsrückstellungen wegen der Gefahrgeneigtheit der Forschungstätigkeit betragen jeweils 300 (insgesamt 600). Zur Finanzierung der Vermögenswerte nimmt das Unternehmen zwei Darlehen auf; zur Finanzierung der Maschinen i.H.v. 100 (I) und für den Erwerb der Patente i.H.v. 900 (II). Die direkte Zuordnung der beiden Bankdarlehen führt zu einem Passivüberhang, der nach § 14 Abs. 2 BsGaV durch eine anteilige Kürzung auszugleichen ist. Beide Darlehen sind B daher nur im Umfang von insgesamt 700 (Berücksichtigungsquote: 70 v.H.) zuzuordnen. Die verbleibende Darlehensvaluta wird dem übrigen Unternehmen zugeordnet. Endgültige Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte Maschine 300 Dotationskapital Patente 1.000 Haftungsrückstellung (Risiko) Bankdarlehen (I) (70 v.H. v. 100) Bankdarlehen (III) (70 v.H. v. 900) 1.300

300 300 70 630 1.300

Fallen nunmehr für Bankdarlehen (I) Zinsen i.H.v. 10 und für Bankdarlehen (II) i.H.v. 90 an, sind sie bei der Betriebsstätte als Betriebsausgaben i.H.v. 7 (= 10 × 70 v.H.) und i.H.v. 63 (= 90 × 70 v.H.) in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen. Den Überhang kann das Stammhaus geltend machen.

5.240 Nach § 15 Abs. 1 BsGaV teilen Finanzierungsaufwendungen, die mit direkt zuordenbaren Passiv-

posten nach § 14 Abs. 1 BsGaV zusammenhängen, deren Schicksal. Das gilt auch für die anteilige Kürzung von Passivposten und Finanzierungsaufwand gem. §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 2 BsGaV.

740 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.243 Kap. 5

Sofern die direkte Zuordnung des Finanzierungsaufwands entweder nicht möglich ist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen würde, erlaubt § 15 Abs. 3 Satz 1 BsGaV, eine anteilige indirekte Zuordnung. Die quotale Zuordnung bestimmt sich dann nach dem Verhältnis der übrigen Passivposten, die zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Betriebsstätte indirekt zuzuordnen sind, zu den übrigen Passivposten des Unternehmens (§ 15 Abs. 3 Satz 2 BsGaV).1 Bei unterjährigen Anpassungen (z.B. des Dotationskapitals) können die Aufwendungen aus Verwaltungssicht nur monatsgenau zugerechnet werden.2 Kann dargelegt werden, dass eine andere Quote dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht, ist diese anzuwenden.

5.241

Abweichende Regelungen sieht die Verordnung für Unternehmen vor, die weder im Inland noch im Ausland buchführungspflichtig sind und auch tatsächlich keine Bücher führen. Der inländischen Betriebsstätte darf nach § 15 Abs. 4 BsGaV Finanzierungsaufwand des ausländischen Unternehmens (pro-fiskalisch) nur zugeordnet werden, soweit dieser im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte steht. Voraussetzung ist, dass der inländischen Betriebsstätte in jedem Fall eine angemessene Gewinnmarge verbleibt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 BsGaV). Damit wird jede inländische Betriebsstätte eines nicht buchführungspflichtigen Unternehmers wie ein Routineunternehmen behandelt, das aus Verwaltungssicht dem Grunde nach keine Verluste akkumulieren darf.3

5.242

Im umgekehrten Fall einer ausländischen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmens, das nach inländischem Recht nicht buchführungspflichtig ist und auch tatsächliche keine Bücher führt, ist nach § 15 Abs. 5 BsGaV mindestens der Anteil des inländischen Finanzierungsaufwands zuzuordnen, der ihrem Anteil an den Außenumsätzen des Unternehmens entspricht. Damit werden in- und ausländische Betriebsstätten ungleich behandelt. Das ist nicht folgerichtig und widerspricht dem Grundsatz einer gleichen und leistungsgerechten Besteuerung. Steuerpflichtige Unternehmer sind darauf angewiesen, über die Escape-Klausel nach § 15 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 BsGaV eine leistungsgerechte Besteuerung wiederherzustellen. Dafür müssen sie darlegen, dass eine andere Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht. Dies sollte sich in der Praxis als schwierig erweisen. Beispiel:4 Das Unternehmen X ist weder im In- noch im Ausland buchführungspflichtig und führt auch freiwillig keine Bücher. Für Vermögensgegenstände, die der Betriebsstätte des X zuzuordnen sind, wurde ein Bankdarlehen (I) i.H.v. 1.000 aufgenommen. Jährlich fallen hierfür Zinsen i.H.v. 50 an. Ein zweites Bankdarlehen (II) i.H.v. 200 mit Jahreszinsen i.H.v. 10 dient dem allgemeinen Geschäftszweck. Weltweit erzielt X einen Umsatz i.H.v. 10.000, wovon 20 v.H. (2.000) auf die Betriebsstätte entfallen. Der inländische Finanzierungsaufwand der X beträgt 1.000. Eine Zuordnung von übrigen Passivposten nach § 14 BsGaV erfolgt mangels Buchführungspflicht nicht. Liegt die Betriebsstätte im Inland können nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BsGaV nur Zinsaufwendungen i.H.v. 50 der Betriebsstätte zugeordnet werden, weil nur diese Zinsen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte stehen. Die übrigen Zinsaufwendungen für Zwecke der Finanzierung der allgemeinen Geschäftstätigkeit sind nicht zuordnungsfähig. Das ändert sich auch nicht, wenn die Betriebsstätte im Ausland liegt. Allerdings wären dann gem. § 15 Abs. 5 Satz 2 BsGaV 20 v.H. des inländischen Finanzierungsaufwands dort zuzuordnen.

9. Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen a) Grundlegendes Im Anschluss an die Zuordnung der Vermögenswerte, der Chancen und Risiken sowie des Dotationskapitals und der übrigen Passivposten sind die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG zu bestimmen. Diese festzustellen, ist „einer der Hauptzwe1 2 3 4

Vgl. VWG BsGa, Rz. 158, wonach die Finanzverwaltung den Ansatz von Durchschnittswerten zulässt. VWG BsGa, Rz. 160; dem Gesetz bzw. der BsGaV kann dies nicht entnommen werden. Zu dem Streitthema Verluste bei Routineunternehmen siehe Schnorberger/Dust, BB 2015, 2903 (2904). VWG BsGa, Rz. 161, 162.

Haverkamp | 741

5.243

Kap. 5 Rz. 5.244 | Betriebsstättengewinnabgrenzung cke der […] Verordnung“.1 Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass grundsätzlich jede Art von schuldrechtlicher Beziehung fingiert werden kann.2 Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung wird wie folgt definiert:3 „[…] ein tatsächliches und identifizierbares Ereignis […] (wirtschaftlicher Vorgang), das im Regelfall die jeweils ausgeübten Personalfunktionen betrifft. Es muss eine Schwelle überschritten werden, die es rechtfertigt für dieses Ereignis anzunehmen, dass rechtlich selbständige unabhängige Unternehmen in einer vergleichbaren Situation eine schuldrechtliche Vereinbarung abgeschlossen oder eine bestehende Rechtsposition geltend gemacht hätten […].“

5.244 Die Fiktion einer schuldrechtlichen Rechtsbeziehung muss also auf Einzelfalltatsachen aufsetzen.

Die Finanzverwaltung spricht von einem „Ereignis“, also einer tatsächlichen Änderung des Ist-Zustands. Gleichzeitig muss diese tatsächliche Sachverhaltsänderung derart ins Gewicht fallen, dass sich unter Fremdvergleichsgesichtspunkten Rechtsfolgen an sie knüpfen. Das bedeutet, dass nicht bei jeder Änderung des Sachverhalts schuldrechtliche Beziehungen anzunehmen sind. Vielmehr muss unter Berücksichtigung des Funktions- und Risikoprofils ermittelt werden, ob die Tatsachenlage (fiktive) konkludente Vertragsschlüsse bzw. die einseitige Geltendmachung von Ansprüchen rechtfertigt. Von Gesetzes wegen wird unterstellt, dass unabhängige Dritte wirtschaftliche Vorgänge mittels schuldrechtlicher Vereinbarung regeln (§ 1 Abs. 4 Satz 2 AStG). Den Steuerpflichtigen trifft insofern die Beweislast dafür, dass keine schuldrechtliche Beziehung im Einzelfall anzunehmen ist. Unweigerlich wird die Feststellung steuerrelevanter Ereignisse und die Annahme schuldrechtlicher Beziehungen in Zukunft Schwerpunkt der Betriebsprüfungspraxis sein.

5.245 Für die Finanzverwaltung bilden die Aufzeichnungen des Unternehmens nach § 3 BsGaV im Re-

gelfall den Ausgangspunkt für die Feststellung und Charakterisierung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen.4 Allerdings wird dem Ansatz, pro-forma-Verträge zwischen den Unternehmensteilen zu schließen,5 eine Absage erteilt. Der unternehmerischen Dispositionsfreiheit komme nur eingeschränkte Bedeutung zu, weil die Zuordnungsgegenstände nach den ausgeübten Personalfunktionen, mithin nach objektiven Kriterien zugeordnet werden.6

5.246 Nach § 16 Abs. 1 BsGaV werden zwei Kategorien unterschieden: Zum einen liegt eine anzuneh-

mende schuldrechtliche Beziehung vor, wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden, die eine Änderung der Zuordnung nach §§ 5–11 BsGaV zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen erforderlich machen (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV). Zum anderen ist sie anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen entweder durch schuldrechtliche Vereinbarung geregelt oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würde (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV).

b) Zuordnungsänderung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV aa) Ausgangspunkt

5.247 Typisierend wird eine Zuordnungsänderung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV angenommen, wenn

sich Personalfunktionen dahingehend ändern, dass sich auch die Zuordnung von Vermögenswerten ändert (fiktiver Verkauf, fiktive Nutzungsüberlassung). Hier deckt sich der Anwendungsbereich mit den Regelungen zur Steuerent- und Steuerverstrickung von Einzelwirtschaftsgütern nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4, 8 EStG, § 12 Abs. 1 KStG. Unabhängig vom AOA und der BsGaV sehen die Regelungen als Ausnahme von den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften Gewinnreali1 2 3 4 5 6

BR-Drucks. 401/14, 88; vgl. auch OECD-Betriebsstättenbericht 2010, 39 ff., 219. VWG BsGa, Rz. 5, 164. VWG BsGa, Rz. 165; OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 35, 176. VWG BsGa, Rz. 167; OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 177, 181. So Kroppen, IStR 2005, 74; Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487 (492). VWG BsGa, Rz. 167.

742 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.252 Kap. 5

sierungen bzw. fiktive Anschaffungsvorgänge aufgrund reiner Innentransaktionen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus vor.1 bb) Entstrickung/Verstrickung (1) Betriebsstätte wird begründet/beendet oder Geschäftsmodell ändert sich Besondere Bedeutung erlangt die Zuordnungsänderung immer dann, wenn eine Betriebsstätte begründet oder beendet wird oder wenn sich deren Geschäftsmodell ändert. In diesen Fällen werden i.d.R. Wirtschaftsgüter zwischen den Unternehmensteilen verschoben. Regelungskonkurrenz besteht dann zwischen den anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (Veräußerung) nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV und den steuerlichen Entstrickungsregelungen nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 KStG.

5.248

In beiden Fällen kommt es zur Realisierung stiller Reserven mittels fiktiver Veräußerung, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Inland ins Ausland überführt wird. Entscheidend ist, dass ein Wirtschaftsgut, das bislang einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet war, nunmehr der ausländischen Betriebsstätte zugeordnet wird.

5.249

Ähnlich verhält es sich bei der Überführung von einem zunächst der ausländischen Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgut an eine inländische. Der Zuordnungswechsel führt nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV grundsätzlich zu einem fiktiven Erwerb durch die inländische Betriebsstätte und mithin zu Anschaffungskosten in der Hilfs- und Nebenrechnung.2 Nach § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG kommt es steuerbilanziell zur Verstrickung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert.

5.250

(2) Konkurrenzverhältnis Die Entstrickungsregeln nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 KStG gehen im Konkurrenzwege der Einkünftekorrektur infolge einer fiktiven Veräußerung neu zugeordneter Wirtschaftsgüter nach § 16 BsGaV vor. Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG findet eine außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1, 3, 5, 6 AStG i.V.m. § 16 Abs. 2 BsGaV nur statt, soweit der Umfang dieser Einkünftekorrektur über den der Entstrickung hinausgeht.3 Das ist i.d.R. dann der Fall, wenn die Bewertung des neu zugeordneten Wirtschaftsguts uneinheitlich erfolgt. Während die Entnahme-/Veräußerungsfiktion4 nach §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG, § 12 Abs. 1 KStG mit dem gemeinen Wert bemessen wird, ist außersteuerlich nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BsGaV ein Fremdpreis zu bestimmen. Die Finanzverwaltung geht zwar grundsätzlich davon aus, dass die Werte sich regelmäßig decken,5 schließt Abweichungen aber nicht grundsätzlich aus.6

5.251

Ähnlich verhält es sich bei der Einlagefiktion nach § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG (Steuerverstrickung), deren Rechtsfolge höhere Anschaffungskosten und mithin über die Abschreibung höhere Betriebsausgaben im Inland sind. Sollten nach § 16 Abs. 2 BsGaV niedrigere Werte für den Betriebsausgabenabzug ermittelt werden, ist die Finanzverwaltung zu einer Korrektur nach allgemeinen Grundsätzen berechtigt. Sollte der Wert indes ein höherer sein als der nach §§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG, kommt es gerade nicht zu einer Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen. Dieser ist auf die abkommensrechtliche Korrespondenzregel nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA verwiesen.7 Bei einheitlicher Auslegung des AOA muss der Abzug von der Finanzverwaltung im Ergebnis akzeptiert werden.

5.252

1 2 3 4 5 6 7

Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.40. VWG BsGa, Rz. 20. VWG BsGa, Rz. 20. Zur Abgrenzung vgl. Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 329. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.2. VWG BsGa, Rz. 20; siehe dort auch Beispielsfall (1) („gemeine Wert/Fremdvergleichspreis“). VWG BsGa, Rz. 20.

Haverkamp | 743

Kap. 5 Rz. 5.253 | Betriebsstättengewinnabgrenzung (3) Tatbestand der Entstrickung

5.253 Die Entstrickungsregelung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG wurde eingeführt, um die seinerzeit herr-

schende Rechtsprechung zur sog. finalen Entnahmetheorie und die darauf aufbauende Verwaltungsmeinung gesetzlich zu regeln.1 Kurz darauf hat der BFH die finale Entnahmetheorie aufgegeben,2 was zu Zweifeln am Anwendungsbereich der Regelung in der Literatur geführt hat.3 Als Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eingeführt, der klarstellen soll, dass die Regelung insbesondere auch bei Überführung eines Wirtschaftsguts innerhalb eines Unternehmens vom Inland zu einer ausländischen Betriebsstätte einschlägig ist.4

5.254 Tatbestandlich knüpfen die Aufdeckung stiller Reserven und deren Besteuerung nach § 4 Abs. 1

Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG an den Wegfall bzw. die Beschränkung der deutschen Besteuerungshoheit über Gewinne aus der Veräußerung oder aus der Nutzung eines Wirtschaftsguts an. Das deutsche Besteuerungsrecht soll ausgeschlossen sein, wenn Deutschland Gewinne nach dem einschlägigen DBA freistellt; eine Beschränkung wird angenommen, wenn kein DBA besteht5 oder nach den Regelungen des einschlägigen DBA die Anrechnungsmethode Anwendung findet6. Bislang war fraglich, ob Deutschland in diesen Fällen tatsächlich sein Besteuerungsrecht an den stillen Reserven verloren gehe.7 Dieser Streit sollte sich insofern erledigt haben, als nach dem AOA eine Veräußerung des Wirtschaftsguts unterstellt wird. Im Veranlagungszeitraum der Überführung wird dem Inland ein dem fiktiven Kaufpreis entsprechend höherer Gewinnanteil (abkommensrechtlich) zugewiesen. Tatbestandlich führt die Fiktion allerdings nur zu einer höheren Besteuerung, soweit er durch eine innerstaatliche Gewinnermittlungsvorschrift (z.B. die Entstrickungsregelungen) ausgefüllt wird. Bei einer späteren tatsächlichen Veräußerung am Absatzmarkt ist dem deutschen Fiskus der Zugriff auf die stillen Reserven nach Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA i.d.F. des AOA verwehrt.

5.255 Klarstellend geht § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG davon aus, dass im Regelfall eine Entstrickung vorliegt,

wenn ein Wirtschaftsgut einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens im Ausland zugeordnet wird. Unter systematischen Gesichtspunkten ist es durchaus fraglich, ob hier auf die Zuordnungsregelungen nach §§ 4–11 BsGaV zurückgegriffen werden kann.8 Im Ergebnis kann dies dahinstehen, denn die Finanzverwaltung nimmt keine Änderung der Zuordnung eines Wirtschaftsguts an, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine nur vorübergehende9 miet- und pachtähnliche Überlassung des Wirtschaftsguts wie unter unabhängigen Dritten erfolgt.10 Nur bei einer dauerhaften Nutzungsüberlassung liege eine Entstrickung vor. Insoweit bestehen keine grundlegenden Unterschiede zu den Zuordnungsregelungen nach der BsGaV.11

1 BFH v. 16.7.1969 – I R 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; BSVWG, Tz. 2.6.1 Buchst. a; BT-Drucks. 16/2710, 28. 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 Wassermeyer in FS Krawitz, 483–507; Mitschke, DB 2009, 1376 (1377 f.); Ditz, IStR 2009, 115 (119 f.); kritisch zur Umsetzung insgesamt Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 673 f.; Wassermeyer, IStR 2008, 176, Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, DB 2006, 2420; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483). 4 Mitschke, Ubg 2011, 328 (336); Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 329 („Nachbesserung“). 5 Abstrakte Gefahr der Anrechnung ausländischer Steuern nach § 34c EStG, § 26 KStG, Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 331. 6 Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 329 m.w.N. 7 Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (270); Richter/Heyd, Ubg 2011, 172 (174); Musil in H/H/R, § 4 EStG Anm. 225 (Stand: Mai 2017); Musil, FR 2011, 545 (549); Mitschke FR 2011, 706 (707). 8 Kritisch Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (83); nicht eindeutig Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 331. 9 Zeitgrenze i.d.R. wohl ein Jahr. 10 BS-VWG, Rz. 2.4; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.53 m.w.N. 11 Weiterführend zum Anwendungsbereich der Entstrickungsregelungen im Bereich des Umwandlungsrechts vgl. Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 ff.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.260 Kap. 5

Aufgrund europarechtlicher Zweifel an der Sofortbesteuerung aufgedeckter stiller Reserven1 erlaubt § 4g Abs. 1, 2 Satz 1 EStG2 eine Steuerstundung über fünf Jahre mittels Bildung eines Ausgleichspostens in der Steuerbilanz des unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmens, soweit es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens handelt, es einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugeordnet wird und der Steuerpflichtige einen Antrag stellt.3 Zweifel an der Europarechtskonformität sollten spätestens seit den Entscheidungen Verder Lab Tec4, DMC5 und Kommission/Deutschland6 ausgeräumt sein.7

5.256

Die Entnahme bzw. Veräußerung nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG erfolgt zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Nach § 9 Abs. 2 BewG entspricht dies dem Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der gemeine Wert enthält mithin eine Gewinnmarge, die dem Veräußerer, also dem inländischen Unternehmensteil zusteht.

5.257

(4) Tatbestand der Verstrickung Von einer Steuerverstrickung spricht man, wenn das deutsche Besteuerungsrecht durch eine Überführung eines Wirtschaftsguts ins Inland begründet wird (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG). Das wird angenommen, wenn ein Wirtschaftsgut dem steuerbilanziellen Betriebsvermögen eines im Inland beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtigen zugeführt wird. Anders als bei § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG reicht eine bloße Nutzungsüberlassung indes nicht aus.8

5.258

Das Wirtschaftsgut wird ebenfalls nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG zum gemeinen Wert im inländischen Betriebsvermögen erfasst.

5.259

(5) Gemeinsamer Anwendungsbereich Grundsätzlich geht die Finanzverwaltung davon aus, dass „auch soweit die […] Verstrickungsvorschriften anwendbar sind, […] gleichzeitig eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nach § 16 BsGaV“ vorliegt.9 Sofern die Innentransaktionen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV zu zusätzlichen Mehrergebnissen führen, kommt es zur außerbilanziellen Einkünftekorrektur beim Steuerpflichtigen. Beispiel 1: Unternehmen X hat eine ausländische Betriebsstätte, der ein Wirtschaftsgut dauerhaft zugeordnet wird, das ursprünglich dem inländischen Stammhaus zugeordnet war. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000, der gemeine Wert 1.200 und der Fremdvergleichspreis a) 1.250 oder b) 1.150.

1 Gosch, IWB 2012, 779 ff.; Körner, IStR 2009, 741 ff.; Hruschka, DStR 2011, 2334 ff., Thömmes, IWB 2011, 896 sowie Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.28 f.; a.A. Sydow, DB 2014, 265 nach der Entscheidung des EUGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU: C:2014:20; zurückhaltender Thömmes, StuB 2014, 288; jüngst Mössner, IStR 2015, 768 ff. 2 Vgl. Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133; Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22; Hofmann, DB 2007, 652; Kramer, DB 2007, 2338; Kahle, IStR 2007, 762; Förster, DB 2007, 72; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648. 3 Kessler/Winterhalter/Huck, DStR 2007, 133 ff.; Broemel/Endert, BBK 2013, 5 ff.; Kahle/Franke, IStR 2009, 406 ff. 4 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder Lab Tec, ECLI:EU:C:2015:331 = IStR 2015, 440 m. Anm. Mitschke. 5 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = IStR 2014, 106 m. Anm. Mitschke; BFH v. 30.9.2015 – I B 66/15, IStR 2015, 974. 6 EuGH v. 16.4.2015 – Rs. C-591/13 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2015:230 = IStR 2015, 361 m. Anm. Hruschka. 7 Kritisch Ditz/Quilitzsch, DStR 2015, 545 (551); Linn, IStR 2014, 136; Schnitger, IStR 2012, 625. 8 Heinicke in Schmidt36, § 4 EStG Rz. 334. 9 VWG BsGa, Rz. 20.

Haverkamp | 745

5.260

Kap. 5 Rz. 5.261 | Betriebsstättengewinnabgrenzung Nach § 4 Abs. 1 Satz 3, 4 EStG liegt ein Vorgang vor, der einer Veräußerung zum gemeinen Wert des übertragenen Wirtschaftsguts gleichsteht (Entstrickung). Der fiktive Veräußerungsgewinn beträgt mithin 200. In der Steuerbilanz ist der Buchwert um 200 auf den gemeinen Wert aufzustocken. Gleichzeitig wird eine fiktive Veräußerung nach §§ 1 Abs. 1, 3, 5, 6 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV unterstellt. Soweit der Fremdvergleichspreis den gemeinen Wert überschreitet, kommt es nach § 1 Abs. 1 Satz 1, 4 AStG zu einer außerbilanziellen Hinzurechnung (hier: a) 50), die durch ein erhöhtes (fiktives) Abschreibungsvolumen zeitversetzt neutralisiert wird (fiktive Anschaffungskosten der ausländischen Betriebsstätte1). Anderenfalls, d.h. bei Fremdvergleichspreis b), bleibt es beim Veräußerungsgewinn i.H.v. 200. Korrekturen zugunsten des Steuerpflichtigen erlaubt § 1 AStG nicht. Abwandlung:2 Das Wirtschaftsgut wird nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend, d.h. für einen Zeitraum von weniger als einem Jahr, übertragen. Der Betriebsstätte werden dafür Selbstkosten i.H.v. 100 belastet. Der gemeine Wert/Fremdvergleichspreis für die Nutzungsüberlassung beträgt 110. Die vorübergehende Nutzung führt weder nach § 5 BsGaV noch nach § 12 Abs. 1 KStG zu einer Zuordnungsänderung, sodass keine fiktive Veräußerung des Wirtschaftsguts in Betracht kommt. Nach R 4.3 Abs. 2 Satz 3 EStR liegt ein Fall der Nutzungsentnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, d.h. es wird nicht das Wirtschaftsgut, sondern die Nutzungsmöglichkeit daran entnommen.3 Der gemeine Wert für die Nutzungsüberlassung muss angesetzt werden. Das hat zur Folge, dass das Ergebnis des übrigen Unternehmens um 100 erhöht, während das der ausländischen Betriebsstätte um den gleichen Betrag gemindert wird. Der Gewinn der X bleibt im Ergebnis also unverändert. Beispiel 2: Ein Wirtschaftsgut wird von der Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Ausland in die inländische Betriebsstätte des Unternehmens X dauerhaft überführt. Der Buchwert des Wirtschaftsguts beträgt 1.000 der gemeine Wert 1.200, der Fremdvergleichspreis 1.300. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG liegt ein Vorgang vor, der einer Einlage gleich steht (Verstrickung). Die Einlage ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Ein höherer Ansatz wäre zu korrigieren. Daneben liegt eine fiktive Veräußerung durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte an die inländische Betriebsstätte vor (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV). Der höhere Fremdvergleichspreis führt grundsätzlich nicht zu einer Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen.

cc) Sonderfall: Zuordnungsänderungen zwischen Auslandsbetriebsstätten

5.261 Ein besonderer Fall der Zuordnungsänderung ist der Wechsel der Zuordnung eines Vermögenswerts zwischen zwei ausländischen Betriebsstätten desselben im Inland ansässigen Unternehmens. Die deutsche Finanzverwaltung4 lehnt anders als die OECD5 eine unmittelbare Gewinnabgrenzung zwischen den ausländischen Betriebsstätten ab. Auch seien fiktive Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen nicht möglich. Das ist im Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 1, 4 AStG bereits so angelegt.6 Ähnlich der Struktur einer verdeckten Gewinnausschüttung im Dreieck soll aus Verwaltungssicht daher der Vermögenswert zunächst für eine juristische Sekunde von der fiktiv veräußernden Betriebsstätte an das übrige Unternehmen und dann in derselben juristischen Sekunde von dort auf die erwerbende Betriebsstätte übertragen werden. Richtigerweise muss dies ergebnisneutral erfolgen.

1 VWG BsGa, Rz. 62. 2 VWG BsGa, Rz. 20. 3 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 6.6 m.w.N. Durchaus fraglich ist, ob dies vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gedeckt ist, denn Deutschland verliert bei einer vorübergehenden Nutzungsüberlassung nicht das Besteuerungsrecht an einem Wirtschaftsgut. 4 VWG BsGa, Rz. 170. 5 OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 182 „other parts of the enterprise“. 6 Wassermeyer, IStR 2015, 37 (40).

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.265 Kap. 5

c) Fiktive Hilfstätigkeiten und sonstige anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV Neben dem Zuordnungswechsel kann vor allem dann eine schuldrechtliche Beziehung angenommen werden, wenn

5.262

– die Personalfunktion darin besteht, Vermögenswerte zu überlassen, ohne dass es zu einem Zuordnungswechsel nach §§ 5–11 BsGaV kommt (Einräumung von Nutzungsrechten), – eine unterstützende Personalfunktion für eine andere Betriebsstätte erbracht wird (Dienstleistung), – eine Personalfunktion darin besteht, Risiken zu überwachen und verwalten, die einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen sind (Dienstleistung) oder – voneinander unabhängige Unternehmen unter vergleichbaren Umständen Rechtspositionen geltend machen würden. Entscheidend ist das Ergebnis der Funktionsanalyse der einschlägigen wirtschaftlichen Vorgänge. Auf Grundlage des zu bestimmenden Funktions- und Risikoprofils muss der Steuerpflichtige bestimmen, ob und in welchem rechtlichen Gewand unabhängige selbständige Unternehmen den vorliegenden Sachverhalt geregelt hätten.1 Dazu gehört nicht nur die Bestimmung der Rechtsnatur der fiktiven schuldrechtlichen Beziehung, sondern auch die Frage nach der Verteidigung von Rechtsansprüchen (Achtung: Weil besonders prüfungsanfällig, sollte in der Praxis hier besonderer Wert auf eine hinreichende Dokumentation nach § 90 Abs. 3 AO gelegt werden.). Davon sind nicht nur Schadenersatzansprüche erfasst, sondern auch Gewährleistungsansprüche wie z.B. der Anspruch auf Nacherfüllung bei Schlechtleistung (§ 439 BGB) oder die Selbstvornahme (§ 637 BGB). Es gilt die transaktionsbezogene Betrachtungsweise.2 Eine bedeutsame Neuerung ist, dass eine Unterscheidung, ob es sich bei einer Dienstleistung um eine Haupt- oder Nebenleistung handelt, nicht länger erforderlich ist.3 Alle Formen von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen sind vielmehr anhand von Fremdvergleichswerten zu vergüten.

5.263

d) Bestimmung der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung der Höhe nach Wie der AOA richtet sich die Bestimmung des angemessenen Verrechnungspreises gem. § 16 Abs. 2 BsGaV nach den allgemeinen Grundsätzen gem. § 1 Abs. 3 AStG. Die Finanzverwaltung versucht, neben dem deutschen materiellen Recht auch die Grundsätze der OECD-Verrechnungspreisleitlinien für eine Fremdvergleichsanalyse zu bemühen.4 Wenn dies auch internationaler Praxis entspricht, ist dieser Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisleitlinien verfehlt. Die OECDVerrechnungspreisleitlinien stellen in Deutschland kein bindendes Recht dar und können insofern lediglich ein Anhaltspunkt, jedenfalls aber keine Rechtsgrundlage für die Preisbestimmung sein.5

5.264

Erfüllen die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die ausgeübten Personalfunktionen sowie die übernommenen Chancen und Risiken, die Voraussetzungen, die beispielsweise an eine Kostenumlage gestellt werden, werden bestimmte Tätigkeiten ohne Gewinnaufschlag verrechnet. Aus der Natur der Sache ergibt sich eine einheitliche Bewertung der Kreditwürdigkeit von Stammhaus und Betriebsstätte.6 Das kann im Einzelfall Einfluss auf die Höhe des Verrechnungs1 BR-Drucks. 401/14, 87; VWG BsGa, Rz. 171; Roeder/Friedrich, BB 2015, 1053 (1057); Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1, (10). 2 Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkt der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.359. 3 Zur alten Rechtslage vgl. BS-VWG, Rz. 3.1.2; Strunk/Kaminski, IStR 2000, 33 (39); Brüninghaus in V/ B/E, Verrechnungspreise4, Kap. L, Rz. 123. 4 VWG BsGa, Rz. 172. 5 Nachweise bei Peters/Haverkamp, BB 2011, 1303. 6 VWG BsGa, Rz. 7; OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 99.

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5.265

Kap. 5 Rz. 5.266 | Betriebsstättengewinnabgrenzung preises haben, weil eine Betriebsstätte trotz geringer Vermögenswerte, hoher sonstiger Risiken und geringer Gewinnmargen aufgrund der Verhältnisse des übrigen Unternehmens beispielsweise ein „AAA-Rating“ hat. Konsequenterweise müsste das geringe Insolvenzrisiko bei der Verrechnungspreisbestimmung Berücksichtigung finden.

5.266 Entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 3 BsGaV wird mit § 16 Abs. 2 Satz 2 BsGaV noch einmal bekräftigt,

dass die Verrechnungspreise zu fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für die Betriebsstätte führen. Abweichungen zwischen dem Betriebsausgabenabzug nach § 16 Abs. 2 Satz 1, 2 BsGaV und nach §§ 49, 50 Abs. 1 EStG sind möglich. In diesem Fall sind Hinzurechnungen nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1, 2 Satz 2 BsGaV erlaubt.1 Sollte allerdings ein höherer Betriebsausgabenabzug nach § 16 Abs. 2 BsGaV zulässig sein als er nach §§ 49, 50 Abs. 1 EStG erlaubt ist, verbietet sich eine Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen auf Grundlage von § 1 AStG (Rz. 5.51 ff.).2 Unter Umständen kann sich der beschränkt Steuerpflichtige auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 bzw. den AOA berufen, sofern ihm nachweislich höhere Betriebsausgaben zustünden und Deutschland im Ergebnis abkommenswidrig zu hohe Gewinne besteuert. e) Nutzung finanzieller Mittel nach § 16 Abs. 3 BsGaV aa) Fiktion unternehmensinterner Darlehensbeziehungen grundsätzlich unzulässig

5.267 Im Einklang mit dem AOA sind auch nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BsGaV fiktive Darlehensbeziehungen

zwischen Stammhaus und Betriebsstätte unzulässig. Eine Spezialregelung findet sich nur für Bankbetriebsstätten in § 19 Abs. 6 BsGaV. Der Wortlaut von § 16 Abs. 3 Satz 1 BsGaV lässt den Rückschluss zu, dass eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nur versagt werden soll, wenn die Betriebsstätte auf finanzielle Mittel des Stammhauses zugreift. Die Finanzverwaltung hat diese Schwäche des Wortlauts augenscheinlich erkannt und wendet die Regelung im umgekehrten Fall, dass das Stammhaus auf Finanzmittel der Betriebsstätte (z.B. per Verrechnungskonto) zurückgreift, analog an.3 Anders als zwischen selbständigen Unternehmen ist eine zivilrechtliche Trennung von Kapital und Risiko unzulässig. Daher dürfen bspw. Bürgschaften, Garantien und ähnliche Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen nicht fingiert werden.4

5.268 Ausnahmsweise ist eine schuldrechtliche Beziehung nach § 16 Abs. 3 Satz 2, 3 BsGaV anzunehmen, wenn

– die Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion nach § 17 BsGaV innerhalb des Unternehmens ausübt oder – auf Grund der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel der Betriebsstätte entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden (fiktive kurzfristige Darlehensbeziehung). bb) Finanzierungsfunktion innerhalb des Unternehmens (§ 17 BsGaV)

5.269 Auch nach § 17 Abs. 1 BsGaV verbietet sich zwar weiterhin jegliche Darlehensgewährung zwischen den Betriebsstätten eines Einheitsunternehmens,5 allerdings erkennt die Regelung unternehmens-

1 VWG BsGa, Rz. 20. 2 VWG BsGa, Rz. 20; Naumann, Protokoll zum 129. Bochumer Steuerseminar, 8, abrufbar unter: http:// www.fachanwalt-fuer-steuerrecht.de/vaBochumerSteuerseminar.aspx?vaGroup=vaBochumerSteuersemi nar. 3 VWG BsGa, Rz. 174 a.E. 4 VWG BsGa, Rz. 177. 5 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 514: „Die Finanzierungsbetriebsstätte kann daher nicht die Rolle eines unternehmensinternen Kreditinstituts übernehmen“; zu gruppeninternen Darlehensbeziehungen und der Vergütung von Finanzierungsgesellschaften vgl. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K, F, ISR 2017, 151 ff. m. Anm. Schnorberger/Haverkamp.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.274 Kap. 5

interne Cashpool-Führerschaften gegenüber einer oder mehreren Betriebsstätten des Einheitsunternehmens an. Liquiditätssteuerung innerhalb des Unternehmens soll durch eine Finanzierungsbetriebsstätte erfolgen. Zur Liquiditätssteuerung gehören die Mittelbeschaffung, die Mittelzuweisung sowie die Investition am Kapitalmarkt. Regelmäßig wird die Finanzierungsbetriebsstätte entweder beim Stammhaus oder an Standorten mit gutem Kapitalmarktzugang angesiedelt sein. Die Finanzierungsbetriebsstätte soll nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht an Finanzierungsaufwand und -ertrag partizipieren.1 Vielmehr sollen Aufwand und Ertrag unmittelbar bei den die Finanzierungsfunktion nutzenden Betriebsstätten, also den Cashpool-Mitgliedern, anfallen, weil ihnen auch die entsprechenden Vermögenswerte nach § 17 Abs. 2 BsGaV zuzuordnen sind. Die Finanzierungsfunktion stellt im Regelfall nach § 17 Abs. 2 BsGaV eine Routinefunktion dar, die zu einer kostenbasierten Vergütung berechtigt. Damit ist der Anwendungsbereich der (Re-)Finanzierungsfunktion deutlich eingeschränkter als der der Treasury-Funktion nach dem AOA (Rz. 5.123 f.). Dies hat auch Auswirkungen auf die der Finanzierungsbetriebsstätte zustehende Vergütung.

5.270

Für die Verrechnungspreisbestimmung kommen aufgrund der Routinetätigkeit die Kostenaufschlagsmethode oder die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode in Betracht. Dabei soll das Risiko von Fehlmaßnahmen durchaus von der Finanzierungsbetriebsstätte getragen werden.2 Da aber Schuldzinsen und andere anlagebezogene Kosten nicht von der Finanzierungsbetriebsstätte getragen werden, beschränken sich deren Kosten auf Personalaufwendungen, Verwaltungskosten und indirekte Kosten.3 Regelmäßig wird es der Finanzierungsbetriebsstätte nicht möglich sein, eine direkte Kostenzuordnung vorzunehmen. Daher erlaubt § 17 Abs. 3 BsGaV eine indirekte Kostenallokation. Der Allokationsschlüssel muss verursachungsgerecht gewählt sein.4 Die Inanspruchnahme der Finanzierungsfunktion durch die nutzenden Betriebsstätten ist als Aufteilungsschlüssel sachgerecht.5

5.271

In Ermangelung einer Kreditgeberstellung der Finanzierungsbetriebsstätte werden auch die Salden der unternehmensinternen Verrechnungskonten nicht verzinst. Die Verrechnungskonten stellen insofern keine zuordenbaren Vermögenswerte i.S. von §§ 7, 8 BsGaV dar.

5.272

Hintergrund dieses speziellen Cashpool-Konzepts ist, dass anderenfalls die Zuordnung der Finanzmittel häufig wechseln würde. Eine fiktive Darlehensvergabe hätte unmittelbaren Einfluss auf die Bestimmung des Dotationskapitals, das zum Teil mehrmals im Wirtschaftsjahr anzupassen wäre. Diesen Grad an Komplexität will der Verordnungsgeber entgegenwirken.6

5.273

Um den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden sieht § 17 Abs. 7 BsGaV eine Öffnungsklausel vor. Danach können Vermögenswerte abweichend von § 17 Abs. 1–6 BsGaV der Finanzierungsbetriebsstätte und den übrigen Unternehmensteilen zugewiesen werden, wenn

5.274

– es im Einzelfall aus funktionalen Gründen, insbesondere wegen der wirtschaftlichen Substanz der ausgeübten Personalfunktionen, sachgerecht ist, Vermögenswerte, die der Finanzierungsfunktion zugrunde liegen, der Finanzierungsbetriebsstätte zuzuordnen und – die anzuwendende Verrechnungspreismethodik dann zu einem Ergebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.

1 BR-Drucks. 401/14, 92. 2 BR-Drucks. 401/14, 91; die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Finanzierungsfunktion „im Regelfall risikoarm“ ist, VWG BsGa, Rz. 181. 3 VWG BsGa, Rz. 183. 4 VWG BsGa, Rz. 185. 5 BR-Drucks. 401/14, 92. 6 BR-Drucks. 401/14, 91.

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Kap. 5 Rz. 5.275 | Betriebsstättengewinnabgrenzung

5.275 Dies wird aus Sicht des Verordnungsgebers durch die Glaubhaftmachung indiziert, dass unabhängige Dritte in vergleichbarer Situation die Vermögenswerte übertragen hätten.1 Dabei soll nicht außer Acht bleiben, dass das Kreditrating aller Betriebsstätten des Einheitsunternehmens gleich ist. Sollte der Nachweis gelingen, muss das Dotationskapital der Finanzierungsbetriebsstätte entsprechend geändert werden. cc) Fiktive kurzfristige Darlehensbeziehung

5.276 Sollten auf Grund der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel der Betriebsstätte entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden, ist von einer kurzfristigen Darlehensbeziehung auszugehen. Der Liquiditätsüberschuss soll nicht ohne Verzinsung, also ergebnisneutral repatriiert werden können. Vielmehr soll eine kurzfristige Darlehensgewährung unterstellt werden, die entweder mit Ablauf des Wirtschaftsjahres oder im Zeitpunkt der Änderung des Dotationskapitals endet.2 Der Unterschied zur Finanzierungsfunktion nach § 17 BsGaV liegt in der Dauer und Planmäßigkeit der Liquiditätssteuerung. 10. Sonderfälle a) Branchenspezifische Sonderregelungen, insbesondere die Vertreterbetriebsstätte

5.277 Die BsGaV enthält verschiedene Sonderregelungen für Finanzdienstleistungsunternehmen (Banken

und Versicherungen), Bau- und Montageunternehmen, für Förderbetriebsstätten sowie für Vertreterbetriebsstätten i.S. von § 13 AO.3 Die Regelungen orientieren sich an regulatorischen und tatsächlichen wirtschaftlichen Anforderungen an diese Branchen.4

5.278 Besondere praktische Bedeutung hat die Behandlung von Vertreterbetriebsstätten.5 Gemäß § 1

Abs. 5 Satz 5, Abs. 6 AStG, § 39 Abs. 1 BsGaV sind die allgemeinen Gewinnabgrenzungsregelungen auf ständige Vertreter nach § 13 AO entsprechend anzuwenden. Der Verordnungsgeber sieht dies damit gerechtfertigt, dass ständige Vertreter regelmäßig die Voraussetzungen eines abhängigen Vertreters nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA erfüllen und mithin in den Anwendungsbereich von Art. 7 OECD-MA und dem AOA fallen.6 Falls der ständige Vertreter ein selbständiges Unternehmen ist, sieht § 39 Abs. 2 BsGaV eine Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen (§ 2 Abs. 3 BsGaV) vor: Alle Funktionen, die Personal des ständigen Vertreters ausübt, werden als eigene Personalfunktionen des Vertretenen behandelt. Dem Vertreter werden sodann Vermögenswerte und Geschäftsvorfälle einer Vertreterbetriebsstätte des Vertretenen im Quellenstaat zugerechnet.7 Mit der Sonderregelung folgt die Verordnung dem Aktionspunkt Nr. 7 des sog. BEPS-Projekts der OECD und G20-Staaten.8 Die OECD hat dort die Behandlung von Kommissionärsstrukturen grundlegend reformiert. Multinationale Unternehmensgruppen wickeln regelmäßig ihren Vertrieb in Hochsteuerländern über Gruppengesellschaften ab, die als Kommissionäre am lokalen Markt auftreten. Die lokale Vertriebsgesellschaft tritt mithin im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Prinzipals auf. Der Kommissionär übernimmt in der Regel Marketingaufgaben, die Vertragsanbahnung, den Vertragsabschluss und ggf. Inkassotätigkeiten. Risiken übernimmt regelmäßig der

1 BR-Drucks. 401/14, 94 unter Verweis auf OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 36; VWG BsGa, Rz. 191. 2 Vgl. das Beispielsfall in VWG BsGa, Rz. 176. 3 Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1 (1). 4 Im Einzelnen vgl. Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 573; Busch, BB DB 2014, 2490 (2494 ff.); Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR 2014, Beihefter zu Heft 4, 1 (9). 5 Haverkamp, ISR 2017, 33, 39. 6 BR-Drucks. 401/14, 141. 7 BR-Drucks. 401/14, 141. 8 OECD/G20-Base Erosion and Profit Shifting, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7: 2015 Final Report.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.280 Kap. 5

Prinzipal. Die Struktur hat zur Folge, dass der Residualgewinn beim Prinzipal besteuert wird, oft unter Ausnutzung eines Steuersatzgefälles. Da die Tätigkeit als Kommissionär nach Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 nicht zur Betriebsstätte im Quellenstaat qualifiziert, werden für die Vertriebstätigkeit nur Routinegewinne besteuert. Nach neuem Entwurf des OECD-MK, der auch Gegenstand des Multilateralen Instruments der OECD vom 7.6.2017 war,1 soll die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 faktisch aufgehoben werden und die Abschlusstätigkeit des lokalen Kommissionärs zur Begründung einer Betriebsstätte im Quellenstaat führen. In der Folge hat die OECD im Juni 2017 ihren zweiten Diskussionsentwurf zur Anwendung des AOA auf Fälle im Sinne des Aktionspunkts 7 veröffentlicht. Zahlreiche Interessenvertreter haben zum 15.9.2017 Kommentare eingereicht, die Gegenstand öffentlicher Konsultation der OECD im November 2017 wurden.

5.279

Das Diskussionspapier behandelt vier Fallbeispiele, die sich mit dem Aktionspunkt 7 decken, wobei das erste Fallbeispiel die eben genannten Kommissionärsstrukturen zum Gegenstand hat. Nach der OECD ist es für eine sachgerechte Lösung entscheidend, dass die Verrechnungspreise zwischen dem Prinzipal und dem Kommissionär angemessen sind im Sinne von Art. 9 OECD-MA 2014. Sollte dies der Fall sein, kann der Vertreterbetriebsstätte u.a. sogar ein Verlust, jedenfalls aber ein Nullgewinn zugeordnet werden, weil der Vertreterbetriebsstätte zwar der lokale Umsatz zugewiesen wird, davon neben den Anschaffungskosten für die Vertriebsware und den operativen Aufwendungen, insbesondere der angemessene Verrechnungspreis zum Abzug gebracht wird, der zwischen Prinzipal und Kommissionär angesetzt wurde. Da der Kommissionär die Vertreterbetriebsstätte gerade vermittelt, sei es sachgerecht, den vom Vertretenen aufgewendeten Verrechnungspreis zu berücksichtigen.2 Dieser Ansatz geht in Richtung der sog. Nullsummen-Theorie.3 Danach ist der der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnende Gewinn um die Vergütungen zu mindern, die vom Vertretenen für die Erbringung der Vertreterdienstleistungen gegenüber dem ständigen Vertreter aufgewendet werden.4 Gewinn und Aufwendungen heben sich auf. Das ist sachgerecht. Die Wertschöpfung von Betriebsstätte und Vertreter sind schließlich identisch.5 Nach dem Beispielsfall, den die OECD im o.g. Diskussionspapier aufstellt, sollte der Vertreterbetriebsstätte bei Zuordnung der entsprechenden Außenumsätze allerdings regelmäßig ein Gewinn verbleiben.6 Das Ergebnis ist nicht tragbar. Die Wertschöpfung der Vertreterbetriebsstätte ist inhaltsgleich mit der des Vertreters, der qua Personalfunktionen die Betriebsstätte im Quellenstaat vermittelt. Bei Zugrundelegung einer angemessenen Vergütung zwischen der vertretenen Prinzipalgesellschaft und dem Vertreter im Quellenstaat müssen sich Ertrag und Aufwand auf Ebene der Vertreterbetriebsstätte zwangsläufig aufheben. Das nimmt auch die Finanzverwaltung an.7 Eine Ausnahme gelte nur, wenn Personal des Vertreters Risiken verwaltet, die zivilrechtlich allein den Vertretenen treffen.8 In dem Fall soll der Vertreter ein Dienstleistungsentgelt für die Verwaltung des Risikos erhalten. Realisiert sich das Risiko, 1 OECD, Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting v. 7.6.2017. Es ist darauf hinzuweisen, dass Deutschland das Multilaterale Instrument im Hinblick auf Aktionspunkt 7 nicht notifiziert hat. Dem Vernehmen nach sollen die Neuregelungen fallweise bilateral mit den Vertragsstaaten vereinbart werden. 2 OECD, Public Discussion Draft, BEPS Action 7 – Additional Guidance on Attribution of Profits to Permanent Establishments 22.6.–15.9.2017, Rz. 19, 25. 3 BR-Drucks. 401/14, 141; zur Nullsummen-Theorie vgl. Ditz/Bärsch, IStR 2013, 411 (417). 4 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 528. 5 Kroppen, IWB 2005, 727 (738). 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA (2008) Rz. 216 f. (Stand: Juli 2017); kritisch zu den Folgen des AOA Ditz/Bärsch, IStR 2013, 411 (414). 7 VWG BsGa, Rz. 422. 8 Siehe auch Busch, BB 2014, 2490 (2494).

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5.280

Kap. 5 Rz. 5.281 | Betriebsstättengewinnabgrenzung soll der Aufwand allein bei der Vertreterbetriebsstätte des Vertretenen berücksichtigt werden.1 Die Finanzverwaltung nimmt also im Einzelfall Durchbrechungen der Nullsummen-Theorie an. Die Zuordnung der Risikoprämie zur Vertreterbetriebsstätte scheint grundsätzlich sachgerecht, weil der Vertreter de facto die Risiken der Vertretenen nur verwalten kann, sie in der Regel aber nicht übernehmen wird. Dieser Grundgedanke ist auch schon in § 11 BsGaV angelegt. Eine Einzelfallbetrachtung sollte aber in jedem Fall Vorrang vor einer pauschalen Anwendung der Verwaltungsgrundsätze haben. b) Gründung der Betriebsstätte

5.281 Bei (Be-)Gründung der Betriebsstätte ist zum ersten Mal die Hilfs- und Nebenrechnung für die

Betriebsstätte nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BsGaV aufzustellen. Es wird angenommen, dass in diesem Zeitpunkt Vermögenswerte, Passivposten sowie Chancen und Risiken vom übrigen Unternehmen in Form einer anzunehmenden Anschaffung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV übergehen (§ 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV). Von besonderem praktischen Interesse sind „Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen (Vorlaufkosten).“2 Aus Sicht der Finanzverwaltung sind Vorlaufkosten dem übrigen Unternehmen zuzuordnen, weil der Betriebsstätte nach der Vermutungsregel des § 4 Abs. 1 BsGaV vor dessen Entstehung keine Personalfunktionen und mithin keine Aufwendungen zugeordnet werden können.3 Das steht im Einklang mit § 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH ist der Gründungsaufwand hingegen der Betriebsstätte zuzuordnen, da er durch den Zweck der Betriebsstättenbegründung veranlasst4 ist.5 Der zeitlich, sachliche Bezug bestehe insofern allein im Hinblick auf die Auslandstätigkeit, die als Betriebsstättentätigkeit ausschließlich im Ausland steuerpflichtig geworden wäre.6 Die Rechtsprechung zum Veranlassungsprinzip bei Vorlaufkosten und die Verwaltungsansicht zur Behandlung von Vorlaufkosten im Zusammenhang mit den Regelungen des BsGaV sind mithin gegenläufig.

5.282 Erhebliche steuerliche Auswirkungen hat die Zuordnung der Vorlaufkosten dann, wenn es nicht

zur Gründung der Betriebsstätte kommt. Der BFH hat mit Entscheidung vom 26.2.20147 seine Rechtsprechung bestätigt, dass nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs. 4 EStG) Vorlaufkosten der im Ausland nicht gegründeten Betriebsstätte zuzuordnen und damit beim Stammhaus im Inland nicht abzugsfähig seien (vergebliche Gründungsaufwendungen). Das führt zu „vagabundierenden“ Aufwendungen,8 also Ausgaben, die keiner der beiden betroffenen Staaten zum Abzug zulassen.9 Im Ausland kommt es nicht zur Gründung einer Betriebsstätte und in Ermangelung

1 VWG BsGa, Rz. 423. 2 VWG BsGa, Rz. 66. 3 VWG BsGa, Rz. 66; Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 779 f.; vgl. auch Schnorberger/Dust, BB 2015, 608 (609), die darauf hinweisen, dass die Personalfunktionen im Hinblick auf die Gründung durch das Stammhaus ausgeübt werden. 4 Definition bei Glenk in Blümich, § 8 EStG Rz. 41 f. (Stand: Juni 2017). 5 BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 17.12.1998 – I B 80/98, BStBl. II 1999, 293; ebenso OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 221 ff. 6 BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703 = SteuK 2014, 362 m. Anm. Haverkamp/Binding. 7 BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; kritisch Wassermeyer in FS Haarmann, 975 (977 f.). 8 Vgl. Wassermeyer, IStR 1997, 395; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 294–307 (Stand: Juli 2017). 9 Vgl. zum sog. „floating income“ auch Wassermeyer in FS Haarmann, 975 (987) m.w.N.

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.285 Kap. 5

sonstiger steuerbarer und steuerpflichtiger Einkünfte auch nicht zur Möglichkeit des steuermindernden Betriebsausgabenabzugs. Im Inland wird die Absicht und die Finalität der Aufwendungen („Begründung der Betriebsstätte“) so gewertet, dass diese Aufwendungen nur der zu errichtenden ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Der Aufwand ist in keinem Staat „verwurzelt“.1 Die Finanzverwaltung hat den Widerspruch zwischen der jüngeren Rechtsprechung des BFH und der eigenen Auslegung der BsGaV erkannt und daher in den VWG BsGa vorgesehen, dass vergebliche Gründungsaufwendungen beim übrigen Unternehmen abziehbar sind, wenn das Unternehmen nachweist, dass „Vorlaufkosten“ der Erbringung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen (§ 16 BsGaV) dienen.2

5.283

Damit erlaubt die Finanzverwaltung die Berücksichtigung (finaler) Aufwendungen im Inland, obschon an verschiedenen Stellen der VWG BsGa ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Korrekturen nur zu Lasten des Steuerpflichtigen erfolgen. Mithin muss dieser Lösungsansatz wohl als Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung verstanden werden. c) Beendigung der Betriebsstätte Eine Sonderregelung für die Einstellung der Betriebsstättentätigkeit („Beendigung einer Betriebsstätte“3) findet sich in § 3 Abs. 4 Satz 2 BsGaV. Danach ist die Hilfs- und Nebenrechnung im Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeiten im Betriebsstättenstaat abzuschließen. Der Überhang an Vermögenswerten, Passivposten und Chancen und Risiken wird gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV an das übrige Unternehmen (fiktiv) veräußert (§ 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV). Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BsGaV sind Fremdvergleichswerte anzusetzen. Ein fiktiver Veräußerungserlös wird letztmalig im Betriebsstättenstaat über die Hilfs- und Nebenrechnung erfasst. Eine Besteuerung von Liquidationserlösen analog § 11 KStG scheidet nach Ansicht der Finanzverwaltung auch in den Fällen aus, in denen es sich bei der beendeten Betriebsstätte um die Geschäftsleitungsbetriebsstätte einer Kapitalgesellschaft handelt, die die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vermittelt.4

5.284

Betriebseinnahmen und -ausgaben, die in Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte stehen und nach dem Zeitpunkt der Einstellung der Betriebsstättentätigkeit anfallen, werden aus Sicht der Finanzverwaltung dem übrigen Unternehmen zugerechnet. Hintergrund ist, dass die zugrunde liegenden Vermögenswerte und Passivposten zu diesem Zeitpunkt bereits als an das übrige Unternehmen veräußert gelten.5 Damit besteht ein Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH6, wonach nachträgliche Aufwendungen und Erträge aufgrund der Veranlassung durch die Tätigkeit einer inzwischen aufgelösten inländischen Betriebsstätte entsprechend § 24 Nr. 2 EStG nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zur fortdauernden beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens führen.7

5.285

Im Ergebnis entpuppt sich die vermeintlich systematische Ansicht der Finanzverwaltung als profiskalische Sonderregelung: Beschränkt steuerpflichtige Unternehmen unterliegen mit nachträgli1 Unter Hinweis auf die gefestigte Rechtsprechung des BFH zum floating income siehe Wassermeyer in FS Haarmann, 975 (988) m.w.N. 2 VWG BsGa, Rz. 67. 3 VWG BsGa, vor Rz. 68 (Überschrift). 4 VWG BsGa, Rz. 68; a.A. Strunk in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4 (Vorauflage), Rz. 4.189 unter Verweis auf § 12 Abs. 2 KStG. 5 VWG BsGa, Rz. 69. 6 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; ebenso Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.97 m.w.N.; vgl. auch Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/ 10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. 7 Kritisch Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 7 OECD-MA Rz. 188.

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Kap. 5 Rz. 5.286 | Betriebsstättengewinnabgrenzung chen Einkünften auch nach Beendigung der Betriebsstätte der inländischen Besteuerung. Eine Korrektur zugunsten des beschränkt Steuerpflichtigen sieht die BsGaV gerade nicht vor. Der AOA lässt die Behandlung nachträglicher Aufwendungen und Erträge ausdrücklich offen.1 Das Risiko besteht, dass beschränkt Steuerpflichtige mit ihren nachträglichen Erträgen besteuert, ihnen nachträgliche Aufwendungen aber nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 BsGaV versagt werden. Ähnlich verhält es sich bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, denen nachträglicher Aufwand und insbesondere nachträgliche Erträge jedenfalls außerbilanziell nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 BsGaV zugeordnet werden.2 d) Finale Verluste

5.286 Inländische Steuerpflichtige sind in aller Regel daran interessiert, Verluste ihrer Auslandsbetriebs-

stätten im Inland nutzen zu können. Diesem Wunsch steht zunächst grds. § 2a EStG entgegen, der – anders als im reinen Inlandsfall – die Berücksichtigung von Auslandsverlusten grundsätzlich versagt.3 Ausgenommen vom Abzugsverbot sind nach § 2a Abs. 2a EStG allerdings ausdrücklich Steuerpflichtige mit Auslandsbetriebsstätten in anderen EU/EWR-Staaten.4 Verluste aus EU/EWR-Staaten sollen dadurch inländischen Verlusten gleichgestellt werden. Allerdings läuft die Regelung weitgehend leer, weil die Besteuerungsbefugnisse regelmäßig dem Betriebsstättenstaat zugewiesen sind (Freistellungsmethode).5 In ständiger Rechtsprechung wendet der BFH die sog. Symmetriethese an.6 Danach berücksichtigt der Ansässigkeitsstaat Verluste, die im Betriebsstättenstaat entstanden sind, nicht, wenn die Auslandseinkünfte durch den Ansässigkeitsstaat freigestellt werden.7

5.287 Damit werden Steuerpflichtige mit Inlandsbetriebsstätten de facto gegenüber Steuerpflichtigen mit

Betriebsstätten im EU-/EWR-Ausland bevorzugt. Das verletzt die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV. In der Rechtssache Marks & Spencer entschied der EuGH8 früh, dass der Ansässigkeitsstaat Auslandsverluste einer ausländischen Tochtergesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat dann zum Abzug im Inland zulassen muss, wenn sie final9 werden.

Diesen Rechtsgedanken hat der EuGH in der Rechtssache Lidl/Belgium auf Betriebsstätten übertragen.10 Ein Verlustabzug kommt bei einer nach DBA freigestellten Betriebsstätte abweichend von der Abkommensregelung ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung hielt auch der BFH bislang eine Abzugs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 223. Zur Veranlassung nachträglicher Betriebsstätteneinkünfte vgl. Schäfer, IStR 2015, 346 ff. Ditz/Quilitzsch in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 3.39. EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194 zu § 2a Abs. 3 EStG a.F. Ackermann/Höft, EuZW 2016, 258 m.w.N. BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 475 m.w.N. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763 = IStR 2006, 19 m. Anm. Englisch. Zur Auslegung des Finalitätsbegriffs vgl. BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, DStR 2014, 837. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl/Belgium, ECLI:EU:C:2008:278 = BStBl. II 2009, 692; fortgeführt in EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU:C:2008:588 = BStBl. II 2009, 566; v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11 – A OY, ECLI:EU: C:2013:84 = DStR 2013, 392; v. 7.11.2013 – Rs. C-322/11 – K, ECLI:EU:C:2013:716 = DStR 2013, 2441; v. 17.7.2014 – Rs. C-48/13 – Nordea, ECLI:EU:C:2014:2087 = IStR 2014, 563 m. Anm. Mitschke; v. 3.2. 2015 – Rs. C-172/13 – KOM/UK, ECLI:EU:C:2015:50 = IStR 2015, 137 m. Anm. Benecke/Staats; v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = IStR 2016, 74 m. Anm. Benecke/Staats.

754 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.288 Kap. 5

fähigkeit im Inland dann für zulässig, wenn der Betriebsstättenverlust aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen im Ausland nicht mehr berücksichtigt werden kann, beispielsweise bei der entgeltlichen Übertragung einer Betriebsstätte.1 Die Feststellungslast liegt beim Steuerpflichtigen.2 Von dieser Rechtsprechung weicht der BFH im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtsache Timac Agro3 ab.4 Der BFH leitet aus der Entscheidung eine faktische Abkehr von den Grundsätzen der Marks & Spencer- und Lidl/Belgium-Rechtsprechung ab.5 Der EuGH hatte in der Rechtssache Timac Agro u.a. über den Abzug von ausländischen Betriebsstättenverlusten im Ansässigkeitsstaat zu entscheiden. Die Finalität der Verluste resultierte nach Klägervortrag aus der Veräußerung der ausländischen Betriebsstätte. Die Verluste waren nach dem einschlägigen DBA freigestellt. Anders als in den früheren Entscheidungen Marks & Spencer und Lidl/Belgium legt der EuGH bei Timac Agro den Schwerpunkt gerade nicht auf die Rechtfertigung eines diskriminierenden Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit der Steuerpflichtigen, sondern lässt die Klage bereits tatbestandlich an der fehlenden Vergleichbarkeit mit der steuerlichen Behandlung reiner Inlandsfälle scheitern. Es liege also schon gar kein Eingriff in die Grundfreiheiten vor. Der BFH nimmt dies zum Anlass, die Abkehr des EuGH von der Rechtsprechung zur finalen Verlustberücksichtigung festzustellen. Die Prüfungsebene der Rechtfertigungsgründe (als „Standort“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung und der Rechtsfigur der finalen Verluste) entfalle.6 Zwar habe der EuGH seine Rechtsprechung in Sachen Marks & Spencer nicht ausdrücklich aufgegeben, in Fortführung seine Erwägungen in der Entscheidung Nordea Bank Danmark7 habe er aber der Symmetriethese die Eignung zugesprochen, eine Beschränkung von Grundfreiheiten von vornherein auszuschließen.8 Somit seien finale Verluste von Betriebsstätten, deren Einkünfte abkommensrechtlich vom Ansässigkeitsstaat freigestellt sind, nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung grundsätzlich vom Verlustabzug ausgeschlossen. Der BFH deutet allerdings an, dass der Abzug finaler Verluste unionsrechtlich doch noch geboten sein könnte, wenn aufgrund einer Switch-over-Klausel von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode gewechselt wird.9 Sollte die Betriebsstätte i.Ü. außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums gegründet werden, ist die Niederlassungsfreiheit von vornherein nicht anwendbar.10 Finale Verluste gehen in den Grenzen von § 2a Abs. 2 EStG gegebenenfalls in voller Höhe unter. 1 BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFHE 244, 371 = DStR 2014, 837. 2 EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI: EU:C:2008:588 = BStBl. II 2009, 566 zur Finalität von Verlusten bei zeitlich begrenztem Vortrag von Verlusten; siehe auch BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065 = BFH/NV 2010, 1742; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; v. Brocke/Jakob, DStR 2011, 57; Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 359; Micker, IWB 2014, 548. 3 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = IStR 2016, 74 m. Anm. Benecke/Staats; siehe auch Ackermann/Höft, EuZW 2016, 258 (261); Niemann/Dodos, DStR 2016, 1057 (1062). 4 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719; siehe auch Schnitger, IStR 2016, 72 ff.; Benecke/ Staats, IStR 2016, 74 (83); Kahlenberg, NWB 2016, 1723 (1728 ff.); Schumacher, IStR 2016, 473 (478 ff.). 5 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719; vgl. auch FG Münster v. 28.3.2017 – 12 K 3541/14 G, F, juris = BB 2017, 2392; v. 28.3.2017 – 12 K 3545/14 G, F, juris; in vergleichbarer Sache Revision anhängig beim BFH unter Az. I R 17/16 gegen FG Hamburg v. 6.8.2014 – 2 K 355/12, EFG 2014, 2084; vgl. auch anhängige Rechtssache Bevola und Jens W. Trock – Rs. C-650/16, ABlEU 2017, Nr. C 63, 18. 6 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719; kritisch Niemann/Dodos, DStR 2016, 1057. 7 V. 17.6.2014 – C 48/13, EU:C:2014:2087, ABlEU 2014, Nr. C 315, 8. 8 So z.B. Benecke/Staats, IStR 2016, 80; Mitschke, FR 2016, 132; FG München v. 31.5.2016 – 7 V 3044/ 15, EFG 2016, 1232; Forchhammer, EFG 2016, 1233; Schulz-Trieglaff, StuB 2016, 918. 9 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 719. 10 Haverkamp/Binding, SteuK 2014, 348; vgl. auch Becker/Loose/Misere, IStR 2016, 353 ff., die eine Verlustnutzung im Inland über § 20 Abs. 2 AStG herleiten.

Haverkamp | 755

5.288

Kap. 5 Rz. 5.289 | Betriebsstättengewinnabgrenzung e) Funktionsverlagerungen zwischen Betriebsstätten

5.289 Das Risiko einer Funktionsverlagerung ist in der Praxis entscheidend für jede grenzüberschrei-

tende Investitionsanalyse. Die grundlegenden Überlegungen für die Verlagerung von Funktionen und Vermögenswerten innerhalb eines Unternehmens über Landesgrenzen hinweg sind betriebswirtschaftliche Gründe, wie bspw. Vorteile von Skalen- und Synergieeffekten, Vorteile durch größere Nähe zum Absatz- und/oder Beschaffungsmarkt oder die Nutzung von standortbedingten Kostenvorteilen. Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 13.10.20101 die nach ihrer Auffassung steuerlichen Grundlagen einer Funktionsverlagerung zusammengefasst. Gegenstand dieser Überlegungen ist, dass neben der Übertragung von Wirtschaftsgütern auch die Überführung von Funktionen von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte regelmäßig eine Verlagerung von Gewinnpotential2 bedeutet, welches gesondert zu vergüten ist und beim inländischen Stammhaus zu einer fiktiven Erhöhung des steuerpflichtigen Gewinns führt.

5.290 Die Funktionsverlagerung wurde durch das Unternehmensteuerreformgesetz 20083 als Teil der Be-

wertungsregeln nach § 1 Abs. 3 AStG eingeführt.4 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG soll im Fall einer Funktionsverlagerung ein hypothetischer Fremdvergleichswert i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG ermittelt werden. Gegenstand der Bewertung ist das sog. Transferpaket, also die Summe aus übergehenden Funktionen, Risiken und Chancen, Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen. Voraussetzung ist, dass für das Transferpaket als Ganzes keine zumindest eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte ermittelbar sind. Die Wertbestimmung mittels Transferpaket führt i.d.R. zu einem höheren Wert als die Summe der Werte der übertragenen Einzelwirtschaftsgüter. Hintergrund ist, dass neben den Wirtschaftsgütern insbesondere übergehendes Gewinnpotential in die Ermittlung des hypothetischen Fremdvergleichswerts eingeht.

5.291 Fraglich ist, ob der Wechsel des Gewinnpotentials zwischen Betriebsstätten des Unternehmens von § 1 Abs. 5 AStG erfasst wird.5 In der Systematik des Gesetzes verweist § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG u.a. auf die allgemeinen Regelungen zur Verrechnungspreisbestimmung nach § 1 Abs. 3 AStG. Mangels Einschränkung umfasst der Verweis auch die Regelungen zur Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Verweis in irgendeiner Form begrenzen wollte. Es handelt sich um einen Rechtsgrundverweis („entsprechend anzuwenden“). Das bedeutet, dass zum einen die Voraussetzungen für die Annahme einer Funktionsverlagerung, also der Übergang eines Transferpakets von einer inländischen an eine ausländische Betriebsstätte unter Zugrundelegung der Tatsachenlage und der Selbständigkeitsfiktion nach § 1 Abs. 5, 6 AStG vorliegen müssen, und dass sich die Bewertung eines fiktiven Veräußerungserlöses zum anderen an den Maßstäben nach § 1 Abs. 3 Satz 9 ff. AStG orientiert.

5.292 Gesetzestechnisch ist die Funktionsverlagerung vorerst eine Bewertungsfrage (angemessener

Fremdvergleichswert). Die Besteuerung dem Grunde nach ergibt sich aus der Überführung verschiedener immaterieller Werte, die zu dem o.g. Transferpaket zusammengefasst werden. Diese faktische Überführung von Vermögenswerten, von Chancen und Risiken und den zugrunde liegenden Personalfunktionen sind i.d.R. tatsächlich feststellbare wirtschaftliche Vorgänge, die den Tatbestand einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG, § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV erfüllen. Unter systematischen Gesichtspunkten sind die Regelungen zur 1 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774 – VWGFunktionsverlagerung. 2 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 30 – VWG-Funktionsverlagerung; OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2010, Rz. 9.65 ff. 3 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912 = BStBl. I 2007, 630. 4 Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461; Korn/Strahl, KÖSDI 2007, 15783; Wulf, DB 2007, 2280; Rödder, DStR 2007, Beihefter zu Heft 40; Kaminski, RIW 2007, 594; Frischmuth, IStR 2007, 485. 5 Benecke, NWB 2007, Fach 3, 1473 erkennt in den allgemeinen Entstrickungstatbeständen die Ermächtigungsgrundlage für die Besteuerung der Funktionsverlagerung.

756 | Haverkamp

D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.295 Kap. 5

Funktionsverlagerung entsprechend auf die Beziehung zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen anzuwenden.1 Auch vom Sinn und Zweck wäre die Ausweitung gedeckt, denn Gewinnpotential kann nicht nur auf Kapitalgesellschaften, sondern auch auf ausländische Betriebsstätten verlagert werden. Der inländische Steuerzugriff wäre sowohl bei uneingeschränkter als auch bei eingeschränkter Selbständigkeitsfiktion durch das DBA begrenzt. In beiden Fällen gilt eine funktionale Betrachtung, die die Besteuerungshoheit an den Erträgen, die aufgrund der ausgeübten Funktion entstehen, dem Betriebsstättenstaat zuweisen. Dieses Gewinnpotential soll letztmalig im Inland erfasst und besteuert werden. Mithin sprechen auch teleologische Erwägungen für die Anwendbarkeit der Funktionsverlagerung.2

5.293

III. Dokumentationspflichten Nach § 90 Abs. 2, 3 AO stellt der Gesetzgeber besondere Mitwirkungspflichten für Steuerpflichtige auf, die grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle verwirklichen. Nach Verwaltungsansicht muss der Steuerpflichtige z.B. gem. § 90 Abs. 2 AO ausländische Steuerbescheide vorlegen bzw. nachreichen, sofern er geltend macht, dass nach dem einschlägigen DBA keine Besteuerung anhand des AOA in Betracht kommt.3 Zu den besonderen Mitwirkungspflichten zählt auch die Pflicht zur Aufzeichnung von Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Personen, i.d.R. mit anderen Gruppengesellschaften (§ 90 Abs. 3 Satz 1 AO). Sollte der Steuerpflichtige diesen Anforderungen nicht nachkommen, setzt er sich Strafzuschlägen und insbesondere der Gefahr aus, dass die Finanzverwaltung die gruppeninternen Leistungsbeziehungen schätzt (Schätzungsbefugnis). Dann wird von Gesetzes wegen davon ausgegangen, dass die tatsächlichen im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher sind als erklärt (§ 162 Abs. 3 Satz 1 AO).

5.294

Diese besondere Pflicht erstreckt sich entsprechend § 90 Abs. 3 Satz 4 AO auch auf die Dokumentation der Gewinnabgrenzung zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder auf die Gewinnermittlung4 einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens.5

5.295

Zeitgleich mit der Umsetzung des AOA6 in innerstaatliches Recht hat der Gesetzgeber die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung in ihrer Fassung v. 26.6.2013 dahingehend reformiert, dass die Dokumentationsanforderungen nach § 7 GAufzV a.F. an den neuen Wortlaut von § 1 Abs. 5 AStG angepasst wurden.7 In der Fassung hieß es: „Die §§ 1 bis 6 gelten entsprechend 1. für Steuerpflichtige, die für die inländische Besteuerung nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes Einkünfte zwischen ihrem inländischen Unternehmen und dessen ausländischer Betriebsstätte aufzuteilen haben, 1 Im Ergebnis auch Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 1077; Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 700 (Stand: Juli 2017); Schnitger, IStR 2012, 633 (638); Kahle, DStZ 2012, 691 (699); Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, IStR 2014, 81 (84); mit Gestaltungsüberlegungen Kaminski in FS Frotscher, 305 ff. 2 Zur möglichen Unionsrechtswidrigkeit vgl. Kahle/Kindich in Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Rz. 4.415 m.w.N. 3 VWG BsGa, Rz. 433. 4 Diese Differenzierung zwischen Gewinnabgrenzung und Gewinnermittlung übernimmt auch das BMF in VWG BsGa, Rz. 8. 5 § 90 Abs. 3 Satz 4 AO in der Fassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809; weniger deutlich in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EUAmtshilferichtlinien und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 1.12.2016, BGBl. I, 3000. 6 Zu den Dokumentationspflichten vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 224–226. 7 BGBl. I 2013, 1809 (1829).

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Kap. 5 Rz. 5.296 | Betriebsstättengewinnabgrenzung 2. für Steuerpflichtige, die für die inländische Betriebsstätte nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes Einkünfte der inländischen Betriebsstätte ihres ausländischen Unternehmens zu ermitteln haben, sowie 3. für Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften, auf die § 1 Absatz 1 Satz 2 des Außensteuergesetzes anzuwenden ist.“ Am 13.6.2017 ist mit Rechtskraft ab dem 1.1.2017 die neue Fassung der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung („GAufzV“) in Kraft getreten.1 Zuvor hatte der Gesetzgeber § 90 Abs. 3 AO grundlegend reformiert und an den Vorgaben des Aktionspunkts 13 des BEPS-Projekts der OECD und G20-Staaten angepasst.2 In der aktuellen Fassung der GAufzV findet sich nicht länger eine vergleichbare Regelung zu § 7 GaufzV a.F. Diesem Umstand kann aber wohl kaum entnommen werden, dass die Gewinnverteilung zur Betriebsstätte nicht länger dokumentationspflichtig ist. Der Verweis auf § 90 Abs. 3 Satz 4 AO, lässt auf Gegenteiliges schließen. So spricht § 1 Abs. 1 Satz 1 GAufzV vom „Steuerpflichtigen“, der Aufzeichnungen „über die Geschäftsbeziehungen nach § 1 Abs. 4 AStG“ erstellen muss. Augenscheinlich hielt es der Verordnungsgeber nicht länger für erforderlich, zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen zu unterscheiden. Der Verweis auf § 1 Abs. 4 AStG einschließlich dessen Satz 2 erübrigt die weitere Differenzierung. Das zeigt i.Ü. auch die Lektüre von § 3 Abs. 3 BsGaV. Der Wortlaut ist eindeutig.

5.296 In Betriebsstättenfällen gelten mithin die gleichen Dokumentationsanforderungen wie zwischen

verbundenen Kapitalgesellschaften. Nach § 4 GAufZV müssen folgende Inhalte dargestellt werden:3 – allgemeine Informationen, – Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen, – Funktions- und Risikoanalyse und – Vergleichbarkeitsanalyse.

5.297 Dabei sollten auch die Beteiligungsverhältnisse des Einheitsunternehmens zu nahestehenden

Personen, mit denen Geschäftsbeziehungen unterhalten werden, dargestellt werden, sofern sie der Betriebsstätte zugeordnet werden könnten.4 Die Verrechnungspreisdokumentation dient der Sachverhaltsermittlung. Insofern muss die Finanzverwaltung auch in den Stand gesetzt werden, ggf. der Betriebsstätte zuzuordnende Geschäftsvorfälle identifizieren zu können. Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Aufzeichnungsanforderungen.

5.298 Die Funktions- und Risikoanalyse sowie die Vergleichbarkeitsanalyse müssen die Zuordnungs-

entscheidungen und die Bestimmung der Verrechnungspreise für Außen- und Innentransaktionen widerspiegeln. Ergänzt werden die Aufzeichnungsvorschriften nach der GAufZV durch § 3 Abs. 3 BsGaV. Der Steuerpflichtige muss zusätzlich zu den allgemeinen Dokumentationsanforderungen darlegen: – die Gründe für die Zuordnung der Vermögenswerte zur Betriebsstätte, wobei der Verordnungsgeber besonderen Wert auf die Darstellung der Gründe für die Zuordnung der Geschäftsvorfälle des Unternehmens (§ 9 BsGaV), der Chancen und Risiken (§ 10 BsGaV) und der Sicherungsgeschäfte (§ 11 BsGaV) zu legen scheint, und – die Gründe für das Vorliegen anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen (§§ 16, 17 BsGaV). Dazu gehört nach allgemeinen Kriterien eine Darstellung der angewandten Verrechnungspreis1 Schnorberger/Haverkamp/Etzig, BB 2017, 1111 ff.; Schnorberger/Haverkamp/Etzig, BB 2017, 2455 ff. 2 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinien und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 1.12.2016, BGBl. I, 3000; OECD/G20, Base Erosion and Profit Shifting Project, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13: 2015 Final Report. 3 Umfassend Dombrowski/Sommer/Dahle, IStR 2016, 109 ff. 4 A.A. Dombrowski/Sommer/Dahle, IStR 2016, 109 (112).

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D. Korrektur der Betriebsstätteneinkünfte nach § 1 Abs. 5, 6 AStG i.V.m. BsGaV | Rz. 5.303 Kap. 5

methode sowie eine Begründung ihrer Angemessenheit, ggf. substantiiert durch eine Vergleichbarkeitsanalyse. Der Steuerpflichtige muss Vergleichsdaten nur heranziehen, soweit sie vorhanden oder mit zumutbarem Aufwand aus frei zugänglichen Quellen beschaffbar sind. Daten aus vergleichbaren Geschäften zwischen fremden Dritten sowie aus vergleichbaren Geschäften mit fremden Dritten (z.B. Preise und Geschäftsbedingungen, Kostenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen, Nettospannen, Gewinnaufteilungen) sind vorzulegen, soweit sie im Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung verfügbar waren und ihr zugrunde gelegen haben (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b GAufzV n.F.). Außerdem sind innerbetriebliche Daten vorzulegen, die eine Plausibilitätskontrolle der vom Steuerpflichtigen vereinbarten Verrechnungspreise ermöglichen, wie z.B. Prognoserechnungen oder Daten zur Absatz-, Gewinn- und Kostenplanung. Hier offenbart sich, dass die neuen Aufzeichnungsvorschriften und die Regelungen zur Betriebsstättengewinnaufteilung nicht aufeinander abgestimmt sind. Da die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen Fiktion sind, wird dem Steuerpflichtigen im Einzelfall nicht bewusst sein, dass ein fiktiver Verrechnungspreis für Steuerzwecke angesetzt werden muss. Damit wird er auch keine „zugrundeliegenden Daten“ konsultieren. Im Grunde wird dem Steuerpflichtigen abverlangt, nicht wie nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AO n.F., § 1 Abs. 2 GAufzV n.F. den tatsächlich-historischen Sachverhalt aufzuzeichnen, sondern einen hypothetischen. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sollte die Finanzverwaltung die Grenzen der Verwertbarkeit hier nicht zu eng ziehen. Dem Steuerpflichtigen kann nicht mehr abverlangt werden, als dass er die Tatsachen darstellt, aufgrund derer er Vermögenswerte und Gewinne tatsächlich für Steuerzwecke zugeordnet hat.

5.299

Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der vom Steuerpflichtigen angewandten Verrechnungspreismethode. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Steuerpflichtige die Angemessenheit der gewählten Methode zu begründen versucht. Entscheidend ist nach § 2 Abs. 3 Satz 2 GAufZV n.F. das „ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen […], seine Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu gestalten“. Weiter kann der Maßstab auch für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nicht sein.

5.300

Die Aufzeichnung ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GAufZV geschäftsvorfallbezogen zu erstellen. Einzelne Geschäftsvorfälle können zusammengefasst werden, sofern sie vergleichbar sind, die Gruppierung „nach vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln“ erfolgt oder sie unter unabhängigen Unternehmen üblich ist. Darüber hinaus auch dann, wenn sie „ursächlich zusammenhängen“ oder bei „Teilleistungen im Rahmen eines Gesamtgeschäfts“(§ 2 Abs. 3 Satz 3 GAufZV). Nach § 2 Abs. 3 Satz 4 GAufZV müssen die Kriterien für eine Gruppenbildung dargestellt werden. Das kann gerade dann von Bedeutung sein, wenn die Funktions- und Risikoanalyse ergibt, dass die Betriebsstätte Routinetätigkeiten ausübt.

5.301

Neben den konkreten geschäftsvorfallbezogenen Informationen sind die organisatorische und die operative Konzernstruktur sowie deren Veränderungen, einschließlich Betriebsstätten und Beteiligungen an Personengesellschaften, darzustellen. Außerdem werden die Beschreibung der Tätigkeitsbereiche des Steuerpflichtigen und insbesondere die Einbindung der Betriebsstätte in operativer Hinsicht verlangt. Die Funktions- und Risikoanalyse soll detailliert die Zuordnung von Vermögenswerten nach der BsGaV darstellen. Dabei sollten unter praktischen Gesichtspunkten auch durchaus Abweichungen zu steuerbilanziellen Ansätzen abgebildet werden. Allgemein sollten die Geschäftsstrategien des Unternehmens und die Einbeziehung der Betriebsstätte Berücksichtigung finden. Eine Darstellung bedeutsamer Markt- und Wettbewerbsverhältnisse gehören zu jeder Verrechnungspreisdokumentation.

5.302

Eine Beschreibung der Wertschöpfungskette und Darstellung des Wertschöpfungsbeitrags der Betriebsstätte bei Geschäftsbeziehungen zu anderen Personen (Außentransaktionen) und bei anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zum übrigen Unternehmen (Innentransaktionen) sollte der Angemessenheitsprüfung zuträglich sein, insbesondere weil sie für die Bestimmung der Personalfunktionen von Bedeutung ist (Rz. 5.177 ff.).

5.303

Haverkamp | 759

3. Teil Auslandsaktivitäten inländischer Unternehmen (Outbound-Investitionen) Kapitel 6 Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter I. Besteuerungsprinzipien im Ausland (Transparenz vs. Trennungsprinzip) II. Qualifikation der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Recht (Steuersubjektqualifikation) . . . . . III. Qualifikationskonflikte bei ausländischen Personengesellschaften . . . C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft I. Besteuerung im Nicht-DBA-Fall 1. Besteuerung laufender Einkünfte bei einheitlicher Steuersubjektqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung laufender Einkünfte bei abweichender Steuersubjektqualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft . . . . 3. Besteuerung im Verlustfall a) Welteinkommensprinzip . . . . . . b) Begrenzung nach § 15a EStG . . . . c) Begrenzung nach § 2a EStG . . . . 4. Gewerbesteuerliche Behandlung . . . 5. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . II. Besteuerung im DBA-Fall 1. Steuersubjektqualifikation und Abkommensberechtigung . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils bei einheitlicher Qualifikation a) Abkommensrechtliche Einkünftequalifikation aa) Unternehmensgewinne (1) Abkommensrechtlicher Unternehmensbegriff . . . . . .

_

6.1

_ _ _

6.8

6.12 6.22

_

6.23

_ _ __ __ _ _

6.30 6.33 6.34 6.35 6.37 6.38 6.40

6.49

_

6.52

(2) Gewerblich tätige Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . (3) Vermögensverwaltende Personengesellschaft . . . . . . (4) Gewerbliche Prägung . . . . . . (5) Gewerbliche Infektion . . . . . (6) Betriebsaufspaltung . . . . . . . (7) Stille und atypisch stille Beteiligungen . . . . . . . . . . . bb) Dividenden, Lizenzgebühren, Zinsen und sonstige Einkünfte cc) Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . . b) Freistellung von Unternehmensgewinnen unter Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkungen der abkommensrechtlichen Freistellung aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) DBA-Aktivitätsklauseln . . . . cc) Zwischeneinkünfte (§ 20 Abs. 2 AStG) . . . . . . . dd) Abkommensrechtliche Subject-to-Tax-Klauseln . . . . ee) Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln . . . . . . ff) Switch-over- und Subject-toTax-Klauseln nach nationalem Recht (1) Überblick über die Vorschrift des § 50d Abs. 9 EStG . . . . . (2) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . (3) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung des Gewinnanteils bei abweichender Qualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat aa) OECD-MA . . . . . . . . . . . . bb) DBA-Belgien . . . . . . . . . . . cc) DBA-Portugal . . . . . . . . . . dd) DBA-USA . . . . . . . . . . . . .

_ __ __ _ _ _ _ __ _ _ _

6.53 6.54 6.55 6.56 6.57 6.58 6.60 6.74 6.85 6.88 6.90

6.100 6.109 6.118

_ _ _

6.124 6.126 6.127

__ __

6.128 6.131 6.132 6.137

Schänzle/Engel | 761

Kap. 6 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft . . . . 4. Besteuerung von Sondervergütungen a) Dem OECD-MA entsprechende DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) DBA mit ausdrücklichen Regelungen für Sondervergütungen . . . . . 5. Besteuerung im Verlustfall a) Anrechnungsmethode . . . . . . . . b) Freistellungsmethode aa) Symmetriethese und Progressionsvorbehalt . . . . . . . . . . bb) „Finale“ Verluste . . . . . . . . 6. Drittstaateneinkünfte a) Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten . . . . . . b) Betriebsstätte im Drittstaat . . . . . D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft I. Bargründung . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachgründung . . . . . . . . . . . . . . III. Erwerb von Anteilen an ausländischen Personengesellschaften . . . E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft I. Buchführungs- und Anmeldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Währungsumrechnung/Steuerliche Berücksichtigung von Wechselkursgewinnen und -verlusten . . . . . . .

_ _ _ _ __ __ __ _

6.140

6.144 6.152 6.158 6.159 6.160 6.164 6.169

6.175 6.178 6.185

_ _

6.187

6.191

III. Erfolgs- und Vermögensabgrenzung 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Einkünfteabgrenzung a) Grundsätze des innerstaatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätze des Abkommensrechts 3. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern a) Behandlung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung in den DBA . . . . . . c) Zusammenfassende Beispiele . . . . 4. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und Erbringung von Dienstleistungen a) Behandlung nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung in den DBA . . . . . . c) Zusammenfassende Beispiele . . . . 5. Gründungsaufwand und nachträgliche Aufwendungen oder Erträge . . IV. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte V. Verfahrensfragen 1. Gesonderte Feststellung situationen . . . . . . . . 2. Gesonderte Feststellung situationen . . . . . . . .

in Gewinn.... ..... in Verlust.... .....

F. Beendigung und Strukturwechsel I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . II. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgabe/Liquidation . . . . . . . . . . IV. Sonderregelung des § 50i EStG . . .

_ __ __ _

6.196 6.197 6.200

6.209 6.219 6.222

__ _ __

6.237 6.242 6.244 6.255 6.260

_ _ __ __

6.261 6.266 6.268 6.269 6.281 6.283

Literatur: Aigner/Kofler, Steuerliche Folgen des Zuzugs von EU-Kapitalgesellschaften nach Österreich nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Überseering (C-208/00), IStR 2003, 570; Autzen, Die ausländische Holding-Personengesellschaft. Ertragsteuerliche Behandlung und zielorientierte Gestaltung, Diss., Berlin 2006; Bahns/Keuthen, Behandlung hybrider Gesellschaften im Entlastungsverfahren nach § 50d EStG – Reichweite des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, IStR 2010, 750; Becker/Loitz/Stein, Steueroptimale Verlustnutzung, Wiesbaden 2009; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009; Blumers, DBA-Betriebsstätten-Zurechnungen in der jüngsten BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 1765; Boller/Eilinghoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Debatin, Außensteuerrechtliche und internationalrechtliche Behandlung von Rechtsträgern und daran bestehenden Beteiligungen, DB 1977, Beilage Nr. 13 zu Heft 39, 1; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Digeronimo/Kolb, Überblick über das Update 2010 des OECD-Musterabkommens, IWB 2011, 26; Ditz/Liebchen, Zur Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts im Ansässigkeitsstaat – Der BFH rückt mit Urteil vom 24.8.2011 die Verhältnisse wieder gerade, IStR 2012, 449; Ditz/ Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, IStR 2010, 81; Ditz/Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten – Betriebsprüfungsfall zu § 12 Abs. 1 KStG, Ubg 2012, 101; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung – zugleich Besprechung des BMF-Schreibens vom 19.3. 2004, IStR 2004, 351, IStR 2004, 481; Drüen, Ausländische Buchführungspflichten und innerstaatliche Wirkung, ISR 2014, 265; Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004;

762 | Schänzle/Engel

Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften | Kap. 6 Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Engel/Hilbert, Keine Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA bei Landund Forstwirtschaft, IWB 2012, 316; Franz/Voulon, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Status Quo und Perspektiven, BB 2011, 1111; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; Gebhardt, Die atomisierende Betrachtungsweise nach § 50d Abs. 9 S. 4 EStG-E und die Lösung des „wenn vs. soweit“-Problems in § 50d Abs. 9 S. 1 EStG-E, IStR 2016, 1009; Gebhardt/ Quilitzsch, Aktivitätsvorbehalte im Abkommensrecht – kann § 20 Abs. 2 AStG die Freistellung aufrechterhalten?, IStR 2011, 169; Goebel/Liedtke/Schmidt, FG München: Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG im Inboundfall, IWB 2010, 7; Goksch, Die Anwendbarkeit von § 1 AStG auf Entnahmesachverhalte, IStR 2002, 181; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 263; Goldacker, Gewinnverlagerung zwischen Schwesterbetriebsstätten – eine Analyse des AOA, BB 2013, 87; Gosch, Über die Zeit im Abkommensrecht, IStR 2015, 709; Grotherr, Zweifelsfragen bei der Anwendung der Rückfallklausel („subject to tax clause“) gemäß DBA, IWB 1997, Fach 3, Gruppe 2 (aussortiert am 1.4.2005), 689; Günkel/Lieber, Abkommensrechtliche Qualifikation von Sondervergütungen. Irrwege der Finanzverwaltung, FR 2000, 853; Haase/Brändel, DBA und Personengesellschaften – Irrungen und Wirrungen im Notenwechsel zum DBA-Spanien, IStR 2011, 255; Häck, Zur Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH, IStR 2011, 71; Hartmann, Steuergestaltung durch Verwendung hybrider Gesellschaften. Ein Modell zur Analyse der Steuerbelastung bei übereinstimmender Qualifikation und subjektiven Qualifikationskonflikten, Diss., Ingolstadt 1999; Haun, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht – Ausgewählte Möglichkeiten der Steuerplanung im Outbound-Fall, in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne 2011; Haun/Reiser/Mödinger, Zweifelsfragen bei der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, GmbHR 2010, 637; Helmschrott/Eberhart, Die wichtigsten Änderungen der AO und ihrer Nebengesetze durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (Teil II), DStR 1994, 525; Henke/Lang, Qualifizierung ausländischer Rechtsgebilde am Beispiel der Delaware-LLC, IStR 2001, 514; Herbot, Die Auswirkung des Authorized OECD Approach auf die Entstrickungsbesteuerung, FR 2013, 781; Heurung/Engel, Grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten in der EU, GmbHR 2010, 1065; Hey, Stellung der US (Delaware) Limited Liability Company im internationalen Steuerrecht, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 121; Hey, Personalstatut und Steuerrecht. Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Sitztheorie auf die Besteuerung doppelansässiger Kapitalgesellschaften, DK 2004, 577; Hils, Neuregelung internationaler Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, 888; Hruschka, Die Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten von Personengesellschaften, IStR 2016, 437; Jacob, Das revidierte DBA-USA – Eckpfeiler – Fortentwicklungen – Neuland (Teil II), IStR 2011, 98; Jakob, Freistellungs- oder Anrechnungsmethode – Anmerkungen zu Urteilen des Bundesfinanzhofs zur sog. Aktivitätsklausel gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziffer 1 Buchstabe a Satz 1 DBA CH-D, in Locher/Ryser (Hrsg.), Internationales Steuerrecht in der Schweiz. 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Schänzle/Engel | 763

Kap. 6 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften land-Österreich-Schweiz, IStR 2007, 1; Lemaitre/Schnittker/Siegel, Die steuerliche Einordnung der US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC) auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 19.3.2004. Auswirkungen auf die Beratungspraxis, GmbHR 2004, 618; Lieber, Personengesellschaften mit grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen, IWB 2010, 351; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/1998, 449; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA, Bemerkungen zum BMF-Schreiben vom 20.6.2013, IStR 2013, 721; Meilicke/Portner, Grenzen für den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, IStR 2004, 397; Meretzki, Greift § 50d Abs. 9 EStG auch bei nur zum Teil steuerfreien Einkünften? Auch Sondervergütungen und Gewinnanteil bilden eine Einkünfteeinheit, IStR 2008, 23; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Meretzki, Die (Nicht-)Besteuerung von Einkünften als zentrales Tatbestandsmerkmal abkommensrechtlicher Subject-to-tax Klauseln, ISR 2014, 42; Mitschke, Plädoyer für eine Nichtanwendung der EuGH-Rechtsprechung im Bereich der direkten Steuern, FR 2008, 165; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 328; Mössner, Rechtsprechung des BFH zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Jahr 2002, RIW 2003, 294; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Müller, Kehrtwende des EuGH bei Pflicht zur Berücksichtigung finaler Betriebsstättenverluste, ISR 2016, 54; OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, Paris 1999; Neumann-Tomm, Die bloße Einkünftekorrekturfunktion des § 1 Abs. 5 AStG, IStR 2015, 907; Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1981; Pohl, Abkommensrechtliche Sondervergütungsregelungen im Lichte aktueller Rechtsprechung, IWB 2012, 120; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Pyszka/Schmedt, Gestaltungsüberlegungen zum grenzüberschreitenden Ausgleich von Betriebsstättenverlusten bei DBA mit Aktivitätsklausel, IStR 2002, 342; Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Richter, Europarechtswidrigkeit der switch-over-Klausel im § 20 Abs. 2 AStG – BFH zum EuGH-Urteil Columbus Container, BB 2010, 1832; Richter, Zum Diskussionsstand der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste in Deutschland, IStR 2010, 1; Richter/John, Mitunternehmer und Betriebsstätten, FR 2015, 142; Salome/Danon, The OECD Partnership Report – A Swiss View on Conflicts of Qualification, Intertax 2003, 190; Schänzle, Generalthema II: Steuerliche Behandlung von Wechselkursschwankungen, IStR 2009, 514; Scheipers/Maywald, Zur Vereinbarkeit des § 20 Abs. 2 AStG mit EG-Recht unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalanwalts Leger in der Rs. Cadbury Schweppes, IStR 2009, 472; Schönfeld/Häck, Der Methodenartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 168; Schmidt, Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber? Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010, I R 74/09, DStR 2010, 2436; Schmidt/Heinz, Steuerliche Ergebnisermittlung einer ausländischen Personen(handels)gesellschaft für deutsche Besteuerungszwecke. Keine „Abfärbewirkung“ eines ausländischen Abschlusses auf die steuerliche Ergebnisermittlung in Deutschland, GmbHR 2008, 581; Schnitger, EuGH in der Rs. Timac Agro zu finalen ausländischen Betriebsstättenverlusten – War es das bei der Freistellungsmethode?, IStR 2016, 72; Schnittker, Steuersubjektqualifikation ausländischer hybrider Rechtsgebilde, StuW 2004, 39; Schnittker/Bank, Die LLP in der Praxis. Gesellschaftsrecht und Steuerrecht der Limited Liability Partnership, München 2008; Schnittker/Lemaitre, Steuersubjektqualifikation ausländischer Personen- und Kapitalgesellschaften anhand des Rechtstypenvergleichs: Welche Vergleichskriterien sind heranzuziehen?, GmbHR 2003, 1314; Schnorberger/Dust, Gründungsaufwand bei ausländischen Betriebsstätten: Alles neu macht der AOA, BB 2015, 608; Schönfeld, Der neue Artikel 1 DBA-USA – Hinzurechnungsbesteuerung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften steuerlich transparenter Rechtsträger, IStR 2007, 274; Schönfeld, Ausgewählte Internationale Aspekte des neuen Umwandlungserlasses, IStR 2011, 497; Schulz-Trieglaff, Unentgeltliche Überlassung eines Markenzeichens als Geschäftsbeziehung und Voraussetzungen eines Verständigungsverfahrens, Anmerkung zum laufenden Revisionsverfahren beim BFH, I R 22/14, IStR 2014, 596; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, Diss., Frankfurt am Main 2011; Spengel/Schaden/ Wehrße, Besteuerung von Personengesellschaften in den 27 EU-Mitgliedsstaaten und den USA – eine Analyse der nationalen Besteuerungskonzeptionen, StuW 2010, 44; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Suchanek, Doppelte Nichtbesteuerung eines Gewinns aus der Veräußerung einer intransparenten Personengesellschaft – Erste gerichtliche Klärung durch das FG Hamburg, IStR 2007, 654; Sucha-

764 | Schänzle/Engel

A. Einführung | Rz. 6.3 Kap. 6 nek/Herbst, Status quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften, Ubg 2011, 779; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489 Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Die BFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR 2015, 37; Weggenmann, Die Empfehlungen der OECD an den Ansässigkeitsstaat zur Lösung von Einordnungskonflikten in Bezug auf Sondervergütungen, IStR 2002, 614; Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, Die Systematik der sog. Entstrickungsbesteuerung, DB 2010, 1776; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647; Zimmermann/Hottmann/Kiebele/Schaeberle/Völkel, Die Personengesellschaft im Steuerrecht, 10. Aufl., Achim 2009.

A. Einführung Die Rechtsform der Personengesellschaft erfreut sich in Deutschland einer großen Beliebtheit. Dies gilt in besonderem Maße für mittelständische Familienunternehmen. Hinsichtlich der Strukturierung von Direktinvestitionen deutscher Unternehmen im Ausland ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Deutsche Unternehmen nutzen für die Strukturierung ihrer Direktinvestitionen im Ausland überwiegend die Rechtsreform der Kapitalgesellschaft. Dies gilt sowohl für Unternehmen, an deren Spitze eine inländische Kapitalgesellschaft steht, als auch für mittelständische Unternehmen, die im Inland als Personengesellschaft, typischerweise in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, geführt werden.

6.1

Betrachtet man ausschließlich steuerliche Kriterien, überrascht dieser Befund. Denn ausländische Personengesellschaften können als eine Art „Zwitter“1 zwischen Kapitalgesellschaft und Betriebsstätte geeignet sein, die steuerlichen Vorteile einer Betriebsstätte mit der rechtlichen Trennung einer Kapitalgesellschaft zu verbinden. Da die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Mitunternehmerschaft grundsätzlich dem Gesellschafter die von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten vermittelt, lassen sich die steuerlichen Vorteile einer ausländischen Betriebsstätte im Vergleich zu einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Allgemeinen auch über eine ausländische Personengesellschaft erzielen:

6.2

– Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung: Bei abkommensrechtlicher Freistellung der ausländischen Unternehmensgewinne können die Gewinne steuerfrei bis zum inländischen Gesellschafter durchgeleitet werden. Gewinne einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegen dagegen bei der Ausschüttung der inländischen Besteuerung in Form der 5 %-Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 5 KStG bzw. dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG oder der sog. Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG bei (Weiter-)Ausschüttung an natürliche Personen. Insbesondere bei inländischen Familienunternehmen mit einer Personengesellschaft an der Spitze der Unternehmensgruppe lassen sich somit erhebliche steuerliche Vorteile realisieren. – Vermeidung von Quellensteuer: Besteuert der Sitzstaat der Personengesellschaft nach dem Transparenzprinzip, werden regelmäßig keine Quellensteuern auf die Repatriierung von Gewinnen erhoben. – Verlustnutzung: Im Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode ist grundsätzlich eine Verlustnutzung im Inland möglich. Die Rechtsform der Personengesellschaft weist ferner folgende Vorteile gegenüber einer Betriebsstätte auf: – Haftungsbegrenzung: Im Gegensatz zur Betriebsstättenalternative kann bei Investitionen in eine ausländische Personengesellschaft zumeist durch eine Kapitalgesellschaft-&-Co.-Strukturierung eine Haftungsbegrenzung erreicht werden. 1 Köhler in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 8 Rz. 65.

Schänzle/Engel | 765

6.3

Kap. 6 Rz. 6.4 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften – Eigenschaft als eigenes Rechtssubjekt: Die Rechtssubjekteigenschaft der Personengesellschaft bietet Vorteile im Geschäftsverkehr sowie in Bezug auf den Marktauftritt. Die ausländische Personengesellschaft kann insbesondere in ihrem Gründungsstaat als „heimisches Unternehmen“ auftreten. – Gewinnabgrenzung: Zwischen der inländischen Spitzeneinheit und einer ausländischen Personengesellschaft können – anders als dies bei einer Betriebsstätte der Fall ist – schuldrechtliche Vertragsbeziehungen bestehen. Im Vergleich zur Betriebsstätte ist daher die Gewinnabgrenzung im Personengesellschaftsfall regelmäßig einfacher und stabiler. Insbesondere kann erwogen werden, vorhandene Betriebsstätten in eine Personengesellschaft einzubringen, um die Anwendung des in § 1 Abs. 5 AStG verankerten „Authorised OECD Approach“ (AOA) zu vermeiden.

6.4 Den vorstehend aufgezeigten steuerlichen Vorteilen können jedoch im Vergleich zur Kapitalgesellschaft folgende steuerliche und außersteuerliche Nachteile gegenüberstehen:

– Haftungsbegrenzung: Das ausländische Gesellschaftsrecht ermöglicht ggf. keine Haftungsbegrenzung; zumindest wird hierfür regelmäßig eine inländische oder ausländische Kapitalgesellschaft als Komplementärin zu installieren sein. – Geringe Verbreitung der Rechtsform im Ausland: Die geringe Verbreitung der Rechtsform der Personengesellschaft kann mit einer geringen Akzeptanz derselben im Geschäftsverkehr einhergehen. Dies kann ein nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Argument gegen die Rechtsform der Personengesellschaft darstellen, da sich hieraus Nachteile in Bezug auf den Marktauftritt ergeben können (fehlendes Vertrauen der Marktteilnehmer). – Komplexität und Rechtsunsicherheit der Besteuerung: Die Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter zeichnet sich durch ein hohes Maß an Komplexität aus und kann mit Zweifelsfragen verbunden sein. Aufgrund von Unterschieden in den Besteuerungskonzepten der einzelnen Staaten können sich auch Qualifikations- sowie Zurechnungskonflikte ergeben. – Administrative Schwierigkeiten/Aufwand: Das Transparenzprinzip macht eine steuerliche Registrierung aller Gesellschafter im Ausland notwendig. Durch eine ggf. zu installierende Komplementärin kann sich ein zusätzlicher administrativer Aufwand ergeben.

6.5 Auch wenn für Auslandsengagements die Kapitalgesellschaft nach wie vor stärker verbreitet ist,

scheint der Einsatz ausländischer Personengesellschaften in der Praxis zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt sicherlich in der steuerlichen Attraktivität der Nutzung ausländischer Personengesellschaften gerade für deutsche inhabergeführte Unternehmen, die im Inland als Personengesellschaft strukturiert sind. Die weitere Internationalisierung des deutschen Mittelstands sowie die zunehmende Vertrautheit der deutschen und ausländischen Berater sowie der beteiligten Fisci mit grenzüberschreitenden Personengesellschaftsstrukturen sind wesentliche Faktoren, die zu dieser Entwicklung beitragen. Ausländische Personengesellschaften eignen sich jedoch nicht nur für deutsche Familien-Personengesellschaften, vielmehr kann die Einschaltung ausländischer Personengesellschaften auch für inländische Kapitalgesellschaftskonzerne steuerlich von Vorteil sein.

6.6 Das Zusammentreffen von Rechtssubjekteigenschaft und steuerlicher Transparenz, die nationalen Besonderheiten wie das Konzept der zweistufigen Gewinnermittlung unter Einbeziehung des Sonderbetriebsvermögens, die ggf. abweichende Qualifikation und Besteuerung im Ausland sowie die zahlreichen Anwendungsfragen des DBA-Rechts machen die Besteuerung von grenzüberschreitenden Mitunternehmerschaften zu einer für den Rechtsanwender komplexen Materie, die in einigen Aspekten noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, aber gerade in den letzten Jahren auch einer gewissen gesetzgeberischen „Dynamik“ unterlag. Es verwundert daher nicht, dass die internationale Besteuerung von Personengesellschaften eines der beherrschenden Themen im jüngeren Schrifttum ist. Die zunehmende praktische Bedeutung des Themas zeigt sich auch darin, dass

766 | Schänzle/Engel

B. Besteuerung ausl. Personengesellschaften und ihrer inl. Gesellschafter | Rz. 6.11 Kap. 6

die grenzüberschreitende Besteuerung von Personengesellschaften in der jüngeren Vergangenheit häufiger Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war. Dem trägt auch die Finanzverwaltung Rechnung, die im Jahr 2010 ein umfangreiches BMF-Schr. zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften1 veröffentlicht und dieses im September 2014 durch ein an die zwischenzeitlichen gesetzlichen Neuregelungen sowie BFH-Rechtsprechung angepasstes Schreiben2 ersetzt hat. Die für den Zeitraum von knapp viereinhalb Jahren doch sehr umfangreichen Änderungen machen die Dynamik in diesem Bereich des Internationalen Steuerrechts deutlich. Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend die Grundlagen der Besteuerung ausländischer Personengesellschaften sowie die daraus resultierenden Unsicherheiten, Risiken und Chancen dargestellt werden. Gegenstand der Untersuchung ist die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft. Der Begriff des Steuerinländers ist dabei in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Betrachtet wird insbesondere auch die Konstellation einer inländischen Spitzeneinheit in der Rechtsform der Personengesellschaft, die als Gesellschafter natürliche Personen sowie Kapitalgesellschaften aufweisen kann.

6.7

B. Grundsätzliches zur Besteuerung ausländischer Personengesellschaften und ihrer inländischen Gesellschafter I. Besteuerungsprinzipien im Ausland (Transparenz vs. Trennungsprinzip) Für die Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat sind allein die Grundsätze des nationalen Rechts dieses Staates maßgeblich. Im Sitzstaat der nach deutschem Recht als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden Personengesellschaft kann die Besteuerung dabei nach dem Transparenz- oder dem Trennungsprinzip erfolgen.

6.8

Insbesondere in Mittel- und Westeuropa richtet sich die Besteuerung von Personengesellschaften mehrheitlich nach dem Transparenzprinzip. Entscheidendes Merkmal einer transparenten Besteuerung ist, dass die Gewinne der Gesellschaft nicht bei der Gesellschaft selbst, sondern bei den einzelnen Gesellschaftern der Besteuerung unterliegen. Gleiches gilt im Grundsatz für Verluste. Diese werden wie die Gewinne an die Gesellschafter „durchgeleitet“, können also dort mit positiven Einkünften verrechnet werden.3

6.9

Vor allem süd- und osteuropäische Staaten besteuern Personengesellschaften nach dem sog. Trennungsprinzip.4 Personengesellschaften unterliegen in diesen Ländern i.d.R. als eigenes Steuersubjekt der Körperschaftsteuer und werden somit im Rahmen der Besteuerung wie Kapitalgesellschaften behandelt. Dies liegt oftmals daran, dass Personengesellschaften in diesen Staaten – vom deutschen Verständnis abweichend – als juristische Personen qualifiziert werden. Eine Besteuerung der Personengesellschaft nach dem Trennungsprinzip geht in nahezu allen Staaten mit einer Besteuerung des Gewinntransfers an die Gesellschafter einher.5

6.10

In einigen Staaten kommen Mischformen bzw. Kombinationen der beiden Grundkonzepte zur Anwendung. Dies gilt bspw. für die Besteuerung tschechischer „Kommanditni Spolecnost“ sowie slowakischer „Komanditná Spolocnost“. Beide Gesellschaftsformen sind ihrer zivilrechtlichen Struktur nach mit einer deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbar,6 weisen also neben Gesell-

6.11

1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354. 2 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 3 Einzelne Staaten weichen hiervon ab. Vgl. für eine Übersicht über die Rechtslage in 27 EU-Mitgliedstaaten und den USA: Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (48 f.). 4 Vgl. hierzu im Einzelnen Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (46 ff.). 5 Vgl. zu alledem Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (44 ff.); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394). 6 Vgl. Tabelle 2 in der Anlage zum BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076.

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Kap. 6 Rz. 6.12 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften schaftern, die unbeschränkt für die Gesellschaftsschulden haften, solche Gesellschafter auf, deren Haftung beschränkt ist. Bei der Besteuerung der beiden genannten Gesellschaftsformen wird nach diesen unterschiedlichen Arten von Gesellschaftern differenziert. Während die auf die unbeschränkt haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinne diesen jeweils nach dem Transparenzprinzip unmittelbar zugerechnet werden, unterliegt der auf die beschränkt haftenden Gesellschafter entfallende Gewinnanteil auf der Ebene der Gesellschaft der Körperschaftsteuer. Die Gewinnzuteilung wird als steuerfreie Dividende behandelt.1 Schließlich besteht in einigen Staaten2 ein Wahlrecht, sich entweder nach dem Trennungs- oder nach dem Transparenzprinzip besteuern zu lassen.

II. Qualifikation der ausländischen Gesellschaft nach deutschem Recht (Steuersubjektqualifikation) 6.12 Für Zwecke der Besteuerung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft ist

zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft aus der Sicht des deutschen Steuerrechts eine Mitunternehmerschaft oder eine Körperschaft darstellt. Ausgehend von dieser steuerlichen Einordnung sind dann – unabhängig von der Behandlung der Gesellschaft im Ausland als steuerlich transparentes oder intransparentes Rechtsgebilde – die steuerlichen Konsequenzen im Inland zu ziehen. Diese Steuersubjektqualifikation ist somit maßgeblich für die Besteuerung des inländischen Gesellschafters. Im Falle einer steuerlichen Einordnung der ausländischen Gesellschaft als Mitunternehmerschaft findet das Transparenzprinzip Anwendung, d.h., es gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen des deutschen Steuerrechts wie für inländische Personengesellschaften. Bei einer Qualifikation als Kapitalgesellschaft stellt diese hingegen gemäß dem dann anzuwendenden Trennungsprinzip ein eigenständiges Steuersubjekt dar.3

6.13 Die Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes, also die Einordnung als transparente Per-

sonen- oder intransparente Kapitalgesellschaft, ist durch den sogenannten Rechtstypenvergleich vorzunehmen. Nach diesem erstmals vom Reichsfinanzhof4 entwickelten Verfahren, das seitdem vom Bundesfinanzhof in ständiger Rspr. weiterentwickelt und verfeinert wurde,5 ist darauf abzustellen, ob das ausländische Rechtsgebilde in seinem rechtlichen Aufbau und seiner Struktur im Rahmen einer Gesamtwürdigung eher einer deutschen Kapitalgesellschaft oder einer deutschen Personengesellschaft entspricht.6 Es ist also das ausländische Gesellschaftsrecht mit dem deutschen Gesellschaftsrecht zu vergleichen. Die Steuersubjektqualifikation ist eine Frage des originär innerstaatlichen Steuerrechts; abkommensrechtliche Überlegungen sind daher an dieser Stelle nicht anzustellen.7 Auch die gesellschafts- und steuerrechtliche Einordnung der Gesellschaft in ihrem Heimatstaat (Rz. 6.8 ff.) ist für deren Steuersubjektqualifikation für Zwecke der deutschen Besteuerung nicht von Bedeutung.

6.14 Der zur rechtlichen Einordnung des ausländischen Rechtsgebildes durchzuführende Rechtstypenvergleich erfolgt zweistufig:8 1 2 3 4 5

Vgl. Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 (49). Z.B. Frankreich und die USA. Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 1 ff.; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, § 8 Rz. 548 f. RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 73. BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 23.6. 1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 16.12.1992, BStBl. 1993, 399; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521. 6 Die Literatur stimmt dem mittlerweile einhellig zu. Zum früheren Meinungsstreit vgl. Graffe in D/J/P/W, § 1 KStG Rz. 81 ff. 7 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2133; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.10. 8 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 393 f.; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.12.

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B. Besteuerung ausl. Personengesellschaften und ihrer inl. Gesellschafter | Rz. 6.15 Kap. 6

– Auf der ersten Stufe ist die ausländische Gesellschaft auf Grundlage des ausländischen Rechts zu würdigen und es sind die für einen Vergleich mit inländischen Gesellschaften relevanten Strukturmerkmale zu ermitteln. Als Grundlage gilt dafür i.d.R. der gesetzliche Idealtypus der ausländischen Gesellschaft nach ausländischem Recht.1 Lediglich soweit es einen solchen Idealtypus nicht gibt – etwa weil das ausländische Gesellschaftsrecht bei der Ausgestaltung der rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft einen weitreichenden Gestaltungsspielraum einräumt – ist auf die konkrete Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse im betreffenden Einzelfall abzustellen.2 Dieses Verständnis wird auch von der Finanzverwaltung im BMF-Schr. zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften vom 26.9.20143 geteilt.4 – Auf einer zweiten Stufe ist festzustellen, welcher inländischen Organisationsform die ausländische Gesellschaft gleicht (konkreter Typenvergleich). Kann eine direkt vergleichbare deutsche Gesellschaftsform nicht gefunden werden, ist weiter zu fragen, ob die ausländische Gesellschaft ihrem Wesen nach mehr Gemeinsamkeiten mit dem abstrakten Typus der deutschen Kapitalgesellschaft hat oder grundsätzlich eher einer deutschen Personalgesellschaft typische Merkmale aufweist (abstrakter Typenvergleich). Die Rspr. hat eine Reihe von gesellschaftsrechtlichen Merkmalen herausgearbeitet, anhand derer im Rahmen des abstrakten Typenvergleichs die Qualifikation des ausländischen Rechtsgebildes zu erfolgen hat.5 Die Finanzverwaltung hat diese Kriterien im sog. LLC-Erlass6 zusammengefasst.7 Dieses BMF-Schr. befasst sich zwar ausschließlich mit der Qualifikation von Gesellschaften in der Rechtsform einer LLC, die dort aufgelisteten gesellschaftsrechtlichen Merkmale sind jedoch auch bei der Qualifikation anderer ausländischer Rechtsgebilde heranzuziehen.8 Für eine Einordnung als Kapitalgesellschaft sprechen demnach: – eine zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung, d.h., es sind nicht alle Gesellschafter befugt, die Geschäfte der Gesellschaft zu führen und diese im Rechtsverkehr zu vertreten; – eine auf das Gesellschaftsvermögen beschränkte Haftung; 1 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; BMF v. 1.12.1980 – IV B 7 - S 2741 - 20/80, DB 1981, 139; zustimmend Siegers in D/J/P/W, § 2 KStG Rz. 8; Engert in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 8 Rz. 29; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.17 f.; a.A. (Berücksichtigung gesellschaftsvertraglich vereinbarter Abweichungen vom Idealtypus) Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 71; Hey in FS Debatin, 121 (138); Henke/Lang, IStR 2001, 514 (516); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (453). 2 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 441 (412) für die US-LLC; wohl weitergehend: OFD Frankfurt am Main v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 - St 213, IStR 2016, 860, die ganz allgemein auch die getroffenen Vereinbarungen miteinbeziehen möchte. 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2. 4 Überzeugend: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.17 f. 5 Grundlegend: RFH v. 18.12.1930 – VI A 899/30, RStBl. 1931, 200; ebenso BFH v. 6.11.1980 – IV R 182/7, BStBl. II 1981, 220; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123; BMF v. 16.12.1993 – IV C 5 - S 1301 Gri - 18/93, BStBl. I 1994, 3; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (413) zur US LLC; OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008, RIW 2009, 96; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314; Schild/Abele in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1735 (1740); Schnittker, StuW 2004, 39 ff.; ausführlich zu den einzelnen Merkmalen: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.21 ff. 6 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 7 Der BFH hat dem BMF in einem Urteil bescheinigt, die von der Rspr. herausgearbeiteten Kriterien im LLC-Erlass zutreffend wiedergegeben zu haben. Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123. Zu den Kriterien im Einzelnen: Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618 ff. 8 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258; OFD Frankfurt am Main v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 - St 213, IStR 2016, 860, Rz. 1.2; Kahle, StuB 2005, 666 (668); Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481 (481).

Schänzle/Engel | 769

6.15

Kap. 6 Rz. 6.16 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften – die freie Übertragbarkeit der Anteile; – eine Gewinnzuteilung durch Ausschüttungsbeschluss, d.h., der einzelne Gesellschafter kann über seinen Gewinnanteil erst nach der Abfassung eines von der Gesellschafterversammlung getroffenen Ausschüttungsbeschlusses verfügen; – das Erfordernis der Kapitalaufbringung, d.h., es besteht eine Verpflichtung der Gesellschafter, das Gesellschaftskapital durch Einlage aufzubringen; – die unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft, d.h., die Gesellschaft bleibt im Falle des Austritts, des Todes oder der Insolvenz eines Gesellschafters bestehen; – die Gewinnverteilung nach Maßgabe der Beteiligungshöhe; – das Bestehen formaler Gründungsvoraussetzungen.

6.16 Nach dem LLC-Erlass soll der Typenvergleich primär durch eine Würdigung des „Gesamtbildes“

der ausländischen Gesellschaft vorzunehmen sein („Gesamtbild-Test“1). Dabei müsse eine Gewichtung der oben genannten Kriterien erfolgen, wobei keinem Merkmal eine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne.2 Die Finanzverwaltung führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass das Kriterium der unbegrenzten Lebensdauer der Gesellschaft nur noch sehr eingeschränkt herangezogen werden kann, seit Kündigung, Tod oder Insolvenz eines Gesellschafters auch bei Personenhandelsgesellschaften nicht mehr zwingend die Auflösung der Gesellschaft zur Folge haben (§ 131 HGB). Führt dieser Gesamtbild-Test zu keinem eindeutigen Ergebnis, sei die ausländische Gesellschaft als Kapitalgesellschaft einzustufen, wenn sie mindestens drei der ersten fünf in Rz. 6.15 genannten Merkmale aufweist („Merkmalsmehrheit-Test“3).4

6.17 Auf Basis der Rspr. und des LLC-Erlasses können letztlich folgende Merkmale genannt werden, die für die Einordnung als Personengesellschaft sprechen:

– eine personalisierte Struktur der Gesellschaft, d.h., sämtliche Gesellschafter führen selbst (gemeinschaftlich) die Geschäfte der Gesellschaft und sind allein vertretungsberechtigt. Sind hingegen nur einzelne Gesellschafter zur Geschäftsführung befugt, ist zu unterscheiden, ob diese Einschränkung auf gesetzlichen Regelungen oder vertraglicher Grundlage beruht. Eine Fremdgeschäftsführung zumindest auch durch einen Nicht-Gesellschafter spricht hingegen grundsätzlich für eine Kapitalgesellschaft; – unbeschränkte Haftung mindestens eines Gesellschafters aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen; – keine freie Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile, d.h., die Übertragung erfordert die Zustimmung der übrigen Gesellschafter. Da jedoch auch bei Aktiengesellschaften oder GmbHs die Übertragbarkeit der Anteile nicht selten eingeschränkt ist, hat dieses Merkmal nur eine geringe Bedeutung; – keine Mindesteinlageverpflichtung bei der Kapitalaufbringung; andererseits ist auch bei Personengesellschaften die Vereinbarung einer Kapitaleinlage nicht unüblich, so dass diesem Merkmal kein allzu hohes Gewicht beizumessen ist. Keine eindeutige Einordnung ermöglichen dagegen u.E. die im LLC-Erlass angeführten Kriterien der Gewinnverteilung und -zuteilung. Denn in der Praxis erfolgt nicht nur bei Kapitalgesellschaften, sondern regelmäßig ebenso bei Personengesellschaften eine Verteilung des Gewinns nach der 1 Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.46; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618 (627). 2 Zur Bedeutung der einzelnen Merkmale: Altendorf in H/H/R, § 1 KStG Anm. 27; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314 ff. 3 Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.51. 4 Vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (unter V.).

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B. Besteuerung ausl. Personengesellschaften und ihrer inl. Gesellschafter | Rz. 6.19 Kap. 6

Beteiligungshöhe; umgekehrt kann auch bei Kapitalgesellschaften eine disquotale Gewinnverteilung erreicht werden.1 Ferner wird in den Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften häufig das Recht des einzelnen Gesellschafters zur Entnahme des Gewinns von einem Beschluss der Gesellschafter abhängig gemacht und damit die Gewinnzuteilung an die Rechtslage bei Kapitalgesellschaften angeglichen. Schließlich kommt u.E. den formalen Voraussetzungen für die Gründung der ausländischen Gesellschaft (bspw. die Notwendigkeit einer Registereintragung) keine besondere Aussagekraft zu.2 Die Finanzverwaltung hat in den Tabellen 1 und 2 im Anhang zum sog. Betriebsstättenerlass bereits eine Einordnung zahlreicher ausländischer Gesellschaftsformen vorgenommen.3 Ferner hat die OECD Übersichten zur steuerlichen Behandlung einzelner Gesellschaftsformen in den Mitgliedstaaten veröffentlicht.4 Die MTR5 enthält zudem in ihrem Anhang eine Auflistung sämtlicher Gesellschaften, zwischen denen die EU-Mitgliedstaaten Gewinnausschüttungen steuerfrei stellen müssen. Dabei handelt es sich um die Rechtsgebilde, die in ihrem Heimatstaat Körperschaftsteuersubjekte darstellen. Im Schrifttum wird teilweise vertreten, die dort aufgeführten Gesellschaften seien in den einzelnen Mitgliedstaaten verbindlich als Kapitalgesellschaften zu qualifizieren.6 Diese Autoren übersehen aber, dass es sich bei der Tabelle im Anhang zur MTR nicht um eine Auflistung von Kapitalgesellschaften, sondern um einen Katalog europäischer Körperschaftsteuersubjekte handelt. Dieser Unterschied ist entscheidend, weil in einigen europäischen Staaten auch Personengesellschaften der Körperschaftsteuer unterliegen (Rz. 6.10). Deshalb sind in der MTR auch Gesellschaftsformen aufgelistet, die aus deutscher Sicht eindeutig als Personengesellschaften zu qualifizieren sind. Dies betrifft bspw. die niederländische Commanditaire Vernootshap (CV), die laut Betriebsstättenerlass mit einer KG vergleichbar ist.7 Auch belgische Personengesellschaften in der Rechtsform der société en nom collectif/vennootschap onder firma8 sowie der société en commandite simple/gewone commanditaire vennootschap9 qualifizieren als Gesellschaften i.S.d. MTR. Die im Anhang der MTR aufgeführten Gesellschaften sind deshalb nicht bereits aus europarechtlichen Gründen zwingend als Kapitalgesellschaften bzw. Körperschaftsteuersubjekte zu qualifizieren. Dies ergibt sich auch aus Art. 4 Abs. 1a Satz 1 MTR, wonach die Richtlinie einer transparenten Besteuerung ausländischer Gesellschaften nicht entgegensteht.

6.18

Insbesondere im angelsächsischen Rechtskreis können die Rechtsverhältnisse bestimmter Gesellschaftsformen in hohem Maß durch gesellschaftsvertragliche Regelungen bestimmt werden. In solchen Fällen fehlt es an einem gesetzlichen Idealtypus der Gesellschaft, weshalb im Rahmen des Rechtstypenvergleichs auf die konkrete Ausgestaltung der gesellschaftsvertraglichen Verhältnisse abzustellen ist (Rz. 6.14).10 Daraus ergibt sich, dass eine schlichte Änderung des Gesellschaftsvertrags zu einer abweichenden steuerlichen Qualifikation der Gesellschaft und damit zu einer Art „faktischem Formwechsel“ führen kann.

6.19

1 Überzeugend: Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.40 ff. 2 Vgl. Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.43. 3 Vgl. insbesondere die Übersichten in Tabelle 1 und Tabelle 2 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 4 Vgl. OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation No. 6, 1999, Annex III. 5 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. EG Nr. L 345, 8. 6 Vgl. Hey, DK 2004, 577 (582); Aigner/Kofler, IStR 2003, 570 (582). 7 Vgl. Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 8 Der Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 zu Folge vergleichbar mit einer OHG deutschen Rechts. 9 Der Tabelle 1 im Anhang zu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 130 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 zu Folge entspricht diese Rechtsform im Wesentlichen einer KG deutschen Rechts. 10 BMF v. 19.3.2004 – IV B - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 441 (412) für die US-LLC.

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Kap. 6 Rz. 6.20 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.20 Beispiel 1: Steuerinländer D ist Gründungsgesellschafter der US-amerikanischen X-LLC. Bislang wurde

die X-LLC nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft qualifiziert. Eine Änderung des Gesellschaftsvertrags führt dazu, dass die X-LLC nunmehr steuerlich als Personengesellschaft einzuordnen ist.

6.21 Es stellt sich die Frage, welche steuerlichen Folgen dieser „faktische Formwechsel“ für D hat.

Eine Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften über den Formwechsel (§ 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG) würde im Beispielsfall eine Qualifikation der bloßen Änderung des Gesellschaftsvertrags als einen mit einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft i.S. des § 190 Abs. 1 UmwG vergleichbaren ausländischen Vorgang voraussetzen. Da dies u.E. zu verneinen ist, ist weiter fraglich, ob im Beispielsfall ein Realisationstatbestand vorliegt. Denkbar wäre die Qualifikation der Änderung des Gesellschaftsvertrags als Veräußerung (§ 17 Abs. 1 EStG) oder als Auflösung (§ 17 Abs. 4 EStG). Aus der bisherigen Rspr. des BFH lässt sich hierzu keine eindeutige Aussage ableiten. Zuletzt käme auch eine Anwendung der Entstrickungsregelungen in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG (im Privatvermögen) bzw. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (im Betriebsvermögen) infrage. So könnte die Tatsache, dass nach der Änderung des Gesellschaftsvertrags aus deutscher Sicht D nicht mehr über einen Kapitalgesellschaftsanteil, sondern über einen Mitunternehmeranteil verfügt, als Ausschluss des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Kapitalgesellschaftsanteils zu verstehen sein.1

III. Qualifikationskonflikte bei ausländischen Personengesellschaften 6.22 Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Personengesellschaft und gehen die betei-

ligten Staaten bei der Besteuerung von Personengesellschaften von unterschiedlichen Konzepten aus, kann dies zu Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikten2 führen. Dies kann eine Doppelbesteuerung, aber auch eine „Keinmalbesteuerung“ oder „doppelte Nichtbesteuerung“ zur Folge haben. Auf solche Konstellationen wird im Zusammenhang mit der laufenden Besteuerung sowie der Veräußerungsgewinnbesteuerung noch im Einzelnen eingegangen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den verschiedenen Regelungen in den DBA sowie im innerstaatlichen Recht, wodurch insbesondere die Keinmalbesteuerung von Einkünften vermieden werden soll (Rz. 6.88 ff.).

C. Laufende Besteuerung inländischer Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft I. Besteuerung im Nicht-DBA-Fall 1. Besteuerung laufender Einkünfte bei einheitlicher Steuersubjektqualifikation

6.23 Ist die ausländische Personengesellschaft für Zwecke des deutschen Steuerrechts als Mitunterneh-

merschaft anzusehen, gilt aus deutscher Sicht das Transparenzprinzip. Für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer werden die Einkünfte zwar auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt, die Gesellschaft ist jedoch – anders als bspw. im Rahmen der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) oder der Umsatzsteuer – selbst nicht steuerpflichtig. Die anteiligen Gewinne unterliegen vielmehr bei den Gesellschaftern der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Sind diese im Inland ansässig, so unterliegen sie mit sämtlichen Einkünften aus der Auslandspersonengesellschaft der unbeschränkten Steuerpflicht. Zu den im Inland steuerpflichtigen Einkünften gehören neben dem Gewinnanteil aus der ausländischen Personengesellschaft auch die an die Gesellschafter gezahlten Miet- und Pachtzinsen, Darlehenszinsen sowie Tätigkeitsvergütungen. Bei gewerblich tätigen (bzw. gewerblich geprägten oder infizierten) Personengesellschaften handelt es sich insoweit um Sondervergütungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG.

1 Vgl. zu alledem Schönfeld, IStR 2011, 497 (502 f.). 2 Hinsichtlich der grundsätzlichen Begriffsbestimmungen sei auf Rz. 1.166 ff. zu den Qualifikationskonflikten verwiesen.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.29 Kap. 6

Behandelt der Ansässigkeitsstaat die ausländische Personengesellschaft ebenfalls transparent, werden ihre in Deutschland ansässigen Gesellschafter mit ihren anteiligen Einkünften dort der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Die im Ausland gezahlte Steuer kann entweder gemäß § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder gemäß § 34c Abs. 2 und Abs. 3 EStG bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Handelt es sich bei dem inländischen Gesellschafter um eine Körperschaft, finden die Anrechnungs- sowie die Abzugsmethode gem. § 26 Abs. 1 KStG bzw. über die Verweisung in § 26 Abs. 6 KStG ebenfalls Anwendung.1 Fraglich ist jedoch, ob eine Steueranrechnung (bzw. ein Steuerabzug) auch dann erfolgen kann, wenn die ausländische Steuer auf nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierende Einkünfte entfällt.

6.24

Beispiel 2: Der in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an einer Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. D gewährt der P ein Darlehen, für das er Zinsen erhält. Die von der Personengesellschaft an D gezahlten Zinsen lässt der Staat P – im Unterschied zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – zum Abzug zu, erhebt jedoch zugleich auf die Zinszahlungen eine Quellensteuer.

6.25

Aus Sicht des Staates P unterliegen die Zinseinkünfte des D dort der beschränkten Steuerpflicht. Die Besteuerung erfolgt durch einen Steuerabzug an der Quelle. Nach deutschem Verständnis gehören die Zinseinnahmen des D als Sondervergütungen zu den gewerblichen Einkünften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und unterliegen der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht. Da nach h.M. im Rahmen von § 34d EStG ebenso wie im Rahmen von § 49 EStG eine isolierende Betrachtungsweise anzuwenden ist2 und mithin inländische Besteuerungsmerkmale, die die Annahme ausländischer Einkünfte ausschließen würden, außer Betracht bleiben, handelt es sich bei den von der Personengesellschaft P ausgezahlten Zinsen um ausländische Einkünfte i.S. von § 34d Abs. 1 Nr. 6 EStG. Da die ausländische Quellensteuer auch im Übrigen der deutschen Einkommensteuer entspricht und auch in beiden Fällen D steuerpflichtig ist, ist eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer nach § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer des D möglich.3

6.26

Eine Anrechnung sollte auch dann möglich sein, wenn die Sondervergütungen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum bezogen werden. Beispiel 3 (Abwandlung von Beispiel 2): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 2. D vermietet der Personengesellschaft P ein im Ausland belegenes Betriebsgrundstück. Der Mietzins für das Jahr 01 wird von der Personengesellschaft P erst zu Beginn des Jahres 02 gezahlt und unterliegt auch erst zu diesem Zeitpunkt der beschränkten Steuerpflicht in Staat P.

6.27

Auch wenn die Mieteinkünfte nach deutschem Verständnis zu den gewerblichen Einkünften des Jahres 01 gehören, kann die im Jahr 02 anfallende ausländische Steuer gleichwohl nach § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuer des Jahres 01 angerechnet werden, da sich die ausländische Steuer – nach deutschem Verständnis – auf Einkünfte aus dem Jahr 01 bezieht. § 34c EStG verlangt also keine zeitliche Identität zwischen den Veranlagungszeiträumen.4 Allerdings setzt die Anrechnung voraus, dass die Steuer in Staat P bereits erhoben und gezahlt wurde.

6.28

Kommt im Ausland das Transparenzprinzip zur Anwendung, entsteht im Rahmen des Gewinntransfers grundsätzlich keine weitere steuerliche Belastung. Denn der Transfer von Gewinnen einer transparent besteuerten Personengesellschaft zu ihrem Gesellschafter wird in diesem Fall im

6.29

1 Ausführlich zur Steueranrechnung bzw. zum Steuerabzug nach § 34c EStG vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 18.49 ff. 2 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Gosch in Kirchhof, § 34d EStG Rz. 2; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 514. 3 Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.40; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 515; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35. 4 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 138.

Schänzle/Engel | 773

Kap. 6 Rz. 6.30 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Sitzstaat der Gesellschaft regelmäßig ebenso wie nach deutschem Steuerrecht als nicht steuerbare Entnahme behandelt. 2. Besteuerung laufender Einkünfte bei abweichender Steuersubjektqualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat

6.30 Besteuert der Ansässigkeitsstaat die aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft zu qualifizie-

rende Gesellschaft nach dem Trennungsprinzip, ist diese im Allgemeinen im Ausland als eigenes Steuersubjekt unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Aufgrund des dabei regelmäßig zur Anwendung kommenden Welteinkommensprinzips werden sämtliche Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft in deren Heimatstaat der Körperschaftsteuer unterliegen. Auf die inländische Besteuerung hat die abweichende steuerliche Behandlung im Ausland zunächst keinen Einfluss. Die in Rz. 6.23 angesprochenen, allgemeinen Grundsätze der Personengesellschaftsbesteuerung finden also auch bei einer intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat Anwendung (keine subjektive Qualifikationsverkettung)1.

6.31 Unterschiede zu der Konstellation einer übereinstimmenden steuerlichen Behandlung im Sitzstaat könnten sich jedoch in Bezug auf die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergeben. Hier stellt sich die Frage, ob im Falle einer intransparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft eine Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer auf die inländische Steuer des Mitunternehmers infrage kommt. Da in diesem Fall die ausländische Steuer nicht vom inländischen Gesellschafter, sondern von der ausländischen Gesellschaft selbst erhoben wird, ist fraglich, ob die von § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 KStG geforderte Steuersubjektidentität erfüllt ist. Die ganz h.M. im Schrifttum2 geht jedoch ebenso wie die Finanzverwaltung3 auch in dieser Konstellation von einer Anrechenbarkeit der ausländischen Steuer aus. Deutschland behandelt somit die von der ausländischen Personengesellschaft erhobene Steuer als anteilige Steuer des Mitunternehmers.4 Ebenso wie im Falle einer transparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat kann auch bei einer intransparenten Besteuerung auf Antrag des Steuerpflichtigen anstelle der Anrechnung ein Abzug der ausländischen Steuer von der Bemessungsgrundlage gemäß § 34c Abs. 2 EStG erfolgen.

6.32 Behandelt der Sitzstaat die ausländische Personengesellschaft steuerlich intransparent, hat dies re-

gelmäßig zur Folge, dass der Gewinntransfer beim Gesellschafter einer Ausschüttungsbesteuerung unterworfen wird. Der inländische Gesellschafter wird folglich in diesem Fall im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft mit der Gewinnauskehrung der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Eine Veranlagung findet dabei üblicherweise nicht statt. Die Steuer wird vielmehr regelmäßig durch den Abzug einer (abgeltenden) Quellensteuer auf die Gewinnauskehrung erhoben. Handelt es sich bei dem inländischen Gesellschafter um eine Kapitalgesellschaft, kommt innerhalb der EU eine Quellensteuerbefreiung aufgrund der MTR in Betracht. Denn die aus deutscher Sicht als Personengesellschaft zu qualifizierenden Gesellschaften anderer EU-Mitgliedstaaten, die in ihrem Sitzstaat nach dem Trennungsprinzip besteuert werden, sind überwiegend in der Tabelle im Anhang der MTR enthalten und damit vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst.5 1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 2 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.38; Hartmann, Steuergestaltung durch Verwenden hybrider Gesellschaften, 1999, 168; Debatin, DB 1977, Beilage Nr. 13 zu Heft 39, 1 (3); Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 114. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 4 Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 130. 5 Ausnahmen bildeten bislang die tschechische „Kommanditni Spolecnost“ sowie die slowakische „Komanditná Spolocnost“. Letztere Gesellschaft ist in der Neufassung der MTR nun im Anhang genannt.

774 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.35 Kap. 6

Hinsichtlich der Anrechnung einer solchen Quellensteuer auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer besteht die Problematik, dass es sich aus deutscher Sicht bei dem Gewinntransfer um eine nicht steuerbare Entnahme des Gesellschafters handelt. Das Schrifttum lehnt daher teilweise die Anrechenbarkeit einer solchen Quellensteuer mit dem Argument ab, diese entfalle nicht auf im Inland steuerbare Einkünfte.1 Die Finanzverwaltung vertritt im Zusammenhang mit der DBA-Anrechnung dieselbe Auffassung.2 Unseres Erachtens sollte grundsätzlich auch eine solche Quellensteuer auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer möglich sein. Denn die im Ausland beim Gewinntransfer erhobene Quellensteuer entfällt aus deutscher Sicht nicht auf eine Dividende, sondern ist vielmehr in eine Steuer auf den Gewinnanteil des Gesellschafters umzudeuten.3 b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft Wird die ausländische Grundeinheit in ihrem Sitzstaat als steuerlich transparente Personengesellschaft qualifiziert, ist sie jedoch aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Struktur mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar, wird der inländische Gesellschafter für Zwecke der deutschen Besteuerung als Anteilseigner einer ausländischen Körperschaft angesehen, die steuerliche Abschirmwirkung entfaltet. Der Gesellschafter unterliegt deshalb im Inland grundsätzlich nur mit den ihm i.S. einer Gewinnausschüttung zufließenden Erträgen aus der ausländischen Gesellschaft sowie mit sämtlichen Einkünften aus Lieferungen oder Leistungen an die Gesellschaft der Besteuerung. Nicht ausgeschüttete Gewinne werden hingegen in Deutschland grundsätzlich steuerlich nicht erfasst.

6.33

3. Besteuerung im Verlustfall a) Welteinkommensprinzip Für Verluste der ausländischen Personengesellschaft gilt im Grundsatz dasselbe wie für Gewinne. Diese werden also beim inländischen Mitunternehmer aufgrund des Welteinkommensprinzips4 in die Bemessungsgrundlage der inländischen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer einbezogen.5 Bei der Gewerbesteuer erfolgt regelmäßig dagegen keine Berücksichtigung der Verluste der ausländischen Personengesellschaft, da die ausländische Gesellschaft selbst im Regelfall nicht der Gewerbesteuer unterliegt6 und bei ihren Gesellschaftern die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Abzug gebrachten Verlustanteile dem steuerlichen Gewinn gem. § 8 Nr. 8 GewStG wieder hinzugerechnet werden.7

6.34

b) Begrenzung nach § 15a EStG Die Vorschrift des § 15a EStG sieht unter bestimmten Voraussetzungen für Verluste, die einem nur beschränkt haftenden Gesellschafter zugerechnet werden, eine Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung vor. Grundgedanke dieser Regelung bildet die Vorstellung, ein beschränkt haften1 Vgl. z.B. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. N 312; Pyszka/Brauer, Ausländische Personengesellschaften, Rz. 35. 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 3 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.39; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35. 4 Zur Geltung des Welteinkommensprinzips für Auslandsverluste: BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659. 5 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.1. 6 Eine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft besteht nur, wenn diese im Inland eine Betriebsstätte betreibt (§ 2 Abs. 1 GewStG). 7 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.42 m.w.N.

Schänzle/Engel | 775

6.35

Kap. 6 Rz. 6.36 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften der Gesellschafter werde nur insoweit durch Verluste wirtschaftlich belastet, als dadurch seine Einlage oder ihm bereits gutgeschriebene Gewinne aus Vorjahren gemindert werden oder er gegenüber den Gesellschaftsgläubigern für die Verluste der Gesellschaft haftet.1 Daher sollen die ihm zuzurechnenden Verluste auch nur in diesen Fällen zum Abzug oder Ausgleich mit anderen Einkünften zur Verfügung stehen. Führt ein negatives Ergebnis der Gesellschaft dagegen weder zu einem Verlust der Einlage noch zu einer Minderung stehen gelassener Gewinne und entsteht insoweit auch keine Außenhaftung des Gesellschafters, fehlt es an einer wirtschaftlichen Belastung desselben. In diesem Fall sollen die Verluste nicht zum Ausgleich oder Abzug mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen genutzt werden können. In § 15a EStG ist geregelt, dass solche, vom Gesetz als verrechenbare Verluste bezeichneten, negativen Einkünfte nur mit künftigen Gewinnen aus derselben Mitunternehmerschaft verrechnet werden können. § 15a EStG geht zwar von einem Kommanditisten als typischem Anwendungsfall eines beschränkt haftenden Gesellschafters aus, die Norm ist jedoch gem. § 15a Abs. 5 Nr. 3 EStG u.a. auch auf Gesellschafter einer ausländischen Personengesellschaft anzuwenden, wenn entweder die Haftung des Gesellschafters der eines Kommanditisten oder eines stillen Gesellschafters entspricht oder die Inanspruchnahme des Gesellschafters für betriebliche Schulden durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist.

6.36 Die Vergleichbarkeit der Außenhaftung des Gesellschafters mit der eines Kommanditisten oder

eines atypisch stillen Gesellschafters ist durch einen Vergleich des Haftungsregimes der ausländischen Gesellschaftsform mit dem Haftungsstatut der KG bzw. dem einer atypisch stillen Gesellschaft festzustellen. Andere Strukturmerkmale der ausländischen Gesellschaftsform sind dabei nicht zu berücksichtigen.2 Als wesentliche Merkmale der Kommanditistenhaftung sind die grundsätzliche Beschränkung der Außenhaftung auf die im Handelsregister eingetragene Einlage sowie die Möglichkeit der Befreiung von dieser Haftung durch die Leistung der Einlage in das Gesellschaftsvermögen zu nennen.3 Für den atypisch still Beteiligten stellt der umfassende Haftungsschutz im Außenverhältnis das maßgebliche Vergleichsmerkmal dar.4 Die Kriterien des vertraglichen Ausschlusses der Haftung der Gesellschafter für betriebliche Schulden und der Unwahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zielen eher auf ausländische Publikumspersonengesellschaften ab. Sie sollen hier nicht näher beleuchtet werden. Ist die ausländische Gesellschaftsform in Bezug auf ihr Haftungsstatut einer KG vergleichbar, führt eine sich aus einem ausländischen Register ergebende, überschießende Außenhaftung nicht zu ausgleichs- bzw. abzugsfähigen Verlusten, weil § 15a Abs. 5 EStG nicht auf § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG verweist.5 Im Verhältnis zu Personengesellschaften anderer EU-Mitgliedstaaten begegnet diese Rechtslage europarechtlichen Bedenken.6 c) Begrenzung nach § 2a EStG

6.37 Die Vorschrift des § 2a EStG sieht speziell für negative Auslandseinkünfte Beschränkungen des Verlustabzugs und -ausgleichs vor. Verluste aus EU/EWR-Mitgliedstaaten wurden durch das JStG 20097 aus europarechtlichen Gründen von dieser Regelung ausgenommen. Seitdem richtet

1 Vgl. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 9. 2 Vgl. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 187. 3 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.30. 4 Vgl. Schnittker/Bank, 2008, 128; Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, 60. 5 Vgl. FG Düsseldorf v. 3.11.2003 – 7 K 6498/99 F, DStRE 2004, 460 (rkr.); Wacker in Schmidt35, § 15a EStG Rz. 157; Heuermann in Blümich, § 15a EStG Rz. 138; Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.32; a.A. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 187. 6 Vgl. Mitschke, FR 2008, 165 (169 f.); Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 187. 7 BGBl. I 2008, 2794.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.42 Kap. 6

sich § 2a EStG letztlich nur gegen bestimmte Verluste und Gewinnminderungen aus Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU/EWR sind (sog. „Drittstaaten“). Bei negativen Einkünften aus ausländischen Personengesellschaften ist § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in den Blick zu nehmen. Danach können Verluste aus einer Drittstaaten-Betriebsstätte nur mit positiven Einkünften aus einer in demselben Staat belegenen Betriebsstätte ausgeglichen werden. Dieselben Beschränkungen gelten gem. § 2a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 3 f. EStG für den Verlustabzug.1 Erbringt der Steuerpflichtige jedoch den Nachweis, dass die negativen Betriebsstätteneinkünfte aus bestimmten in dieser Vorschrift aufgezählten „aktiven“ Tätigkeiten stammen, greifen die dargestellten Beschränkungen nicht (§ 2a Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Ergebnis beschränkt die Vorschrift nur für „passive Verluste“ aus Drittstaaten-Betriebsstätten den Verlustausgleich und Verlustabzug. Da dem inländischen Gesellschafter aufgrund des Transparenzprinzips die Betriebsstätten der ausländischen Personengesellschaft und damit auch die dort erzielten Einkünfte (anteilig) zugerechnet werden, ist § 2a EStG auch bei Verlusten ausländischer Personengesellschaften zu beachten. Die Vorschrift ist immer dann zu prüfen, wenn einem inländischen Gesellschafter über die ausländische Personengesellschaft Verluste aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat zugerechnet werden.2 4. Gewerbesteuerliche Behandlung Gewinne einer aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Mitunternehmerschaft zu qualifizierenden ausländischen Personengesellschaft unterliegen auf Ebene der Gesellschaft nur dann der Gewerbesteuer, wenn die Personengesellschaft selbst im Inland einen Gewerbebetrieb betreibt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dies ist nur der Fall, soweit die Auslandsgesellschaft im Inland eine Betriebsstätte unterhält (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Regelmäßig wird daher keine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft bestehen.

6.38

Auf Ebene des inländischen Gesellschafters kommt es ebenfalls zu keiner Belastung des Gewinnanteils mit Gewerbesteuer. Gehören die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft zum Betriebsvermögen eines inländischen Gewerbebetriebs, geht der Gewinnanteil der Auslandsgesellschaft zwar in den steuerlichen Gewinn ein. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags erfolgt jedoch gem. § 9 Nr. 2 GewStG eine gewerbesteuerliche Kürzung um den Anteil am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft.3

6.39

5. Drittstaateneinkünfte Erzielt die ausländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, können diese – insbesondere bei einer intransparenten Besteuerung der Auslandsgesellschaft – zugleich im Drittstaat, im Inland und im Sitzstaat der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegen. Für solche Dreieckssachverhalte stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachbesteuerung vermieden werden kann.

6.40

Beispiel 4: Der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividendeneinnahmen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat Q.

6.41

Aus deutscher Sicht ist zunächst darüber zu befinden, ob die Dividenden einer Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen sind, welche die Personengesellschaft dem D aufgrund des Transparenzprinzips vermittelt. Ist eine Zuordenbarkeit der Dividendeneinkünfte zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben, kann die in Staat P gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden, da es sich dann bei den Dividenden um ausländische Einkünfte i.S. des § 34d Nr. 2 Buchst. a Halbs. 1

6.42

1 Vgl. Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.8. 2 Zur Wirkung des § 2a EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts siehe Rz. 2.493 f. 3 Im Verlustfall erfolgt korrespondierend hierzu gem. § 8 Nr. 8 GewStG eine Hinzurechnung des Verlustanteils (siehe Rz. 6.34).

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Kap. 6 Rz. 6.43 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften EStG handelt. Staat P ist folglich in diesem Fall der Herkunftsstaat der Einkünfte, also der Staat aus dem die Dividenden i.S. des § 34d EStG „stammen“. Die im Staat Q erhobene Steuer soll dagegen nach h.M. im Schrifttum nicht im Wege der Anrechnung, sondern allein durch Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG berücksichtigt werden können. Begründet wird dies damit, dass Einkünfte nur aus einem Staat stammen können. Bei den über eine Betriebsstätte erzielten Einkünften ist dies der Betriebsstättenstaat.1 Nach u.E. zutreffender Auffassung von Wassermeyer und Lüdicke soll hingegen in der dem Beispiel zugrunde liegenden Konstellation auch eine Anrechnung der im Staat Q erhobenen Steuer möglich sein. Nach Ansicht der Autoren können Einkünfte auch aus mehreren Staaten gleichzeitig stammen. Im Beispielsfall ist folglich, soweit es um die Anrechnung der in Staat P erhobenen Steuer geht, Staat P als Herkunftsstaat der Dividenden anzusehen. Zugleich gilt Staat Q für Zwecke der Anrechnung der Steuer des Staates Q als Herkunftsstaat der Einkünfte.2 Ob die Finanzverwaltung dieser Sichtweise folgt, ist nicht ganz eindeutig. Für die DBA geht die Finanzverwaltung offenbar davon aus, dass in einer solchen Konstellation eine Anrechnung erfolgen kann (siehe zum DBA-Fall, Beispiel 27 in Rz. 6.165).3

6.43 Sind die Dividendeneinkünfte keiner dem inländischen Mitunternehmer durch seine Beteiligung

vermittelnden Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P zuzuordnen, scheidet eine Anrechnung der in Staat P erhobenen Steuer aus, da der Staat P in diesem Fall nicht als Herkunftsstaat der Dividenden angesehen werden kann. Die in Staat P gezahlte Steuer kann dann nur im Rahmen des Steuerabzugs nach § 34c Abs. 3 EStG berücksichtigt werden. Dafür ist gem. § 34c Abs. 1 i.V.m. § 34d Nr. 6 EStG eine Anrechnung der in Staat Q gezahlten Steuer möglich.

6.44 Beispiel 5: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat Q.

6.45 In Beispiel 5 werden die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Staat Q aufgrund des Betriebsstätten-

prinzips in Staat Q der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Ferner werden sie im Inland bei D im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst. Zudem ist vorstellbar, dass die Einkünfte im Sitzstaat der Personengesellschaft ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Folgt Staat P der deutschen Sichtweise, wonach Einkünfte der Personengesellschaft, die auf eine ausländische Betriebsstätte entfallen, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters nicht steuerbar sind,4 erfolgt in Staat P zwar keine Besteuerung des auf die Betriebsstätte in Staat Q entfallenden Teils des Gesellschaftsgewinns. Behandelt Staat P Personengesellschaften steuerlich intransparent, wird er jedoch regelmäßig auch die der Betriebsstätte in Staat Q zuzuordnenden Gewinne der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen.

6.46 Für die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern ist entscheidend, aus welchem Staat die Einkünfte

aus der Betriebsstätte in Staat Q i.S. des § 34d EStG stammen. Zu § 49 EStG hat der BFH entschieden, dass die Zuordnung von Einkünften zu einer ausländischen Betriebsstätte einer inländischen Personengesellschaft die Zuordenbarkeit dieser Einkünfte zu einer inländischen (Geschäftsleitungs)Betriebsstätte logisch ausschließt. Steuerlich existieren somit keine „Unterbetriebsstätten“.5 Vielmehr stehen sämtliche dem inländischen Gesellschafter durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätten nebeneinander auf der gleichen Stufe. Diese überzeugenden dogmatischen Grundsätze gelten auch für § 34d EStG. Für den Beispielsfall bedeutet dies, dass die Einkünfte gem. § 34c Nr. 2 Buchst. a EStG aus Staat Q stammen und somit nur die in Staat Q erhobene Steuer im Inland angerechnet werden kann. Eine im Sitzstaat der Personengesellschaft erhobene Steuer kann allein im Wege des Steuerabzugs (§ 34c Abs. 3 EStG) berücksichtigt werden. 1 2 3 4

Vgl. etwa Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 10. Vgl. Wassermeyer/Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 146. Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; siehe auch Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.89. 5 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – IR 95/84, BStBl. II 1988, 663.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.51 Kap. 6 Beispiel 6: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im Staat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividenden aus einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinne aus einer im Inland belegenen Betriebsstätte.

6.47

In Beispiel 6 ist ein sog. unechter Dreieckssachverhalt gegeben, wobei Deutschland gleichzeitig als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und als Quellenstaat in Erscheinung tritt. Hinsichtlich der Anrechenbarkeit einer ggf. in Staat P erhobenen Steuer gilt dabei Folgendes: Die auf die Dividenden entfallenden Steuern können im Inland angerechnet werden, wenn die entsprechende Beteiligung einer Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P zuzuordnen ist. Denn im Falle einer solchen Zuordnung ist Staat P gem. § 34d Nr. 2 EStG als Herkunftsstaat der Dividenden anzusehen. Ist die Beteiligung keiner Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen, scheidet mangels ausländischer Einkünfte eine Anrechnung der ausländischen Steuer aus und es kann insoweit lediglich ein Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG erfolgen.

6.48

Entsprechend der im Zusammenhang mit echten Dreieckskonstellationen dargestellten Systematik des „Nebeneinanders“ der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten (keine „Unterbetriebsstätte“, siehe Rz. 6.46) scheidet eine Zuordnung des inländischen Betriebsstättenergebnisses zu einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der Personengesellschaft P in Staat P aus. Aus deutscher Sicht liegen insoweit keine ausländischen Einkünfte i.S. von § 34d EStG vor, weshalb eine im Ausland auf den inländischen Betriebsstättengewinn erhobene Steuer nicht auf die inländische Steuer angerechnet, sondern nur bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann.

II. Besteuerung im DBA-Fall 1. Steuersubjektqualifikation und Abkommensberechtigung Besteht zwischen Deutschland und dem Sitzstaat der Personengesellschaft ein DBA, stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft selbst oder die hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschafter vom persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst sind.

6.49

Das OECD-MA regelt in Art. 1 OECD-MA, dass das Abkommen auf die Einkünfte bzw. das Vermögen von Personen anzuwenden ist, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Der Abkommensschutz bzw. die „Abkommensberechtigung“1 setzt somit grundsätzlich voraus, dass es sich um eine Person i.S. von Art. 3 Abs. 1a OECD-MA handelt und dass diese ihre Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) in zumindest einem der Vertragsstaaten hat.2 Der Begriff der Person umfasst gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA „natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“, wobei als „Gesellschaften“ juristische Personen und solche Rechtsträger zu qualifizieren sind, die wie juristische Personen besteuert werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Intransparent besteuerte Personengesellschaften stellen somit „Gesellschaften“ im abkommensrechtlichen Sinne dar. Steuerlich transparente Personengesellschaften fallen dagegen unter den Begriff der „anderen Personenvereinigungen“.

6.50

Das maßgebliche Kriterium zur Bestimmung der Ansässigkeit einer Person stellt gem. Art. 4 OECD-MA die unbeschränkte Steuerpflicht in dem jeweiligen Staat dar. Natürliche Personen und Kapitalgesellschaften sind damit ansässige Personen im abkommensrechtlichen Sinne und können damit den Schutz des Abkommens für sich beanspruchen. Für die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften gilt, dass diese in einem Vertragsstaat ansässig sind, wenn sie dort selbst – also als eigenes Steuersubjekt – einer nicht nur be1 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 11; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.170. 2 Vgl. hierzu auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.170; Heurung/ Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.3.

Schänzle/Engel | 779

6.51

Kap. 6 Rz. 6.52 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften schränkten Steuerpflicht unterliegen.1 Im Falle einer transparenten Besteuerung scheidet eine Personengesellschaft mithin als ansässige Person aus. Eine in ihrem Sitzstaat intransparent besteuerte Personengesellschaft ist hingegen in diesem Staat abkommensrechtlich ansässig und damit berechtigt, den Abkommensschutz für sich geltend zu machen. Dies hat allerdings nach dem Urteil des BFH vom 25.5.20112 nicht zur Folge, dass Deutschland die von einer solchen Personengesellschaft erzielten Einkünfte entgegen den eigenen Besteuerungsgrundsätzen der Gesellschaft selbst zurechnen müsste. Eine „subjektive Qualifikationsverkettung“ besteht somit nach zutreffender Ansicht des I. Senats nicht. Vielmehr hat aus deutscher Sicht auch abkommensrechtlich eine Zurechnung der Einkünfte zu den hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschaftern zu erfolgen.3 Abkommensberechtigung und Steuerpflicht im anderen Staat können somit auseinanderfallen. Eine steuerlich unterschiedliche steuerliche Einordnung der Personengesellschaft in den beteiligten Staaten kann insbesondere zu einer abweichenden Zuordnung des „Unternehmens“ im abkommensrechtlichen Sinne (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA) führen. 2. Besteuerung des Gewinnanteils bei einheitlicher Qualifikation a) Abkommensrechtliche Einkünftequalifikation aa) Unternehmensgewinne (1) Abkommensrechtlicher Unternehmensbegriff

6.52 Fällt der Gewinnanteil eines Steuerinländers aus einer ausländischen Personengesellschaft in den

Anwendungsbereich eines DBA, ist darüber zu befinden, unter welche der in den Art. 6–8, 10–21 OECD-MA geregelten abkommensrechtlichen Einkunftsarten der Gewinnanteil zu subsumieren ist. Da sich die Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft in der Mehrzahl der praktischen Fälle als eine Investition im unternehmerischen Bereich darstellt, liegt es nahe, zunächst zu prüfen, ob Unternehmensgewinne i.S. von Art. 7 OECD-MA vorliegen.

Art. 7 OECD-MA selbst enthält keine Definition dessen, was unter einem Unternehmensgewinn zu verstehen ist. Der Begriff des „Unternehmens“ ist allerdings in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA als „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ umschrieben. Eine erschöpfende Definition kann hierin nicht gesehen werden, da offenbleibt, was unter einer „Geschäftstätigkeit“ zu verstehen ist. Aus diesem Grund gehen die OECD4, die Finanzverwaltung5 sowie die h.M. im Schrifttum6 davon aus, dass insoweit auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten zurückzugreifen ist. Aus deutscher Sicht wäre somit § 15 Abs. 2 EStG heranzuziehen. Der Gewinnanteil einer i.S. des § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätigen Personengesellschaft würde damit stets als Unternehmensgewinn im abkommensrechtlichen Sinne gelten. Dies entsprach zeitweise auch der bisherigen Rspr. des BFH.7 In einer späteren Entscheidung zum DBA-Spanien 19668 führte der I. Senat des BFH dagegen aus, dass die Frage, was als Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne anzusehen ist, nicht durch einen Rückgriff auf die Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG, sondern primär durch eine Würdigung des Wortlauts und des Zwecks des Art. 5 OECD-MA sowie des systematischen Zusammenhangs mit anderen Abkommensbestimmungen zu beantworten sei. Der BFH nimmt damit nunmehr an, dass der abkommensrechtliche Unternehmensbegriff durch eine Auslegung aus 1 Einige deutsche DBA enthalten in Bezug auf die Ansässigkeit von Personengesellschaften spezielle Regelungen, vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 140. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. hierzu Prinz, FR 2012, 381 (382); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397). 4 Vgl. Art. 3 Tz. 4 OECD-MK. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.236. 7 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 8 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860.

780 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.54 Kap. 6

dem Abkommen heraus zu bestimmen ist. Art. 5 OECD-MA kommt im Rahmen einer abkommensorientierten Auslegung deshalb eine maßgebliche Bedeutung zu, weil dort in Abs. 1 der Norm der Begriff der Betriebsstätte als eine „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ definiert wird. Sofern bestimmte Tätigkeiten gem. Art. 5 OECD-MA eine Betriebsstätte begründen, sind diese mithin auch als unternehmerisch im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren, führen also zu Einkünften nach Art. 7 OECDMA. Hinsichtlich des Zusammenhangs mit anderen Abkommensnormen soll sich nach Auffassung des BFH unter Berücksichtigung des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips insbesondere ergeben, dass sämtliche Tätigkeiten, die als Land- und Forstwirtschaft i.S. des Art. 6 Abs. 1 OECDMA anzusehen sind, nicht unter den abkommensrechtlichen Unternehmensbegriff fallen.1 (2) Gewerblich tätige Personengesellschaft Eine i.S. des § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätige Personengesellschaft wird ihren Gesellschaftern – auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 27.10.20112 – im Regelfall Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA vermitteln. Denn der innerstaatliche Begriff des Gewerbebetriebs und der des Unternehmens im abkommensrechtlichen Sinne weisen einen weiten Überschneidungsbereich auf. Eine vollständige Deckungsgleichheit besteht jedoch nicht. Der abkommensrechtliche Begriff des Unternehmens weicht vielmehr in einigen Aspekten von dem des Gewerbebetriebs ab. So umfasst der abkommensrechtliche Unternehmensbegriff bspw. auch freiberufliche Tätigkeiten, sofern das DBA keine eigenständige Vorschrift für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Art. 14 OECD-MA a.F.) enthält. Ferner können bestimmte Einkünfte nach innerstaatlichem Recht als solche aus Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren sein, während sie abkommensrechtlich aufgrund einer fehlenden Nutzung unbeweglichen Vermögens nicht unter Art. 6 OECD-MA gefasst werden können und damit dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA zuzuschreiben sind.3

6.53

Weitere Abweichungen ergeben sich aus der Interpretation des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips i.S. des Urteils des BFH vom 27.10.2011.4 Danach fallen die von Art. 6 OECD-MA erfassten Tätigkeiten bereits von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA heraus, so dass bspw. Einkünfte aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens keine Unternehmensgewinne sind (Rz. 6.52). (3) Vermögensverwaltende Personengesellschaft Geht die Personengesellschaft einer vermögensverwaltenden Tätigkeit nach, wird sie ihrem Gesellschafter regelmäßig Einkünfte i.S. der Art. 6, 10–13 und 21 OECD-MA vermitteln. Die Personengesellschaft wird abkommensrechtlich aus deutscher Sicht ebenso wie nach innerstaatlichem Recht vollständig transparent behandelt, d.h., das Abkommen wird im Grundsatz so angewendet, als hätte der inländische Gesellschafter die auf ihn entfallenden Einkünfte unmittelbar selbst erzielt.5 Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Rz. 6.74 ff.) und Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren sowie sonstigen Einkünften (Rz. 6.60 ff.) verwiesen. 1 Vgl. hierzu kritisch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff. 2 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 3 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.13. 4 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 5 Etwas anderes gilt auch nicht, soweit das Abkommen Begünstigungen daran knüpft, dass „Nutzungsberechtigter“ eine im anderen Staat ansässige Person ist, weil als Nutzungsberechtigter derjenige angesehen werden kann, dem die Einkünfte nach dem innerstaatlichen Recht zuzurechnen sind (hier: dem inländischen Gesellschafter), vgl. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 7.34; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 57.

Schänzle/Engel | 781

6.54

Kap. 6 Rz. 6.55 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften (4) Gewerbliche Prägung

6.55 Die Finanzverwaltung ging lange Zeit davon aus, dass die Frage, ob ein Unternehmen im abkom-

mensrechtlichen Sinn vorliegt, aufgrund der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA durch einen umfassenden Rückgriff auf § 15 EStG zu beantworten sei, so dass auch der Anteil am Gewinn einer tatsächlich rein vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft abkommensrechtlich als Unternehmensgewinn i.S. von Art. 7 OECD-MA zu qualifizieren ist, wenn die Tätigkeit der Personengesellschaft nach innerstaatlichem Recht aufgrund einer gewerblichen Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) als Gewerbebetrieb gilt.1 Die ganz h.M. im Schrifttum lehnte dagegen eine Wirkung der Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG für Zwecke des Abkommensrechts stets ab.2 Nach h.M. ist somit im Rahmen der Einkünftequalifikation in Bezug auf Anteile am Gewinn einer gewerblich geprägten Personengesellschaft auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Auch der BFH hat sich mehrfach gegen ein Durchschlagen der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auf das Abkommensrecht ausgesprochen.3 Dies hat die Finanzverwaltung dazu bewogen, ihre frühere Auffassung aufzugeben und sich dem BFH sowie der h.M. anzuschließen.4 (5) Gewerbliche Infektion

6.56 Wie schon im Zusammenhang mit der sog. gewerblichen Prägung dargestellt wurde (Rz. 6.55), la-

gen nach früherer Ansicht der Finanzverwaltung stets Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinn vor, wenn nach Maßgabe des § 15 EStG ein Gewerbebetrieb vorliegt.5 Die ganz h.M. im Schrifttum6 sowie der BFH7 lehnen hingegen eine Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG auf DBA-Ebene ab. Dieser Sichtweise hat sich mittlerweile auch die Finanzverwaltung angeschlossen.8 Im Rahmen der abkommensrechtlichen Einkünftequalifikation sind somit die Einkünfte aus einer tatsächlichen unternehmerischen Tätigkeit der Personengesellschaft und die Einkünfte aus Vermögensverwaltung grundsätzlich jeweils für sich zu beurteilen. Im Einzelfall hat mithin – soweit dies möglich ist – eine Aufteilung der Einkünfte zu erfolgen.9 Nur wenn der unternehmerische und der vermögensverwaltende Tätigkeit derart ineinander greifen, dass eine Trennung nicht möglich erscheint, ist von einer einheitlichen Tätigkeit auszugehen und nach dem Gesamtbild zu entscheiden, welchem Artikel die (gesamten) Einkünfte zuzuordnen sind.10 (6) Betriebsaufspaltung

6.57 Für die Betriebsaufspaltung gelten die vorstehenden Ausführungen zur gewerblichen Prägung

bzw. gewerblichen Infektion (Rz. 6.55 f.) entsprechend. Die von der Besitzpersonengesellschaft er-

1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.1. 2 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 46; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 32 ff.; Elser in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 9.55 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 –DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.1. 6 Vgl. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.36; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.16; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 36, 43, 86; der Verwaltung zustimmend hingegen: Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 32. 7 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 8 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 9 Vgl. Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.93. 10 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.

782 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.60 Kap. 6

zielten Einkünfte sind somit abkommensrechtlich entsprechend ihrem tatsächlichen Charakter zu qualifizieren. Im Rahmen einer Grundstücksvermietung erzielt der Gesellschafter über seine Beteiligung an der Besitzgesellschaft also bspw. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECDMA) und keine Unternehmensgewinne.1 (7) Stille und atypisch stille Beteiligungen Die Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stillen Gesellschaften ist auch für die abkommensrechtliche Einkünftequalifikation von Bedeutung. Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen sind grundsätzlich abkommensrechtlich keine Dividenden, da es an der hierfür erforderlichen Beteiligung des stillen Gesellschafters am Liquidationserlös fehlt; vielmehr liegen Zinsen i.S. des Art. 10 OECD-MA vor.2 In der deutschen Abkommenspraxis werden Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung jedoch oftmals in die Dividendendefinition einbezogen.3 Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass für Einkünfte aus stillen Beteiligungen ein im Methodenartikel vorgesehenes Schachtelprivileg anzuwenden wäre, selbst wenn neben der stillen Beteiligung eine entsprechende Beteiligung am Grundkapital der Kapitalgesellschaft bestehen sollte.4

6.58

Einkünfte aus atypisch stillen Beteiligungen stellen dagegen abkommensrechtlich Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA dar. Dies gilt auch für den Fall, dass Einkünfte aus stillen Beteiligungen ohne weitere Differenzierungen in die abkommensrechtliche Dividendendefinition einbezogen werden, da dort stets nur Einkünfte als typisch stiller Gesellschafter angesprochen sind.5

6.59

bb) Dividenden, Lizenzgebühren, Zinsen und sonstige Einkünfte Eine ausländische Personengesellschaft kann ihrem Gesellschafter Dividenden (Art. 10 OECDMA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzgebühren (Art. 11 OECD-MA) sowie andere Einkünfte i.S. des Art. 21 OECD-MA6 vermitteln. Da diese Einkunftsarten derselben Systematik folgen, sollen sie hier gemeinsam behandelt werden. Die dem inländischen Gesellschafter über seine Beteiligung zugerechneten Dividenden, Zinsen etc. unterliegen grundsätzlich den jeweiligen speziellen Verteilungsnormen. Ist die ausländische Personengesellschaft lediglich vermögensverwaltend tätig, ergeben sich dabei grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen als wenn der Gesellschafter die Dividenden, Zinsen, etc. unmittelbar selbst bezogen hätte, d.h., es sind die Art. 10, 11, 12 bzw. 21 OECD-MA anzuwenden, ohne dass weitere Prüfungsschritte notwendig wären.7 Etwas anderes gilt, wenn die ausländische Personengesellschaft ei1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 2 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1.3; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 f., 210; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.333. 3 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 231. 4 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.3; sowie zu alledem Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.333. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1.2; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.334 m.w.N. 6 Hierunter fallen insbesondere Drittstaateneinkünfte. 7 Insbesondere kann als „Nutzungsberechtigter“ derjenige angesehen werden, dem die Einkünfte nach dem innerstaatlichen Recht zuzurechnen sind (hier: dem inländischen Gesellschafter), vgl. Lemaitre/ Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.41; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 57. Probleme können sich jedoch in Bezug auf eine Absenkung der Quellensteuer bei Dividenden im Hinblick auf das in vielen Abkommen vorgesehene Erfordernis einer „unmittelbaren“ Beteiligug in bestimmter Höhe ergeben.

Schänzle/Engel | 783

6.60

Kap. 6 Rz. 6.61 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften ner unternehmerischen Betätigung nachgeht. Zwar sind dann aufgrund des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips zunächst ebenfalls die speziellen Verteilungsartikel einschlägig (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA), jedoch gilt die Vorrangigkeit dieser Verteilungsnormen gegenüber Art. 7 OECDMA nicht, wenn der den Einkünften zugrunde liegende Vermögenswert, das sog. Stammrecht (Beteiligung, für die Dividende gezahlt wird; Forderung, für die Zinsen entrichtet werden; Lizenz, für die Gebühr gezahlt wird) tatsächlich zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat (dem Sitzstaat der Personengesellschaft) gehört. Denn für diesen Fall sieht der in den Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA jeweils enthaltene Betriebsstättenvorbehalt eine Rückverweisung zu Art. 7 OECD-MA vor.1

6.61 Greift der Betriebsstättenvorbehalt ein, hat der Quellenstaat auch für die Dividenden, Zinsen etc.

ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Für die Besteuerung im Wohnsitzstaat ergibt sich eine steuerliche Bedeutung des Betriebsstättenvorbehalts, sofern – wie dies in den deutschen DBA zumeist der Fall ist2 – der Methodenartikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für ausländische Betriebsstättengewinne die Freistellungsmethode, für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte i.S. des Art. 21 OECD-MA hingegen die Anrechnungsmethode vorsieht. Denn da der Betriebsstättenvorbehalt auch für den Methodenartikel Wirkung entfaltet,3 partizipieren Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere Einkünfte bei einem Eingreifen des Betriebsstättenvorbehalts an der Freistellung des Betriebsstättengewinns.4

6.62 Der Betriebsstättenvorbehalt setzt voraus, dass das entsprechende Stammrecht „tatsächlich“ zu einer

Betriebsstätte im anderen Staat „gehört“ (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECDMA). Nach der Rspr. ist diese tatsächliche Zugehörigkeit von einer rein (steuer-)rechtlichen Zugehörigkeit zu unterscheiden. Bevor jedoch näher auf das Kriterium der tatsächlichen Zugehörigkeit eingegangen wird, soll der Frage nachgegangen werden, ob im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern für Zwecke des Betriebsstättenvorbehalts nur die Betriebsstätten der Personengesellschaft oder auch die Betriebsstätten der Mitunternehmer als Zuordnungssubjekt infrage kommen.

6.63 Beispiel 7: Die inländische D-GmbH ist zu 100 % an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungs-

staat P beteiligt. Die Personengesellschaft verfügt selbst nur über eine einzige (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Staat P. Der Gewinnanteil der D-GmbH aus der P enthält u.a. Dividenden aus einer Beteiligung der P an der Kapitalgesellschaft X, welche Sitz und Geschäftsleitung in Staat X hat.

6.64 In Beispiel 7 stellt sich die Frage, wie die im Gewinnanteil der D-GmbH enthaltenen, an die P

gezahlten Dividenden der X abkommensrechtlich zu behandeln sind. Da Art. 10 OECD-MA ausweislich seines Wortlauts nur für Ausschüttungen von im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaften gilt, fallen Auskehrungen von Drittstaatsgesellschaften abkommensrechtlich grundsätzlich unter Art. 21 Abs. 1 OECD-MA mit der Folge, dass allein dem Wohnsitzstaat (hier: Deutschland) ein Besteuerungsrecht zukommt. Ist die Beteiligung an der X jedoch einer Betriebsstätte im anderen Staat (hier: Staat P) zuzuordnen, kommt Art. 7 OECD-MA zur Anwendung (Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Staat P hätte dann ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht und Deutschland würde den Gewinn von der Steuer freistellen. Nimmt man nun an, dass die Beteiligung der P an der Gesellschaft X nur einer von der Personengesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätte zugeordnet werden kann, wären im Beispielsfall die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts gege1 Vgl. zu alledem Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.44. 2 Vgl. die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23B OECD-MA Rz. 16. 3 Vgl. BFH v. 14.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; in einer früheren Entscheidung hatte der BFH diese Frage noch offengelassen, vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. Gegen eine Wirkung des Betriebsstättenvorbehalts Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 160, 160c und Art. 10 OECD-MA Rz. 139. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.44.

784 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.67 Kap. 6

ben, da die P nur in Staat P Betriebsstätten unterhält. Vertritt man dagegen die Auffassung, dass neben der dem Gesellschafter über seine Beteiligung an der Personengesellschaft zuzurechnenden Betriebsstätte der P auch die von ihm selbst unterhaltenen Betriebsstätten als Zuordnungsobjekt der Beteiligung an der X infrage kommen, müsste hier weitergehend geprüft werden, welcher Betriebsstätte die Beteiligung tatsächlich zugehörig ist. Der BFH hat in seinem Beschluss vom 19.12.20071 zu einer dem Beispiel vergleichbaren Konstellation für das DBA-Niederlande i.S. der letztgenannten Auffassung entschieden. Im Ergebnis hat der I. Senat dabei eine Zuordnung einer Beteiligung zu einer dem inländischen Gesellschafter über die niederländische Personengesellschaft vermittelte Betriebsstätte in den Niederlanden abgelehnt, weil es an einer tatsächlich-funktionalen Bedeutung der Beteiligung für den Betrieb der Personengesellschaft gefehlt habe (dazu sogleich unter Rz. 6.73). Das BMF hatte seinen Ausführungen zur Anwendung der Betriebsstättenvorbehalte in Bezug auf Dividenden im Schreiben vom 16.4. 2010 erkennbar den dem o.g. BFH-Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt in vereinfachter Form zugrunde gelegt. Diese Tatsache sowie die Veröffentlichung des Beschlusses im Bundessteuerblatt war u.E. so zu verstehen, dass die Finanzverwaltung jedenfalls im Grundsatz dieser BFHRspr. folgte.2

6.65

Das neue BMF-Schr. vom 26.9.2014 hingegen enthält weder das erwähnte Beispiel noch einen Verweis auf den oben genannten BFH-Beschluss vom 19.12.2007. Nun führt die Verwaltung an der entsprechenden Stelle Folgendes aus:

6.66

„Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft sind Betriebsvermögen der im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft bzw. gehören tatsächlich zu der Betriebsstätte, wenn sie nach § 1 Absatz 5 AStG der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Grundsätze dieser Vorschrift stimmen in Grundzügen mit der Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang überein.“3 Die zitierte Erlassstelle wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. So ist insbesondere unklar, ob in die Prüfung der Zuordnung nach § 1 Abs. 5 AStG nur die von der Personengesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätten oder auch etwaige eigene Betriebsstätten des Gesellschafters einzubeziehen sind. Dass – wenn überhaupt – nur Ersteres richtig sein kann, ergibt sich daraus, dass § 1 Abs. 5 AStG auf Geschäftsbeziehungen zwischen einem Mitunternehmer und der ausländischen Personengesellschaft keine Anwendung findet (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG), worauf auch das BMFSchr. in dem der zitierten Stelle vorhergehenden Absatz hinweist. Insofern wäre nicht schlüssig, warum nun für die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern der Personengesellschaft nach § 1 Abs. 5 AStG auch die Gesellschafterebene einzubeziehen wäre. In diesem Sinne interpretiert Hruschka allerdings das BMF-Schr. und schließt daraus, dass eine Zuordnung z.B. von Beteiligungen zu einer Betriebsstätte der Personengesellschaft im Grundsatz nur „unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 AStG“ erfolgen kann, andernfalls verbleibe es grundsätzlich bei der Zuordnung zum Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters.4 Auf die Zweifelsfragen im Zusammenhang mit den für die Zuordnung maßgeblichen Grundsätzen wird in Rz. 6.73 eingegangen. Unseres Erachtens sollte ein zum Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft gehörendes Wirtschaftsgut nur einer von der Personengesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätte und keiner eigenen Betriebsstätte des Gesellschafters zugeordnet werden können. In Beispiel 7 wäre deshalb in jedem Fall eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben. Der Grund hierfür ist einerseits darin zu sehen, dass der Grundsatz, dass es kein „betriebsstättenloses Vermögen“ 1 BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; zum sog. CV-Modell Haun in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1761 (1773). 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.4.1. 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1. 4 Vgl. Hruschka, IStR 2016, 437 (440 f.), der jedoch zwischen unternehmerisch und nichtunternehmerisch gehaltenen Beteiligungen differenziert.

Schänzle/Engel | 785

6.67

Kap. 6 Rz. 6.68 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften gibt,1 u.E. auch für das Abkommensrecht gilt. Andererseits ist auch für Zwecke des DBA zwischen dem Unternehmen der Personengesellschaft und einem etwaigen eigenen Unternehmen des Gesellschafters zu unterscheiden. Diese Unternehmen bilden abkommensrechtlich nicht etwa deshalb eine Einheit, weil der inländische Gesellschafter als „Betreiber“ des (anteiligen) Unternehmens der Personengesellschaft anzusehen ist.2 Der BFH geht jedenfalls in seinem Beschluss vom 19.12.2007 genau davon aus und nimmt daher erkennbar an, der inländische Gesellschafter und „seine“ ausländische Personengesellschaften stünden sich im selben Verhältnis gegenüber wie „Stammhaus“ und Betriebsstätte. Dass dieses Verständnis unzutreffend ist, zeigt sich, wenn man Beispiel 7 leicht abwandelt.

6.68 Beispiel 8 (Abwandlung von Beispiel 7): Der Ausgangssachverhalt entspricht dem des Beispiels 7. Nur

soll die GmbH nicht zu 100 %, sondern zu 99 % an der Personengesellschaft P beteiligt sein. Das übrige Prozent entfällt auf den Steuerinländer D, der selbst keiner unternehmerischen Betätigung nachgeht und der an der Geschäftsführung der P nicht beteiligt ist.

In dieser Konstellation erscheint zwar nach der BFH-Rspr. hinsichtlich des Gewinnanteils der XGmbH eine Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte der X-GmbH möglich, in Bezug auf D scheidet eine solche Zuordnung jedoch aus, da dieser im Inland keine eigene Betriebsstätte unterhält und weder der P noch dem D die von der X-GmbH unterhaltenen Betriebsstätten zugerechnet werden können.3 Eine unterschiedliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft bei den einzelnen Gesellschaftern ist u.E. abzulehnen, so dass richtigerweise sowohl bei der D-GmbH als auch bei D nur eine Zuordnung der Beteiligung zu der einzigen Betriebsstätte der P infrage kommen sollte.

6.69 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Unternehmen der Personengesellschaft von dem Unternehmen des Gesellschafters zu unterscheiden ist. Das Unternehmen der Personengesellschaft besteht abkommensrechtlich nur aus den von der Gesellschaft selbst unterhaltenen Betriebsstätten und etwaigen „Mitunternehmerbetriebsstätten“ der Gesellschafter.4 Innerhalb des Betriebsstättenvorbehalts können Wirtschaftsgüter mithin auch nur den eigenen Betriebsstätten der Personengesellschaft zugeordnet werden. Das sog. „Stammhaus“ stellt letztlich ebenfalls (nur) eine Betriebsstätte dar. Von anderen Betriebsstätten hebt sich das „Stammhaus“ – oder besser die Geschäftsleitungsbetriebsstätte – allein dadurch ab, dass dort die grundlegenden Entscheidungen des gesamten Unternehmens der Personengesellschaft getroffen werden. Ein „inländisches Stammhaus“ der Personengesellschaft kann deshalb nur angenommen werden, wenn die ausländische Personengesellschaft vom Inland aus geleitet wird. Da dies zumeist nicht der Fall sein dürfte, wird die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft regelmäßig in ihrem Sitzstaat liegen.

6.70 Die in den Betriebsstättenvorbehalten vorausgesetzte tatsächliche Zugehörigkeit eines Wirtschafts-

guts zu einer Betriebsstätte ist nach der ständigen Rspr. des BFH gegeben, wenn das Wirtschaftsgut in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit steht.5 Der BFH greift somit auf die funktionale Betrachtungsweise des § 8 AStG zurück. Beteiligungen, zinstragende Forderungen usw. sind folglich nach den Grundsätzen der BFH-Rspr. immer dann einer bestimmten Betriebsstätte zuzuordnen, wenn sie als Nebenerträge der in der Betriebsstätte hauptsächlich ausgeübten Tätigkeit anzusehen sind. 1 Hruschka, IStR 2016, 437 (440), geht offenbar davon aus, dass die Finanzverwaltung im BMF-Schr. vom 26.9.2014 von einem anderen Verständnis ausgeht und durchaus eine Zuordnung zum Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters auch ohne dortige Betriebsstätte für möglich erachtet. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.33. Zum Begriff des „Betreibers“ eines Unternehmens siehe Rz. 6.86. 3 Vgl. Richter/John, FR 2015, 142 (149 f.); Hruschka in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 5 OECD-MA Rz. 67. 4 Da diese insbesondere im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen von Bedeutung sind, wird hierauf an anderer Stelle eingegangen (siehe Rz. 6.207 f.). 5 Vgl. z.B. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 29.11.2000 – I R 84/99, DStRE 2001, 600.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.73 Kap. 6 Beispiel 9: An der Spitze eines Konzerns steht die inländische D-GmbH, die zu 100 % an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt ist. Die Personengesellschaft fungiert innerhalb des Konzerns als Vertriebsgesellschaft für den Staat P. Sie verfügt selbst nur über eine einzige (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Staat P. Im Gewinnanteil der D-GmbH aus der P sind u.a. Dividenden aus Beteiligungen der P an den jeweils in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaften X, Y und Z enthalten. Diese Kapitalgesellschaften sind ihrerseits Vertriebsgesellschaften des Konzerns für ihre Domizilstaaten – die Staaten X, Y und Z.

6.71

Der BFH hat in einer im Kern dem Beispielsfall entsprechenden Konstellation eine Zuordnung der Beteiligungen an den Drittstaat-Gesellschaften zu der der X-GmbH durch ihre Beteiligung an der Personengesellschaft P vermittelten Betriebsstätte in Staat P abgelehnt und daher für die Dividenden jeweils ein ausschließliches Besteuerungsrecht Deutschlands entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECD-MA angenommen. Zur Begründung führt der BFH aus, die Zuordnung der Beteiligungen zur Personengesellschaft P hätte erfordert, dass die P entweder ihrerseits Vertriebsfunktionen in den Staaten X, Y und Z übernommen hat. Zudem wäre eine Zuordnung der Beteiligungen zu der Personengesellschaftsbetriebsstätte in Staat P auch dann in Betracht gekommen, wenn ihr neben dem Stammhaus bestimmte, geschäftsleitende Holdingfunktionen über die anderen AuslandsVertriebsgesellschaften übertragen worden wären, die nach dem Veranlassungsprinzip und dem Funktionszusammenhang eine Zuordnung der Beteiligungen bei der P rechtfertigen könnten. Da die Klägerin hierfür nichts vorgebracht habe, könne keine Zuordnung der Beteiligungen zu der Personengesellschaft P angenommen werden.1

6.72

Der BFH geht somit in seinem Beschluss – entgegen der hier vertretenen Auffassung (Rz. 6.69) – davon aus, der inländische Betrieb der D-GmbH bilde das „Stammhaus“ des abkommensrechtlichen Unternehmens und der Betrieb der Personengesellschaft dessen ausländische Betriebsstätte. Hinsichtlich der Zuordnung nach der funktionalen Betrachtungsweise hält der BFH es für möglich, dass die ausländische Personengesellschaft neben einer Vertriebsfunktion auch eine Holdingfunktion übernehmen kann. Das Schrifttum nahm hingegen vor der BFH-Entscheidung an, dass die ausländische Grundeinheit nur eine Funktion als „Haupttätigkeit“ ausüben kann.2 Das FG Münster hat in einem ähnlich gelagerten Fall eine Zuordnung einer Beteiligung an einer niederländischen Kapitalgesellschaft zur einer inländischen Organgesellschaft durch die Beteiligung an einer niederländischen Personengesellschaft (C.V.) vermittelten Betriebsstätte abgelehnt und sich dabei ausführlich mit der Frage beschäftigt, welche Anforderungen an eine die Zuordnung zur niederländischen Betriebsstätte begründende Holdingfunktion zu stellen wären.3 In seinem Urteil hat das FG Münster die Frage, ob die Zuordnung einer Beteiligung zu der Personengesellschaftsbetriebsstätte sich daraus ergeben kann, dass die Personengesellschaft neben einer Vertriebsfunktion auch eine Holdingfunktion für diese Beteiligung ausübt, mangels hinreichender Dokumentation solcher Holdingfunktionen offengelassen und dabei darauf hingewiesen, dass dem erwähnten BFH-Beschluss vom 19.12.2007 hierzu keine allgemein anwendbaren Rechtsprechungsgrundsätze entnommen werden können, da es sich insoweit lediglich um ein obiter dictum handelt. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH hierzu in dem anhängigen Revisionsverfahren äußern wird. Bis zur Veröffentlichung des BMF-Schr. vom 26.9.2014 folgte die Finanzverwaltung jedenfalls im Grundsatz der BFH-Rspr. (siehe Rz. 6.65).4 Für Wirtschaftsgüter, die funktional sowohl einer aus1 2 3 4

Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 17; Reiche in Haase, § 8 AStG Rz. 13 ff. Vgl. FG Münster v. 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, EFG 2015, 704 – Rev. I R 10/15. Die Rechtsprechungsgrundsätze finden bzw. fanden nach Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung auch in Fällen Anwendung, in denen der Betriebsstättenvorbehalt des anzuwendenden DBA einen abweichenden Wortlaut hat, vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 (zu Art. 11 Abs. 3 DBA-USA 1989); BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.4.1.

Schänzle/Engel | 787

6.73

Kap. 6 Rz. 6.74 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften ländischen Betriebsstätte als auch der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet werden könnten (sog. „neutrale Wirtschaftsgüter“1), war nach Auffassung der Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen die Zuordnungsentscheidung überlassen.2 Diese unternehmerische Dispositionsfreiheit schränkte die Verwaltung jedoch durch die These der sog. „Zentralfunktion des Stammhauses“ ganz erheblich ein. So sollten bestimmte Zentralfunktionen, wie insbesondere die Finanzierungssowie die Holdingfunktion allein vom Stammhaus übernommen werden können. Aus diesem Grund waren nach bisheriger Verwaltungsauffassung dem inländischen Stammhaus regelmäßig die dem Gesamtunternehmen dienenden Finanzmittel sowie (neutrale) Beteiligungen zuzuordnen.3 Wie bereits oben (siehe Rz. 6.66) erwähnt, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Zuordnung von Wirtschaftsgütern einer Personengesellschaft nunmehr nach § 1 Abs. 5 AStG vorzunehmen, wobei diese Vorschrift „in Grundzügen“ mit der BFH-Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang übereinstimmen soll.4 Was dies konkret bedeutet, d.h. inwieweit § 1 Abs. 5 AStG und BFH-Rechtsprechung übereinstimmen und welche Abweichungen sich möglicherweise ergeben, bleibt offen. Außerdem verkennt die Finanzverwaltung u.E., dass es sich bei § 1 Absatz 5 AStG um eine Korrekturnorm handelt, die somit die originäre Betriebsstättenzuordnung von Wirtschaftsgütern gar nicht zum Gegenstand hat. Vielmehr ordnet die Vorschrift eine Korrektur auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung5 an, soweit bei der Einkünfteabgrenzung der Fremdvergleichsgrundsatz nicht beachtet wurde. Fraglich ist insbesondere, ob nach Verwaltungsauffassung weiterhin von einer Anwendung der – u.E. mit der in § 1 Abs. 5 AStG verankerten AOA nicht vereinbaren – These von der Zentralfunktion des Stammhauses auszugehen ist. Das BMFSchr. vom 26.9.2014 soll den Abschnitt im Betriebsstättenerlass, der die Zentralfunktion des Stammhauses behandelt, jedenfalls ausdrücklich nicht ersetzen.6 cc) Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

6.74 Eine ausländische Personengesellschaft kann ihrem inländischen Gesellschafter Einkünfte aus un-

beweglichem Vermögen i.S. von Art. 6 OECD-MA vermitteln. Diese Einkunftsart umfasst sämtliche Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung bzw. Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA), wobei hierzu auch Einkünfte land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zählen. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA sieht dabei für den Staat, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, ein unbeschränktes Besteuerungsrecht vor. Abkommensrechtlich gilt somit das sog. Belegenheitsprinzip. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA stellt eine Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge7 dar, regelt also die Besteuerung im Wohnsitzstaat nicht. In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen überwiegend durch die Freistellungsmethode vermieden.8

6.75 Da einerseits zum Teil für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen die Anrechnungsmethode gilt

und anderseits bei Unternehmensgewinnen die Freistellung vielfach von einem Aktivitätsvorbehalt abhängig ist, stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen Art. 6 und Art. 7 OECD-MA. Ferner kann das Verhältnis dieser beiden Abkommensnormen zueinander für die Besteuerung von Zinsen und Lizenzen von Bedeutung sein.

1 Ditz/Schneider, IStR 2010, 81 (83). 2 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.4 Abs. 3. 3 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.4 Abs. 4. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1. 5 Vgl. hierzu auch Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.14. 6 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 7. 7 Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 5–7. 8 Vgl. die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23B OECD-MA Rz. 16.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.80 Kap. 6 Beispiel 10: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft betreibt in Staat P eine Orangenplantage. Die P unterhält in Staat P ein verzinstes Girokonto, auf dem die Erlöse aus dem Verkauf der Orangen eingehen, sowie ein Festgeldkonto mit einem höheren Zinssatz. Das DBA zwischen Deutschland und Staat P sieht sowohl für Gewinne aus unbeweglichem Vermögen als auch für Unternehmensgewinne die Freistellungsmethode vor.

6.76

Die Gewinne aus dem Orangenverkauf stellen zweifellos solche aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar und fallen damit unter Art. 6 OECD-MA. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob daneben Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA vorliegen. Auf die Besteuerung der Gewinne aus dem Verkauf der Orangen hat dies zwar keine Auswirkungen, da Art. 6 OECD-MA als speziellere Norm dem Art. 7 OECD-MA vorgeht. Bedeutung kommt der Frage jedoch für die abkommensrechtliche Behandlung der Zinsen zu. Im Falle einer Qualifikation des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs als Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne wären die Zinsen wegen des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 3 OECD-MA dem Aufteilungsmechanismus für Unternehmensgewinne zu unterwerfen.1 Im Beispielsfall würde dies zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht des Staates P gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA führen, während Deutschland den Gewinn freizustellen hätte. Spricht man der Plantage die Unternehmenseigenschaft ab, wären die Zinsen hingegen allein unter Art. 11 OECD-MA zu subsumieren, da Art. 6 OECDMA keine dem Betriebsstättenvorbehalt vergleichbare Regelung enthält. In diesem Falle hätte Deutschland als Wohnsitzstaat des Gesellschafters ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für die Zinsen, während Staat P lediglich ein der Höhe nach beschränktes Quellenbesteuerungsrecht zukäme. Aufgrund des Spezialitätsprinzips würde dies für die Zinsen aus dem Festgeldkonto sowie gleichermaßen für die Guthabenzinsen auf dem Girokonto gelten.2

6.77

Der BFH hat in einem Urteil zum DBA-Spanien ausgeführt, dass ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft kein Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne darstellt.3 Dies entspricht der h.M. im Schrifttum4 sowie der Auffassung der Finanzverwaltung.5 Teile des Schrifttums6 und die OECD7 sprechen hingegen mit guten Gründen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben durchaus die Fähigkeit zu, ein Unternehmen bzw. Betriebsstätten i.S. der DBA zu begründen.8

6.78

Die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zwischen den Art. 6 und 7 OECD-MA stellt sich in anderer Weise, wenn die ausländische Personengesellschaft im Kern Tätigkeiten nachgeht, die an sich unter Art. 6 OECD-MA fallen, die Personengesellschaft dabei jedoch ergänzend unternehmerische Leistungen erbringt.

6.79

Beispiel 11: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Unternehmensgegenstand der P ist die Vermietung verschiedener Immobilien. Dabei übernimmt die P gegenüber den Mietern auch umfangreiche Service- und Wartungsleistungen.

6.80

1 Nach der Rspr. des BFH würde dies jedoch einen tatsächlich-funktionalen Zusammenhang der Zinsen mit der Plantagentätigkeit erfordern (Rz. 6.65), der im Beispielsfall nur für die Zinsen aus dem Girokonto gegeben wäre. 2 Hierin liegt ein Unterschied zum innerstaatlichen Recht, das in § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG eine Subsidiarität der Einkünfte aus Kapitalvermögen gegenüber anderen Einkunftsarten anordnet und (nur) die Guthabenzinsen auf dem Girokonto den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuordnen würde. 3 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 4 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41a; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16a; Suchanek, IStR 2007, 654 (656). 5 BMF v. 23.3.1982 – IV C 6 - S 1301 Span-6/82, BStBl. I 1982, 372. 6 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 43a, 204; sowie – in Teilen – Debatin, DB 1988, 1285 ff. 7 Vgl. OECD-Diskussionspapier „Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention“ vom 12.10.2011, 7, Rz. 5–9, abrufbar unter: http:// www.oecd.org/dataoecd/23/7/48836726.pdf. 8 Vgl. hierzu auch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff.

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Kap. 6 Rz. 6.81 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.81 Ein Teil des Schrifttums nimmt an, dass die Abgrenzung zwischen Einkünften aus Vermietung

und Verpachtung und einer gewerblichen Vermietung nach innerstaatlichem Recht sich über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auch abkommensrechtlich auswirkt.1 Nach dieser Sichtweise wäre im Beispielsfall aufgrund der Service- und Wartungsleistungen insgesamt von gewerblichen Einkünften und damit abkommensrechtlich von Unternehmensgewinnen auszugehen. Nach dem BFH-Urteil vom 27.10.20112 scheiden jedoch die von Art. 6 OECD-MA erfassten Tätigkeiten bereits von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA aus. Deshalb sind die aus der Vermietung resultierenden Einkünfte unter Art. 6 OECD-MA zu subsumieren und nur die Gewinne aus den Service- und Wartungsleistungen als Unternehmensgewinn zu qualifizieren. Das abkommensrechtliche Spezialitätsprinzip führt hier somit aus deutscher Sicht zu einer vom innerstaatlichen Recht abweichenden Beurteilung.

6.82 Ferner ist denkbar, dass die ausländische Personengesellschaft einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, dabei aber auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen erzielt.

6.83 Beispiel 12: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Staat P beteiligt. Unternehmensgegenstand der P ist die Herstellung und der Vertrieb von Elektroartikeln. Die Gesellschaft ist Eigentümerin einer Lagerhalle in Staat P, die sie derzeit selbst nicht nutzt und daher an ein ortsansässiges Unternehmen vermietet.

6.84 Im Beispielsfall sind die Einkünfte aus der Vermietung der Lagerhalle für sich gesehen abkom-

mensrechtlich als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen zu qualifizieren. Dass die Einkünfte im Rahmen eines Unternehmens anfallen, ändert daran nichts, da Art. 7 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 4 OECD-MA hier eine vorrangige Anwendung des Art. 6 OECD-MA anordnen. Diese Vorrangigkeit wird hier auch nicht, wie dies etwa bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren der Fall ist (Rz. 6.60), durch eine Rückverweisung aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts begrenzt. Der Vorrang des Art. 6 gegenüber Art. 7 OECD-MA ist Ausdruck des abkommensrechtlichen Spezialitätsprinzips, wonach im Allgemeinen für den Fall, dass Einkünfte begrifflich unter mehrere Verteilungsnormen subsumiert werden können, die Rechtsfolge der spezielleren Norm zu entnehmen ist.3 Staat P hat im Beispielsfall folglich ein unbeschränktes Besteuerungsrecht für die Vermietungseinkünfte. Der Vorrang des Art. 6 OECD-MA gilt uneingeschränkt und damit auch für die Anwendung des Methodenartikels. Die gegenläufige Ansicht der Finanzverwaltung, die in dieser Konstellation von einer Anwendung der Regelungen für Unternehmensgewinne ausgeht,4 entbehrt einer abkommensrechtlichen Grundlage und ist daher abzulehnen. Im Beispielsfall hat Deutschland die Doppelbesteuerung der Einkünfte aus der Vermietung mithin nach der im Methodenartikel für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vorgesehenen Methode zu vermeiden. Die Verwaltungsauffassung führt hingegen dazu, dass ein etwaiger, für Unternehmensgewinne vorgesehener Aktivitätsvorbehalt auch für innerhalb eines Unternehmens entstehende Vermietungseinkünfte gelten würde. In der Praxis ist daher darauf zu achten, dass die Toleranzschwelle von 10 % passiver Einkünfte unter Einbezug der Vermietungseinkünfte nicht überschritten wird. b) Freistellung von Unternehmensgewinnen unter Progressionsvorbehalt

6.85 Erzielt die Personengesellschaft Unternehmensgewinne, kommt der Verteilungsmechanismus des

Art. 7 OECD-MA zum Tragen. Danach können die Gewinne eines „Unternehmens eines Vertragsstaats“ grundsätzlich nur in diesem Staat besteuert werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA). Un1 Vgl. Menschig in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 8.111 m.w.N. 2 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BFH/NV 2012, 860. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 354; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21. 4 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.1.1.1.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.87 Kap. 6

terhält das Unternehmen jedoch im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so können diese Gewinne dort besteuert werden, allerdings nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).1 Im Rahmen der Abgrenzung der Besteuerungsrechte für Unternehmensgewinne ist damit zunächst eine Zuordnung des Unternehmens der Personengesellschaft zu einem der beiden Vertragsstaaten vorzunehmen. Anschließend ist darüber zu befinden, ob eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat unterhalten wird, welcher der Gewinn der Personengesellschaft bzw. ein Teil dieses Gewinns zuzurechnen ist. Nach der Begriffsdefinition des „Unternehmen[s] eines Vertragsstaats“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA ist ein Unternehmen jenem Vertragsstaat zuzuordnen, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, abkommensrechtlich ansässig ist. Da als „Betreiber“ des Unternehmens somit nur eine Person infrage kommt, die in einem der Vertragsstaaten abkommensrechtlich ansässig ist, kann eine transparent besteuerte Personengesellschaft selbst nicht Betreiberin des Unternehmens sein. Aus diesem Grund wird das Unternehmen der Personengesellschaft nach allgemeiner Auffassung als (anteiliges) Unternehmen der einzelnen Gesellschafter betrachtet, sofern diese ihrerseits in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Damit bestehen im Verhältnis der Abkommenstaaten zueinander abkommensrechtlich ebenso viele Unternehmen wie in einem der Vertragsstaaten ansässige Gesellschafter.2 Dieses Unternehmen ist dann dem Staat zuzuordnen, in dem der jeweilige Gesellschafter seine abkommensrechtliche Ansässigkeit hat.3

6.86

Für die Beteiligung eines Steuerinländers an einer ausländischen Personengesellschaft gilt somit, dass der Gesellschafter Betreiber des (anteiligen) Unternehmens ist, so dass im abkommensrechtlichen Sinne ein „deutsches Unternehmen“ vorliegt. Infolgedessen kann zunächst die BRD gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 OECD-MA das ausschließliche Besteuerungsrecht für den Gewinn der ausländischen Personengesellschaft für sich beanspruchen. Der andere Vertragsstaat hat nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht, wenn das Gesellschafterunternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine Betriebsstätte in diesem Staat ausübt. Der Sitzstaat der Personengesellschaft kann in diesem Fall die Gewinne der Personengesellschaft besteuern, allerdings nur soweit sie einer Betriebsstätte in diesem Staat zuzurechnen sind.4 Es kann durchaus vorkommen, dass Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA dem Sitzstaat der Personengesellschaft das Besteuerungsrecht für den gesamten Gewinn zuweist. Dies ist nach hier vertretener Auffassung insbesondere dann der Fall, wenn im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters für die Personengesellschaft keine Betriebsstätte (auch keine Geschäftsleitungsbetriebsstätte) unterhalten wird (siehe Rz. 6.68 f.).

6.87

Deutschland als Wohnsitzstaat wird den auf eine ausländische Betriebsstätte der Personengesellschaft entfallenden Gewinn nach der in seinen DBA traditionell vereinbarten Freistellungsmethode grundsätzlich von der Besteuerung ausnehmen. Die deutschen DBA sprechen im Allgemeinen – dem OECD-MA folgend – dem Wohnsitzstaat das Recht zu, die freigestellten ausländischen Einkünfte5 bei der Berechnung des Steuersatzes, mit dem die nicht freigestellten Einkünfte besteuert werden, im Rahmen eines Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (Art. 23A Abs. 3, Art. 23B Abs. 2 OECD-MA).6 Diese im Methodenartikel enthaltenen Regelungen sind lediglich de1 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.229 f. 2 Ständige Rspr. vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2001, 207. Ebenso die ganz h.M. im Schrifttum; vgl. nur Richter, FR 2010, 544 (547); Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 66; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.243; Debatin, BB 1992, 1181 (1182 f.). 3 Vgl. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 66. 4 Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (394). 5 Der Progressionsvorbehalt ist in der Mehrzahl der deutschen DBA auf die nach dem Methodenartikel freizustellenden Einkünfte begrenzt; vgl. zu den unterschiedlichen Regelungen Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 227 ff. 6 Vgl. die Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 227.

Schänzle/Engel | 791

Kap. 6 Rz. 6.88 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften klaratorischer Natur, d.h. soweit gem. § 32b EStG nach einem DBA steuerbefreite Einkünfte durch Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen sind,1 gilt dies unabhängig davon, ob das Abkommen eine solche Berücksichtigung vorsieht. Lediglich wenn das Abkommen den Einbezug von Einkünften in den Progressionsvorbehalt ausdrücklich untersagt, ist § 32b EStG nicht anwendbar.2 c) Einschränkungen der abkommensrechtlichen Freistellung aa) Überblick

6.88 Die Anwendung der in den deutschen Abkommen für Unternehmensgewinne traditionell ver-

ankerten Freistellungsmethode wird in den jeweiligen DBA zumeist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht bzw. bestimmten Einschränkungen unterworfen. Solche Verengungen des Anwendungsbereichs der Freistellungsmethode können sich einerseits aus der Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung,3 andererseits durch spezielle DBA-Regelungen wie Subject-to-Tax-Klauseln, Switch-over-Klauseln sowie einem Aktivitätsvorbehalt ergeben, welche nach der Verhandlungsgrundlage des BMF für DBA4 auch zukünftig fester Bestandteil deutscher Abkommenspolitik sein sollen. Darüber hinaus enthält auch das innerstaatliche Recht mit § 50d Abs. 9 EStG und § 20 Abs. 2 AStG Normen, die einer DBA-Freistellung entgegenstehen können. Die vorstehend genannten Vorschriften verengen den Anwendungsbereich der Freistellungsmethode, indem sie entweder zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Freistellung normieren oder eine eigentlich zu gewährende Freistellung einschränken. Sie normieren somit Vorbehalte für die abkommensrechtliche Freistellung und können daher auch unter dem Oberbegriff „Vorbehaltsklauseln“5 zusammengefasst werden. Hinsichtlich ihrer Zielsetzung und ihres Anwendungsbereichs weisen die einzelnen Klauseln durchaus Unterschiede auf. Dabei ist von folgender Abgrenzung auszugehen:6 – Subject-to-Tax-Klauseln (auch: „Rückfallklauseln“7) stehen einer Freistellung entgegen, wenn die Einkünfte im anderen Staat – ganz gleich aus welchen Gründen – nicht besteuert werden. – Switch-over-Klauseln schließen die Freistellung aus, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat aufgrund eines Qualifikations- oder Zurechnungskonflikts nicht oder zu niedrig besteuert werden. – Aktivitätsklauseln bzw. Aktivitätsvorbehalte knüpfen die Freistellung der Einkünfte an die Voraussetzung, dass die Einkünfte aus bestimmten „aktiven“ Tätigkeiten stammen.

6.89 Jedenfalls bis einschließlich Erhebungszeitraum 2016 hatten die Vorbehaltsklauseln keine Auswirkungen auf die Gewerbesteuer, da Anteile am Gewinn einer ausländischen Personengesellschaft aufgrund der Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG bereits nach innerstaatlichem Recht nicht der Gewerbesteuer unterliegen, so dass es insoweit auf eine abkommensrechtliche Freistellung nicht mehr ankommt. Ab Erhebungszeitraum 2017 ist jedoch zu berücksichtigen, dass gem. § 7 Satz 8 GewStG8 1 2 3 4

5 6 7 8

Siehe zu den Einschränkungen des Progressionsvorbehalts in EU/EWR-Fällen Rz. 2.494 ff. Vgl. BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302. Vgl. Art. 23 Tz. 32.1–32.7 OECD-MK (2008). Vgl. Art. 22 sowie Nr. 4 des Protokolls der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage, BMF v. 22.8.2013 – IV B 2 - S 1301/13/10009, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Stan dardartikel/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2013-08-22-Ver handlungsgrundlage-Doppelbesteuerungsabkommen-Steuern-vom-Einkommen-und-Vermoegen.html. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.4 m.w.N. Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.5; siehe zu alledem auch Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59. Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 164. Siehe § 36 Abs. 2a GewStG.

792 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.91 Kap. 6

„Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG“ für gewerbesteuerliche Zwecke als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt gelten und ferner auch die Kürzung für Mitunternehmerschaften nach § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG insoweit keine Anwendung findet (siehe hierzu auch Rz. 6.104). Dieser Ausschluss der Freistellung für gewerbesteuerliche Zwecke gilt ausdrücklich auch für Einkünfte, die nicht von einem DBA erfasst werden oder für die bereits nach dem anwendbaren Abkommen (generell, oder aufgrund einer abkommensrechtlichen Vorbehaltsklausel) die Anrechnungsmethode gilt. Im Ergebnis greift die Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne somit im Grundsatz nur, soweit es sich nicht um passive niedrig besteuerte Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG handelt. Allerdings lässt § 7 Satz 9 GewStG in diesem Zusammenhang – anders als bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer – ausdrücklich den Gegenbeweis nach § 8 Abs. 2 AStG (sog. Motivtest) zu. Es bleibt mithin bei der gewerbesteuerlichen Kürzung, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass durch die Betriebsstätte oder Personengesellschaft in einem EU/EWR Staat einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 AStG nachgegangen wird und die übrigen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 AStG vorliegen (z.B. Informationsaustausch). bb) DBA-Aktivitätsklauseln Eine Vielzahl der deutschen DBA enthalten einen Aktivitätsvorbehalt, der zumeist nicht nur für Unternehmensgewinne, sondern regelmäßig ebenso für Gewinnausschüttungen und in vielen Fällen auch für Veräußerungsgewinne i.S. des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA gilt.1 Abkommensrechtliche Aktivitätsklauseln machen die Freistellung der Einkünfte davon abhängig, dass sie ausschließlich oder fast ausschließlich aus bestimmten „aktiven“ Tätigkeiten stammen. Die Beschränkung der Freistellung auf Einkünfte aus „aktiven“ Tätigkeiten ist von der Vorstellung geprägt, dass der Steuerpflichtige nur bei der Erzielung solcher aktiver Einkünfte tatsächlich im Wettbewerb mit im Quellenstaat ansässigen Konkurrenten steht und deshalb nur insoweit eine Freistellung wirtschaftspolitisch gerechtfertigt ist.2 Für passive Einkünfte soll dagegen die Anrechnungsmethode gelten. Die meisten abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln folgen einem „Alles-oder-nichts-Prinzip“, schließen also, wenn ein Schwellenwert von 10 %3 passiver Einkünfte überschritten ist, die Freistellung insgesamt aus. Nur wenige DBA, z.B. das Abkommen mit Finnland sowie das „alte“ Abkommen mit der Schweiz, sehen hiervon abweichend eine Bruchteilsbetrachtung vor, nach der ein Übergang zur Anrechnungsmethode nur für den als „passiv“ zu qualifizierenden Teil der Einkünfte erfolgt.4 In diesen Fällen muss daher – sozusagen im Rahmen einer Gewinnabgrenzung zweiten Grades – entschieden werden, welcher Teil des Betriebsstättenergebnisses aus aktiven Tätigkeiten stammt und welcher Teil des Ergebnisses auf passive Tätigkeiten zurückzuführen ist.

6.90

Welche Tätigkeiten als „aktiv“ gelten, regelt ein Aktivitätskatalog. Bei den sog. originären Aktivitätsklauseln enthält das jeweilige DBA einen eigenen Aktivitätskatalog, während die sog. derivativen Aktivitätsklauseln diesbezüglich auf § 8 AStG verweisen.5 Ein solcher Verweis bezieht sich regelmäßig nicht auf den gesamten Tätigkeitskatalog des § 8 Abs. 1 AStG. Vielmehr gelten zumeist nur die in § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG genannten Tätigkeiten als „aktiv“. Soweit ersichtlich, verweisen nur das DBA-Großbritannien und das durch Protokoll vom 24.6.2013 geänderte DBA-Norwegen uneingeschränkt auf § 8 Abs. 1 AStG.6 Zentraler Prüfungsschritt bei der Anwendung der Aktivitätsklauseln ist somit eine Einkünftequalifikation. Nach h.M.7 ist hierbei auf die zum Außensteuer-

6.91

1 Vgl. für eine Übersicht Wassermeyer in Wassermeyer, Anlage zu Art. 23 A/B OECD-MA. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 A OECD-MA Rz. 156. 3 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122 zu § 8 Abs. 2 AStG a.F., dem diese Formulierung entstammt; OFD Münster v. 25.9.1998 – S 1301 - 18 - St 22-34, IStR 1999, 81; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.516; Kaminski, StuW 2007, 275 (280). 4 Vgl. zu alledem auch Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.65. 5 Vgl. Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, 109 (111). 6 Vgl. hierzu Kaminski/Strunk, IStR 2011, 137 (138); Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 (170). 7 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.516 m.w.N.

Schänzle/Engel | 793

Kap. 6 Rz. 6.92 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften gesetz entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.1 Zu diesen Grundsätzen gehört insbesondere die sog. funktionale Betrachtungsweise, wonach wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten einheitlich zu qualifizieren sind.2 Innerhalb der Einkünftequalifikation ist sodann auf diejenige Tätigkeit abzustellen, auf der der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt (Haupttätigkeit). Passive Tätigkeiten sind nach dieser Betrachtung unschädlich, wenn sie einen wirtschaftlichen Zusammenhang zu einer aktiven Haupttätigkeit aufweisen. Umgekehrt können allerdings auch aktive Nebentätigkeiten wegen ihres Funktionszusammenhangs mit einer passiven Haupttätigkeit als passiv zu behandeln sein.3

6.92 Beispiel 13: Die inländische D-GmbH ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P be-

teiligt. Der Methodenartikel des DBA mit Staat P soll einen Aktivitätsvorbehalt enthalten, der zur Bestimmung der aktiven Tätigkeiten auf § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG verweist. Unternehmensgegenstand der P ist der Vertrieb der Produkte des D-Konzerns im Staat P. Neben den Einkünften aus der Vertriebstätigkeit erzielt die P Dividendeneinnahmen aus Kapitalgesellschaften, an denen sie jeweils zu Spekulationszwecken beteiligt ist.

6.93 Im Beispielsfall gelten die Dividenden als „passiv“, da § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG die Gewinnausschüt-

tungen nicht als Einkünfte aus aktivem Erwerb benennt und sie in keinem funktionalen Zusammenhang mit der die Haupttätigkeit der Personengesellschaft darstellenden (aktiven) Vertriebstätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG) stehen. Da im Beispielsfall das DBA nur auf § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG verweist, ist unbeachtlich, dass seit der Erweiterung des Aktivitätskatalogs des § 8 AStG durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG)4 auch Dividenden als aktiv gelten (§ 8 Nr. 8 AStG). Die Einkünfte unterliegen somit unter Anrechnung der ausländischen Steuer der Körperschaftsteuer. Die Dividende unterliegt hingegen bei der Personengesellschaft P nicht der Gewerbesteuer, da die Fiktion des § 7 Satz 8 GewStG nur für Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG gilt und Dividenden nach dem außensteuerrechtlichen Aktivitätskatalog als aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG) gelten und somit von § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG nicht erfasst werden.

6.94 Beispiel 14 (Abwandlung von Beispiel 13): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 13. Al-

lerdings soll nun davon ausgegangen werden, dass die Dividendeneinnahmen aus Gesellschaften stammen, deren Unternehmensgegenstand der Vertrieb von Produkten des D-Konzerns in bestimmten Regionen des Staates P ist und dass die P innerhalb des D-Konzerns die Koordination der Vertriebstätigkeiten dieser Gesellschaften übernimmt.

6.95 In dieser Konstellation wären die Dividendeneinnahmen aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs mit der von der P ausgeübten (aktiven) Vertriebstätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG) auch für Zwecke des DBA-Aktivitätsvorbehalts als solche aus aktivem Erwerb zu qualifizieren, so dass es bei der Freistellung für körperschaftsteuerliche Zwecke bleibt.

6.96 Zweifel an der funktionalen Betrachtungsweise innerhalb der DBA-Aktivitätsklauseln ergeben

sich aus einem viel beachteten5 Urteil des BFH vom 7.8.2002.6 Dabei ging es um die Frage, wie Dividenden abkommensrechtlich einzuordnen sind, die ein in Deutschland ansässiger Steuerpflich1 Dies soll nicht nur für die auf § 8 AStG verweisenden Klauseln, sondern auch für originäre Aktivitätsklauseln gelten; ebenso die Finanzverwaltung zum DBA-Schweiz, vgl. BMF v. 26.3.1975 – IV C 6 S 1301-Schweiz-3/75, BStBl. I 1975, 479, Tz. 3.1.2.1. 2 Grundlegend BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; zuletzt bestätigt durch BFH v. 13.10. 2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 A OECD-MA Rz. 156. 4 BGBl. I 2001, 3858. 5 Aufsehen hat dieses Urteil insbesondere deswegen erregt, weil es die Auffassung Wassermeyers (Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 160, 160c, Art. 10 OECD-MA Rz. 139), wonach der Betriebsstättenvorbehalt sich nicht auf den Methodenartikel auswirkt, andiskutiert. Die Aussagen hinsichtlich der Anwendung des Aktivitätsvorbehalts haben im Schrifttum dagegen kaum Beachtung gefunden. 6 BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848.

794 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.97 Kap. 6

tiger über eine schweizerische Personengesellschaft erzielt hat und die daher im Ergebnis einer schweizerischen Betriebsstätte i.S.d. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz zuzuordnen waren. Das DBASchweiz sieht in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 sowohl für Betriebsstättengewinne als auch für Schachteldividenden eine Freistellung von der deutschen Besteuerung vor, stellt diese jedoch jeweils unter einen Aktivitätsvorbehalt. Dieser ist für Unternehmensgewinne und Dividenden nicht einheitlich definiert. So sind gem. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz Betriebsstättengewinne „aus eigener Tätigkeit“ begünstigt, soweit sie nachweislich durch die „Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, Aufsuchen und Gewinnung von Bodenschätzen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am aktiven Wirtschaftsverkehr erzielt werden.“ Schachteldividenden sind dagegen dann von der Steuer ausgenommen, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz). Der BFH diskutiert in seinem Urteil verschiedene Lösungsansätze. So könne einerseits die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz anzuwenden sein. Anderseits komme jedoch auch eine Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Schweiz über die Freistellung von Unternehmensgewinnen in Betracht.1 Der BFH ließ diese Frage offen, da seiner Auffassung nach die Voraussetzungen keiner der beiden Normen gegeben waren. Für das Schachtelprivileg des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b DBA-Schweiz war dies offensichtlich, da weder die schweizerische Personengesellschaft noch deren Gesellschafter die hierfür notwendigen personellen Voraussetzungen erfüllten. Der BFH lehnte jedoch auch eine Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBASchweiz mit der Begründung ab, dass sich die Dividenden – unabhängig von der Frage, ob Gewinnausschüttungen überhaupt „Gewinne aus eigener Tätigkeit“ einer Betriebsstätte sind2 – jedenfalls nicht den dort aufgeführten, aktiven Tätigkeiten zuordnen ließen.3 Auf die funktionale Betrachtungsweise geht der BFH dabei nicht ein, obwohl nach den Feststellungen der Vorinstanz die Beteiligungen den „Bestand der Betriebsstätte [sicherten]“, was durchaus dafür spricht, dass die Dividenden als Nebenerträge der Produktions- und Vertriebstätigkeit der Betriebsstätte hätten angesehen werden können.4 Die Konsequenzen des BFH-Urteils vom 7.8.2002 sind noch immer nicht abschließend geklärt. Das Urteil wirft zunächst die Frage auf, wie Zins- und Lizenzeinnahmen, die innerhalb einer schweizerischen Betriebsstätte anfallen, im Rahmen des Aktivitätsvorbehalts zu behandeln sind. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung nach Auffassung des BFH für sich betrachtet als passive Tätigkeit einzustufen ist.5 Zins- und Lizenzeinnahmen stellen damit bei Aktivitätsklauseln mit eigenem Tätigkeitskatalog für sich gesehen grundsätzlich passive Einkünfte dar.6 In einer früheren Entscheidung hielt der BFH jedoch eine Freistellung von über eine schweizerische Betriebsstätte vereinnahmten Lizenzgebühren und Zinsen unter der Prämisse für möglich, dass diese nach der funktionalen Betrachtungsweise zu einer aktiven Tätigkeit i.S.d. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz gehören.7 Ist das o.g. Urteil 1 Anders die Finanzverwaltung, nach der Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz auf Dividenden auch dann keine Anwendung finden kann, wenn diese über eine schweizerische Betriebsstätte/Personengesellschaft zufließen, vgl. FM NRW v. 17.4.1980 – Schweiz 47 – V B 5, BeckVerw 028208. 2 So Scherer in Wassermeyer, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 57; a.A. FM NRW v. 17.4.1980 – Schweiz 47 – V B 5, BeckVerw 028208. 3 Zustimmend Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4. 4 Ähnlich Mössner, RIW 2003, 294 (299). 5 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 1846. 6 Ebenso zum DBA-Spanien a.F. BMF v. 28.5.1998 – IV C 5 - S 1301 Spa-2/98, BStBl. I 1998, 557, Rz. 4, aufgehoben durch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Rz. 8, wiederum ersetzt durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/ 0599097, BStBl. I 2014, 1258. 7 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563.

Schänzle/Engel | 795

6.97

Kap. 6 Rz. 6.98 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften vom 7.8.2002 als vollständige Abkehr von der funktionalen Betrachtungsweise zu sehen und sind diese Entscheidungen damit überholt? Grotherr1 geht offenbar davon aus, dass die Grundsätze des Urteils vom 7.8.2002 nur für Dividenden gelten, während für Lizenzgebühren und Zinsen nach wie vor die funktionelle Betrachtungsweise Anwendung findet. Da für eine Differenzierung zwischen Dividenden einerseits und Lizenzgebühren und Zinsen andererseits keine Gründe ersichtlich sind, sollte u.E. bei der Subsumtion von Betriebsstättengewinnen unter den Aktivitätskatalog des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz die funktionale Betrachtungsweise entweder in sämtlichen Fällen oder gar nicht Anwendung finden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der BFH die funktionale Betrachtungsweise jedenfalls für Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz aufgegeben hat.2 Dafür spricht auch die Tatsache, dass der BFH in seinem dem Urteil vorangegangenen unveröffentlichten Gerichtsbescheid vom 30.1.20023 die Dividenden nach der funktionalen Betrachtungsweise der aktiven Tätigkeit der schweizerischen Personengesellschaft zugeordnet hat. Vor diesem Hintergrund kann die anderweitige Entscheidung im Urteil nur als bewusste Abkehr von der funktionalen Betrachtungsweise verstanden werden.4

6.98 In Bezug auf die Übertragbarkeit der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7.8.2002 auf andere

DBA ist zunächst festzuhalten, dass in den Aktivitätsklauseln der DBA mit Argentinien, Portugal sowie dem zum 31.12.2005 außer Kraft getretenen Abkommen mit Brasilien5 für Zinsen und Lizenzgebühren die Anwendung der funktionalen Betrachtungsweise ausdrücklich festgeschrieben ist. Insoweit wirkt sich die BFH-Rspr. mithin nicht aus. Für die auf § 8 AStG verweisenden Aktivitätsklauseln ist zu erwägen, ob sich der Verweis nicht nur auf den außensteuerrechtlichen Tätigkeitskatalog, sondern auch auf die entsprechenden Auslegungsgrundsätze inklusive der funktionalen Betrachtungsweise bezieht. Für DBA mit eigenständigen Aktivitätskatalogen erscheint dagegen eine isolierte Betrachtung und damit eine Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7.8.2002 naheliegend zu sein. Ferner ist im Rahmen solcher derivativer Aktivitätsvorbehalte zu berücksichtigen, dass Lizenzeinnahmen unter den in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG geregelten Voraussetzungen (insbesondere: Auswertung der Ergebnisse eigener Forschungs- und Entwicklungstätigkeit) als aktive Einkünfte qualifizieren.

6.99 Die DBA-Aktivitätsklauseln sind auch in Verlustsituationen von Relevanz. Ist nämlich für Ge-

winne abkommensrechtlich keine Freistellung vorgesehen, kann auch die Symmetriethese nicht greifen. Die Beschränkung der abkommensrechtlichen Freistellung auf Gewinne aus aktiven Erwerbstätigkeiten hat damit zur Folge, dass für Verluste aus „passiven“ Tätigkeiten keine aus dem DBA abgeleiteten Einschränkungen bei der Verlustberücksichtigung im Inland gelten.6 Zu beachten sind jedoch die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Beschränkungen der Verlustverrechnung. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Vorschrift des § 2a EStG (Rz. 6.37). Da diese Norm zum einen nur die Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Staaten, die weder der EU noch dem EWR angehören, ausschließt, und da zum anderen die Voraussetzungen des § 2a EStG mit den Tätigkeitskatalogen der Aktivitätsklauseln nicht abgestimmt sind, ergibt sich in zahlreichen Konstellationen die Möglichkeit, durch die Herbeiführung von passiven Einkünften eine Verlustberücksichtigung im Inland zu erreichen.7 Eine gewerbesteuerliche Berücksichtigung kommt jedoch grds. nicht in Betracht, da Anteile am Verlust einer ausländischen Personengesell1 Vgl. Grotherr in G/K/G, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 4. 2 Ebenso bereits Greif in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. E 102. 3 Vgl. hierzu die Darstellung bei Jakob in FS Ryser, 211 (223 f.); Kubaile/Suter/Jakob, Steuer- und Investitionsstandort Schweiz, 359 f. 4 In diesem Sinne auch Jakob in FS Ryser, 211 (225); Kubaile/Suter/Jakob, Steuer- und Investitionsstandort Schweiz, 361 f.; ähnlich Ditz/Liebchen, IStR 2012, 449 (454). 5 Vgl. dazu Krabbe in Wassermeyer, Art. 25 DBA-Brasilien Rz. 40. 6 Vgl. Kaminski, StuW 2007, 275 (283); Pyszka/Schmedt, IStR 2002, 342 (343). 7 Vgl. Kaminski, StuW 2007, 275 (284); sowie ausführlich Pyszka/Schmedt, IStR 2002, 342 (344 ff.).

796 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.104 Kap. 6

schaft der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen (§ 8 Nr. 8 GewStG) und damit letztlich den Gewerbeertrag nicht mindern. Jedenfalls eine unmittelbare gewerbesteuerliche Berücksichtigung der passiven Verluste auf Ebene der Personengesellschaft selbst gem. § 7 Satz 8 GewStG kommt u.E. auch insoweit nicht in Betracht, als die Einkünfte nach Maßgabe des außensteuerlichen Einkünftekatalogs (§ 8 AStG) als passive Einkünfte zu qualifizieren sind, da § 20 Abs. 2 AStG für Verluste keinen Übergang zur Anrechnungsmethode vorsieht (siehe hierzu Rz. 6.105). cc) Zwischeneinkünfte (§ 20 Abs. 2 AStG) Wie die DBA-Aktivitätsklauseln sieht auch § 20 Abs. 2 AStG für „passive“ Einkünfte einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor. Anders als seine abkommensrechtlichen Pendants richtet sich der unilaterale Aktivitätsvorbehalt jedoch nicht generell gegen passive Einkünfte, sondern nur gegen solche Einkünfte aus passivem Erwerb, die im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegen.1 Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG soll damit – ähnlich wie die Hinzurechnungsbesteuerung – eine steuerlich motivierte Verlagerung von Gewinnen auf funktionsschwache, niedrig besteuerte ausländische Einheiten unterbinden.

6.100

§ 20 Abs. 2 AStG ordnet einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode an, soweit die Einkünfte ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die ausländische Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre. Die Vorschrift verweist somit umfassend auf die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung. Im Einzelnen ergeben sich somit aus § 20 Abs. 2 AStG selbst und den §§ 7 ff. AStG folgende Anwendungsvoraussetzungen:

6.101

– Es müssen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einer ausländischen Betriebsstätte vorliegen. – Die Einkünfte müssen an sich nach einem DBA von der deutschen Besteuerung freizustellen sein. – Die Betriebsstätteneinkünfte müssen nach den Wertungen des § 8 Abs. 1 AStG als passiv zu qualifizieren sein. – Die Einkünfte müssen im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Als Rechtsfolge sieht § 20 Abs. 2 AStG einen Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode vor. Der Wortlaut der Vorschrift („insoweit“) macht deutlich, dass dieser Übergang – anders als dies überwiegend bei abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln der Fall ist (Rz. 6.90) – nur hinsichtlich der passiven Einkünfte und nicht etwa für die gesamten ausländischen Betriebsstätteneinkünfte erfolgt. Dies bedeutet zugleich, dass nur die auf die passiven Einkünfte entfallende ausländische Steuer nach § 34c EStG bzw. § 26 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34c EStG angerechnet werden kann.2

6.102

Beispiel 15: Die D-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die P verfügt nur in Staat P über Betriebsstätten. Auf die D-GmbH entfällt ein Gewinnanteil von 150.000 Euro, wobei 40.000 Euro aus Einkünften stammen, die nach dem Katalog des § 8 Abs. 1 AStG als passiv zu qualifizieren sind. Auf den gesamten Gewinnanteil fiel in Staat P Körperschaftsteuer i.H. von 30.000 Euro an, wobei Staat P bei der Besteuerung des Gewinnanteils nicht zwischen den aktiven und passiven Einkünften differenziert.

6.103

Die passiven Einkünfte sind niedrig besteuert i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG, da sie in Staat P einem Durchschnittssteuersatz von 20 % und damit einer Besteuerung von unter 25 % unterliegen (30.000/150.000). § 20 Abs. 2 AStG suspendiert die abkommensrechtliche Freistellung nur im

6.104

1 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.89 m.w.N. 2 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 154; Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.92.

Schänzle/Engel | 797

Kap. 6 Rz. 6.105 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Hinblick auf die passiven niedrig besteuerten Einkünfte i.H. von 40.000 Euro; hinsichtlich der übrigen 110.000 Euro bleibt es bei der Freistellung. Nach §§ 26 KStG, 34c EStG anrechenbar sind 4/ 15 der in Staat P gezahlten Körperschaftsteuer i.H.v. 30.000 Euro, also 8.000 Euro. Für gewerbesteuerliche Zwecke sind seit Erhebungszeitraum 2017 die §§ 7 Satz 8, 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG zu beachten. So gelten gem. § 7 Satz 8 GewStG Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 AStG als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt. Die P verfügt jedoch nur in Staat P über Betriebsstätten und ist damit mangels inländischen Gewerbebetriebs nicht gewerbesteuerpflichtig (§ 2 GewStG). Da § 7 Satz 8 GewStG keine solche Gewerbesteuerpflicht bzw. inländische Betriebsstätte zu fingieren vermag,1 unterliegen die passiven, niedrig besteuerten Einkünfte auf Ebene der P nicht der Gewerbesteuer. Die Vorschrift des § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG ordnet jedoch an, dass die gewerbesteuerliche Kürzung für Mitunternehmerschaften, soweit diese Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG erzielen, keine Anwendung findet. Somit kommt, soweit der Gewinnanteil der D-GmbH passive, niedrig besteuerte Einkünfte enthält, im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags der D-GmbH keine gewerbesteuerliche Kürzung in Betracht. Diese Einkünfte unterliegen damit im Ergebnis auf Ebene der D-GmbH der Gewerbesteuer. Wäre an der P eine nicht gewerbesteuerpflichtige unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person beteiligt, ergäbe sich insoweit ein Einbezug der passiven, niedrig besteuerten Einkünfte in das zu versteuernde Einkommen, jedoch keine Belastung der Einkünfte mit Gewerbesteuer.2 Zu beachten ist ferner, dass der Ausschluss der gewerbesteuerlichen Kürzung nur von der ausländischen Personengesellschaft selbst erzielte passive, niedrig besteuerte Einkünfte betrifft, wohingegen ein über eine ausländische Personengesellschaft erzielter Hinzurechnungsbetrag (ausländische Zwischengesellschaft wird von einer ausländischen Personengesellschaft gehalten) nicht erfasst wird, da § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG die Kürzung nur für Einkünfte i.S.d. § 7 Satz 8 GewStG, nicht aber für den in § 7 Satz 7 GewStG angesprochenen Hinzurechnungsbetrag ausschließt.3

6.105 Nicht ganz eindeutig ist, ob § 20 Abs. 2 AStG auch in Verlustsituationen Anwendung findet. Die

Verwendung des Begriffs „Einkünfte“ spricht zunächst für eine Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG auch auf Verluste, da der allgemeine steuerliche Einkünftebegriff sowohl Gewinne als auch Verluste umfasst.4 Anwendungsvoraussetzung des § 20 Abs. 2 AStG ist jedoch, dass die Einkünfte als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn es sich bei der Betriebsstätte um eine Zwischengesellschaft handeln würde. Für die Hinzurechnungsbesteuerung bestimmt § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG, dass eine Hinzurechnung unterbleibt, wenn sich ein negativer Hinzurechnungsbetrag ergeben sollte. Das Tatbestandsmerkmal der hypothetischen Steuerpflicht im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung liegt somit im Falle negativer Betriebsstätteneinkünfte nicht vor, so dass eine Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG in Verlustkonstellationen letztlich nicht Anwendung finden könnte.5 Im Falle einer Versagung des Verlustabzugs sollten die Auslandsverluste dann aber – analog zur Hinzurechnungsbesteuerung – für Zwecke des § 20 Abs. 2 AStG vorgetragen und mit künftigen aufgrund § 20 Abs. 2 AStG steuerpflichtigen Einkünften verrechnet werden können. Dieselben Grundsätze gelten aufgrund der gesetzlichen Verweistechnik u.E. auch für die Frage, ob Verluste gewerbesteuerlich gem. § 7 Satz 8 GewStG als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt gelten.

6.106 Die Anwendung des § 20 Abs. 2 AStG auf Einkünfte aus ausländischen Personengesellschaften ist mit einigen Zweifelsfragen behaftet. Als problematisch erweist sich insbesondere der Verweis auf die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung. Aus diesem schließt das Schrifttum, dass die ausländische Betriebsstätte für Zwecke des § 20 Abs. 2 AStG als ausländische Gesellschaft i.S. von § 7

1 2 3 4 5

Vgl. Kollruss, IStR 2017, 524 f. Vgl. Kollruss, IStR 2017, 529 f. Vgl. Kollruss, IStR 2017, 530. Vgl. nur Raetschow in Blümich, § 2 EStG Rz. 52. Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 126; Richter, IStR 2010, 1 (6); a.A. Becker/Loitz/Stein, Steueroptimale Verlustnutzung, 147.

798 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.108 Kap. 6

Abs. 1 AStG gilt. Im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft stellt sich nun die Frage, ob die gesamte Betriebsstätte der Personengesellschaft1 oder vielmehr nur der ideelle Betriebsstättenanteil des Gesellschafters2 als (fiktive) ausländische Gesellschaft anzusehen ist. Nach der erstgenannten Auffassung wäre § 20 Abs. 2 AStG nur anzuwenden, wenn an der ausländischen Personengesellschaft mehrheitlich unbeschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind (§ 7 Abs. 1 AStG). Ferner wäre nach dieser Sichtweise im Rahmen der Einkünftequalifikation gem. § 8 Abs. 1 AStG auf die Personengesellschaft selbst abzustellen, was insbesondere bei den sog. Mitwirkungstatbeständen (etwa nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG) Bedeutung erlangt.3 Qualifiziert man hingegen den ideellen Anteil des Steuerinländers an der Betriebsstätte der Personengesellschaft als (fiktive) Zwischengesellschaft, so wären die Beteiligungsvoraussetzungen des § 7 AStG stets erfüllt, da der unbeschränkt Steuerpflichtige an seiner anteiligen Betriebsstätte stets als zu 100 % „beteiligt“ anzusehen wäre. Im Rahmen des § 8 Abs. 1 AStG wäre dann stets auf den Gesellschafter abzustellen. Die Rspr. hat sich bislang noch nicht mit dieser Frage befasst. Eine eindeutige Stellungnahme der Finanzverwaltung ist ebenso wenig zu verzeichnen. Einzelne Aussagen des BMF-Schr. vom 26.9. 20144 und des Anwendungsschreibens zum AStG5 legen jedoch nahe, dass die Finanzverwaltung innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG auf den Betriebsstättenanteil des Gesellschafters abstellt. Für diese Auffassung mag der Wortlaut des § 20 Abs. 2 AStG sprechen. Insbesondere die Formulierungen: „in der Betriebsstätte eines unbeschränkten Steuerpflichtigen“ und „falls diese eine Gesellschaft wäre“ können für eine auf den einzelnen Mitunternehmer bezogene Betrachtung angeführt werden.6 Die Verweistechnik der Norm hingegen spricht eher für eine gesellschaftsbezogene Auslegung.7 So tritt die Rechtsfolge des § 20 Abs. 2 AStG nur ein, wenn die Einkünfte der Personengesellschaft als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die Betriebsstätte eine „ausländische Gesellschaft“ wäre. Abgesehen von Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a EStG kommt eine Steuerpflicht als Zwischeneinkünften bei einer ausländischen Gesellschaft jedoch nur in Betracht, wenn an der Gesellschaft mehrheitlich Steuerinländer beteiligt sind. Insofern spricht aus systematischer Sicht vieles dafür, dass eine solche „Deutschbeherrschung“ auch im Fall einer Beteiligung an einer Personengesellschaft vorliegen muss.

6.107

Der Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode erfolgt ausweislich des Wortlauts des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG „ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG“. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 AStG, die in Umsetzung der Grundsätze des EuGH-Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“8 entsprechend Einkünfte von EU/EWR-Kapitalgesellschaften von der Hinzurechnungsbesteuerung ausnimmt, wenn diese einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, kommt somit innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG nicht zur Anwendung. Für ausländische Betriebsstätteneinkünfte besteht für den Steuerpflichtigen mithin keine derartige Exkulpationsmöglichkeit. Im Schrifttum werden gegen den Ausschluss des „Motivtests“ des § 8 Abs. 2 AStG europarechtliche Bedenken geäußert.9 Diese Zweifel nähren sich insbesondere aus dem Schlussurteil des BFH

6.108

1 So z.B. Wassermeyer in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 123. 2 So Vogt in Blümich, § 20 AStG Rz. 29; Rupp in Haase, § 20 AStG Rz. 79. 3 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.100. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.1.2.2. 5 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, 3, Tz. 20.2. 6 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.103. 7 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.104. 8 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = IStR 2006, 670. 9 Vgl. z.B. Richter, BB 2010, 1832 (1835); Scheipers/Maywald, IStR 2009, 472 (476); Köhler/Eicker, IStR 2007, 331 (334); Kaminski/Strunk/Haase, IStR 2008, 726 (727 f.).

Schänzle/Engel | 799

Kap. 6 Rz. 6.109 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften in der Rs. „Columbus Container Services“.1 Der I. Senat des BFH hatte dort entschieden, dass der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode europarechtlich nicht zulässig sei, soweit er auch dann erfolgt, wenn die Einkünfte nachweislich nicht künstlich auf eine ausländische Betriebsstätte verlagert wurden, sondern in der Betriebsstätte einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen wird. Der EuGH kam im Rahmen des dem Schlussurteil des BFH vorangegangenen Vorabentscheidungsverfahrens allerdings zum gegenteiligen Ergebnis.2 In Folge des von § 20 Abs. 2 AStG angeordneten Übergangs von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode würden die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte steuerlich letztlich wie solche aus dem Inland behandelt, so dass es an einer Diskriminierung und damit an einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit fehle. Die EuGH-Entscheidung stellt offenbar für den Gesetzgeber die maßgebliche Legitimation für den Ausschluss des Motivtests des § 8 Abs. 2 AStG innerhalb des § 20 Abs. 2 AStG dar.3 Die Finanzverwaltung geht ebenfalls davon aus, dass nach dem genannten EuGH-Urteil im Rahmen des unilateralen Aktivitätsvorbehalts keine europarechtliche Notwendigkeit für eine solche Ausnahmeregelung besteht.4 Für die Frage, ob passive, niedrig besteuerte Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG für gewerbesteuerliche Zwecke als in einer inländischen Betriebsstätte erzielt gelten und damit der Gewerbesteuer unterliegen, ist jedoch gem. § 7 Satz 9 GewStG ausdrücklich der Motivtest nach § 8 Abs. 2 AStG zugelassen.5 dd) Abkommensrechtliche Subject-to-Tax-Klauseln

6.109 Die neueren von der BRD abgeschlossenen Abkommen knüpfen die Freistellung von Einkünften

an die Voraussetzung, dass diese im anderen Staat tatsächlich besteuert werden. Sie enthalten damit im Methodenartikel eine eindeutige Subject-to-Tax-Klausel. Gerade in den älteren DBA sind ferner sog. Quellenregeln verbreitet,6 bei denen die Wirkung i.S. einer Subject-to-Tax-Klausel nicht unumstritten ist. Diese Quellenregeln haben grundsätzlich folgenden Wortlaut: „Für die Zwecke dieses Artikels (dem Methodenartikel; Anm. der Verfasser) gelten Einkünfte […] als aus Quellen des anderen Vertragsstaats stammend, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Abkommen in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden.“

Die deutschen DBA begrenzen im Methodenartikel die Verpflichtung des Wohnsitzstaates zur Freistellung oder Anrechnung regelmäßig ausdrücklich auf Einkünfte, die „aus dem anderen Staat stammen“. Nachdem der BFH zwischenzeitlich eine andere Auffassung vertreten hatte,7 interpretiert er die Quellenregeln seit der erneuten Änderung der Rspr. durch das Urteil vom 17.10.20078 wieder dahin gehend, dass sie die Frage, wann bestimmte Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, abschließend regeln.9 Damit versteht der BFH die Quellenregeln i.S. von Subjectto-Tax-Klauseln.10 Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen.11 1 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2009, 774. 2 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services, ECLI:EU:C:2007:754 = IStR 2008, 63. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 94. 4 OFD Rheinland v. 22.10.2010 – Kurzinformation IStR Nr. 49/2010, DStR 2011, 175. 5 Zur erstmaligen Anwendung von § 7 Satz 9 GewStG siehe § 36 Abs. 1 GewStG. 6 Quellenregeln enthalten die DBA mit Neuseeland, Schweden, Dänemark, das Protokoll zum DBAItalien, das DBA-USA sowie das DBA-Kanada 1981, vgl. hierzu Meretzki in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.14. 7 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 14/02, BStBl. II 2004, 260. 8 BFH v. 17.10.2007 – I R 97/06, BStBl. II 2008, 953. 9 Dies entspricht der früheren Rspr. des BFH, vgl. BFH v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117. 10 Vgl. zu alledem Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.15 ff.; sowie Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.61. 11 Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980.

800 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.113 Kap. 6

Zentrales Tatbestandsmerkmal sowohl der Quellenregeln als auch der in den neueren DBA enthaltenen Subject-to-Tax-Klauseln stellt die Besteuerung der Einkünfte im anderen Vertragsstaat dar.1 So wird die Freistellung von der deutschen Besteuerung letztlich an die Voraussetzung geknüpft, dass die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden,2 tatsächlich besteuert werden3 bzw. effektiv besteuert worden sind.4 Im Rahmen der Anwendung der Subject-to-Tax-Klauseln sind daher folgende Fragen von besonderer Bedeutung:

6.110

– Wie ist der Begriff der Einkünfte zu verstehen? – Wann ist von einer Besteuerung im Quellenstaat i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln auszugehen? Im Hinblick auf den Einkünftebegriff innerhalb der Subject-to-Tax-Klauseln hat der BFH in seinem Urteil vom 27.8.19975 entschieden, dass stets auf die einzelnen Einkunftsarten der Verteilungsartikel in ihrer Gesamtheit abzustellen ist. Nach Auffassung des BFH findet also keine Zerlegung des ausländischen Betriebsstättengewinns in einzelne Einnahmen statt. Vielmehr hat eine Einheitsbetrachtung zu erfolgen, so dass eine Besteuerung im anderen Staat bereits vorliegt, wenn die Einkünfte zumindest teilweise im Quellenstaat besteuert werden.6 Diese Rechtsprechung ist jedoch überholt. So ordnet der im Rahmen des BEPS-Umsetzungsgesetzes neu eingefügte § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG ab VZ 2017 an, dass abkommensrechtliche Subject-to-Tax- oder Switchover-Klauseln auch auf „Teile von Einkünften“ Anwendung finden, wenn die übrigen Voraussetzungen der jeweiligen Norm erfüllt sind.

6.111

Beispiel 16: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die P erzielt abkommensrechtlich ausschließlich Unternehmensgewinne und unterhält ausschließlich in Staat P Betriebsstätten. Der Gewinn der Personengesellschaft enthält neben steuerpflichtigen Erträgen auch Einnahmen, die in Staat P aufgrund einer branchenspezifischen Förderungspolitik steuerfrei sind. Das zwischen der BRD und Staat P abgeschlossene DBA enthält eine Subject-to-Tax-Klausel.

6.112

Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 27.8.1997 wäre der gesamte Gewinnanteil des D aus der Personengesellschaft P von der deutschen Steuer regelmäßig freizustellen. Die Subject-to-TaxKlausel käme vorliegend grundsätzlich nicht zur Anwendung, da zumindest ein Teil des Gewinns der Personengesellschaft in Staat P der Besteuerung unterliegt und damit insgesamt betrachtet keine „Nichtbesteuerung“ vorliegt. Anders wäre dies, wenn die Subject-to-Tax-Klausel ausdrücklich eine „atomisierende Betrachtung“ anordnet, wie dies etwa in Art. 23 Abs. 3 Buchst. b DBALiechtenstein der Fall ist7 („Einkünfte oder Einkunftsteile“). Die Finanzverwaltung hingegen ging bereits in der Vergangenheit davon aus, dass sich die Prüfung einer Besteuerung im anderen Staat auch ohne eine solche ausdrückliche Anordnung im Abkommen nicht auf den Gewinnanteil des D, sondern auf einzelne Betriebseinnahmen bezieht.8 In § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG besteht hierfür nun auf Grund des Treaty Override ab dem VZ 2017 auch eine gesetzliche Grundlage. Im Beispielsfall werden (nur)9 die in Staat P steuerfreien Einnahmen somit in Deutschland nicht von der Besteuerung freigestellt.

6.113

1 Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.18 f. 2 Z.B. Art. 24 Abs. 3 DBA-Dänemark; Art. 23 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweden. 3 Z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien. 4 Rz. 16 Buchst. d des Protokolls zum DBA-Italien. 5 BFH v. 27.8.1997 – I R 127/95, BStBl. II 1998, 58. 6 Vgl. zum Ganzen auch Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152; Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.21 f. 7 Weitere Beispiele bilden die neuen DBA mit Australien und Japan, vgl. hierzu Gebhardt, IStR 2016, 1009 (1010). 8 Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3. 9 Die atomisierende Betrachtungsweise betrifft nicht nur die Tatbestandsseite, sondern auch die Rechtsfolgenseite der Subject-to-Tax-Klauseln, vgl. Gebhardt, IStR 2016, 1009 (1010).

Schänzle/Engel | 801

Kap. 6 Rz. 6.114 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.114 Für Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften ist diese „atomisierende Betrachtungs-

weise“ von besonderer Bedeutung, da Sonderbetriebseinnahmen und Aufwendungen und Erträge im Sonderbetriebsvermögen gem. § 50d Abs. 10 EStG als Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinn gelten und im Fall einer Einheitsbetrachtung Subject-to-Tax-Klauseln bei Qualifikationskonflikten bezüglich der Sonderbetriebseinnahmen ins Leere laufen würden. Diese und weitere Fragen der grenzüberschreitenden Besteuerung von Sondervergütungen werden an anderer Stelle ausführlich behandelt (siehe Rz. 6.144 ff.).

6.115 Ob eine Besteuerung im Quellenstaat i.S. der Subject-to-Tax-Klauseln vorliegt, kann im konkreten Einzelfall durchaus schwierig zu beantworten sein. Die Rspr. konnte bislang noch nicht entscheidend zur Klärung der sich in diesem Zusammenhang stellenden Zweifelsfragen beitragen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommt es grundsätzlich darauf an, ob die Einkünfte in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Von einer Besteuerung sei demnach auszugehen, wenn eine (tatsächliche) Besteuerung aufgrund – von Freibeträgen; – eines Verlustausgleichs oder -abzugs wegen anderer negativer Einkünfte; – des Abzugs bzw. der Anrechnung von im Ausland gezahlter Steuern; – der Anwendung einer EG-Richtlinie (z.B. Freistellung von Dividenden aufgrund der MutterTochter-Richtlinie)1 unterbleibt. Ferner sind nach Verwaltungsauffassung temporäre und permanente Differenzen bei der Einkommensermittlung unbeachtlich, d.h., nach Verwaltungsauffassung ist unschädlich, dass sich im Ausland z.B. aufgrund höherer Abschreibungen oder Rückstellungen oder eines nach deutschem Steuerrecht nicht zulässigen Betriebsausgabenabzugs keine oder eine niedrigere Besteuerung ergibt.2 Dieser Verwaltungsauffassung ist u.E. zuzustimmen. Nicht ganz eindeutig ist, ob sich die Aussage, dass das Unterbleiben einer tatsächlichen Besteuerung aufgrund von Freibeträgen unschädlich ist, gleichermaßen auf persönliche und sachliche Freibeträge bezieht oder nur persönliche Freibeträge für die Annahme einer Besteuerung i.S.d. Subject-to-Tax-Klauseln unschädlich sind.

6.116 Während das BMF-Schr. für viele Konstellationen klärt, ob von einer Besteuerung von Einkünften

auszugehen ist, bestehen weiterhin Fallkonstellationen, in denen dies auch unter Berücksichtigung des BMF-Schr. nicht eindeutig ist, z.B: – Im Quellenstaat kann für Veräußerungsgewinne eine § 6b EStG entsprechende Rücklage gebildet werden. – Das Steuerrecht des Quellenstaats ermöglicht eine steuerneutrale, formwechselnde Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft. Die zuletzt genannte Fallkonstellation lag dem BFH-Urteil vom 17.10.20073 zugrunde. Der I. Senat des BFH hatte hier eine Anwendung der im Protokoll zum im Streitfall einschlägigen DBA-Italien enthaltenen Quellenregel bejaht. Die Konstellation einer § 6b EStG entsprechenden Rücklage4 waren bislang noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen und wird auch im BMF-Schr. nicht ausdrücklich behandelt. Jedenfalls für diese Konstellation wäre u.E. eine Anwendung einer Subject-to-Tax-Klausel nicht sachgerecht, da es nicht deren Sinn und Zweck entspricht, solche 1 Vgl. hierzu ausführlich Lüdicke, IStR 2013, 721 (727 f.), der darauf hinweist, dass eine Steuerfreiheit von Dividenden auch dann nicht zu einer Anwendung einer Subject-to-Tax-Klausel führen sollte, wenn sich die Steuerfreiheit nicht aus DBA- oder Unionsrecht, sondern aus originär innerstaatlichem Recht ergibt. 2 Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3. 3 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953. 4 Zur Europarechtskonformität des Inlandsbezugs in § 6b EStG vgl. BFH v. 22.6.2017 – VI R 84/14, DStR 2017, 1864.

802 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.118 Kap. 6

temporären Bemessungsgrundlageneffekte zum Anlass für einen Übergang von der Freistellungszur Anrechnungsmethode zu machen, was – zumindest abstrakt – auch die Finanzverwaltung anerkennt.1 Auch für den Fall des steuerneutralen Formwechsels wird im Schrifttum überwiegend vertreten, dass trotz eines Überspringen stiller Reserven auf ein anderes Steuersubjekt nur ein Besteuerungsaufschub vorliegt, der keine Anwendung der Subject-to-Tax-Klauseln zu rechtfertigen vermag.2 Die Subject-to-Tax-Klauseln finden auch auf Verluste Anwendung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind dabei Verluste nur dann im Inland zu berücksichtigen „wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass eine Berücksichtigung im anderen Vertragsstaat – auch in anderen VZ – endgültig und vollständig ausgeschlossen ist, weil sie zu einer dort nicht besteuerten Kategorie von Einkünften gehören oder mit diesen in Verbindung stehen.“3 Dagegen soll für Kosten oder Verluste, die im anderen Vertragsstaat nur anteilig oder bis zu einer betragsmäßig begrenzten Höhe oder in einem anderen VZ berücksichtigt werden können, eine Berücksichtigung im Inland ausscheiden. Dies ist u.E. unzutreffend, da die in § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG angeordnete „Atomisierung“ nicht zwischen Erträgen und Aufwendungen differenziert und daher auch für Aufwendungen gilt. Insofern sind durchaus einzelne Aufwendungen, die im anderen Staat einem Abzugsverbot unterliegen, im Inland steuerlich zu berücksichtigen, sofern sie nach deutschem Steuerrecht keinem Abzugsverbot unterliegen.4

6.117

ee) Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln setzen eine Nicht-, Minder- und vereinzelt auch eine Doppelbesteuerung im anderen Vertragsstaat voraus. Hinsichtlich der erstgenannten Tatbestandsalternative weisen sie damit eine gewisse Nähe zu Subject-to-tax-Klauseln auf. In zweierlei Hinsicht unterscheiden sich Switch-over-Klauseln jedoch von den Subject-to-Tax-Klauseln: Erstens verlangen sie neben einer Nicht- oder Minderbesteuerung, dass die Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Vertragsstaat auf einen Qualifikations- oder Zurechnungskonflikt zurückzuführen ist.5 Einige Autoren vertreten hierbei die Auffassung, die abkommensrechtlichen Switch-overKlauseln seien nur auf Qualifikationskonflikte anzuwenden, die auf Unterschieden im innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beruhen („echte Qualifikationskonflikte“).6 Der OECD-MK kommt indes bei der Switch-over-Klausel des Art. 23 Abs. 4 OECD-MA zu genau dem gegenteiligen Ergebnis. So soll Art. 23 Abs. 3 OECD-MA nur Anwendung finden, wenn der Qualifikationsoder Zurechnungskonflikt gerade nicht auf dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beruht. Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Switch-over-Klauseln durch den OECD-MK liegt darin begründet, dass der OECD-MK echte Qualifikationskonflikte bereits dadurch vermeidet, dass bei der Anwendung des Methodenartikels von einer Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Sichtweise des Quellenstaats (sog. Qualifikationsverkettung) ausgegangen wird. Während die Finanzverwaltung der im OECD-MK geäußerten Auffassung folgt,7 stehen der BFH8 sowie der über1 Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3 Buchst. a. Meretzki (ISR 2014, 42 [47]) versteht das BMF-Schr. daher so, dass im Fall der Bildung einer mit § 6b EStG vergleichbaren Rücklage auf Grundlage des BMF-Schr. von einer Besteuerung auszugehen ist. 2 Vgl. Lüdicke, IStR 2013, 721 (728); Meretzki, ISR 2014, 42 (47); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174). 3 Vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.5 Buchst.b. 4 Vgl. Lüdicke, IStR 2013, 721 (729). 5 Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.46. 6 Vgl. Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 160; Seidel, Ertragsbesteuerung periodischer Auslandseinkünfte aus Direktinvestitionen, 2011, 152; a.A. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 164a. 7 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.3.3.1. 8 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.

Schänzle/Engel | 803

6.118

Kap. 6 Rz. 6.119 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften wiegende Teil des deutschsprachigen Schrifttums1 zumindest für DBA, die zum Zeitpunkt der entsprechenden Änderung des OECD-MK bereits in Kraft waren, der Qualifikationsverkettung zu Recht ablehnend gegenüber. Unseres Erachtens kann den Switch-over-Klauseln im Allgemeinen weder eine Beschränkung auf echte Qualifikationskonflikte entnommen werden, noch können diese Klauseln umgekehrt in Bezug auf solche Qualifikationskonflikte aufgrund einer Auslegung des Methodenartikels i.S. einer Qualifikationsverkettung als obsolet bezeichnet werden. Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, dass Switch-over-Klauseln im Allgemeinen sämtliche Arten von Qualifikationskonflikten erfassen.2 Ferner ist im Rahmen der Switch-over-Klauseln bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der (Nicht-)Besteuerung im anderen Vertragsstaat stets auf die Einkünfte bzw. Teilbeträge abzustellen, die der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich abweichend einordnet. Insofern bestätigt der im Rahmen des BEPS-Umsetzungsgesetzes ergänzte § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG hier – anders als dies für Subject-to-Tax-Klauseln der Fall ist (siehe zum Treaty Override bezüglich dieser Klauseln Rz. 6.125) – die abkommensrechtliche Rechtslage.

6.119 Beispiel 17: Der Steuerinländer D ist an der gewerblich tätigen Personengesellschaft P in DBA-Freistel-

lungsstaat P beteiligt. P unterhält Betriebsstätten in Staat P sowie in Deutschland. Der Gewinn der Personengesellschaft enthält u.a. Dividenden aus der in Drittstaat X ansässigen Kapitalgesellschaft. Staat P geht davon aus, dass die Dividende der deutschen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist und nimmt damit ein ausschließliches Besteuerungsrecht der BRD entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECDMA an. Deutschland geht hingegen von einer Zuordnung der Beteiligung zu einer Betriebsstätte der P in Staat P aus und kommt damit zu einem Besteuerungsrecht des Staates P entsprechend Art. 21 Abs. 2 OECD-MA.

6.120 Im Beispielsfall fände eine abkommensrechtliche Switch-over-Klausel Anwendung, da die Dritt-

staatsdividende infolge eines Qualifikationskonflikts in Staat P nicht besteuert wird. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals des „besteuert Werdens“ ist nur auf die in dem Gewinnanteil der P enthaltene Dividende und nicht etwa auf den gesamten Unternehmensgewinn (Gewinnanteil des D aus der P) abzustellen.

6.121 Die abkommensrechtlichen Switch-over-Klauseln greifen – anders als dies zumindest dem Wort-

laut nach bei § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG der Fall ist (Rz. 6.126) – nur dann ein, wenn die Anwendung verschiedener Abkommensbestimmungen durch die beiden Vertragsstaaten tatsächlich zu einer Nicht- oder Minderbesteuerung führt. Dies ist gerade für die Tatbestandsalternative der Minderbesteuerung von besonderer Bedeutung.

6.122 Beispiel 18:3 Der Steuerinländer D ist an der gewerblich tätigen Personengesellschaft P in DBA-Freistel-

lungsstaat P beteiligt, die sowohl in Staat P als auch in Deutschland Betriebsstätten betreibt. Die Personengesellschaft gewährt einem Dritten ein Darlehen über 2 Mio. Euro und erhält hierfür im maßgeblichen Veranlagungszeitraum Zinsen i.H. von 100.000 Euro. Die Personengesellschaft hat die Darlehensvergabe durch ein Bankdarlehen refinanziert, für das im maßgeblichen Jahr 80.000 Euro an Zinsaufwand entstanden. Deutschland ordnet das Darlehen einer Betriebsstätte in Staat P zu, während Staat P den Zinsartikel anwendet. Dieser gewährt dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht i.H. von 10 % der Bruttoeinnahmen. Der reguläre Steuersatz in Staat P beträgt 30 %.

6.123 In dieser Konstellation wäre eine abkommensrechtliche Switch-over-Klausel nicht anwendbar,

weil die abweichende abkommensrechtliche Einordnung der Darlehenszinsen in Staat P tatsächlich keine Minderbesteuerung zur Folge hat: Im Beispielsfall ergibt sich in Staat P eine tatsächliche Steuer i.H. von 10.000 Euro. Bei einer Behandlung als Teil des Betriebsstättengewinns hätte die 1 Vgl. Lang in FS Vogel, 907 ff.; Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (856 ff.). Dem OECD-MK folgend dagegen Weggenmann, IStR 2002, 614 ff.; Salome/Danon, Intertax 2003, 190 (193 ff.). 2 Vgl. zu alledem Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.63 m.w.N. 3 In enger Anlehnung an Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.49.

804 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.126 Kap. 6

Steuer hingegen nur 6 000 Euro (30 % von 20.000 Euro) betragen, da in diesem Fall der Refinanzierungsaufwand bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zum Abzug hätte gebracht werden können. ff) Switch-over- und Subject-to-Tax-Klauseln nach nationalem Recht (1) Überblick über die Vorschrift des § 50d Abs. 9 EStG In § 50d Abs. 9 EStG hat der Gesetzgeber die abkommensrechtlichen Switch-over- und Subject-toTax-Klauseln jeweils um ein innerstaatliches Pendant ergänzt. Die Vorschrift enthält zwei Regelungen, eine Switch-over-Klausel (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) und eine Subject-to-Tax-Klausel (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG). Rechtsfolge beider Vorschriften ist ein Übergang von der im Abkommen vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungs- bzw. Abzugsmethode (§ 34c Abs. 6 Satz 5 EStG).

6.124

Im Hinblick auf die Anwendungsvoraussetzungen der beiden Normen ist zunächst festzuhalten, dass die Klauseln einerseits gemeinsame, anderseits jeweils spezifische Tatbestandsmerkmale aufweisen. So setzt § 50d Abs. 9 EStG in beiden Varianten Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen voraus, die nach einem DBA von der deutschen Steuer freizustellen sind. Dies führt zu der Frage, was unter „Einkünften“ i.S. des § 50d Abs. 9 EStG zu verstehen ist, kommen hier doch sowohl das einkommensteuerrechtliche als auch das abkommensrechtliche Begriffsverständnis infrage. Während die Auffassungen im Schrifttum geteilt sind, geht der BFH davon aus, dass auf die abkommensrechtlichen Einkünftekategorien abzustellen ist. Dem ist u.E. zuzustimmen, setzt doch § 50d Abs. 9 EStG tatbestandlich voraus, dass die Einkünfte abkommensrechtlich steuerbefreit sind. Aufgrund dieser Verknüpfung des Einkünftebegriffs mit der Eigenschaft der abkommensrechtlichen Steuerfreiheit ist u.E. zumindest naheliegend, dass innerhalb des § 50d Abs. 9 EStG nicht vom allgemeinen einkommensteuerlichen Begriffsverständnis, sondern von den abkommensrechtlichen Einkünftekategorien auszugehen ist.1 Die nach der BFH-Rspr.2 für abkommensrechtliche Subject-to-Tax-Klauseln relevante Einheitsbetrachtung (siehe Rz. 6.111) findet innerhalb des § 50d Abs. 9 EStG keine Anwendung. Dies wurde durch das BEPS-Umsetzungsgesetz3 gesetzlich dadurch „klargestellt“, dass nun mit Wirkung ab VZ 2017 im Einleitungssatz der Vorschrift das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ ersetzt wurde. Zuvor war nach h.M. aufgrund der Verwendung des Wortes „wenn“ im Einleitungssatz von einer Einheitsbetrachtung auszugehen.4 Der BFH hat die h.M. in mehreren Urteilen bestätigt5 und der anderslautenden Verwaltungsauffassung6 eine Absage erteilt.

6.125

(2) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG Über die in Rz. 6.124 beschriebenen, allgemeinen Tatbestandsmerkmale setzt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG voraus, dass der andere Staat das Abkommen so anwendet, dass die Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen sind (Alt. 1) oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können (Alt. 2). Aus der Wortfolge „das Abkommen so anwendet“ folgt zunächst, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nur eingreift, wenn der Quellenstaat die Einkünfte aufgrund der Anwendung einer Abkommensvorschrift nicht oder nur zu einem abkommensrechtlich begrenzten Steuersatz besteuert. Eine 1 2 3 4

Vgl. Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Anm. 51. BFH v. 11.6.1996 – I R 8/96, BStBl. II 1997, 117. Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. Vgl. z.B. Meretzki, IStR 2008, 23 ff.; Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.77 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 20.5.2015 – I R 68/14, IStR 2015, 666; BFH v. 21.1.2016 – I R 49/14, BFH/NV 2016, 1088. 6 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.3.3.2.

Schänzle/Engel | 805

6.126

Kap. 6 Rz. 6.127 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Staat führt dementsprechend nicht zu einer Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG.1 Die innerstaatliche Switch-over-Klausel setzt ferner voraus, dass die Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Staat Folge eines Qualifikationskonflikts ist.2 Auch dies ergibt sich aus der Formulierung „das Abkommen so anwendet“, aus der zu schließen ist, dass das DBA aus deutscher Sicht gerade nicht „so“, sondern anders anzuwenden gewesen wäre.3 Die Ursache des Qualifikationskonflikts ist für die Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG irrelevant.4 Schließlich ist zu beachten, dass innerhalb der Vorschrift auf das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht des Quellenstaats und nicht wie bei den abkommensrechtlichen Switch-over-Klauseln auf die tatsächliche Besteuerung abzustellen ist. § 50d Abs. 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann daher zumindest dem Wortlaut nach auch dann anzuwenden sein, wenn sich die Steuersatzbegrenzung – bspw. aufgrund von mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen – letztlich gar nicht auswirkt.5 Aufgrund der Maßgeblichkeit des abkommensrechtlichen Besteuerungsrechts wäre die Vorschrift des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG in der dem Beispiel 18 (Rz. 6.122) zugrunde liegenden Konstellation anwendbar, obwohl sich dort aus dem Qualifikationskonflikt letztlich keine niedrigere Besteuerung ergibt. Da eine Anwendung der innerstaatlichen Switch-over-Klausel in solchen Konstellationen nicht dem Sinn und Zweck der Norm entspricht, wäre hier an eine teleologische Reduktion des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zu denken. (3) Spezifische Tatbestandsmerkmale des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG

6.127 Die innerstaatliche Subject-to-Tax-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt neben den

sich aus dem Einleitungssatz ergebenden Tatbestandsmerkmalen (Rz. 6.124) voraus, dass die Einkünfte im anderen Staat nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht aufgrund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Der Gesetzgeber will damit Konstellationen erfassen, in denen ausländische Einkünfte im Rahmen einer beschränkten Steuerpflicht oder einer Remittance-Base-Besteuerung6 im Ausland nicht besteuert werden. Dabei macht die Vorschrift keinen Unterschied, ob die fehlende Steuerpflicht Folge einer Lücke im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ist oder – wie dies etwa im Falle gezielter Anreize für ausländische Investoren der Fall ist7 – auf eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung des Quellenstaates zurückzuführen ist.8 3. Besteuerung des Gewinnanteils bei abweichender Qualifikation a) Intransparente Besteuerung im Sitzstaat aa) OECD-MA

6.128 In den dem OECD-MA folgenden Abkommen gilt eine Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat als eigenes Steuersubjekt einer unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegt, entspre-

1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Anm. 72. Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. Vgl. Meretzki in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.82. 6 Nach dem Remittance-Base-Prinzip erfolgt im Wohnsitzstaat erst dann eine Besteuerung ausländischer Einkünfte und Vermögenswerte, wenn diese vom Ausland in den Wohnsitzstaat überwiesen worden sind, vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 271. 7 Vgl. hierzu BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.1.2.4 Beispiel 2; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Anm. 103. 8 Kritisch Vogel, IStR 2007, 225 (228); vgl. zu alledem auch Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Anm. 103.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.130 Kap. 6

chend Art. 4 Abs. 1 OECD-MA als eine in ihrem Sitzstaat ansässige Person.1 Für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen hat dies zur Folge, dass der Sitzstaat der Personengesellschaft diese aufgrund ihrer Abkommensberechtigung auch als Betreiberin des von ihr geführten Unternehmens qualifizieren wird. Damit stellt das Unternehmen der Personengesellschaft jedenfalls aus der Sicht des Ansässigkeitsstaats der Personengesellschaft i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECDMA ein Unternehmen ebendieses Staates dar. Der Ansässigkeitsstaat wird deshalb auf Grundlage des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA für sich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für den von der Personengesellschaft erzielten Gewinn reklamieren.2 Im Schrifttum wurde lange kontrovers diskutiert, ob Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bei der Anwendung des Abkommens i.S. einer subjektiven Qualifikationsverkettung an die Unternehmenszuordnung des intransparent besteuernden Sitzstaates der Gesellschaft gebunden ist. Eine solche Bindungswirkung hätte nach der Auffassung nahezu aller sich für eine solche Auslegung aussprechenden Autoren zur Folge, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA von vornherein an einer Besteuerung des Gewinns der Personengesellschaft gehindert ist.3 Im Falle einer subjektiven Qualifikationsverkettung könnte der Wohnsitzstaat des Gesellschafters somit weder die Personengesellschaft selbst noch den inländischen Gesellschafter zu einer Steuer auf den Gewinn(-anteil) heranziehen. Dies würde auch für Gewinne der Personengesellschaft aus einer Betriebsstätte in einem Drittstaat gelten.4 Da der Methodenartikel nach dieser Sichtweise für die Besteuerung des Gesellschafters keine Bedeutung hat, wäre dessen Ansässigkeitsstaat auch dann an einer Besteuerung des Gewinnanteils gehindert, wenn der jeweilige Methodenartikel des einschlägigen DBA für Unternehmensgewinne nur eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorsieht.5 Weiterhin käme einem etwaigen Aktivitätsvorbehalt keine Bedeutung zu. Verneint man hingegen eine subjektive Qualifikationsverkettung, würde Deutschland das Unternehmen der Personengesellschaft ebenso wie im Falle einer übereinstimmenden Qualifikation anteilig den dahinterstehenden Gesellschaftern zuordnen und damit hinsichtlich des Gewinnanteils des Steuerinländers von einem inländischen Unternehmen ausgehen (Rz. 6.86 f.).

6.129

Der BFH hat mit Urteil vom 25.5.20116 zum DBA-Ungarn7 entschieden, dass die Besteuerung eines in Deutschland ansässigen Gesellschafters einer ungarischen, nach dortigem Recht steuerlich intransparent behandelten Personengesellschaft nach Maßgabe des DBA-Ungarn auf der Grundlage des deutschen und nicht des ungarischen Steuerrechts vorzunehmen ist. Nach Ansicht des BFH erfolgt somit keine subjektive Qualifikationsverkettung, so dass auch im Falle einer intransparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft bei der Anwendung des DBA aus deutscher Sicht die oben für das Transparenzprinzip dargestellten Grundsätze (Rz. 6.86) greifen.

6.130

1 Ganz h.M., vgl. z.B. Richter, FR 2010, 540 (544); Schmidt, IStR 2010, 413 (416); Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Weggenmann in Wassermeyer/Schnittker/Richter, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.45; Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1377); a.A. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.1; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358). 2 Vgl. zu alledem Lüdicke IStR 2011, 91 (91); Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Weggenmann in Wassermeyer/Schnittker/Richter, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.45; Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (782). 3 A.A. Lang in FS Fischer, 713 (719 ff.); Lang, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships – A Critical Analysis of the Report Prepared by the OECD Committee on Fiscal Affairs, 97 f.; Lang in FS Vogel, 907 (914), nach dessen Auffassung sich für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ein Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 OECD-MA ergibt. 4 Für diese Fälle eine teleologische Reduktion des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in Betracht ziehend Wassermeyer, IStR 2011, 85 (89 f.). 5 Ein Einbezug der Einkünfte in den Progressionsvorbehalt könnte jedoch trotzdem erfolgen, vgl. hierzu Lüdicke, IStR 2011, 91 (94). 6 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 7 BGBl. II 1979, 626.

Schänzle/Engel | 807

Kap. 6 Rz. 6.131 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Bei Abkommen, die wie das DBA-Ungarn in ihrem Aufbau dem OECD-MA folgen, ist somit nach zutreffender Auffassung des BFH im Rahmen der abkommensrechtlichen Unternehmenszuordnung von einer anwenderstaatsorientierten Auslegung auszugehen.1 Zur Begründung dieser Auffassung führt der I. Senat aus, dass die Einkünftezurechnung nicht Gegenstand des DBA, sondern des originär innerstaatlichen Rechts sei. Der nach dem nationalen Recht des jeweiligen Anwenderstaats vorgenommenen Einkünftezurechnung komme auch für die DBA-Anwendung maßgebliche Bedeutung zu.2 So führt nach Ansicht des BFH die Zuordnung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft zum inländischen Gesellschafter dazu, dass das Unternehmen der Personengesellschaft aus deutscher Sicht dem inländischen Mitunternehmer zuzurechnen ist. Bei der Bestimmung der Person, die das Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne betreibt, ist also darauf abzustellen, welcher Person die Einkünfte aus der unternehmerischen Tätigkeit nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaats steuerlich zugerechnet werden.3 bb) DBA-Belgien

6.131 Eine Reihe von DBA mit deutscher Beteiligung enthalten Sonderregelungen in Bezug auf Per-

sonengesellschaften. So umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien4 der Begriff der „Gesellschaft“ „sämtliche Rechtsträger, die in ihrem Ansässigkeitsstaat als solches besteuert werden, sowie die OHG, KG und Partenreedereien deutschen Rechts“. Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Ansässigkeit sind – in Übereinstimmung mit dem OECD-MA – gem. Art. 4 Abs. 1 Halbs. 1 DBABelgien Personen, die nach dem Recht eines Vertragsstaates aufgrund eines persönlichen Merkmals steuerpflichtig sind, in diesem Staat ansässig. Nach dem zweiten Halbsatz dieser Regelung qualifizieren jedoch darüber hinaus auch OHG, KG und Partenreedereien deutschen Rechts sowie transparent besteuerte Gesellschaften belgischen Rechts, deren tatsächliche Geschäftsleitung sich jeweils in diesem Staat befindet, als ansässige Personen im abkommensrechtlichen Sinne. Diese Erweiterung des Kreises der ansässigen Personen hat jedoch in Übertragung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.11.2011 nicht zur Folge, dass der in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft die von ihr erzielten Einkünfte abkommensrechtlich zuzurechnen wären. Vielmehr gilt auch für das DBA-Belgien, dass die Einkünftezurechnung Gegenstand des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten ist. Im Hinblick auf die Besteuerung von Unternehmensgewinnen gelten somit die für das OECD-MA dargestellten Grundsätze,5 wonach die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung der Einkünftezurechnung des jeweiligen Anwenderstaats folgt.6 cc) DBA-Portugal

6.132 Eine Sonderregelung für Einkünfte aus Personengesellschaften enthält auch das DBA-Portugal.7 Diese auf Ebene der Gesellschafter ansetzende Regelung bestimmt, dass der Gesellschafter einer Personengesellschaft für Zwecke der Anwendung der Verteilungsnormen betreffend seine Einkünfte8 und sein Vermögen aus der Personengesellschaft als am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Personengesellschaft ansässig gilt (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Portugal). Für die Besteuerung des inländischen Gesellschafters einer portugiesischen Personengesellschaft hat dies zur Folge, dass auch aus deutscher Sicht Portugal hinsichtlich der Einkünfte aus der Personengesellschaft als Wohnsitzstaat des Gesellschafters gilt und damit Deutschland insoweit höchstens ein Besteuerungsrecht als Quellenstaat zukommen kann.

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. hierzu auch Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (780 f.). Ebenso Wassermeyer, IStR 1998, 489 (491); Lüdicke, IStR 2011, 91 (93). Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (397). BGBl. II 1969, 17. Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 63. Vgl. zu alledem Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (398). BGBl. II 1982, 130. Das DBA-Portugal schließt hierbei Ausschüttungen vom Anwendungsbereich der Norm aus.

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C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.137 Kap. 6 Beispiel 19: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der portugiesischen Personengesellschaft (Sitz und Ort der Geschäftsleitung liegen jeweils in Portugal) P beteiligt. Die Gesellschaft erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne, wobei sie Betriebsstätten in Portugal, Deutschland und dem Nicht-DBA-Staat X unterhält.

6.133

Aufgrund der intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft in Portugal ist aus portugiesischer Sicht die Personengesellschaft selbst Betreiberin des Unternehmens im abkommensrechtlichen Sinne. Portugal nimmt daher ein portugiesisches Unternehmen i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Portugal an. Portugal wird somit für sich ein Besteuerungsrecht für den gesamten Gewinn der Personengesellschaft reklamieren und die in Deutschland auf den Betriebsstättengewinn erhobene Steuer gem. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Portugal anrechnen. Deutschland wird dagegen im Rahmen der Besteuerung des D ebendiesen als Betreiber des (anteiligen) Unternehmens der Personengesellschaft qualifizieren. Gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal gilt D jedoch als in Portugal ansässig. Im Ergebnis liegt mithin auch aus deutscher Sicht ein portugiesisches Unternehmen vor,1 denn die Sonderregelungen in Art. 4 Abs. 4 der genannten Abkommen gelten ausweislich des Wortlauts auch für die Wohnsitzbesteuerung der Gesellschafter.2 Deutschland kann daher – korrespondierend zur portugiesischen Sichtweise – für sich nur bezüglich des auf die in der BRD belegene Betriebsstätte entfallenden Teils des Gewinnanteils des D ein Besteuerungsrecht reklamieren.

6.134

Beispiel 20 (Abwandlung von Beispiel 19): Der Ausgangssachverhalt entspricht dem in Beispiel 19 mit dem Unterschied, dass D nicht direkt, sondern über die inländische D-KG an der P beteiligt sein soll.

6.135

In Beispiel 20 stellt sich die Frage, wer „Gesellschafter“ der Personengesellschaft P i.S. des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal ist, zumal diesbezüglich die D-KG oder deren hinter ihr stehende Gesellschafter und damit u.a. D in Betracht kommen. Wäre auf den zivilrechtlichen Gesellschafter abzustellen, hätte dies zur Folge, dass die Ansässigkeitsfiktion (nur) für die D-KG gilt. Für die Besteuerung des D würden sich dagegen keine materiellen Konsequenzen ergeben. Richtigerweise sollte jedoch i.S. einer steuerlich orientierten Auslegung des Gesellschafterbegriffs des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Portugal in der vorliegenden Konstellation dem Transparenzprinzip entsprechend D aufgrund seiner Eigenschaft als Mitunternehmer der D-KG als (mittelbarer) „Gesellschafter“ der Untergesellschaft anzusehen sein.3 Somit stellt sich letztlich dasselbe Ergebnis ein wie in Beispiel 19. D gilt somit im Hinblick auf die Einkünfte aus der Personengesellschaft P, die im über seine Beteiligung an der D-KG zugerechnet werden, als in Portugal ansässig.

6.136

dd) DBA-USA Das DBA-USA4 enthält in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA eine Sonderregelung zur Behandlung sog. „hybrider Gesellschaften“,5 also solcher Gesellschaften, die in einem der Vertragsstaaten steuerlich intransparent, im anderen Vertragsstaat hingegen transparent behandelt werden. Nach dieser Vorschrift gelten Einkünfte, die von einer oder über eine Person erzielt werden, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist, als von einer in einem Staat ansässigen Person bezogen, soweit sie i.S. der Steuergesetze dieses Staates als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person gelten. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthält somit zwei verschiedene Tatbestandsalternativen: Die Erzielung von Einkünften von einer Person, die nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist (Alt. 1) und die Erzielung von Einkünften über eine Person, die nach dem Recht 1 So auch Haase/Brändel, IStR 2011, 255 (256); Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (399). 2 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (Obiter Dictum zu Art. 4 Abs. 4 DBA-Spanien); ausführlich Raber in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Portugal Rz. 20; a.A. Herlinghaus zu Art. 4 DBA-Spanien a.F., vgl. Herlinghaus in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Spanien Rz. 16. 3 Vgl. Engel/Hilbert, FR 2012, 394 (400). 4 BGBl. II 2008, 611, berichtigt in BGBl. II 2008, 851. 5 Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750.

Schänzle/Engel | 809

6.137

Kap. 6 Rz. 6.138 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig ist (Alt. 2). Rechtsfolge des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA ist für beide Alternativen, dass die Einkünfte als von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person erzielt gelten. Lange Zeit war unklar, ob Art. 1 Abs. 7 DBA-USA lediglich regelt, dass die Einkünfte von (irgend-)einer in einem der Vertragsstaaten ansässigen Person erzielt werden und damit letztlich nur den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens betrifft1 oder ob die Vorschrift auch die abkommensrechtliche2 Einkünftezurechnung regelt.3 Der BFH hat in einem Urteil zur abkommensrechtlichen Einordnung einer sog. „S-Corporation“4, also einer Körperschaft, die aufgrund der entsprechenden Ausübung eines Wahlrechts nach Subchapter S Internal Revenue Code für US-amerikanische steuerliche Zwecke transparent behandelt wird, entschieden, dass Art. 1 Abs. 7 DBA-USA nur den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens regelt und nicht auch die Einkünftezurechnung.

6.138 Beispiel 21: Die inländische D-GmbH ist an der P-LLC beteiligt. Diese ist aus deutscher Sicht als Personengesellschaft zu qualifizieren, wird jedoch in den USA intransparent besteuert. Die P-LLC erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne aus US-amerikanischen Betriebsstätten.

6.139 In Beispiel 21 ist aufgrund der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Einordnung der P-LLC in den

USA und Deutschland die Vorschrift des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA zu prüfen. Aus US-amerikanischer Perspektive ist ein Anwendungsfall des Art. 1 Abs. 7 Alt. 1 DBA-USA gegeben, da die Einkünfte aus Sicht der USA von der P-LLC erzielt werden, die ihrerseits in einem der beiden Staaten (Deutschland) als solche nicht steuerpflichtig ist, jedoch aufgrund ihrer intransparenten steuerlichen Behandlung in den USA dort abkommensrechtlich ansässig ist. Aus deutscher Sicht werden die Einkünfte dagegen von der in Deutschland ansässigen D-GmbH über die P-LLC erzielt, wobei Letztere nach deutschem Recht als solche nicht steuerpflichtig ist. Damit liegen aus deutscher Sicht die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 7 Alt. 2 DBA-USA vor. Nach der BFH-Rechtsprechung führt die Anwendung des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA dazu, dass die LLC aufgrund ihrer Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt in den USA als abkommensberechtigte Person qualifiziert. Konsequenzen für die Einkünftezurechnung ergeben sich hingegen nach Auffassung des BFH aus Art. 1 Abs. 7 DBA USA nicht. Dem ist u.E. zuzustimmen. Denn selbst wenn man mit der in der Literatur vertretenen Auffassung in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA auch die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung geregelt sieht, ließe sich der im Beispielsfall gegebene Qualifikations- bzw. Zurechnungskonflikt nicht auflösen. Denn die beiden Tatbestandsalternativen des Art. 1 Abs. 7 DBAUSA stehen gleichberechtigt nebeneinander, weshalb beide Staaten innerhalb von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA von ihren Zurechnungsgrundsätzen ausgehen können.5 Somit wären die Einkünfte auch unter Berücksichtigung dieser Vorschrift in den beiden Staaten unterschiedlichen Personen zuzurechnen. Im Ergebnis kommen somit im Beispielsfall dieselben Grundsätze zum Tragen, wie sie oben für das OECD-MA (Rz. 6.128 ff.) herausgearbeitet wurden.6 b) Exkurs: Transparente Besteuerung im Sitzstaat bei deutscher Qualifikation als Kapitalgesellschaft

6.140 Denkbar sind auch Konstellationen, in der eine in ihrem Sitzstaat transparent besteuerte (Per-

sonen-)Gesellschaft aus deutscher Sicht nach dem Rechtstypenvergleich als Körperschaft zu qualifizieren ist.

1 So z.B. Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Kreienbaum/Nürnberger, IStR 2006, 806 (811). 2 Die Einkünftezurechnung nach nationalem Recht bleibt selbstverständlich unberührt, vgl. hierzu auch Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 77; Schönfeld, IStR 2007, 274 (276). 3 So die h.M., vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 113; Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/ Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 73–75; Jacob, IStR 2011, 98 (99); Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (752). 4 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367. 5 So auch Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 91. 6 Ebenso im Ergebnis Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 92 f.; siehe auch Engel/Hilbert, FR 2012, 384 (401 f.).

810 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.146 Kap. 6 Beispiel 22: Der Steuerinländer D ist an der Gesellschaft G in Staat G beteiligt. Diese ist aus deutscher Sicht als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren, wird jedoch in Staat G transparent besteuert. Die G erzielt ausschließlich Unternehmensgewinne aus in Staat G belegenen Betriebsstätten.

6.141

In Deutschland erfolgt die Besteuerung des Gesellschafters D erst im Falle einer Ausschüttung (Rz. 6.33). Dabei finden bei einer Zuordnung der Beteiligung zum steuerlichen Privatvermögen die Regelungen zur sog. Abgeltungsteuer Anwendung, während im Falle einer Zugehörigkeit der Beteiligung zu einem Betriebsvermögen das Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40 Buchst. d, 3c Abs. 2 EStG) eingreift.

6.142

Im DBA-Fall wäre Deutschland in Beispiel 22 abkommensrechtlich nicht an einer Besteuerung der Gewinnausschüttung gehindert. Denn nach dem BFH-Urteil vom 20.8.20081 hat Deutschland gem. Art. 21 Abs. 1 OECD-MA ein Besteuerungsrecht für den ausgeschütteten Gewinn.2

6.143

4. Besteuerung von Sondervergütungen a) Dem OECD-MA entsprechende DBA Die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten wie das OECD-MA keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung der nach deutschem Steuerrecht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünfte. Aus diesem Grund wäre grundsätzlich anhand allgemeiner Auslegungskriterien zu entscheiden, unter welche abkommensrechtliche Einkunftsart Sondervergütungen zu subsumieren sind. Der Gesetzgeber hat jedoch in § 50d Abs. 10 EStG geregelt, dass Sondervergütungen – soweit das Abkommen diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung enthält – ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Die Einführung dieser Vorschrift durch das JStG 20093 stellte seinerzeit eine Reaktion des Gesetzgebers auf die anderslautende Rspr. des BFH dar. Dieser hatte im Hinblick auf Zinsen, die ein ausländischer Gesellschafter von einer inländischen Mitunternehmerschaft erhielt, eine (vorrangige) Anwendung des Zinsartikels angenommen, welcher im konkreten Fall ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates vorsah.4 § 50d Abs. 10 EStG dient daher in erster Linie der „Absicherung“ eines deutschen Besteuerungsrechts für Sondervergütungen nach dem Betriebsstättenprinzip in Inbound-Konstellationen. Die Vorschrift ist jedoch auch auf unbeschränkt Steuerpflichtige anzuwenden, weshalb im Folgenden die Besteuerung von Sondervergütungen, die ein Steuerinländer aus „seiner“ ausländischen Personengesellschaft erhält, aufgezeigt werden soll.

6.144

Beispiel 23: Der Steuerinländer D ist an einer Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt, die nur in Staat P über Betriebsstätten verfügt. D hat der P ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100.000 Euro erhält. Staat P soll die Darlehenszinsen annahmegemäß ebenfalls als Sondervergütungen behandeln.

6.145

Zunächst ergibt sich aus § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG, dass es sich bei den Zinseinkünften aus deutscher Sicht abkommensrechtlich um Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA handelt. Des Weiteren ordnet § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG an, dass die Zinseinkünfte für Zwecke des Abkommens der Betriebsstätte zuzuordnen sind, die auch den entsprechenden Aufwand getragen hat. Dies kann im vorliegenden Fall nur eine Betriebsstätte in Staat P sein, so dass die Sonderbetriebseinnahmen grds. in Deutschland freizustellen sind. Etwaige Refinanzierungsaufwendungen wären folglich in Deutschland nicht abziehbar.

6.146

1 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 2 Ebenso BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.4.2; v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 3 BGBl. I 2008, 2794. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 (zu Art. 7 und 11 DBA-USA).

Schänzle/Engel | 811

Kap. 6 Rz. 6.147 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.147 Die Zuordnungsnorm des § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG wurde erst im Rahmen des Amtshilfericht-

linie-Umsetzungsgesetz ergänzt und stellt eine Reaktion auf das BFH-Urteil vom 8.9.20101 dar. In diesem Urteil hatte der BFH herausgestellt, dass § 50d Abs. 10 EStG a.F. die Betriebsstättenzuordnung nicht regele und daher nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu entscheiden wäre, ob die Sondervergütungen einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnen sind. Der innerstaatlichen Norm des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG könne hingegen im Rahmen der abkommensrechtlichen Betriebsstättenzurechnung keine Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr würden innerhalb des Art. 7 OECD-MA weitestgehend dieselben Grundsätze gelten wie im Rahmen der Betriebsstättenvorbehalte. Einer dem Gesellschafter über seine Beteiligung zuzurechnenden Betriebsstätte der Personengesellschaft könnten somit nur solche Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, die dieser Betriebsstätte nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten „gebühren“. Auch die h.M. nahm bis zur Einführung der Zuordnungsnorm in § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG an, dass die Zuordnungsfrage im Wege einer abkommensorientierten Auslegung zu klären ist, und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Sondervergütungen (regelmäßig) keiner Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet werden können.2 Stattdessen wurde zum Teil davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens und damit auch die Sondervergütungen einer vom Mitunternehmer selbst eigens für den Sonderbetriebsbereich unterhaltenen Betriebsstätte (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte) oder einer weiteren Betriebsstätte bzw. dem „Stammhaus“ des eigenen Unternehmens des Mitunternehmers zuzuordnen sind. Durch die gesetzliche Änderung sind diese abkommensrechtlichen Zuordnungsfragen jedenfalls für Sondervergütungen nicht mehr von Bedeutung. Relevant bleiben diese jedoch für die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen im Sonderbertriebsvermögen, die zwar gem. § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG ebenfalls als Unternehmensgewinne gelten, für die aber die Zuordnungsregelung in § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG nicht greift.

6.148 Insbesondere wenn der andere Staat das Konzept der Sondervergütungen nicht kennt, kann die

Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG zu Qualifikationskonflikten führen. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und daher in § 50d Abs. 10 Satz 8 EStG ausdrücklich angeordnet, dass die innerstaatliche Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG auch im Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG Anwendung findet.

6.149 Beispiel 24 (Abwandlung von Beispiel 23): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 23. Nur

lässt nun Staat P die Darlehenszinsen annahmegemäß bei der Personengesellschaft P zum Abzug zu. Die an D gezahlten Darlehenszinsen subsumiert Staat P unter den Zinsartikel, der ein alleiniges Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats vorsehen soll.

6.150 Wie in Rz. 6.146 dargestellt, bilden die Darlehenszinsen in Beispiel 24 einen Teil des ausländischen

Betriebsstättengewinns, welcher dementsprechend grundsätzlich von der inländischen Besteuerung auszunehmen ist. Allerdings greift im Beispielsfall die innerstaatliche Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn aufgrund der seit der Änderung des Gesetzeswortlauts im Rahmen des BEPS-Umsetzungsgesetzes im Rahmen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG relevanten Bruchteilsbetrachtung (siehe Rz. 6.125), kommt es bereits insoweit zu einem (partiellen) Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode als die Sondervergütungen in Staat P aufgrund der abweichenden Abkommensanwendung nicht besteuert werden.

6.151 Für die Gewerbesteuer war bis einschließlich Erhebungszeitraum 2016 die abkommensrechtliche

Behandlung der Sondervergütungen nicht von Bedeutung, da die Sondervergütungen zum Anteil am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft i.S. des § 9 Nr. 2 GewStG gehören und demnach beim inländischen Gesellschafter der gewerbesteuerlichen Kürzung unterliegen. Ab Erhebungszeitraum 20173 sind jedoch § 7 Satz 8 und § 9 Nr. 2 GewStG zu beachten. Diese führen im Ergebnis dazu, dass die Sondervergütungen mangels Gewerbesteuerpflicht der P bei dieser

1 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 104 m.w.N. 3 Siehe § 36 Abs. 2a GewStG.

812 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.155 Kap. 6

nicht der Gewerbesteuer unterliegen, jedoch auf Ebene des Gesellschafters die gewerbesteuerliche Kürzung wegen § 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG ggf. insoweit keine Anwendung findet – sofern der Gesellschafter überhaupt gewerbesteuerpflichtig ist (siehe Rz. 6.104). Bei zu Sondervergütungen führenden Zinsen ist u.E. für Zwecke der Einordnung in den Einkünftekatalog des § 8 AStG auf die Tätigkeit der Personengesellschaft abzustellen, da Sondervergütungen für deutsche steuerliche Zwecke wie ein Vorabgewinn behandelt werden. Damit können niedrig (oder gar nicht) besteuerte Sondervergütungen allenfalls dann der Gewerbesteuer unterliegen, wenn die Tätigkeit der Personengesellschaft nicht aktiv i.S. des § 8 AStG ist und im Fall eines EU/ EWR-Staats auch der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 AStG im maßgeblichen Staat nicht geführt werden kann. Klärungsbedürftig erscheint ferner, ob Sondervergütungen überhaupt unter die Neuregelung des § 7 Satz 8 GewStG fallen können, da bei einer hypothetischen Behandlung der Personengesellschaft als Zwischengesellschaft nach § 20 Abs. 2 AStG gar keine Einkünfte vorliegen würden, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen könnten (Sondervergütungen würden vielmehr auf Gesellschaftsebene Zinsaufwand darstellen). b) DBA mit ausdrücklichen Regelungen für Sondervergütungen Einige der von der BRD abgeschlossenen Abkommen enthalten für Sondervergütungen eine ausdrückliche Regelung.1 Diese genießen Vorrang vor der innerstaatlichen Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG. Die Sonderregelungen sind jeweils in ihrem Wortlaut identisch, so dass insoweit keine weiteren Differenzierungen notwendig sind. Sie weisen Sondervergütungen jeweils dem Artikel über Unternehmensgewinne zu, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, in dem die Betriebsstätte belegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.2 Ordnet keiner der beiden Vertragsstaaten die Vergütungen einer in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft zu, bleibt es dagegen bei den allgemeinen Grundsätzen.

6.152

Beispiel 25: Der Steuerinländer D ist an der schweizerischen CH-OHG beteiligt, welche nur in der Schweiz Betriebsstätten unterhält. D hat der CH-OHG ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100.000 Euro erhält. Die Schweiz lässt die Darlehenszinsen bei der CH-OHG steuerlich zum Abzug zu und wendet im Rahmen der Besteuerung des D den Zinsartikel (Art. 11 Abs. 1 DBASchweiz) an und kommt damit zu einem alleinigen Besteuerungsrecht der BRD.

6.153

In Beispiel 25 sind die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz nicht gegeben, da keiner der beiden Vertragsstaaten die Darlehenszinsen als Einkünfte aus einer Betriebsstätte der Personengesellschaft qualifiziert. § 50d Abs. 10 EStG findet im Beispielsfall ebenfalls keine Anwendung, da diese Norm nur anzuwenden ist, wenn das DBA keine ausdrückliche Regelungen für Sondervergütungen enthält. Abkommensrechtlich gelten somit die allgemeinen Grundsätze. Nach der höchstrichterlichen Rspr. wären die Darlehenszinsen auch aus deutscher Sicht unter Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz zu subsumieren.

6.154

Beispiel 26: Der Steuerinländer D ist an der österreichischen Ö-KG beteiligt, welche nur in Österreich Betriebsstätten unterhält. D hat der Ö-KG ein Darlehen ausgereicht, für welches er jährlich Zinsen i.H. von 100.000 Euro erhält. In Österreich werden die Darlehenszinsen als Einkünfte des D aus einer ihm durch seine Beteiligung vermittelten österreichischen Betriebsstätte qualifiziert.3

6.155

1 Z.B.: Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Costa Rica; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBAGhana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 4 DBA-Liechtenstein; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Oman (noch nicht in Kraft); Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBASchweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. 2 Da die jeweiligen Sonderregelungen an die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung anknüpfen, können sie für nachträgliche Einkünfte keine Anwendung finden; Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1113). 3 Vgl. hierzu Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Österreich Rz. 12.

Schänzle/Engel | 813

Kap. 6 Rz. 6.156 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.156 Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich sind im Beispielsfall gegeben, da Ös-

terreich als Betriebsstättenstaat die Sondervergütungen als Teil des Gewinns aus einer österreichischen Betriebsstätte behandelt. Fraglich ist jedoch, welche Rechtsfolgen hieraus zu ziehen sind. So könnte entsprechend der Argumentation des BFH zu § 50d Abs. 10 EStG angenommen werden, dass Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich auch auf Art. 7 insgesamt und damit auch auf Abs. 8 verweist, so dass im Ergebnis trotz der Sonderregelung auf die Darlehenszinsen Art. 11 DBA-Österreich vorrangig anzuwenden ist. Der BFH hatte zwar für die wortgleiche Sonderregelung im DBA-Schweiz entschieden, dass die Sonderregelung für Sondervergütungen keinen Verweis auf die Subsidiaritätsklausel enthält,1 aufgrund des Urteils vom 8.9.20102 zu § 50d Abs. 10 EStG (Rz. 6.147) ist jedoch zweifelhaft, ob diese Grundsätze noch Bestand haben.3 In diesem Urteil hatte der BFH angedeutet, dass § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG a.F. schon deshalb ins Leere laufen könnte, weil er auf den Unternehmensgewinnartikel (im Streitfall: Art. 7 DBA-USA) in seiner Gesamtheit und damit auch auf die Subsidiaritätsklausel verweise.

6.157 Abgesehen von der vorstehend beschriebenen Problematik stellt sich für Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-

Österreich die Frage nach der konkreten Rechtsfolge der Norm. Deren Wortlaut spricht nur davon, dass Art. 7 DBA-Österreich auch für die dort bezeichneten Vergütungen anzuwenden ist, die Sondervergütungen also als Unternehmensgewinne zu qualifizieren sind. Ein Teil des Schrifttums sieht vor diesem Hintergrund die Rechtsfolge solcher Sonderregelungen auf die Qualifikation als Unternehmensgewinne beschränkt. Für das Beispiel 25 würde dies bedeuten, dass aus deutscher Sicht – ebenso wie dies der BFH in seinem Urteil vom 8.9.20104 für § 50d Abs. 10 EStG a.F. angenommen hat (Rz. 6.147) – eine Zurechnung zu einer dem Gesellschafter durch seine Beteiligung vermittelten österreichischen Betriebsstätte abzulehnen wäre und damit die Sondervergütungen nicht von der deutschen Steuer freizustellen wären.5 Andere Autoren nehmen hingegen an, dass Vorschriften wie Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich auch als Zurechnungsnormen zu verstehen sind, also neben der Einkünftequalifikation die Betriebsstättenzuordnung regeln. Sie sollen also den Wohnsitzstaat zur Übernahme der Zuordnung durch den Betriebsstättenstaat verpflichten.6 Nach dieser Auffassung wären die Sondervergütungen in Beispiel 26 auch aus deutscher Sicht Teil des österreichischen Betriebsstättengewinns und damit von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Aus der bisherigen BFH-Rspr. zu den Sonderregelungen können hierzu keine Schlüsse gezogen werden. Denn der BFH hatte bislang nur im Rahmen von Inbound-Konstellationen zu entscheiden, ob aus deutscher Sicht eine abkommensrechtliche Zurechnung von Sondervergütungen zu einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Mitunternehmers vorlag bzw. nach welchen Grundsätzen eine solche Zurechnung vorzunehmen ist.7 Das Gericht hatte sich also bislang nur mit den Tatbestandsvoraussetzungen der Sonderregelungen und nicht mit deren Rechtsfolgen für den Wohnsitzstaat zu beschäftigen. Die Frage, ob der BFH Abkommensnormen wie Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich i.S. einer strengen Wortlautauslegung ebenso wie § 50d Abs. 10 EStG a.F. eine Wirkung für die Betriebsstättenzurechnung absprechen würde, muss daher als offen bezeichnet werden.8

1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. Vgl. Pohl, IWB 2012, 120 (123). BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. Vgl. Häck, IStR 2011, 71 (73) m.w.N. Vgl. Pohl, IWB 2012, 120 (124); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2437); Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Österreich Rz. 12. 7 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 8 Ebenso Pohl, IWB 2012, 120 (124).

814 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.161 Kap. 6

5. Besteuerung im Verlustfall a) Anrechnungsmethode Soweit das Abkommen die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode vermeidet, ergeben sich aus dem DBA selbst keine Einschränkungen der Verlustberücksichtigung im Inland. Die Verlustbehandlung richtet sich somit allein nach innerstaatlichem Recht, so dass insoweit auf die Ausführungen zum Nicht-DBA-Fall (Rz. 6.23 ff.) verwiesen werden kann. Auch im Rahmen der Ermittlung sowie der Feststellung der Verluste ist allein das deutsche Steuerrecht maßgebend.

6.158

b) Freistellungsmethode aa) Symmetriethese und Progressionsvorbehalt Die von der BRD abgeschlossenen Abkommen sehen traditionell zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen die Freistellungsmethode vor. Nach der sog. Symmetriethese sind im Falle einer abkommensrechtlichen Freistellung Verluste ebenso wie Gewinne nicht in die inländische Bemessungsgrundlage einzubeziehen.1 Gilt abkommensrechtlich die Freistellungsmethode, sind mithin Anteile am Verlust einer ausländischen Personengesellschaft im Rahmen der inländischen Besteuerung des Gesellschafters nicht zu berücksichtigen. Dabei ist auch zu prüfen, ob eine Umschaltklausel eine grundsätzlich im DBA vorgesehene „Freistellung der Verluste“ versagt und damit zu einer steuerlichen Berücksichtigung der Verluste im Inland führt (siehe hierzu Rz. 6.99 und Rz. 6.117). Der Progressionsvorbehalt findet grundsätzlich auch im Fall abkommensrechtlich freigestellter ausländischer Verluste Anwendung.2

6.159

bb) „Finale“ Verluste Nach der Rspr. des EuGH in der Rs. „Lidl Belgium“3 ist die Symmetriethese im Zusammenhang mit Verlusten aus einer ausländischen Betriebsstätte zwar im Grundsatz europarechtlich zulässig. Eine Ausnahme hiervon stellen jedoch Verluste dar, die im anderen Mitgliedstaat endgültig nicht mehr genutzt werden können. Solche sog. „finalen“ Verluste müssen ausnahmsweise im Inland Berücksichtigung finden, weil sonst ein ungerechtfertigter Eingriff in die Niederlassungsfreiheit vorliegen würde. Der BFH hat die EuGH-Rspr. zunächst übernommen sowie weiterentwickelt bzw. konkretisiert. Dabei hat der I. Senat auch eine Abzugsfähigkeit der finalen Verluste im Rahmen der Gewerbesteuer angenommen, obwohl sich die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste dort bereits aus dem Gewerbesteuergesetz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG bzw. § 9 Nr. 3 GewStG – „negative Kürzung“) und nicht aus der abkommensrechtlichen Freistellung bzw. der Symmetriethese ergibt.4 Dies ist u.E. sachgerecht, denn europarechtlich sollte es keinen Unterschied machen, ob die Nichtberücksichtigung ausländischer positiver und negativer Einkünfte Folge einer Norm des innerstaatlichen Rechts oder des Abkommensrechts ist.5

6.160

Seit der Lidl Belgium-Entscheidung und den vorstehenden dargestellten BFH-Urteilen hatte der EuGH in mehreren weiteren Verfahren über die Zulässigkeit der Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste zu entscheiden. Die jüngsten Urteile stellen dabei die aus der bisherigen Rechtsprechung abzuleitenden Prinzipien hinsichtlich der (Nicht-)berücksichtigung von Verlusten aus einer Freistellungsbetriebsstätte (Symmetriethese grundsätzlich unionsrechtlich zu-

6.161

1 Ständige Rspr., vgl. z.B. BFH v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 9.6.2010 – I R 100/09, GmbHR 2010, 722; v. 9.6.2010 – I R 107/09, GmbHR 2010, 996. 2 Vgl. hierzu sowie zu den Einschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts Rz. 2.493 ff. 3 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278 = BStBl. II 2009, 692. 4 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963. 5 Vgl. Heurung/Engel, GmbHR 2010, 1065 (1071).

Schänzle/Engel | 815

Kap. 6 Rz. 6.162 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften lässig, aber Berücksichtigung finaler Verluste erforderlich) in Frage. Zu nennen ist insbesondere die Rechtssache „Timac Agro“, in der es um die Frage ging, ob es der Niederlassungsfreiheit entgegensteht, dass Verluste einer österreichischen Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft, die unter Anwendung des § 2a Abs. 3 EStG a.F. zunächst von der inländischen Bemessungsgrundlage abgezogen werden konnten, nun anlässlich der Veräußerung dieser Betriebsstätte an ein konzernzugehöriges Unternehmen wieder der inländischen Bemessungsgrundlage hinzugerechnet werden und ob es aus Gründen der Niederlassungsfreiheit geboten ist, jene Verluste, die im Zeitraum nach Abschaffung der in § 2a Abs. 3 EStG a.F. vorgesehen Abzugsmöglichkeit angefallen sind, im Inland zum Abzug zuzulassen. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass für Verluste, die im zeitlichen Anwendungsbereich des § 2a Abs. 3 EStG angefallen sind, keine Berücksichtigung im Inland zu erfolgen hat, und weist dabei auch darauf hin, dass keine Finalität vorlag, da in Österreich nicht sämtliche Möglichkeiten der Verlustberücksichtigung ausgeschöpft wurden. Für die Verluste, die außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 2a Abs. 3 EStG a.F. entstanden sind, kommt nach Auffassung des EuGH ein Abzug im Inland ebenfalls nicht in Betracht, allerdings offenbar ohne dass es insoweit auf die Finalität dieser Verluste ankäme. Der EuGH begründet dies damit, dass insoweit die in einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte entstandenen Verluste objektiv nicht mit inländischen Betriebsstättenverlusten vergleichbar sind, da Deutschland zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung positive und negative Einkünfte solcher Betriebsstätten unberücksichtigt lässt.

6.162 Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Timac Agro ist einerseits etwas überraschend und an-

dererseits systematisch wenig überzeugend. Denn die Regelung des alten § 2a Abs. 3 EStG hatte zu einer nur temporären Abziehbarkeit von Verlusten einer Freistellungsbetriebsstätte geführt. Aufgrund der späteren Nachversteuerung im Gewinnfall oder bei Veräußerung oder Aufgabe der Betriebsstätte erfolgte letztlich – ebenso wie nach aktueller Rechtslage – keine dauerhafte Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste. Die Nachversteuerung stellte somit einen integralen Bestandteil dieser Regelung dar. Diesen Umstand verkennt u.E. der EuGH in seiner Entscheidung. Richtigerweise hätte somit entweder auch für die später entstandenen Verluste die Möglichkeit einer Berücksichtigung im Fall einer Finalität angenommen werden müssen oder der EuGH hätte diese Möglichkeit auch für die alte Rechtslage ablehnen müssen. Der BFH hat sich nun in seinem Urteil vom 22.2.20171 zur Rechtslage nach Abschaffung des § 2a Abs. 3 EStG a.F dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Timac Agro angeschlossen bzw. die oben (siehe hierzu Rz. 6.161) dargestellte Interpretation der EuGH-Entscheidung bestätigt, wonach dem Finalitätskriterium im konkreten Freistellungsfall keine Bedeutung zukommt. Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass dem BFH-Urteil, anders als der Timac Agro-Entscheidung kein Fall einer konzerninternen Veräußerung zugrunde lag. Offen lässt der BFH in seinem Urteil, ob im Fall eines DBA mit Freistellung aber bei Vorliegen der Voraussetzung einer Umschaltklausel (z.B. Aktivitätsvorbehalt, Switch-over etc., siehe hierzu Rz. 6.88 ff.) weiterhin eine Berücksichtigung finaler Verluste in Betracht kommt.2 Als „zweifelhaft“ bezeichnet der BFH die im Schrifttum z.T. vertretene Auffassung3, dass bei abkommensrechtlicher Freistellung unter Progressionsvorbehalt eine „Vergleichbarkeit“ zwischen In- und Auslandsverlusten vorliegt und somit in einer solchen Konstellation das Finalitätskriterium zu prüfen ist.

6.163 Die in den vorstehenden Ausführungen dargestellte Rechtsprechung ist grundsätzlich auf Per-

sonengesellschaftsfälle übertragbar, soweit die Beteiligung des Steuerinländers ihm (finale) Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte der Gesellschaft vermittelt. Im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Verluste im Rahmen der Gewerbesteuer ist jedoch zu beachten, dass § 8 Nr. 8 GewStG eine Hinzurechnung von Verlustanteilen sowohl einer in- als auch einer ausländischen Personengesellschaft vorsieht. Anders als bei Betriebsstättenverlusten liegt also eine Gleich-

1 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709. 2 Vgl. Müller, ISR 2016, 58; siehe hierzu auch Schnitger, IStR 2016, 73 f. 3 Vgl. Müller, ISR 2016, 57.

816 | Schänzle/Engel

C. Laufende Besteuerung inl. Gesellschafter einer ausl. Personengesellschaft | Rz. 6.168 Kap. 6

behandlung in- und ausländischer Verluste vor. Die durch § 8 Nr. 8 GewStG letztlich angeordnete Nichtberücksichtigung von Verlusten einer ausländischen Personengesellschaft wirkt somit nicht diskriminierend, so dass es bereits an einem Eingriff in die Niederlassungsfreiheit fehlen dürfte. Es spricht somit einiges dafür, dass eine gewerbesteuerliche Berücksichtigung von Auslandsverlusten in Personengesellschaftskonstellationen ungeachtet der Thematik „finaler Verluste“ (siehe hierzu Rz. 6.160 f.) versagt wird. 6. Drittstaateneinkünfte a) Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten Erzielt die ausländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, können diese – insbesondere bei einer intransparenten Besteuerung der Auslandsgesellschaft – zugleich im Drittstaat, im Inland und im Sitzstaat der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegen. Für solche Dreieckssachverhalte stellt sich die Frage, wie diese Mehrfachbesteuerung vermieden werden kann.

6.164

Beispiel 27: Der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im DBAFreistellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividendeneinnahmen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat Q. Abwandlung: Im DBA zwischen Deutschland und Staat P gilt für Unternehmensgewinne die Anrechnungsmethode.

6.165

Aus deutscher Sicht ist zunächst zu prüfen, ob die Dividenden einer Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen sind, welche die Personengesellschaft dem D aufgrund des Transparenzprinzips vermittelt. Ist eine Zuordenbarkeit der Dividendeneinkünfte zu einer Betriebsstätte in Staat P gegeben, unterliegen die Drittstaatdividenden entsprechend Art. 21 Abs. 2 OECD-MA dem Verteilungsmechanismus des Art. 7 OECD-MA, können also in Staat P uneingeschränkt besteuert werden. Im Ausgangsfall hat Deutschland die Drittstaatsdividenden als Teil des ausländischen Betriebsstättengewinns von der Besteuerung auszunehmen (Art. 23 A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Aufgrund dieser Steuerbefreiung kommt eine Anrechnung der in Staat Q erhobenen Quellensteuer auf die deutsche Steuer nicht in Betracht. Besteht zwischen Staat Q und der BRD ein DBA, kann sich aus dem Dividendenartikel eine Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts des Staates Q ergeben. Auf ein mögliches Abkommen zwischen den Staaten P und Q kann sich D nicht berufen, da er in keinem der beiden Staaten abkommensrechtlich ansässig ist. Es ist daher eine Frage des innerstaatlichen Rechts, ob – wie dies in § 50 Abs. 3 EStG vorgesehen ist – eine Anrechnung der in Staat Q erhobenen Steuer auf die Steuer des Staates P infrage kommt. In der Abwandlung kann sich für Deutschland sowohl aus dem DBA mit Staat P als auch aus dem DBA mit Staat Q eine Anrechnungsverpflichtung ergeben, da die Dividenden abkommensrechtlich zugleich sowohl aus Staat P als auch aus Staat Q „stammen“.1 Besteht zwischen der BRD und Staat Q kein DBA, ist die in Staat Q erhobene Quellensteuer ebenfalls grundsätzlich anrechenbar (siehe hierzu Rz. 6.42).

6.166

Ist keine Zuordenbarkeit der Beteiligung an der Drittstaatsgesellschaft zu einer dem inländischen Mitunternehmer durch seine Beteiligung vermittelnden Betriebsstätte der Personengesellschaft in Staat P gegeben, ist im Verhältnis zwischen Deutschland und Staat P Art. 21 Abs. 1 OECD-MA einschlägig, mit der Folge, dass der BRD ein alleiniges Besteuerungsrecht an den Drittstaatsdividenden zusteht. Eine in Staat Q erhobene Quellensteuer könnte im Rahmen der inländischen Besteuerung durch Anrechnung berücksichtigt werden.

6.167

Hinzuweisen ist auf den Zurechnungskonflikt, der sich in Beispiel 27 ergeben kann, wenn Staat P die Personengesellschaft intransparent behandelt. In diesem Fall wird er die Dividenden der Personengesellschaft P zurechnen und deshalb bei der Anwendung des zwischen Deutschland und

6.168

1 So nun auch die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/ 0539717, BStBl. I 2013, 980; vgl. auch Lüdicke, IStR 2013, 721 (730) m.w.N.

Schänzle/Engel | 817

Kap. 6 Rz. 6.169 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Staat P abgeschlossenen DBA auf Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA oder Art. 21 Abs. 1 OECD-MA davon ausgehen, dass ihm ein exklusives Besteuerungsrecht an den Drittstaatsdividenden zukommt. Insoweit kann es also zu einem Zurechnungskonflikt sowie zu einer Doppelbzw. Mehrfachbesteuerung kommen. Hier hilft D nur ein Verständigungsverfahren entsprechend Art. 25 OECD-MA. b) Betriebsstätte im Drittstaat

6.169 Beispiel 28: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P im DBAFreistellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat Q.

6.170 Im Beispielsfall vermittelt die Beteiligung des D an der Personengesellschaft P diesem (anteilig)

auch die Betriebsstätte der P in Staat Q. Die in dieser Betriebsstätte erwirtschafteten Ergebnisse sind auch im Rahmen der Anwendung der DBA (siehe zum innerstaatlichen Recht Rz. 6.46) allein als Einkünfte der Betriebsstätte in Staat Q anzusehen, können also nicht zugleich als Einkünfte aus einer Betriebsstätte in Staat P qualifiziert werden. Somit existieren auch abkommensrechtlich keine sog. „Unterbetriebsstätten“. Für die Anwendung des zwischen der BRD und Staat P vereinbarten DBA bedeutet dies, dass Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht an dem Betriebsstättengewinn entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zusteht. Wenn zwischen Staat Q und der BRD kein DBA bestehen sollte, könnte die im Staat Q erhobene Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet werden. Besteht dagegen zwischen Staat Q und Deutschland ein DBA, hätte Staat Q entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht für den Betriebsstättengewinn und Deutschland würde den Gewinn regelmäßig von der Besteuerung freistellen (entsprechend Art. 23A i.V.m. Art. 7 OECD-MA).

6.171 Wie in Beispiel 27 ist auch hier denkbar, dass Staat P die Personengesellschaft intransparent be-

steuert und damit dieser die Einkünfte aus der Betriebsstätte in Staat Q zurechnet. In diesem Fall würde Staat P bei der Anwendung des zwischen Staat P und der BRD vereinbarten DBA für sich aus einer Art. 7 Abs. 7 Satz 1 OECD-MA entsprechenden Regelung ein exklusives Besteuerungsrecht annehmen. Ein solcher Zurechnungskonflikt könnte dann zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung führen. Allerdings hätte eine intransparente Besteuerung der Personengesellschaft P in Staat P zur Folge, dass auch ein mögliches Abkommen zwischen den Staaten P und Q Anwendung finden würde. Aus diesem Abkommen könnte sich dann eine Freistellung des Betriebsstättengewinns in Staat P ergeben (entsprechend Art. 23A i.V.m. Art. 7 OECD-MA), so dass es nicht zwingend zu einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung kommen muss.

6.172 Beispiel 29: Der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Frei-

stellungsstaat P beteiligt. Zum Gewinn der Personengesellschaft gehören Dividenden aus einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinne aus einer im Inland belegenen Betriebsstätte.

6.173 In Beispiel 29 ist ein sog. unechter Dreieckssachverhalt gegeben, wobei Deutschland gleichzeitig als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und als Quellenstaat in Erscheinung tritt.

Entsprechend der im Zusammenhang mit echten Dreieckskonstellationen dargestellten Systematik des „Nebeneinanders“ der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätten (keine „Unterbetriebsstätte“, siehe Rz. 6.170) scheidet aus deutscher steuerlicher Sicht eine gleichzeitige Zuordnung des inländischen Betriebsstättenergebnisses zu einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der Personengesellschaft P in Staat P aus. Deutschland kann daher entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA das alleinige Besteuerungsrecht des auf die inländische Betriebsstätte entfallenden Teils des Gewinnanteils des D beanspruchen. Hinsichtlich der Dividenden ist danach zu unterscheiden, ob diese einer Betriebsstätte in Staat P zugeordnet werden können. Ist dies der Fall, hat Staat P diesbezüglich ein Besteuerungsrecht entsprechend Art. 21 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, während Deutschland die Dividenden von der Besteuerung ausnimmt (entsprechend Art. 23A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Scheidet eine solche Zuordnung hingegen aus, hat Deutschland 818 | Schänzle/Engel

D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.178 Kap. 6

das alleinige Besteuerungsrecht für die Dividendeneinkünfte (entsprechend Art. 21 Abs. 1 OECDMA). Besteuert Staat P die Personengesellschaft intransparent, würde sich aus der Sicht des Staates P eine abweichende Behandlung ergeben. Für die inländischen Betriebsstätteneinkünfte hätte dies regelmäßig keine steuerlichen Konsequenzen. Zwar ginge Staat P innerhalb des Art. 7 OECD-MA von einem „Unternehmen des Staates P“ aus, hinsichtlich des auf die deutsche Betriebsstätte entfallenden Gewinns würde er jedoch entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein deutsches Besteuerungsrecht annehmen und die Gewinne von seiner Steuer freistellen. Materielle Konsequenzen ergäben sich jedoch im Hinblick auf die Besteuerung der Dividenden: Staat P würde diesbezüglich für sich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht entsprechend Art. 10 Abs. 1 OECD-MA beanspruchen. Ferner würde Staat P annehmen, dass Deutschland die Dividenden nur zu dem in Art. 10 Abs. 2 des Abkommens festgelegten Steuersatz besteuern darf. Nur wenn die Beteiligung der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen wäre, käme Staat P zu einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht Deutschlands (entsprechend Art. 10 Abs. 4, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA) und würde die Dividenden von seiner Steuer ausnehmen (entsprechend Art. 23A i.V.m. Art. 7 OECD-MA).

6.174

D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft I. Bargründung Wird eine Personengesellschaft neu gegründet, ist eine Gründungsbilanz zu erstellen. Vereinbaren die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag, ihre Beiträge in Geld zu erbringen, liegt eine sog. Bargründung vor. In diesem Fall ergeben sich bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz keine besonderen Schwierigkeiten. Der Geldbestand der Personengesellschaft wird auf der Aktivseite der Gründungsbilanz ausgewiesen, während auf der Passivseite für jeden Gesellschafter zumindest ein (festes) Kapitalkonto eingerichtet wird, welches die geleisteten Beiträge des jeweiligen Gesellschafters ausweist. Da die Geldbeträge stets zum Nennwert angesetzt werden, stellen sich bei einer Bargründung keine Gewinnrealisierungsfragen.

6.175

Gehören die Anteile an der neu gegründeten Personengesellschaft beim inländischen Gesellschafter zu einem Betriebsvermögen, erscheinen diese in seiner Steuerbilanz unter dem Merkposten „Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft“. Dieser Merkposten symbolisiert einen ideellen Anteil des Gesellschafters am Vermögen der Personengesellschaft und entspricht nach der sog. Spiegelbildmethode betragsmäßig dem in der Steuerbilanz der Personengesellschaft ausgewiesenen Kapitalanteil des Gesellschafters.

6.176

Hinsichtlich der Höhe der Eigenkapitalausstattung ergeben sich aus dem deutschen Steuerrecht keine Beschränkungen. Es gilt vielmehr der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit. Die Finanzierungsstruktur der Personengesellschaft kann somit an unternehmerischen Erfordernissen ausgerichtet werden. Zu beachten ist jedoch, dass sich aus dem Recht des Sitzstaates der Personengesellschaft ggf. gesellschaftsrechtliche und/oder steuerrechtliche Restriktionen ergeben können.

6.177

II. Sachgründung Im Gesellschaftsvertrag kann auch vereinbart werden, dass die Gesellschafter ihre Einlage beim Eintritt in die ausländische Personengesellschaft ganz oder teilweise in Sachwerten zu erbringen haben. Im Rahmen einer solchen Sachgründung kommen als Gegenstand der Einlage sowohl materielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Maschinen oder Grundstücke, als auch immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Know-how, Patente, Lizenzen, in Betracht. Steuerlich stellt sich bei einer Sachgründung insbesondere die Frage, mit welchem Wert die auf die Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsgüter in deren Steuerbilanz anzusetzen sind, weil damit auch über die Aufdeckung Schänzle/Engel | 819

6.178

Kap. 6 Rz. 6.179 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften oder Fortführung eventuell vorhandener stiller Reserven entschieden wird. Hierbei ist zwischen Übertragungen von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens des Gesellschafters und Übertragungen aus einem Betriebsvermögen zu unterscheiden.

6.179 Werden im Rahmen der Gründung Wirtschaftsgüter des Privatvermögens gegen Gewährung von

Gesellschaftsrechten auf eine (in- oder ausländische) Personengesellschaft übertragen, ist hierin ein entgeltlicher, tauschähnlicher Vorgang zu sehen mit der Folge, dass in der Steuerbilanz der Personengesellschaft gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG der gemeine Wert anzusetzen ist.1 Der in § 6 Abs. 1 Nr. 5 und 6 EStG vorgesehene Teilwertansatz kommt nur bei unentgeltlichen Übertragungen im Wege der verdeckten Einlage in Betracht.2

6.180 Kommt der Gesellschafter seiner Einlageverpflichtung dadurch nach, dass er Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens auf die ausländische Personengesellschaft überträgt, stellt sich, soweit es sich um ein oder mehrere einzelne Wirtschaftsgüter und nicht um einen Betrieb oder Teilbetrieb handelt, die Frage, ob ein Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG vorliegt. Dabei kommt dem Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven eine besondere Bedeutung zu.

6.181 Beispiel 30: Der Steuerinländer D und die inländische D-GmbH gründen gemeinsam in DBA-Freistel-

lungsstaat P die Personengesellschaft P. D soll seine Einlage durch die Übertragung einer Beteiligung erbringen, die er bislang im Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens hält. Der Buchwert der Beteiligung beträgt 40.000 Euro; der gemeine Wert 120.000 Euro.

6.182 Im Beispielsfall wird die Beteiligung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des D in das Gesamthandsvermögen der P übertragen. Damit liegt eine der in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG umschriebenen Konstellationen vor.3 Eine Buchwertfortführung setzt jedoch gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG weiterhin voraus, dass die Besteuerung der in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven sichergestellt ist. Auf Basis der Rspr. des BFH wäre davon auszugehen, dass das zwischen der BRD und Staat P vereinbarte DBA den deutschen Fiskus nicht daran hindert, die in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven bei einer späteren Realisation steuerlich zu erfassen.4 Tatsächlich kann also eine Sicherstellung des deutschen Besteuerungsrechts bejaht werden, so dass die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung eigentlich vorliegen würden.

Der Gesetzgeber hat jedoch durch das JStG 20105 auf das Urteil des BFH vom 17.7.20086 reagiert, indem er in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eine Regelung geschaffen hat, wonach ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere vorliegen soll, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Nach dieser Vorschrift ist also zumindest in den durch das Beispiel abgedeckten Sachverhalten entgegen der BFH-Rspr. ein von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vorausgesetzter Ausschluss bzw. eine Beschränkung des Besteuerungsrechts anzunehmen. Dabei soll hier nicht weiter erörtert werden, ob in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG eine gesetzliche Fiktion zu sehen ist oder ob vielmehr davon ausgegangen 1 BFH v. 19.10.1998 – VIII R 69/95, BStBl. II 2000, 230; siehe dazu auch Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 552. 2 Vgl. hierzu sowie zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragungen BMF v. 11.7. 2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713. 3 Zur Frage, wann eine Buchung auf einem Kapitalkonto zu einer „Gewährung von Gesellschaftsrechten“ führt, vgl. BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713. Zur Behandlung sog. „teilentgeltlicher Vorgänge“ und der hierzu ergangenen BFH-Rechtsprechung vgl. Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1320a. 4 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 5 BGBl. I 2010, 1768. 6 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.

820 | Schänzle/Engel

D. Gründung und Erwerb einer ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.184 Kap. 6

werden kann, dass es sich um ein Regelbeispiel handelt, welches den Regelungsbereich der Grundnorm des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich verdeutlicht und ob § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG nun tatsächlich eine Entstrickungsbesteuerung im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte ermöglichen.1 Im hier interessierenden Zusammenhang ist vielmehr das Zusammenspiel zwischen § 6 Abs. 5 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG von Bedeutung. § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG sieht eine entsprechende Anwendung des Regelbeispiels innerhalb des § 6 Abs. 5 EStG vor. Dies stellt den Rechtsanwender vor Probleme, ist doch die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht mit dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG abgestimmt: Die erstgenannte Norm ordnet einen „Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts“2 an, während die zuletzt genannte Vorschrift eine „Sicherstellung der Besteuerung“ voraussetzt. Im Sinne einer strengen Wortlautauslegung ließe sich argumentieren, dass im Beispielsfall deshalb von einem Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG auszugehen ist, weil die Besteuerung der stillen Reserven tatsächlich sichergestellt ist und die Annahme eines „Ausschlusses oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts“ daran nichts ändert, da die Norm eben nicht an den Ausschluss oder die Beschränkung eines Besteuerungsrechts anknüpft. Der Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ginge somit letztlich ins Leere. Anderseits kann man das Zusammenwirken der Normen auch so verstehen, dass § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG an eine „Sicherstellung der Besteuerung“ anknüpft, diese jedoch unter Zugrundelegung der Fiktion bzw. des Regelbeispiels in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG zu prüfen ist.3 Im Beispielsfall würde der hiernach anzunehmende Ausschluss des Besteuerungsrechts der BRD dazu führen, dass die Besteuerung der stillen Reserven in Deutschland als nicht sichergestellt anzusehen wäre und somit kein Buchwertansatz gem. § 6 Abs. 5 EStG erfolgen könnte. Nach dieser Sichtweise wäre wie bei Übertragungen aus dem Privatvermögen § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG anzuwenden; es käme also zu einem Ansatz des gemeinen Wertes. Von dem zuletzt genannten Verständnis dürfte der Gesetzgeber des JStG 2010 ausgegangen sein. Dies entspricht auch der Praxis der Finanzverwaltung, die im Betriebsstättenerlass von einem Ansatz zum Fremdvergleichspreis ausgeht.4 Beispiel 31 (Abwandlung von Beispiel 30): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 30. Nur soll zwischen Deutschland und Staat P kein DBA bestehen.

6.183

Wie in Beispiel 30 ist auch hier fraglich, ob nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 EStG eine Buchwertfortführung erfolgen kann bzw. zu erfolgen hat. Die in Rz. 6.182 angesprochene Problematik bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der „Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven“ besteht auch in der dem Beispiel 31 zugrunde liegenden Konstellation. Allerdings sollte die Besteuerung der stillen Reserven auch dann als sichergestellt anzusehen sein, wenn bei einer späteren steuerlichen Erfassung möglicherweise eine ausländische Steuer anzurechnen ist. Denn Deutschland kann in diesem Fall zweifellos die stillen Reserven besteuern. Dass möglicherweise eine ausländische Steuer anzurechnen ist, steht dem nicht entgegen, da § 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG ausweislich seines Wortlauts keinen exklusiven, uneingeschränkten Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus verlangt. Darin unterscheidet sich die Vorschrift von den durch das SEStEG5 geschaffenen Entstrickungsregelungen, mit denen der Gesetzgeber insoweit gewissermaßen „Neuland betreten hat“, als den Normen erstmals die Überlegung zugrunde liegt, dass die Möglichkeit der Anrechnung ausländischer Steuern das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt. Im Ergebnis liegen in Beispiel 31 u.E. mithin die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung vor.

6.184

1 So FG Düsseldorf – 8 K 3664/11 F, IStR 2016, 118 m. Anm. Mitschke; a.A. Gosch, IStR 2015, 715. 2 Hier sollte auch die Frage erlaubt sein, ob die Vorschrift beides zugleich fingiert oder ob es darauf ankommen soll, ob für die ausländischen Betriebsstättengewinne die Anrechnungs- oder die Freistellungsmethode gilt. Letzteres dürfte wohl der gesetzgeberischen Vorstellung entsprechen. 3 So wohl Mitschke, Ubg 2011, 328 (332). 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6.4. 5 BGBl. I 2006, 2782.

Schänzle/Engel | 821

Kap. 6 Rz. 6.185 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

III. Erwerb von Anteilen an ausländischen Personengesellschaften 6.185 Erwirbt ein Steuerinländer einen Anteil an einer ausländischen Personengesellschaft, ist nach der

Höhe des vereinbarten Entgelts zu unterscheiden: Entspricht der Kaufpreis dem Buchwert, ergeben sich steuerlich keine Schwierigkeiten. Auf Ebene der Gesellschaft wird das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters für den neuen Gesellschafter fortgeführt. Das Kapitalkonto in der Steuerbilanz der ausländischen Personengesellschaft weist in diesem Fall den bilanzsteuerlichen Wert der Beteiligung bereits zutreffend aus. Gehört der neu erworbene Mitunternehmeranteil beim Gesellschafter zu einem Betriebsvermögen, ist dieser in der eigenen Steuerbilanz des inländischen Gesellschafters entsprechend der Spiegelbildmethode unter dem Merkposten „Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft“ mit dem in der Gesellschaftsbilanz ausgewiesenen Betrag seines Kapitalkontos zu aktivieren.

6.186 Weicht der Kaufpreis für den Anteil von dem Buchwert des Kapitalkontos der ausländischen Per-

sonengesellschaft ab, ist der Mehr- oder Minderwert des Erwerbers für deutsche steuerliche Zwecke in einer positiven oder negativen Ergänzungsbilanz festzuhalten. In dieser Ergänzungsbilanz wird zum einen ein Mehr- oder Minderkapital des Gesellschafters und zum anderen ein korrespondierender Mehr- oder Minderwert der einzelnen Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft vermerkt. Denn nach der steuerlichen Betrachtung hat der neue Gesellschafter die (anteiligen) Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft erworben, so dass für die Besteuerung des Erwerbers die Buchwerte der Wirtschaftsgüter an seine individuellen Anschaffungskosten anzupassen sind. Ob sich die in der Ergänzungsbilanz vorgenommenen Korrekturen im Inland steuerlich auswirken, hängt davon ab, welcher Betriebsstätte die jeweiligen Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind.1

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft I. Buchführungs- und Anmeldepflichten 6.187 Eine ausländische Personengesellschaft ist – sofern sie im Inland keine Zweigniederlassung (§ 13d

HGB) betreibt – grundsätzlich nach deutschem Handelsrecht nicht buchführungspflichtig. Die Gesellschaft kann jedoch in ihrem Sitzstaat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften verpflichtet sein, Bücher zu führen. In diesem Fall stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine ausländische Buchführung für die Ermittlung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters hat. Ausgangspunkt ist dabei die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG, wonach Steuerpflichtige, die zum einen „nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse machen“ und zum anderen auch „keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen“ den Gewinn als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben ermitteln können.

6.188 Die Finanzverwaltung geht, anders als die h.M. in der Literatur,2 davon aus, dass eine handels-

rechtliche Buchführungspflicht im Sitzstaat der Gesellschaft zu einer (derivativen) steuerlichen Buchführungspflicht führt (§ 140 AO), da ausländische Rechtsnormen vom Begriff der „anderen Gesetze“ i.S. des § 140 AO umfasst sind.3 Nach Verwaltungsauffassung kann der Gewinn der ausländischen Personengesellschaft bzw. der Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters somit im Fall einer Buchführungspflicht der Gesellschaft im Ausland nicht durch eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden, weil die ausländische Personengesellschaft gem. § 140 AO für deutsche steuerliche Zwecke zur Buchführung verpflichtet ist. In einer jüngeren Entscheidung hat der BFH ausdrücklich offengelassen, ob eine Buchführungspflicht nach ausländischem Handelsrecht eine steuerliche Buchführungspflicht gem. § 140 AO begründet. Nach Auffassung des 1 Vgl. für Beispiele zur Behandlung steuerlicher Ergänzungsbilanzen Zimmermann u.a., Die Personengesellschaft im Steuerrecht10, Rz. C 83 ff. 2 Vgl. z.B, Schmidt/Heinz, GmbHR 2008, 581 (583); Klein in Rätke, § 140 AO Rz. 4a; Schmidt/Renger, DStR 2012, 2042 (2042). 3 Vgl R 4.1 Abs. 4 Satz 2 EStR 2012; ebenso Drüen, ISR 2014, 265 ff.

822 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.191 Kap. 6

BFH steht jedoch die Erstellung einer Buchführung nach ausländischem Handelsrecht der Inanspruchnahme des Wahlrechts zur Einnahmenüberschussrechnung entgegen – ohne dass es darauf ankomme, ob die ausländische Bilanz aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder freiwillig aufgestellt wurde.1 Der BFH begründet dies auch mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Gewinnermittlung.2 Die Ermittlung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters durch eine Einnahmenüberschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG scheidet damit nach BFH-Rechtsprechung in allen Fällen aus, in denen für die ausländische Personengesellschaft eine Bilanz erstellt wurde. Eine ausländische Bilanz ist ungeachtet der Ausführungen in der vorstehenden Rz. 6.188 nicht i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblich für die deutsche steuerliche Gewinnermittlung.3 Vielmehr ist auch bei Bilanzierung im Ausland nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG eine Steuerbilanz nach deutschem Steuerrecht zu erstellen.4 Um dem Steuerpflichtigen eine „doppelte Buchführung“5 im Inund Ausland zu ersparen, sieht § 146 Abs. 2 AO vor, dass eine ausländische Buchführung zum Ausgangspunkt der steuerlichen Gewinnermittlung gemacht werden kann. In diesem Fall stellt das GoB-konform umgerechnete6 Ergebnis nach ausländischem Recht die Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung für Zwecke der inländischen Besteuerung dar. Allerdings müssen gem. § 146 Abs. 2 Satz 4 AO Anpassungen an die deutschen Gewinnermittlungsvorschriften vorgenommen und kenntlich gemacht werden.7 Kennt bspw. der Sitzstaat der Personengesellschaft das Konzept der Sondervergütungen nicht, kann dies die Aufstellung gesonderter Sonderbilanzen durch den Gesellschafter notwendig machen.8

6.189

Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Personengesellschaft, hat er dies gem. § 138 Abs. 2 AO seinem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. Mitteilungspflichtig sind ferner die Aufgabe sowie die Änderung einer solchen Beteiligung. Die Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 AO ist nicht von weiteren Voraussetzungen wie z.B. einer bestimmten Beteiligungshöhe abhängig. Der Steuerpflichtige hat die Mitteilung gem. § 138 Abs. 3 AO innerhalb eines Monats nach dem Eintritt des meldepflichtigen Ereignisses auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu erstatten. Kommt der Steuerpflichtige seiner Mitteilungspflicht nicht nach, wird sich regelmäßig die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts mit einschalten und möglicherweise Zwangsgelder verhängen (§§ 328 ff. AO) sowie prüfen, ob ein Fall von Steuergefährdung gem. § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO vorliegt.9

6.190

II. Währungsumrechnung/Steuerliche Berücksichtigung von Wechselkursgewinnen und -verlusten Der Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft ist nach den Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Die Gewinnermittlung kann dabei entweder direkt in Euro erfolgen oder das Ergebnis ist nach einer den GoB entsprechenden Methode der Währungsumrechnung in Euro umzurechnen. Grundsätzlich erfordert dies eine Umrechnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls mit dem jeweiligen Kurs (sog. Zeitbezugsmethode).10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141; v. 10.12.2014 – I R 3/13, DStR 2015, 629. Vgl. hierzu auch Gosch, BFH/PR 2015, 1 (2). Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. Vgl. BFH v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; R 4.1 Abs. 4 Satz 1 EStR 2012. So plakativ Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 88. Zu den Umrechnungsgrundsätzen Rz. 6.191. Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. Zu praktischen Schwierigkeiten, die sich hieraus ergeben können: Weggenmann in Wassermeyer/ Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.32. Vgl. zu alledem Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.24–6.26. Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588.

Schänzle/Engel | 823

6.191

Kap. 6 Rz. 6.192 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Dieses Verfahren weist zwar eine sehr hohe Genauigkeit auf, ist aber bei einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen wenig praktikabel. Deshalb ist auch eine Umrechnung nach der sog. Stichtagskursmethode zulässig, wenn es zwischen den Bilanzstichtagen zu keinen wesentlichen Kursschwankungen kam.1 Bei dieser Methode erfolgt die Umrechnung des Ergebnisses zum Bilanzstichtag mit einem einheitlichen Wechselkurs.2

6.192 Im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Wechselkursgewinnen bzw. -verlusten gilt nach innerstaatlichem Recht Folgendes: Gewinne oder Verluste aus der Umrechnung des Anteils des inländischen Gesellschafters am Gewinn der ausländischen Personengesellschaft sind steuerlich Teil des Gewinnanteils i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG. Wechselkursgewinne bzw. -verluste3 sind daher für Zwecke des § 34d EStG nach dem Veranlassungsprinzip der Betriebsstätte zuzuordnen, in der die jeweiligen Einkünfte entstanden sind. Dadurch beeinflussen sie die Höhe der ausländischen Einkünfte und damit auch den Rahmen einer möglichen Steueranrechnung. Für Sondervergütungen gilt Entsprechendes. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG ordnet diese Vergütungen den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft zu. Daraus ergibt sich, dass die Sondervergütungen nach innerstaatlichem Recht einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Wechselkursgewinne oder -verluste, die in diesem Zusammenhang entstehen, folgen dieser Zuordnung.

6.193 Im DBA-Fall ist das Umrechnungsergebnis nach der BFH-Rspr. ebenfalls derjenigen Betriebsstätte

zuzuordnen, deren Gewinn oder Verlust Gegenstand der Umrechnung ist.4 Im Falle einer DBAFreistellung sind Wechselkursgewinne daher im Inland steuerfrei bzw. lediglich über den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Für Verluste gilt, dass diese im Inland ebenfalls von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind und daher höchstens im Rahmen des Progressionsvorbehalts Berücksichtigung finden können.5 Diese Grundsätze gelten auch für den Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters aus einer ausländischen Personengesellschaft. Im Bereich der Sondervergütungen ist hingegen zu berücksichtigen, dass die Sondervergütungen aufgrund der Vorschrift des § 50d Abs. 10 EStG als Unternehmensgewinne im abkommensrechtlichen Sinn gelten. Währungseffekte im Zusammenhang mit Sondervergütungen teilen u.E. in Bezug auf die Betriebsstättenzuordnung auch abkommensrechtlich das Schicksal der eigentlichen Sondervergütungen (siehe hierzu Rz. 6.146 f.).

6.194 Für Währungsverluste aus einem EU/EWR-Mitgliedstaat kann sich aus den Grundsätzen der

Entscheidung des EuGH in der Rs. „Deutsche Shell“6 eine Berücksichtigung im Inland ergeben. Der Gerichtshof hatte dort entschieden, dass Währungsverluste aus der auflösungsbedingten Rückführung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte im Inland steuerlich abzugsfähig sein müssen, da eine Nichtberücksichtigung solcher Verluste eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit darstellen würde. Jedenfalls solche Verluste sind mithin stets im Inland zu berücksichtigen; die Symmetriethese sowie § 3c EStG finden insoweit aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europäischen Gemeinschaftsrechts keine Anwendung. Auch ergibt sich aus dem Folgeurteil des EuGH in der Rechtssache „X AB“7 zum Fall eines bei der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung realisierten Währungsverlusts, wonach eine Berücksichtigung von Währungsverlusten dann nicht unionsrechtlich geboten ist, wenn auch im rein innerstaatlichen Kontext Verluste nicht zum Abzug zugelassen werden, für die deutsche Rechtslage keine Einschränkung der genannten Rechtspre-

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.8.1. 2 Vgl. zu alledem Schänzle, IStR 2009, 514 (517). 3 Neben originären Wechselkursgewinnen- bzw. -verlusten sind u.E. auch mit der Absicherung von Wechselkursrisiken zusammenhängende Aufwendungen sowie (positive oder negative) Ergebnisse aus solchen Sicherungsgeschäften im Inland zu berücksichtigen. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 5 Zu den Beschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts vgl. Rz. 2.493 ff. 6 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, ECLI:EU:C:2008:129 = BStBl. II 2009, 976. 7 EuGH v. 10.6.2015 – Rs. C-686/13 – X, ECLI:EU:C:2015:375 = BFH/NV 2015, 1229.

824 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.196 Kap. 6

chungsgrundsätze. Denn Währungsgewinne und -verluste, die nicht in Kapitalgesellschaftsanteilen, sondern in anderen Wirtschaftsgütern realisiert werden, sind nach deutschem Steuerrecht grundsätzlich voll steuerpflichtig bzw. abzugsfähig. Das Erfordernis der steuerlichen Berücksichtigung von Währungsverlusten gilt unabhängig davon, ob für die Betriebsstätte im maßgeblichen Veranlagungszeitraum (vor Umrechnung) ein Gewinn oder ein Verlust ermittelt wurde.1 Ferner kommt es für die Berücksichtigung der Verluste aus der Währungsumrechnung nicht auf eine „Finalität“ i.S. der Rspr. des EuGH in den Rechtssachen Marks & Spencer2 sowie Lidl Belgium3 und die diesbezügliche Folgerechtsprechung (siehe hierzu Rz. 6.161 f.) an. Denn das Finalitätskriterium beruht auf dem Gedanken, dass eine Verlustberücksichtigung im Inland nur dann als „ultima ratio“ in Betracht kommen soll, wenn die Verluste im anderen Mitgliedstaat nicht berücksichtigt wurden und auch zukünftig nicht mehr genutzt werden können. Währungsverluste gelangen aber im Betriebsstättenstaat bzw. im Sitzstaat der Personengesellschaft gar nicht erst zur Entstehung und können dort folglich auch nicht berücksichtigt werden. Insoweit muss hier stets eine Berücksichtigung im Inland erfolgen. Nach der Rspr. des EuGH ist im sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit kein Raum für die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit. Aus diesem Grund dürfte bei wesentlichen Beteiligungen eine Berücksichtigung von Währungsverlusten aus einem Drittstaat ausscheiden. Im Fall einer Minderheitsbeteiligung könnten hingegen auch Währungsverluste aus Drittstaaten im Inland steuerlich zum Abzug zuzulassen sein. Verfahrensrechtlich ist darauf zu achten, dass die Währungsverluste im Feststellungsverfahren des Gewinns der Personengesellschaft festzustellen sind.4 Für die Gewerbesteuer geht der BFH davon aus, dass es aufgrund des vorstehend genannten EuGH-Urteils in der Rechtssache „X AB“ unionsrechtlich nicht geboten ist, die in einer ausländischen Personengesellschaft entstandenen Währungsverluste bei der Besteuerung der im Inland steuerpflichtigen Gesellschafter zu berücksichtigen, da der Gewerbeertrag symmetrisch sowohl um Gewinne als auch um Verluste aus der Beteiligung an einer in- oder ausländischen Personengesellschaft gleichermaßen zu bereinigen ist und somit Investitionen in eine ausländische Personengesellschaft gewerbesteuerlich nicht benachteiligt werden.5

6.195

III. Erfolgs- und Vermögensabgrenzung 1. Systematik Die zutreffende Ermittlung des Gewinnanteils des Steuerinländers aus der ausländischen Personengesellschaft macht eine Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen der Personengesellschaft und deren Gesellschaftern notwendig. Dabei muss einerseits über den Umfang des Betriebsvermögens der Personengesellschaft entschieden werden (Rz. 6.197 ff.), andererseits sind die steuerlichen Auswirkungen des Lieferungs- und Leistungsverkehrs zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu untersuchen (Rz. 6.209 ff.). Dabei erscheint es zweckmäßig, zunächst die sich auf Grundlage des originär innerstaatlichen Steuerrechts ergebenden steuerlichen Folgen herauszuarbeiten und sodann zu prüfen, ob sich aus einem DBA Einschränkungen dieser Steuerfolgen ergeben.

1 2 3 4

Vgl. zu alledem Schänzle, IStR 2009. 514 (518) m.w.N. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-448/03 – Kommission Frankreich, ECLI:EU:C:2004:407. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278. Vgl. BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016, 927 = ISR 2016, 209 m. Anm. Schlücke zum Fall einer doppelstöckigen Personengesellschaftsstruktur (Berücksichtigung im Feststellungsverfahren für die Obergesellschaft). 5 BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016, 927 = ISR 2016, 209 m. Anm. Schlücke. Zur vergleichbaren Problematik der Berücksichtigung von finalen Verlusten für Zwecke der Gewerbesteuer, siehe Rz. 6.163.

Schänzle/Engel | 825

6.196

Kap. 6 Rz. 6.197 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften 2. Grundlagen der Einkünfteabgrenzung a) Grundsätze des innerstaatlichen Rechts

6.197 Das steuerliche Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft besteht nach den Grundsätzen des

deutschen Steuerrechts nicht nur aus den Wirtschaftsgütern, die sich im (wirtschaftlichen) Eigentum der Gesellschaft befinden (sog. Gesamthandsvermögen), vielmehr zählen hierzu auch Wirtschaftsgüter, die ein Mitunternehmer der Personengesellschaft zur Nutzung überlässt (sog. Sonderbetriebsvermögen I) sowie im Eigentum des Mitunternehmers stehende Wirtschaftsgüter, die dazu dienen, seine Beteiligung an der Mitunternehmerschaft zu fördern (sog. Sonderbetriebsvermögen II). Diese Grundsätze finden auch für ausländische Personengesellschaften Anwendung.1

6.198 Beteiligt sich ein Steuerinländer an einer ausländischen Mitunternehmerschaft, stellt sich sowohl

für Wirtschaftsgüter des Gesamthands- als auch des Sonderbetriebsvermögens die Frage der Betriebsstättenzuordnung. Für das innerstaatliche Recht ist diese Zuordnung aus folgenden Gründen von Bedeutung: – Nur soweit Wirtschaftsgüter und damit die entsprechenden Erträge und Aufwendungen einer im Ausland gelegenen Betriebsstätte der ausländischen Personengesellschaft zuzurechnen sind, werden diese gem. §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, 9 Nr. 3 GewStG von der Besteuerung mit Gewerbesteuer ausgenommen. – Die Zuordnung der Wirtschaftsgüter sowie der daraus entstehenden Einkünfte ist notwendige Bedingung für das Vorliegen ausländischer Einkünfte und damit Voraussetzung einer Steueranrechnung. – Zuletzt können sich aus § 2a EStG Einschränkungen der Verlustberücksichtigung für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten ergeben.

6.199 Für Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens ist unstrittig, dass diese, wenn sie zum Betriebs-

vermögen der Personengesellschaft gehören, einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens gilt, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG nicht nur als Einkünftequalifikations-, sondern darüber hinaus auch als Zuordnungsnorm zu verstehen ist.2 Die Vorschrift ordnet die Sondervergütungen also den Einkünften aus der Mitunternehmerschaft zu. Dies gilt auch für den Fall, dass der Gesellschafter selbst einen eigenen Betrieb unterhält, dem die Einkünfte sonst zuzuordnen wären. Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sind daher nach innerstaatlichem Steuerrecht vorrangig der Mitunternehmerschaft und damit einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen.3 b) Grundsätze des Abkommensrechts

6.200 Abkommensrechtlich ergibt sich die Notwendigkeit einer Einkommens- und Vermögensabgrenzung aus der Systematik des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Denn für die Aufteilung der Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen kommt es darauf an, welcher Teil des Gewinns des Unternehmens eines Vertragsstaates (Wohnsitzstaat) auf eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat (Quellen- bzw. Betriebsstättenstaat) entfällt. Bereits an anderer Stelle (siehe Rz. 6.86) wurde darauf hingewiesen, dass jedenfalls aus deutscher Sicht aufgrund des Transparenzprinzips der inländische Gesellschafter abkommensrechtlich als Betreiber des Unternehmens der ausländischen Personen-

1 Vgl. z.B. BFH v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683 (Sonderbetriebsvermögen I); v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771 (Sonderbetriebsvermögen II). 2 Rosenberg in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.6; Hey in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 133 f. 3 Wirtschaftsgüter, die eine gewerbliche Personengesellschaft an ihre Schwesterpersonengesellschaft vermietet, sind hingegen dem Betriebsvermögen der vermietenden Gesellschaft zuzurechnen, vgl. BFH v. 16.6.1994 – IV R 48/93, BStBl. II 1996, 82; v. 22.11.1994 – VIII R 63/93, BStBl. II 1996, 93.

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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.204 Kap. 6

gesellschaft gilt, so dass ein „deutsches Unternehmen“ i.S. des Art. 7 OECD-MA vorliegt. Infolgedessen kann gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zunächst Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht für den Unternehmensgewinn für sich beanspruchen; der andere Vertragsstaat hat demgegenüber nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht, soweit das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine Betriebsstätte in diesem Staat ausübt (Rz. 6.85). Auch wenn aus deutscher Sicht der inländische Gesellschafter als „Betreiber“ des Unternehmens der Personengesellschaft zu qualifizieren ist, muss – entgegen der Auffassung des BFH1 – abkommensrechtlich das Unternehmen der Personengesellschaft von einem eigenen Unternehmen des Gesellschafters unterschieden werden.2 Die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA geregelte Zuordnung des Unternehmens dient somit allein der Bestimmung des Staates, dem im Ausgangspunkt das alleinige Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zusteht. Die aus dem Transparenzprinzip folgende Zuordnung des Unternehmens der Personengesellschaft zum Gesellschafter ist lediglich eine „einkünftemäßige“, sie lässt deshalb keine Schlüsse über das Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter zu.3

6.201

Abkommensrechtlich besteht ein Unternehmen aus mindestens einer, zumeist aber aus mehreren Betriebsstätten, die dem „Betreiber“ des Unternehmens wie das Unternehmen selbst zuzuordnen sind. Dabei gilt, dass sämtliche Wirtschaftsgüter und Schulden sowie Aufwendungen und Erträge einer bestimmten Betriebsstätte des Unternehmens zugeordnet werden müssen. Im Bereich der Unternehmensgewinne gibt es mithin weder „betriebsstättenloses Vermögen“ noch „betriebsstättenlose Einkünfte“4. Für die Beteiligung an einer Personengesellschaft bedeutet dies, dass der Erfolg sowie das Vermögen den verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft zuzuordnen sind. Eine Abgrenzung des von der Personengesellschaft erzielten Gewinns ist mithin nur dann erforderlich, wenn die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten Betriebsstätten unterhält. Beispiel 32: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P in geringem Umfang beteiligt. Seine Gesellschafterstellung in der P ist mit der eines Kommanditisten vergleichbar. Die Geschäfte der P werden von ihrer Hauptniederlassung in Staat P aus geleitet. P unterhält ausschließlich in Staat P Betriebsstätten.

6.202

In Beispiel 32 liegt zwar ein deutsches Unternehmen im abkommensrechtlichen Sinne vor, mangels einer entsprechenden Geschäftseinrichtung (Art. 5 OECD-MA) besteht jedoch in Deutschland keine Betriebsstätte. Vielmehr sind sämtliche Betriebsstätten des Unternehmens in Staat P gelegen. Dies gilt auch für das sog. „Stammhaus“ bzw. die Geschäftsleitungsbetriebsstätte, welche vorliegend am Ort der Hauptniederlassung der P zu verorten ist. Im Beispielsfall ist der Gewinnanteil des D i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA in voller Höhe einer Betriebsstätte (bzw. verschiedenen Betriebsstätten) im anderen Staat zuzurechnen. Deutschland hat also den gesamten Gewinn von der Besteuerung auszunehmen (Art. 23A i.V.m. Art. 7 OECD-MA). Die Vorstellung, der inländische Gesellschafter und die ausländische Personengesellschaft stünden sich wie „Stammhaus“ und Betriebsstätte gegenüber, ist folglich nach hier vertretener Auffassung unzutreffend (siehe Rz. 6.69).5

6.203

Nach den vorstehend beschriebenen Grundsätzen sind die im Eigentum der ausländischen Personengesellschaft stehenden Wirtschaftsgüter entgegen der Rspr. des BFH6 und der Auffassung der Finanzverwaltung7 stets einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen (siehe bereits Rz. 6.67).

6.204

1 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v.17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Ebenso Häck, IStR 2011, 71 (73); Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41). 3 Vgl. zu alledem Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.34. 4 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. 5 Vgl. hierzu Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68a. 6 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 7 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1.

Schänzle/Engel | 827

Kap. 6 Rz. 6.205 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.205 Beispiel 33 (Erweiterung von Beispiel 32): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 32, wo-

bei zum Vermögen der Personengesellschaft eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehören soll, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Staat P hat.

6.206 Soweit im Gewinnanteil des D Dividenden der Kapitalgesellschaft an die P enthalten sind, stellt

sich die Frage, ob Art. 10 OECD-MA Anwendung findet oder ob aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA vorrangig Unternehmensgewinne anzunehmen sind. Im Beispielsfall sind nach der hier vertretenen Auffassung die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts gegeben, da die zum Vermögen der P gehörende Beteiligung nur einer Betriebsstätte der P zugerechnet werden kann und sich annahmegemäß sämtliche Betriebsstätten der Gesellschaft in Staat P befinden. Die Dividenden fallen somit vorrangig unter Art. 7 OECD-MA.

6.207 Auch die aus dem nach innerstaatlichem Steuerrecht zum Betrieb der Personengesellschaft zählenden Sonderbetriebsvermögen erwirtschafteten Erträge und Aufwendungen führen zu Unternehmensgewinnen im abkommensrechtlichen Sinn (§ 50d Abs. 10 Satz 2 EStG). Anders als bei Sondervergütungen (s. § 50d Abs. 10 Satz 3 sowie hierzu Rz. 6.146) enthält § 50d Abs. 10 EStG keine Regelung, aus der hervorgeht, welcher Betriebsstätte die Erträge und Aufwendungen sowie die ihnen zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zuzuordnen sind.

Beispiel 34 (Erweiterung von Beispiel 32): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 32, wobei der Gesellschafter eine Beteiligung an einer Schwestergesellschaft der P hält, der S-Ltd. Die mit einer deutschen GmbH vergleichbare S-Ltd. hat Sitz und Geschäftsleitung in Staat S und ist wirtschaftlich eng mit der P verflochten. Der Gesellschafter erzielt aus der Beteiligung an der S-Ltd Dividenden und Zinsen aus einem Gesellschafterdarlehen. Die Beteiligung sowie das Darlehen und damit auch Dividende und die Zinserträge sind nach deutschen steuerlichen Grundsätzen dem Sonderbetriebsbereich des Gesellschafters bei der P zuzuordnen.

6.208 Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG handelt es sich bei den Erträgen aus dem Sonderbetriebsver-

mögen um Unternehmensgewinne im Sinne des DBA. Zu prüfen ist somit, welcher Betriebsstätte die Dividende und Zinserträge zuzuordnen sind. Hierbei kann auf die Grundsätze, die der BFH in seinem Urteil vom 12.6.20131 zum DBA-Thailand herausgearbeitet hat, zurückgegriffen werden. In diesem Urteil hat der BFH gewissermaßen zum umgekehrten Fall eines in Thailand ansässigen Mitunternehmers einer deutschen GmbH & Co. KG entschieden, dass die Erträge im Sonderbetriebsvermögen grundsätzlich einer durch die Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zuzuordnen sind, sofern der Mitunternehmer nicht (in seinem Ansässigkeitsstaat) eine sog. Mitunternehmerbetriebsstätte unterhält, welcher die Erträge und Aufwendungen zugeordnet werden können. Dabei komme die Annahme einer solchen Mitunternehmerbetriebsstätte noch nicht allein aufgrund des Haltens einer Kapitalbeteiligung oder Darlehensforderung in Betracht, sondern verlange eine darüber hinausgehende unternehmerische Betätigung des Mitunternehmers durch eben jene Betriebsstätte. Dies wird in der Praxis regelmäßig in Konstellationen der Fall sein, in denen der Mitunternehmer selbst einer gewerblichen Betätigung nachgeht und ein Zusammenhang zwischen der Nutzungsüberlassung und dem eigenen Gewerbebetrieb des Gesellschafters besteht (z.B. Lizenzierung von Rechten, die der Mitunternehmer in Rahmen seiner eigenen gewerblichen Tätigkeit entwickelt hat2). Sofern der Gesellschafter in Beispiel 34 in Deutschland keine solche Mitunternehmerbetriebsstätte unterhält, wären die Erträge im Sonderbetriebsvermögen daher einer ihm durch seine Beteiligung an der Personengesellschaft P vermittelte Betriebsstätte in Staat P zuzuordnen und von der Besteuerung im Inland auszunehmen.3 Entsprechendes würde für Refinanzierungsaufwendungen des Gesellschafters für die Kapitalbeteiligung und das Darlehen gelten. Solche Sonderbetriebsaufwendungen wären damit regelmäßig

1 BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770 = ISR 2013, 415 m. Anm. Ehlermann. 2 Vgl. Häck, IStR 2011, 71 (73) mit Blick auf BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 3 Vgl. hierzu auch Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.16.

828 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.212 Kap. 6

nur im Inland abzugsfähig, soweit sie mit in einer inländischen Mitunternehmerbetriebsstätte verwaltetem Sonderbetriebsvermögen zusammenhängen. Sofern nach diesen Grundsätzen ein Abzug im Inland in Betracht kommt, ist zu berücksichtigen dass der durch das BEPS-Umsetzungsgesetz neu eingefügte § 4i EStG den Betriebsausgabenabzug für Sonderbetriebsausgaben versagt, soweit diese die steuerliche Bemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern. 3. Übertragung und Überführung von Wirtschaftsgütern a) Behandlung nach nationalem Recht Für die steuerliche Behandlung des Liefer- und Leistungsverkehrs muss zunächst zwischen Übertragungen und Überführungen unterschieden werden. Eine Übertragung setzt nach der Terminologie des Einkommensteuerrechts einen Rechtsträgerwechsel voraus. Ein solcher ist z.B. bei Veräußerungsgeschäften zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gegeben. Bei einer Überführung findet dagegen kein Rechtsträgerwechsel statt, vielmehr erfolgt lediglich eine Umwidmung innerhalb eines Betriebsvermögens bzw. zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen. Von einer Überführung kann also im hier interessierenden Zusammenhang bspw. gesprochen werden, wenn Wirtschaftsgüter von einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zur dauerhaften Nutzung in eine andere Betriebsstätte der Personengesellschaft verbracht werden.

6.209

Übertragungen liegen insbesondere bei schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäften zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter vor. Entsprechen die Bedingungen solcher Veräußerungsgeschäfte dem, was unter fremden Dritten üblich ist, werden diese steuerlich anerkannt. Veräußert also etwa ein Gesellschafter ein Wirtschaftsgut gegen ein angemessenes Entgelt an die Gesellschaft, so wird die Veräußerung steuerlich ebenso behandelt wie die Veräußerung an einen fremden Dritten.1 Dasselbe gilt, wenn umgekehrt die Gesellschaft Wirtschaftsgüter zu einem angemessenen Preis an einen Gesellschafter veräußert.2 Soweit einem Veräußerungsgeschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft unübliche Konditionen zugrunde liegen, erfolgt steuerlich eine Einkünftekorrektur nach Einlage- bzw. Entnahmegrundsätzen.3 Eine Anwendung der allgemeinen Ent- und Verstrickungsregelungen (§§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 8 EStG, 12 Abs. 1 KStG) kommt in diesen Fällen nicht in Betracht, da die Vorschriften über (echte) Entnahmen und Einlagen die Ent- und Verstrickungsnormen verdrängen.4

6.210

Wirtschaftsgüter können nicht nur auf Basis einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung, sondern auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage übertragen werden. Als praxisrelevantes Beispiel ist hier die Übertragung eines Wirtschaftsguts auf die Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu nennen. Eine solche Einbringung stellt zwar nach der Rspr. des BFH einen entgeltlichen, tauschähnlichen Vorgang dar, der an sich zu einer Gewinnrealisierung führen würde. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG ordnet jedoch für die Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern5 in eine Personengesellschaft eine Buchwertfortführung an, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Zur Frage, ob diese Voraussetzung bei Einbringungen in eine ausländische Personengesellschaft erfüllt ist, wird auf die Ausführungen zur Sachgründung verwiesen (Rz. 6.178 ff.).

6.211

Überführungen können sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch auf Gesellschafterebene vorliegen. Bereits oben wurde als Beispiel für eine Überführung die dauerhafte Verbringung eines

6.212

1 Vgl. BFH v. 31.3.1977 – IV R 54/72, BStBl. II 1977, 415. 2 Vgl. BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744; v. 21.10.1976 – IV R 210/72, BStBl. II 1977, 145. 3 Vgl. hierzu im Allgemeinen Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 366 m.w.N. sowie speziell in Bezug auf ausländische Personengesellschaften Piltz, Die Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 96. 4 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776 (1782). 5 Die Einbringung von betrieblichen Sachgesamtheiten (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil) richtet sich nach § 24 UmwStG.

Schänzle/Engel | 829

Kap. 6 Rz. 6.213 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Wirtschaftsguts von einer Betriebsstätte der Personengesellschaft in eine andere Betriebsstätte derselben Personengesellschaft genannt. Auf Gesellschafterebene ist bspw. der Fall zu nennen, dass der Mitunternehmer ein Wirtschaftsgut aus seinem eigenen Betriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen der Personengesellschaft überführt. Die beiden Konstellationen weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sich die Eigentumsverhältnisse an dem Wirtschaftsgut nicht ändern, also kein Rechtsträgerwechsel und damit keine „Außentransaktion“ vorliegt. Dennoch unterscheiden sich die beiden Beispiele in einem wichtigen Punkt: Während sich die Überführung im erstgenannten Beispiel innerhalb desselben Betriebsvermögens abspielt, erfolgt im letztgenannten Fall eine Überführung zwischen verschiedenen Betrieben, namentlich dem Betrieb des Gesellschafters und dem der Mitunternehmerschaft. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil Überführungen innerhalb eines Betriebs – sieht man von den allgemeinen Entstrickungstatbeständen der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 Satz 2 KStG ab – nicht zu einer steuerlichen Realisation führen. Anders verhält es sich bei Überführungen zwischen verschiedenen Betrieben. In diesen Fällen liegt eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG beim abgebenden Betrieb und gleichzeitig eine Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 6 EStG) in den aufnehmenden Betrieb vor, die grundsätzlich jeweils mit dem Teilwert zu bewerten sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG). Entnahmen und Einlagen sind auch in den in § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG genannten Konstellationen gegeben. Jedoch erfolgt aufgrund der speziellen Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG anstelle der Bewertung zum Teilwert eine Buchwertfortführung.1

6.213 Es stellt sich die Frage, ob im Falle von Überführungen oder Übertragungen eine Anwendung des

§ 1 AStG in Betracht kommt. Diese Einkünftekorrekturnorm sieht für den Fall, dass bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland die Vertragsbedingungen einem Drittvergleich nicht standhalten und dies beim Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führt, eine außerbilanzielle2 Korrektur der vereinbarten, aber unangemessenen Entgelte vor. Im Kern müssen für eine Anwendung des § 1 AStG folgende Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen:3 – Es muss eine Geschäftsbeziehung zum Ausland bestehen (§ 1 Abs. 1, Abs. 5 AStG). – Parteien dieser Geschäftsbeziehung müssen ein inländischer Steuerpflichtiger und eine ihm „nahe stehende Person“ sein (§ 1 Abs. 1 und 2 AStG). – Die Geschäftsbeziehung muss beim inländischen Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).

6.214 Der Begriff der „Geschäftsbeziehung“ ist in § 1 Abs. 4 AStG definiert. Danach kommen als Geschäftsbeziehung nur schuldrechtliche Beziehungen, die keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen sind, sowie Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte (sog. angenommene schuldrechtliche Beziehungen) in Betracht.

Eine vom Begriff der Geschäftsbeziehung ausgenommene gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist dabei nur dann anzunehmen, wenn diese unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Halbs. 2 AStG). Damit sind jedenfalls ab dem VZ 2015 nicht jegliche gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen vom Anwendungsbereich des § 1 AStG ausgenommen.4 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.16. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, geändert durch BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Tz. 8.1.1. 3 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.19. 4 Vor Einfügung des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Halbs. 2 AStG war dies umstritten; Schulze-Trieglaff, IStR 2014, 596 (597): Nur die grundsätzliche Organisationsstruktur betreffende Vereinbarungen sind keine unter § 1 AStG fallende Geschäftsbeziehung.

830 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.217 Kap. 6

Ferner sind aufgrund der Berücksichtigung sog. angenommener schuldrechtlicher Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte auch Überführungen vom Anwendungsbereich des § 1 AStG erfasst (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG).1 Dem Wortlaut nach gilt dies nur für Überführungen zwischen dem Stammhaus der ausländischen Personengesellschaft und deren inländischer Betriebsstätte, nicht jedoch für Überführungen zwischen verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft, die jeweils nicht deren Stammhaus darstellen.2 Eine solch enge Auslegung ist u.E. mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Betriebsstätten im Verhältnis zu § 1 AStG wie eigenständige Unternehmen zu behandeln, nicht vereinbar. Daher sollten auch letztgenannte Überführungen als Geschäftsbeziehungen i.S. von § 1 AStG zu qualifizieren sein. § 1 AStG findet grundsätzlich (d.h. abgesehen von „Dealings“) nur Anwendung auf Geschäftsbeziehungen zwischen einem inländischen Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehenden Person. Als Steuerpflichtige gelten ungeachtet des Transparenzprinzips ausdrücklich auch Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AStG). Ferner können diese unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AStG auch „nahestehende Person“ i.S. des § 1 AStG sein (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG). Folglich ist § 1 AStG u.a. auf Geschäftsbeziehungen zwischen einer ausländischen Personengesellschaft und dem zu mindestens 25 % an der Gesellschaft beteiligten inländischen Gesellschafter anwendbar, sofern die weiteren Voraussetzungen der Norm vorliegen.

6.215

§ 1 AStG setzt schließlich voraus, dass die Geschäftsbeziehung zum Ausland beim Steuerpflichtigen zu einer Einkünfteminderung führt. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Gewinnverlagerungen ins Ausland zu vermeiden, schließt die ganz h.M.,3 dass nur eine Minderung der im Inland steuerpflichtigen Einkünfte den Tatbestand des § 1 AStG erfüllt.4 Erfasst werden sowohl unmittelbare Einkünfteminderungen (z.B. verminderte Betriebseinnahmen oder erhöhte Betriebsausgaben) als auch mittelbare Einkünfteminderungen (z.B. Verzicht auf die Erzielung von Einnahmen).5

6.216

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass bei Geschäftsbeziehungen zwischen der ausländischen Personengesellschaft und ihrem inländischen Gesellschafter eine Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG in Frage kommt, sofern sich hieraus beim inländischen Gesellschafter eine Einkünfteminderung ergibt. Da etwa bei Veräußerungen zu unüblichen Konditionen auch eine verdeckte Entnahme bzw. eine verdeckte Einlage vorliegt, stellt sich sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenebene die Frage nach dem Verhältnis des § 1 AStG zu den einkommensteuerlichen Einlage- bzw. Entnahmeregelungen. Zum Tatbestand des § 1 AStG vertrat Wassermeyer zur Gesetzesfassung vor der Umsetzung des AOA in § 1 AStG die Auffassung, die steuerliche Beurteilung eines Sachverhalts als Entnahme oder Einlage stehe der Annahme einer Geschäftsbeziehung entgegen; § 1 AStG fehle „die Eignung, eine Entnahme in eine ‚Geschäftsbeziehung‘ umzudeuten.“6 Diese Auffassung ist jedoch jedenfalls überholt. Denn vom Anwendungsbereich des § 1 AStG ausgeschlossen sind aufgrund der Definition der „Geschäftsbeziehung“ i.S. des § 1 AStG nur solche Geschäftsvorfälle, die auf einer Vereinbarung beruhen, die „unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt“ (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b Halbs. 2 AStG). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG können somit durchaus auch dann vorliegen, wenn zugleich die Voraussetzungen für eine Einkünftekorrektur nach Einlage- oder Entnahmegrundsätzen gegeben sind. In diesem Fall erfolgt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG die Berichtigung der Einkünfte

6.217

1 Vgl. Herbort, FR 2013, 781 (785). 2 So von Goldacker, BB 2013, 87 (90). 3 Vgl. Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 66 ff.; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.25; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 231. 4 Ebenso die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 1.4.3. 5 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.25. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 95.

Schänzle/Engel | 831

Kap. 6 Rz. 6.218 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften nach dieser Norm „unbeschadet anderer Vorschriften“. Die Bedeutung dieser Formulierung war bis zur Ergänzung des § 1 AStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 umstritten.1 Nunmehr regelt jedoch der durch dieses Gesetz neu eingefügte § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, dass § 1 AStG neben den Rechtsfolgen anderer Korrekturnormen anzuwenden ist, wenn sich aus § 1 AStG weitergehende Berichtigungen als aus den anderen Vorschriften ergeben.2 Für das Verhältnis von § 1 AStG zur Entnahme bzw. Einlage gilt damit, dass ein gezahltes Entgelt zunächst nach Entnahme- bzw. Einlagegrundsätzen bis zur Höhe des Teilwerts zu korrigieren ist und sodann eine weitergehende Korrektur auf Basis des Fremdvergleichswerts erfolgen kann.3

6.218 Für sich innerhalb des Betriebs der Personengesellschaft vollziehende Überführungen kommt aufgrund der Erfassung sog. Dealings ebenfalls eine Anwendung des § 1 AStG in Betracht. Da es sich bei § 1 AStG insgesamt – und damit auch soweit die Vorschrift rein betriebsinterne Dealings erfasst – eine Einkünftekorrekturnorm darstellt und ferner die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG auch bei einer Einkünftekorrektur im Fall von Überführungen vorliegen müssen, findet § 1 AStG nur auf Überführungen Anwendung, die bei einem Mitunternehmer zu einer Minderung der in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte führen.4 b) Behandlung in den DBA

6.219 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung des Liefer- und Leistungsverkehrs ist ebenfalls danach zu unterscheiden, ob es sich um Geschäfte zwischen verschiedenen Unternehmen handelt oder ob der Leistungsaustausch innerhalb eines Unternehmens erfolgt.

6.220 Für Geschäfte zwischen verschiedenen Unternehmen gilt, dass das Abkommensrecht von der

Selbständigkeit eines Unternehmens ausgeht. Auch im Falle verbundener Unternehmen wird somit abkommensrechtlich von einer eigenständigen Gewinnermittlung für jedes Unternehmen ausgegangen. Ferner liegt dem MA die Annahme zugrunde, dass zivilrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen grundsätzlich steuerlich anerkannt werden. Dies gilt im Grundsatz insbesondere auch im Falle einer Konzernzugehörigkeit oder sonstigen gesellschaftsrechtlichen Verbindungen. Da nach der hier vertretenen Auffassung der Betrieb der Personengesellschaft und der Betrieb des Gesellschafters abkommensrechtlich jeweils eigenständige Unternehmen bilden (Rz. 6.201), sind Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter abkommensrechtlich grundsätzlich anzuerkennen.5

Ausgehend von der grundsätzlichen Anerkennung von Leistungsbeziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen, gibt Art. 9 OECD-MA einen abkommensrechtlichen Rahmen vor, innerhalb dessen eine Einkünftekorrektur erfolgen kann. In diesem Sinne lässt Art. 9 OECD-MA eine Gewinnberichtigung zu, wenn bei kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen die Bedingungen von dem abweichen, was unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden. Die auch auf Leistungsbeziehungen zwischen dem inländischen Gesellschafter und der ausländischen Personengesellschaft anwendbare Vorschrift des Art. 9 OECDMA ist demnach nicht selbst Einkünftekorrekturnorm, sondern stellt lediglich eine Erlaubnisnorm für Ergebniskorrekturen auf Grundlage der Vorschriften des nationalen Rechts dar. Somit ist stets in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der konkrete Sachverhalt den Tatbestand einer Korrekturvorschrift des innerstaatlichen Rechts erfüllt. Ist dies der Fall, muss festgestellt werden, ob die auf1 Vgl. zu den verschiedenen Auffassungen Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 307 ff. m.w.N. 2 Vgl. z.B. Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 17 f. 3 Vgl. Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 310; a.A. dagegen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 840 f., der von einer Aufteilung der verdeckten Entnahme in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Teil ausgeht und lediglich für Letzteren eine Anwendbarkeit des § 1 AStG annimmt. Vgl. hierzu auch Goksch, IStR 2002, 181 (183 f.). 4 Vgl. Neumann-Tomm, IStR 2015, 906 (907) m.w.N. 5 Vgl. Wassermeyer/Piltz in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68a.

832 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.225 Kap. 6

grund dieser Norm durchzuführende Gewinnkorrektur der Sache sowie der Höhe nach mit den Grundsätzen des Art. 9 OECD-MA in Einklang steht. Der Leistungsaustausch innerhalb eines Unternehmens der Personengesellschaft muss im Rahmen der Abgrenzung des Unternehmensgewinns auf die einzelnen Betriebsstätten berücksichtigt werden und ist damit Gegenstand des Art. 7 OECD-MA. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 ist hierbei auf Grundlage einer Selbständigkeitsfiktion vom Fremdvergleichsgrundsatz auszugehen. So sollen einer Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet werden, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. Die Reichweite dieser Selbständigkeitsfiktion sowie des Fremdvergleichsgrundsatzes war lange Zeit umstritten. Die OECD hat sich in der Bemühung, eine international einheitliche Vorgehensweise zu erreichen, dieser Problematik angenommen und dabei im Rahmen des sog. Betriebsstättenberichts, den sog. „Authorised OECD Approach (AOA)“ entwickelt, welcher eine sehr weitreichende Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes vorsieht. Im Ergebnis wird dadurch die Gewinnabgrenzung innerhalb eines Unternehmens der Vorgehensweise bei rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften angeglichen.1 Nach Auffassung der OECD ist der AOA jedoch nur insoweit bei der Anwendung zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Betriebsstättenberichts bereits bestehender Abkommen heranzuziehen, als sie dem bisherigen OECD-MK nicht widersprechen. Für eine vollständige Umsetzung des AOA hielt die OECD hingegen Anpassungen im Wortlaut des Art. 7 OECD-MA für erforderlich. Aus diesem Grund wurde im Zuge des „Update 2010“ ein neuer Art. 7 OECD-MA verabschiedet, dessen Übernahme in den Abkommenstext Voraussetzung der vollen Anwendung des AOA sein soll.2 Der „neue“ Art. 7 OECD-MA unterscheidet sich von Art. 7 OECD-MA 2008 insbesondere im Hinblick auf seinen Abs. 2. Seit der Verabschiedung des OECD-MA 2010 wurden zahlreiche deutsche DBA neu verhandelt. Der Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 hat dabei bislang in die Abkommen mit Armenien, Großbritannien und Nordirland, Irland, Japan, Liechtenstein, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen Eingang gefunden. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG findet der AOA jedoch auch dann zulasten des Steuerpflichtigen Anwendung, wenn das im konkreten Einzelfall anwendbare DBA sich an der alten Formulierung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA orientiert, es sei denn, der Steuerpflichtige kann nachweisen, dass der andere Vertragsstaat das Abkommen anders anwendet (also den AOA nicht anwendet) und soweit eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG nachweislich zu einer Doppelbesteuerung führen würde.

6.221

c) Zusammenfassende Beispiele Veräußerungsgeschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, die zu Bedingungen abgewickelt werden, wie sie auch zwischen fremden Dritten üblich sind, werden steuerlich anerkannt.

6.222

Beispiel 35: Der Steuerinländer D ist mit einem Anteil von 50 % am Vermögen der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. D betreibt im Inland eine Möbelhandlung als Einzelunternehmen und veräußert in diesem Rahmen einen Schreibtisch zu fremdüblichen Konditionen an die P, der dort im Büro des Geschäftsführers genutzt werden soll.

6.223

Aus der Gesellschafterstellung des D ergeben sich keine Besonderheiten. D erzielt im Rahmen seines Einzelunternehmens Betriebseinnahmen; die Personengesellschaft aktiviert den Schreibtisch zu Anschaffungskosten in ihrer Bilanz. Die Abschreibungen mindern als Betriebsausgaben den Gewinn der Personengesellschaft.

6.224

Wenn bei Veräußerungsgeschäften die Preise nicht den zwischen fremden Dritten üblichen Bedingungen entsprechen, ist eine Anwendung der verschiedenen Einkünftekorrekturnormen zu prüfen.

6.225

1 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.33. 2 Vgl. hierzu Digeronimo/Kolb, IWB 2011, 26 (28 f.).

Schänzle/Engel | 833

Kap. 6 Rz. 6.226 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften

6.226 Beispiel 36 (Abwandlung von Beispiel 35): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 35. Der

von der P gezahlte Preis beträgt 2 000 Euro. Der übliche Verkaufspreis für das von D gelieferte Modell liegt bei 1 500 Euro.

6.227 Es liegt eine verdeckte Entnahme des D bei der P i.H. von 500 Euro vor. Der Gewinn der P ist um 500 Euro zu erhöhen. Eine Anwendung des § 1 AStG erfolgt nicht.

6.228 Beispiel 37 (Abwandlung von Beispiel 35): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 35. Der

von der P gezahlte Preis entspricht den Anschaffungskosten des D i.H. von 1 000 Euro. Der übliche Verkaufspreis für das von D gelieferte Modell liegt bei 1 500 Euro.

6.229 Vorliegend ist in der Lieferung des Schreibtischs unter Preis eine verdeckte Einlage des D in die P

zu sehen, da im Beispielsfall der Teilwert des Schreibtischs grds. mit dessen üblichem Verkaufspreis übereinstimmt. Im Beispielsfall ist somit der Gewinn des Einzelunternehmens des D außerbilanziell um 500 Euro zu erhöhen. Eine Anwendung des § 1 AStG erfolgt auch hier nicht.

6.230 Beispiel 38 (Abwandlung von Beispiel 35): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 35. D

veräußert den Schreibtisch jedoch nicht an P, sondern überträgt ihn gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Bei der P erfolgt die Gegenbuchung auf dem für die Gesellschafterrechte maßgeblichen Kapitalkonto des D.

6.231 Aufgrund der Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten richtet sich die steuerliche Behandlung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG (siehe dazu Rz. 6.182). Da die Übertragung gegen Gesellschaftsrechte erfolgt ist, liegt keine Geschäftsbeziehung (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AStG) und damit auch hier kein Anwendungsfall des § 1 AStG vor.

6.232 Überführungen zwischen verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft können zu einer

(fiktiven) Entnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist.

6.233 Beispiel 39: Der Steuerinländer D ist am Vermögen der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungs-

staat P mit einem Anteil von 50 % beteiligt. Die Personengesellschaft verbringt einen Lkw von ihrer deutschen Produktionsbetriebsstätte in ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P. Dieser soll von nun an dauerhaft ausschließlich dort genutzt werden. Der Buchwert des Lkw beträgt 10.000 Euro; der tatsächliche Verkehrswert beträgt 18.000 Euro.

6.234 Die Überführung des Lkw in die ausländische Betriebsstätte führt gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG zu

einer (fiktiven) Entnahme, die zum gemeinen Wert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Der inländische Gewinn der Personengesellschaft P ist um 8.000 Euro zu erhöhen (18.000 Euro ./. 10.000 Euro). Abkommensrechtlich ist eine solche Besteuerung zulässig. Dies gilt sowohl nach dem bisherigen Verständnis als auch für den AOA.

6.235 Beispiel 40: Der Steuerinländer D ist am Vermögen der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungs-

staat P mit einem Anteil von 50 % beteiligt. Die Personengesellschaft liefert fertige Erzeugnisse von ihrer deutschen Produktionsbetriebsstätte in eine Vetriebsbetriebsstätte in Staat P, von wo aus die Güter an die Kunden veräußert werden. Die Herstellungskosten der Güter betragen 10.000 Euro; veräußert werden Sie an den Kunden für 15.000 Euro. Für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung wird von einem Produktionsgewinn von 2.000 Euro und einem Vertriebsgewinn von 3.000 Euro ausgegangen. Unter fremden Dritten wäre aber nur eine Vertriebsmarge von 1.500 Euro angemessen gewesen.

6.236 Die Überführung der Güter in die ausländische Betriebsstätte führt wie in Beispiel 39 gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG zu einer (fiktiven) Entnahme, die zum gemeinen Wert zu bewerten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Zwar ist nicht ganz klar, ob sich nicht bereits aus der Bewertung der fiktiven Entnahme mit dem gemeinen Wert unmittelbar eine Erhöhung des inländischen Gewinns um den angemessenen Produktionsgewinn von 3.500 Euro ergibt.1 Jedenfalls aber 1 Vgl auch Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (911).

834 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.240 Kap. 6

regelt § 1 Abs. 1 und 5 AStG, dass wenn der Gewinnabgrenzung wie hier Bedingungen zugrunde gelegt wurden, die von dem abweichen, was unter fremden Dritten üblich gewesen wäre, und sich daraus eine Minderung der im Inland steuerpflichtigen Einkünfte ergibt (hier: im Inland steuerpflichtiger Produktionsgewinn von 2.000 Euro statt 3.500 Euro), eine Einkünftekorrektur zu erfolgen hat. Somit ist für deutsche steuerliche Zwecke – grds. unabhängig von der Behandlung im anderen Staat – von einem inländischen Produktionsgewinn von 3.500 Euro auszugehen. 4. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und Erbringung von Dienstleistungen a) Behandlung nach nationalem Recht Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern sowie der Erbringung von Dienstleistungen ist ähnlich wie beim Transfer von Wirtschaftsgütern danach zu unterscheiden, ob sich die Nutzungsüberlassung als „echte“ zivilrechtliche Leistungsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter darstellt, oder ob auf Ebene der Personengesellschaft ein „rein faktischer“ innerbetrieblicher Leistungsaustausch vorliegt. Ferner ist innerhalb der echten Leistungsbeziehungen danach zu unterscheiden, ob der Gesellschafter der Personengesellschaft Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt oder umgekehrt.

6.237

In Bezug auf Nutzungsüberlassungen bzw. Dienstleistungen der Personengesellschaft an ihren Gesellschafter gilt wie für Veräußerungsgeschäfte (Rz. 6.209), dass solche schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen steuerlich anzuerkennen sind, soweit die Bedingungen dem entsprechen, was unter fremden Dritten üblich ist. Halten die Konditionen dagegen einem Fremdvergleich nicht stand, ist eine Anwendung der Entnahme- und Einlagevorschriften sowie ergänzend des § 1 AStG zu prüfen. Eine Anwendung der allgemeinen Ent- und Verstrickungsregelungen (§§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 8 EStG, 12 Abs. 1 KStG) kommt in diesen Fällen nicht in Betracht, da die Vorschriften über (echte) Entnahmen und Einlagen die Ent- und Verstrickungsnormen verdrängen.1

6.238

Für Nutzungsüberlassungen bzw. Dienstleistungen, die der Gesellschafter auf schuldrechtlicher Grundlage an seine Personengesellschaft erbringt, gilt im Ausgangspunkt dasselbe. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG dreht dies jedoch steuerlich dadurch zurück,2 dass sie die Vergütungen, die der Gesellschafter für die Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung, die Hingabe von Darlehen sowie für Tätigkeiten im Dienst der Gesellschaft von der Personengesellschaft erhält, als Sonderbetriebseinnahmen qualifiziert und damit den Einkünften des Gesellschafters aus der Mitunternehmerschaft zuordnet. Gleichwohl müssen auch die Sondervergütungen einem Fremdvergleich standhalten. Andernfalls hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen.3 Bei Nutzungsüberlassungen ist in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten, dass Nutzungen zwar Gegenstand einer Entnahme sein können (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG), jedoch keine einlagefähigen Wirtschaftsgüter sind (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG). Überlässt also etwa der inländische Gesellschafter „seiner“ ausländischen Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zur Nutzung, liegt keine verdeckte Einlage vor. In diesem Fall ist jedoch eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG zu prüfen. Entsprechendes gilt für Dienstleistungen.

6.239

Eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG kommt auch in Betracht bei einer Nutzungsüberlassung oder Dienstleistung des Gesellschafters an die Personengesellschaft, die auf einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung beruht. Denn vom Anwendungsbereich des § 1 AStG ausgeschlossen sind aufgrund der Definition der „Geschäftsbeziehung“ i.S. des § 1 AStG nur Geschäftsvorfälle, die auf einer Vereinbarung beruhen, die „unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt“ (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b Halbs. 2 AStG). Dass sich der Gesellschafter

6.240

1 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat von Ernst & Young tax, DB 2010, 1776 (1782). 2 So treffend Rupp in D/J/P/W, IntGA Rz. 71a. 3 Vgl. BFH v. 13.10.1998 – VIII R 4/98, BStBl. II 1999, 284; Tiede in H/H/R, § 15 EStG Anm. 526; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.32.

Schänzle/Engel | 835

Kap. 6 Rz. 6.241 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften im Gesellschaftsvertrag zu den Leistungen verpflichtet hat, dürfte diesem Erfordernis nicht genügen.1

6.241 Innerbetriebliche Nutzungsüberlassungen wirken sich steuerlich ebenso wie Überführungen in-

nerhalb eines Betriebsvermögens (Rz. 6.212) unmittelbar nur im Rahmen der allgemeinen Entstrickungsregelungen der §§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, 12 Abs. 1 KStG aus. b) Behandlung in den DBA

6.242 Im Hinblick auf die abkommensrechtliche Behandlung von echten schuldrechtlichen Nutzungs-

überlassungen kann auf die Ausführungen zu Übertragungen (Rz. 6.213) verwiesen werden. Nutzungsüberlassungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter werden also abkommensrechtlich grundsätzlich wie solche zwischen fremden Dritten behandelt. Art. 9 OECD-MA erlaubt bei Verstößen gegen den Fremdvergleichsgrundsatz eine Einkünftekorrektur. Die Einkünftequalifikation sowie die Betriebsstättenzuordnung bei Sondervergütungen werden an anderer Stelle ausführlich behandelt (Rz. 6.144 ff.).

6.243 Nutzungsüberlassungen zwischen verschiedenen Betriebsstätten der Personengesellschaft sind

ebenso wie innerbetriebliche Überführungen Gegenstand des Art. 7 OECD-MA. Sie müssen im Rahmen der Gewinnabgrenzung Berücksichtigung finden. Die h.M. im Schrifttum sowie die gängige Praxis gingen vor der Verabschiedung des AOA durch die OECD im Rahmen solcher Nutzungsüberlassungen lediglich von einer Aufwandsverrechnung aus.2 Der AOA sieht i.S. einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion hier nunmehr eine Verrechnung fremdüblicher Entgelte im Rahmen fiktiver Leistungsbeziehungen zwischen den verschiedenen Unternehmensteilen (sog. „dealings“) vor.3 c) Zusammenfassende Beispiele

6.244 Nutzungsüberlassungen sowie Dienstleistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter, die zu Bedingungen abgewickelt werden, wie sie auch zwischen fremden Dritten üblich sind, werden steuerlich anerkannt.

6.245 Beispiel 41: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft überlässt D ein Lizenzrecht zu fremdüblichen Konditionen zur Nutzung.

6.246 Aus der Gesellschafterstellung des D ergeben sich keine Besonderheiten. Die Lizenzgebühren stellen bei D Betriebsausgaben und bei P Betriebseinnahmen dar.

6.247 Entsprechen bei Nutzungsüberlassungen oder Dienstleistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter die Bedingungen nicht dem, was zwischen fremden Dritten üblich ist, sind die verschiedenen Einkünftekorrekturnormen zu prüfen.

6.248 Beispiel 42: Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 41. Die vereinbarte Lizenzgebühr beträgt

20.000 Euro p.a. Im Lizenzierungszeitraum entstanden der P im Zusammenhang mit der Lizenz keine Aufwendungen. Fremden Dritten hätte P für die Lizenz 30.000 Euro p.a. berechnen können.

6.249 Die Lizenzgebühr hält zwar einem Drittvergleich nicht stand. Eine (verdeckte) Entnahme liegt

trotzdem nicht vor. Denn der gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG für Entnahmen relevante „Teilwert“ entspricht bei Nutzungen den Selbstkosten. Diese betragen im Beispielsfall null Euro, so dass die Li1 Vgl. auch Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.125 und Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.21. 2 Vgl. Art. 7 Tz. 17.4 OECD-MK (2008); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). 3 Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (105).

836 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.254 Kap. 6

zenzgebühr über dem Teilwert liegt. Eine Anwendung des § 1 AStG kommt nicht in Betracht, da es im Inland zu keiner Einkünfteminderung kommt. Somit erfolgt im Beispielsfall keine Einkünftekorrektur. Beispiel 43: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P im DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. D gewährt der P ein Darlehen. Hierfür zahlt ihm die P im ersten Jahr Zinsen i.H. von 10.000 Euro. Bei einem marktgerechten Zinssatz hätte die P 30.000 Euro an Zinsen zahlen müssen. Das DBA mit Staat P enthält keine Sonderregelung für Sondervergütungen. Staat P lässt die Darlehenszinsen zum Abzug zu.

6.250

Die Zinsen halten zwar einem Drittvergleich nicht stand. Mangels eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts liegt jedoch keine (verdeckte) Einlage des D in die P vor. In Betracht kommt jedoch eine Anwendung des § 1 AStG. Dies setzt insbesondere eine Einkünfteminderung im Inland voraus. Eine solche ist im Beispielsfall gegeben, da Deutschland die tatsächlich geleisteten Sondervergütungen mangels einer steuerlichen Erfassung in Staat P der Besteuerung unterwirft (Rz. 6.149 f.), während die BRD aufgrund der DBA-Freistellung auf den Gewinn der Personengesellschaft, auch soweit dieser auf den Steuerinländer D entfällt, steuerlich nicht zugreifen kann. Die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte des D sind also um 20.000 Euro zu erhöhen. Zugleich mindern sich aus deutscher steuerlicher Sicht die im Inland freizustellenden Einkünfte des D infolge der korrespondierenden Minderung des Gesamthandsgewinns um 10.000 Euro. Die in Staat P auf die in Sondervergütungen umqualifizierten 20.000 Euro erhobene Steuer ist, bei transparenter Besteuerung in Staat P und soweit sie auf D als Steuerpflichtigen entfällt, grundsätzlich auf die deutsche Einkommensteuer anrechenbar. Die von anderen Gesellschaftern gezahlte und auf die umqualifizierten 20.000 Euro entfallende Steuer kann dagegen mangels Steuersubjektidentität nicht angerechnet werden. Bei intransparenter Besteuerung der P ist dagegen u.E. die gesamte auf die umqualifizierten 20.000 Euro entfallende Steuer der P grundsätzlich bei D auf dessen deutsche Einkommensteuer anrechenbar (siehe auch Rz. 6.31).

6.251

Innerbetriebliche Nutzungsüberlassungen können zu einer (fiktiven) Entnahme der Nutzungen i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG führen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt ist.

6.252

Beispiel 44:1 Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in DBA-Freistellungsstaat P beteiligt. Die Personengesellschaft verbringt einen Lkw von ihrer deutschen Produktionsbetriebsstätte in ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P. Dort soll der Lkw für zwei Monate genutzt und danach wieder zurück in die deutsche Produktionsbetriebsstätte verbracht werden. Für die Unterhaltung des Lkw entstehen der Personengesellschaft Aufwendungen für Abschreibungen, Instandhaltungen und Betriebskosten etc. i.H. von 18.000 Euro p.a. Die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs für die Geschäftsleitungsbetriebsstätte hätte für den Zeitraum von zwei Monaten 5.000 Euro gekostet.

6.253

Versteht man wie die Verfasser unter dem „Gewinn aus der Nutzung“ im Beispielsfall die Erträge aus der Nutzung des Lkw, gelangt man zu dem Ergebnis, dass für den Zeitraum, indem der Lkw in der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Staat P genutzt wird, das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung des Lkw ausgeschlossen ist. Somit läge eine (fiktive) Nutzungsentnahme i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vor, die mit dem gemeinen Wert der Nutzung zu bewerten ist.2 Im Beispielsfall wäre somit in der inländischen Betriebsstätte eine Gewinnerhöhung von 5.000 Euro vorzunehmen. Gleichzeitig wären die Aufwendungen vollständig der inländischen Produktionsbetriebsstätte anzulasten. Zahlreiche Autoren verstehen hingegen unter dem „Gewinn aus der Nutzung“ ein fiktives Nutzungsentgelt und kommen auf Basis dieser Sichtweise zu dem Ergebnis, dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in Konstellationen, wie sie dem Beispielsfall zugrunde liegen, keine Anwendung findet.3

6.254

1 In Anlehnung an Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 808. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 808. 3 Vgl. stellvertretend Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff.

Schänzle/Engel | 837

Kap. 6 Rz. 6.255 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Abkommensrechtlich wurde bislang in solchen Fällen lediglich der Aufwand des Gesamtunternehmens entsprechend der Nutzungsanteile verteilt;1 die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG widerspricht mithin an dieser Stelle der bisherigen internationalen Praxis. Der AOA geht hingegen wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG von einer Abrechnung der Nutzungsüberlassung zu Marktpreisen aus.2 Im innerstaatlichen Recht ist der AOA in § 1 Abs. 1 und 5 AStG verankert. Sofern der Einkünfteabgrenzung keine dem Fremdvergleich entsprechenden Bedingungen zugrunde gelegt wurden, d.h. im Beispielsfall keine fiktiven Mieterträge i.H.v. 5.000 Euro im Rahmen der Betriebsstättenabgrenzung im Inland erfasst wurden, erfolgt für deutsche steuerliche Zwecke eine Einkünftekorrektur nach § 1 AStG. Gesetzestechnisch stellt sich allerdings die Frage, ob die Erhöhung des inländischen Betriebsstättengewinns um 5.000 Euro im Beispielsfall nicht bereits Folge des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ist.3 5. Gründungsaufwand und nachträgliche Aufwendungen oder Erträge

6.255 Bevor ein Steuerpflichtiger den Entschluss trifft, im Ausland eine Personengesellschaft zu gründen bzw. sich an einer solchen zu beteiligen, stellt er meist Vorüberlegungen und Analysen an, unternimmt Reisen in den entsprechenden Staat etc., bevor dann die Personengesellschaft gesellschaftsrechtlich aufgesetzt wird. Es stellt sich die Frage, ob in dem Zusammenhang beim inländischen Gesellschafter anfallender „Gründungsaufwand“ den ausländischen Einkünfte zuzuordnen ist und insbesondere ob in DBA-Fällen solcher Aufwand einer durch die Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen und damit im Inland „freizustellen“ oder steuerlich zu berücksichtigen ist.

6.256 Der BFH hat für den Fall vergeblichen Gründungsaufwands im Zusammenhang mit einer geplanten, letztlich aber gescheiterten Errichtung einer Betriebsstätte bzw. festen Einrichtung einer Freiberuflerpraxis entschieden, dass eine Zurechnung von Aufwendungen zur festen Einrichtung nicht deren Existenz voraussetzt und Gründungsaufwand aufgrund des insoweit geltenden Veranlassungsgrundsatzes auch dann der festen Einrichtung zuzuordnen ist, wenn es tatsächlich nicht zur Begründung einer solchen festen Einrichtung kommt.4 Der BFH hat somit das Urteil der Vorinstanz bestätigt, welches die in dem Zusammenhang angefallenen Aufwendungen im Inland nicht zum Abzug zugelassen hat.

Diese Entscheidung wird u.E. zu Recht im Schrifttum vielfach kritisch gesehen. Hinsichtlich der Zuordnung von sog. Gründungsaufwand ist zunächst zwischen originär innerstaatlichem Recht und Abkommensrecht zu unterscheiden. Im innerstaatlichen Recht regelt § 34d EStG (der über § 8 Abs. 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer gilt) den Begriff der ausländischen Einkünfte. Als ausländische Einkünfte gelten u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die „durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte […] erzielt werden.“ Dem klaren Wortlaut der Vorschrift zufolge ist für die Qualifikation als ausländische Einkünfte somit erforderlich, dass bereits eine Betriebsstätte existiert.5 Dies unterstreicht auch der von Wassermeyer angeführte Vergleich zum Wortlaut der systematisch verwandten Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG, wonach als inländische Einkünfte ebensolche aus einer selbständigen Tätigkeit gelten, die „im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird“. Die in dieser Vorschrift vorgenommene Unterscheidung zwischen dem „Tätigkeitstatbestand“, bei dem Einkünfte als „inländisch“ gelten, wenn die Ausübung der Tätigkeit gegenwärtig oder in der Vergangenheit einen Inlandsbezug aufweist bzw. aufwies, während nur das gegenwärtige Unterhalten einer festen Einrichtung oder Betriebsstätte zu inländischen Einkünften führt, macht deutlich, dass die zeitlichen Bezüge in den §§ 34d und 49 EStG und entsprechende 1 2 3 4 5

Vgl. Art. 7 Tz. 17.4 OECD-MK (2008); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (758); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (105). Vgl auch Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (911). Vgl. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 1374 = ISR 2014, 273 m. Anm. Haase. Vgl. Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38).

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E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.259 Kap. 6

Differenzierungen bewusste Entscheidungen des Gesetzgebers sind.1 Abkommensrechtlich geht auch das OECD-MA bezüglich der Betriebsstättenzuordnung von einem reinen Gegenwartsbezug aus. So können Gewinne eines Unternehmens entsprechend Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, „es sei denn, dass Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus.“ Dieser Gegenwartsbezug findet sich auch in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA wieder („Übt ein Unternehmen […]“). Unseres Erachtens ist somit auch abkommensrechtlich eine Zuordnung solcher Gründungsaufwendungen zu einer (noch) nicht existierenden Betriebsstätte ausgeschlossen. Auch für Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften sind diese Grundsätze zu beachten, d.h., abweichend von der o.g. BFH-Rechtsprechung setzt u.E. eine Zuordnung solcher Gründungsaufwendungen zu einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte oder festen Einrichtung ungeachtet einer Qualifikation als Sonderbetriebsausgaben die tatsächliche Existenz einer solchen Betriebsstätte oder festen Einrichtung voraus.2 Für nachträgliche Erträge und Aufwendungen gelten die Grundsätze der Rz. 6.197 ff. entsprechend. Im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer Personengesellschaft sind dabei zwei Konstellationen zu unterscheiden:

6.257

Beispiel 45: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft hat ihre einzige Betriebsstätte in Staat P. Im VZ 01 veräußert D seinen kompletten Mitunternehmeranteil an X. In VZ 02 fallen bei D noch Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Mitunternehmeranteil an.

Auch wenn die Aufwendungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Mitunternehmeranteil des D an der P stehen, vermag die P dem D keine Betriebsstätte mehr in Staat P vermitteln, weshalb eine Zurechnung dieser Aufwendungen zu einer Betriebsstätte in Staat P in VZ 02 nicht mehr in Betracht kommt. Richtigerweise wäre in der Steuerbilanz (Sonderbilanz), die anlässlich des Ausscheidens des D in VZ 01 aufzustellen ist, eine Rückstellung für diese Aufwendungen zu bilden gewesen mit der Folge, dass der resultierende Aufwand einen Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mindert oder einen Veräußerungsverlust erhöht.

6.258

Beispiel 46: Der Steuerinländer D ist an der Personengesellschaft P in Staat P beteiligt. Die Personengesellschaft hat bis zum VZ 01 eine Betriebsstätte in Staat P und eine Betriebsstätte in Nachbarstaat N. Ende des VZ 01 gibt die P ihre Betriebsstätte in Staat N auf. In VZ 02 fallen bei P noch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Betriebsstätte in Staat N an.

6.259

Im Beispielsfall kommt ebenfalls keine Zuordnung der Aufwendungen zu der in VZ 01 aufgegebenen Betriebsstätte in Betracht. Ähnlich wie in Beispiel 45 handelt es sich um das Problem der Besteuerung der Aufgabe einer betrieblichen (Teil-)Einheit, allerdings mit der Schwierigkeit, dass das EStG keinerlei Regelungen zur Besteuerung der Aufgabe von Betriebsstätten im Ausland enthält. Lediglich die Entstrickung eines inländischen Betriebs oder Teilbetriebs ist in § 16 Abs. 3a EStG geregelt. Entsprechend den Ausführungen in Rz. 6.258 bleibt es daher dabei, dass die Aufwendungen nicht der Betriebsstätte in Staat N zugeordnet werden können. Da die Aufwendungen auch mit der in 1 Vgl. Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). 2 Eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG dergestalt, dass die inländischen Einkünfte so festgesetzt werden, als hätte der Gesellschafter die Gründungsaufwendungen an die Personengesellschaft weiterbelastet, scheidet u.E. ebenso aus wie die Annahme eines „Dealings“ zwischen einer inländischen und ausländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft, weil weder die Personengesellschaft noch eine Betriebsstätte unter Fremdvergleichsgesichtspunkten ihren eigenen Gründungsaufwand tragen würde und auch unter Berücksichtigung der Personalfunktionen eine Zurechnung zu einer noch nicht existierenden Betriebsstätte ausscheidet, vgl. zum Betriebsstättenfall plakativ Schnorberger/Dust, BB 2015, 608 (609).

Schänzle/Engel | 839

Kap. 6 Rz. 6.260 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften Staat P bestehenden Betriebsstätte nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind diese – soweit sie auf D als Gesellschafter der P entfallen – im Inland zu berücksichtigen. Die von der Finanzverwaltung in Tz. 2.9.2 des BMF-Schr. vom 24.12.19991 vertretene Auffassung, dass einer aufgegebenen Betriebsstätte nachträgliche Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben noch bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs zuzurechnen seien, das auf das Jahr der Auflösung der Betriebsstätte folge, entbehrt u.E. einer gesetzlichen Grundlage.2

IV. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte 6.260 Sowohl für den Gewinnanteil des inländischen Gesellschafters als auch für etwaige ihm von der

ausländischen Personengesellschaft gezahlte Sondervergütungen gelten hinsichtlich der zeitlichen Zurechnung der Einkünfte im Rahmen der deutschen Besteuerung die Grundsätze des deutschen Steuerrechts. Die Einkünfte sind mithin wie in rein innerstaatlichen Fällen unabhängig vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses in dem Jahr steuerlich zu erfassen, in dem sie entstanden sind. Auf eine Auskehrung des Gewinns kommt es auch dann nicht an, wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft den Gesellschafter erst im Zuge einer „Ausschüttung“ besteuert, wie dies regelmäßig bei einer intransparenten Besteuerung der Personengesellschaft der Fall sein wird.

V. Verfahrensfragen 1. Gesonderte Feststellung in Gewinnsituationen

6.261 Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige Ein-

künfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Hauptanwendungsfall dieser Norm bildet die Beteiligung mehrerer einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtiger Personen an den Einkünften einer Personengesellschaft. Für die gesonderte Feststellung sind Sitz und Geschäftsleitung der Personengesellschaft nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, ob die Einkünfte im Inland bei mehreren Steuerpflichtigen der Besteuerung unterliegen.3

Eine ausländische Personengesellschaft wird regelmäßig Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten erzielen, die ihren Gesellschaftern aufgrund des Transparenzprinzips steuerlich zugerechnet werden. Für diese Einkünfte ist gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur dann eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen, wenn an den Einkünften mehrere inländische Gesellschafter beteiligt sind. Denn die ausländischen Betriebsstättengewinne sind nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Mitunternehmern im Inland steuerbar.4 Ist an den Einkünften hingegen nur ein Steuerinländer beteiligt, erfolgt keine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte. Diese sind dann vielmehr im Rahmen der Veranlagung des Steuerinländers festzustellen. Voraussetzung für eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist ferner, dass die Einkünfte nicht aufgrund eines DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sind. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO greift damit in Nicht-DBA-Fällen sowie in Konstellationen, in denen ein DBA für die Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode vorsieht. Dabei ist auch an Fallkonstellationen zu denken, in denen eine abkommensrechtliche Freistellung aufgrund einer Vorbehaltsklausel keine Anwendung findet (siehe dazu Rz. 6.88 ff.).5 1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.9.2. 2 Vgl. Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). 3 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.1 f. 4 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 5 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.13 und 24.18.

840 | Schänzle/Engel

E. Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Personengesellschaft | Rz. 6.264 Kap. 6

Sind die den inländischen Mitunternehmern durch ihre Beteiligung an der Personengesellschaft vermittelten ausländischen Betriebsstätteneinkünfte nach einem DBA von der deutschen Besteuerung auszunehmen, findet § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO keine Anwendung, da dann die Voraussetzung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht im Inland nicht vorliegt.1 Allerdings hat in diesen Fällen gem. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ebenfalls eine gesonderte Feststellung zu erfolgen, wenn die abkommensrechtlich steuerbefreiten Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind. Eine derartige Bedeutung der steuerfreien Einkünfte ergibt sich für einkommensteuerpflichtige Mitunternehmer regelmäßig aus dem Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Progressionsvorbehalt in bestimmten Fällen keine Anwendung findet (siehe hierzu ausführlich Rz. 2.493 ff.).2

6.262

Erzielt die Personengesellschaft sowohl steuerpflichtige als auch abkommensrechtlich steuerbefreite Einkünfte, haben gesonderte Feststellungen gleichermaßen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sowie nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO zu erfolgen. In diesem Fall handelt es sich bei der Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO um einen eigenständigen Verwaltungsakt.3 In der Regel wird ein kombinierter Feststellungsbescheid ergehen, welcher die Feststellungen zusammenfasst.4

6.263

Die einheitliche und gesonderte Feststellung umfasst sämtliche Einkünfte aus der Mitunternehmerschaft. Der Umfang der Feststellung ergibt sich somit insbesondere aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, so dass neben dem Anteil am Gewinn oder Verlust der Personengesellschaft auch Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben sowie Gewinne und Verluste, die ein Mitunternehmer aus der Veräußerung seines Anteils erzielt, einheitlich und gesondert festgestellt werden.5 Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung auch Feststellungen zu den im Ausland auf Gewinne der Personengesellschaft erhobenen Steuern zu erfolgen haben. Der X. Senat des BFH lehnt dies mit der Begründung ab, dass Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung nur die Einkünfte sind, während Fragen im Zusammenhang mit Tarifvorschriften wie § 34c Abs. 1 EStG auf Gesellschafterebene im Steuerfestsetzungsverfahren entschieden werden müssen.6 Demgegenüber hält der I. Senat des BFH Feststellungen über die Höhe der anrechenbaren Steuern im Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO zumindest dann für geboten, wenn die ausländischen Steuern nicht von den einzelnen an der gesonderten Feststellung beteiligten Personen entrichtet wurden.7 Das Schrifttum spricht sich überwiegend für eine Aufnahme von Angaben über die Höhe der ausländischen Steuer, den Staat, aus dem die Einkünfte stammen sowie die Verteilung der ausländischen Steuern auf die einzelnen Gesellschafter aus.8 Diese – u.E. zutreffende – Auffassung wird von der Finanzverwaltung geteilt.9 Für nach dem 31.12.1994 beginnende Feststellungszeiträume spricht hierfür nicht nur die größere Sachnähe des über die gesonderte und einheitliche Feststellung entscheidenden Finanzamts, sondern auch der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO, der neben den steuerpflichtigen Einkünften die

6.264

1 BFH v. 30.5.2005 – IV B 92/03, BFH/NV 2005, 1560 (1562); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966); v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605 (606). 2 Vgl. zum Ganzen Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.16. 3 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 (522); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966). 4 Vgl. BFH v. 26.4.2005 – I B 159/04, BFH/NV 2005, 1560 (1562); v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964 (966). 5 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.15. 6 Vgl. BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187. 7 Vgl. BFH v. 18.7.1990 – I R 115/88, BStBl. II 1990, 951. 8 Vgl. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 59; Frotscher in Schwarz, § 180 AO Rz. 61; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 72. 9 Vgl. OFD Nürnberg v. 26.8.2004 – S 1300 - 247/St 32, BeckVerw 149503.

Schänzle/Engel | 841

Kap. 6 Rz. 6.265 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften „mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen“ zum Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung erklärt.1

6.265 Beteiligte der einheitlichen und gesonderten Feststellung sind die unmittelbaren Gesellschafter

der ausländischen Personengesellschaft. Dies gilt in gleicher Weise, soweit an der ausländischen Personengesellschaft (Untergesellschaft) eine Personengesellschaft beteiligt ist (Obergesellschaft). In diesem Fall sind daher auf Ebene beider Gesellschaften Feststellungsverfahren durchzuführen.2 Dass (nur) der unmittelbare Gesellschafter am Feststellungsverfahren beteiligt ist, gilt nach Auffassung des BFH auch dann, wenn dieser als Organgesellschaft in eine inländische Kapital- oder Personengesellschaft eingegliedert ist. Die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Personengesellschaft entfaltet jedoch mittelbar auch für den Organträger bindende Wirkung, weil das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende Besteuerungsgrundlagen gem. § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG gesondert und einheitlich festgestellt werden. Da der Feststellungsbescheid auf Ebene der Personengesellschaft Grundlagenbescheid für den in § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG geregelten Grundlagenbescheid ist, sind Änderungen des Gewinns der Personengesellschaft im Fall einer Organgesellschaft als Mitunternehmer auf Ebene des Organträgers nachzuvollziehen.3 2. Gesonderte Feststellung in Verlustsituationen

6.266 Für Verluste einer ausländischen Personengesellschaft gelten verfahrensrechtlich dieselben

Grundsätze wie für Gewinne. Über eine ausländische Personengesellschaft erzielte Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte sind wie im Gewinnfall einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere inländische Gesellschafter beteiligt sind. Eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ist dabei durchzuführen, wenn die Verluste bei der inländischen Besteuerung in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Dagegen ist § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO Rechtsgrundlage für eine Feststellung, wenn die Verluste aufgrund einer DBAFreistellung von der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind, jedoch zu einem negativen Progressionsvorbehalt führen. Hierbei sind die Einschränkungen des negativen Progressionsvorbehalts zu beachten (siehe Rz. 2.493 ff.).

6.267 In Verlustfällen ist neben der Höhe und der steuerlichen Behandlung der Verluste auch festzustel-

len, ob die Voraussetzungen einer Hinzurechnung von Gewinnen nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. gegeben sind,4 oder ob ein Ereignis vorliegt, welches gem. § 2a Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 5 oder 6 EStG zu einer Nachversteuerung führt.5 Der nur verrechenbare Verlust i.S. des § 15a EStG ist dagegen durch einen eigenständigen Verwaltungsakt festzustellen,6 auch wenn er mit der einheitlichen und gesonderten Feststellung der einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte verbunden wird. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Personengesellschaft stellt für den Feststellungsbescheid i.S. des § 15a EStG einen Grundlagenbescheid dar. Über die Höhe des Verlustanteils ist demnach abschließend im Feststellungsverfahren der Personengesellschaft zu entscheiden.7 1 Vgl. Helmschrott/Eberhart, DStR 1994, 525 (526). 2 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.22 ff. 3 Vgl. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 589. 4 Vgl. BFH v. 28.11.2007 – I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097 (1098); v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 30.4.1991 – VIII R 68/86, BStBl. II 1991, 873; v. 9.6.1999 – I R 40/98, BFH/NV 2000, 168. 5 Vgl. BFH v. 28.11.2007 – I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097 (1098); Dremel in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.42. 6 Vgl. BFH v. 15.9.2004 – I R 30/04, BFH/NV 2005, 842 (843); v. 18.10.1998 – VIII R 78/97, BStBl. II 1999, 163; v. 23.2.1999 – VIII R 29/98, BStBl. II 1999, 592. 7 Vgl. zu alledem Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 24.44.

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F. Beendigung und Strukturwechsel | Rz. 6.270 Kap. 6

F. Beendigung und Strukturwechsel I. Vorbemerkungen Die nachfolgenden Ausführungen zu Beendigung und Strukturwechsel beschränken sich auf Vorgänge, die sich außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes vollziehen. Umwandlungen werden in Kapitel 10 ausführlich behandelt, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.

6.268

II. Veräußerung Veräußert der inländische Gesellschafter seine Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft, können wie in rein nationalen Fällen für den Veräußerungsgewinn die in den §§ 16, 34 EStG vorgesehenen Begünstigungen in Anspruch genommen werden, wenn der Gesellschafter eine natürliche Person ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Gesellschafter seinen gesamten Mitunternehmeranteil einschließlich des wesentlichen Sonderbetriebsvermögens veräußert. Ist der veräußernde inländische Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft, unterliegt der Gewinn der regulären Besteuerung mit Körperschaftsteuer. Entsteht bei der Veräußerung ein Verlust, ist dieser grundsätzlich nach dem Welteinkommensprinzip im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht des Gesellschafters zu berücksichtigen. Regelmäßig wird der Veräußerungsgewinn im Ausland ebenfalls der Besteuerung unterliegen. Eine Doppelbesteuerung kann im Nicht-DBA-Fall durch eine Anrechnung oder einen Abzug der ausländischen Steuern nach § 34c EStG bzw. § 26 KStG vermieden werden, da der Veräußerungsgewinn gem. § 34d Nr. 2 EStG zu den ausländischen Einkünften zählt.1

6.269

Im Abkommensfall ist die Vorschrift des Art. 13 OECD-MA in den Blick zu nehmen, welche die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen regelt. Aufgrund des Transparenzprinzips stellt die Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft jedenfalls aus deutscher Perspektive abkommensrechtlich eine anteilige Veräußerung des Betriebsvermögens der Personengesellschaft dar. Dies gilt in Übertragung der Grundsätze des BFHUrteils vom 25.5.20112 auch dann, wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaft qualifiziert und daher die Veräußerung des Anteils als Beteiligungsveräußerung qualifiziert.3

6.270

Soweit es sich bei dem Vermögen der Personengesellschaft um bewegliches Vermögen handelt und dieses einer Betriebsstätte der Personengesellschaft im anderen Staat zuzurechnen ist, kommt mithin Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zur Anwendung mit der Folge, dass der andere Staat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht hat.4 Deutschland ist als Ansässigkeitsstaat regelmäßig zur Freistellung solcher Veräußerungsgewinne verpflichtet. Soweit der Veräußerungsgewinn auf unbewegliches Vermögen der Personengesellschaft im anderen Staat entfällt, ist Art. 13 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden.5 Dem anderen Staat steht also auch insoweit ein Besteuerungsrecht zu, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat den Gewinn regelmäßig freizustellen hat. Für alle in Art. 13 Abs. 1–4 OECD-MA nicht explizit genannten Vermögensgegenstände gilt, dass ein Veräußerungsgewinn allein im Wohnsitzstaat des Gesellschafters besteuert werden kann (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Diese „Auf1 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.69. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. Prinz, FR 2012, 381 (383); Suchanek/Herbst, Ubg 779 (784 f.). 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 162; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.381 und 19.388; Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Lieber, IWB 2010, 351 (357); BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (955). 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 41; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.381 und 19.388; wohl auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.4.2.

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Kap. 6 Rz. 6.271 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften fangvorschrift“ gilt insbesondere für bewegliches Betriebsvermögen, das nicht einer Betriebsstätte im anderen Staat zugerechnet werden kann, also im hier interessierenden Zusammenhang bspw. für bewegliches Vermögen aus einer deutschen Betriebsstätte oder einer Betriebsstätte in einem Drittstaat. Die vorstehend beschriebenen Grundsätze finden unabhängig davon Anwendung, ob der Gesellschafter seinen gesamten Anteil oder nur einen Teil hiervon veräußert.1

6.271 Der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an einer ausländischen Mitunternehmerschaft un-

terliegt regelmäßig nicht der Gewerbesteuer. Denn gewerbesteuerlich entsteht der Veräußerungsgewinn auf Gesellschaftsebene,2 die ausländische Personengesellschaft ist jedoch nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie im Inland über Betriebsstätten verfügt, was in der Praxis regelmäßig nicht der Fall sein wird. Selbst wenn eine Gewerbesteuerpflicht der ausländischen Personengesellschaft besteht, unterliegt der Veräußerungsgewinn nicht der Gewerbesteuer, soweit er auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt (§ 7 Satz 2 GewStG). Wurde in solchen Fällen eine auf den Veräußerungsgewinn erhobene ausländische Steuer im Rahmen der Einkünfteermittlung von der Bemessungsgrundlage abgezogen (§ 34c Abs. 2 EStG), sind diese Beträge gem. § 8 Nr. 12 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags wieder hinzuzurechnen.3

6.272 Für den Fall einer Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens hat der

BFH mit Urteil vom 13.2.20084 für das DBA-Schweiz entschieden, dass sich die Betriebsstättenzuordnung innerhalb des Art. 13 DBA-Schweiz nach einem anderen Maßstab richtet als bei den Betriebsstättenvorbehalten. Art. 13 Abs. 2 DBA-Schweiz5 setze ausweislich seines Wortlauts keine „tatsächliche Zugehörigkeit“ zu einer Betriebsstätte im anderen Staat voraus, sondern verlange, dass das Wirtschaftsgut „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Staat ist“. Da das DBA den Begriff des Betriebsvermögens einer Betriebsstätte nicht definiere, sei gem. Art. 3 Abs. 2 OECDMA auf die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts zurückzugreifen. Aus diesem Rückgriff ergebe sich aus deutscher Sicht, dass ein sich im Eigentum des in der Schweiz ansässigen Gesellschafters befindendes Wirtschaftsgut, welches zu dessen notwendigem Sonderbetriebsvermögen bei einer inländischen Personengesellschaft gehört, jedenfalls dann i.S. des Art. 13 Abs. 2 DBA-Schweiz einer Betriebsstätte in Deutschland zuzurechnen ist, wenn die Personengesellschaft ausschließlich in Deutschland Betriebsstätten unterhält und auch der Gesellschafter außerhalb Deutschlands keine weiteren Betriebsstätten betreibt.6 Nach der Rspr. des BFH stellen somit auch in Outbound-Konstellationen Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens Betriebsvermögen i.S. von Art. 13 OECD-MA dar, so dass darüber zu entscheiden ist, welcher Betriebsstätte diese Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind. Dabei können die Wirtschaftsgüter sowohl einer eigenen Betriebsstätte des inländischen Mitunternehmers als auch einer Betriebsstätte der Personengesellschaft zugeordnet werden. Entscheidend für die abkommensrechtliche Zuordnung ist nach der Rechtsprechung des BFH, mit welcher Betriebsstätte das Sonderbetriebsvermögen in einem funktionalen Zusammenhang steht.7

6.273 Die vorstehend skizzierte Entscheidung des BFH wurde vom überwiegenden Teil des Schrifttums

zu Recht kritisiert.8 Der BFH verkennt, dass Art. 13 OECD-MA letztlich die Aufteilungsregeln für laufende Einkünfte auf Veräußerungsgewinne überträgt. Zwischen Art. 7 und Art. 13 Abs. 2 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. 2 Vgl. Gosch in Blümich, § 2 GewStG Rz. 42 m.w.N. 3 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.71. 4 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 5 Entspricht in seinem Wortlaut Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 Diese Auffassung hat der I. Senat des BFH jüngst in einem AdV-Beschluss bestätigt, vgl. BFH v. 19.5. 2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 7 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 8 Vgl. z.B. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.107 m.w.N.

844 | Schänzle/Engel

F. Beendigung und Strukturwechsel | Rz. 6.276 Kap. 6

OECD-MA besteht somit ein enger Zusammenhang.1 Dies spricht dafür, bei der abkommensrechtlichen Betriebsstättenzuordnung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens bzw. mit Sonderbetriebsvermögen zusammenhängenden Erträgen und Aufwendungen von einem einheitlichen Maßstab auszugehen.2 Zu einem solchen einheitlichen Maßstab führt im Ergebnis der im Rahmen des sog. Amsthilferichtlinie-Umsetzungsgesetz neu gefasste bzw. erweiterte § 50d Abs. 10 EStG. Diese Vorschrift enthält nicht nur in § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG eine ausdrückliche Anordnung, dass Aufwendungen und Erträge des Sonderbetriebsvermögens abkommensrechtlich ausschließlich als Unternehmensgewinn zu qualifizieren sind; vielmehr erstreckt sich die Zuordnungsregel für Sondervergütungen (Zuordnung zu der Betriebsstätte, welche den korrespondierenden Aufwand getragen hat) auch auf die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Aufwendungen und Erträge (§ 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 2 EStG). Jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung sind nicht nur laufende Aufwendungen und Erträge, sondern auch Veräußerungsgewinne- und -verluste von dieser Regelung erfasst.3 Damit werden Veräußerungsgewinne und -verluste im Sonderbetriebsvermögen ausdrücklich abkommensrechtlich dem Unternehmensgewinnartikel (Art. 7 OECD-MA) zugeordnet und fallen nicht mehr unter Art. 13 OECD-MA.4 Die oben dargestellte BFH-Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen im Sonderbetriebsvermögen ist daher nicht länger von Bedeutung. Hinsichtlich der Betriebsstättenzuordnung ist zu beachten, dass Voraussetzung für eine Anwendung der Zuordnungsregel des § 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 2 EStG eine Aufwandsbuchung in der Gesamthandsgewinnermittlung der Personengesellschaft ist. Damit scheidet eine Anwendung der Zuordnungsregel für Erträge und Aufwendungen aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens aus. Insofern richtet sich die Zuordnung der Aufwendungen und Erträge nach den allgemeinen Prinzipien der Betriebsstättenzuordnung (siehe hierzu Rz. 6.200 ff.). Hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils kann ein Qualifikationskonflikt entstehen, wenn der andere Staat die Personengesellschaft als Körperschaft qualifiziert. Denn in diesem Fall wird der andere Staat in der Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch den inländischen Gesellschafter eine Beteiligungsveräußerung sehen und somit gem. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ein alleiniges Besteuerungsrecht der BRD annehmen. Dadurch könnte es zu einer „Keinmalbesteuerung“ der Einkünfte kommen. In den meisten Fällen wird jedoch entweder eine abkommensrechtliche Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klausel greifen oder ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 EStG vorliegen. Deutschland wird den Gewinn im Falle einer „drohenden“ Keinmalbesteuerung also regelmäßig nicht von der Besteuerung ausnehmen.

6.274

Beispiel 47: Der Steuerinländer D veräußert seinen Anteil an der Personengesellschaft P. Die P hat ihren Sitz in DBA-Staat P, der die Personengesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt qualifiziert. Sämtliche Betriebsstätten der P befinden sich in Staat P. Die Personengesellschaft P verfügt über einige Betriebsgrundstücke, die ebenfalls alle in Staat P belegen sind. Das DBA zwischen Deutschland und Staat P sieht für die Vermeidung der Doppelbesteuerung für Einkünfte i.S. des Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA jeweils die Freistellungsmethode vor. Sonderbetriebsvermögen existiert nicht.

6.275

Aus deutscher Sicht liegt abkommensrechtlich eine Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter der P vor (Rz. 6.270). Soweit der Veräußerungsgewinn auf bewegliches Vermögen entfällt, ist aus deutscher Perspektive somit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA einschlägig, während in Bezug auf das unbewegliche Vermögen Art. 13 Abs. 1 OECD-MA anzuwenden ist. Deutschland geht mithin davon aus,

6.276

1 Vgl. hierzu Art. 13 Tz. 4 OECD-MK (2008). 2 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.107; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, S. 257; sowie zu alledem Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.20. 3 So auch Hruschka, IStR 2016, 437 (443). 4 Vgl. Kudert/Kahlenberg, PIStB 2013, 94 (102).

Schänzle/Engel | 845

Kap. 6 Rz. 6.277 | Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften dass der Veräußerungsgewinn allein in Staat P besteuert werden kann. Staat P subsumiert den Veräußerungsgewinn dagegen unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA und nimmt daher ein alleiniges Besteuerungsrecht der BRD an. Wenn nicht bereits auf Abkommensebene eine Subject-to-Tax- oder Switchover-Klausel anzuwenden ist, wäre im Beispielsfall ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG gegeben. Deutschland würde somit im Beispielsfall den Gewinn nicht freistellen.

6.277 Qualifikationskonflikte können sich ferner bei einer Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Son-

derbetriebsvermögens ergeben. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Sonderbetriebsvermögen einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist. Im Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG sieht der Gesetzgeber für den Fall einer Doppelbesteuerung grundsätzlich die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Steuer auf die inländische Einkommensteuer vor.

6.278 Beispiel 48 (Erweiterung des Beispiels 47): Der Grundsachverhalt entspricht dem des Beispiels 48. D, der selbst neben seiner Beteiligung an der P keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, veräußert im Zuge der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils auch seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Staat P, die zum Sonderbetriebsvermögen bei der P gehört.

6.279 Im Beispielfall wäre von einer Zuordnung der Beteiligung zu einer Betriebsstätte der Personen-

gesellschaft P auszugehen, wenn man annimmt, dass der Gesellschafter keine inländische Mitunternehmerbetriebsstätte unterhält, der die Beteiligung vorrangig zuzurechnen ist, so dass auch insoweit ein Besteuerungsrecht der P nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA anzunehmen wäre. Die Zuordnungsregel des § 50d Abs. 10 EStG ist für Veräußerungssachverhalte mangels Aufwand in der Gesamthandsgewinnermittlung nicht einschlägig (siehe Rz. 6.273). Der andere Staat wird hingegen den Gewinn aus der Veräußerung der im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Beteiligung ebenso unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA subsumieren wie den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils (siehe Rz. 6.276). Hier gilt wie in Beispiel 47, dass, wenn nicht bereits auf Abkommensebene eine Subject-to-Tax- oder Switch-over-Klausel Anwendung finden würde, jedenfalls ein Anwendungsfall des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG gegeben wäre. Deutschland würde somit im Beispielsfall den Gewinn nicht von der Besteuerung ausnehmen.

6.280 Dabei ist unerheblich, ob der andere Vertragsstaat bei der abkommensrechtlichen Qualifikation

des Gewinns aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils der deutschen Sichtweise folgt und diesen der Besteuerung unterwirft. Denn die innerstaatliche Subject-to-Tax-Klausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG findet seit der Änderung im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes unter den entsprechenden übrigen Tatbestandvoraussetzungen Anwendung, soweit sie im anderen Staat nicht besteuert werden. Der Gesetzgeber hat damit die bereits zuvor von der Finanzverwaltung vertretene „Atomisierung“ gesetzlich festgeschrieben. Entsprechendes gilt gem. § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG für abkommensrechtliche Subject-to-Tax- und Switch-over-Klauseln. Auch für diese Klauseln ordnet das Gesetz – für Subject-to-Tax-Klauseln im Wege des Treaty Override1 – eine entsprechende „atomisierende Betrachtungsweise“ an.

III. Aufgabe/Liquidation 6.281 Die wirtschaftliche Aktivität im Ausland kann nicht nur durch eine entgeltliche Veräußerung des

Gesellschaftsanteils beendigt werden. Vielmehr kann der inländische Gesellschafter auch seinen Gesellschaftsanteil aufgeben. Eine solche Aufgabe eines Mitunternehmeranteils liegt vor, wenn 1 Bis auf wenige Ausnahmen (DBA-Liechtenstein und die noch nicht in Kraft getretenen neuen DBA mit Japan und Australien) ist in den in deutschen DBA enthaltenen Subject-to-Tax-Klauseln ein Übergang von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode vorgesehen, wenn Einkünfte im anderen Staat nicht oder niedrig besteuert werden und somit keine atomisierende Betrachtung angelegt wird. Switch-over-Klauseln hingegen beziehen sich bereits nach Abkommensrecht auf die Einkünfte oder Teilbeträge, die im anderen Staat abweichend qualifiziert werden (siehe oben Rz. 6.120).

846 | Schänzle/Engel

F. Beendigung und Strukturwechsel | Rz. 6.284 Kap. 6

mit den übrigen Gesellschaftern die Liquidation der Gesellschaft beschlossen wird oder die Gesellschaft ohne einen solchen Beschluss ihren Gewerbebetrieb aufgibt. In diesen Fällen ergibt sich ein Aufgabegewinn bzw. -verlust i.H. des Unterschiedsbetrags zwischen dem gemeinen Wert der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens und deren Buchwert und den bei der Auflösung der Personengesellschaft angefallenen Aufwendungen. Die steuerlichen Folgen der Aufgabe eines Mitunternehmeranteils entsprechen grundsätzlich denen einer Veräußerung.1 Dies gilt sowohl für das innerstaatliche Recht als auch für das Abkommensrecht. Insbesondere ist auch ein Aufgabegewinn als Veräußerungsgewinn im abkommensrechtlichen Sinne zu qualifizieren, da der Anwendungsbereich des Art. 13 OECD-MA nicht auf Veräußerungen im eigentlichen Wortsinn beschränkt ist, sondern sämtliche Realisationstatbestände des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaaten erfasst.2 Daher kann insoweit auf die Ausführungen zur Veräußerung des Gesellschaftsanteils verwiesen werden (Rz. 6.269 ff.).

6.282

IV. Sonderregelung des § 50i EStG Eine Sonderregelung im Zusammenhang mit der Veräußerung oder der Aufgabe von Anteilen an einer Personengesellschaft enthält § 50i EStG. Im Kern wurde die Vorschrift geschaffen, um Sachverhalte wie den folgenden Beispielsfall im Inland steuerlich zu erfassen, und ist damit eher im Rahmen von Veräußerungen von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft von praktischer Bedeutung.

6.283

Beispiel 49: Der im Inland steuerpflichtige D war an der deutschen D-GmbH mit einem Anteil von 30 % beteiligt. Mit Ablauf des 31.12.2002 brachte er seine Beteiligung in die inländische K-KG ein und erwarb dadurch einen Kommanditanteil. Einziger weiterer Gesellschafter und Komplementär der K-KG ist die K-GmbH, deren Anteile zu 100 % von D gehalten werden. Weder die K-KG noch die K-GmbH gehen irgendeiner unternehmerischen Tätigkeit nach. Mitte des Jahres 2003 verzog D in DBA-Staat S. Nun veräußert er sämtliche Anteile an der K-KG und der K-GmbH an einen fremden Dritten.

Wie in Rz. 6.55 dargestellt, ging die Finanzverwaltung lange Zeit davon aus, dass eine i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte Personengesellschaft auch abkommensrechtlich Unternehmensgewinne erzielt und daher ihrem Gesellschafter eine Betriebsstätte vermittelt. Auf dieser Basis wurden in der Praxis (häufig abgesichert durch eine verbindliche Auskunft) wie im Beispielsfall vor dem Wegzug des Gesellschafters von § 17 EStG erfasste Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft steuerneutral auf eine Personengesellschaft übertragen. Aufgrund der angenommenen steuerlichen Verstrickung der Kapitalgesellschaftsanteile in einer deutschen Betriebsstätte nach Wegzug ins Ausland wurde damit eine Besteuerung der stillen Reserven in Anteilen beim Wegzug (§ 6 AStG) vermieden. Da die Auffassung, dass die gewerbliche Prägung sich auch auf die abkommensrechtliche Einkünftequalifikation auswirkt, aufgrund der neueren auch von der Finanzverwaltung allgemein angewendeten BFH-Rechtsprechung überholt ist (siehe hierzu Rz. 6.55), wäre eine Gestaltung wie die im Beispielsfall heute nicht geeignet, eine Entstrickungsbesteuerung zu vermeiden. Allerdings kommt im Beispielsfall ein Nachholen der Besteuerung nach § 6 AStG in VZ 2003 schon aufgrund der Festsetzungsverjährung regelmäßig nicht mehr in Betracht. Aus diesem Grund soll § 50i Abs. 1 EStG für solche „Altfälle“ eine Besteuerung späterer Veräußerungsgewinne ermöglichen. Im Ergebnis soll also durch einen Treaty Override verhindert werden, dass dem deutschen Fiskus aus einer früheren fehlerhaften Anwendung der DBA endgültig Steuereinnahmen verloren gehen.

1 Zu beachten sind jedoch die zeitlichen Anforderungen, die an die Aufgabe bei der Inanspruchnahme der Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG gerichtet werden, vgl. hierzu Wacker in Schmidt36, § 16 EStG Rz. 424. 2 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.17 m.w.N.

Schänzle/Engel | 847

6.284

Kapitel 7 Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . II. Subjektive Steuerpflicht im Inland 1. Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtstypenvergleich . . . . . . . . . . 3. Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . 4. Beginn und Ende der Steuerpflicht . . 5. Unabhängigkeit von der Ansässigkeit der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . 6. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Subjektive Steuerpflicht im Ausland IV. DBA-Recht 1. Abkommensberechtigung . . . . . . . 2. Ansässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anteilskauf 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anschaffungskosten . . . . . . . . . . 3. Erwerbszeitpunkt . . . . . . . . . . . . 4. Erwerbsstrukturen . . . . . . . . . . .

. . . . .

C. Besteuerung im Ausland I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Kapitalgesellschaft im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besteuerung der Dividenden im Ausland 1. Körperschaftsteuersystem . . . . . . . . 2. Quellenbesteuerung . . . . . . . . . . . 3. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dividendenbegriff . . . . . . . . . . . b) Nutzungsberechtigter . . . . . . . . c) Betriebsstättenvorbehalt . . . . . . . d) DBA-Quellensteuersätze für Streubesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) DBA-Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen . . . . . . . . f) Verfahren zur Reduzierung der Quellensteuer . . . . . . . . . . . . . 4. Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . . D. Laufende Besteuerung im Inland I. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft 1. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . .

_ __ __ _ __ __

7.1 7.5 7.6

7.8 7.10 7.12 7.13 7.16 7.17 7.20

_ __ __ _ _ __ __ __ _ _ __

7.23 7.25 7.26 7.31 7.34 7.38 7.39 7.40 7.41 7.44 7.45 7.48 7.51 7.52 7.53 7.55 7.56

_

7.60

2. Isolierende Betrachtungsweise . . . . . 3. Besteuerungsverfahren . . . . . . . . . 4. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besteuerung der Gesellschafter 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuererleichterungen nach innerstaatlichem Recht a) Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG . . . . . . . . . . . . . . c) Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . d) Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG e) Pauschalierungserlass gem. § 34c Abs. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuererleichterungen nach DBARecht a) Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . b) Dividendenbegriff . . . . . . . . . . . c) Schachtelbeteiligungen . . . . . . . . d) Schachtelbeteiligungen und Organschaft . . . . . . . . . . . . . . e) Fiktive Quellensteuern . . . . . . . . 4. Gewerbesteuer a) Umfang der Gewerbesteuerpflicht b) Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finale Auslandsverluste . . . . . . . b) Teilwertabschreibung . . . . . . . . E. Veräußerung und Liquidation I. Veräußerung 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Veräußerung durch Körperschaften b) Veräußerung durch natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Liquidation 1. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung der inländischen Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalgesellschaft als Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . b) Natürliche Person als Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anrechnung ausländischer Steuern 4. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

__ _ _ _ _ __ _ __ _ __ _ _ __ _ __ __ _ _ _ __ _

7.61 7.63 7.65 7.66

7.68 7.76 7.77 7.80 7.82

7.83 7.84 7.85 7.90 7.91 7.93 7.95

7.103 7.104 7.106

7.113 7.116 7.124 7.125

7.130 7.131 7.132 7.133 7.135 7.136

Henkel | 849

Kap. 7 Rz. 7.1 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Literatur: Deininger, Körperschaftsteuerrechtliche Auswirkungen der Überseering-Entscheidung des EuGH, IStR 2003, 214; Desens, Die Besteuerung des Anteilseigners bei grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen – Überblick und Grundprobleme, IStR 2003, 613; Djanani/Brähler/Hartmann, Die abkommensrechtliche Behandlung von Ausschüttungen aus US-amerikanischen S-Corporations, IStR 2003, 456; Djanani/Brähler/Hartmann, Die Finanzverwaltung und die autonome Abkommensauslegung, IStR 2004, 481; Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, DStR 2007, 514; Dötsch/Pung, § 8b Abs. 1 bis 6 KStG: Das Einführungsschreiben des Bundesfinanzministeriums, DB 2003, 1016; Engler, Kosten einer Due Diligence – Aufwand oder aktivierungspflichtige Anschaffungskosten?, BB 2006, 747; Fahrenberg/Henke, Das BMF-Schreiben zur steuerlichen Einordnung der US-LLC aus Beratersicht, IStR 2004, 485; Figgener, Umqualifizierung von Zinsen in vGA verstößt gegen das Diskriminierungsverbot im DBA-Schweiz, SteuK 2011, 83; Fox/Scheidle, Anm. zu BFH v. 25.6.2009 (IV R 3/07) – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Mitunternehmeranteil setzt rechtlich geschützte unentziehbare Erwerbsanwartschaft voraus, GWR 2009, 433; Frotscher, Grenzüberschreitende Organschaft – wo stehen wir?, IStR 2011, 697; Gosch, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg, Heft 177 (2011); Grotherr, Außensteuerrechtliche Bezüge im Jahressteuergesetz 2007, RIW 2006, 898; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353 (357); Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Hahne, Spätere Ausfälle von Kaufpreisforderungen mindern rückwirkend steuerfreie Veräußerungsgewinne gemäß § 8b Abs. 2 KStG, DStR 2011, 955; Henkel, Subjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften, RIW 1991, 565; Homburg, Anmerkung zum BFHBeschluss vom 9.11.2010 (I R 16/10), IStR 2011, 111; Lang, BMF: Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/ 4909 zum doppelten Inlandsbezug für Organgesellschaften, SteuK 2011, 245; Lemaitre/Schnitger/Siegel, Die steuerliche Einordnung der US-amerikanischen Limited Liability Company (LLC) auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 19.3.2004, GmbHR 2004, 618; Lüdemann/Hruschka, Die Behandlung von Personengesellschaften im Verhältnis Deutschland – Spanien; Mayr, Endgültige Verluste im Sinne von Marks & Spencer, BB 2008, 1816; Mitschke, Ergebnisabführungsvertrag „über die Grenze“ und Abzug finaler Verluste ausländischer Tochtergesellschaften – Zugleich eine Erwiderung auf die Anmerkung von Homburg zum BFH-Beschluss vom 9.11.2010 (I R 16/10), IStR 2011, 185; Peter/Graser, Zu kurz gegriffen: Due-Diligence-Kosten als Anschaffungsnebenkosten beim Beteiligungserwerb, DStR 2009, 2032; Rödder/Schönfeld, Abschied (auslandsbeherrschter) inländischer Kapitalgesellschaften von der deutschen Ertragsteuerpflicht? Erste Anmerkungen zum überraschenden Urteil des BFH v. 9.2.2011 (I R 54, 55/10), DStR 2011, 886; Scheffler/Krebs, Einfluss der Besteuerung von privaten Dividenden, Veräußerungsgewinnen und Zinsen auf die Unternehmensfinanzierung, IStR 2010, 859; Schnitger/Rometzki, Die Anwendung des Korrespondenzprinzips auf verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach dem JStG 2007, BB 2008, 1648; Spilker/Peschke, Erfordernis der Steuerneutralität der Einlagenrückgewähr aus ausländischen Gesellschaften – Zur Reformbedürftigkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 Abs. 8 KStG, DStR 2011, 385; Winter/Marx, „Grenzüberschreitende“ Organschaft mit zugezogenen EU-/EWR-Gesellschaften – Neue Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund des BMF-Schreibens vom 28.3.2011, DStR 2011, 1101.

A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften I. Rechtliche Grundlagen 7.1 Die in Deutschland geltende gesellschaftsrechtliche Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften

(AG, GmbH) und Personengesellschaften (OHG, KG) findet sich auch in den meisten ausländischen Rechtsordnungen.1 Kapitalgesellschaften werden auch im Ausland nach dortigem Gesellschaftsrecht regelmäßig als juristische Personen angesehen, Personengesellschaften sind dagegen – bis auf wenige Ausnahmen – nicht selbständig rechtsfähig. Als ausländische Kapitalgesellschaft ist auch die Europäische Gesellschaft („SE“) anzusehen, die in einem anderen EU-Staat errichtet wird.

1 Zu den Rechtsformen ausländischen Rechts s. Übersicht bei Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 300 (Stand: August 2012).

850 | Henkel

A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften | Rz. 7.4 Kap. 7

Ob eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts in Deutschland als Rechtssubjekt anerkannt wird, entscheidet sich nach dem Gesellschaftsstatut des Internationalen Gesellschaftsrechts.1 Danach stehen sich die Sitztheorie und die Gründungstheorie gegenüber. Die Sitztheorie besagt, dass die Regelungen des Staats heranzuziehen seien, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat.2 Der tatsächliche Verwaltungssitz ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.3 Die Gründungstheorie verweist hingegen auf die Rechtsordnung, in der die Gesellschaft gegründet wurde.4 In Deutschland herrscht grundsätzlich die gewohnheitsrechtlich anerkannte Sitztheorie vor. Diese soll verhindern, dass die Schutzvorschriften des Staats, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (insbesondere der Gläubiger-, der Minderheitsgesellschafter- und der Arbeitnehmerschutz) durch Rechtsformen ausländischen Rechts mit geringerem Schutz umgangen werden.5

7.2

Die Sitztheorie gilt jedoch nur in Bezug auf Drittstaaten. Sind Kapitalgesellschaften nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staats errichtet, sind sie nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros,6 Überseering,7 und Inspire Art8 von dem Zuzugsstaat auch dann weiterhin als Kapitalgesellschaften anzuerkennen, wenn sie ihren Verwaltungssitz verlegen. Der EuGH folgt damit grundsätzlich der Gründungstheorie, allerdings nicht ausnahmslos. In der Rechtssache Cadbury Schweppes9 schränkt er die Grundsätze der Centros-Entscheidung ein und versagt den Schutz der Niederlassungsfreiheit in den Fällen, in denen die Gesellschaft ohne realen Bezug errichtet wurde und in ihrem Sitzstaat weder Geschäftsräume noch Personal oder Mobiliar hat.10 Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Rechtssache Cartesio.11 In dieser Entscheidung respektiert der EuGH die innerstaatliche Wegzugs-Regelung, nach der eine ungarische KG ihren Verwaltungssitz nicht identitätswahrend ins Ausland verlegen darf, und sieht darin keinen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. In der Rechtssache VALE12 stellt der EuGH grundsätzlich klar, dass alle grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgänge (auch Sitzverlegungen) den Schutz der Niederlassungsfreiheit genießen.

7.3

Der BGH hat sich hinsichtlich des Zuzugs von Gesellschaften, die nach dem Recht eines EU/EWR-Staats errichtet werden, der Rechtsprechung des EuGH und damit der Gründungstheorie

7.4

1 Das Internationale Gesellschaftsrecht ist Kollisionsrecht und entscheidet darüber, nach welchem materiellen Recht eine Gesellschaft entsteht, lebt und beendet wird, BGH v. 11.7.1957 – II ZR 318/55, BGHZ 25, 134 = NJW 1957, 1433; Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 1 ff.; Mäsch in BeckOK, Art. 12 EGBGB Rz. 43 ff. (Stand: Juni 2017). 2 Der Sitztheorie folgen insbesondere die EU-Staaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien, vgl. Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 510 ff. 3 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269 (272); anders als bei der steuerlichen Beurteilung des Orts der Geschäftsleitung gem. § 10 AO ist nicht der Ort entscheidend, an dem die interne Willensbildung stattfindet, Mäsch in BeckOK, Art. 12 EGBGB Rz. 59 m.w.N. (Stand: Juni 2017). 4 Der Gründungstheorie folgen insbesondere die EU/EWR-Staaten Bulgarien, England, Liechtenstein, die Niederlande, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn; Italien wendet die Gründungstheorie als einseitige Kollisionsnorm an, vgl. Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 509. 5 Ständige Rspr., z.B. BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, BGHZ 53, 181 (183); v. 21.11.1996 – IX ZR 148/95, BGHZ 134, 116 (118); v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (Trabrennbahn); weitere Rechtsprechungsnachweise bei Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 5; Großfeld in Staudinger, BGB, IntGesR5, Rz. 38. 6 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126. 7 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632. 8 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512. 9 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544. 10 Weiterführend Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 128 f. 11 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723; s. dazu Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 130. 12 EUGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2011:625.

Henkel | 851

Kap. 7 Rz. 7.5 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften angeschlossen.1 Folglich können Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU/EWR-Staats errichtet wurden oder für die – wie für die USA – spezielle bilaterale staatliche Abkommen gelten,2 identitätswahrend ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen. Für den Wegzug, also die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer deutschen GmbH oder AG ins Ausland, hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG eine Regelung getroffen, die den „Export“ der deutschen Rechtsformen unterstützen soll. In § 4a GmbHG und § 5 AktG sind jeweils die einschränkenden Regelungen gestrichen worden, die eine Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland betrafen.3 Hiernach ist die identitätswahrende Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes ins Ausland (auch in das nicht EU/EWR-Ausland) bei der AG und der GmbH möglich.

II. Subjektive Steuerpflicht im Inland 1. Rechtsformen

7.5 § 1 Abs. 1 KStG zählt die subjektiv steuerpflichtigen Rechtsformen auf. Die Aufzählung der Ka-

pitalgesellschaften in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG war bis zur Einführung des SEStEG abschließend und einer Analogie nicht zugänglich.4 Mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 wurde der Klammerzusatz um ein „insbesondere“ ergänzt, um u.a. eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die steuerliche Erfassung ausländischer Körperschaften zu erreichen.5 Zu den steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften gem. Nr. 1 gehören nunmehr „insbesondere“ die SE, die AG, die KGaA und die GmbH. Neben den Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften (Nr. 2) und den Versicherungs- und Pensionsfondsvereinen auf Gegenseitigkeit (Nr. 3) und den sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (Nr. 4) hatte in der Vergangenheit die Auffangregelung (Nr. 5) besondere Bedeutung, da hierunter – nach früherer Rechtsansicht – auch juristische Personen des ausländischen Rechts fielen.6 Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art, der Anerkennung der Gründungstheorie für EU/EWR-Gesellschaften durch die deutsche Rechtsprechung (siehe hierzu Rz. 7.3 f.) und durch die Ergänzung der Aufzählung („insbesondere“) des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durch das SEStEG ist nunmehr davon auszugehen, dass Kapitalgesellschaften des ausländischen Rechts, die körperschaftlich strukturiert sind, von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst werden.7 2. Rechtstypenvergleich

7.6 Das deutsche Steuerrecht beurteilt die Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften autonom nach seinen eigenen Wertungen im Rahmen der Durchführung des sog. Rechtstypenvergleichs.8 Die

1 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, BGHZ 154, 185 (190) = NJW 2003, 1461 (Überseering); v. 5.7. 2004 – II ZR 389/02, NJW-RR 2004, 1618 (Delaware); zur Rechtsentwicklung siehe Kindler in MüKo BGB IntGesR6, Rz. 144 ff. 2 So das Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsabkommen mit den USA v. 29.10.1954, BGBl. II 1954, 487. 3 Siehe Lutter in Lutter/Hommelhoff17, Einleitung GmbHG Rz. 34: „Bislang musste der faktische Verwaltungssitz einer GmbH im Inland liegen; wurde er ins Ausland verlegt, so wurde das von der Rspr. als Auflösung interpretiert mit der katastrophalen Folge der Liquidationsbesteuerung … Diesen Unfug hat das MoMiG beseitigt.“ 4 So noch R 2 Abs. 1 KStR 2004. 5 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 70. 6 Vgl. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 17.5.2000 – I R 19/98, BStBl. II 2000, 619. 7 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 86, 107 ff.; Schaumburg/von Freeden in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 7.7. 8 Ständige Rspr.: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; H 2 KStH 2008 „Ausländische Gesellschaften, Typenvergleich“ mit Hinweis auf VWG-BS (BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tabellen 1 u. 2); Frotscher in Frotscher/Drüen, § 1 KStG Rz. 55 ff.; Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 107 ff.

852 | Henkel

A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften | Rz. 7.8 Kap. 7

Charakterisierung erfolgt grundsätzlich unabhängig davon, ob das ausländische Gesellschaftsrecht die ausländische Gesellschaft als juristische Person beurteilt1 oder wie das ausländische Steuerrecht das dort ansässige Rechtsgebilde qualifiziert.2 Entscheidend ist vielmehr, ob das ausländische Rechtsgebilde nach seinem durch das ausländische Recht geregelten Aufbau und seiner wirtschaftlichen Stellung einer Körperschaft entspricht. Die ausländische Gesellschaft ist danach als Körperschaft einzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Regelungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts gleicht. Dazu muss im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland bestehende Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nach ihrem „Typus“ und ihrer tatsächlichen Handhabung einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des Privatrechts entspricht.3 Für die hiernach vorzunehmende Gesamtwürdigung haben sich folgende Kriterien herausgebildet:4 – zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung, – beschränkte Haftung, – freie Übertragbarkeit der Anteile, – Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss), – Kapitalaufbringung, – unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft, – Gewinnverteilung, – formale Gründungsvoraussetzungen. Anhand dieser Kriterien ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Dabei kann es auch an einzelnen Kriterien fehlen, ohne dass dadurch die Charakterisierung als Kapitalgesellschaft entfallen muss. Im Ausland zulässige steuerliche Optionsmöglichkeiten wie das „check the box“-Verfahren in den USA bleiben dabei außer Betracht.5 Die Qualifikation nach deutschem Steuerrecht mündet entweder in einer Besteuerung als Körperschaft gem. §§ 1 und 2 KStG oder in einer Besteuerung nach dem Mitunternehmerkonzept gem. § 15 Abs. 1 EStG.

7.7

3. Ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland Ob die Steuersubjektfähigkeit von Kapitalgesellschaften, deren Sitz im Ausland und deren Geschäftsleitung im Inland liegt, anders zu qualifizieren ist als nach dem herkömmlichen Rechts-

1 So werden z.B. spanische Personengesellschaften zwar nach spanischem Gesellschaftsrecht als juristische Personen angesehen, gleichwohl sind sie nach dem Rechtstypenvergleich im deutschen Steuerrecht keine Körperschaften, sondern werden als Mitunternehmerschaften angesehen, BMF v. 24.12. 1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tabelle 1 Spanien; Lüdemann/Hruschka, IStR 2000, 25. 2 So BFH v. 27.7.1962 – IV 156/59 U, BStBl. III 1962, 429 (430); v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11 (12); v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 3 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 4 Kriterienkatalog des BMF zur Limited Liability Company des amerikanischen Rechts v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411; bestätigt durch BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; zu dem Kriterienkatalog im Einzelnen Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2004, 481; mit Ergänzung durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2; Fahrenberg/Henke, IStR 2004, 485; Lemaitre/Schnitger/Siegel, GmbHR 2004, 618. 5 Siehe hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 396 f. m.w.N.

Henkel | 853

7.8

Kap. 7 Rz. 7.9 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften typenvergleich, war lange Zeit unklar. Die Finanzverwaltung hatte bei einer englischen Limited Liability Company (LLC) wie folgt unterschieden: Hatte die LLC ihren Satzungssitz und ihren effektiven Verwaltungssitz in England, war sie nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft in Deutschland beschränkt steuerpflichtig; verlegte sie indes ihren effektiven Verwaltungssitz nach Deutschland, verlor sie in Folge der Sitztheorie (siehe Rz. 7.2) ihre gesellschaftsrechtliche Anerkennung und sollte daher auch steuerlich nicht mehr als Kapitalgesellschaft körperschaftsteuerpflichtig sein.1 Mit der Aufgabe der Sitztheorie für EU/EWR-Zuzugsfälle in den Rechtssachen Centros, Überseering und Inspire Art2 hat die Finanzverwaltung ihre frühere Haltung aufgegeben.3 Der BFH hat sich erstmals mit Urteil vom 29.1.20034 zu den steuerrechtlichen Folgen einer Sitzverlegung nach der neuen Rechtsprechung des EuGH geäußert. Zwar nimmt der BFH in diesem Urteil nicht zur Einordnung der zugezogenen Gesellschaft in den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG Stellung, er verweist jedoch ausdrücklich darauf, dass die Anwendung der Sitztheorie in Zuzugsfällen eine Verletzung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Darüber hinaus stellt der BFH fest, dass sich die Überseering-Entscheidung (Rz. 7.3) über Art. 24 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) nachgebildete abkommensrechtliche Diskriminierungsverbote auch auf Staaten außerhalb der EU auswirkt.5 Mit Urteil vom 8.9.20106 hat sich der BFH mit dem Zuzug aus einem nicht EU/ERW-Staat befasst: Er sieht eine in der Schweiz errichtete AG mit Geschäftsleitung im Inland als Steuersubjekt an, das gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig ist, unabhängig davon, ob ihr nach der Sitztheorie die gesellschaftsrechtliche Rechtsfähigkeit fehlt.7

7.9 Hieraus folgt, dass Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht eines EU/EWR-Staats errichtet sind

und die nach dem Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 KStG anzusehen sind, auch nach Auffassung der Finanzverwaltung weiterhin als Körperschaftsteuersubjekt anzuerkennen sind, wenn sie ihren effektiven Verwaltungssitz ins Inland verlegen. Nach Auffassung des BFH gilt dies auch für Gesellschaften, die in einem Drittstaat, mit dem ein DBA mit Anti-Diskriminierungsklausel besteht, errichtet wurden.8 4. Beginn und Ende der Steuerpflicht

7.10 Die Körperschaftsteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft beginnt mit der Errichtung der notariellen Satzung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt mangels des konstitutiven Erfordernisses der Eintragung noch keine Kapitalgesellschaft, sondern erst eine sog. Vorgesellschaft entstanden ist.9 Die Körperschaftsteuerpflicht wird aus Praktikabilitätsgesichtspunkten auf den Zeitraum zwischen der notariellen Errichtung der Satzung und der Eintragung vorverlegt, um eine – i.d.R. nur kurzzeitige – Besteuerung nach Mitunternehmergrundsätzen zu vermeiden.10 Diese Grundsätze sollten im Rah-

1 StEK KStG 1977 § 1 Nr. 20, Rz. 23. 2 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512. 3 StEK KStG 1977 § 1 Nr. 37. 4 BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BB 2003, 1210; BMF v. 8.12.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 12/04, BStBl. I 2004, 1181 = DStR 2005, 25. 5 Ablehnend zur Einbeziehung der Niederlassungsfreiheit des AEUV auf DBA-Staaten über die Diskriminierungsklauseln der DBA BMF v. 8.12.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 12/04, BStBl. I 2004, 1181. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186 = SteuK 2011, 83 m. Anm. Figgener. 7 Das dem Verfahren beigetretene BMF hatte geltend gemacht, dass die schweizerische AG infolge der Verlagerung des Orts ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung nach Deutschland fortan nicht mehr als Kapitalgesellschaft, sondern als Personengesellschaft anzusehen sei; das ergebe sich aus internationalem Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber Drittstaaten fortgeltenden Sitztheorie. 8 BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186. 9 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468 (469); H 1.1 KStH 2015. 10 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 35 m.w.N. Scheitert die Eintragung, soll die Körperschaftsteuerpflicht nach h.M. allerdings rückwirkend entfallen.

854 | Henkel

A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften | Rz. 7.14 Kap. 7

men des Typenvergleichs auch auf eine Kapitalgesellschaft Anwendung finden, die nach einer ausländischen Rechtsordnung errichtet wird und für deren wirksame Errichtung die ausländische Rechtsordnung vergleichbare konstitutive Erfordernisse aufstellt. Die steuerliche Subjektfähigkeit der Gesellschaft endet nicht, bevor auch die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit endet.1 Das ist der Zeitpunkt der Eintragung des Auflösungsbeschlusses oder die Löschung im Handelsregister. Die Auflösung führt jedoch nicht zur Beendigung, solange die Gesellschaft noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat, noch über bilanzierungsfähiges Vermögen verfügt oder sie sich zur Abwicklung am Markt betätigt.2 Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die subjektive Steuerpflicht einer ausländischen Gesellschaft im Inland erst dann endet, wenn eine vergleichbare Situation vorliegt.

7.11

5. Unabhängigkeit von der Ansässigkeit der Gesellschafter Die subjektive Steuerpflicht i.S.d. § 1 KStG ist unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter im Inoder Ausland ansässig sind. Für die früher vom RFH vertretene Konzerntheorie – Gesellschaften innerhalb eines Konzerns können wie Betriebsstätten besteuert werden3 – und die Filialtheorie bzw. Organtheorie – inländische Organgesellschaften ausländischer Gesellschaften sind wie Betriebsstätten zu besteuern4 – gibt es keine gesetzliche Grundlage.5 Die inländische Kapitalgesellschaft kann jedoch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, Vertreter i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ihres ausländischen Gesellschafters sein und eine Vertreterbetriebsstätte begründen.6

7.12

6. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht Eine Kapitalgesellschaft ist in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Ihren Sitz hat eine Körperschaft gem. § 11 AO an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft hat ihren durch Satzung bestimmten Sitz im Inland (§ 5 AktG, § 4a GmbHG). Damit ist eine inländische Kapitalgesellschaft stets unbeschränkt – also mit ihrem Welteinkommen – steuerpflichtig. Verlegt eine im Inland errichtete Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland, kann die Gesellschaft – nach den jeweiligen Anknüpfungen des ausländischen Staats – doppelt ansässig sein.7

7.13

Ausländische Kapitalgesellschaften sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie hier ihre Geschäftsleitung haben. Die Geschäftsleitung ist gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese Charakterisierung überlappt sich weitgehend mit der kollisionsrechtlichen Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes (Rz. 7.2). Unterschiede ergeben sich jedoch daraus, dass der effektive Verwaltungssitz daran anknüpft, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden, während die Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO regelmäßig dort ausgeübt wird, wo der für die Geschäftsführung und Betriebsleitung maßgebliche Wille gebildet wird.8

7.14

1 2 3 4 5

BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468. Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 38 m.w.N. RFH v. 30.1.1930 – I A 226/29, RStBl. 1930, 148. RFH v. 16.9.1930 – I A 129/30, RStBl. 1930, 757. Neumann in Gosch3, § 14 KStG Rz. 4 m.w.N.; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 165 ff. u. 173 ff. zur Anti-Organ-Klausel in den DBA. 6 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Rehfeld in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 134. 7 Zur Doppelansässigkeit einer schweizerischen AG siehe BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186. 8 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 47; das sind i.d.R. die Büroräume des maßgeblichen Geschäftsleiters, vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, § 1 KStG Rz. 74 ff. m.w.N.

Henkel | 855

Kap. 7 Rz. 7.15 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften

7.15 Die ausländische Gesellschaft ist im Inland beschränkt steuerpflichtig, wenn sie hier weder ihren

Sitz noch ihre Geschäftsleitung hat (§ 2 Nr. 1 KStG). Sachlich steuerpflichtig ist die beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nur mit ihren inländischen Einkünften i.S.d. § 49 EStG (Territorialprinzip) (Rz. 7.60 ff.) Dabei gilt die sog. isolierende Betrachtungsweise, nach der die im Ausland gegebenen Besteuerungsmerkmale außer Betracht bleiben (§ 49 Abs. 2 EStG). Danach können ausländische Kapitalgesellschaften im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auch andere als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG erzielen, z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte.

III. Subjektive Steuerpflicht im Ausland 7.16 Ausländische Kapitalgesellschaften werden auch im Ausland üblicherweise als selbständige Steu-

errechtssubjekte anerkannt. Allerdings besteuern manche Staaten Personengesellschaften wie Kapitalgesellschaften1 oder sie gewähren unter bestimmten Voraussetzungen die Wahl der Besteuerungsform. Dies geht in beide Richtungen. So sehen einige Staaten die Möglichkeit vor, dass die Gesellschafter einer nach dem Mitunternehmerkonzept besteuerten Personengesellschaft dafür optieren können, dass die Gesellschaft wie ein Körperschaftsteuersubjekt besteuert wird.2 Umgekehrt gibt es Rechtsordnungen, die einer der Körperschaftsteuer unterliegenden Gesellschaft die Möglichkeit einräumen, dass ihre Gewinne zum Zweck der Besteuerung anteilig bei ihren Gesellschaftern erfasst werden.3

IV. DBA-Recht 1. Abkommensberechtigung

7.17 Unter Abkommensberechtigung ist das Recht einer Person zu verstehen, die Abkommensnormen

und damit den Abkommensschutz in Anspruch zu nehmen.4 Abkommensberechtigt sind Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind (Art. 1 OECDMA). Nahezu alle deutschen DBA folgen dieser Regelung des OECD-MA.

7.18 Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA gehören zu den Personen i.S.d. DBA-Rechts (neben den natürlichen Personen) Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Gesellschaften sind „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA).5 Dazu gehören also grundsätzlich alle Kapitalgesellschaften inländischen und ausländischen Rechts sowie die Gebilde, die zwar nicht selbst rechtsfähig, aber nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerpflichtig sind. Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen – i.d.R. Personengesellschaften – sind nach den deutschen DBA in den meisten Fällen nicht selbst abkommensberechtigt (Ausnahmen gelten z.B. für Belgien, Finnland, Island, Liberia).6 Auch Betriebsstätten sind nicht selbständig abkommensberechtigt.7

7.19 Behandeln beide Vertragsstaaten die Person oder den Rechtsträger einheitlich nach ihrem innerstaatlichen Recht entweder als intransparent (in Deutschland als Körperschaftsteuersubjekt) oder

1 2 3 4 5 6

So z.B. in Belgien, siehe Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 3. Wie z.B. in Frankreich, siehe Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 20. So z.B. in Belgien und in den USA, vgl. Djanani/Brähler/Hartmann, IStR 2003, 456. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 11. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.171. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 14 ff. u. 61 ff. sowie Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 25 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 ff. 7 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 8. Einer Betriebsstätte eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens dürfen jedoch unter Beachtung der unionsrechtlichen Niederlassungsfreiheit die Vorteile eines DBA mit einem Drittstaat nicht verweigert werden, vgl. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain ZN, ECLI:EU:C:1999:438.

856 | Henkel

A. Subjektive Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften | Rz. 7.22 Kap. 7

als transparent (in Deutschland als Mitunternehmerschaft), findet eine einheitliche Qualifizierung der Abkommensberechtigung statt. Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen die beiden Vertragsstaaten hinsichtlich der Frage der innerstaatlichen Besteuerung der Gesellschaft zu unterschiedlichen Qualifikationen gelangen.1 2. Ansässigkeit Die Ansässigkeit wird in den Abkommen unterschiedlich definiert. Überwiegend entsprechen die Abkommen jedoch – zumindest inhaltlich – Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Danach ist eine Gesellschaft, die in einem Vertragsstaat aufgrund „des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals“ unbeschränkt steuerpflichtig ist, auch für die Abkommensanwendung in diesem Staat ansässig. In diesem Fall sind die die Ansässigkeit begründenden Merkmale nach innerstaatlichem Recht zu bestimmen. Aufseiten der Bundesrepublik sind also sowohl der Sitz i.S.d. § 11 AO als auch der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO heranzuziehen.2

7.20

Ebenso wie nach innerstaatlichem Recht kann es auch nach Abkommensrecht eine Doppelansässigkeit geben. Dies kann darauf beruhen, dass die Gesellschaft in beiden Staaten Ansässigkeitsmerkmale erfüllt, die aufgrund der Verweisung auf das innerstaatliche Recht auch die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründen. Für die Anwendung des Abkommens und somit für die Frage, welcher Staat der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat und welcher der Quellenstaat i.S.d. Verteilungsnormen ist, trifft Art. 4 Abs. 3 OECD-MA eine Vorrangbestimmung (sog. „tie-breakerrule“)3: Bei anderen als natürlichen Personen, also i.d.R. bei Kapitalgesellschaften, soll nur der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung als der abkommensrechtliche Ansässigkeitsstaat gelten, der andere Staat wird für Abkommenszwecke als Quellenstaat angesehen. Der Ort der „tatsächlichen Geschäftsleitung“ ist – anders als der Ort der der Geschäftsleitung gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA – abkommensautonom und nicht durch Verweis auf das innerstaatliche Recht auszulegen.4 Eine solche oder ähnliche Regelung enthält die Mehrzahl der deutschen DBA.5 Keine entsprechende Regelung findet sich in den DBA mit Japan, Kuweit und den Vereinigten Arabischen Emiraten; in einigen anderen Staaten ist allein ein Verständigungsverfahren vorgesehen.6 Vorbehaltlich anderer Kollisionsregeln kann eine doppelansässige Gesellschaft in diesem Fall keine Abkommensvergünstigungen beanspruchen.7

7.21

Eine eventuelle Doppelansässigkeit in einem Vertragsstaat und in einem Drittstaat berührt die Abkommensberechtigung gegenüber dem anderen Vertragsstaat nicht, da ein DBA nur das bilaterale Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten regelt.8

7.22

Umfassend Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 30 ff. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 105 u. 110. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 20. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 263 ff. Vgl. die Übersicht bei Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 290; zu abweichenden Vorrangkriterien siehe Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 296 ff. 6 Im Falle von doppelansässigen Gesellschaften in USA, Estland, Kanada, Lettland und Litauen ist ein Verständigungsverfahren durchzuführen, um den Ansässigkeitsstaat zu bestimmen; scheitert das Verfahren, entfällt der Abkommensschutz. Für Japan kann ein Verständigungsverfahren durchgeführt werden, auch wenn es keine abkommensrechtliche Verpflichtung hierzu gibt. 7 Zu den Folgen s. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz 47. 8 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 91; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, 1999, 147 ff.

1 2 3 4 5

Henkel | 857

Kap. 7 Rz. 7.23 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften

B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft I. Überblick 7.23 Die Gründe für den Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sind vielfältig: Im Vordergrund stehen die Gründung einer Gesellschaft (NewCo), z.B. zur Errichtung einer ausländischen Vertriebs- oder Produktionsgesellschaft oder einer Auslandsholding, der Unternehmenskauf durch Erwerb von Anteilen an einer bestehenden Gesellschaft oder interne Umstrukturierungen. Die Gründung einer Gesellschaft erfolgt auch nach ausländischem Gesellschaftsrecht üblicherweise entweder als Bar- oder als Sachgründung. Der Unternehmenskauf kann als Anteilskauf (Share Deal) oder als Anteilstausch (share for share transaction) gestaltet werden, in Einzelfällen auch als Erwerb aller Vermögensgegenstände (Asset Deal). Bei internen Umstrukturierungen kann – soweit vorhanden – das ausländische Umwandlungsrecht herangezogen werden.

7.24 Bei der Entscheidung, ob ein ausländisches Unternehmen im Wege des Share Deal oder im Wege

eines Asset Deal erworben wird, besteht ebenso wie bei Inlandssachverhalten der typische Konflikt zwischen den steuerlichen Interessen des Verkäufers und des Käufers: Der Verkäufer tendiert i.d.R. zu einem Share Deal, da der Verkauf von Anteilen auch nach ausländischen Steuerordnungen (insbesondere bei Schachtelbeteiligungen) regelmäßig steuerlich vorteilhaft ist, während der Verkauf der Vermögensgegenstände üblicherweise der (höheren) laufenden Besteuerung unterliegt; beim Asset Deal kann der Erwerber hingegen die aufgestockten Anschaffungskosten der Vermögensgegenstände (Step-up) abschreiben, was bei Anteilen an inländischen wie ausländischen Kapitalgesellschaften nicht möglich ist. Beim internationalen Unternehmenskauf herrscht – insbesondere aus nicht-steuerlichen Gründen – der Anteilskauf (Share Deal) vor.

II. Anteilskauf 1. Grundlagen

7.25 Nach deutschem Recht wird zwischen dem schuldrechtlichen Kaufvertrag und der dinglichen Ab-

tretung des Anteils unterschieden (Abstraktionsprinzip).1 Ausländische Rechtsordnungen kennen diese Trennung oftmals nicht. In der Praxis hat diese Unterscheidung nur eine geringe Bedeutung, da im Anteilskaufvertrag (Share Purchase Agreement) üblicherweise eine klare Trennung zwischen den kaufvertraglichen Bestandteilen und dem Vollzug (Closing) vorgenommen wird. Für die Frage, wann das rechtliche Eigentum an den Anteilen von ausländischen Kapitalgesellschaften übergeht, kann i.d.R. auf die vertraglichen Regelungen zum Closing abgestellt werden. 2. Anschaffungskosten

7.26 Das inländische Unternehmen bilanziert die erworbene Beteiligung nach deutschem Handelsrecht

entweder im Anlagevermögen oder im Umlaufvermögen (§ 266 Abs. 2 HGB), je nachdem, ob die Beteiligung dazu bestimmt ist, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB). Diese Unterscheidung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Holding-Regelung des § 8b Abs. 7 KStG von Bedeutung.

7.27 Handelsrechtlich wie steuerlich sind Anschaffungskosten der Beteiligung gem. § 255 HGB i.V.m.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG nur solche Kosten, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Anschaffung tatsächlich zuzuordnen sind (finaler Anschaffungskostenbegriff).2 Das umfasst neben dem

1 Ellenberger in Palandt77, Überbl. vor § 104 BGB Rz. 22. 2 BFH v. 20.4.2011 – I R 2/10, BStBl. II 2011, 761.

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B. Erwerb von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft | Rz. 7.32 Kap. 7

Kaufpreis zzgl. der Anschaffungsnebenkosten insbesondere die Beurkundungs- und Registerkosten sowie das Entgelt für thesaurierte Gewinne.1 Nachträgliche Zahlungen aufgrund von Kaufpreisanpassungsklauseln (z.B. aufgrund eines Earnout) erhöhen den Kaufpreis rückwirkend.2 Dementsprechend mindern Zahlungen des Verkäufers an den Käufer aufgrund von Kaufpreisanpassungen oder aufgrund der Verletzung von Garantien aus dem Unternehmenskaufvertrag den Kaufpreis rückwirkend.

7.28

Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind nicht abnutzbares Anlagevermögen und können nur im Fall einer dauernden Wertminderung mit einem niedrigeren Wert als den Anschaffungskosten angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG).3 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder ausländische Kapitalgesellschaft handelt. Regelmäßige Abschreibungen auf die Anschaffungskosten sind daher auch beim Erwerb von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften nicht möglich. Jedoch werden besondere Auslandsrisiken (Wechselkursänderungen, sofern der Wert der Beteiligung hierdurch gesunken ist, Transferverbote, besondere urheberrechtliche Risiken etc.) als mögliche Gründe für eine Teilwert-AfA auf Auslandsbeteiligungen angesehen.4

7.29

Gewährt der Verkäufer dem Erwerber eine Zuzahlung für den Erwerb des Anteils, um die negativen Ertragsaussichten der Gesellschaft abzugelten (negativer Kaufpreis), ist beim Erwerber ein passiver Ausgleichsposten zum Zwecke der Neutralisierung zu bilden. Eine Realisierung findet erst bei Veräußerung statt.5 Das gilt auch bei Erwerb von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, unabhängig davon, ob die spätere Veräußerung nach einem DBA steuerbefreit ist.

7.30

3. Erwerbszeitpunkt Der steuerliche Erwerbszeitpunkt ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO).6 Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen setzt voraus, dass

7.31

– der Erwerber aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, – die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte und – das Risiko der Wertminderung und die Chance der Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.7 Ist der rechtliche Übergang8 vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingungen (insbesondere der Kartellfreigabe) abhängig, auf die der Erwerber keinen Einfluss hat, kann der Erwerb des wirt-

1 Ob und inwieweit Beratungs- und Gutachtenkosten, insbesondere Kosten einer Due Diligence, zu den Anschaffungskosten oder zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskosten des Käufers zählen, ist strittig; zum Streitstand Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 54 m.w.N. 2 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 195c; BMF v. 13.3.2008 – IV B 7 - S 2750a/07/0002, BStBl. I 2008, 506; ebenso BFH v. 22.12.2010 – I R 58/10, BStBl. II 2012, 716 zum späteren Ausfall einer Kaufpreisforderung; a.A. Hahne, DStR 2011, 955. 3 Zur Bildung einer Bewertungseinheit bei Anteilen, die zu unterschiedlichen Anschaffungskosten erworben wurden, siehe Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 404. 4 Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 287. 5 Weber-Grellet in Schmidt36, § 5 EStG Rz. 550 Stichwort „Ausgleichsposten“ m.w.N. 6 BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BStBl. II 2010, 182. 7 St. Rspr., siehe nur BFH v. 9.10.2008 – IX 73/06, BStBl. II 2009, 140; v. 22.7.2008 – IX R 74/06, BStBl. II 2009, 124; v. 4.7.2007 – VIII R 68/05, BStBl. II 2007, 937. 8 Das ist bei Unternehmenskaufverträgen ausländischen Rechts üblicherweise der Zeitpunkt des „Closing“ (Rz. 7.25).

Henkel | 859

7.32

Kap. 7 Rz. 7.33 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften schaftlichen Eigentums nicht vor dem Bedingungseintritt liegen.1 Ob dem Erwerber eines Anteils an einer ausländischen Kapitalgesellschaft eine solche Rechtsstellung gewährt wird, die den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO begründen kann, ist nach dem jeweils anwendbaren Recht, also i.d.R. nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Kapitalgesellschaft, zu beurteilen.

7.33 Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums kann vertraglich hinausgeschoben werden, indem

z.B. die Rechte aus den Anteilen (insbesondere das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht) sowie die Wertsteigerungschance und das Wertminderungsrisiko auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden.2 Dies sollte auch nach ausländischen Rechtsordnungen, die nicht dem deutschen Abstraktionsprinzip folgen, möglich sein. Erforderlich hierfür ist eine klare vertragliche Trennung zwischen dem Zeitpunkt des schuldrechtlichen Kaufvertrags und dem Wirksamwerden der dinglichen Abtretung. 4. Erwerbsstrukturen

7.34 Beim Anteilserwerb ist zu klären, ob das inländische Unternehmen die Anteile an der auslän-

dischen Kapitalgesellschaft direkt oder über eine Erwerbsgesellschaft erwirbt. Insbesondere Fragen der Abzugsfähigkeit der Akquisitionsfinanzierung, der Verwendbarkeit von Verlustvorträgen und von Schachtelvoraussetzungen erfordern vielfach die Einschaltung einer ausländischen Erwerbsgesellschaft.

7.35 Wird für den Anteilserwerb eine Akquisitionsfinanzierung aufgenommen, stellt sich die Frage,

auf welcher Ebene die Finanzierung aufgenommen wird. Wird sie von dem inländischen Unternehmen aufgenommen, ist nach dessen Rechtsform zu unterscheiden: Ist Erwerber eine deutsche Kapitalgesellschaft, können die Finanzierungskosten in Deutschland steuerlich geltend gemacht werden, auch wenn die Erträge aus der Beteiligung gem. § 8b Abs. 1 KStG (Bezüge) und § 8b Abs. 2 KStG (Veräußerungsgewinne) in Deutschland steuerfrei sind. Jedoch greift die Definitiv-Belastung ein, nach der 5 % der Bezüge bzw. Veräußerungsgewinne als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben angesehen werden (§ 8b Abs. 3 bzw. 5 KStG), unabhängig davon, wie hoch die tatsächlichen Betriebsausgaben sind. Ist Erwerber eine natürliche Person, unterliegt der Gewinn aus der Beteiligung gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG dem Teileinkünfteverfahren. Die Kosten der Akquisitionsfinanzierung können gem. § 3c Abs. 2 EStG hiernach zu 60 % berücksichtigt werden.

7.36 Verfügt die ausländische Kapitalgesellschaft über Verlustvorträge, kann es vorteilhaft sein, eine

ausländische Erwerbsgesellschaft vorzuschalten, die nicht die Anteile an der ausländischen Gesellschaft, sondern ihr Vermögen erwirbt (Asset Deal), so dass die dabei entstehenden Veräußerungsgewinne mit den Verlustvorträgen verrechnet werden.

7.37 Soll nur ein geringer Anteil von z.B. unter 10 % erworben werden, kann es vorteilhaft sein, diesen Anteil über eine ausländische Gesellschaft zu erwerben, an der der deutsche Erwerber (Kapitalgesellschaft) zu mehr als 10 % beteiligt ist, um das DBA-Schachtelprivileg zu erlangen.

1 BFH v. 25.6.2009 – IV R 3/07, BStBl. II 2010, 182, der darauf abstellt, dass der Erwerber vor der Kartellfreigabe keine rechtlich gesicherte Anwartschaft haben könne und daher der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nicht vor dem Eintritt der Bedingung liegen könne; siehe auch m. Anm. von Derlien, BB 2010, 358; Fox/Scheidle, GWR 2009, 433. 2 Zu Stimmrecht und Gewinnbezugsrecht bei einer GmbH als Voraussetzung für die Begründung des wirtschaftlichen Eigentums siehe BFH v. 18.12.2001 – VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640.

860 | Henkel

C. Besteuerung im Ausland | Rz. 7.40 Kap. 7

C. Besteuerung im Ausland I. Grundlagen Kapitalgesellschaften werden i.d.R. auch im Ausland als selbständige Steuersubjekte angesehen, deren Gewinn unabhängig von ihren Gesellschaftern besteuert wird (Trennungsprinzip). Sie unterliegen in ihrem Heimatstaat der unbeschränkten Besteuerung, wenn sie dort Sitz oder Geschäftsleitung haben. Die Gesellschafter werden dagegen auch im Ausland üblicherweise nur mit den an sie ausgeschütteten Gewinnen besteuert. Dieser Dualismus zwischen der Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne und der Besteuerung der Dividendenerträge der Gesellschafter führt zu einer Gesamtsteuerbelastung des von der Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinns, die einerseits von der Gewinnermittlung und dem Steuertarif bei der Gesellschaft (Rz. 7.39) und andererseits von der steuerlichen Belastung der Dividenden im Ausland (Rz. 7.40 ff.) abhängt.

7.38

II. Besteuerung der Kapitalgesellschaft im Ausland Ist die Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht errichtet und hat sie dort ihre Geschäftsleitung, wird sie dort i.d.R. mit ihrem Welteinkommen besteuert. Die Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft werden nach den Gewinnermittlungsvorschriften ihres Ansässigkeitsstaats ermittelt.1 Diese Regeln können z.T. erheblich von den inländischen Vorschriften abweichen. Unterschiede ergeben sich z.B. durch abweichende Abschreibungsmethoden und -sätze, Bewertungsgrundsätze und Steuerlenkungsnormen (insbesondere Subventionsmaßnahmen), aber auch durch Sondervorschriften, wie z.B. die Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung (thin capitalization rules, earnings stripping rules), zur Hinzurechnungsbesteuerung von Gewinnen aus ausländischen passiven Gesellschaften (controlled foreign corporations), zum Drittvergleich (dealing at arm’s length) oder zur Vermeidung von steuerorientierten Gestaltungen (tax shelters). Veräußerungsgewinne werden teilweise nicht in die allgemeine Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer aufgenommen, sondern unterliegen einer gesonderten Besteuerung (capital gains tax) mit z.T. geringeren Steuersätzen; zunehmend wird die Besteuerung von capital gains jedoch der laufenden Besteuerung der ausländischen Körperschaft angeglichen.

7.39

III. Besteuerung der Dividenden im Ausland 1. Körperschaftsteuersystem Die Frage, ob und wie die Dividendenerträge der Anteilseigner im Ausland besteuert werden und wie die hierdurch entstehende Doppelbelastung (Besteuerung bei der Gesellschaft und beim Anteilseigner) gemildert oder beseitigt wird, richtet sich nach dem jeweiligen Körperschaftsteuersystem.2 Nicht beseitigt wird die Doppelbelastung in Irland und der Schweiz, die dem klassischen System ohne Tarifermäßigung folgen. Überwiegend finden auch beim klassischen System jedoch Erleichterungen statt: So gelten einerseits Tarifermäßigungen der Dividenden bei der Einkommensteuer des Empfängers im Wege der Abgeltungssteuer (so insbesondere in Belgien, Bulgarien, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Tschechien, Ungarn) oder es findet eine vollständige oder teilweise Steuerfreiheit bzw. ein ermäßigter Steuersatz beim Empfänger der Dividenden (so insbesondere in Dänemark, Finnland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Spanien, USA) Anwendung. Ein System der Teilanrechnung der von der Gesellschaft zu zahlenden Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Dividendenempfängers kennen 1 Überblick über Unternehmensbesteuerung in den EU-Staaten bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 120 ff. 2 Eine Übersicht über die Körperschaftsteuersysteme in der EU und in weiteren ausgewählten Ländern enthält die Broschüre des BMF, „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2015“ (Stand: 21.6.2016); s. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 136 ff.

Henkel | 861

7.40

Kap. 7 Rz. 7.41 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Großbritannien, Japan und Kanada. In Österreich kann für eine Halbierung des Durchschnittssteuersatzes optiert werden. Griechenland und Malta folgen dem System der Vollanrechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Dividendenempfängers. In Estland, Slowakei und Zypern1 sind die Dividenden von der Einkommensteuer befreit. 2. Quellenbesteuerung

7.41 Die Dividenden unterliegen regelmäßig der ausländischen Quellenbesteuerung. Die Quellensteuer kann in den meisten Staaten nur von dort ansässigen Steuerpflichtigen auf ihre Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer angerechnet werden. Andere Staaten erheben eine besondere Ausschüttungssteuer, die von dort Ansässigen gegen die Körperschaftsteuer der Gesellschaft verrechnet werden kann. Für ausländische Dividendenbezieher wird die Quellensteuer – vorbehaltlich einer (Teil-)Erstattung bzw. Anrechnung nach einem DBA – zur Definitivbelastung. Ist die Beteiligung einer im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft belegenen Betriebsstätte zuzurechnen, besteht i.d.R. die Möglichkeit zur Anrechnung der Quellensteuer auf die Betriebsstättengewinne.

7.42 Die Quellensteuersätze auf Dividenden an ansässige natürliche Personen sind uneinheitlich. Sie

betragen bei Dividendenzahlungen an Gebietsfremde in der Schweiz 35 v.H., in Schweden 30 v.H., in Finnland und Portugal bis zu 28 v.H., in Dänemark 27 v.H., in Italien 26 v.H., in Belgien, Kanada, Norwegen, Österreich und Ungarn 25 v.H., in Frankreich, 21 v.H., in Japan und Irland 20 v.H., in Spanien 19,5 v.H., in Polen 19 v.H., in Zypern 17 v.H., in Litauen, Luxemburg, den Niederlanden und Tschechien 15 v.H., in Kroatien 12 v.H., in Griechenland und Lettland 10 v.H. und in Bulgarien 5 v.H. In Estland, Großbritannien, Kanada, Malta Norwegen und Slowakei wird keine gesonderte Quellensteuer erhoben.2

7.43 Hält eine Kapitalgesellschaft (Muttergesellschaft) eine Schachtelbeteiligung an einer anderen Ka-

pitalgesellschaft (Tochtergesellschaft), ist der Gewinntransfer unabhängig vom Körperschaftsteuersystem (bei Überschreiten der jeweiligen Schachtel-Schwelle) regelmäßig privilegiert (Schachtelprivileg). Zu unterscheiden sind das innerstaatliche Schachtelprivileg (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft sind in demselben Staat ansässig) und das internationale Schachtelprivileg (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft sind in verschiedenen Staaten ansässig). Das internationale Schachtelprivileg ist in zahlreichen DBA sowie innerhalb der EU darüber hinaus durch die Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) geregelt. 3. DBA-Recht

7.44 Die vom Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft erhobene Quellensteuer auf die Dividenden

kann durch ein DBA begrenzt sein. Üblich ist, den Höchstsatz festzulegen, bis zu dem die Quellensteuer erhoben werden darf; der Höchstsatz muss aber nicht ausgeschöpft werden. Die Höchstsätze sind nicht einheitlich und variieren innerhalb eines DBA, je nachdem, ob es sich um Streubesitz oder Schachtelbeteiligungen handelt. a) Dividendenbegriff

7.45 Voraussetzung für die Quellensteuerermäßigung im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Kapital-

gesellschaft ist, dass der Dividendenbegriff des jeweiligen Abkommens erfüllt ist. Die neueren deutschen DBA folgen dazu weitgehend der Begriffsbestimmung des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA.3 Dividenden sind danach Einkünfte – aus Aktien, Genussrechten oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen, 1 In Zypern greift indes eine Verteidigungsabgabe von 17 % ein. 2 BMF, „Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2016“, Übersicht 8. 3 Zu Abweichungen s. Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204.

862 | Henkel

C. Besteuerung im Ausland | Rz. 7.48 Kap. 7

– aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung, – aus sonstigen Gesellschaftsanteilen, die nach dem Recht des Staats, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Aus der Formulierung „sonstige Gesellschaftsanteile“ folgt, dass die Erträge stets von einer Gesellschaft – d.h. einem selbständigen Steuersubjekt – stammen müssen, nicht aber von einer Mitunternehmerschaft.1 Ob ein solcher selbständiger Rechtsträger vorliegt, richtet sich i.d.R. nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Es fallen auch solche Gebilde unter den Gesellschaftsbegriff, die zwar Personengesellschaften sind, aber nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats der Gesellschaft als steuerlich intransparent angesehen werden.2 Ob der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers dieser Qualifikation folgt, ist unbeachtlich.3

7.46

Die erste Variante der Dividendendefinition umschreibt beispielhaft die Art der Erträge. Einkünfte aus Aktien sind hiernach laufende Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen, nicht jedoch Rückzahlung von Einlagen; solche Erträge sind in den Rechtsordnungen der meisten OECD-Mitgliedstaaten zu finden und werden dort einheitlich als Dividenden behandelt.4 Genussrechte werden vorwiegend in den von Deutschland abgeschlossenen DBA ausdrücklich aufgeführt und sind i.d.R. den Dividenden gleichgestellt, wenn sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.5 Die zweite Variante enthält eine abstrakte Umschreibung (Einkünfte aus Rechten mit Gewinnbeteiligung), deren Inhalt abkommensautonom auszulegen ist, wobei allerdings die Tatsachenfeststellung, ob eine Gewinnbeteiligung vorliegt, nur mit Blick auf das nationale Recht entschieden werden kann. Einkünfte, die nicht hierunter fallen, gehören nach der Generalklausel der dritten Variante (Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen) zu den Dividenden i.S.d. Abkommens, wenn sie das innerstaatliche Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats der Gesellschaft wie Dividenden besteuert. Damit wird in Zweifelsfällen aufgrund der ausdrücklichen Verweisungsregelung des jeweiligen DBA auf die Qualifikation des Quellenstaats verwiesen; auf die allgemeine Verweisungsklausel i.S.d. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, die auf das Recht des Anwenderstaats verweist, ist in diesen Fällen nicht zurückzugreifen.

7.47

b) Nutzungsberechtigter Die meisten deutschen DBA enthalten die im Musterabkommen vorgeschlagene Klausel, dass die Quellensteuerbegrenzung nur eingreift, wenn der Empfänger der Dividende der Nutzungsberechtigte (beneficial owner) ist (Ausnahmen: vor 1977 abgeschlossene DBA sowie DBA-Ecuador, -Finnland, -Kenia, -Philippinen (1983), -Slowakei, -Tschechien, -Türkei, -Uruguay (1987), -UdSSR-Nachfolgestaaten).6 Diese Regelungen wenden sich gegen den Abkommensmissbrauch, etwa in Form des treaty shopping, bei der Abkommensvorteile durch Verlängerung der Dividendenroute über einen DBA-Vertragsstaat erzielt werden sollen, um eine ansonsten nicht (oder nicht in der Höhe) bestehende Quellensteuerreduzierung zu erreichen.7 Die Feststellung, ob der Dividendenempfänger tatsächlich der Nutzungsberechtigte ist, ist angesichts der fehlenden Begriffsbestimmung sowohl in den DBA (Ausnahmen: DBA-Italien, -Norwegen, -Schweden, -USA) als auch im innerstaatlichen Recht denkbar schwierig. Abhängig von dem Recht des jeweiligen Quellenstaats werden in der Praxis unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikation als Nutzungsberechtigter gestellt. 1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. 2 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190. 3 Zu den sich hieraus ggf. ergebenden Qualifikationskonflikten vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 37, 82. 4 Art. 10 Rz. 23 OECD-MK. 5 Nachweise bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 205 ff. 6 Nach Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 26 f. soll in diesen Fällen der Grundsatz der „Abkommensumgehung“ zu demselben Ergebnis führen. 7 Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 12.

Henkel | 863

7.48

Kap. 7 Rz. 7.49 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften

7.49 Den Begriff des „Nutzungsberechtigten“ wird man nur aus dem Abkommenszusammenhang

auslegen können, und zwar unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks, der mit dieser Regelung verfolgt wird.1 Im Rahmen der Auslegung des Abkommens ist strittig, ob eine wirtschaftliche oder eine rechtliche Betrachtungsweise anzuwenden ist. Bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (economic substance test) kann eine Person als nicht nutzungsberechtigt angesehen werden, wenn sie allein faktisch – etwa aufgrund ökonomischen Drucks, gleichgerichteter Interessen oder stillschweigenden Einverständnisses – in ihrer Entscheidung über die Verwendung der Nutzungen gebunden ist.2 Die vorzugswürdige Gegenauffassung bestimmt den Nutzungsberechtigten allein nach rechtlichen Kriterien, insbesondere nach seiner Rechtsstellung in Bezug auf die Erträge selber, nicht des Stammrechts.3 Dies kann – muss aber nicht – der Gesellschafter sein.

7.50 Nach der Neufassung des OECD-MK in 2014 scheint eine eher wirtschaftliche Betrachtung zu gelten:

Mit dem Begriff des Nutzungsberechtigten sollen nicht allein vertraglich Beauftragte oder Vertreter (nominee or agent), sondern auch sonstige zwischengeschaltete Dritte (z.B. conduit companies) erfasst werden, wenn sich aufgrund sonstiger „facts and circumstances“ zeigt, dass der Empfänger der Zahlungen kein Recht hat, diese zu behalten und sie an andere Personen weiterleiten muss.4 Sind sowohl der Nutzungsberechtigte als auch der Vertreter oder der Beauftragte im anderen Vertragsstaat ansässig, bleibt es bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen bei der Quellensteuerreduktion.5 c) Betriebsstättenvorbehalt

7.51 Ist die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, einer im Ansässigkeitsstaat der aus-

schüttenden Gesellschaft belegenen Betriebsstätte zuzurechnen, greift nicht der Dividendenartikel, sondern die Betriebsstättenregelung ein (Art. 10 Abs. 4 OECD-MA). Die Dividenden fließen dann in die „Gewinnermittlung“ der Betriebsstätte ein und unterliegen der ausschließlichen Besteuerung im Betriebsstättenstaat.6 Im Rahmen der Zurechnung der Beteiligung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kommt es darauf an, ob die Beteiligung „tatsächlich“ zu der Betriebsstätte gehört; hiervon ist auszugehen, wenn die Beteiligung in einem funktionalen Zusammenhang mit dem für die Ausübung der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erforderlichen Vermögen steht.7 d) DBA-Quellensteuersätze für Streubesitz

7.52 Die Höhe der DBA-Quellensteuerbegrenzung ist unterschiedlich.8 Für Streubesitz gilt: 25 v.H. be-

trägt der Quellensteuerhöchstsatz für Griechenland und Israel, 20 v.H. für Simbabwe, (mit Ausnahmen) für Thailand sowie Trinidad und Tobago. Überwiegend können höchstens 15 v.H. einbehalten werden. Eine 10-v.H.-Höchstgrenze sehen die DBA mit Bolivien, China, Georgien, Indien, Mongolei, Oman, Syrien, Taiwan, Ukraine und Vereinigte Arabische Emirate vor. Keine Quellensteuern (Null-Satz) dürfen erhoben werden in Malta (jedoch Suspensionsklausel). Unbegrenzt oder fast unbegrenzt können dagegen Quellensteuern nach dem DBA mit Ecuador erhoben werden. e) DBA-Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen

7.53 Die ausländische Quellensteuer auf Schachteldividenden wird in einigen DBA weiter vermindert oder ganz aufgehoben. Eine Schachtelbeteiligung besteht regelmäßig bei einer Mindestbeteiligung

Art. 10 Rz. 12 OECD-MK; vgl. Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 15. Siehe die Nachweise bei Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 17. Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 18. Vgl. Art. 10 Rz. 12 OECD-MK in der Fassung seit 14.7.2014. Art. 10 Rz. 12.2 OECD-MK. Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 30 ff. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.485 m.w.N. 8 Siehe Übersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 1 2 3 4 5 6 7

864 | Henkel

C. Besteuerung im Ausland | Rz. 7.56 Kap. 7

von 25 v.H. Es besteht aber eine Tendenz in der deutschen Abkommenspolitik, die Schachtelquote zu senken. Derzeit gilt für die DBA mit folgenden Staaten eine Schachtelquote von 10 v.H.: Algerien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Ghana, Großbritannien, Irland, Kanada, Kroatien, Kuwait, Liechtenstein, Luxemburg, Malaysia, Malta, Mauritius, Mazedonien, Mexiko, Mongolei, Namibia, Niederlande, Oman, Österreich, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, Schweiz, Singapur, Spanien, Südafrika, Syrien, Tadschikistan, Ungarn, Uruguay, USA, Vereinigte Arabische Emirate. Mit Venezuela beträgt die Schachtelquote 15 v.H., mit Pakistan und Ukraine: 20 v.H. In nahezu allen deutschen DBA muss die Quote durch eine unmittelbare Beteiligung erfüllt sein (vgl. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA); einzige Ausnahme ist das DBA-Japan, nach dem für die japanische Abzugsteuer auch eine mittelbare Beteiligung ausreicht. Die Beteiligung bemisst sich regelmäßig nach den stimmberechtigten Anteilen, stimmrechtslose Vorzugsaktien bleiben unberücksichtigt. Der höchst zulässige Quellensteuersatz für Schachteldividenden beträgt 25 v.H. in Griechenland und Israel, 20 v.H. in Thailand (bei nicht-industriellen Unternehmen) und 15 v.H. nach den DBA mit Ägypten, Argentinien, Australien, Bangladesch, Belgien, Bolivien, Bulgarien, Ecuador, Elfenbeinküste, Großbritannien, Iran, Kenia, Neuseeland, Portugal, Sri Lanka, Thailand (für industrielle Unternehmen), Türkei, Uruguay. 10 v.H. beträgt der Höchstsatz in China, Finnland, Indien, Indonesien, Italien, Jamaika, Japan, Liberia, Luxemburg, Namibia, Niederlande, Pakistan, Philippinen, Rumänien, Simbabwe, Spanien, Trinidad und Tobago, Tunesien, Vietnam (für Beteiligungen zwischen 25 und 70 v.H.) und Zypern. 7,5 v.H. gelten in Süd-Afrika. Eine Reduzierung auf 5 v.H. sehen vor die DBA mit Dänemark, Estland, Island, Kanada, Kasachstan, Korea, Kroatien, Kuwait, Lettland, Litauen, Malta, Marokko, Mauritius, Mazedonien, Mexiko, Mongolei, Österreich, Polen, Russische Föderation, Sambia, Schweiz, Slowakei, Tschechien, Ukraine, Ungarn, USA, Usbekistan, Venezuela, Vereinigte Arabische Emirate und Vietnam (für Beteiligungen über 70 v.H.). Vollständig aufgehoben ist die Quellensteuer auf Schachtelbeteiligungen nach den DBA mit Frankreich, Malaysia, Malta, Norwegen und Schweden. Keine Beschränkung des DBA-Quellensteuersatzes für Schachtelbeteiligungen sehen die DBA mit den folgenden Staaten vor: Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro (DBA mit der früheren Republik Jugoslawien).

7.54

f) Verfahren zur Reduzierung der Quellensteuer Üblicherweise wird zunächst der nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Quellensteuersatz einbehalten und der Dividendenempfänger darauf verwiesen, die Differenz zum abkommensrechtlich zulässigen Höchstbetrag erstattet zu verlangen (Erstattungsverfahren). Daneben gibt es die Möglichkeit, dass dieser Differenzbetrag bereits beim Quellensteuereinbehalt freigestellt wird (Freistellungsverfahren);1 dies ist aber z.T. nur auf der Grundlage besonderer Erklärungs- und Nachweispflichten (insbesondere Nachweis der Ansässigkeit im DBA-Staat) möglich.

7.55

4. Mutter-Tochter-Richtlinie Die vom ausländischen Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft auf die Dividenden erhobene Quellensteuer wird nicht nur durch die DBA, sondern innerhalb der EU auch aufgrund der MTR2 begrenzt, die entsprechend den Vorgaben der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten der EU in nationales Recht umgesetzt worden ist.3 Durch die am 22.12.2003 verabschiedete ÄnderungsRichtlinie4 wurde der Anwendungsbereich zum einen auf die bisher nicht erfassten Rechtsformen der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und die Europäische Genossenschaft (SCE) und zum an1 Vgl. dazu allgemein Lohbeck in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 55 ff. 2 Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG v. 20.8.1990 Nr. L 225, neugefasst durch Richtlinie 2011/ 96/EU ABl. EU v. 30.11.2011 Nr. L 345, 8 (in Kraft seit 18.1.2012). 3 Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 176 ff. 4 Richtlinie 2003/123/EG, ABl. EG v. 13.1.2004 Nr. L 7/41.

Henkel | 865

7.56

Kap. 7 Rz. 7.57 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften deren auf Gewinnausschüttungen, die der EU-Betriebsstätte einer EU-Muttergesellschaft zufließen, erweitert. Nach dem Ziel der Richtlinie soll im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft (EUTochtergesellschaft) nur der Gewinn der Tochtergesellschaft besteuert werden, die Einbehaltung einer Quellensteuer auf an die Muttergesellschaft eines anderen EU-Staats (EU-Muttergesellschaft) ausgeschüttete Gewinne ist unzulässig. Zugleich ist der Ansässigkeitsstaat der EU-Muttergesellschaft verpflichtet, die Ausschüttungen bei der EU-Muttergesellschaft entweder freizustellen oder die indirekte Anrechnung zu gewähren.1

7.57 Die Richtlinie betrifft Schachteldividenden, die eine in einem EU-Staat ansässige Tochtergesell-

schaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft ausschüttet. Die nach der Richtlinie erforderliche Schachtelquote wurde stufenweise abgesenkt: Die Muttergesellschaft musste bis einschließlich 2004 zu mindestens 25 v.H., ab 2005 zu mindestens 20 v.H., ab 2007 zu 15 v.H. und seit 2009 zu 10 v.H. am Nennkapital der EU-Tochtergesellschaft beteiligt sein; eine darüber hinausgehende unilaterale weitere Absenkung der Beteiligungsquote durch die einzelnen Vertragsstaaten ist zulässig.2

7.58 Die Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten Spielraum zur Festlegung einer Mindesthaltefrist von bis zu zwei Jahren, der unterschiedlich ausgenutzt wird.3 Darüber hinaus muss die jeweilige Kapitalgesellschaft ohne Wahlmöglichkeit und ohne Befreiung der – für jeden Mitgliedstaat einzeln aufgeführten – umfassenden Körperschaftsbesteuerung unterliegen.

7.59 Im Verhältnis zu den DBA gilt Folgendes: Gemäß Art. 7 Abs. 2 MTR bleiben die Regelungen der DBA neben den Regelungen der Richtlinie anwendbar. Es findet daher die jeweils günstigere Regelung Anwendung.4

D. Laufende Besteuerung im Inland I. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft 1. Beschränkte Steuerpflicht

7.60 Entspricht die ausländische Kapitalgesellschaft nach dem Typenvergleich einer inländischen Kapi-

talgesellschaft oder einem anderen Steuerrechtssubjekt i.S.d. § 1 KStG und hat sie im Inland weder Sitz noch Geschäftsleitung, ist sie in Deutschland mit ihren inländischen Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG). Der Katalog inländischer Einkunftsarten des § 49 Abs. 1 EStG gilt auch für Körperschaften (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG).5 Von Bedeutung sind insbesondere die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten oder ein ständiger Vertreter bestellt wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), Veräußerungsgewinne, die bei der Veräußerung von Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG an inländischen Kapitalgesellschaften erzielt werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG), sowie Einkünfte aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken und Sachinbegriffen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG). Bestimmte Einkünfte aus inländischem Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG; vor allem Dividenden und Zinsen aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen und aus Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken und Sachinbegriffen (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG), aus Grundstücksspekulationen (§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG) sowie aus der Nutzungsüberlassung von beweglichen Sachen oder Know-how im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG) werden ebenfalls von der beschränkten Steuerpflicht erfasst. 1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 174. 2 Davon haben einige EU-Mitgliedsstaaten Gebrauch gemacht, s. Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 180 f. 3 Übersicht bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 180 f. 4 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 176. 5 Pfirrmann in Gosch3, § 2 KStG Rz 25.

866 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.65 Kap. 7

2. Isolierende Betrachtungsweise Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gilt die sog. isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG):1 Ausländische Besteuerungsmerkmale werden nur insoweit berücksichtigt, wie sie zur Feststellung von inländischen Einkünften erforderlich sind. Unberücksichtigt bleibt insbesondere das Merkmal der Gewerblichkeit, falls der beschränkt Steuerpflichtige im Inland keine Betriebsstätte oder keinen ständigen Vertreter hat. Dies führt dazu, dass ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Nutzungsüberlassung u.Ä. beschränkt steuerpflichtig sein können, selbst wenn sie hier nicht über eine Betriebsstätte verfügen. Die isolierende Betrachtungsweise beschränkt sich darauf, die Subsidiaritätsklauseln der Nebeneinkunftsarten (§ 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 3 EStG) zu verdrängen. Mit ihrer Hilfe können einzelne Einkünfte nicht wesensmäßig verändert werden.2 Auch kann das Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht nicht über § 49 Abs. 2 EStG überspielt werden.3

7.61

Ausländische Kapitalgesellschaften sind nur dann im Inland gewerbesteuerpflichtig, wenn sie hier eine Betriebsstätte unterhalten (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG).

7.62

3. Besteuerungsverfahren Die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte werden durch Veranlagung ermittelt, soweit sie nicht dem Steuerabzug unterliegen. Dem Veranlagungsverfahren unterliegen insbesondere die Betriebsstättengewinne, die grundsätzlich nach der direkten Methode (Behandlung der Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen) zu ermitteln sind.4 Hierbei gilt das Nettoprinzip, d.h., Betriebsausgaben können abgezogen werden, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den inländischen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 EStG). Im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung können ausländische Quellensteuern, die auf die der inländischen Betriebsstätte zuzurechnenden ausländischen Einkünfte erhoben werden, angerechnet werden.

7.63

Das Abzugsverfahren wurde durch das JStG 2009 mit Wirkung ab 2009 neu geregelt und zuletzt mit dem KroatAnpG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 20145 geändert. Danach ist u.a. die Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern begründet worden.6 Die Abzugsteuer mit Abgeltungswirkung gilt gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG für die Kapitalertragsteuer, die Lohnsteuer und die in § 50a EStG genannten inländischen Einkünfte, soweit keine Ausnahme nach § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG eingreift. Der Steuerabzug für ausländische Kapitalgesellschaften beträgt i.d.R. 15 % der Einnahmen nach Abzug der Betriebsausgaben (Nettoeinnahmen) gem. § 50a Abs. 3 Satz 4 EStG.

7.64

4. DBA-Recht Die Besteuerung der Einkünfte, die die ausländische Kapitalgesellschaft in Deutschland erzielt, kann durch ein DBA eingeschränkt sein. Für Einkünfte, die die ausländische Kapitalgesellschaft aus einer innerstaatlichen Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO bezieht, entstehen Einschränkungen, da 1 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.153 ff. 2 H.M., grundlegend BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428 zur Rechtslage vor der Einführung des § 49 Abs. 2 EStG; zur späteren Rechtslage siehe BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 378; v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; Pfirrmann in Gosch3, § 2 KStG Rz 26; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.154 f. 3 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; nunmehr zustimmend BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 15; Pfirrmann in Gosch3, § 2 KStG Rz 26. 4 Loschelder in Schmidt36, § 50 EStG Rz. 29; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3. 5 BGBl. I 2014, 1266. 6 Zur Rechtsentwicklung Loschelder in Schmidt36, § 50a EStG Rz. 2 m.w.N.

Henkel | 867

7.65

Kap. 7 Rz. 7.66 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften der Betriebsstättenbegriff des jeweiligen DBA in der Regel enger ist als der Betriebsstättenbegriff gemäß § 12 AO.1 Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die die ausländische Gesellschaft aus dem Inland bezieht, unterliegen regelmäßig abkommensrechtlichen Beschränkungen.

II. Besteuerung der Gesellschafter 1. Überblick

7.66 In Deutschland ansässige Anteilseigner der ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegen der deut-

schen unbeschränkten Steuerpflicht. Sachlich gehören dazu die von der ausländischen Kapitalgesellschaft bezogenen Dividendenerträge und sonstigen Bezüge. Besteuert werden grundsätzlich alle Gewinnausschüttungen und sonstigen Bezüge, unabhängig davon, ob Zahlungen ins Inland fließen. Zu den ausgeschütteten Gewinnen und den sonstigen Bezügen gehören neben den offenen auch verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nicht ausgeschüttete Gewinne der ausländischen Gesellschaft können unter den Voraussetzungen der §§ 7 ff. AStG beim inländischen Gesellschafter besteuert werden.

7.67 Seit dem Wechsel vom Anrechnungssystem zum Halbeinkünfteverfahren (jetzt Teileinkünftever-

fahren) erfordert das deutsche Körperschaftsteuersystem eine grundlegende Befreiung der Bezüge von inländischen Körperschaften bei der empfangenden Körperschaft, um körperschaftsteuerliche Mehrfachbelastungen (Kaskadeneffekte) zu vermeiden.2 Bezüge von ausländischen Kapitalgesellschaften werden in dieses System einbezogen, um inländische und ausländische Dividendenerträge gleichzubehandeln.3 In beiden Fällen geht das Körperschaftsteuersystem davon aus, dass die Erträge der ausschüttenden Körperschaft einer steuerlichen Vorbelastung ausgesetzt sind, ohne eine solche Vorbelastung indes als tatbestandliche Bedingung vorauszusetzen.4 Es gibt lediglich punktuelle Regelungen: Bei ausländischen Körperschaften wird die Vorbelastung – mit systematischen Brüchen – durch die Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG (hierzu Rz. 8.41 ff.) hergestellt, vGA sind seit 2007 nicht mehr steuerfrei, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (§ 8b Abs. 1 Sätze 2–4 KStG). 2. Steuererleichterungen nach innerstaatlichem Recht a) Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG

7.68 Durch § 8b Abs. 1 KStG werden Gewinnausschüttungen und andere laufende Beteiligungserträge

– genauer: Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG – von Kapitalgesellschaften an im Inland steuerpflichtige Kapitalgesellschaften von der deutschen Körperschaftsteuer freigestellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die ausschüttende

1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 9; zum Betriebsstättenbegriff in den DBA ausführlich Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.241 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 308 ff. 2 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 1: „Herzstück des neuen KSt-Rechts“; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8b KStG Rz. 2 ff. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 41; bei natürlichen Personen als Anteilseigner wurde mit dem Systemwechsel die bisherige Anrechnung der Vorbelastung (i.H.v. 3/ 7 der Dividende) auf die Einkommensteuer abgelöst durch das Halbeinkünfteverfahren (jetzt Teileinkünfteverfahren), bei dem die Dividendenerträge zu 50 % (jetzt 40 %) freigestellt sind; da dies nunmehr für Dividenden inländischer und ausländischer Gesellschaften gleichermaßen gilt, wurde zugleich die fiskalisch problematische, unionsrechtlich drohende Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer auf die inländische Einkommensteuer vermieden, siehe EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, ECLI:EU:C:2004:484; bestätigt durch EuGH v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, ECLI:EU:C:2011:438, der allerdings eine Anrechnung auf die Höhe der Einkommensteuer des Dividendenempfängers begrenzt. 4 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 25 ff.

868 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.72 Kap. 7

Kapitalgesellschaft im In- oder Ausland ansässig ist, sowie unabhängig von der Behaltenszeit und der Höhe der Beteiligung.1 Für die Körperschaftsteuer ist dies auch unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft aktive oder passive Einkünfte erzielt2 und ob und in welcher Höhe die der Ausschüttung zugrunde liegenden Gewinne der Gesellschaft im Ausland steuerlich vorbelastet sind; Ausnahme hierzu ist jedoch das Korrespondenzprinzip gem. § 8b Abs. 1 Satz 2 ff. KStG.3 Die Steuerbefreiung ist unabhängig davon, ob mit dem Sitzstaat der Gesellschaft ein DBA abgeschlossen wurde. Neben Bar- und Sachdividenden sowie Einnahmen aus der Abtretung von Dividendenansprüchen (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG) sind auch vGA von der Steuerfreistellung erfasst (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Technisch erfolgt die Freistellung über eine außerbilanzielle Kürzung der steuerbefreiten Auslandsbezüge. Hält eine inländische Kapitalgesellschaft die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft mittelbar über eine oder mehrere Mitunternehmerschaften, kommt die Freistellung von der Körperschaftsteuer gem. § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG zur Anwendung. Die Gewinnausschüttungen bleiben danach i.H. der Gewinnbeteiligung der Kapitalgesellschaft an der Mitunternehmerschaft von der Körperschaftsteuer befreit. Entsprechendes gilt bei mittelbarer Beteiligung über vermögensverwaltende Personengesellschaften nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.4

7.69

Hinsichtlich der Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft stehen, regelt § 8b Abs. 5 KStG, dass 5 % der befreiten Auslandsbezüge als nichtabziehbare Betriebsausgaben gelten. Im Ergebnis werden daher nur 95 % der Bezüge von der Körperschaftsteuer befreit. Unabhängig davon können die im Zusammenhang mit der Auslandsbeteiligung angefallenen Betriebsausgaben in voller Höhe steuerlich geltend gemacht werden; dies gilt jedoch nicht für Wertminderungen der Beteiligung, die gem. § 8b Abs. 3 KStG nicht abzugsfähig sind. Aus der Pauschalierung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben folgt, dass es für den Anteilseigner steuerlich von Vorteil ist, wenn der tatsächliche Aufwand mehr als 5 % der Auslandsbezüge beträgt, da der überschießende Teil steuermindernd wirkt. Beträgt der tatsächliche Aufwand dagegen weniger als 5 % der Bezüge, entsteht eine Steuerbelastung auf nicht bezogene Erträge.5

7.70

Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen wirkt sich die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG auf jeder Stufe aus, so dass ein Kaskadeneffekt entsteht. Es empfiehlt sich daher, den tatsächlichen Aufwand, insbesondere Finanzierungsaufwand, auf der untersten inländischen Stufe anfallen zu lassen sowie auf höheren Ebenen Organschaften zu begründen.

7.71

Die Rückzahlung von Gesellschaftereinlagen (Einlagenrückgewähr) gehört nicht zu den Bezügen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Für die Feststellung der Höhe dieser Bezüge ist eine Differenzrechnung vorzunehmen, sie können nicht frei zugeordnet werden. Bei Beteiligungen im Privatvermögen sind diese Bezüge nicht steuerbar.6 Maßgebend dafür, ob und in welcher Höhe eine Einlagenrückgewähr vorliegt, ist der gemäß § 27 Abs. 2 KStG auf der Ebene der Kapitalgesellschaft gesondert festgestellte

7.72

1 Zu evtl. zu erwartenden gesetzgeberischen Einschränkungen des § 8b KStG für Streubesitzdividenden siehe Häuselmann, SteuK 2012, 113. 2 Zu den Aktivitätsanforderungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs siehe Rz. 7.95. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 96. 4 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Rz. 56. 5 Mit Beschluss v. 12.10.2010 (1 BvL 12/07, BGBl. I 2010, 1766) hat das BVerfG das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt; zur Unionsrechtswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG für die Jahre 1999–2003 siehe OFD Niedersachsen v. 11.4.2011, DStR 2011, 1274 (1277). 6 Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 66; jedoch mindern sich insoweit die Anschaffungskosten, BFH v. 19.7.1994 – VIII R 58/92, BStBl. II 1995, 362.

Henkel | 869

Kap. 7 Rz. 7.73 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Bestand des Einlagenkontos. Für im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen nimmt der BFH1 an, dass diese Bezüge insoweit nicht steuerbar sind, als sie den Buchwert der Beteiligung nicht übersteigen, der überschießende Betrag soll hingegen zu den steuerbaren Beteiligungserträgen gehören, die jedoch nicht gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sein sollen.2 Die Finanzverwaltung sieht die Einlagenrückgewähr als Veräußerungsvorgang an und wendet hierauf § 8b Abs. 2 KStG an.3 Im Schrifttum überwiegt die Auffassung, die Einlagenrückgewähr § 8b Abs. 1 KStG zu unterstellen.4 Soweit steuerbare, aber gem. § 8b Abs. 1 oder Abs. 2 KStG steuerfreie Einnahmen vorliegen, greift gem. § 8b Abs. 3 bzw. § 8b Abs. 5 KStG die 5 %ige Definitiv-Belastung ein.

7.73 Gemäß § 27 Abs. 8 KStG gelten die Regelungen zum steuerlichen Einlagekonto seit dem Veranla-

gungszeitraum 2006 auch für Kapitalgesellschaften, die in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind. Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten werden von § 27 Abs. 8 KStG nicht erfasst; gemäß BFH vom 13.7.2016 soll § 27 Abs. 8 KStG u.a. aus Gründen der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit auch für Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten Anwendung finden.5 Da ausländische Kapitalgesellschaften nicht verpflichtet sind, ein Einlagekonto gem. § 27 Abs. 1 KStG zu führen, sie aber darlegungs- und beweispflichtig für die Höhe der Einlagenrückgewähr sind, empfiehlt es sich, dass sie die Berechnungsgrundlagen hierzu kontinuierlich dokumentieren und den Stand des Einlagenkontos sowie den Betrag der Einlagenrückgewähr fristgerecht entsprechend § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG gesondert feststellen lassen.6

7.74 Von der allgemeinen Dividendenfreistellung ausgenommen sind Anteile, die von Finanzunternehmen i.S.d. Kreditwesengesetzes (KWG) zur kurzfristigen Erzielung von Eigenhandelserfolgen oder von Lebens- und Krankenversicherungen als Kapitalanlagen gehalten werden (§ 8b Abs. 7 bzw. 8 KStG). Zu den Finanzunternehmen i.S.d. KWG können auch Holdinggesellschaften von anderen Unternehmen (insbesondere Industrie-Holdings) gehören.7 Zur Feststellung, ob die Anteile der kurzfristigen Erzielung von Eigenhandelserfolgen von Industrie-Holdings dienen, ist nach Ansicht der Finanzverwaltung die Zuordnung der Anteile zum Umlaufvermögen entscheidend: Sind die Anteile dem Umlaufvermögen zuzuordnen, soll ein Erwerb mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs vorliegen.8 Eine Änderung der einmal vorgenommenen Zuordnung soll nicht möglich sein.

1 BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898; siehe auch BFH v. 19.5.2010 – I R 51/09, BStBl. II 2014, 937. 2 Der BFH lässt offen, ob auf den überschießenden Betrag die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden ist; ebenso Eilers/Wienand, GmbHR 2000, 1229; kritisch Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 137 m.w.N. 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 6; hierdurch wird die Anwendung der siebenjährigen Sperrfrist hingenommen. 4 Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 137 m.w.N.; ebenso Herzig, DB 2003, 1459 (1461); a.A. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 106 f., der auch hinsichtlich der das Einlagekonto übersteigenden Rückzahlungen wegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG keine „Bezüge“ anerkennt. 5 BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, ISR 2017, 21 m. Anm. Schlücke. 6 Gemäß BMF v. 4.4.2016 – IV C 2 - S 2836/08/10002 – DOK 2016/0316743, BStBl. I 2016, 468, stellt die Antragsfrist gemäß § 27 Abs. 8 Satz 4 KStG eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist dar; dies sollte vorsichtshalber auch im Drittstaatsfall beachtet werden. 7 BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 671; BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a - 6/02, BStBl. I 2002, 712, Abschn. C.I. 8 BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a - 6/02, BStBl. I 2002, 712, Abschn. C.II.; einschränkend für Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen i.S.d. KWG nunmehr BMF v. 13.7.2015 – IV C 6 S 2133/09/10002 – DOK 2015/0601236, DStR 2015, 1756: Unabhängig von der handels- und steuerrechtlichen Behandlung soll es entscheidend auf die Zuordnung zum Handelsbuch oder Anlagebuch ankommen; für Industrie-Holdings sollte vorsichtshalber weiterhin die handelsrechtliche Zuordnung zum Umlaufvermögen vermieden werden.

870 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.78 Kap. 7

§ 8b Abs. 9 KStG sieht eine Rückausnahme für solche Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 7 und Abs. 8 KStG vor, die der MTR unterliegen. Damit gelten für die Bezüge von EU-Gesellschaften § 8b Abs. 1–6 KStG, ohne die Einschränkungen der Abs. 7 und 8.

7.75

b) Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG Werden die Beteiligungserträge der ausländischen Kapitalgesellschaft von einer natürlichen Person als Anteilseigner erzielt, ist das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG anwendbar. Danach sind nur 60 % der Dividende in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen. Im Gegenzug können gem. § 3c Abs. 2 EStG auch nur 60 % der Betriebsausgaben abgezogen werden.

7.76

c) Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG Die Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG (für Kapitalgesellschaften i.V.m. § 26 Abs. 1 und 2 KStG) setzt voraus, dass der Steuerpflichtige unbeschränkt steuerpflichtig ist und die ausländische Steuer der deutschen Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer entspricht. Welche ausländischen Steuern anrechnungsfähig sind, kann der (nicht abschließenden) Aufzählung in Anlage 6 zu § 34c der Einkommensteuerrichtlinien 2012 entnommen werden. § 34d EStG regelt abschließend den Katalog ausländischer Einkünfte. Steuern und Einkünfte, die nicht hierunter fallen, können allenfalls gem. § 34c Abs. 3 EStG abgezogen werden. Die Steuern müssen festgesetzt und gezahlt sein und dürfen keinem Ermäßigungsanspruch unterliegen. Die ausländischen Steuern können nur auf diejenigen inländischen Steuern angerechnet werden, die auf Einkünfte aus dem jeweiligen Staat entfallen (per-country-limitation). Sind die ausländischen Steuern höher als die inländischen (infolge eines höheren Steuersatzes oder einer höheren Bemessungsgrundlage), bleibt ein Steuerüberhang, der nicht gem. § 10d EStG vor- oder rückgetragen werden kann. In diesem Fall empfiehlt es sich, den Steuerabzug zu wählen (Rz. 7.80 f.). Es ist jedoch zulässig, alle Einkünfte aus dem jeweiligen Staat zu saldieren (per-country-limitation). Übersteigen hiernach die Gewinne aus einer Einkunftsquelle die Verluste aus einer anderen, so ist die auf den Saldo entfallende deutsche Steuer als Anrechnungspotenzial zugrunde zu legen.

7.77

Die Anrechnung der ausländischen Steuern ist durch den Anrechnungshöchstbetrag begrenzt. Für Veranlagungszeiträume bis zum 31.12.2013 gilt gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG für natürliche Personen folgende Formel:

7.78

Anrechnungshöchstbetrag (AHB) = deutsche ESt × ausl. Einkünfte Summe der Einkünfte Für Veranlagungszeiträume ab 1.1.20151 wurden § 34c Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG geändert, um der Unionsrechtswidrigkeit des Gesetzes zu begegnen. Danach können die ausländischen Steuern höchstens mit der durchschnittlichen tariflichen deutschen Einkommensteuer, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt, angerechnet werden. Durch die Inbezugnahme des zu versteuernden Einkommens im Nenner werden insbesondere personen- und familienbezogene Begünstigungen, aber auch ein Verlustvortrag berücksichtigt. Hieraus ergibt sich folgende Formel: Anrechnungshöchstbetrag (AHB) = tarifliche ESt × ausl. Einkünfte2 zu versteuerndes Einkommen

1 Zollkodex-Anpassungsgesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417; instruktiv hierzu Kaminski, Anrechnung ausländischer Steuern, in Lüdicke (Hrsg.) Aktuelle Problemfelder im Internationalen Steuerrecht, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 45, 2016, 269 ff. Zur Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle bis 31.12.2014 s. Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 52. 2 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 56 m.w.N.

Henkel | 871

Kap. 7 Rz. 7.79 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Für Kapitalgesellschaften wurde § 26 KStG ebenfalls neu gefasst. Mit den Änderungen wurde der Verweis auf die geänderte Fassung des § 34c EStG so angepasst, dass sich die Begünstigungen in § 34c EStG nicht auf Kapitalgesellschaften auswirken. Die ausländischen Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Nur tatsächlich der Besteuerung unterliegende Einkünfte sind nach h.M. in die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags einzubeziehen.1 Es sind nur diejenigen ausländischen Einkünfte zu berücksichtigen, die auch im ausländischen Staat der Besteuerung unterlegen haben (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG).2 Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen, die mit den ausländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, kürzen die ausländischen Einkünfte zusätzlich (§ 34c Abs. 1 Satz 4 EStG). Im Ergebnis bewirkt der Anrechnungshöchstbetrag, dass die ausländischen Einkünfte mit dem jeweils höheren Steuerniveau belastet werden.3

7.79 Seit der Einführung des Teileinkünfteverfahrens unterliegen ausländische Dividenden bei natür-

lichen Personen als Anteilseignern nur zu 60 % der Besteuerung (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG). Dementsprechend verringern sich der auf die Dividende entfallende Anteil an deutscher Steuer und somit auch der Anrechnungshöchstbetrag. d) Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG

7.80 Bei der für natürliche Personen geltenden Abzugsmethode gemäß § 34c Abs. 2 EStG werden die

ausländischen Steuern bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen. Diese Methode bietet Erleichterungen, wenn die ausländische Steuer höher ist als die inländische oder wenn Inlandsverluste bestehen, so dass keine inländische Einkommensteuer anfällt. Führt der Abzug zu einem Verlust, kann dieser gem. § 10d EStG voroder rückgetragen werden.

7.81 Für Kapitalgesellschaften gilt die Steuerabzugsmethode aufgrund der Verweisung in § 26 Abs. 1 KStG auf § 34c Abs. 2 EStG.

e) Pauschalierungserlass gem. § 34c Abs. 5 EStG

7.82 Der auf § 34c Abs. 5 EStG gestützte Pauschalierungserlass4 ermächtigt die Finanzämter, auf An-

trag des Steuerpflichtigen in eigener Zuständigkeit bestimmte ausländische Einkünfte pauschal mit 25 v.H. zu besteuern. Hierunter fallen aktive Einkünfte aus bestimmten gewerblichen Betriebsstätten, aus Anteilen an ausländischen Personengesellschaften, die zum Betriebsvermögen eines inländischen gewerblichen Unternehmens gehören, und aus Schachtelbeteiligungen (unmittelbare Mindestbeteiligung von 10 v.H., Mindestbesitzdauer von zwölf Monaten) inländischer Kapitalgesellschaften an ausländischen Tochtergesellschaften. Letztgenannte Pauschalierungsmöglichkeit hat aufgrund der Einführung des allgemeinen körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs in § 8b Abs. 1 KStG derzeit jedoch keinen praktischen Anwendungsbereich. Die Pauschalierung gilt nur für Einkünfte aus Staaten, mit denen kein DBA besteht. Im Gegensatz zur Anrechnungsmethode bewirkt die Pauschalierung, dass Steuervergünstigungen des Quellenstaats, insbesondere von Entwicklungsländern, aufrechterhalten bleiben.5

1 2 3 4

BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 29. Vgl. hierzu OFD Berlin, Vfg. v. 22.1.2004 – St 127 - S 1300 - 3/04, IStR 2004, 136. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 49. BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252; Beispiele in BStBl. I 1994, 97; seit 2004 ist der Pauschalierungserlass für die KSt aufgehoben, BMF v. 24.11.2003 – IV B 4-S 2293-46/03, BStBl. I 2003, 747. 5 Der Gesetzgeber hat die Pauschalierung einer unilateralen Freistellung vorgezogen, um den Spielraum für künftige DBA-Verhandlungen nicht zu schmälern, vgl. Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 118.

872 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.86 Kap. 7

3. Steuererleichterungen nach DBA-Recht a) Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Gewinnausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaft an Gesellschafter, die nach dem DBA in der Bundesrepublik ansässig sind, können nach dem Abkommensrecht entweder von der inländischen Besteuerung ausgenommen werden (Freistellungsmethode entsprechend Art. 23A OECDMA) oder sie bleiben in der Bemessungsgrundlage der inländischen Besteuerung und es wird lediglich die Quellensteuer, die auf den Ausschüttungen lastet, auf die inländische Steuerschuld angerechnet (Anrechnungsmethode entsprechend Art. 23B OECD-MA). Die Freistellungsmethode gilt im Allgemeinen nur für Schachtelbeteiligungen (Rz. 7.85). Streubesitz-Dividenden unterliegen dagegen üblicherweise der Anrechnungsmethode.

7.83

b) Dividendenbegriff Für die Qualifikation des Dividendenbegriffs in den dem Art. 23 OECD-MA entsprechenden Abkommensregelungen ist auf die Dividendendefinition der dem Art. 10 Abs. 3 OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschriften zurückzugreifen. Dies folgt z.T. bereits aus ausdrücklichen Verweisungen (z.B. Art. 24 Abs. 2b Doppelbuchst. aa DBA-Portugal). Auch ohne eine ausdrückliche Inbezugnahme des Dividendenartikels lässt sich die Qualifikation gemäß dem Dividendenartikel konkludent aus dem Abkommenszusammenhang entnehmen.1 Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Wohnsitzstaat bei der Dividendenqualifikation der Qualifikation des Quellenstaats folgt, und zwar dann, wenn der Dividendenartikel bei der Dividendendefinition auf das Recht des Quellenstaats verweist (vgl. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA; vgl. hierzu Rz. 7.45 ff.). Dies beruht auf einer doppelten – hintereinander geschalteten – Verweisungstechnik.2

7.84

c) Schachtelbeteiligungen Für Schachteldividenden, die eine ausländische Tochtergesellschaft an ihre inländische Muttergesellschaft ausschüttet, gilt regelmäßig die Freistellung von der inländischen Besteuerung – sog. Internationales Schachtelprivileg. Das Schachtelprivileg zielt darauf ab, die wirtschaftliche Doppelbelastung des von der ausländischen Gesellschaft erwirtschafteten Gewinns einerseits mit der ausländischen Körperschaftsteuer auf den Gewinn der ausländischen Gesellschaft und andererseits mit der deutschen Körperschaftsteuer auf die ausgeschütteten Dividenden zu beseitigen. Mit der Einführung der innerstaatlichen Freistellung von Beteiligungserträgen in § 8b Abs. 1 KStG hat sich die Bedeutung des abkommensrechtlich geregelten Internationalen Schachtelprivilegs jedoch deutlich verringert. Insbesondere hinsichtlich der reduzierten Quellensteuersätze in den Abkommen sowie in den Fällen, in denen § 8b Abs. 1 KStG nicht zur Anwendung kommt (Rz. 7.74 f.), bleibt das Internationale Schachtelprivileg weiterhin bedeutsam. Der Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft wird durch das Internationale Schachtelprivileg nicht verpflichtet, neben der Freistellung der Dividendenerträge auch die Quellensteuer anzurechnen, die der ausländische Staat von den Dividendenausschüttungen erhebt, so dass diese Quellensteuern neben der ausländischen Besteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne als zusätzliche Definitivbelastung bestehen bleiben.

7.85

Das Schachtelprivileg gilt nach den deutschen DBA regelmäßig nur für inländische Kapitalgesellschaften. Durch Erlass der Finanzverwaltung wurde das DBA-Schachtelprivileg für alle vor dem 1.1.2014 verwirklichten Steuertatbestände auf alle unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erstreckt, die in dem erforderlichen Umfang an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.3

7.86

1 So zutreffend Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 92, 130. 2 Vgl. auch Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 130a f. 3 Das BMF v. 30.12.1983 – IV C 5 - S 1300 - 386/83, DStZE 1984, 19, ist nicht mehr auf der Positivliste des BMF v. 23.5.2015 – IV A 2 - O 2000/14/10001 – DOK 2015/0188422, BStBl. I 2015, 278 enthalten;

Henkel | 873

Kap. 7 Rz. 7.87 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften

7.87 Eine Schachtelbeteiligung liegt nach den älteren DBA vor, wenn die inländische Kapitalgesellschaft zu mindestens 25 v.H. an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist; in den meisten neueren DBA ist die Beteiligungsquote abkommensrechtlich auf mindestens 10 v.H. gesenkt.1 Die meisten DBA sehen als Bezugsgröße den Anteil am Kapital der ausländischen Gesellschaft vor.

7.88 Die Schachtelvergünstigung setzt nach den seit 1966 vereinbarten Abkommen zunehmend voraus,

dass die Erträge der ausländischen Kapitalgesellschaft aus aktiven Tätigkeiten stammen.2 Wird der Aktivitätsvorbehalt nicht erfüllt, greift statt der Freistellungs- die Anrechnungsmethode. Da § 8b Abs. 1 KStG keinen Aktivitätsvorbehalt enthält, kann auch bei Erträgen aus passiven Tätigkeiten die innerstaatliche Steuerbefreiung eingreifen.

7.89 Gemäß § 8b Abs. 5 KStG gelten – unabhängig davon, ob und in welcher Höhe tatsächlich Be-

triebsausgaben entstanden sind – stets 5 % der Dividendeneinnahmen als nichtabziehbare Betriebsausgabe. Die 5 %ige Definitivbelastung verstößt nicht gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot.3 d) Schachtelbeteiligungen und Organschaft

7.90 Ist die inländische Kapitalgesellschaft, die die Schachtelbeteiligung an einer ausländischen Kapital-

gesellschaft hält, Organgesellschaft i.S.v. § 14 Abs. 1 KStG, so kann nicht sie, sondern nur der Organträger das DBA-Schachtelprivileg nutzen, dies allerdings nur, wenn er selber persönlich abkommensberechtigt ist (§ 15 Satz 2 i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG). Dies gilt auch dann, wenn der Organträger beschränkt steuerpflichtig ist und die Organträgerfunktion über eine inländische Betriebsstätte ausübt.4 e) Fiktive Quellensteuern

7.91 Mit einigen DBA-Staaten – insbesondere Entwicklungsländern – ist die Anrechnung fiktiver

Quellensteuern auf Dividenden vorgesehen.5 Die Regelung zielt darauf ab, Steueranreize des Quellenstaats beim Anrechnungsverfahren nicht zu verlieren. Denn da bei der Anrechnungsmethode die Steuerbelastung auf das Niveau des Ansässigkeitsstaats des Dividendenempfängers heraufgeschleust wird, führen niedrige Quellensteuern nur zu einem höheren Steueraufkommen des Ansässigkeitsstaats und entlasten den Anteilseigner nicht.

7.92 Die Anrechnung fiktiver Quellensteuern baut rechtstechnisch auf dem normalen Anrechnungsver-

fahren auf. Im Anschluss an die Regelungen zum Anrechnungsverfahren treffen die Vertragsstaaten z.B. folgende Bestimmung: „Für die Zwecke des Anrechnungsverfahrens wird davon ausgegangen, dass die Steuer des Quellenstaats auf Dividenden oder Zinsen einen bestimmten Prozentsatz beträgt. Dieser Prozentsatz stellt den Mindestbetrag der Anrechnung dar.“ Die Anrechnung fiktiver Quellensteuern ist zum Teil mit einem Aktivitätsvorbehalt verknüpft.6

1 2 3 4 5 6

zu nachfolgenden Zeiten s. OFD Frankfurt, Vfg. v. 22.5.2015 – S 1300 A - 036 -ST 58, BeckVerw 311380; zu Stiftungen siehe BMF v. 12.5.1989 – IV C 5 - S 1300 - 186/89, DStR 1989, 330; zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Kreditinstituten und Unternehmensstiftungen siehe OFD Frankfurt, Vfg. v. 1.11.1994 – S 3222 A - 1 - St III 30, DB 1994, 2591. Vgl. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 95. Tabelle bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 90 sowie Rz. 101. BFH vom 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch = DStR 2012, 2319; es verstößt aber gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit und stellt auch kein „Treaty Override“ dar, s. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 79 m.w.N. Neumann in Gosch3, § 15 KStG Rz. 35. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191 ff. Vgl. die Übersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191.

874 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.95 Kap. 7

4. Gewerbesteuer a) Umfang der Gewerbesteuerpflicht Hält der inländische Gesellschafter die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft in seinem Betriebsvermögen, sind die Gewinnausschüttungen und sonstigen Bezüge grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig. Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb (§ 7 Abs. 1 GewStG). Hierzu gehören grundsätzlich nicht nur die Gewinnausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften, sondern auch eventuelle Gewinnkorrekturen (vGA, § 1 AStG), Veräußerungsgewinne aus Anteilen an ausländischen Tochterkapitalgesellschaften sowie unter bestimmten Voraussetzungen Teilwertabschreibungen. Gewinnausschüttungen (sowie sonstige Bezüge) und Veräußerungsgewinne werden i.d.R. gem. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG (abgesehen von der 5 %igen Definitivbelastung gem. § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG) sowie gem. § 3 Nr. 40 EStG (zu 60 %) freigestellt. Über § 7 GewStG wirken sich diese Steuerbefreiungen auch auf die Gewerbesteuer aus. Dies gilt auch, wenn die Beteiligung an der Tochtergesellschaft mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten wird.1 In die Ertragsrechnung des inländischen Gewerbebetriebs fließt auch der Hinzurechnungsbetrag nach§ 10 AStG ein. Nicht gewerbesteuerpflichtig sind Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne von Betrieben oder Teilbetrieben einer Mitunternehmerschaft sowie von Beteiligungen an Mitunternehmerschaften, soweit sie auf eine unmittelbar beteiligte natürliche Person entfallen (§ 7 Satz 2 GewStG); die Veräußerung einer 100 %igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch eine natürliche Person gehört hingegen zum laufenden Gewinn (unter Beachtung des Teileinkünfteverfahrens), es sei denn, die Veräußerung steht in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Betriebsaufgabe.

7.93

Zur Ermittlung des Gewerbeertrags wird der sich nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn um spezifische gewerbesteuerliche Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) vermehrt oder vermindert. Hinzugerechnet werden gem. § 8 Nr. 5 GewStG die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG steuerfreien Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen nach Abzug der mit ihnen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden, nach dem EStG bzw. KStG ansonsten nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben (vgl. § 3c EStG, § 8b Abs. 5 KStG). Veräußerungsgewinne unterliegen nicht der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG. Die Hinzurechnung erfolgt jedoch nur, soweit nicht das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg eingreift (Rz. 7.95 ff.). Hinzugerechnet werden gemäß § 8 Nr. 10 GewStG auch Gewinnminderungen, die durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts von Anteilen an Körperschaften entstanden sind.2

7.94

b) Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg Das in § 9 Nr. 7 GewStG geregelte gewerbesteuerliche Schachtelprivileg setzt voraus, dass das inländische Unternehmen – Einzelunternehmen, Personen- oder Kapitalgesellschaft – an der ausländischen Kapitalgesellschaft (Geschäftsleitung und Sitz im Ausland) seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu 15 v.H. beteiligt ist und die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich3 aus Aktivitäten i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG 1 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 57; zur Rechtslage ab dem Erhebungszeitraum 2004 vgl. § 7 Satz 4 GewStG. 2 Die Hinzurechnung gem. § 8 Nr 10 GewStG wirkt sich bei Kapitalgesellschaften als Anteilseignern nicht aus, da bei ihnen die Teilwertabschreibung bereits gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unberücksichtigt bleibt, siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 437. 3 Das heißt nach h.M. regelmäßig zu wenigstens 90 v.H., R 65 Abs. 4 Satz 3 GewStR 1998 i.V.m. R 76 Abs. 9 Satz 2 KStR 1995; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; a.A. Güroff in Glanegger/ Güroff9, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 10a, der unter „fast ausschließlich“ einen höheren Anteil versteht; diese abweichende Meinung beachtet jedoch nicht genügend, dass der Gesetzgeber die Formulierung „fast ausschließlich“ in Kenntnis der ständigen Verwaltungspraxis in das Gesetz aufgenommen hat und

Henkel | 875

7.95

Kap. 7 Rz. 7.96 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften oder aus Schachtelbeteiligungen an Landes- oder Funktionsholdinggesellschaften bezieht. Bei Schachtelbeteiligungen an ausländischen EU-Kapitalgesellschaften beträgt die Mindestbeteiligung 10 %; auch entfällt das Aktivitätserfordernis (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG i.V.m. der MTR).1

7.96 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 7 GewStG gilt unabhängig davon, ob die

ausländische Gesellschaft nach ausländischem Recht eine eigene Rechtsfähigkeit besitzt.2 Entscheidend ist, ob die Gesellschaft nach dem Typenvergleich (Rz. 7.6 f.) einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht.

7.97 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg ist gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG auf Antrag auch auf

Dividenden von ausländischen Kapitalgesellschaften (Enkelgesellschaften) anzuwenden, an denen das inländische Unternehmen über eine Tochtergesellschaft auf jeder Beteiligungsstufe3 wenigstens zu 15 v.H. mittelbar beteiligt ist (dreistufiges Schachtelprivileg); die Enkelgesellschaft muss ihre Erträge fast ausschließlich aus Aktivitäten i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG beziehen, während die Tochtergesellschaft in diesem Fall nicht aktiv i.S.d. § 8 AStG sein muss. Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg können nicht nur Kapitalgesellschaften geltend machen, es gilt für alle Unternehmen, die die Beteiligung in ihrem Betriebsvermögen halten. Ist die ausländische Tochtergesellschaft mitunternehmerisch an einem weiteren Unternehmen beteiligt, sind ihr die im Rahmen der Mitunternehmerschaft erzielten Bruttoerträge anteilig zuzurechnen; dass gilt auch bei einer mehrstufigen mitunternehmerischen Beteiligung.4

7.98 Sind die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht erfüllt, weil z.B. eine

Beteiligung von unter 15 % besteht (Portfolio-Beteiligung), oder die Aktivitätsanforderungen oder die Haltefrist nicht erfüllt sind, sind die Erträge aus der Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft aufgrund der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG gewerbesteuerpflichtig. Da die mit der Beteiligung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage mindern und nicht der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG unterliegen, wird im Ergebnis nur die „Netto-Dividende“ von der Hinzurechnung erfasst.5

7.99 Soweit Gewinnausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG freigestellt sind, werden sie von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ausgenommen (§ 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG).6

7.100 Greift ein DBA ein, das Schachtelerträge von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer aus-

nimmt, wirkt sich dies auch auf die Ausgangsgröße des § 7 GewStG aus, wenn das DBA auch für die Gewerbesteuer gilt.7 Das ist inzwischen bei sämtlichen deutschen Abkommen der Fall, so dass sich bei Eingreifen eines DBA ein gewerbesteuerliches Schachtelprivileg über die Grenze erübrigt.

7.101 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nach einem DBA kann nur eingreifen, wenn die ausländische Gesellschaft eine selbständig abkommensberechtigte Person ist; dies entscheidet sich üblicherweise nach der Begriffsbestimmung der „Gesellschaft“ in den Art. 3 Abs. 1b OECD-MA entsprechenden Abkommensvorschriften; deckt sich das jeweilige Abkommen mit dem OECD-MA, so sind die Gesellschaften abkommensberechtigt, die juristische Personen sind oder von den Steuergesetzen des Vertragsstaats, in dem sie errichtet worden sind, wie juristische Personen behandelt

1 2 3 4 5 6 7

auch bei der Änderung der Beteiligungshöhe (BGBl. I 1983, 1583) keinen Anlass gesehen hat, der Auslegung der Finanzverwaltung entgegenzutreten. Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 46; Güroff in Glanegger/Güroff9, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 8. Güroff in Glanegger/Güroff9, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 7. Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 56; Güroff in Glanegger/Güroff9, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 7 m.w.N. BFH v. 13.2.2008 – I R 75/07, BStBl. II 2010, 1028. Güroff in Glanegger/Güroff9, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 12. Das betrifft die Fälle, in denen die den Gewinnausschüttungen zugrunde liegenden Erträge der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG unterliegen. BFH v. 14.1.2008 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131.

876 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.105 Kap. 7

werden.1 Damit können neben Beteiligungen an Kapitalgesellschaften auch Beteiligungen an Personengesellschaften schachtelprivilegiert sein, wenn sie vom ausländischen Steuerrecht wie juristische Personen besteuert werden. Greift ausschließlich ein DBA-Schachtelprivileg und nicht das gewerbesteuerlich Schachtelprivileg ein, weil die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs gem. § 9 Nr. 7 GewStG nicht erfüllt sind (Beteiligung unter 15 %, keine aktiven Einkünfte, Nichteinhaltung der Mindestbeteiligungsdauer) und wird die Doppelbesteuerung der ausländischen Beteiligungserträge durch die Freistellungsmethode vermieden, unterliegen die Erträge ebenfalls nicht der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG.2 Sieht das DBA hingegen als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnung vor, bleibt die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von dem DBASchachtelprivileg unberührt.

7.102

5. Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft Verluste der ausländischen Kapitalgesellschaft können nach deutschem Steuerrecht wegen des Trennungsprinzips grundsätzlich nicht mit positiven Erträgen des inländischen Gesellschafters verrechnet werden. Sie wirken sich lediglich nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaats der ausländischen Kapitalgesellschaft aus, das u.a. über die Vor- und ggf. Rücktragsfähigkeit der Verluste und eventuelle Verlustverrechnungsbeschränkungen entscheidet.

7.103

a) Finale Auslandsverluste Dies gilt nach der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer3 grundsätzlich auch für Verluste von EU/EWR-Kapitalgesellschaften. Nach dieser Entscheidung sind jedoch Verluste der EU/EWR-Kapitalgesellschaft bei der gebietsansässigen Muttergesellschaft zu berücksichtigen, wenn die Verluste bei der Tochtergesellschaft endgültig nicht genutzt werden können (sog. „finale Verluste“). Im Kern besagt die Entscheidung: Ein Mitgliedstaat beschränkt die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 48 EGV, jetzt Art. 49 AEUV),

7.104

– wenn er bei einer inländischen Muttergesellschaft die Verluste nur inländischer, nicht aber anderer EU/EWR-Tochtergesellschaften berücksichtigt und – die Beschränkung zwar grundsätzlich gerechtfertigt ist, – der Verlustausschluss jedoch auch endgültige (finale) Verluste ausschließt, die dann bestehen, wenn die Auslandstochter sämtliche Möglichkeiten zur Verlustnutzung ausgeschöpft hat und sie keine Möglichkeit hat, die Verluste künftig selbst oder durch Übertragung auf Dritte zu nutzen.4 Die konkreten Auswirkungen der Entscheidung sind weitgehend unklar.5 Gesichert dürfte nur sein, dass finale Verluste jedenfalls dann vorliegen, wenn das ausländische Steuerrecht systembedingt auch für dort ansässige Tochtergesellschaften keine Verlustverrechnung kennt, oder der Verlustvortrag wegen zeitlicher Begrenzung entfällt, sowie im Fall der Liquidation.6 Unklar sind hin1 Vgl. Art. 3 Nr. 3 OECD-MA. 2 BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Hageböke, IStR 2009, 473; Prinz/Simon, DStR 2002, 149; Haas, DB 2002, 549. 3 EuGH v. 13.2.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763 zum britischen Group Relief. 4 Die Grundsätze überträgt der EuGH (v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU: C:2008:278) und ihm folgend der BFH (v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2006, 861; siehe hierzu Homburg, IStR 2009, 350; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35 = BB 2010, 2546 m. Anm. Heinsen) auf ausländische Betriebsstätten. 5 Scheunemann, IStR 2006, 145; Homburg, IStR 2009, 350 m.w.N.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1004 f. 6 Mayr, BB 2008, 1816 m.w.N.

Henkel | 877

7.105

Kap. 7 Rz. 7.106 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften gegen u.a. die Höhe der grenzüberschreitenden Verlustnutzung, der Zeitpunkt der grenzüberschreitenden Verlustnutzung, die Nachweisanforderungen, die Rückausnahmen im Fall missbräuchlicher Verlustnutzung und die Erstreckung auf in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften.1 Unklar ist auch, ob nach dieser Entscheidung die grenzüberschreitende Verlustnutzung allein eine finanzielle Eingliederung der EU/EWR-Tochtergesellschaft in das inländische Mutterunternehmen erfordert oder darüber hinaus ein wirksam auf mindestens fünf Jahre abgeschlossener und tatsächlich durchgeführter Ergebnisabführungsvertrag vorliegen muss.2 Ungeklärt ist ferner, ob die Berücksichtigung finaler Verluste auch auf die Gewerbesteuer durchschlägt.3 b) Teilwertabschreibung

7.106 Verluste einer ausländischen Kapitalgesellschaft können mittelbar bei ihrem inländischen Gesell-

schafter im Wege einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung erfasst werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ist eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert vorzunehmen, wenn der Teilwert einer Beteiligung aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung unter den Buchwert bzw. die Anschaffungskosten der Beteiligung sinkt.

7.107 Verluste können eine Teilwertabschreibung nur begründen, wenn sie nachhaltig sind, insbesondere,

wenn sie auf Fehlmaßnahmen beruhen und es sich nicht um übliche Anlaufverluste handelt. Nach Auffassung der Rechtsprechung sollen als Anlaufphase im Regelfall für im Inland errichtete Kapitalgesellschaften drei Jahre und für im Ausland errichtete Kapitalgesellschaften fünf Jahre angenommen werden.4 Zu einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung kann es dann kommen, wenn Gewinnausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaft, die z.B. aus der Veräußerung des Betriebsvermögens stammen, zu einer voraussichtlich dauernden Verminderung des Wertes der Beteiligung durch tatsächliches Absinken des Teilwerts unter den Buchwert führen.5 Bei Auslandsbeteiligungen kann eine Teilwertabschreibung auch auf besondere Auslandsrisiken gestützt werden.6

7.108 Die Berücksichtigung von Teilwertabschreibungen ist je nach Rechtsform des inländischen Gesellschafters unterschiedlich begrenzt.

7.109 Bei inländischen Kapitalgesellschaften bleiben Gewinnminderungen im Zusammenhang mit An-

teilen an (in- und) ausländischen Körperschaften gem. § 8b Abs. 3 KStG unberücksichtigt.7 Dies gilt auch in dem Fall, dass die Beteiligung mittelbar über eine Personengesellschaft von einer Körperschaft gehalten wird (§ 8b Abs. 6 KStG). Zu den Gewinnminderungen zählen insbesondere verlustbedingte sowie ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen.8 Aufgrund der Regelungssymmetrie zwischen steuerfreien Einkünften und dem Ausschluss der Berücksichtigung von Gewinnminderungen gilt § 8b Abs. 3 KStG nicht, wenn die Gewinne der Körperschaft wegen § 8b Abs. 7 KStG, z.B. im Fall eines Finanzunternehmens,9 nicht steuerbefreit sind. Das Verbot der Teilwert-

1 Zu den Kriterien siehe Scheunemann, IStR 2006, 145. 2 Der Gesetzgeber hat hier keine Klarheit geschaffen, die sog. „kleine Organschaftsreform“ hat lediglich den Wegfall des doppelten Inlandsbezugs sowie einige formalistische Auswüchse bei der Anerkennung von Ergebnisabführungen beschränkt, s. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1004 f. 3 Dafür BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065 für ausländische Betriebsstättenverluste. 4 BFH v. 27.7.1988 – I R 104/84, BStBl. II 1989, 274; vgl. auch v. 6.11.2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416. 5 BFH v. 22.12.1999 – I B 158/98, BFH/NV 2000, 710. 6 Kulosa in Schmidt36, § 6 EStG Rz. 287. 7 Die Abzugsbeschränkung gilt mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2008 auch für Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen (§ 8b Abs. 3 Sätze 4–8 KStG). 8 Vgl. BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 26. 9 Zu Finanzunternehmen können auch Industrie-Holdings und Beteiligungsgesellschaften gehören, wenn sie Anteile zur kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erwerben, Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 585 ff.

878 | Henkel

D. Laufende Besteuerung im Inland | Rz. 7.112 Kap. 7

abschreibungen auf Streubesitzbeteiligungen gem. § 8b Abs. 3 KStG verstößt nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache STEKO1 bereits seit 2001 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV (jetzt Art. 63 AEUV). Dem steht das BMF mit Nichtanwendungserlass für Wirtschaftsjahre ab 2001 entgegen.2 Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen einer inländischen natürlichen Person oder einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschaftern gehalten, kann eine (verlustbedingte- oder ausschüttungsbedingte) Teilwertabschreibung bei der Ermittlung der Einkünfte zu 60 % steuerlich berücksichtigt werden (§ 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Verlustausgleich ist jedoch dadurch eingeschränkt, dass Verluste bzw. Gewinnminderungen aufgrund einer Teilwertabschreibung, die für eine Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft vorgenommen wird, gem. § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat verrechnet werden dürfen. Die Verlustabzugsbegrenzung gilt dann nicht, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre und in dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum selbst eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt hat (§ 2a Abs. 2 Satz 2 EStG). Gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG ist auch die Ausübung von Holdingfunktionen durch die ausländische Kapitalgesellschaft als Bewirkung gewerblicher Leistungen (aktive Tätigkeit) anzusehen, sofern Beteiligungen von mindestens einem Viertel am Nennkapital ausländischer Kapitalgesellschaften unmittelbar gehalten werden und diese Kapitalgesellschaften (Beteiligungsgesellschaften) selbst Tätigkeiten i.S.d. § 2a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG ausüben.3

7.110

Wertaufholungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG, die in früheren Jahren sowohl auf steuerwirksamen wie auf steuerunwirksamen Teilwertabschreibungen beruhten, sind nach § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG a.F./§ 8b Abs. 2 Satz 4 KStG n.F. zunächst mit den nicht steuerwirksamen und erst danach mit den steuerunwirksamen Teilwertabschreibungen zu verrechnen („Last-in-First-out“).4

7.111

Für die Gewerbesteuer werden gem. § 8 Nr. 10 GewStG Gewinnminderungen, die auf einer Teilwertabschreibung bzw. einer Veräußerung oder Entnahme des Anteils oder einer Liquidation oder Kapitalherabsetzung beruhen, hinzugerechnet, soweit die Gewinnminderung auf eine Gewinnausschüttung zurückzuführen ist und für die Gewinnausschüttung eine gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder Nr. 8 GewStG (gewerbesteuerliches Schachtelprivileg) vorgenommen wird. Vermieden werden soll hierdurch eine doppelte Steuererleichterung, die sich einmal aus der Dividendenausschüttung nach dem gewerbesteuerlichen Schachtelprinzip und zum anderen aus der Minderung des Beteiligungsansatzes ergibt, die sich gem. § 7 GewStG auf die Ausgangsgröße auswirkt. Bei inländischen Kapitalgesellschaften kommt es folglich zu keiner Hinzurechnung, da Teilwertabschreibungen nach § 7 GewStG i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer nicht mindern; bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften erfolgt eine anteilige Hinzurechnung.

7.112

1 EuGH v. 22.1.2009 – Rs. C-377/07 – STEKO Industriemontage, ECLI:EU:C:2009:29. 2 BMF v. 3.5.2016 – IV C2 - S 2750 - a/07/10006 :002 – DOK 2016/0392721, BStBl. I 2016, 478. 3 Zur Vermeidung einer Umgehung der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG durch Zwischenschaltung inländischer Körperschaften erweitert § 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG die Verlustausgleichsbeschränkung auf Verluste aus einer Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an einer zwischengeschalteten inländischen Gesellschaft. 4 BFH v. 19.8.2009 – I R 2/09, BStBl. II 2010, 760; OFD Niedersachsen, Vfg. v. 11.4.2011 – S 2750a 18St 242, DStR 2011, 1274 (1275).

Henkel | 879

Kap. 7 Rz. 7.113 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften

E. Veräußerung und Liquidation I. Veräußerung 1. Überblick

7.113 Die Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist in aller Regel im

Sitzstaat der Gesellschaft steuerpflichtig. Inländische Gesellschafter unterliegen dabei mit den Einkünften aus der Veräußerung der beschränkten Steuerpflicht. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns und das Besteuerungsverfahren richten sich nach dem ausländischen Steuerrecht.

7.114 Im Inland unterscheidet sich die Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach der Rechtsform. Bei

einer Körperschaft als Anteilseigner bleiben als systematische Ergänzung zu der Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen an Körperschaften gem. § 8b Abs. 1 KStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften gem. § 8b Abs. 2 KStG außer Ansatz. Damit wird berücksichtigt, dass in den Veräußerungsgewinn auch die thesaurierten Gewinne der veräußerten Gesellschaft einfließen und insoweit keine unterschiedliche Behandlung zwischen Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen vorgenommen wird.1

7.115 Bei natürlichen Personen ist zu unterscheiden: Werden die Beteiligungen im Betriebsvermögen

gehalten, gilt das Teileinkünfteverfahren, bei dem der Veräußerungsgewinn nur zu 60 % besteuert wird. Gleiches gilt bei Beteiligungen im Privatvermögen, wenn die Beteiligung mindestens 1 % beträgt. Beteiligungen unter 1 % im Privatvermögen wurden bis 2008 gem. §§ 22 Nr. 2 i.V.m. 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erfasst; ab 2009 gelten die Regelungen zur Abgeltungssteuer (kein Teileinkünfteverfahren, Steuersatz 25 %), soweit die Anteile nach dem 31.12.2008 erworben wurden (§ 52a Abs. 10 EStG).2 a) Veräußerung durch Körperschaften

7.116 Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG sind Gewinne von Körperschaften aus der Veräußerung von An-

teilen an Körperschaften von der Körperschaftsteuer steuerfrei gestellt, wenn deren Leistungen zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören. Damit ist ein Gleichlauf mit den Gewinnausschüttungen gem. § 8b Abs. 1 KStG hergestellt, so dass – anders als bei § 17 EStG – nicht nur Veräußerungen von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften, sondern auch an allen sonstigen Körperschaften erfasst werden. Bei ausländischen Körperschaften ist hierfür der Typenvergleich (Rz. 7.6 f.) vorzunehmen. Darüber hinaus bestehen keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere bestehen keine Mindestbeteiligungsquoten, Mindestbesitzzeiten oder Aktivitätsvorbehalte.3 Die Steuerfreistellung gilt unabhängig von einer steuerlichen Vorbelastung4 und gilt auch, soweit die Veräußerung eine vGA darstellt.5

7.117 Die Steuerfreiheit umfasst gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KStG auch Anteile an Organgesellschaften.

1 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 150 f. 2 Siehe Übersicht zur Abgeltungssteuer bei Weber-Grellet in Schmidt36, § 20 EStG Rz. 1. 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 13; die im Entwurf zum InvStRefG vorgesehene Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG-E, mit dem einen Mindestbeteiligungsgrenze von 10 % eingeführt werden sollte, um die Dividendenbesteuerung und die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen systematisch anzugleichen, ist nicht umgesetzt worden. 4 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 13; die im Ausland erfolgende Besteuerung wird als Vorbelastung verstanden; ist die Gesellschaft im Ausland indes passiv und niedrig besteuert, findet die Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7–14 AStG statt, die im Ergebnis eine Art der Vorbelastung der ausländischen Gewinne herbeiführt, jedoch ohne dass § 8b KStG hieran gesetzestechnisch anknüpft. 5 Eingehend Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 189 ff.

880 | Henkel

E. Veräußerung und Liquidation | Rz. 7.124 Kap. 7

Seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten 5 v.H. des Veräußerungsgewinns als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 3 Satz 1 KStG). Diese DefinitivBelastung wirkt im Ergebnis wie eine Beschränkung der Steuerfreiheit auf 95 v.H. des Veräußerungsgewinns.

7.118

§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG enthält eine Legaldefinition des Veräußerungsgewinns. Danach ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis (oder der an dessen Stelle tretende Wert) abzüglich der Veräußerungskosten den im Zeitpunkt der Veräußerung bestehenden Buchwert der Beteiligung übersteigt. Veräußerungskosten sind also – anders als bei Gewinnausschüttungen – in der Bemessungsgrundlage enthalten und können nicht gesondert abgezogen werden.

7.119

Korrespondierend zu der Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen nach § 8b Abs. 2 KStG bleiben Veräußerungsverluste bei der steuerlichen Gewinnermittlung ebenfalls unberücksichtigt (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG).1 Veräußerungsverluste sind jedoch in den Fällen, in denen Veräußerungsgewinne z.B. wegen § 8b Abs. 7 KStG nicht steuerfrei sind, abzugsfähig.

7.120

Die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG bezieht sich nicht nur auf die Körperschaftsteuer, sondern über § 7 Satz 1 i.V.m. Satz 4 Halbs. 2 GewStG auch auf die Gewerbesteuer.2 Anders als bei laufenden Gewinnen (§ 8 Nr. 5 GewStG) findet keine Hinzurechnung der Veräußerungsgewinne statt, so dass insoweit die Einschränkungen des § 9 Nr. 7 GewStG (Beteiligungsquote, Mindestbesitzzeit, Aktivitätsvorbehalt) unbeachtlich sind. Jedoch greift die Definitiv-Belastung von 5 % des Veräußerungsgewinns gem. § 8b Abs. 5 KStG auch für die Gewerbesteuer ein.

7.121

Die Steuerfreistellung wird gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nicht gewährt, soweit der Anteil in früheren Jahren steuerwirksam auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurde und nicht durch eine steuerpflichtige Wertaufholung wieder ausgeglichen wurde. Diese Ausnahme betrifft insbesondere Teilwertabschreibungen, die während des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens steuerwirksam vorgenommen wurden (Rz. 7.106 ff.).

7.122

Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten, kommt die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung. Steuerbefreit sind auch Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen, soweit der Veräußerungspreis auf mittelbar mitveräußerte Kapitalgesellschaftsanteile entfällt (§ 8b Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 KStG).3

7.123

Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG gilt nicht für Anteile, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1 KWG dem Handelsbuch zuzurechnen sind oder die von Finanzunternehmen i.S.d. KWG mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben werden (§ 8b Abs. 7 KStG). Unter den Begriff der Finanzunternehmen fallen auch Holdinggesellschaften (Rz. 7.74).4 Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG gilt ferner nicht für Anteile, die bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen sind (§ 8b Abs. 9 KStG). b) Veräußerung durch natürliche Personen Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer in- und ausländischen Kapitalgesellschaft, die eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft, soweit an ihr natürliche Personen betei1 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8b KStG Rz. 145, 196 ; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 181 ff. m.w.N.; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 26; nach Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 267 soll der Veräußerungsverlust bereits unter § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG fallen. 2 Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8b KStG Rz. 90; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 103; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 444; Dötsch/Pung, DB 2003, 1016. 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 55. 4 BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 671.

Henkel | 881

7.124

Kap. 7 Rz. 7.125 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften ligt sind, erzielt, deren Beteiligung mindestens 1 % beträgt, unterliegt dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a und c EStG). 40 % der Einnahmen bzw. des Veräußerungspreises aus der Veräußerung der Anteile sind danach steuerfrei. Dementsprechend dürfen Veräußerungskosten und der Wert der Anteile im Betriebsvermögen bzw. deren Anschaffungskosten gem. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur zu 60 % herangezogen werden. Für in früheren Jahren in voller Höhe steuerwirksam vorgenommene Teilwertabschreibungen auf Anteile im Betriebsvermögen gilt die anteilige Steuerbefreiung entsprechend § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG nicht (§ 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG). Veräußerungsverluste aus dem Verkauf von im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften werden gem. § 3c Abs. 2 EStG bei der Einkunftsermittlung ebenfalls nur zu 60 % berücksichtigt. 2. DBA-Recht

7.125 Veräußerungsgewinne werden nach den DBA unterschiedlich behandelt. Zum Teil treffen die Ab-

kommen ausdrückliche Regelungen, nach denen die ausschließliche Besteuerung für Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften dem Ansässigkeitsstaat des Veräußerers zugewiesen wird (Frankreich, Luxemburg, Niederlande).1

7.126 Überwiegend entsprechen die Abkommen jedoch dem OECD-MA, in dem Veräußerungen von Be-

teiligungen an Kapitalgesellschaften – ausgenommen die Veräußerungen von Anteilen an Grundstücksgesellschaften (vgl. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) – nicht ausdrücklich angesprochen sind, so dass sie gem. der speziellen Auffangklausel des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA ebenfalls ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Veräußerers besteuert werden. Dies gilt grundsätzlich gleichermaßen für Beteiligungen im Privatvermögen und im Betriebsvermögen. Eine Ausnahme bildet der Betriebsstättenvorbehalt: Ist die Beteiligung einer Betriebsstätte zuzurechnen, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat unterhält, so darf der Betriebsstättenstaat die Veräußerungsgewinne besteuern (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers hat in diesem Fall je nach der im DBA gewählten Methode (Art. 23A oder Art. 23B OECD-MA) entweder die Veräußerungsgewinne freizustellen oder die Betriebsstättenbesteuerung anzurechnen.2

7.127 Abweichend von der grundsätzlichen Wohnsitzstaatsbesteuerung sehen einige Abkommen aus-

drücklich vor, dass die Einkünfte aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft besteuert werden können. Es handelt sich um die DBA mit Argentinien, Bangladesch, Bolivien, Bulgarien, Ecuador, Indien, Kenia, Korea (Beteiligung > 25 %), Liberia, Mauritius, Mexiko, Norwegen, Pakistan, Philippinen, Simbabwe, Sri Lanka, Tschechien und Tunesien.3

7.128 Enthält das Abkommen keine besondere Regelung über die Zuordnung des Besteuerungsrechts

von Veräußerungsgewinnen bei Kapitalgesellschaften bzw. keine spezielle Auffangklausel i.S.d. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, greift – soweit im Abkommen geregelt – die allgemeine Auffangklausel für die ansonsten nicht im Abkommen genannten Arten von Einkünften i.S.d. Art. 21 OECDMA ein.

7.129 Manche Abkommen enthalten weder eine Regelung für Veräußerungsgewinne noch eine Auffangklausel, so dass mangels einschlägiger DBA-Bestimmungen das Besteuerungsrecht beider Staaten unbegrenzt bestehen bleibt. Das gilt für Australien sowie Trinidad und Tobago. In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung nur nach innerstaatlichem Recht vermieden (§ 34c Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 EStG, § 26 Abs. 6 KStG).4 1 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 229. 2 Siehe die Übersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225; jedoch ist zu beachten, dass eine Zurechnung der Beteiligung zu einer ausländischen Betriebsstätte nur dann erfolgen kann, wenn die Beteiligung einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 226. 4 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 329 f.

882 | Henkel

E. Veräußerung und Liquidation | Rz. 7.132 Kap. 7

II. Liquidation 1. Besteuerung der ausländischen Kapitalgesellschaft Die steuerlichen Folgen der Liquidation einer ausländischen Kapitalgesellschaft richten sich nach ausländischem Steuerrecht. Der Liquidationsgewinn wird nach dem Recht ihres Heimatstaats ermittelt und besteuert. Hält die ausländische Gesellschaft eine inländische Betriebsstätte, richtet sich die beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Gesellschaft nach den allgemeinen Regeln: Soweit bei der Liquidation Wirtschaftsgüter der inländischen Betriebsstätte veräußert werden, sind die hieraus entstehenden Gewinne im Rahmen der Betriebsstätten-Besteuerung in Deutschland zu erfassen. § 11 KStG findet keine Anwendung, diese Vorschrift gilt nur für unbeschränkt Steuerpflichtige (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KStG).

7.130

2. Besteuerung der inländischen Gesellschafter Werden die Liquidationserlöse an einen inländischen Gesellschafter ausgekehrt, ist nach deutschem Steuerrecht zu klären, ob diese steuerbar sind und ob sie ggf. als Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinne zu behandeln sind.

7.131

a) Kapitalgesellschaft als Gesellschafter Bezüge, die nach der Auflösung einer inländischen oder ausländischen Körperschaft anfallen, gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG grundsätzlich zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, die aufgrund der Verweisung des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bei dem Gesellschafter (inländische Körperschaft) zu 95 % steuerfrei sind.1 Besonderheiten gelten in folgenden Fällen: – Rückzahlung von Nennkapital Die Rückzahlung von Nennkapital ist grundsätzlich nicht steuerbar, es sei denn, dass es sich um die Rückzahlung von aus Gewinnrücklagen entstandenem Nennkapital handelt (§ 28 Abs. 2 und 4 KStG); diese Rückausnahme bezieht sich nach der ausdrücklichen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG indes nur auf Rückzahlungen durch unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften. Daher ist die Rückzahlung von aus Gewinnrücklagen entstandenem Nennkapital von ausländischen Körperschaften nicht steuerbar. – Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG gehören Bezüge nicht zu den Einnahmen, soweit sie aus Ausschüttungen von unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) als verwendet gelten; diese Beträge sind nicht steuerbare Vermögensmehrungen, soweit sie den Buchwert der Beteiligung nicht überschreiten.2 Darüber hinausgehende Beträge gehören nach Auffassung der Finanzverwaltung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG und fallen unter die Beteiligungsbefreiung gem. § 8b Abs. 2 KStG.3 Damit unterliegen auch Rückzahlungen aus dem Einlagekonto, soweit sie den Buchwert übersteigen, der 5 %igen Definitivbelastung aus § 8b Abs. 5 bzw. Abs. 3 KStG.4 1 Zu Liquidationsraten von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften s. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 111; Früchtl/Prokscha, BB 2007, 2147. 2 BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898 = DStR 2010, 215; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 106 f.; strittig siehe Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 137 m.w.N. 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 6; die Gegenansicht nimmt einheitlich Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG an und stellt die Bezüge gem. § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, vgl. Dötsch/Pung, DB 2003, 1016; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909; Eilers/Teske, DStR 2003, 1195. 4 Kritisch dazu Haas, IStR 2011, 353 (357).

Henkel | 883

7.132

Kap. 7 Rz. 7.133 | Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften Gemäß § 27 Abs. 8 KStG können auch Körperschaften, die in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind, eine Einlagenrückgewähr erbringen. Die Ermittlung der Einlagenrückgewähr und die Verfahrensregelungen zur gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagenkontos ergeben sich aus § 27 Abs. 2 bis 9 KStG. § 27 KStG ist nach seinem Wortlaut nicht für in Drittstaaten beschränkt steuerpflichtige Körperschaften anwendbar. In diesen Fällen sollte die vor Einführung des § 27 KStG ergangene Rechtsprechung des BFH zur Steuerfreiheit einer „allgemeinen“ Einlagenrückgewähr weiterhin angewendet werden.1 b) Natürliche Person als Gesellschafter

7.133 Gehört die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen, ist der

Erlös aus der Auflösung und Abwicklung der ausländischen Gesellschaft im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs zu erfassen. Bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person oder einer Personengesellschaft, soweit an ihr natürliche Personen beteiligt sind, unterliegen die Einkünfte gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG dem Teileinkünfteverfahren, soweit sie zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 9 EStG gehören; Gleiches gilt gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. e EStG, soweit sie Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG darstellen. Der Aufgabegewinn ergibt sich aus der Differenz zwischen 60 % des gemeinen Werts des ausgekehrten Vermögens und 60 % des Buchwerts der Beteiligung. Handelt es sich um eine 100 %ige Beteiligung, liegt eine Teilbetriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG vor, für die § 17 Abs. 4 EStG sinngemäß anzuwenden ist; konsequenterweise ist hierfür das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anzuwenden.2 Da – abgesehen von Kapitalgesellschaften, die in einem EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind – für ausländische Körperschaften kein steuerliches Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG geführt wird, ist insoweit keine Aufteilung des Liquidationserlöses vorzunehmen.

7.134 Wird die Beteiligung an der ausländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen gehalten und

beträgt sie mindestens 1 %, ist die Auflösung der Kapitalgesellschaft gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG einer Veräußerung gleichgestellt. Dies gilt auch für die Auflösung und Abwicklung einer ausländischen Kapitalgesellschaft.3 Nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG wird der gemeine Wert des zugeteilten Liquidationserlöses als Veräußerungspreis angesehen. Soweit darin thesaurierte Gewinne enthalten sind, findet eine Aufteilung statt (§ 17 Abs. 4 Satz 3 EStG). Auf den Veräußerungsgewinn ist das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anzuwenden. Bei einer Beteiligung unter 1 % greifen ab 2009 nicht mehr die Regelungen über private Veräußerungsgeschäfte gem. §§ 22 Nr. 2, 23 EStG, sondern die Regelungen über die Abgeltungssteuer. 3. Anrechnung ausländischer Steuern

7.135 Die im Ausland auf die Auskehrung des Liquidationserlöses der ausländischen Gesellschaft ent-

fallenden Steuern können bei der inländischen Kapitalgesellschaft, soweit die inländische Steuerbefreiung nicht eingreift,4 im Rahmen des § 34c EStG bzw. § 26 KStG auf die inländische Steuer – unter Beachtung des Anrechnungshöchstbetrags – angerechnet werden. Soweit es sich dabei um Veräußerungsgewinne handelt, gehören sie gem. § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG zu den ausländischen Einkünften. Soweit es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen handelt, sind sie gem. § 34d Nr. 6 EStG ausländische Einkünfte.

1 BFH v. 14.10.1992 – I R 1/91, BStBl. II 1993, 189; ebenso Bauschatz in Gosch3, § 27 KStG Rz. 28, 136. 2 Zu inländischen Beteiligungen s. Wacker in Schmidt36, § 16 EStG Rz. 167 m.w.N. 3 Weber-Grellet in Schmidt36, § 17 EStG Rz. 216; BFH v. 3.6.1993 – VIII R 81/91, BStBl. II 1994, 162; v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794. 4 Dies kann z.B. bei Holdinggesellschaften gem. § 8b Abs. 7 KStG bzw. § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG der Fall sein.

884 | Henkel

E. Veräußerung und Liquidation | Rz. 7.136 Kap. 7

4. DBA-Recht Die bei Auflösung einer ausländischen Gesellschaft entstehenden Liquidationserlöse können nach DBA-Recht sowohl als Dividenden als auch als Veräußerungsgewinne qualifiziert werden.1 Sie gehören zu den Dividenden, wenn sie nach der Qualifikation des Quellenstaats als Dividenden besteuert werden (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA).2 Ansonsten fallen sie unter die für Veräußerungsgewinne geltende Auffangklausel des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA.3 Ob Dividenden oder Veräußerungsgewinne vorliegen, entscheidet sich auch für den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nach der für den Quellenstaat geltenden Qualifizierung. Soweit der Quellenstaat den Dividenden-Artikel entsprechend Art. 10 OECD-MA anwendet, ist der Liquidationserlös beim inländischen Gesellschafter nach dem DBA-Schachtelprivileg steuerfrei, auch wenn nach deutscher Qualifikation Veräußerungsgewinne vorliegen. Soweit nach der Qualifikation des Quellenstaats Veräußerungsgewinne vorliegen, ist für die deutsche Besteuerung die jeweilige Abkommensregelung zu Veräußerungsgewinnen anzuwenden.

1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 218. 2 Art. 10 Satz 2 Rz. 28 OECD-MK; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 186. 3 Siehe Art. 13 Rz. 31 OECD-MK.

Henkel | 885

7.136

Kapitel 8 Hinzurechnungsbesteuerung A. Grundlagen I. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Vorschriften . . . . . . . . 1. Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums/Treuhandschaft . . . . . . . 3. Rechtsmissbrauch a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . c) Missbrauchskriterien aa) Ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter cc) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung . . . . . . . . . . . . . . dd) Niedrige Besteuerung . . . . . . ee) Eigene wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge aa) Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen bb) Anrechnung ausländischer Steuern . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis zum DBA-Recht . . . . f) Verhältnis zum EU-Recht . . . . . . B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.

Verhältnis zu anderen Normen Verhältnis zum EU-Recht . . . . . . . Verhältnis zum DBA-Recht . . . . . . Verhältnis zu den Gewinnkorrekturvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Hinzurechnungsvoraussetzungen . . 1. Ausländische Gesellschaft . . . . . . . 2. Beteiligung inländischer Gesellschafter a) Grundtatbestand: Beherrschung gem. § 7 Abs. 1 AStG . . . . . . . . b) Ergänzungstatbestand: Beteiligungsquote i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG 3. Verhältnis des Grundtatbestandes zum Ergänzungstatbestand . . . . . . . 4. Passive Einkünfte . . . . . . . . . . . . . a) Aktivitäten kraft Wirtschaftszweigs b) Aktivitäten mit Funktionsnachweis

__ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ _ _ __ __ _ _ _ __ __

8.1

8.9 8.10 8.12 8.14 8.18 8.24 8.26 8.27 8.29 8.30 8.33 8.35 8.36 8.39 8.40

8.41 8.45 8.49 8.51 8.52 8.53 8.56 8.60 8.62 8.63 8.66 8.68

c) Konzernfinanzierung . . . . . . . . . d) Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinne und Umwandlungen aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Gewinnausschüttungen . . . . cc) Veräußerungsgewinne . . . . . dd) Umwandlungen . . . . . . . . . ee) Verhältnis zu den sonstigen aktiven Einkünften . . . . . . . e) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter . . . . . . . . . . . . aa) Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahmetatbestand: Aktivität f) Gegenbeweis bei EU/EWR-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsvoraussetzungen . cc) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . dd) Reichweite des Gegenbeweises ee) Beweislast . . . . . . . . . . . . . ff) Amtshilfe auf Grundlage der EU-Amtshilferichtlinie und vergleichbarer Vereinbarungen gg) Drittstaateneinkünfte . . . . . . 5. Niedrige Besteuerung . . . . . . . . . . 6. Freigrenze bei gemischter Tätigkeit . IV. Hinzurechnung 1. Umfang der Hinzurechnung . . . . . . 2. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages a) Gewinnermittlung . . . . . . . . . . b) Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abzug ausländischer Steuern . . . . d) Anrechnung ausländischer Steuern e) Keine Bagatellgrenze . . . . . . . . . 3. Hinzurechnungsquote des Inlandsbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ansatz des anteiligen Hinzurechnungsbetrages beim Inlandsbeteiligten V. Änderungen des Hinzurechnungsbetrages 1. Kürzung um Veräußerungsgewinne . 2. Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . VI. Mehrstufige Beteiligungsverhältnisse 1. Übertragende Zurechnung . . . . . . . 2. Beteiligungsverhältnisse . . . . . . . . . 3. Ausschüttung und Weiterausschüttung VII. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

_ __ __ _ _ __ __ _ __ _ __ __ _ __ __ _ _ _ __ __ __

8.72 8.76 8.78 8.79 8.82 8.84 8.85 8.86 8.87 8.88 8.89 8.90 8.91 8.94 8.95

8.96 8.97 8.98 8.104 8.105 8.107 8.109 8.110 8.111 8.112 8.113 8.116

8.119 8.120 8.122 8.126 8.129 8.131

Henkel/Klein | 887

Kap. 8 | Hinzurechnungsbesteuerung Literatur: Bogenschütz/Kraft, Konzeptionelle Änderungen der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung und Verschärfungen im Bereich der Konzernfinanzierungseinkünfte durch das StMBG, IStR 1994, 153; Clausen, Struktur und Rechtsfolgen des § 42 AO, DB 2003, 1589; Demleitner, Hinzurechnungsbesteuerung nach US-amerikanischem Recht, IStR 2012, 459; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im internationalen Steuerrecht durch das Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz, DStR 2017, 281; Fuhrmann, Außensteuergesetz Kommentar, 3. Aufl. 2017; Gosch, Außensteuerliche Aspekte der Gewerbesteuer, Hefte zur Internationalen Besteuerung, Interdisziplinäres Zentrum für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg, Heft 177 (2011); Grotherr, Erneute Reform der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, IWB 2002, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 1883; Haarmann, Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit, Bedeutung und Notwendigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG, IStR 2011, 565; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Haas, Reformbedarf im deutschen internationalen Steuerrecht, IStR 2011, 353; Kneip/Rieke, Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Holdinggesellschaften nach dem Entwurf eines Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes (UntStFG), IStR 2001, 665; Köhler, Die relevante Beteiligungshöhe für die Zurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter nachgeschalteter Gesellschaften im AStG, IStR 1994, 108; Köhler/Tippelhofer, Verschärfung des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008? Zum unterschiedlichen Missbrauchsbegriff nach deutschem und europäischem Steuerrecht, IStR 2007, 681; Körner, Europarecht und CFC-Regelungen – Anrufung des EuGH im Verfahren „Cadbury Schweppes“, IStR 2004, 697; Kraft, Außensteuergesetz, 2009; Kraft, Strukturen der Niedrigbesteuerung im System der Hinzurechnungsbesteuerung bei identischen Gewinnermittlungskonventionen im Aus- und Inland – illustriert anhand von Fallstudien, IStR 2016, 129; Kraft/ Mauch, Hinzurechnungsbesteuerung und Real Estate Investments – Teil I, IWB 2017, 138, Teil II, IWB 2017, 175; Kraft/Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuergesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427; Kraft/Richter/Moser, Genussrechte als Gestaltungsinstrument im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG, DB 2014, 85; Lenz/Heinsen, Zur Niedrigbesteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG, IStR 2003, 793; Linn, Die Anti-TaxAvoidance-Richtlinie der EU – Anpassungsbedarf in der Hinzurechnungsbesteuerung?, IStR 2016, 645; Lück, Der Referentenentwurf des BMF zur Bekämpfung von BEPS – Umsetzung der Änderung der EUAmtshilferichtlinie und Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen, IWB 2016, 478; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Morgenthaler, Steueroasen und deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289; Niedrig, Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaften, IStR 2003, 474; Oppel, BEPS in Europa: (Schein-)Harmonisierung der Missbrauchsabwehr durch neue Richtlinie 2016/1164 mit Nebenwirkungen, IStR 2016, 797; Radmanesh, IStR 2015, 895; Rättig/Protzen, Die im Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vorgesehenen Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG, IStR 2001, 601; Rättig/Protzen, Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F., IStR 2002, 828; Rättig/Protzen, Das BMF-Schreiben vom 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04 (Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes) – Analyse und Kritik der wesentlichen Anordnungen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 bis 14 AStG, IStR 2004, 625; Rautenstrauch, Die EU Anti-BEPS-Richtlinie: Überblick und künftige Anpassungsnotwendigkeiten im deutschen Recht, BB 2016, 2391; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105; Ruh/Ottstadt, Unionsrechtwidrigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz?, IWB 2016, 184; Schmidt, Anm. zu BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09 (Keine Hinzurechnungsbesteuerung auch bei Outsourcing des operativen Geschäfts der ausländischen Tochtergesellschaft), GWR 2011, 48; Schaden/Dieterlen, IStR 2011, 290; Schmidt/Hageböke, Auslandverschmelzungen im Außensteuerrecht, IStR 2001, 697; Schnitger, Der Entwurf des AHRL-ÄndUmsG, IStR 2016, 637, 641; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen zum „Cadbury-Test“ im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2017, 949; Schönfeld, Die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz – Zugleich Anmerkung zu FG BadenWürttemberg v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13, EFG 2016, 17, IStR 2016, 416; Sedemund/Sterner, Auswirkungen von Sitzverlegungen, Satzungsänderungen und Umwandlungen von ausländischen Zwischengesellschaften auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, BB 2005, 2777; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG (Teil I), IStR 1997, 481; Thiel, FR 2007, 729; Wassermeyer, Die Zurechnung von Einkünften einer ausländischen Untergesellschaft gegenüber ihrer ausländischen Obergesellschaft nach § 14 AStG, IStR 2003, 665; Wassermeyer/Schönfeld, Die Niedrigbesteuerung i.S.

888 | Henkel/Klein

A. Grundlagen | Rz. 8.4 Kap. 8 des § 8 Abs. 3 AStG vor dem Hintergrund des inländischen KSt-Satzes von 15 %, IStR 2009, 496; Weiss, § 8c KStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung, NWB 2016, 1360; Weiss, EuGH-Vorlage zur Hinzurechnungsbesteuerung bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter, IWB 2017, 383; Zieglmaier, BEPS 1Gesetz: Hinzurechnungsbesteuerung und Gewerbesteuer – Mehr Gleichbehandlung?, StuB 2017, 145.

A. Grundlagen I. Rechtsentwicklung Eine im Ausland errichtete Kapitalgesellschaft unterliegt in ihrem Heimatstaat der Besteuerung und versteuert dort i.d.R. nach dem Welteinkommensprinzip die von ihr weltweit erzielten Gewinne. Die thesaurierten Gewinne werden in Deutschland steuerlich grundsätzlich nicht erfasst („Abschirmwirkung“).1

8.1

Die Abschirmwirkung war die Grundlage für die in der Mitte des 20. Jahrhunderts breitflächig einsetzende Verlagerung von Einkünften in sog. „Steueroasen“, in denen die Steuerbelastung – im Vergleich zu den deutschen Steuersätzen – niedrig war.2 Dabei ging es im Wesentlichen um Fälle, in denen Inländer Einkünfte und Vermögen auf Kapitalgesellschaften in Länder mit niedrigem Steuerniveau verlagerten, um steuerliche Effekte zu erzielen. Bei der inländischen Gesellschaft kam es zu Betriebsausgaben, wenn sie an die ausländische Gesellschaft Zinsen, Lizenzgebühren, Vermittlungsprovisionen oder sonstige Dienstleistungsentgelte zahlte oder – bei Einschaltung der ausländischen Gesellschaft als Zwischenerwerber – Entgelte für deren Zwischenhändlerfunktion entrichtete. Dadurch entstand ein Liquiditäts- und Zinsvorteil und, soweit die Gewinnausschüttungen in Deutschland aufgrund eines Schachtelprivilegs steuerfrei waren, ein definitiver Steuervorteil.3 Wurden die in der Basisgesellschaft angesammelten Erträge im Ausland investiert, entstand ein zusätzlicher Steuereffekt, da auch die Erträge aus Investitionen abgeschirmt wurden. Selbst wenn die Gewinnausschüttung zu einer inländischen Steuerpflicht führt, entsteht ein Steuervorteil durch die Aufschiebung der Steuerpflicht während des Zeitraums bis zur Gewinnausschüttung („Steuerstundungseffekt“).

8.2

Die Finanzverwaltung versuchte, mit ihren Oasenerlassen diese Entwicklung durch extensive Anwendung der allgemeinen Regeln (Missbrauch, § 6 StAnpG, jetzt § 42 AO; Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums/Treuhand, § 11 StAnpG, jetzt § 39 AO) zu unterbinden.4 Gegenüber diesem weitreichenden Vorstoß der Finanzverwaltung blieb die Rechtsprechung indes zurückhaltend.5

8.3

Hierauf reagierte der Gesetzgeber und setzte mit Wirkung zum 1.1.1972 das AStG mit den Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) in Kraft. Die Hinzurechnungsbesteuerung lehnte sich weitgehend an das US-amerikanische Konzept der Subpart-F-Regelung des US Revenue Act von 1962 an.6 Ihr Kerngedanke bestand darin, passive Einkünfte, die von einer inlandsbeherrschten ausländischen Kapitalgesellschaft erzielt wurden und die der niedrigen Besteuerung (damals 30 %) unterlagen, den inländischen Anteilseignern zuzurechnen. Diese Zurechnung sollte jedoch die Schachtelprivilegien von bestehenden DBA respektieren, indem der „Hinzurech-

8.4

1 Der Grundsatz der Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ist allgemein anerkannt, z.B. BFH v. 17.7.1985 – I R 104/82, BStBl. II 1986, 129; v. 28.1.2001 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 2. 2 Vgl. den „Oasenbericht“ des BMF v. 23.6.1964 – IV B/5 - S 1301 - 83/64, BT-Drucks. IV/2412, 9; siehe dazu näher Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen2, Rz. E 420 ff. 3 Siehe dazu Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 4. 4 Vgl. die beiden sog. Oasenerlasse aus den Jahren 1965 und 1977, FinMin Niedersachsen v. 14.6.1965 – S 1301 - 31 1, BStBl. II 1965, 74 und FinMin NW v. 2.5.1977 – S 1300 - VB 2, DB 1977, 937; siehe dazu Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen2, Rz. E 433 ff. 5 Vgl. das Basisurteil des BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695. 6 Ausführlich Bellstedt, DStR 1962/63, 331; Demleitner, IStR 2012, 459.

Henkel/Klein | 889

Kap. 8 Rz. 8.5 | Hinzurechnungsbesteuerung nungsbetrag“ bei Eingreifen eines DBA-Schachtelprivilegs freigestellt wurde (§ 10 Abs. 5 AStG a.F.).1

8.5 Mit ihrem Vorstoß blieb die Bundesrepublik nicht allein. Inzwischen gibt es in fast allen Indus-

trienationen gesetzliche Maßnahmen, um die Abschirmwirkung von „Controlled Foreign Corporations“ („CFC“) einzuschränken.2 Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Abschirmwirkung zu durchbrechen, wenn und soweit die ausländische Gesellschaft im niedrig besteuerten Ausland keine eigenständigen wirtschaftlichen Funktionen hat und lediglich als Basis für inländische wirtschaftliche Interessen zwischengeschaltet wurde.

8.6 Parallel zu der gesetzlichen Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung entwickelte die Rechtspre-

chung eine umfangreiche Kasuistik zur missbräuchlichen Einschaltung von Basisgesellschaften. Danach erfüllte eine Basisgesellschaft im Ausland „den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs vor allem dann, wenn für ihre Errichtung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.“3

8.7 Die Abschirmwirkung kann – neben dem Rechtsmissbrauch und der Hinzurechnungsbesteuerung

– auch in weiteren Ausnahmefällen durchbrochen werden. Im Vordergrund stehen dabei die Regelungen der AO zur Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) und zum Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Zugriff auf das Steuersubstrat ergibt sich auch aufgrund von Gewinnkorrekturen gem. § 1 AStG sowie aufgrund von vGA und verdeckten Einlagen. Auf das Einkommen der im Ausland errichteten Gesellschaft wird ferner zugegriffen, wenn die Geschäftsleitung im Inland liegt und sie dadurch unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10 AO).

8.8 Den Regelungen, mit denen die Abschirmwirkung durchbrochen werden kann, liegt kein geschlos-

senes systematisches Konzept zugrunde, sodass Unstimmigkeiten und Brüche vorgezeichnet sind. Insbesondere sind auch die Versuche einer einheitlichen Begriffsbildung für die Begriffe „Steueroasen“ oder „Basisgesellschaft“ ins Leere gelaufen. Diese Begriffe sind weitgehend konturlos. Ihnen ist bei den gesetzlichen Regelungen nicht die Qualität von Tatbestandsmerkmalen zugekommen, es handelt sich vielmehr um gesetzlich nicht definierte Typusbegriffe.4 Es ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage für eine Durchbrechung der Abschirmwirkung besteht und, wenn mehrere Regelungen eingreifen, in welchem Konkurrenzverhältnis diese zueinander stehen.

Auch auf internationaler Ebene hat die Regelung für eine effektive Hinzurechnungsbesteuerung zur Vermeidung ungerechtfertigter Verlagerung von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer an Bedeutung gewonnen. Die OECD hat im Rahmen ihres BEPS-Projekts der Hinzurechnungsbesteuerung einen eigenständigen Aktionspunkt gewidmet.5 Auch die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.7. 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts („Anti-Tax-Avoidance-Directive“– „ATAD“)6 1 § 10 Abs. 5 AStG wurde durch das StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660, mit Wirkung ab dem VZ 2003 aufgehoben. 2 Vgl. Darstellung von Vogt in Blümich, Vorb. §§ 7–14 AStG Rz. 22; Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 39. 3 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 24.2.1976 – VIII R 155/51, BStBl. II 1977, 265; zur weiteren Entwicklung der Rspr. s. Rz. 8.24 ff. 4 Siehe Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen2, Rz. E 425; Morgenthaler, IStR 2000, 289. 5 OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Designing Effective Controlled Foreign Company Rules, Action 3 – 2015 Final Report; Chapter 7 Rules to prevent or eliminate double taxation.; abrufbar unter: http://www.oecd.org/ctp/designing-effective-controlled-foreign-company-rules-action3-2015-final-report-9789264241152-en.htm. 6 Amtsblatt der EU v. 19.7.2016, L 193/1.

890 | Henkel/Klein

A. Grundlagen | Rz. 8.13 Kap. 8

befasst sich mit der Notwendigkeit einer Hinzurechnungsbesteuerung und enthält in Art. 7 als „Vorschrift für beherrschte ausländische Unternehmen“ entsprechende Regelungen.1

II. Allgemeine Vorschriften Die allgemeinen Vorschriften, die zu einer Durchbrechung der Abschirmwirkung führen können, sind die Regelungen über Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 AO), die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) und der Rechtsmissbrauch nach § 42 AO. Diese Regelungen gehen der Hinzurechnungsbesteuerung i.S.v. § 7 ff. AStG vor.2

8.9

1. Scheingeschäft Ebenso wie der Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft regelmäßig ernsthaft gewollt und damit nicht als Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 1 AO zu bewerten ist,3 sind auch die Geschäftsvorfälle zwischen dem inländischen Gesellschafter und der Basisgesellschaft nicht als Scheingeschäft anzusehen, wenn die zivilrechtlichen Folgen des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter tatsächlich eintreten sollen. Das Ziel, mit diesen Verträgen Steuern einsparen zu wollen, ist zivilrechtlich nur als unbeachtliches Motiv anzusehen, sodass regelmäßig die Annahme eines Scheingeschäfts gem. § 41 Abs. 2 AO ausscheidet.4

8.10

Sollte im Einzelfall doch ein Scheingeschäft vorliegen, besteht die Rechtsfolge darin, dass das Scheingeschäft für die Besteuerung entweder unerheblich ist (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) oder das durch das Scheingeschäft verdeckte Rechtsgeschäft besteuert wird (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AO). Überträgt der inländische Gesellschafter der Basisgesellschaft zum Schein Wirtschaftsgüter, die er anschließend von dieser „mietet“, wobei aber die Nutzungen und die „Mietzahlungen“ nicht tatsächlich der Basisgesellschaft zustehen sollen, so ist die Vermietung steuerlich unbeachtlich; dies hat zur Folge, dass der inländische Gesellschafter den „Mietaufwand“ nicht abziehen kann.

8.11

2. Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums/Treuhandschaft Von einer Treuhandschaft i.S.d. § 39 ist auszugehen, wenn der rechtliche Eigentümer des Anteils an der ausländischen Kapitalgesellschaft den Anteil nur treuhänderisch für einen anderen, den wirtschaftlichen Eigentümer hält, wenn also der rechtliche Eigentümer strikt weisungsgebunden ist und eine Verpflichtung zur jederzeitigen Rückgabe des Anteils besteht.5 In diesem Fall geht die Zurechnung des Anteils zum wirtschaftlichen Eigentümer als allgemeine Regel der Hinzurechnungsbesteuerung vor; ggf. kann den wirtschaftlichen Eigentümer die Hinzurechnungsbesteuerung treffen.

8.12

Ebenso kann eine Kapitalgesellschaft in Ausnahmefällen einzelne Wirtschaftsgüter, soweit sie nicht zur Erhaltung ihres Nennkapitals erforderlich sind, treuhänderisch für einen Gesellschafter halten.6 In diesem Fall können die Wirtschaftsgüter gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO und die aus der Nutzung dieser Wirtschaftsgüter erzielten Einnahmen dem inländischen Gesellschafter zugerechnet werden. Eine solche Weisungsbindung erfordert i.d.R. schuldrechtlichen Vereinbarungen.7 Die ge-

8.13

1 Zu Anpassungsnotwendigkeiten im deutschen Recht: Rautenstrauch, BB 2016, 2391. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.0.2 Nr. 2 f.; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 12 ff. 3 Vgl. schon das Basisurteil des BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695. 4 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 45. 5 Der BFH hat die ursprünglich einmal angewandte Treuhandlösung wieder verworfen, BFH v. 29.1. 1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553 und die Fälle über § 42 AO gelöst; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 40. 6 BFH v. 15.7.1997 – VIII R 56/93, BStBl. II 1998, 152; zum Verhältnis von § 39 AO zu § 7 Abs. 4 AStG siehe Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 225. 7 BFH v. 25.11.2009 – I R 12/09, BStBl. II 2010, 590 zur Treuhand bei Aktien.

Henkel/Klein | 891

Kap. 8 Rz. 8.14 | Hinzurechnungsbesteuerung sellschaftsrechtliche Beherrschung der ausländischen Kapitalgesellschaft ist dafür nicht ausreichend, sie beruht vielmehr auf der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur und begründet regelmäßig keine Treuhand.1 3. Rechtsmissbrauch a) Überblick

8.14 Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liegt grundsätzlich dann vor, „wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.“2

8.15 Hieraus hat der BFH die in ständiger Rechtsprechung verwendete Formel zur Beurteilung von Basisgesellschaften entwickelt:

„Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen.“3

8.16 Damit kommt zum Ausdruck, dass das Steuerrecht eine gewählte zivilrechtliche Gestaltung an-

erkennt, wenn diese nicht lediglich der Manipulation dient. Ist Letzteres der Fall, ist die Gestaltung unter der zusätzlichen Voraussetzung steuerlich anzuerkennen, dass durch die Gestaltung ein angemessener wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.

8.17 Die bloße Errichtung einer ausländischen Gesellschaft stellt grundsätzlich keinen Rechtsmiss-

brauch i.S.d. § 42 AO dar.4 Daraus folgt, dass auch das Erzielen von passiven Einkünften für sich genommen keinen Missbrauch darstellen kann; vielmehr müssen nach Ansicht des BFH weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen. Dies ist insbesondere bei der Einschaltung von eigenwirtschaftlich funktionslosen Basisgesellschaften, also letztlich von „Briefkastengesellschaften“, der Fall.5

b) Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung

8.18 Der BFH hat sich zum Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zu § 42 AO – jedenfalls für die

bis zum Veranlagungszeitraum 2007 geltende Fassung des § 42 AO (nachfolgend „§ 42 AO a.F.“) – klar positioniert. Im Ausgangspunkt geht der BFH6 davon aus, dass § 42 AO a.F. gegenüber der Anwendung der §§ 7–14 AStG logisch vorrangig ist. Den logischen Vorrang leitet der BFH aus den unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 42 AO a.F. einerseits und der §§ 7 ff. AStG andererseits ab. Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG werde die ausländische Zwi-

König in Pahlke3, § 39 AO Rz. 54 m.w.N. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 m.w.N. Siehe nur BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289 m.w.N. Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496. In letztgenanntem Urteil wurde der Begriff der „Errichtung“ in der Formel zur Beurteilung von Basisgesellschaften durch „Einschaltung“ ersetzt. 5 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH NV 2000, 824 (sog. „Dublin-Docks-Urteile“); anders noch der Nichtanwendungserlass des BMF v. 19.3.2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, DStR 2001, 659, größtenteils aufgehoben durch BMF v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, BStBl. I 2005, 28. 6 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH NV 2000, 824 (sog. „Dublin-Docks-Urteile“); v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026. 1 2 3 4

892 | Henkel/Klein

A. Grundlagen | Rz. 8.22 Kap. 8

schengesellschaft als Einkünfteerzielungssubjekt behandelt. Die Rechtsfolge des § 42 AO a.F., die im Rahmen der vorliegenden Konstellation zu einer unmittelbaren Zurechnung der Einkünfte zum inländischen Gesellschafter führe, setze demgegenüber logisch früher an, da die Zurechnung der Einkünfte zum Gesellschafter die Einkünfteerzielung durch die ausländische Gesellschaft ausschließe. Die unmittelbare Zurechnung der Einkünfte beim inländischen Gesellschafter schließe es aus, die Einkünfte außerdem der Zwischengesellschaft zuzurechnen, um sie auf diese Weise (noch einmal) der Hinzurechnungsbesteuerung zu unterwerfen.1 Der vom BFH angenommene logische Vorrang des § 42 AO a.F. vor der Hinzurechnungsbesteuerung steht jedoch unter zwei wesentlichen Einschränkungen: Die erste Einschränkung ergibt sich daraus, dass § 42 AO a.F. indirekt voraussetzt, dass die vom Steuerpflichtigen gewählte Gestaltung zu einer Steuerersparnis führt.2 Führt die Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft jedoch aufgrund der Hinzurechnungsbesteuerung auf die Gesamtdauer der Gestaltung gesehen zu einer höheren inländischen Steuer, so kommt die Anwendung des § 42 AO a.F. regelmäßig nicht in Betracht.3 Die zweite Einschränkung ergibt sich nach Auffassung des BFH daraus, dass die Anwendung von § 42 AO a.F. voraussetzt, dass sich die tatsächlich gewählte Gestaltung auch bei einer Bewertung am Gesetzeszweck der §§ 7 ff. AStG noch als ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstelle. Daraus leitet der BFH ab, dass das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb für sich genommen keinen Missbrauchsvorwurf rechtfertigt, sondern nur die Hinzurechnungsbesteuerung auslöst. Um § 42 AO a.F. anwenden zu können, müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen.4

8.19

Aus den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung folgt, dass § 42 AO a.F. grundsätzlich durch die Vorschriften der §§ 7 ff. AStG verdrängt wird, soweit über das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb hinaus keine den Missbrauchsvorwurf rechtfertigenden Gründe vorliegen. Zu einer Anwendung des § 42 AO a.F. kann es daher – jedenfalls für Veranlagungszeiträume bis 2007 – im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nur im Fall von Briefkastengesellschaften kommen.5 Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen.6

8.20

In der umgekehrten Konstellation, in der die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht erfüllt sind (z.B. weil keine niedrige Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG vorliegt), ist auch § 42 AO a.F. grundsätzlich nicht anwendbar, da es insofern an dem Tatbestandsmerkmal der Missbilligung der Gestaltung durch die Rechtsordnung fehlt. Denn wird die Gestaltung, die im Regelungsbereich der §§ 7 ff. AStG liegt, nicht durch die spezielle Missbrauchsvorschrift sanktioniert, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die Gestaltung durch die Rechtsordnung gebilligt wird.7 Die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO kann in diesem Fall folglich ebenfalls nicht erfüllt sein.

8.21

Dieser restriktiven Anwendung des § 42 AO a.F. wollte der Gesetzgeber mit dem StÄndG 2001 entgegenwirken, indem er einen Abs. 2 in § 42 AO a.F. einfügte, wonach die allgemeine Missbrauchsvorschrift auch dann anwendbar sein sollte, wenn ihre Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen war. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausweitung der Anwendbarkeit

8.22

1 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 u. v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 2 Vgl. Clausen, DB 2003, 1589. 3 BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 25.3.2004 – III B 1/03, BFH/NV 2004, 920. 4 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 u. v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 5 Vgl. hierzu BFH v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 6 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.0.2 Nr. 3. 7 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50.

Henkel/Klein | 893

Kap. 8 Rz. 8.23 | Hinzurechnungsbesteuerung des § 42 Abs. 1 AO wurde jedoch nach Ansicht des BFH1 verfehlt, da für die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 AO auch dessen Tatbestandsmerkmale erfüllt sein mussten. Waren diese aber nicht erfüllt, konnte die Vorschrift auch nicht durch die Neuregelung in § 42 Abs. 2 AO zur Anwendung gelangen.2 Im Ergebnis lief § 42 Abs. 2 AO somit leer und wurde konsequenterweise mit der Neufassung des § 42 AO durch das JStG 20083 aufgehoben.

8.23 Noch nicht geklärt ist, welche Auswirkungen die Änderung des § 42 AO durch das JStG 2008 auf die

bisherige Rechtsprechung hat.4 Klarheit ist nur insoweit geschaffen, als die Neufassung des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO nunmehr den Rang zwischen speziellen Missbrauchstatbeständen und § 42 AO regelt und einen Anwendungsvorrang für die spezialgesetzliche Norm bestimmt. In § 42 Abs. 2 Satz 1 AO versucht der Gesetzgeber zu definieren, was er unter „Missbrauch“ versteht: Dieser liege dann vor, „wenn eine unangemessene Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.“ Damit ist aber keine Regelung darüber getroffen, wann eine Gestaltung unangemessen ist. Die Neufassung gibt daher keinen Grund, von der bisherigen Sichtweise abzuweichen, dass bei Nichterfüllung von Hinzurechnungskriterien (z.B. dem Vorliegen von Aktivität i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG, des Gegenbeweises i.S.d. § 8 Abs. 2 AStG oder bei nicht-niedriger Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG) keine Unangemessenheit vorliegen kann.5 In § 42 Abs. 2 Satz 2 AO ist nunmehr auch der Ausschluss des § 42 AO aufgenommen, wenn der Steuerpflichtige für die Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.6 c) Missbrauchskriterien aa) Ausländische Kapitalgesellschaft

8.24 Die BFH-Rechtsprechung befasst sich ausdrücklich nur mit „Basisgesellschaften“ in der Rechts-

form der Kapitalgesellschaft. Ob eine Kapitalgesellschaft vorliegt, richtet sich nach dem Typenvergleich.

8.25 Von der Missbrauchsrechtsprechung sind nur ausländische Gesellschaften betroffen. Die Gesell-

schaft ist im Ausland ansässig, wenn sie im Inland weder ihren Sitz noch ihren Ort der Geschäftsleitung hat. Hat die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland, wäre sie im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Einer Durchbrechung der Abschirmwirkung bedürfte es in diesem Fall nicht, da die Einkünfte unmittelbar der inländischen Besteuerung unterliegen. bb) Unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter

8.26 Die Rechtsprechung zu ausländischen Basisgesellschaften betraf ursprünglich nur inländische Gesellschafter, weil die Gründung einer Kapitalgesellschaft im Ausland durch einen Ausländer noch keinen Bezug zum Inland und damit zu den inländischen Steuergesetzen hat.7 Ein Rechtsmissbrauch kann jedoch auch bei der Einschaltung von Basisgesellschaften vorliegen, an denen beschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind, wenn ein Bezug zum Inland und damit zu den inländi-

1 Vgl. BFH v. 19.2.2002 – IX R 32/98, BStBl. II 2002, 674; v. 20.3.2002 – IR 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BFH/NV 2004, 1313. 2 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 115 f.; Clausen, DB 2003, 1589; Niedrig, IStR 2003, 474; Rättig/Protzen, IStR 2002, 828. 3 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 4 Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 120 ff. 5 Nach Reiche in Haase, § 7 AStG Rz. 13 m.w.N. ist § 42 AO bereits dann ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt generell in den Anwendungsbereich des § 7 AStG fällt. 6 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 14 ff. sieht hierin eine Verschärfung gegenüber der bisherigen Rspr.; ebenso Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, 681. 7 Vgl. zu dieser früheren Rechtsauffassung BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150 (sog. „Monaco-Urteil“).

894 | Henkel/Klein

A. Grundlagen | Rz. 8.31 Kap. 8

schen Steuergesetzen besteht.1 Ein solcher Inlandsbezug besteht z.B. dann, wenn die im Ausland von einem Ausländer errichtete Kapitalgesellschaft in bestehende oder neu begründete Rechtsbeziehungen des Ausländers zum Inland eingeschaltet wird.2 cc) Gesellschaftsrechtliche Verflechtung Zwischen der ausländischen Gesellschaft und dem unbeschränkt – oder ausnahmsweise beschränkt – Steuerpflichtigen muss eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung bestehen. Ausreichend ist, dass eine dem inländischen Steuerpflichtigen nahestehende Person an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist.3

8.27

Über die Beteiligungshöhe sagen die Basis-Urteile nichts aus, insbesondere ist keine Mindestbeteiligung gefordert. Der Umfang der Beteiligung wirkt sich aber aufgrund der Rechtsfolge des § 42 AO aus, da die Einkünfte nur dem im Inland unbeschränkt – in Ausnahmefällen auch beschränkt – Steuerpflichtigen zugerechnet werden können.

8.28

dd) Niedrige Besteuerung Der BFH4 zieht die in § 8 Abs. 3 AStG festgelegte Steuersatzgrenze für die Annahme einer niedrigen Besteuerung (25 v.H. Steuerbelastung – bezogen auf nach inländischem Steuerrecht zu ermittelnde Einkünfte) auch für die allgemeine Missbrauchsrechtsprechung zu Basisgesellschaften heran. Da das AStG typisierend davon ausgeht, dass die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft nicht zu beanstanden ist, wenn diese einer Steuerbelastung von 25 v.H. und mehr unterliegt, stellt die Einschaltung der Basisgesellschaft in diesem Fall regelmäßig auch keinen Missbrauch i.S.d. § 42 AO dar.

8.29

ee) Eigene wirtschaftliche Tätigkeit Die Missbrauchsvermutung kann entkräftet werden, wenn die ausländische Zwischengesellschaft nicht nur formal eingeschaltet ist, sondern eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Dazu wird gefordert, dass sie über einen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt und darin eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.

8.30

Das Merkmal des eingerichteten Geschäftsbetriebs erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich, dass die Gesellschaft über eigenen Büroraum, eigene Telefon- und Faxanschlüsse, also über eigene Kommunikationsmittel, und über eigenes Personal verfügt. Ausreichend sind ein lediglich bescheidener Büroraum sowie die Beschäftigung von Teilzeitkräften.5 Fehlt es hieran, liegt eine reine Briefkastengesellschaft oder Domizilgesellschaft vor. Die Gesellschaft entfaltet eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit, wenn sie eine eigenständige erwerbswirtschaftliche Funktion hat und dieser Funktion auch tatsächlich nachkommt.6 Die eigenständige Funktion muss die Gesellschaft indes nicht durch eigenes Personal oder sonstige eigene Aktivitäten ausführen. Sie kann die Betriebsführung vielmehr outsourcen und auf eine Managementgesellschaft übertragen.7

8.31

1 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978. 2 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605. 3 BFH v. 9.5.1979 – I R 126/77, BStBl. II 1979, 586; v. 26.7.1995 – I R 78/93, BFH/NV 1996, 83. 4 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 5 BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235. 6 Vgl. BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 7 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/04, BFH/NV 2004, 1313 hinsichtlich der Abwicklung von Wertpapiergeschäften durch eine Managementgesellschaft; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 („Dub-

Henkel/Klein | 895

Kap. 8 Rz. 8.32 | Hinzurechnungsbesteuerung

8.32 Zu beachten sind die Wechselwirkungen zwischen dem Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit und dem Umfang des eingerichteten Geschäftsbetriebs: Wird – wie im Fall von Kapitalanlageund Finanzierungsfunktionen – kein besonderer Apparat benötigt, können die Substanzanforderungen hinsichtlich des eingerichteten Geschäftsbetriebs herabgesetzt sein.1

ff) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe

8.33 Das Vorliegen von wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen außersteuerlichen Gründen verhindert

die Qualifikation als Missbrauch, auch wenn ansonsten die Gestaltung zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen wäre.2

Als wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft kommen z.B. haftungsrechtliche, personalrechtliche oder organisationsrechtliche Gründe in Betracht. Nicht ausreichend sind nach Ansicht des BFH3 im Einzelfall Gründe der Koordination und Organisation des Aufbaus von Kundenbeziehungen, der Kosten, der örtlichen Präferenzen und der gesamtunternehmerischen Konzeption. Eine Holdinggesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH anzuerkennen, wenn sie Beteiligungen von einigem Gewicht erwirbt und diesen gegenüber geschäftsleitende Funktionen wahrnehmen soll.4 Eine Kapitalanlagegesellschaft ist nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann nicht ohne jede steuerlich anzuerkennende Funktion, wenn sie auf eine gewisse Dauer angelegt ist und über ein Mindestmaß an personeller und sachlicher Ausstattung verfügt, die die unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sicherstellt.5

8.34 Unklar ist, in welchem Verhältnis die beiden Kriterien der „eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit“

und der „außersteuerlichen Gründe“ stehen. Aus der Formel des BFH lässt sich ableiten, dass jedes der beiden Kriterien für sich genommen den Missbrauchsvorwurf ausschließen kann.6 Andererseits wird man die Rechtsprechung wohl so lesen müssen, dass es bei Fehlen eines eingerichteten Geschäftsbetriebs zur Anwendung des § 42 AO kommen kann, ohne dass das Kriterium der wirtschaftlichen oder sonstigen außersteuerlichen Gründe dieses Ergebnis verhindern kann.7 Für die Gestaltungspraxis ist daher anzuraten, dass stets ein eingerichteter Geschäftsbetrieb vorhanden sein sollte, dessen Substanz sich an der intendierten wirtschaftlichen Tätigkeit ausrichtet. d) Rechtsfolge aa) Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen

8.35 Liegt eine missbräuchliche Umgehung vor, entsteht der Steueranspruch gem. § 42 Abs. 1 Satz 3

AO n.F. „so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.“ Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wird eine Gestaltung unterstellt, bei der die

1 2 3 4 5

6 7

lin-Docks I“); v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 („Dublin-Docks II“) u. v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249 zur Auslagerung von Geschäftstätigkeit eines Versicherungsunternehmens. BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978 zu der insoweit vergleichbaren Situation bei § 50d Abs. 1a (jetzt § 50d Abs. 3) EStG. Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; vgl. auch v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289. BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 63 m.w.N. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; nach BMF v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, BStBl. I 2005, 28 bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob die Kapitalanlagegesellschaft tatsächlich eigenwirtschaftlich tätig war oder es sich um eine Basisgesellschaft handelte, die zum Zweck der Manipulation eingesetzt wurde. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 53 m.w.N. So wohl BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978 zu der insoweit vergleichbaren Situation bei § 50d Abs. 1a (jetzt § 50d Abs. 3) EStG.

896 | Henkel/Klein

A. Grundlagen | Rz. 8.39 Kap. 8

Umgehung hinweggedacht und die zwar nicht tatsächlich durchgeführte, aber den wirtschaftlichen Zielen angemessene Gestaltung besteuert wird.1 Es ist nicht erkennbar, dass die Neufassung des § 42 AO an der bisherigen Lesart etwas geändert hat. Das bedeutet bei missbräuchlicher Zwischenschaltung einer Basisgesellschaft, dass die Zwischenschaltung der Gesellschaft hinweggedacht und als wirtschaftlich angemessene Gestaltung regelmäßig die – anteilige – unmittelbare Einkunftserzielung durch den inländischen Steuerpflichtigen unterstellt wird.2 Auf der Grundlage dieser unterstellten Gestaltung „entsteht der Steueranspruch“ (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Der BFH geht davon aus, dass diese Rechtstechnik als Zurechnung von Einkünften zu verstehen sei. bb) Anrechnung ausländischer Steuern Wird die Basisgesellschaft in ihrem Sitzstaat – wenn auch gering – besteuert, stellt sich die Frage, ob diese Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG auf die als Folge der Anwendung des § 42 AO auf den inländischen Gesellschafter entfallende deutsche Steuer angerechnet wird oder ob gem. § 34c Abs. 3 EStG ein Abzug möglich ist. Nach Auffassung des BFH3 fehlt es an der Subjektidentität zwischen der ausländischen Basisgesellschaft und dem inländischen Gesellschafter; nur bei Subjektidentität liege eine Doppelbesteuerung vor, die durch eine Anrechnung nach § 34c EStG beseitigt werden könne.

8.36

Nach Auffassung des Verfassers kann diese Frage nur aus der Rechtsfolgeanordnung des § 42 AO beantwortet werden: Als steuerrechtliche Folge der Umgehung schreibt § 42 Abs. 1 Satz 2 AO vor, dass der Steueranspruch so entsteht, wie es der den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entspricht. Nach der Basisrechtsprechung wird der inländische Steuerpflichtige mit den Einkünften, die über die Basisgesellschaft erzielt werden, besteuert; es wird also die Zwischenschaltung der Basisgesellschaft negiert. Genau betrachtet wird dabei aber nicht die Gesellschaft als solche, sondern nur deren Abschirmwirkung beseitigt. Denn nur die Abschirmwirkung hat zur Folge, dass die Einkünfte in Deutschland nicht besteuert werden.

8.37

Wird auf der Grundlage des § 42 AO lediglich die Abschirmwirkung der Basisgesellschaft hinweggedacht, ist nach hier vertretener Auffassung konsequenterweise anzunehmen, dass der tatsächlich vorliegende Betrieb der Basisgesellschaft im Ausland eine Betriebsstätte des inländischen Steuerpflichtigen begründet oder dass dort sonstige Leistungen ausgeführt werden, die zu ausländischen Einkünften des inländischen Steuerpflichtigen i.S.v. § 34d EStG führen. In diesem Fall ist es u.E. folgerichtig, auch die vom ausländischen Staat auf diese Einkünfte erhobenen Steuern dem inländischen Steuerpflichtigen zuzurechnen. Dies bedeutet, dass eine Subjektidentität besteht und die auf die Betriebsstätte oder die einzelnen Leistungen erhobene ausländische Steuer im Inland gem. § 34c EStG auf die deutschen Steuern des inländischen Anteilseigners angerechnet werden kann.4

8.38

e) Verhältnis zum DBA-Recht Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist § 42 AO auch bei Bestehen eines DBA anzuwenden. Für den BFH handelt es sich um eine Frage der Zurechnung, und die Zurechnung der Einkünfte – 1 Siehe auch Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 301 ff.; Clausen, IStR 2003, 1589, die die umgangene Rechtsvorschrift auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt (den tatsächlich stattfindenden Werttransfer) anwenden wollen. Ebenso BFH v. 19.12.2001 – X R 41/99, BFH/NV 2002, 1286; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; FG Nürnberg v. 10.7.2003 – IV 71/2001, EFG 2005, 631. 2 Vgl. Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 50. 3 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; ausdrücklich offengelassen durch BFH v. 11.10. 2000 – I R 99/96, BStBl. II 2001, 22; wohl a.A. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 55 a.E.; vgl. aber BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869, wonach § 42 AO einem Abzug der Steuer nach § 34c Abs. 3 EStG jedenfalls dann nichts entgegensteht, wenn der ausländische Staat für Rechnung des Steuerinländers Quellensteuern auf die nach § 42 AO zugerechneten Einkünfte der Gesellschaft erhebt. 4 Zur Anrechnung bzw. zum Abzug in Missbrauchsfällen siehe auch Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Anm. 47.

Henkel/Klein | 897

8.39

Kap. 8 Rz. 8.40 | Hinzurechnungsbesteuerung weil im DBA nicht geregelt – sei nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen.1 Danach entsteht der Steueranspruch wegen § 42 AO aus inländischer Sicht nicht bei der ausländischen Basisgesellschaft, sondern beim inländischen Gesellschafter. Da diese „Zurechnung“ auch für das DBA gelten soll, bestehen nach Ansicht des BFH folglich auch nach DBA-Recht keine Einkünfte der Basisgesellschaft, die vom Abkommen beschränkt werden könnten. f) Verhältnis zum EU-Recht

8.40 Daneben sind die Entwicklungen der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten zu berück-

sichtigen. Aufgrund der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, vormals Art. 43 EGV), scheidet die Anwendung von § 42 AO auf die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft innerhalb der EU aus, wenn eine solche Zwischenschaltung im Inland nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.2 Nach Auffassung des BFH kann ein Rechtsmissbrauch durch Einschaltung einer Kapitalgesellschaft innerhalb der EU allenfalls dann missbräuchlich sein, wenn sie lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen.3

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung I. Überblick 8.41 Voraussetzungen und Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung4 sind zunächst im Grundtat-

bestand in § 7 Abs. 1 AStG geregelt: Unbeschränkt Steuerpflichtige, die an einer von Inländern beherrschten ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, sind anteilig mit deren niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb im Inland steuerpflichtig. Dies wird im Einzelnen konkretisiert: § 7 Abs. 1 AStG definiert die ausländische Gesellschaft, § 7 Abs. 2 bis 4 AStG die Inlandsbeherrschung, § 8 Abs. 1 AStG regelt die passiven Einkünfte, § 8 Abs. 3 AStG legt die niedrige Besteuerung fest. § 10 AStG bestimmt, wie der Hinzurechnungsbetrag ermittelt wird. Da die Hinzurechnungsbesteuerung nur den Steuervorteil beseitigen, nicht aber zusätzliche Belastungen schaffen soll,5 werden die ausländischen Steuern (§ 12 AStG) berücksichtigt. Hält die ausländische Gesellschaft weitere Beteiligungen (mehrstufiger Beteiligungsaufbau) und ist eine Gesellschaft mit Einkünften aus niedrig besteuertem, passivem Erwerb nachgeschaltet (nachgeschaltete Zwischengesellschaft), kommt es zur übertragenden Zurechnung (§ 14 AStG).6

8.42 Neben dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG besteht gem. § 7 Abs. 6 AStG der Ergänzungs-

tatbestand der sog. „erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung“. Hiernach kommt es zur Hinzurechnungsbesteuerung, wenn an der ausländischen Gesellschaft wenigstens ein Steuerinländer zu mindestens 1 v.H. beteiligt ist und die Gesellschaft niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielt. 1 BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496 m.w.N.; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869; differenzierter Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 102 ff. m.w.N.; die Sichtweise des BFH ist indes zweifelhaft, wenn man die Rechtsfolge des § 42 AO nicht als „Zurechnung“ von Einkünften, sondern als Beseitigung der „Abschirmwirkung“ versteht, denn die Abschirmwirkung wird man abkommensrechtlich als Teil der Anerkennung einer juristischen Personen im jeweiligen DBA ansehen müssen; a.A. Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 571. 2 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 3 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 4 Begriff nach BFH, z.B. v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; so auch die Verwaltung, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.0. 5 Vgl. BFH v. 2.7.1997 – I R 32/95, BStBl. II 1998, 176. 6 Nach Einführung von § 15 Abs. 9 und 10 AStG durch Gesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809, gelten die §§ 7–14 AStG auch für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften, die von ausländischen Familienstiftungen oder sonstigen ausländischen Stiftungen gehalten werden.

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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.45 Kap. 8

Die Hinzurechnungsbesteuerung verfolgt zwar den gleichen Zweck wie die Missbrauchsrechtsprechung des BFH zu Basisgesellschaften, legt aber die Kriterien für die Erfassung von aktiven/passiven Einkünften der ausländischen Gesellschaft genauer fest. Sie ist einerseits günstiger als § 42 AO nach BFH-Rechtsprechung, da sie im Rahmen der Steueranrechnung ausländische Steuern berücksichtigt, andererseits ist sie schärfer,1 da sie die passiven Einkünfte stets auch bei gemischt aktiv-passiven Tätigkeiten hinzurechnet und die Hinzurechnung auch dann durchführt, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft andere wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen oder wenn andere Aktivitäten als die im Katalog des § 8 Abs. 1 AStG genannten durchgeführt werden. Hinsichtlich des Aktivitätskatalogs ist kritisch hervorzuheben, dass die gesetzlichen Kriterien der Aktivität den Anforderungen an eine international arbeitsteilige Wirtschaft nicht gerecht werden, insbesondere sind die Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände in keiner Weise zeitgemäß.2 Auch ist nicht erklärlich, warum die Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände eine Hinzurechnungsbesteuerung von generell aktiven Einkünften auslösen sollen, anstatt das inländische Steuersubstrat über Verrechnungspreise abzusichern. Mögliche Änderungen im Aktivitätenkatalog sind insbesondere vor dem Hintergrund der ATAD zu betrachten, die systematisch einen anderen Weg geht als § 8 Abs. 1 AStG, in dem bestimmte passive Tätigkeiten positiv definiert werden. Danach gelten gem. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a ATAD insbesondere die für Gewinnverlagerungen optimal geeigneten Dividenden-, Zins- und Lizenzeinkünfte als passive Einkünfte. Die Vorgaben in Art. 7 und 8 ATAD, die sich auf die Hinzurechnungsbesteuerung beziehen, sind ab dem 1.1.2019 verbindlich in innerstaatliches Recht umzusetzen.3 Es darf bezweifelt werden, dass die Regelungen für die Steuerpflichtigen günstiger werden, denn nationales Recht darf die Steuerpflichtigen stärker belastende Regelungen enthalten.4

8.43

Mit dem Systemwechsel der deutschen Besteuerung von Körperschaften vom Anrechnungssystem zum klassischen System mit Steuerfreiheit der Dividenden und sonstigen Bezüge beim Gesellschafter bzw. mit dem Teileinkünfteverfahren hat auch die Hinzurechnungsbesteuerung ein neues dogmatisches Konzept bekommen: Seither besteht der Gesetzeszweck der Hinzurechnungsbesteuerung nicht mehr (allein) darin, die missbräuchliche Einschaltung von niedrig besteuerten Basisgesellschaften zu verhindern, sondern es geht nunmehr (auch) darum, die steuerliche Vorbelastung der Dividenden und sonstigen Bezüge herzustellen, um die (vollständige oder teilweise) Steuerfreiheit der Bezüge zu rechtfertigen. Dieser Zweck ist indes nicht konsequent und systemkonform in das AStG eingearbeitet und daher nicht widerspruchsfrei umgesetzt worden.

8.44

II. Verhältnis zu anderen Normen 1. Verhältnis zum EU-Recht Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag, vormals EG-Vertrag) schützt in Art. 49 (vormals Art. 43 EG-Vertrag) die Niederlassungsfreiheit und in Art. 63 (vormals Art. 56 EG-Vertrag) die Kapitalverkehrsfreiheit. Diese Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbares Recht und gehen im Kollisionsfall dem einfachgesetzlichen, innerstaatlichen Recht vor (Effet Utile). Der EuGH hat in der Rechtssache Cadbury Schweppes5 entschieden, dass die britische CFC-Regelung gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Er lässt eine Einbeziehung der Einkünfte 1 Vgl. BFH v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 23.10.1991 – I R 52/90, BFH/NV 1992, 271; v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255. 2 Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 26; für eine Ersetzung der Hinzurechnungsbesteuerung durch eine zielschärfere und enger gefasste Missbrauchsregelung Haarmann, IStR 2011, 565. 3 Weiss, IWB 2017, 383. 4 Oppel, IStR 2016, 797. 5 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = BFH/NV 2007, 365 = IStR 2006, 670 m. Anm. Körner; bereits vorher kritisch Körner, IStR 2004, 697 m.w.N.; ebenso EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services BVBA & Co, ECLI:EU:C:2007:754 = BFH/ NV 2008, Beil. 2, 100; Schlussentscheid des BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774.

Henkel/Klein | 899

8.45

Kap. 8 Rz. 8.46 | Hinzurechnungsbesteuerung einer in einem EU-Staat ansässigen beherrschten Gesellschaft in die Gewinne der beherrschenden Gesellschaft auch bei einer niedrigen Besteuerung an der Niederlassungsfreiheit scheitern, „es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen.“ Von der Anwendung der CFC-Regelung sei folglich abzusehen, „wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte, ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklich wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.“

8.46 Das BMF hat auf diese Entscheidung reagiert und am 8.1.2007 – unter grundsätzlicher Beibehaltung

der Regelungen der §§ 7–14 AStG – für alle nicht bestandskräftigen Verfahren einen Entlastungsbeweis (mit Beweislast für den Steuerpflichtigen) zugelassen, mit dem der Nachweis einer wirklichen, wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft angetreten werden kann.1 Dabei grenzt das BMF den Entlastungsbeweis eng auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft ein und lässt den Entlastungsbeweis in folgenden Konstellationen nicht zu: für Einkünfte, die der ausländischen Gesellschaft von nachgeschalteten, in Drittstaaten ansässigen Zwischengesellschaften gem. § 14 AStG zugerechnet werden, für Einkünfte aus Drittstaaten-Betriebsstätten und für Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG. Auch wenn die schnelle Reaktion seitens des BMF zu begrüßen ist, so kritisch ist der zu eng gefasste Regelungsbereich. Es ist zu erwarten, dass die gesetzten Kriterien nicht genügen, den Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu beseitigen.

8.47 Mit Wirkung für Wirtschaftsjahre der ausländischen Gesellschaft, die nach dem 31.12.2007 begin-

nen, hat der Gesetzgeber mit dem JStG 20082 in § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit des Gegenbeweises auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Allerdings enthält § 8 Abs. 2 Satz 3 f. AStG ebenso wie das BMF-Schreiben Ausschlüsse für den Gegenbeweis bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften in Drittstaaten und bei Drittstaaten-Betriebsstätten.3 Anders als im BMF-Schreiben sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter hiernach zwar nicht mehr vom Gegenbeweis ausgenommen; da § 8 Abs. 2 AStG jedoch eine Inlands-Beherrschung i.S.v. § 7 Abs. 2 AStG voraussetzt und Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter auch bei einer darunterliegenden (Portfolio-)Beteiligung vorliegen können, ist der Gegenbeweis insoweit faktisch ebenfalls ausgeschlossen.

8.48 Ob die Einschränkungen des Gegenbeweises im BMF-Schreiben und in § 8 Abs. 2 Satz 2–5 AStG

gegenüber dem EU-Recht standhalten, ist unklar.4 Die Entscheidung über diese Frage hängt letztlich davon ab, ob die Hinzurechnungsbesteuerung in der bisherigen Form nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, die grundsätzlich nur für die EU-Staaten gilt, sondern auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, die auch Drittstaatenschutz gewährt.5 Das FG Baden-Württemberg hält in seiner Entscheidung vom 20.10.2015 die EU-Konformität im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zur Schweiz wegen der fehlenden Möglichkeit des Gegenbeweises für ernsthaft zweifelhaft.6 Zwischenzeitlich hat sich der BFH dieser Ansicht angeschlossen und den EuGH in einem Parallelverfahren zur EU-Konformität der Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter im Verhältnis zur Schweiz angerufen.7 1 BMF v. 8.1.2007 – IV B - S - 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99; zu den einzelnen Nachweiskriterien siehe Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 19.17 f. 2 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 3 Daneben wird der Gegenbeweis in § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG zusätzlich von der gegenseitigen Verpflichtung zur Amtshilfe entsprechend der EU-Amtshilferichtlinie und gem. Satz 5 von der Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes des § 1 AStG abhängig gemacht. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.14: Entscheidend sei, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 8 Abs. 2 AStG i.S.d. EuGH-Rspr. ausgelegt werden. 5 Siehe Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 49; dazu und zu der Stand-Still-Regelung des Art. 64 Abs. 1 AEUV Haarmann, IStR 2011, 565; Schönfeld, IStR 2016, 416. 6 FG Baden-Württemberg v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13, EFG 2016, 17. 7 BFH v. 12.10.2016 – I R 80/14, BStBl. II 2017, 615; beim EuGH anhängig unter C-135/17 – X.

900 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.51 Kap. 8

2. Verhältnis zum DBA-Recht Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 20 Abs. 1 AStG das Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung zum DBA-Recht geklärt. Gemäß dieser Vorschrift werden die §§ 7–18 AStG „durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt.“ Diese Regelung bedeutet, dass etwa entgegenstehendes Abkommensrecht durch die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung verdrängt wird. Damit führt die Regelung des § 20 Abs. 1 AStG ausdrücklich zum Treaty Override, das trotz der Völkerrechtswidrigkeit der Vorschrift innerstaatlich wirksam ist.1

8.49

Ein weiteres Treaty Override enthält die „Switch-over-Klausel“2 gem. § 20 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 AStG bezüglich ausländischer Betriebsstätteneinkünfte.3 Hiernach ist anstelle der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte die Anrechnungsmethode anzuwenden, wenn die Einkünfte – unterstellt die Betriebsstätte wäre eine ausländische Gesellschaft – der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden. Dem liegt Folgendes zugrunde: Die ausländischen Betriebsstätteneinkünfte werden, sofern mit dem jeweiligen Betriebsstättenstaat ein DBA vereinbart ist und dieses für die von der ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte keinen Aktivitätsvorbehalt enthält, aufgrund des Betriebsstättenprinzips in den DBA regelmäßig von der inländischen Besteuerung freigestellt. Somit wäre es inländischen Steuerpflichtigen möglich, durch Einschaltung ausländischer Personengesellschaften bzw. Betriebsstätten in derartigen DBA-Staaten die Hinzurechnungsbesteuerung zu umgehen, die nur bei ausländischen Kapitalgesellschaften eingreift. Zur Vermeidung einer solchen Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung sieht § 20 Abs. 2 AStG statt der im DBA vorgesehenen Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte die Anrechnung der im ausländischen Betriebsstättenstaat erhobenen Steuern vor (sog. Switch-over). Durch § 20 Abs. 1 Alt. 2 AStG, nach der § 20 Abs. 2 AStG durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt wird, wird die in den DBA geregelte Steuerbefreiung ausländischer Betriebsstättengewinne aufgehoben und lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern zugelassen.

8.50

3. Verhältnis zu den Gewinnkorrekturvorschriften Grundsätzlich gehen die Gewinnkorrekturvorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung vor, sodass der Hinzurechnungsbetrag z.B. im Fall von Über- oder Unterpreislieferungen unter Anwendung der Regelungen zur vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu ermitteln ist.4 § 1 AStG wird nicht durch die Hinzurechnungsbesteuerung eingeschränkt. Der Anwendung des § 1 AStG bei einer Minderung der Einkünfte aus einer Geschäftsbeziehung des Steuerinländers mit einer Zwischengesellschaft kann nicht mit dem Hinweis entgegengewirkt werden, dass die Einkünftemehrung bei der Zwischengesellschaft in den Hinzurechnungsbetrag eingehe.5 Findet jedoch eine Gewinnkorrektur 1 H.M., Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 30 ff. m.w.N.; den Vorlagebeschluss des BFH zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Override durch § 50d Abs. 8 EStG, BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 hat das BVerfG mit Beschluss v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 abschlägig entschieden; offen ist, ob damit alle Fälle eines Treaty Override des deutschen Ertragsteuerrechts zulässig sind; zumindest spricht dies für die Vorschriften, die ähnlich wie § 50d Abs. 8 EStG eine doppelte Nichtbesteuerung vermeiden wollen; vgl. insoweit Anmerkung zum Beschluss des BVerfG von Mitschke, DStR 2016, 359; allgemein zum Treaty Override aus Sicht der Finanzverwaltung Mitschke, DStR 2011, 2221. 2 Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 50 ff. m.w.N.; vgl. dazu auch Seer, IStR 1997, 481. 3 Seit der Änderungen des § 20 Abs. 2 AStG durch das StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660, und dem JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150, sind sämtliche Zwischeneinkünfte der Betriebsstätte und nicht nur Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter von der Regelung erfasst, jedoch mit Ausnahme von EU/EWR Betriebsstätten, die in den Genuss der Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG kommen; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 7–11. 4 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 16 ff. 5 BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644.

Henkel/Klein | 901

8.51

Kap. 8 Rz. 8.52 | Hinzurechnungsbesteuerung auf der Ebene des inländischen Gesellschafters statt, wird eine doppelte Erfassung durch eine entsprechende Gegenberichtigung bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags vermieden.1

III. Hinzurechnungsvoraussetzungen 8.52 Die Hinzurechnungsbesteuerung greift unter den nachstehenden Hinzurechnungsvoraussetzungen ein:

1. Ausländische Gesellschaft

8.53 Nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft eine Körperschaft,

Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. KStG, die weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und die nicht gem. § 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen ist. Dem Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung entsprechend werden nur die Rechtsträger erfasst, für die nach dem KStG das Trennungsprinzip – hier in der Ausprägung der Abschirmwirkung – gilt, die also ein eigenständiges Körperschaftsteuersubjekt sind.

8.54 Mitunternehmerschaften, Betriebsstätten oder sonstige Rechtsgebilde, die nach deutschem Steuer-

recht keine selbstständigen Steuersubjekte sind, sind nicht betroffen. Bei Rechtsgebilden, die nach ausländischem Recht errichtet sind, ist ein Typenvergleich vorzunehmen, nach dem der rechtliche Aufbau und die wirtschaftliche Stellung des Gebildes mit einer der unter § 1 KStG fallenden Rechtsformen verglichen wird.2, 3

8.55 Die Gesellschaft ist ausländisch, wenn sie im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, also

weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat. Bei Doppelansässigkeit im In- und Ausland liegt keine ausländische Gesellschaft vor, auch nicht, wenn ein DBA eingreift, das für seine Anwendung von einer Ansässigkeit im Ausland ausgeht. Ferner liegt keine Gesellschaft vor, wenn an dem ausländischen Rechtsgebilde keine Beteiligung am Nennkapital bestehen kann, wie bspw. bei einer ausländischen Stiftung.4 2. Beteiligung inländischer Gesellschafter a) Grundtatbestand: Beherrschung gem. § 7 Abs. 1 AStG

8.56 An der ausländischen Gesellschaft müssen gem. § 7 Abs. 1 AStG mehr als 50 % unbeschränkt Steu-

erpflichtige beteiligt sein.5 Von dieser Beteiligungsquote ist die Hinzurechnungsquote zu unterscheiden. Die Hinzurechnungsquote ist der Anteil, mit dem der einzelne Steuerpflichtige beteiligt sein muss, um ihm die Einkünfte anteilig zurechnen zu können; hierfür gibt es keine Mindestbeteiligung.

1 BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644 mit Verweis auf BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.5.2; v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.1; ebenso Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 77 m.w.N. 2 RFH v. 12.2.1930 – VI 899/27 („Venezuela-Entscheidung“), RFHE 27, 73; Basisurteil des BFH v. 17.7. 1968 – I 121/64, BStBl. III 1968, 965. 3 Für den Typenvergleich kann in Bezug auf EU Gesellschaften die Anlage zu § 23 UmwStG (i.d.F. vor SEStEG) herangezogen werden, die unter Nr. 1 bestimmte ausländische Rechtsformen als einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbare Organisationsformen auflistet. Weiterhin kann für einen Rechtsformvergleich auf die Tabellen 1 und 2 als Anlagen zum Schreiben des BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076 zurückgegriffen werden. Die steuerliche Behandlung im Ausland ist insoweit unerheblich. 4 Vgl. Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 43; hier kann aber § 15 AStG anwendbar sein. 5 Zu Genussrechten als Gestaltungsinstrument zur Vermeidung einer Beteiligung i.S. des § 7 Abs. 2 AStG und damit zur Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung: Kraft/Richter/Moser, DB 2014, 85.

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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.59 Kap. 8

Die bei der Ermittlung der Beteiligungsquote von mehr als 50 % zu berücksichtigenden Beteiligungen sind für Zwecke der Anwendung des § 7 Abs. 1 AStG in § 7 Abs. 2–4 AStG1 näher umschrieben. Danach werden nicht nur Beteiligungen unbeschränkt Steuerpflichtiger, sondern auch solche von gem. § 2 AStG erweitert beschränkt Steuerpflichtigen berücksichtigt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG). Neben der Beteiligung am Gesellschaftskapital der ausländischen Gesellschaft ist alternativ auch auf das Stimmrechtsverhältnis abzustellen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG); sind weder ein Gesellschaftskapital noch Stimmrechte vorhanden, entscheidet das Verhältnis der Beteiligungen am Vermögen der Gesellschaft (§ 7 Abs. 2 Satz 3 AStG). Zu berücksichtigen sind auch Beteiligungen, die einem inländischen Steuerpflichtigen nach allgemeinen Regeln (§§ 39, 41, 42 AO) zuzurechnen sind.2 Gemäß § 7 Abs. 4 AStG werden auch die Beteiligungen einbezogen, die eine Person hält, die von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen weisungsabhängig ist. Über in- oder ausländische Personengesellschaften3 gehaltene Beteiligungen sind gem. § 7 Abs. 3 AStG als unmittelbare Beteiligungen an der Zwischengesellschaft anzusehen, sodass diese bei der Berechnung der Beteiligungsund Stimmrechtsquote zu berücksichtigen sind. Dieser Regelung kommt im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur in den Fällen konstitutive Bedeutung zu, in denen die ausländische Personengesellschaft gem. dem Recht ihres Sitzstaates als zivilrechtlich rechtsfähig behandelt wird.4 Auch mittelbare Beteiligungen sind zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG); dabei kann es sich auch um mehrstufige Beteiligungsverhältnisse handeln. Die vermittelnde „andere Gesellschaft“ muss stets eine ausländische Gesellschaft sein, d.h. mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland, weil bei einer Beteiligung über eine inländische Gesellschaft eine unmittelbare Beteiligung dieser Gesellschaft an der Zwischengesellschaft vorliegt, die bereits unter § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG fällt.5

8.57

Die Mindestbeteiligung von mehr als 50 v.H. muss am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft bestehen, deren Einkünfte zugerechnet werden.6 Eine Mindestdauer der Beteiligung wird vom Gesetz nicht verlangt. Insbesondere bei einem Anteilskauf von einem ausländischen Anteilseigner durch einen Steuerinländer, der mit Wirkung kurz vor Ende eines Wirtschaftsjahrs erfolgt, kann es daher dazu kommen, dass die Zielgesellschaft unerkannt für das gesamte Wirtschaftsjahr in die Hinzurechnungsbesteuerung gerät. Eine Aufteilung der Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft zwischen Veräußerer und Erwerber findet nicht statt.7 Die unbeschränkte Steuerpflicht der betreffenden Gesellschafter muss jedoch wegen der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG auch noch unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft bestehen. Diese zeitlichen Anknüpfungspunkte sind insbesondere in Weg- und Zuzugsfällen genau zu beachten, da ein Wegzug kurz vor Ende des Wirtschaftsjahrs u.U. die Hinzurechnungsbesteuerung für das komplette Wirtschaftsjahr entfallen lässt, weil keine Pro-rata-Betrachtung eingreift.8

8.58

Kritisch ist anzumerken, dass die „Deutsch-Beherrschung“ gem. § 7 Abs. 1 AStG weiter gefasst ist als die Beherrschung im konzernrechtlichen Sinne. Es können daher Portfolio-Anteile in die Hinzurechnungsbesteuerung fallen, ohne dass die betroffenen Gesellschafter tatsächlich Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, vormals Art. 56 EG) als kritisch anzusehen.9

8.59

1 § 7 Abs. 5 AStG bezieht sich nur auf die „zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital“ i.S.v. § 7 Abs. 1 AStG, vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 90. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.4.1. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.3; BFH v. 30.8. 1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 84, 85; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.54. 5 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.54. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 21.2. 7 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.53. 8 Bei Wegzugsfällen, die zu einer erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG führen, gilt dies wegen der Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG nicht; vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.60. 9 Haarmann, IStR 2011, 565 (570 ff.).

Henkel/Klein | 903

Kap. 8 Rz. 8.60 | Hinzurechnungsbesteuerung b) Ergänzungstatbestand: Beteiligungsquote i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG

8.60 In Abweichung vom Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG kommt die Hinzurechnungsbesteue-

rung für Zwischengesellschaften, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielen, bereits dann zur Anwendung, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der ausländischen Gesellschaft zu mindestens 1 v.H. beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG). Etwas anderes gilt nur, wenn bzgl. der von der Gesellschaft erzielten Einkünfte die Bagatellgrenze des § 7 Abs. 6 Satz 2 AStG unterschritten ist.1 Enthält diese Vorschrift somit in Abweichung vom Grundtatbestand einerseits geringere Anforderungen an die Mindestbeteiligungsquote von Steuerausländern, findet andererseits eine Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter nicht bei jedem an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Steuerinländer, sondern nur gegenüber den zu mindestens 1 v.H. Beteiligten statt. Die Mindestbeteiligungsquote ist somit im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 7 Abs. 6 AStG in Abweichung vom Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG auch bei der Hinzurechnung der Einkünfte zu beachten. Etwas anderes gilt gem. § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG,2 wenn die ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich3 Bruttoerträge erzielt, die Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen. In diesem Fall werden auch geringere Beteiligungen in die erweiterte Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen, es sei denn, die Hauptgattung der Aktien wird an einer anerkannten Börse gehandelt (sog. Börsenklausel).4 Hierdurch sollen Kapitalanlagemodelle in Niedrigsteuerländern verhindert werden.

8.61 Bei der Ermittlung der 1 %igen Beteiligungsquote findet § 7 Abs. 2 AStG abweichend vom

Grundtatbestand keine Anwendung, da diese Vorschrift gem. ihrem Wortlaut ausschließlich der Feststellung der Frage dient, in welchen Fällen von einer Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger „zu mehr als der Hälfte“ i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG auszugehen ist.5 Dies bedeutet zunächst, dass es zur Feststellung der Beteiligung von mindestens 1 v.H. nur auf die Beteiligung am Nennkapital und nicht auf die Stimmrechtsverteilung ankommt.6 Darüber hinaus kann ein Anteilseigner i.S.d. Ergänzungstatbestands nur ein unbeschränkt Steuerpflichtiger, nicht dagegen ein der erweiterten beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG unterliegender Anteilseigner sein. Mittelbare Beteiligungen sind im Rahmen der Berechnung der Beteiligungsquote nur insoweit zu berücksichtigen, als die Anteile an der ausländischen Gesellschaft über Personengesellschaften gehalten werden (§ 7 Abs. 3 AStG).7 Darüber hinaus sind auch hier die allgemeinen Zurechnungsvorschriften der §§ 39, 41 und 42 AO sowie § 7 Abs. 4 AStG zu beachten.8

1 Vgl. zum Inhalt der Bagatellgrenze Bogenschütz/Kraft, IStR 1994, 153. 2 Die Regelung wurde durch das UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858, eingefügt und ist auf nach dem 15.8.2001 beginnende Wirtschaftsjahre der ausländischen Zwischengesellschaft anwendbar (§ 21 Abs. 7 Satz 3 AStG). 3 Die Finanzverwaltung geht bei Bruttoerträgen i.H.v. mehr als 90 v.H. der gesamten Bruttoerträge von „fast ausschließlichen“ Bruttoerträgen aus, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.6.2. mit Verweis auf BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. Zur Ermittlung der Bruttoerträge vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 9.0.1. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.6.2. 5 So auch Wassermeyer, WP-Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kapitel I, Rz. 567a; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 6 A.A. wohl BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.6.1, wegen des uneingeschränkten Verweises auf Tz. 7.2. 7 Wassermeyer, WP-Handbuch der Unternehmensbesteuerung, Kapitel I, Rz. 567a; Wassermeyer in F/W/ B/S, § 7 AStG Anm. 109, 110; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 309; a.A. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.6.1 Satz 2; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 160. 8 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.6.1 mit Verweis auf Tz. 7.2.

904 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.64 Kap. 8

3. Verhältnis des Grundtatbestandes zum Ergänzungstatbestand Für das Verhältnis des Ergänzungstatbestands i.S.d. § 7 Abs. 6 AStG zum Grundtatbestand i.S.d. § 7 Abs. 1 AStG gilt Folgendes: Ist ein Steuerinländer zu weniger als 1 v.H. am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft beteiligt, so kommt § 7 Abs. 6 AStG nicht zur Anwendung, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG vor. Beträgt die Beteiligung demgegenüber mindestens 1 v.H., findet § 7 Abs. 6 AStG solange Anwendung, wie der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner nicht allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 2 AStG) zu mehr als der Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Liegt eine solche Inländerbeherrschung vor, verdrängt die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 AStG die des § 7 Abs. 6 AStG,1 sodass den inländischen Anteilseignern unabhängig von dem jeweiligen Beteiligungsumfang sämtliche Zwischeneinkünfte, d.h. auch diejenigen mit Kapitalanlagecharakter, zugerechnet werden.2 Sofern demgegenüber keine Beherrschung durch Steuerinländer i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt, verbleibt es bei der Anwendung des § 7 Abs. 6 AStG mit der Folge, dass es nur zu einer Hinzurechnung der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, und grundsätzlich auch nur bei den zu mindestens 1 v.H. an der ausländischen Gesellschaft beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen, kommt.

8.62

Sowohl der Grundtatbestand als auch der Ergänzungstatbestand kommen nach § 7 Abs. 7 AStG nicht zur Anwendung, wenn auf die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes anzuwenden sind. 4. Passive Einkünfte Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur insoweit ein, wie die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt. Zur Bestimmung der Einkünfte aus passivem Erwerb hat der Gesetzgeber keinen Katalog passiver Tätigkeiten aufgestellt; vielmehr enthält § 8 Abs. 1 Nr. 1–9 AStG einen Katalog aktiver Tätigkeiten. Das bisher in § 8 Abs. 2 AStG enthaltene Funktions- und Landesholding-Privileg3 wurde durch das UntStFG4 aufgehoben. Sämtliche Einkünfte, die nicht aus den in § 8 Abs. 1 AStG genannten aktiven Tätigkeiten stammen, gehören zu den passiven Einkünften, die – bei niedriger Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG – der Hinzurechnung unterliegen. Mit dieser Gesetzestechnik soll eine lückenlose Erfassung passiver Einkünfte sichergestellt werden, indem nur die vom Gesetz ausdrücklich als aktiv anerkannten Tätigkeiten unberührt bleiben. Diese Gesetzestechnik ist sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch aus EU-rechtlicher Sicht kritisch zu sehen. Verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass die Typisierung des Aktivitätskatalogs nicht an die sich verändernde Differenziertheit wirtschaftlichen Handelns angepasst wurde und damit wirtschaftliches Handeln z.B. im IT-Bereich automatisch als passiv anzusehen ist, ohne dass dazu eine gesetzgeberische Wertung getroffen wurde. Es ist daher eine verfassungskonforme, enge Auslegung geboten.5 Aus EU-Sicht ist zweifelhaft, ob die Nachbesserung des Gesetzgebers durch Einführung des Gegenbeweises gem. § 8 Abs. 2 AStG ausreichend ist, um einen Verstoß der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Niederlassungsfreiheit zu beseitigen.6

8.63

Die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst damit insbesondere Vermögensverwaltungsgesellschaften, Patentverwertungsgesellschaften, Handels- und Dienstleistungsgesellschaften ohne eigene wirtschaftliche Funktion sowie Finanzierungsgesellschaften. Sofern die ausländische Gesellschaft so-

8.64

1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 112. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 112, 113. 3 Siehe dazu Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen2, Rz. E 566–E 573; vgl. zur letztmaligen Anwendbarkeit § 21 Abs. 7 Satz 6 AStG. 4 UntStFG v. 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858 = BStBl. I 2002, 35. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 8; zu den verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Grenze der Niedrigbesteuerung vgl. Rz. 8.98. 6 Kritisch BFH v. 13.1.2010 – I R 114/08, DStR 2010.

Henkel/Klein | 905

Kap. 8 Rz. 8.65 | Hinzurechnungsbesteuerung wohl aktive als auch passive Tätigkeiten ausübt (sog. gemischt tätige Gesellschaft), ist eine Aufteilung der Einkünfte in den aktiven bzw. passiven Bereich vorzunehmen. Dabei gilt die funktionale Betrachtungsweise, wonach wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten bei der Subsumtion unter § 8 AStG einheitlich zu beurteilen sind. Maßgebend ist die Tätigkeit, auf der nach allgemeiner Verkehrsauffassung das wirtschaftliche Schwergewicht liegt.1 So sind z.B. Zinserträge, die isoliert betrachtet passiv wären, einer aktiven Tätigkeit zuzuordnen, wenn es sich um betriebliche Nebenerträge handelt; ebenso können aktive Tätigkeiten, die sich einem passiven Erwerb unterordnen, passiv sein.2 Den aktiven Tätigkeiten sind auch die Einkünfte aus der Veräußerung von Anlagegütern zuzurechnen, die dieser Tätigkeit dienen.3

8.65 Ist die ausländische Gesellschaft an einer Personengesellschaft beteiligt, so sind für die Zwecke des

§ 8 AStG die aus dem Beteiligungsverhältnis fließenden Einkünfte so zu behandeln, als habe die ausländische Gesellschaft die Tätigkeiten selbst ausgeübt, aus denen der maßgebliche Gewinn der Personengesellschaft stammt.4

a) Aktivitäten kraft Wirtschaftszweigs

8.66 Bei der Land- und Forstwirtschaft und bei der industriellen Tätigkeit genügt die schlichte Aus-

übung, um aktive Tätigkeiten zu begründen. Zur Begriffsbestimmung der Land- und Forstwirtschaft sind die Regelungen der §§ 13 und 14 EStG maßgebend.5 Die industrielle Tätigkeit umfasst die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, die Erzeugung von Energie sowie das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG). Aktiv sind auch die Einkünfte aus der Veräußerung der produzierten Waren. Ebenfalls als Nebenerträge aus der aktiven Tätigkeit gelten Lizenzeinnahmen, die aus der Überlassung von gewerblichen Schutzrechten stammen und die der eigenen dominierenden aktiven Tätigkeit dienen, z.B. dem Produktionsbereich.6 Dagegen sollen die aus der Vermietung dieser Waren stammenden Einkünfte hiernach nicht aktiv sein, sondern nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG behandelt werden, sodass sie regelmäßig passiv wären. Diese Unterscheidung ist nicht einzusehen, wenn es sich in beiden Fällen um die mit der Produktion unmittelbar zusammenhängende Verwertungstätigkeit – einmal durch die Veräußerung, das andere Mal durch z.B. Hersteller-Leasing – handelt. Die Vermietung von produzierten Waren sollte daher entgegen der h.M. im funktionalen Zusammenhang mit der Produktion gesehen werden.

8.67 Für die Tätigkeit von Kreditinstituten7 oder Versicherungsunternehmen ist neben der schlichten Ausübung ihrer üblichen Tätigkeit erforderlich, dass diese einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten und ihre Geschäfte überwiegend mit fremden Dritten betreiben. Ob ein Kreditinstitut oder ein Versicherungsunternehmen anzunehmen ist, soll sich nicht nach dem (Aufsichts-)Recht des jeweiligen Staates richten, sondern in Anlehnung an § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) und § 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) entschieden werden.8 Hiernach scheiden die als Investmentgesellschaften oder Depotbanken ausgestalteten Vermögensverwaltungsgesellschaften aus dem Aktivitätskatalog aus, sofern es an der gewissen Vielzahl von 1 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.02. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.2. 3 Vgl. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 15. 4 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.4. 5 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 19; Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 52. 6 Vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 24.1 mit Verweis auf BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.2 Satz 4. 7 Vgl. zum Kreditinstituts-Begriff Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427; FG BW v. 27.7.1995 – 6 K 216/88, EFG 1996, 350. Dazu zählen neben den klassischen Kreditinstituten i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG auch Finanzdienstleistungsinstitute gem. § 1 Abs. 1a KWG und Finanzunternehmen gem. § 1 Abs. 3 KWG. 8 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.1 f.

906 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.70 Kap. 8

Bankgeschäften fehlt. Danach scheiden grundsätzlich Holdingtätigkeiten und die reine Vermögensverwaltung aus, sofern sie nicht funktional den Bankgeschäften zuzuordnen sind.1 Darüber hinaus sind Banken und Versicherungen nicht aktiv, wenn sie ihre Geschäfte zu mehr als der Hälfte mit Nahestehenden betreiben; dies kann insbesondere Konzernbanken und -versicherungen betreffen.2 Auch Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG (Investmentgeschäft) sollen nicht zum Betrieb von Kreditinstituten führen.3 Nach der Rechtsprechung des BFH ist es unschädlich, wenn die ausländische Gesellschaft durch einen Betriebsführungsvertrag ein anderes Unternehmen mit der Ausführung des Versicherungsgeschäfts betraut.4 b) Aktivitäten mit Funktionsnachweis Handel, Dienstleistungen und die Vermietung und Verpachtung können nach der Regelungstechnik des § 8 Abs. 1 Nr. 4–6 AStG unter den jeweiligen weiteren Voraussetzungen entweder aktiv oder passiv sein; grundsätzliche Voraussetzung für die Aktivität ist aber einheitlich, dass ein im Ausland in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb besteht, der am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt – qualifizierter Geschäftsbetrieb –, der ohne „Mitwirkung“5 nahestehender Inländer tätig ist. Insbesondere das Kriterium der Mitwirkung ist unscharf und begründet für die Rechtsanwendung unnötige Unsicherheiten; der dahinterstehende Gedanke, dass die aus der Mitwirkung resultierende Wertschöpfung nicht der deutschen Besteuerung entzogen werden soll, ist mit dem zwischenzeitlich gereiften Instrumentarium der Verrechnungspreise zielgenauer zu erreichen; das Kriterium der Mitwirkung sollte daher entfallen.6 Für EU/EWR-Kapitalgesellschaften sind diese Kriterien entschärft, da für sie der Gegenbeweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit gem. § 8 Abs. 2 AStG geführt werden kann.7

8.68

Im Einzelnen gilt Folgendes: Der Handel ist grundsätzlich aktiv, solange er zwischen fremden Dritten betrieben wird. Er ist auch dann aktiv, wenn er zwar zwischen nahestehenden Personen betrieben wird, aber keine Inlandsbindung (Einfuhr in das oder Ausfuhr aus dem Inland) hat. Der Handel zwischen der ausländischen Gesellschaft und dem an ihr beteiligten Steuerinländer bzw. einer ihm nahestehenden Person (auch einer ausländischen Schwestergesellschaft der ausländischen Gesellschaft) ist dagegen bei Inlandsbindung nur unter den Voraussetzungen des Funktionsnachweises (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) aktiv. Für eine Qualifikation des Handels als passive Tätigkeit ist eine grenzüberschreitende physische Bewegung der Ware nicht erforderlich; bereits die Verschaffung der Verfügungsmacht kann schädlich sein (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und b i.d.F. des StVergAbG).

8.69

Dienstleistungen, die die ausländische Gesellschaft gegenüber fremden Dritten erbringt, sind grundsätzlich aktiv. Sie sind aber passiv, wenn sich die ausländische Gesellschaft bei der Erbringung der Dienstleistung eines an ihr beteiligten Steuerinländers oder einer nahestehenden Person

8.70

1 2 3 4

BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.4. Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.90. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.3. BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, DStR 2010, 2565 m. Anm. Schmidt, GWR 2011, 48; die Finanzverwaltung geht davon aus, dass auch durch Zwischenschaltung fremder Dritter passive Einkünfte nicht vermieden werden können, BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.7; siehe auch die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG, Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 4.9.2007, BT-Drucks. 16/6290, 92, Begr. zu Art. 24 (AStG), zu Nr. 3 (§ 8), zu Buchst. b, zu Satz 1: Danach soll eine wirtschaftliche Tätigkeit nur vorliegen, wenn die ausländische Gesellschaft die Kernfunktionen, die sie hat, auch selbst ausübt. 5 Zum Mitwirkungstatbestand haben die Finanzverwaltung und Spitzenverbände der Wirtschaft in einem Planspiel Musterfälle mit Lösungshinweisen erarbeitet, vgl. Anlage zum Erlass FinMin NW v. 29.12.1978 – S 1352 - 5 - VB 2, abgedruckt in F/W/B/S, § 8 AStG, Verwaltungsanweisungen, S. 64 ff. 6 Siehe auch Haas, IStR 2011, 353. 7 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 35.

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Kap. 8 Rz. 8.71 | Hinzurechnungsbesteuerung bedient, die mit ihrer Beteiligung an der Dienstleistung im Inland steuerpflichtig ist. „Bedienen“ bedeutet dabei, dass der Inlandsbeteiligte die Leistung erbringt, zu der sich die ausländische Gesellschaft verpflichtet hat;1 es umfasst mehr als „Mitwirkung“. Dienstleistungen, die die Gesellschaft gegenüber an ihr beteiligten Steuerinländern bzw. diesen nahestehenden Personen erbringt, sind aktiv, wenn der Funktionsnachweis (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) gelingt. Zu Dienstleistungen gehören z.B. Transport, Werbung, Forschung und Entwicklung, freiberufliche Tätigkeiten, Gastronomie, Vermittlungsleistungen, kulturelle Dienstleistungen, Nachrichtenverkehr, Reinigung, Bewachung.2 Keine Dienstleistungen sind die Vermögensverwaltung im eigenen Interesse der ausländischen Gesellschaft und das Halten wesentlicher Beteiligungen. Die Finanzverwaltung sieht auch echtes Factoring als bloße Verwaltung eigenen Vermögens an und qualifiziert die Einkünfte demzufolge als passiv.3 Diese Einordnung geht zu weit, da auch bei Nichterfüllen der Voraussetzungen für eine aktive Dienstleistung eine der übrigen aktiven Tätigkeiten des § 8 Abs. 1 AStG vorliegen kann.4

8.71 Die Vermietung und Verpachtung führt grundsätzlich zu passiven Einkünften, es sei denn, es greift eine der folgenden Ausnahmen ein:

– Einkünfte aus der Verwertung von Know-how (Urheberrechte, Patente) und von sonstigen Rechten sind im Fall eines besonderen Funktionsnachweises aktiv: Es muss sich um die Auswertung eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der ausländischen Gesellschaft handeln, an der keine nahestehende Person mitgewirkt hat (zur Mitwirkung s.o. Rz. 8.68). – Die Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens ist aktiv, wenn die Einkünfte hieraus nach einem DBA, das zwischen dem Belegenheitsstaat des Grundstücks und der Bundesrepublik geschlossen wurde, im Inland steuerbefreit wären, wenn der inländische Steuerpflichtige die Einkünfte unmittelbar bezogen hätte. Im Inland belegene Grundstücke fallen nicht darunter und die entsprechenden Einkünfte führen stets zu passiven Einkünften.5 – Die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung beweglicher Sachen sind aktiv, wenn der allgemeine Funktionsnachweis (qualifizierter Geschäftsbetrieb und betriebliche Eigenständigkeit) erfüllt wird. Unter dieser Voraussetzung ist das Finanzierungs-Leasing i.S.d. Leasingerlasse,6 nach denen das Wirtschaftsgut dem Leasinggeber zuzurechnen ist, als aktiv anzusehen; das fehlgeschlagene Leasing, bei dem das Wirtschaftsgut dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, stellt dagegen ein Kreditgeschäft dar, für das § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG gilt.7 c) Konzernfinanzierung

8.72 Finanzierungstätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG) sind nur in engen Grenzen aktiv: Die ausländische Gesellschaft muss das Kapital auf ausländischen Kapitalmärkten und nicht bei nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG aufnehmen und ausländischen Betrieben oder Betriebsstätten, die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden Tätigkeiten beziehen, oder inländischen Betrieben oder Betriebsstätten zuführen.

8.73 Ob die Finanzierung auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen wurde, richtet sich da-

nach, wo das Marktgeschehen stattfindet.8 Nach Auffassung der Finanzverwaltung fehlt es an einer Aufnahme auf ausländischen Kapitalmärkten, wenn eine „mittelbare Kreditaufnahme auf dem in-

1 2 3 4 5

BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.5.2.1. Vgl. den Katalog bei Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 51. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.5.1.1. Z.B. § 8 Abs. 1 Nr. 3 oder 7 AStG; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. Kraft/Mauch, IWB 2017, 175, 188. Für solche Einkünfte qualifiziert Deutschland selbst als Niedrigsteuerland, da Immobilieneinkünfte regelmäßig von der Gewerbesteuer befreit sind. 6 BdF v. 19.4.1971 – IV B/2 JK S 2170 - 31/71, BStBl. I 1971, 264. 7 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.6.4. 8 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 75.

908 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.78 Kap. 8

ländischen Kapitalmarkt“ vorliegt.1 Hiergegen hat das FG Hess.2 im Anschluss an Wassermeyer3 zu Recht entschieden, dass das Gesetz nur von „Aufnahme auf einem ausländischen Kapitalmarkt“ spricht und nichts über die Herkunft der Mittel aussagt; die „Herkunft der Mittel“ wäre auch schon aus praktischen Gründen kein brauchbares Kriterium, da sie i.d.R. gar nicht feststellbar ist.4 Die Finanzierung darf nicht bei nahestehenden Personen aufgenommen werden, selbst wenn diese sich auf ausländischen Kapitalmärkten refinanzieren.5 Von einer Aufnahme der Finanzierung bei einer nahestehenden Personen ist nicht auszugehen, wenn diese die Darlehensaufnahme durch Bürgschaften oder Garantien absichert; der Gesetzeswortlaut spricht allein von „Aufnahme“ und erfasst damit nicht die „Absicherung“.6

8.74

Das auf ausländischen Märkten aufgenommene Kapital kann an inländische und ausländische Betriebe oder Betriebsstätten ausgereicht werden, an ausländische jedoch nur, wenn diese fast Ausschließlich aktiv tätig sind; entsprechend der Regelung in § 9 AStG ist hierfür eine Aktivität von mindestens 90 % ausreichend.7 Eine „dauerhafte“ Kreditvergabe ist nicht erforderlich.

8.75

d) Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinne und Umwandlungen aa) Überblick Einkünfte aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Form von Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinnen und Umwandlungen werden ebenfalls dem aktiven Bereich zugeordnet (§ 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG). Damit werden auch solche Erträge dem aktiven Bereich zugeordnet, die nicht nach der Art der Tätigkeit, sondern nach der Beteiligungsstruktur zu bestimmen sind. Dies ist eine konsequente, wenn auch nicht widerspruchsfrei umgesetzte, Folge des Systemwechsels der deutschen Körperschaftsteuer, nach dem die Besteuerung auf der Ebene der Untergesellschaft erfolgt und Beteiligungserträge auf der Ebene der Obergesellschaft steuerfrei sind (§ 8b Abs. 1 und 2 KStG). Dieses System wird auf das System der Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG übertragen, indem passive Einkünften allein auf der Ebene von nachgeschalteten Zwischengesellschaften gem. § 14 AStG erfasst werden und Ausschüttungen sowie in bestimmten Grenzen Veräußerungsgewinne und Umwandlungserträge auf der Ebene der empfangenden Gesellschaft bei der Hinzurechnungsbesteuerung unberücksichtigt bleiben.

8.76

Die Regelungen greifen indes zu kurz, da sie systemwidrig nur Erträge aus Kapitalgesellschaften erfassen. Diese sind solche i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und die ihnen nach dem Rechtstypenvergleich entsprechenden ausländischen Gesellschaften. Es ist nicht erklärlich, warum z.B. Genossenschaften und andere Körperschaften nicht einbezogen sind.8

8.77

bb) Gewinnausschüttungen Zu den Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG zählen neben offenen auch vGA9 von inländischen Kapitalgesellschaften. Ebenso werden Einnahmen aus der Veräußerung von Dividen1 2 3 4 5 6 7 8 9

BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.7.2. FG Hess. v. 30.3.1987 – II K 454/80, EFG 1987, 601 (rkr.); Ammelung/Kuich, IStR 2000, 641. Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 251 m.w.N. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 144; nach Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 255 m.w.N. soll in diesem Fall eine passive Tätigkeit nur unter den Voraussetzungen des § 42 AO angenommen werden können. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76. Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 258; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 150; wohl a.A. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76 bei Back-to-back-Darlehen. Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 76; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 154. So auch Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 163. BT-Drucks. 14/6882 v. 10.9.2001, 67; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 93.

Henkel/Klein | 909

8.78

Kap. 8 Rz. 8.79 | Hinzurechnungsbesteuerung denscheinen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) von der Regelung erfasst.1 Ob auch sonstige „Bezüge“ i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG darunterfallen, ist aufgrund des unterschiedlichen Wortlauts unklar. Aus gesetzessystematischen Gründen spricht viel dafür, hierunter jedenfalls diejenigen Bezüge zu fassen, die nach § 14 AStG eine übertragende Zurechnung auslösen können und sich als Ausschüttung von Gewinnen der Untergesellschaft darstellen.2 Im Fall von EU/EWR-Kapitalgesellschaften sollten darüber hinaus alle Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG erfasst werden.3 Unklar ist, ob auch die Rückgewähr von Einlagen außerhalb förmlicher Kapitalherabsetzung unter den Begriff der Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fällt oder diese steuerneutral mit den Anschaffungskosten der Beteiligung zu verrechnen sind. Im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung erscheint es angemessen, die Grundsätze des deutschen Steuerrechts auf die Einordnung solcher Einkünfte anzuwenden. Danach liegen nur dann keine Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG vor, wenn bei EU-Beteiligungsgesellschaften das BZSt auf Antrag die Feststellung gem. § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG trifft, dass es sich um Einlagenrückgewähr handelt.4 cc) Veräußerungsgewinne

8.79 Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Gesellschaft sowie aus de-

ren Auflösung oder der Herabsetzung ihres Kapitals sind ebenfalls den aktiven Einkünften zuzurechnen. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Veräußerungsgewinn nicht auf Wirtschaftsgüter entfällt, die Einkünften i.S.d. § 16 REIT-Gesetzes5 oder Einkünften mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG dienen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Entsprechendes gilt auch für Veräußerungsgewinne in mehr als zweistufigen Beteiligungsstrukturen, wenn also die Veräußerungsgewinne auf Wirtschaftsgüter in solchen Kapitalgesellschaften entfallen, an denen die veräußerte Gesellschaft mittelbar über eine andere Gesellschaft beteiligt ist.6 Die Finanzverwaltung fordert einen Nachweis über die Zusammensetzung der Wirtschaftsgüter bezogen auf die Tätigkeitsbereiche und Einkunftsquellen der jeweiligen nachgeordneten Gesellschaft.7 Dieser Nachweis kann insbesondere für offene Rücklagen regelmäßig nicht geführt werden.8

8.80 Unter den Begriff der Veräußerung fallen auch die Liquidation der Untergesellschaft9 und die Ka-

pitalherabsetzung bei der Untergesellschaft, soweit hierdurch bei der ausländischen Kapitalgesellschaft Veräußerungsgewinne entstehen. Hierunter sollten auch sämtliche Fälle subsumiert werden, die wie eine Veräußerung besteuert werden („Ersatzrealisierungstatbestände“),10 einschließlich des Anteilstauschs, der offenen Einlage und der verdeckten Einlage. Bis zur Einführung des SEStEG11 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.8. So Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 162. Rättig/Protzen, IStR 2001, 601; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 163 m.w.N. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 162; zu den Voraussetzungen bei Drittlands-Gesellschaften: BFH v. 13.7.2016 – VIII R 73/13, BFHE 54, 404. REITG v. 28.5.2007, BGBl. I 2007, 914, zuletzt geändert durch Gesetz v. 22.6.2011, BGBl. I 2011, 1126. Hierfür ist eine unmittelbare Beteiligung am Nennkapital der anderen Gesellschaft erforderlich, Rättig/Protzen, IStR 2004, 625; Kneip/Rieke, IStR 2001, 665; a.A. wohl BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.9. Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.9. Zur Kritik an dem Nachweiserfordernis Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 179 f.; zu Nachweisproblemen bei mehrstufigen Konzernsachverhalten und der Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung in dem Zusammenhang: Schaden/Dieterlen, IStR 2011, 290. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 174 m.w.N.; Rödel in Kraft, § 8 Rz. 559: „Seit dem SEStEG ist bei der Liquidation zwischen Kapitalrückzahlungen, die als Veräußerungserlöse i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG anzusehen sind, und Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG zu unterscheiden.“ Ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 170. SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782 = ber. BGBl. 2007 I, 68.

910 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.83 Kap. 8

konnten Gewinne aus der Umwandlung von Untergesellschaften, soweit sie bei der Obergesellschaft wie Veräußerungsgewinne besteuert werden, von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfasst werden.1 Veräußerungsverluste können den Hinzurechnungsbetrag im Umkehrschluss nur mindern, wenn die Verluste Wirtschaftsgütern zuzuordnen sind, die der Erzielung von Einkünften i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG dienen, bzw. soweit es sich um Einkünfte i.S.d. § 16 REIT-Gesetz handelt (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 letzter Halbs. AStG). Diese komplizierte Regelung wird den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht wirklich gerecht. Im Hinblick auf die entsprechende Regelung in der ATAD besteht hier Anpassungsbedarf.2

8.81

dd) Umwandlungen Können Umwandlungen (hierzu ausführlich Rz. 11.1 ff.) nach ausländischem Steuerrecht neutral vollzogen werden, liegt aus Sicht des AStG zugleich eine niedrige Besteuerung vor (§ 8 Abs. 3 AStG). Vor der Einführung des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG führten Umwandlungen, die Wirtschaftsgüter betrafen, die passiven Einkünften dienten, ebenfalls zu passiven Einkünften. Der Veräußerungstatbestand gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG konnte sich in diesen Fällen nur im Rahmen von übertragenden Umwandlungen und auch nur auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft auswirken. Um diesen Missstand zu beseitigen, ist mit dem SEStEG § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG eingefügt worden, wonach ausländische Umwandlungsvorgänge, die ungeachtet der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG zu Buchwerten erfolgen könnten, grundsätzlich aktiv sind. Dies betrifft nicht nur die Obergesellschaft, sondern auch die übertragende und die aufnehmende Gesellschaft. Wie bei der Veräußerung besteht hierbei eine Ausnahme insoweit, wie bei der Umwandlung Wirtschaftsgüter betroffen sind, die zu Einkünften mit Kapitalanlagecharakter oder zu Einkünften aus REIT-Gesellschaften führen.

8.82

Begünstigt sind hiernach grundsätzlich die in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG genannten Umwandlungsvorgänge, ohne dass die Ansässigkeitsvoraussetzungen und Einschränkungen in Bezug auf die Gesellschaftsform der beteiligten Rechtsträger nach § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG erfüllt sein müssen.3 Erfasst sind also die Fälle, in denen die übertragenen Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen der übernehmenden Gesellschaft übergehen und dort der späteren Besteuerung unterliegen. Unklar ist, wie das verschiedentlich im UmwStG geforderte Kriterium für eine Buchwertfortführung, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen oder eingebrachten Wirtschaftsgüter beim übernehmenden Rechtsträger nicht ausgeschlossen sein darf, im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG anzuwenden ist. Einerseits wird vertreten, dass dies konkret danach zu entscheiden ist, ob vor der Umwandlung ein Besteuerungsrecht Deutschlands besteht, das nach der Umwandlung entfällt,4 andererseits wird vertreten, dass dies fiktiv so zu prüfen sei, als ob die Umwandlung im Inland stattfinde.5 Der zweiten Auffassung ist der Vorzug zu geben, da das AStG mit dem Aktivitätskatalog aktive Tätigkeiten erfassen will und damit systematisch einen anderen Ansatz als das UmwStG verfolgt, das eine konkrete inländische Steuerverhaftung als eingrenzendes Merkmal fordert.

8.83

1 Vgl. Rödder in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2003, 1656; zur Rechtslage seit dem SEStEG s. Rz. 8.82 ff.; Schmidt/Hageböke, IStR 2001, 697; z.T. wurde auch schon vor dem SEStEG die Anwendbarkeit des UmwStG angenommen: Sedemund/Sterner, BB 2005, 2777. 2 Linn, IStR 2016, 645 (649). 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.6. 4 So wohl Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 697, 701 ff. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 370; im Ergebnis ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.7; abstellend auf den Erhalt der Betriebsvermögenseigenschaft der betroffenen Wirtschaftsgüter: Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 270.

Henkel/Klein | 911

Kap. 8 Rz. 8.84 | Hinzurechnungsbesteuerung ee) Verhältnis zu den sonstigen aktiven Einkünften

8.84 Die Aktivitäten kraft Beteiligungsstruktur gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG stehen im Konkurrenz-

verhältnis zu den Aktivitäten kraft Tätigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1–7 AStG. Da sich die Aktivitätsregelungen nicht gegenseitig ausschließen, sondern die Erfüllung eines Aktivitätstatbestandes des § 8 AStG ausreicht, um die Hinzurechnung auszuschließen, ist das Konkurrenzverhältnis wie folgt zu lösen: Stehen die Gewinnausschüttungen, Veräußerungen oder Umwandlungen im funktionalen Zusammenhang mit anderen aktiven Tätigkeiten der ausländischen Gesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–7 AStG, sind sie mit diesen zusammen ebenfalls aktiv. Besteht kein funktionaler Zusammenhang mit solchen aktiven Einkünften, kann sich die Aktivität aus dem Katalog des § 8 Abs. 1 Nr. 8–10 AStG ergeben; ein funktionaler Zusammenhang mit passiven Einkünften ist hierbei unerheblich. e) Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter

8.85 Der Ergänzungstatbestand des § 7 Abs. 6 AStG hat in dem Fall Bedeutung, in dem keine Beherr-

schung der ausländischen Gesellschafter durch Steuerinländer vorliegt. In diesem Fall wird die Hinzurechnungsbesteuerung nur auf Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG1 angewendet. aa) Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter

8.86 Gemäß § 7 Abs. 6a AStG sind Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter Einkünfte der aus-

ländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen. Damit sind insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG sowie Gewinne aus der Veräußerung dieser Vermögenswerte angesprochen.2 Mit dem Begriff der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wird der sachliche Anwendungsbereich der §§ 7–14 AStG nicht erweitert, es handelt sich vielmehr um eine Teilmenge.3 bb) Ausnahmetatbestand: Aktivität

8.87 Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter liegen nicht vor, wenn der Ausnahmetatbestand

des § 7 Abs. 6a Halbs. 2 AStG vorliegt. Dieser Ausnahmetatbestand betrifft Einkünfte, die aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient, ausgenommen Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG. Diese Aktivitätsklausel läuft weitgehend ins Leere, da Einkünfte, die aus Tätigkeiten stammen, die einer aktiven Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dienen, bereits aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise den aktiven Tätigkeiten der ausländischen Gesellschaft zuzuordnen sind, sodass von vornherein keine Zwischeneinkünfte vorliegen, mit der Folge, dass § 7 Abs. 6a AStG keine Anwendung findet.4 Auch der Ausnahmeregelung für Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG (Investmentgeschäfte) kommt keine Bedeutung mehr zu, da diese Vorschrift zwischenzeitlich aufgehoben wurde, so dass die Regelung ins Leere geht.5 1 Die bisher in § 10 Abs. 6 Satz 2 AStG geregelte Definition der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter wurde im Rahmen des StVergAbG v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660, in § 7 Abs. 6a AStG übernommen. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.6.2; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 204; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 187. 3 Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 183. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 207, 208; Geurts in Fuhrmann3, § 7 AStG Rz. 223. 5 Ab 31.3.2017 wurde § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG neu gefasst. Aufgrund der ggü. der früheren Fassung maßgeblichen Änderung des Norminhalts ist diese Neufassung von dem Verweis nicht mehr erfasst; Geurts in Fuhrmann3, § 7 AStG Rz. 225–226.

912 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.91 Kap. 8

f) Gegenbeweis bei EU/EWR-Gesellschaften Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG unterliegt eine ausländische Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU- bzw. EWR-Staat nicht der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die unbeschränkt Steuerpflichtigen, die gem. § 7 Abs. 2 AStG oder § 7 Abs. 6 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind, „nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht.“

8.88

aa) Überblick Die Möglichkeit des Gegenbeweises wurde durch das JStG 20081 mit Wirkung für Geschäftsjahre eingeführt, die nach dem 31.12.2007 beginnen. Durch das AmtshilfeRLUmsG2 wurde der Anwendungsbereich für Geschäftsjahre erweitert, die nach dem 31.12.2012 beginnen. Mit dem Gegenbeweis versucht der Gesetzgeber, die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung mit den Grundfreiheiten der AEUV, namentlich mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV (vormals Art. 43 EGV) in Einklang zu bringen. Er übernimmt dazu die Formulierung, die der EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes verwendet hat, sodass für die Auslegung dieses Kriteriums unmittelbar die Urteilsgründe dieser Entscheidung heranzuziehen sind. Für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2008 begonnen haben, ist das BMF-Schreiben vom 8.1.20073 anzuwenden. Allerdings ist zu beachten, dass nicht nur die Neuregelung in § 8 Abs. 2 AStG, sondern auch das BMF-Schreiben an den Grundfreiheiten des Unionsrechts zu messen ist. Soweit also das BMF-Schreiben und/ oder die Neuregelung des § 8 Abs. 2 AStG den Anwendungsbereich für den Gegenbeweis zu eng fassen und damit weiterhin gegen die Grundfreiheiten verstoßen, sind sie nur innerhalb der Schranken der Grundfreiheiten anzuwenden. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit die Hinzurechnungsbesteuerung nicht nur gegen die Niederlassungsfreiheit, sondern auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV (vormals Art. 56 EGV) verstößt.4 Gerade in dem Umstand, dass der Anwendungsbereich des Gegenbeweises nachträglich auf Beteiligungen gem. § 7 Abs. 6 AStG ohne Deutsch-Beherrschung ausgeweitet wurde, ist ein wichtiges Argument für die Einbeziehung der Kapitalverkehrsfreiheit in die Überprüfung der Unionsrechtmäßigkeit zu sehen.5

8.89

bb) Beteiligungsvoraussetzungen Bis zur Änderung des § 8 Abs. 2 AStG durch das AmtshilfeRLUmsG6 war der Gegenbeweis nur unbeschränkt Steuerpflichtigen eröffnet, die (ggf. zusammen mit anderen Beteiligten) mehrheitlich i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind. Der geänderte § 8 Abs. 2 AStG nimmt nunmehr auch auf § 7 Abs. 6 AStG Bezug, so dass der Gegenbeweis auch bei Portfoliobeteiligungen möglich ist, bei denen nicht zugleich eine Deutsch-Beherrschung vorliegt, also bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter.7

8.90

cc) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes sind Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch CFC-Regelungen nur dann zulässig, wenn sie der Bekämpfung rein künstlicher Gestaltungen dienen.8 Eine solche liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft im Auf1 JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. 2 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 BMF v. 8.1.2007 – IV B 3 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99; zwischenzeitlich aufgehoben durch BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095 – DOK 2010/0197416, BStBl. I 2010, 391. 4 Siehe dazu Köhler in S/K/K, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 49 ff.; Haarmann, IStR 2011, 565. 5 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 153. 6 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 7 Hinsichtlich der Überlegungen zur Unionsrechtswidrigkeit der früheren Fassung des § 8 Abs. 2 AStG vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.18. 8 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, Rz. 54.

Henkel/Klein | 913

8.91

Kap. 8 Rz. 8.92 | Hinzurechnungsbesteuerung nahmestaat tatsächlich angesiedelt ist und dort eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung ausübt und dies auf objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten beruht, die sich auf das greifbare Vorhandensein der Gesellschaft in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.1 Diese Substanzerfordernisse sind z.B. dann nicht erfüllt, wenn es sich um sog. Briefkastenfirmen oder Strohfirmen handelt. Die genaue Abgrenzung zwischen der europarechtlich geschützten, wirtschaftlichen Tätigkeit und einer substanzlosen Briefkastengesellschaft lässt der EuGH offen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Umfang der Substanzerfordernisse mit dem intendierten wirtschaftlichen Zweck korreliert.2

8.92 Nach der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 AStG soll es an der tatsächlichen wirtschaftlichen Tä-

tigkeit fehlen, wenn die ausländische Gesellschaft die Kernfunktionen ihrer Tätigkeit nicht selbst ausübt.3 Damit soll das Outsourcing von wesentlichen Funktionen verhindert werden. Es ist zu bezweifeln, dass dem Gesetzgeber dies hiermit gelungen ist. Zum einen hat der BFH bereits zu den Hinzurechnungstatbeständen geurteilt, dass das Outsourcing unschädlich ist.4 Zum anderen ist das in § 8 Abs. 2 AStG aufgenommene Kriterium der wirtschaftlichen Tätigkeit i.S.d. EuGH-Rechtsprechung auszulegen, um den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck zu erreichen, einen Verstoß gegen Unionsrecht zu vermeiden. Nach der EuGH-Rechtsprechung ist aber nicht erkennbar, dass das Outsourcing zu einer „rein künstlichen Gestaltung“ führt. Der BFH erhält Gelegenheit, zu der Frage eine Entscheidung zu fällen.5 In der Vorinstanz hat das FG Münster die Voraussetzungen des Gegenbeweises verneint, weil die Gesellschaft nur über üblich ausgestatte Büroräume und eine Geschäftsführerin verfügte, was nach Auffassung des Gerichts nicht ausreicht, um eine von der Niederlassungsfreiheit geschützte Verflechtung mit dem Ansässigkeitsstaat zu begründen.6 Eine solche setze vielmehr voraus, dass gezielt bestimmte Ressourcen im Aufnahmestaat, bspw. besonders günstige oder entsprechend der Tätigkeit besonders ausgestattete Räumlichkeiten, Maschinen, gut ausgebildetes Personal oder besondere Produktionsbedingungen, genutzt würden.7 Bei dieser Begründung lässt das FG Münster die Rechtsprechung des BFH zum Outsourcing sowie die Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung außer Acht, wonach geklärt sein sollte, dass neben geschäftsführendem Personal kein anderes Personal mehr eingestellt werden muss, wenn das vorhandene Personal tatsächlich in der Lage ist, Leistungen anzuordnen, zu überprüfen und zu beurteilen.8

8.93 Konzerntätigkeiten werden ausweislich der Gesetzesbegründung nicht mehr generell als schädlich

angesehen. Damit können auch Holding- und Finanzierungsfunktionen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Eine Einschränkung dahin gehend, dass die Holding geschäftsleitende Funktionen ausüben müsse, ist nach der EuGH-Rechtsprechung nicht erkennbar und daher im Rahmen des Gegenbeweises nicht zu fordern. Ebenso wird gegen eine Hinzurechnungsbesteuerung, die sich auf schädliche Mitwirkungs- und Bedienenstatbestände stützt, der Gegenbeweis durchschlagen.9

1 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, Rz. 67. 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.20. 3 BT-Drucks. 16/6290 v. 4.9.2007, 123 ff.; kritisch dazu Kraft in Kraft, § 8 AStG Rz. 750; Lehfeldt in S/K/ K, § 8 AStG Rz. 182.21; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 163. 4 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/04, BFH/NV 2004, 1313 hinsichtlich der Abwicklung von Wertpapiergeschäften durch eine Managementgesellschaft; v. 19.1.2000 – I R 94/97 u. I R 117/97, BStBl. II 2001, 222; v. 13.10.2010 – I R 61/09, GWR 2011, 48, m. Anm. Schmidt; a.A. BMF v. 19.3.2001 – IV B 4 S 1300 - 65/01, DStR 2001, 659, größtenteils aufgehoben durch BMF v. 28.12.2004, DStR 2005, 67. 5 Az. der Revision: I R 94/15. 6 FG Münster v. 20.11.2015 – 10 K 1410/12 F, EFG 2016, 453. 7 Zur Kritik an dem Urteil: Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 164a. 8 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 164a; zur kritischen Auseinandersetzung mit einem internen Schreiben des BMF v. 4.11.2016 zur Trennlinie zwischen tatsächlicher Tätigkeit und künstlicher Gestaltung bei substanzarmen Gesellschaften: Schönfeld, IStR 2017, 949; siehe auch Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATAD, der die Ausübung einer wesentlichen Tätigkeit gestützt auf Personal, Ausstattung, Vermögenswerte und Räumlichkeiten fordert, was durch relevante Fakten und Umstände nachzuweisen ist. 9 Ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.23.

914 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.96 Kap. 8

Der Substanznachweis muss gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG für jede wirtschaftliche Tätigkeit gesondert geführt werden, um die jeweilige Hinzurechnungsbesteuerung auszuschließen.1 Dabei ist weitere Voraussetzung, dass für die zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen auch der Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 AStG beachtet wird. Durch diesen Verweis kann faktisch eine Ausdehnung der inländischen Verrechnungspreisdokumentationspflichtigen auch auf ausschließlich im Ausland bestehende Geschäftsbeziehungen erreicht werden.2 dd) Reichweite des Gegenbeweises Des Weiteren erfasst der Gegenbeweis gem. § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG nur solche Einkünfte, die durch die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit erzielt werden. Welche Einkünfte, ggf. als Nebenerträge, welchen Tätigkeiten zuzuordnen sind, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung und damit letztlich aufgrund einer funktionalen Betrachtung.3 Dies erfordert erhebliche Detailinformationen zu der internen Organisation der ausländischen Gesellschaft im Hinblick auf Personal- und Sachkapitaleinsatz für einzelne Tätigkeiten, die im Hinblick auf den Zweck der Regelung, künstliche Gestaltungen zu verhindern, als zu weitgehend anzusehen ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Zinserträge. Hier ist zu entscheiden, ob das zusätzliche Kapital der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit dient oder eher aus als missbräuchlich einzuordnenden Gründen der ausländischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Nur wenn insoweit der Maßstab für eine rein künstliche Konstruktion zugrunde gelegt wird, wie er durch den EuGH insbesondere in der Rechtssache Cadbury Schweppes entwickelt wurde, kann die Hinzurechnungsbesteuerung unionsrechtskonform angewandt werden.4 Dabei ist zu beachten, dass der EuGH immer nur die Tätigkeit als Ganzes untersucht hat. Insgesamt ist im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit zweifelhaft, ob die einzelnen Tätigkeiten einer ausländischen Gesellschaft für Zwecke des Gegenbeweises getrennt betrachtet werden können, solange die Gesellschaft in dem Staat, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.5

8.94

ee) Beweislast Gemäß § 8 Abs. 2 AStG hat der Steuerpflichtige die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit. In dem Fall, in dem der inländische Steuerpflichtige die ausländische Gesellschaft gesellschaftsrechtlich kontrolliert, wird er auch in der Lage sein, die Ansässigkeit und die tatsächliche Betätigung der Gesellschaft darzulegen und ggf. zu beweisen. Ob der vom deutschen Gesetzgeben darüber hinaus verlangte Nachweis bei Vorliegen eines qualifizierten Geschäftsbetriebs EU-rechtskonform ist, ist zweifelhaft.6 Wenn der inländische Steuerpflichtige die ausländische Gesellschaft nicht gesellschaftsrechtlich kontrolliert, sondern allein eine Deutsch-Beherrschung i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt, kann die Beweislastregelung zu einer materiell EU-rechtswidrigen Besteuerung führen.7 In diesem Fall wäre wohl auch die Beweislastregelung unionsrechtswidrig.

8.95

ff) Amtshilfe auf Grundlage der EU-Amtshilferichtlinie und vergleichbarer Vereinbarungen § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG verlangt ferner, dass mit dem Sitz- oder Geschäftsleistungsstaat der ausländischen Gesellschaft die für die Besteuerung erforderlichen Auskünfte im Wege eines Amtshilfe1 Anders wohl nach der Rechtsprechung des EuGH, der die Prüfung allein darauf abstellt, ob die Gesellschaft insgesamt tatsächlich in dem jeweiligen Staat angesiedelt ist und dort einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 172; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.30. 2 Kritisch dazu insbesondere im Hinblick auf die Qualifikation von nicht-verrechnungspreiskonformen Vergütungen als generell rein künstliche Gestaltung: Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.31. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.30. 4 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.30. 5 Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bejahend: Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 172. 6 Siehe dazu Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.26. 7 Dabei ist zu klären, ob ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder – wegen der nicht zu kontrollierenden Beteiligung – gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.

Henkel/Klein | 915

8.96

Kap. 8 Rz. 8.97 | Hinzurechnungsbesteuerung verfahrens ausgetauscht werden. Der Informationsaustausch soll es den deutschen Finanzbehörden ermöglichen, die Ausübung der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit durch die ausländische Gesellschaft überprüfen zu können. In Bezug auf EU-Mitgliedstaaten erfolgt die Amtshilfe unmittelbar auf der Grundlage die EU-Amtshilferichtlinie1, in Bezug auf EWR-Staaten2 muss eine vergleichbare zwei- oder mehrseitige Vereinbarung bestehen, die die gleichen Rechte gewährt. Soweit ein anwendbares DBA eine „große Auskunftsklausel“ enthält, wie bspw. die DBA mit Island, Liechtenstein und Norwegen, sollte die erforderliche Vergleichbarkeit gegeben sein, denn eine völlige Deckungsgleichheit fordert der Gesetzeswortlaut nicht.3 gg) Drittstaateneinkünfte

8.97 Der Gegenbeweis ist ausgeschlossen, soweit Einkünfte aus Drittstaaten vorliegen. Dies betrifft Ein-

künfte einer nachgeschalteten Zwischengesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat, die der ausländischen Gesellschaft gem. § 14 AStG zugerechnet werden (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AStG) sowie Einkünfte, die einer Betriebsstätte der ausländischen Gesellschaft, die in einem Drittstaat belegen ist, zuzurechnen sind (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Dieser Ausschluss ist EU-rechtswidrig, wenn die Tätigkeit dem Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterliegt, da diese auch Drittstaateneinkünfte schützt. 5. Niedrige Besteuerung

8.98 Die Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 1 und 6 AStG setzt ferner voraus, dass die von der

ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte einer niedrigen Besteuerung unterliegen (§ 8 Abs. 3 AStG). Die passiven Einkünfte werden niedrig besteuert, wenn ihre gesamte Belastung durch Ertragsteuern unter 25 v.H. liegt4 oder der ausländische Staat eine indirekte Anrechnung gewährt. Zur Ertragsteuerbelastung gehören alle zulasten der ausländischen Gesellschaft im Staat ihres Sitzes, ihrer Geschäftsleitung oder einem Drittstaat erhobenen Ertragsteuern.5 Bezieht die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus aktiver und passiver Tätigkeit (gemischte Einkünfte), sind die aktiven Einkünfte im Rahmen der Steuerbelastungsberechnung außer Betracht zu lassen.6 In die Gesamtbelastung fließen alle tatsächlich anfallenden Ertragsteuern ein;7 ob sie bereits gezahlt sind, ist – anders als z.B. bei § 34c EStG – unerheblich. Eine Niedrigbesteuerung liegt nicht deshalb vor, weil die Einkünfte im Rahmen einer Gruppenbesteuerung bei einer anderen Gesellschaft besteuert werden.8 Seit Abschaffung des Anrechnungsverfahrens im Jahr 2001 gilt die maßgebliche Grenze für die niedrige Besteuerung von 25 % unverändert, obwohl der Körperschaftsteuertarif zwischenzeitlich von 25 auf 15 % abgesenkt wurde. Das Beibehalten dieser Grenze ist als verfassungsrechtlich be-

1 Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15.2.2011; umgesetzt durch das EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG). 2 Ein solches Abkommen hat Deutschland mit Liechtenstein geschlossen (Abkommen v. 2.9.2009, in Kraft getreten am 28.10.2010), so dass der Gegenbeweis für in Liechtenstein ansässige Zwischengesellschaften für VZ ab 2010 möglich ist. A.A. FG Düsseldorf v. 22.1.2015 – 16 K 2858/13 F (rkr), EFG 2015, 629, das die Vergleichbarkeit verneint, selbst in Bezug auf die „große Auskunftsklausel“ nach dem DBA 2011 (BGBl. II 2012, 1463). 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.17; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 169; Kirchhain, IStR 2015, 246, 247 f.; a.A. FG Düsseldorf v. 22.1.2015 – 16 K 2858/13 F (rkr), EFG 2015, 629, das die Vergleichbarkeit auch in Bezug auf die „große Auskunftsklausel“ nach dem DBA-Liechtenstein 2011 (BGBl. II 2012, 1463) verneint. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.1. 5 Vogt in Blümich § 8 AStG Rz. 129; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.1. 6 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.3. 7 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.2. 8 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.2.

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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.100 Kap. 8

denklich einzuschätzen, insbesondere weil die ausländischen Steuern nicht auf die inländische Gewerbesteuer angerechnet werden.1 Unterliegt die ausländische Gesellschaft bspw. einer Besteuerung zwischen 15 und 25 % kommt es im Wege der Hinzurechnungsbesteuerung insgesamt zu einer Steuerbelastung, die diejenige bei einem rein inländischen Sachverhalt übersteigt. Damit wird die Besteuerung ausländischer passiver Einkünfte nicht nur auf das inländische Steuerniveau angehoben, was ursprünglich die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des AStG war, sondern geht noch darüber hinaus.2 Eine solche Form der Übermaßbesteuerung durch Deutschland ist auch in Zeiten zunehmender Kooperationen der Staatengemeinschaft in Besteuerungsfragen eher hinderlich, denn gerade die Ansätze der OECD für eine effektive Hinzurechnungsbesteuerung sehen auch immer Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Zwischeneinkünften vor.3 Zu der Frage, ob die in Fällen eines Anrechnungsüberhangs entstehende Doppelbesteuerung noch verfassungskonform ist, ist bereits ein Verfahren beim BFH anhängig.4 Fallen der Staat des Sitzes und der Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft auseinander, so liegt eine niedrige Besteuerung dann vor, wenn die Steuerbelastung in beiden Staaten zusammen weniger als 25 v.H. beträgt.5

8.99

Ob die 25 %-Grenze unterschritten ist, kann im Regelfall nach dem allgemeinen Ertragsteuersatz des Sitzstaats entschieden werden.6 Ausnahmsweise ist eine konkrete Belastungsrechnung durchzuführen, falls der Normaltarif nicht angewendet wird, oder die Einkünfte im Ausland anders ermittelt werden als nach deutschem Steuerrecht; in diesem Fall ist die Bemessungsgrundlage nach deutschem Recht zu ermitteln und der darauf entfallenden Gesamtsteuerbelastung gegenüberzustellen, hierbei sind allerdings belastungsadäquate Berichtigungen vorzunehmen.7 Nach h.M. ist jedoch die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG nicht anzuwenden.8 Freiwillig gezahlte Steuern ohne entsprechende Steuerfestsetzung durch einen Steuerbescheid sind bei der Belastungsrechnung nicht zu berücksichtigen.9 Grundsätzlich ist die im Ausland festgesetzte und erhobene Steuer maßgeblich für die Ermittlung der maßgeblichen Steuerbelastung nach § 8 Abs. 3 AStG. Dabei ist es unerheblich, wenn die ausländische Gesellschaft im Vorfeld Erklärungen abgegeben hat, die letzt-

8.100

1 Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, 496; ausführlich zur Niedrigbesteuerung: Lüdicke, FS Endres, 2016, 219 ff. 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 8; ausführliche Darstellung der überschießenden Wirkung bei Immobilieninvestitionen: Kraft/Mauch, IWB 2017, 138 (175); zur Kritik an der Struktur der Niedrigbesteuerung Kraft, IStR 2016, 129, der nachweist, dass selbst Deutschland in bestimmten Investitionskonstellationen als Niedrigsteuerland qualifiziert. 3 OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Designing Effective Controlled Foreign Company Rules, Action 3 – 2015 Final Report; Chapter 7 Rules to prevent or eliminate double taxation, S. 65; Radmanesh, IStR 2015, 895, 499 f.; zur Definition der Niedrigbesteuerung in der ATAD: Linn, IStR 2016, 645 (648); zur Frage der Übermaßbesteuerung: Ruh/Ottstadt, IWB 2016, 184. 4 Az. BFH: I R 78/14; Vorinstanz FG Münster v. 30.10.2014 – 2 K 618/11 F, EFG 2015, 351. 5 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 726; Lenz/Heinsen, IStR 2003, 793. 6 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.2.1, vgl. dazu die vom BMF ermittelten Steuersätze in wichtigen Gebieten, Anlagen 1 und 2 zum BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3. 7 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.2.3; zur Berücksichtigung schweizerischer Steuern vgl. BMF v. 23.5.1980 – IV C 5 - S 1351 - 4/80, BStBl. I 1980, 282; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 8 Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 318; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 713; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.3.2.1, die auf Tz. 10.1.1.1 verweist und damit eine Einkünfteermittlung nach § 10 Abs. 3 AStG anordnet; durch das JStG 2008 wurde § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG dahingehend geändert, dass die Anwendung des § 4h EStG und § 8a KStG ausgeschlossen ist. 9 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.2.1.

Henkel/Klein | 917

Kap. 8 Rz. 8.101 | Hinzurechnungsbesteuerung lich zu einer höheren ausländischen Steuer geführt haben.1 Es steht jedoch noch eine höchstrichterliche Klärung zu der Frage aus, ob der Verzicht auf eine niedrige Besteuerung in Form von Ermäßigungen oder Befreiungen als rechtmissbräuchlich anzusehen ist, wenn hierfür keine ersichtlichen oder beachtlichen wirtschaftlichen Gründe bestehen.2

8.101 Unerheblich ist, ob im Ausland allgemein eine niedrige Besteuerung herrscht oder ob die niedrige Besteuerung auf gezielten ausländischen Steuervergünstigungen beruht.3

8.102 Im Rahmen der Ermittlung der Steuerbelastung ist nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 AStG nicht

auf die im Ausland tatsächlich gezahlte, sondern auf die abstrakt geschuldete Steuer abzustellen.4 Ob die ausländische Finanzbehörde die Einkünfte tatsächlich niedriger oder gar nicht besteuert hat, ist nach Ansicht des BFH für die Ermittlung der niedrigen Besteuerung i.S.d. § 8 Abs. 3 AStG unerheblich.5 Infolgedessen ist gem. § 8 Abs. 3 AStG auch eine Minderung der effektiven Steuerbelastung nicht zu berücksichtigen, sofern diese auf einem Ausgleich mit anderen negativen Einkünften aus aktiven Tätigkeiten oder aus passivem Erwerb beruht.

8.103 Mit dem JStG 2010 wurde § 8 Abs. 3 AStG um einen Satz 2 erweitert, nach dem in die Belastungs-

rechnung die Ansprüche einzubeziehen sind, die im Fall einer Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft dem inländischen Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person gewährt werden. Damit sollen insbesondere Fälle erfasst werden, in denen – wie bei einer zweistufigen Struktur in Malta – zwar die untere Gesellschaft nicht niedrig besteuert wird, die Obergesellschaft aber im Fall der Dividendenausschüttung eine weitestgehende Erstattung der Steuer der Untergesellschaft erhält. Die Regelung hat in § 10 Abs. 1 Nr. 1a AStG eine technische Folgeänderung erhalten, mit der die Ansprüche bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags berücksichtigt werden. 6. Freigrenze bei gemischter Tätigkeit

8.104 Für gemischt tätige Gesellschaften gilt gem. § 9 AStG eine Freigrenze: Liegen die passiven Einkünfte unter 10 v.H. der aktiven Bruttoeinkünfte (relative Freigrenze) und erreichen sie höchstens 80 000 Euro (absolute Freigrenze), so bleiben sie außer Ansatz. Es handelt sich um eine Freigrenze, bei deren Überschreitung die gesamten passiven Einkünfte hinzugerechnet werden. Eine allgemeine „Bagatellgrenze“ sehen die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung hingegen nicht vor.6

IV. Hinzurechnung 1. Umfang der Hinzurechnung

8.105 Sind die Voraussetzungen des Grundtatbestandes (§ 7 Abs. 1 AStG) oder des Ergänzungstatbestan-

des (§ 7 Abs. 6 AStG) erfüllt, kommt es zur anteiligen Hinzurechnung der von der ausländischen Gesellschaft erzielten, niedrig besteuerten Einkünfte (Zwischeneinkünfte, § 8 Abs. 1 AStG) bei den an der Gesellschaft beteiligten Steuerinländern. Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1 AStG einerseits und des § 7 Abs. 6 AStG andererseits ist zu prüfen, aufgrund welcher der beiden Vorschriften sich die Hinzurechnungsbesteuerung ergibt. Gem. § 7 Abs. 6 AStG werden die 1 BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729; BMF v. 13.4.2007, BStBl. I 2007, 440; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 323; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 186.1; bejahend wohl für jegliche Steuerfestsetzung auch bei rechtswidrigem, aber nicht nichtigem Steuerbescheid: Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 731. 2 Vgl. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 186.1. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4. 4 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4; FG BW v. 28.10.2004 – 6 K 170/02, IStR 2004, 92; Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 404. 5 BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4. 6 BFH v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255.

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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.108 Kap. 8

Zwischeneinkünfte im Rahmen des Grundtatbestandes sämtlichen, unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern der ausländischen Gesellschaft, unabhängig von ihrer jeweiligen Beteiligungshöhe, zugerechnet, während § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG eine Hinzurechnung grundsätzlich nur für die zu mindestens 1 v.H. beteiligten Steuerinländer vorsieht, es sei denn, die ausländische Gesellschaft erzielt fast ausschließlich Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG). Zur Durchführung der Hinzurechnung werden die passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ermittelt, und – um abzugsfähige ausländische Steuern gekürzt – anteilig mit dem Hinzurechnungsbetrag in die Steuerbemessungsgrundlage der inländischen Steuerpflichtigen einbezogen. Der gesetzliche Aufbau der §§ 10–12 AStG ist verwirrend, da er nicht mit der Abfolge der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages übereinstimmt. Im Einzelnen beruht die Hinzurechnung auf folgenden Schritten.

8.106

2. Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages a) Gewinnermittlung Der Hinzurechnungsbetrag baut auf den niedrig besteuerten, passiven Einkünften auf, die die ausländische Gesellschaft in dem jeweiligen Wirtschaftsjahr erzielt hat. Diese Einkünfte sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (§ 10 Abs. 3 AStG), und zwar so, als wäre die Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig. Die Ermittlung ist sowohl durch Gewinnermittlung nach dem Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG als auch durch Überschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG zulässig. Betreibt die Zwischengesellschaft hingegen nur Vermögensverwaltung und halten die Gesellschafter die Beteiligung im Privatvermögen, sind die Zwischeneinkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG (Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) zu ermitteln.1 Die Einkünfteermittlungspflicht obliegt jedem unmittelbar an der ausländischen Gesellschaft beteiligten, unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter.2 Wenn mehrere Steuerinländer beteiligt sind, sind die Einkünfte nach § 18 AStG i.V.m. § 179 ff. AO gesondert und einheitlich festzustellen. Ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen passiven Einkünften derselben ausländischen Gesellschaft im Wirtschaftsjahr ist möglich. Dagegen können Verluste einer Zwischengesellschaft nicht mit positiven Hinzurechnungsbeträgen anderer Zwischengesellschaften ausgeglichen werden.3 Betriebsausgaben sind abzuziehen, soweit sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den passiven Einkünften stehen (§ 10 Abs. 4 AStG).4

8.107

Steuerliche Vergünstigungen, die nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zustehen oder eine inländische Betriebsstätte voraussetzen, sowie die Steuerbefreiungen gem. § 8b Abs. 1 und 2 KStG und die Regelungen zum Zinsabzug nach § 4h EStG bleiben unberücksichtigt (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG). Dies gilt seit Einführung des SEStEG auch für die Vorschriften des UmwStG, soweit Einkünfte aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG hinzuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um eine Folgeregelung zu der Änderung in § 8 Abs. 1 Nr 10 AStG: Ist eine Umwandlung hiernach nicht aktiv (z.B. weil die Umwandlung auch außerhalb der Einschränkungen des § 1 Abs. 2 und 4 UmwStG nicht zu Buchwerten erfolgen könnte oder die Umwandlung Wirtschaftsgüter betrifft, die gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter bzw. REIT-Einkünfte begründen), werden diese Einkünfte (wie vor Einführung des SEStEG) in die Hinzurechnung einbezogen.5

8.108

1 BFH v. 21.1.1998 – I R 3/86, BStBl. II 1998, 468; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.2. 2 Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 66. 3 BFH v. 21.1.1998 – I R 3/86, BStBl. II 1998, 468; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.3. 4 Aufwendungen für das Aufstellen der Hinzurechnungsbilanz sollen hingegen nicht abzugsfähig sein, BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.3; einschränkender BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 5 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 105.

Henkel/Klein | 919

Kap. 8 Rz. 8.109 | Hinzurechnungsbesteuerung b) Verluste

8.109 Führen Verluste der ausländischen Gesellschaft zu negativen Zwischeneinkünften und insgesamt

zu einem negativen Saldo für den inländischen Steuerpflichtigen, ist der Hinzurechnungsbetrag mit 0 anzusetzen und eine Hinzurechnung unterbleibt.1 Verluste, die die ausländische Gesellschaft in früheren Jahren aus passiven Tätigkeiten erzielt hat, können in entsprechender Anwendung des § 10d EStG bei der Ermittlung früherer und späterer Zwischeneinkünfte derselben ausländischen Gesellschaft abgezogen werden, soweit sie die nach § 9 AStG außer Acht zu lassenden Einkünfte übersteigen (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG).2 Ab dem VZ 2004 ist die Nutzung eines Verlustvortrags aufgrund der Einführung der sog. Mindestbesteuerung in § 10d Abs. 2 EStG nur noch in eingeschränktem Maße möglich.3 c) Abzug ausländischer Steuern

8.110 Steuern, die zulasten der ausländischen Gesellschaft von den passiven Einkünften erhoben worden

sind, können von den der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Einkünften abgezogen werden, jedoch nur soweit, wie sie bereits entrichtet sind; später entrichtete Steuern können in späteren Wirtschaftsjahren von den dann nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünften abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 AStG). Sie reduzieren insoweit den Hinzurechnungsbetrag. Werden abzugsfähige Steuern der ausländischen Gesellschaft erst nach Ablauf des der Hinzurechnung zugrunde liegenden Wirtschaftsjahres entrichtet, geht der Abzug dieser Steuern vom Hinzurechnungsbetrag ins Leere, wenn im Jahr der Entrichtung kein Hinzurechnungsbetrag anfällt oder dieser geringer als die abzugsfähigen Steuern ist. Zur Vermeidung dieses unbilligen Ergebnisses bestimmt § 10 Abs. 3 Satz 6 AStG, dass ein durch den Abzug der Steuern entstehender negativer Hinzurechnungsbetrag in den Verlustabzug nach § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V.m. § 10d EStG einzubeziehen ist. Abzugsfähig sind neben den Steuern des Sitzstaates der Gesellschaft auch in Deutschland und in Drittstaaten erhobene Quellensteuern.4 d) Anrechnung ausländischer Steuern

8.111 Beantragt der inländische Steuerpflichtige statt des Steuerabzugs gem. § 12 AStG die gewöhnlich

günstigere Anrechnung der ausländischen Steuern auf seine Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer, wird der Hinzurechnungsbetrag um die abgezogenen Steuern erhöht. e) Keine Bagatellgrenze

8.112 Die vom ausländischen Betrieb oder der Betriebsstätte erzielten passiven Bruttoerträge sind grund-

sätzlich auch dann hinzuzurechnen, wenn sie weniger als 10 v.H. der gesamten Bruttoerträge der ausländischen Zwischengesellschaft betragen. Nach der Rechtsprechung des BFH enthalten die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung keine allgemeine „Bagatellgrenze“, wonach passive Einkünfte ohne weitere Prüfung im Rahmen einer Unschädlichkeitsgrenze als Nebenerträge aktiver Tätigkeiten anzusehen sind.5 3. Hinzurechnungsquote des Inlandsbeteiligten

8.113 Sind an der ausländischen Gesellschaft mehrere Personen beteiligt, so kann der Hinzurechnungsbetrag nur anteilig hinzugerechnet werden. Die Hinzurechnungsquote bestimmt sich gem. § 7

1 Vogt in Blümich § 10 AStG Rz. 106. 2 Vgl. hierzu auch BFH v. 5.6.2002 – I R 115/00, BFH/NV 2002, 1549; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.5. 3 Zur Anwendung des § 8c KStG im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung: Weiss, NWB 2016, 1360. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.2.1. 5 BFH v. 15.9.2004 – I R 102-104/03, BStBl. II 2005, 255.

920 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.117 Kap. 8

Abs. 1 AStG nach der dem jeweiligen Steuerinländer zuzurechnenden Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft. Bei der Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft muss es sich um eine unmittelbare Beteiligung handeln.1 Ist für die Gewinnverteilung der ausländischen Gesellschaft nicht die Beteiligung am Nennkapital maßgebend oder hat die Gesellschaft kein Nennkapital, so ist für die Aufteilung des Hinzurechnungsbetrages der Maßstab der Gewinnverteilung entscheidend (§ 7 Abs. 5 AStG). Beim Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG gibt es nur auf der Tatbestandsebene eine Mindestbeteiligungsquote (Beteiligung von mehr als 50 v.H. durch Steuerinländer). Für die Rechtsfolge der Hinzurechnung besteht dagegen kein Mindestbeteiligungserfordernis. Auch Steuerinländer, die lediglich einen Zwerganteil von unter 1 % an der ausländischen Gesellschaft halten, können dementsprechend unter die Hinzurechnungsbesteuerung des § 7 Abs. 1 AStG fallen, sofern die Gesellschaft insgesamt durch Steuerinländer beherrscht ist.

8.114

Beim Ergänzungstatbestand des § 7 Abs. 6 AStG ist die Hinzurechnung nur gegenüber demjenigen Steuerinländer vorzunehmen, der zu mindestens 1 v.H. an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, es sei denn, die ausländische Gesellschaft erzielt (fast) ausschließlich Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG).

8.115

4. Ansatz des anteiligen Hinzurechnungsbetrages beim Inlandsbeteiligten Gemäß § 10 Abs. 2 AStG gehört der beim Inlandsbeteiligten anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG sowie das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG sind auf den Hinzurechnungsbetrag nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Der Ansatz des Hinzurechnungsbetrages erfolgt in der Sekunde nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft. Entspricht das Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft dem Kalenderjahr, gilt der Hinzurechnungsbetrag als am 1.1. des Folgejahrs zugeflossen.2 Es kommt folglich zu einer zeitlich verschobenen Hinzurechnung. Ist der Hinzurechnungsbetrag negativ, entfällt die Hinzurechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 3 AStG); der negative Betrag wird im Wege des Verlustvortrags mit künftigen positiven Hinzurechnungsbeträgen verrechnet (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG).

8.116

Spätere Gewinnausschüttungen der Zwischengesellschaft sind nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG steuerfrei, soweit Hinzurechnungsbeträge im Jahr der Gewinnausschüttung und den vorangegangenen sieben Kalenderjahren der Einkommensteuer unterlegen haben, § 11 Abs. 1 und 2 AStG hinsichtlich Veräußerungsgewinnen nicht anzuwenden war und der Inlandsbeteiligte dies nachweist. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ist zwar eine Regelung für die Einkommensteuer. Gleichwohl besteht weitgehend Einigkeit, dass § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG auch auf Körperschaften anzuwenden ist.3 Entsprechendes gilt gem. § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG im Fall von Gewinnen aus der Veräußerung eines Anteils an einer Zwischengesellschaft. Wird die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten, unterliegt der Hinzurechnungsbetrag gem. § 7 Abs. 1 GewStG auch der Gewerbesteuer.4 Weil das Gewerbesteuergesetz konzeptionell auf den in1 Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 29; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 12.1. 2 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 45. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Anm. 189 m.w.N.; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 60; so wohl auch die Finanzverwaltung wegen der Aufnahme des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG in die Liste der anwendbaren Vorschriften des EStG für Zwecke der Körperschaftsteuer in R 8.1 Abs. 1 KStR 2015. 4 Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 60; siehe auch Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 37; nach BFH v. 19.7. 2010 – I R 36/09, BStBl. II 2010, 1020 schlägt die außerbilanzielle Hinzurechnung gem. § 10 AStG auf die Gewerbesteuer durch; a.A. Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 354.

Henkel/Klein | 921

8.117

Kap. 8 Rz. 8.118 | Hinzurechnungsbesteuerung ländischen stehenden Gewerbebetrieb ausgerichtet ist, unterliegen ausländische Erträge in aller Regel nicht der Gewerbesteuer, was durch entsprechende Kürzungsvorschriften sichergestellt wird. Daher sollte der Inlandsbezug der Gewerbesteuer auch einer Besteuerung des Hinzurechnungsbetrags mit Gewerbesteuer entgegenstehen.1 Dies wird zum Teil dadurch erreicht, das der im Gewerbeertrag nach § 7 GewStG enthaltene Hinzurechnungsbetrag ebenso wie ausländliche Betriebsstätteneinkünfte nach § 9 Nr. 3 GewStG wieder zu kürzen sind.2 Dieser Auffassung schloss sich der BFH in seiner Entscheidung vom 11.3.2015 an.3 Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen und belegte das Urteil mit einem Nichtanwendungserlass.4 Als Reaktion auf das BFH-Urteil hat der Gesetzgeber mit Gesetz vom 20.12.20165 den § 7 GewStG u.a. um einen neuen Satz 7 ergänzt, wonach Hinzurechnungsbeträge i.S. des § 10 Abs. 1 AStG Einkünfte sind, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen. Dadurch ist eine Anwendung des § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG auf Hinzurechnungsbeträge ab dem VZ 2016 ausgeschlossen.6 Laut Auffassung der Finanzverwaltung hat diese Ergänzung lediglich klarstellende Bedeutung und ist daher auch für Zeiträume vor dem VZ 2016 zu beachten.7 In Bezug auf diese Rückwirkung ist bereits ein finanzgerichtliches Verfahren anhängig, das von der Finanzverwaltung als Musterverfahren geführt wird.8 Gewinnausschüttungen der Zwischengesellschaft sind gem. § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG i.V.m. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ebenfalls von der Gewerbesteuer ausgenommen.

8.118 Wird die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft über eine in- oder ausländische Personen-

gesellschaft gehalten, wird der Hinzurechnungsbetrag nicht direkt bei den inländischen Anteilseignern der Personengesellschaft, sondern bei der an der ausländischen Gesellschaft unmittelbar beteiligten Personengesellschaft angesetzt; er geht dann anteilig in den den inländischen Gesellschaftern zuzurechnenden Gewinnanteil der Personengesellschaft ein.9

V. Änderungen des Hinzurechnungsbetrages 1. Kürzung um Veräußerungsgewinne

8.119 Der im Rahmen des UntStFG neu gefasste § 11 AStG betrifft Gewinne der ausländischen Zwi-

schengesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen an einer anderen ausländischen Gesellschaft (Untergesellschaft), die ihrerseits Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter i.S.d. § 7 Abs. 6a AStG erzielt hat. Thesauriert die Untergesellschaft Gewinne, die nach § 14 AStG der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, tritt im Fall der Veräußerung der Anteile durch die ausländische Zwischengesellschaft eine Doppelbelastung ein, da der Veräußerungsgewinn der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, soweit er auf Wirtschaftsgüter entfällt, die der Erzielung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter oder REIT-Gesellschaften dienen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Zur Vermeidung der Doppelbelastung sieht § 11 AStG eine Kürzung des Hinzurechnungsbetrags um den Veräußerungsgewinn vor, soweit dieser auf innerhalb der letzten sieben Wirtschafts- oder

1 Köhler in S/K/K, vor §§ 7–14 AStG Rz. 22. 2 Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 105; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Anm. 186 ff. 3 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049 = ISR 2015, 276 m. Anm. Quilitzsch. 4 Gleichlautende Ländererlasse v. 14.12.2015, BStBl. I 2015, 1090. 5 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 6 Ziegelmeier, StuB 2017, 147, 149 mit ausführlicher Darstellung der Abfolge bis zum Erlass des „Nichtanwendungsgesetzes“. 7 OFD NRW, DB 2017, 1118. 8 Az. FG Münster: 9 K 401/17 G. 9 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Anm. 82; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Rz. 7.3, 18.1.1.2.

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B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.121 Kap. 8

Kalenderjahre bereits hinzugerechneten, aber thesaurierten Einkünften beruht.1 Der Steuerpflichtige hat das Vorliegen der Entlastungsvoraussetzungen nachzuweisen. Eine entsprechende Kürzung erfolgt für Gewinne aus der Auflösung oder Kapitalherabsetzung der Untergesellschaft. 2. Steueranrechnung § 12 Abs. 1 AStG räumt dem jeweiligen an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Steuerinländer die Möglichkeit ein, die nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbaren Personensteuern2 auf Antrag auf seine Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf den Hinzurechnungsbetrag anzurechnen. In diesem Fall ist gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG der Hinzurechnungsbetrag um diese Steuern zu erhöhen. Die Steueranrechnung ist für den inländischen Steuerpflichtigen regelmäßig günstiger als der Steuerabzug. Für die Steueranrechnung gelten gem. § 12 Abs. 2 AStG die Vorschriften des § 34c Abs. 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 und 6 KStG entsprechend.

8.120

Die Erhöhung gilt gleichfalls für die Gewerbesteuer, da der Hinzurechnungsbetrag nun Teil des Gewerbeertrags gem. § 7 Satz 7 GewStG ist.3 Der Vorteil der Anrechnung bewirkt den Nachteil einer höheren Gewerbesteuerbelastung. Zudem ist weiterhin nicht die Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Gewerbesteuer vorgesehen, was zu einer Doppelbesteuerung führen kann.4 Obwohl die Niedrigbesteuerungsgrenze weiterhin bei 25 % liegt, beträgt der Körperschaftsteuersatz nur 15 %, was zu nennenswerten Anrechnungsüberhängen führen kann, die nicht für Zwecke der Gewerbesteuer genutzt werden können. Damit wird das Besteuerungsniveau letztlich über das inländische Maß hinaus angehoben, wodurch die Hinzurechnungsbesteuerung den Charakter einer Strafbesteuerung erhält, was mit dem verfassungsrechtlichen Gebot einer leistungsgerechten Besteuerung nicht mehr vereinbar ist.5 Da die ausländischen Steuern nur im Zeitpunkt ihrer Entrichtung anrechenbar sind, der Hinzurechnungsbetrag u.U. aber in einem anderen VZ steuerpflichtig ist, kann es zu Schwierigkeiten bei der Anrechnung kommen.6 In einem solchen Fall empfiehlt sich ein Antrag nach § 163 Satz 2 AO.7 Durch die tatsächliche Ausschüttung der Zwischeneinkünfte können Steuern anfallen (ausländische Quellensteuern), die nicht nach § 12 Abs. 1 und 2 AStG angerechnet werden können, weil sie nicht von der Zwischengesellschaft und deren Zwischeneinkünften erhoben werden; sie können auch nicht auf die tatsächlich erfolgte Ausschüttung angerechnet werden, da diese gemäß § 3 Nr. 41 EStG bzw. § 8b KStG steuerfrei ist.8 § 12 Abs. 3 i.d.F. des UntStFG löst dieses Problem, indem er – zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung – auf Antrag die rückwirkende Anrech1 Das BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 verlangt in Tz. 11.1, dass die Zwischeneinkünfte „bei dem Steuerpflichtigen“ der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben müssen. 2 Dazu zählen neben den zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhobenen ausländischen Ertragsteuern auch inländische Steuern sowie Vermögensteuer; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 12.1.1 und 12.1.2. 3 Zur Rechtslage vor Ergänzung des § 7 GewStG a.A. BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049 = ISR 2015, 276 m. Anm. Quilitzsch; v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 12 AStG Anm. 16 f. 4 van Lück, IWB 2016, 478, 481; eine Aufteilung des Volumens der Steueranrechnung und Beschränkung auf eine Steuerart ist nicht zulässig; BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 12 AStG Anm. 49. 5 Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 281, 286; Schnitger, IStR 2016, 637, 641; Thiel, FR 2007, 729, 730. 6 Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 14; zu zeitlichen Verschiebungen aufgrund Steuervorraus- und -nachzahlungen vgl. Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 11; zum Zeitpunkt der Steuerpflicht des Hinzurechnungsbetrages vgl. Rz. 8.116. 7 Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 11. 8 Vgl. Vogt in Blümich § 12 AStG Rz. 19.

Henkel/Klein | 923

8.121

Kap. 8 Rz. 8.122 | Hinzurechnungsbesteuerung nung dieser Steuern auf die von den Zwischeneinkünften erhobene Steuer oder alternativ den Abzug vom Hinzurechnungsbetrag dieser Zwischeneinkünfte zulässt. Seit dem JStG 2008 wird diese Erleichterung nicht nur für die ESt, sondern auch für die KSt gewährt.

VI. Mehrstufige Beteiligungsverhältnisse 1. Übertragende Zurechnung

8.122 Hält die ausländische Gesellschaft (Obergesellschaft) eine Beteiligung an einer weiteren auslän-

dischen Gesellschaft (Untergesellschaft), so liegt ein mehrstufiges Beteiligungsverhältnis vor. Damit die Hinzurechnungsbesteuerung bei solchen mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen nicht leerläuft, wird die Hinzurechnungsbesteuerung auf jeder Beteiligungsstufe gesondert geprüft. Ist auf der Ebene der Untergesellschaft ein Hinzurechnungstatbestand erfüllt, wird der Hinzurechnungsbetrag bei der Obergesellschaft im Wege der übertragenden Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG erfasst („übertragende Zurechnung“). Die Hinzurechnung ist von dem tatsächlichen Dividendenverhalten der Untergesellschaft abgekoppelt, denn Ausschüttungen der Untergesellschaft an die ausländische Obergesellschaft führen bei ihr zu aktiven Einkünften (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG).

8.123 In die übertragende Zurechnung fließen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AStG grundsätzlich zunächst alle niedrig besteuerten Einkünfte der Untergesellschaft ein, unabhängig, ob sie aktiv oder passiv sind. Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit nachzuweisen, dass es sich um aktive Einkünfte handelt, die von der Zurechnung auszunehmen sind. Damit ergibt sich eine Umkehr der Beweislast zulasten des Steuerpflichtigen.1

8.124 Von der Zurechnung nicht erfasst sind darüber hinaus die passiven Tätigkeiten der Untergesell-

schaft, die nachweislich eigenen aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1–6 AStG der ausländischen Obergesellschaft dienen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. i.V.m. Satz 2 AStG), und die nicht zu den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6a AStG) zählen. Dieses Funktionsprivileg soll jedoch nur im Verhältnis der Untergesellschaft zur Obergesellschaft eingreifen, nicht jedoch, soweit an der Untergesellschaft andere Gesellschafter beteiligt sind, zu denen keine solche dienende Funktion besteht.2

Ferner verweist § 14 AStG auf § 8 Nr. 10 AStG, womit der Gesetzgeber klargestellt hat, dass die bei Untergesellschaften stattfindenden Umwandlungen dann nicht zu Zwischeneinkünften führen, wenn vergleichbare Vorgänge im Inland steuerneutral möglich wären.3

8.125 Für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte ist für jede Untergesellschaft eine Hinzurechnungs-

bilanz zu erstellen. Gewinne und Verluste einer Untergesellschaft sind zu saldieren. Ein Verlust der Untergesellschaft ist der ausländischen Obergesellschaft zuzurechnen.4 Der eigenständige Zurechnungsbegriff in § 14 bewirkt, dass nicht nur positive, sondern auch negative passive Einkünfte der Untergesellschaft zuzurechnen sind.5 Zurechnungsempfänger ist die Obergesellschaft, die diese mit eigenen positiven oder negativen passiven Einkünften verrechnen kann. Die Zurechnung bei der Obergesellschaft erfolgt eine logische Sekunde vor Ablauf des Wirtschaftsjahres der Untergesellschaft, das die Zurechnung der Hinzurechnung logisch vorangeht.6 Auf der Ebene der Ober1 Kritisch hierzu Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 38; Wassermeyer, IStR 2003, 665; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 2 Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 38; Mössner in Brezing u.a., § 14 AStG Rz. 57; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 52. 3 Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 49. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.6 f. 5 Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 75 ff.; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 57. 6 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868, 871; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 53.

924 | Henkel/Klein

B. Tatbestand und Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung | Rz. 8.130 Kap. 8

gesellschaft kommt es nicht zu einer Umqualifikation der Einkünfte, sondern die auf der Ebene der Untergesellschaft vorgenommene Einkünftequalifikation bleibt erhalten, was insbesondere eine Infizierung der aktiven Tätigkeiten der Obergesellschaft vermeidet.1 2. Beteiligungsverhältnisse Für den Grundtatbestand der Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG ist unstreitig, dass die ausländische Obergesellschaft gem. § 7 Abs. 2 AStG allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen zu mehr als der Hälfte an der Untergesellschaft beteiligt, also inlandsbeherrscht, sein muss.2

8.126

Umstritten ist demgegenüber, welches Beteiligungsverhältnis an der Untergesellschaft maßgebend ist, wenn es um Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (Ergänzungstatbestand) geht. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei diesen Einkünften eine Zurechnung i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 AStG bereits ab einer Beteiligungshöhe von 1 v.H. gem. § 7 Abs. 6 Satz 1 AStG bzw. ohne Mindestbeteiligungshöhe gem. § 7 Abs. 6 Satz 3 erfolgt.3 Nach anderer Auffassung erfolgt auch bei Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter eine Zurechnung nur, sofern eine Inländerbeherrschung der ausländischen Untergesellschaft i.S.d. § 7 Abs. 2 AStG vorliegt.4

8.127

Hält die ausländische Untergesellschaft weitere Beteiligungen, gelten die Vorschriften über „nachgeschaltete Zwischengesellschaften“ entsprechend (§ 14 Abs. 3 AStG).

8.128

3. Ausschüttung und Weiterausschüttung Schüttet die Untergesellschaft ihre Erträge an die Obergesellschaft aus, so entstehen bei der Obergesellschaft aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG). Insoweit kommt es zu keiner Hinzurechnungsbesteuerung beim Inlandsbeteiligten. Schüttet die ausländische Obergesellschaft die Beteiligungserträge an den Inlandsbeteiligten aus, sind diese gem. § 3 Nr. 41 EStG vollständig steuerfrei gestellt. Ausländische Quellensteuern, die auf diese Dividenden erhoben werden, können auf Antrag vom betreffenden Hinzurechnungsbetrag abgezogen oder auf die Hinzurechnungssteuer angerechnet werden (§ 12 Abs. 3 AStG).5 Die unter § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG fallenden Einkünfte werden gem. § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG zudem von der Gewerbesteuer ausgenommen. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, nach der Ausschüttungen regelmäßig zu passiven Einkünften führten, ist ein mehrstufiger Konzernaufbau nach geltendem Recht somit nicht zwingend von Nachteil.

8.129

Veräußert die ausländische Obergesellschaft die Anteile an der ausländischen Untergesellschaft, ist der Veräußerungsgewinn bei der Obergesellschaft grundsätzlich aktiv, es sei denn, dass die Ausnahmetatbestände (bei der Untergesellschaft liegen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter vor, oder sie ist eine REIT-Gesellschaft) eingreifen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG). Findet in diesen Ausnahmefällen keine Gewinnausschüttung statt, erhöht sich der Veräußerungsgewinn um die thesaurierten Gewinne, sodass eine Mehrfacherfassung droht. Um dies zu vermeiden, ist der Hinzurech-

8.130

1 Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 83. 2 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 13.229 m.w.N.; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 9 f.; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Anm. 18 ff.; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.0.1. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.0.4; so auch Köhler, IStR 1994, 108 f.; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 31 ff.; differenziert Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 37 ff.; zur Anwendung auf eine Untergesellschaft, die ein Investmentvermögen ist: Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 43 ff. 4 Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 7; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Anm. 22, 71 ff.; Rättig/Protzen, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, IStR 2004, 625. 5 Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 21; zur Frage, ob § 12 Abs. 3 AStG auch auf Gewinnausschüttungen einer Untergesellschaft anzuwenden ist: Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 20 m.w.N.

Henkel/Klein | 925

Kap. 8 Rz. 8.131 | Hinzurechnungsbesteuerung nungsbetrag gem. § 11 AStG um den Teil des Veräußerungsgewinns zu kürzen, für den die Einkünfte der veräußerten Gesellschaft der Besteuerung gem. § 14 AStG unterlegen haben und keine Ausschüttung dieser Einkünfte erfolgte.

VII. Verfahren 8.131 Gemäß § 18 AStG ist ein gesonderter Feststellungsbescheid (Hinzurechnungsbescheid) zu erlas-

sen, der gegenüber allen unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern einheitlich vorgenommen wird (§ 18 Abs. 1 Satz 1 AStG). Der Feststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung für die Befreiung nach § 3 Nr. 41 EStG.1 Im Fall von nachgeschalteten Zwischengesellschaften i.S.d. § 14 AStG findet ein zweistufiges Feststellungsverfahren statt, nämlich ein Verfahren zur Feststellung der Einkünfte der Untergesellschaft und ihrer Zurechnung zur ausländischen Obergesellschaft (Zurechnungsbescheid) und ein zweites Verfahren zur Feststellung des Hinzurechnungsbetrags (Hinzurechnungsbescheid).2

1 Vogt in Blümich, § 18 AStG Rz. 6. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.4.2.

926 | Henkel/Klein

4. Teil Inlandsaktivitäten ausländischer Unternehmen (Inbound-Investitionen) Kapitel 9 Beteiligung an inländischen Personengesellschaften A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften I. Überblick über die Besteuerung von Personengesellschaften im deutschen Steuerrecht 1. Grundsatz: Einkommensteuerliche Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Grundformen der Personengesellschaften . . . . . . . . . II. Beschränkte Steuerpflicht im NichtDBA-Fall (rein nationales Recht) 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils und der Sondervergütungen a) Gewerbliche Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewerbliche Einkünfte als Grundvoraussetzung . . . . . . bb) Betriebsstätte als inländisches Anknüpfungsmerkmal . . . . . cc) Umfang der beschränkt steuerpflichtigen gewerblichen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensverwaltende Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiberufler-Personengesellschaft . d) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeit . . . . . . bb) Beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . 4. Drittstaateneinkünfte . . . . . . . . . . III. Verteilung des Besteuerungsrechts im DBA-Fall 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung des Gewinnanteils a) Gewerblich tätige Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . b) Auch gewerblich tätige Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . .

_

9.1

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9.6 9.7

3.

9.11

9.15 9.16 9.22

4. 5.

9.29 9.31 9.38 9.42 9.43 9.47 9.52 9.59

9.64 9.70 9.74

6.

c) Gewerblich geprägte Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . d) Vermögensverwaltende Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . e) Freiberufler-Personengesellschaften aa) Behandlung gemäß Art. 14 OECD-MA vor 2000 . . . . . . bb) Behandlung gemäß Art. 7 OECD-MA . . . . . . . . . . . . f) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung von Sondervergütungen a) DBA mit Sonderregelungen zu Sondervergütungen . . . . . . . . . . b) Dem OECD-MA entsprechende DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . bb) Sonderregelung des § 50d Abs. 10 EStG (1) Entwicklung und Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . (2) Anwendungsbereich von § 50d Abs. 10 EStG . . . . . . . Besteuerung im Verlustfall . . . . . . . Drittstaateneinkünfte a) Problemstellung und Lösung auf Grundlage des OECD-MA . . . . . b) Abkommensspezifische Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikationskonflikte . . . . . . . . .

C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft . D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters I. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Buchführungspflicht . . . . . . . . . . III. Gesamthandsvermögen . . . . . . . . IV. Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . V. Übertragung von Wirtschaftsgütern 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischen Gesellschaftern . . . . . . . .

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9.78 9.87 9.88 9.89 9.91 9.92 9.93 9.94 9.95

9.101 9.106 9.117 9.118 9.126 9.131 9.136

__ __ _ __

9.140 9.141 9.143 9.147 9.155 9.157 9.168

Mick/Dyckmans | 927

Kap. 9 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften VI. Anwendung des § 1 AStG 1. Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu nahestehenden ausländischen Personen . . . . . . . . 3. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu ihren ausländischen Gesellschaftern . . . . . . . . VII. Auslandsbetriebsstätten der Personengesellschaft . . . . . . . . . VIII. Beteiligung an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Besonderheiten im Zusammenhang mit der Zinsschranke (§ 4h EStG) 1. Personengesellschaften als Betrieb im Sinne der Zinsschranke . . . . . . 2. Betriebseigenschaft bei beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . 3. Zinsaufwendungen/Zinserträge . . .

_ _ _ _ _

9.169 9.173 9.174 9.179 9.180

X. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begünstigte Besteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns II. Nachversteuerung 1. Nachversteuerung auslösende Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerbelastung im Zeitpunkt der Nachversteuerung . . . . . . . . . . . . F. Beendigung und Strukturwechsel I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . .

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9.186 9.192 9.196

II. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Realteilung . . . . . . . . . . . . . . . . V. Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . G. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . .

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9.197 9.198 9.201

9.206 9.207 9.209 9.210 9.214 9.216 9.218 9.221

Literatur: Adrian/Franz, Änderungen der Unternehmensbesteuerung durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, BB 2013, 1879; Altmeppen, Schutz vor „europäischen“ Kapitalgesellschaften, NJW 2004, 97; Bäumer, Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – einzelne Anwendungsprobleme mit Lösungsansätzen, DStR 2007, 2089; Becker/Günkel, Betriebsaufspaltung über die Grenze, in Raupach/Uelner (Hrsg.), Ertragsbesteuerung, FS für Schmidt, München 1993, 483; Bellstedt, Steuerpflicht des ausländischen Sozius einer deutschen Rechtsanwaltssozietät?, IWB (5/1991), Fach 2, 521; Bellstedt, Einkommensteuer der Internationalen Sozietät, IStR 1995, 361; Bernütz/Loll, Finaler Betriebsstättenverlust und negativer Progressionsvorbehalt bei (Freiberufler-)Personengesellschaften, DStR 2015, 1226; Beutel/Rehberg, National Grid Indus – Schlusspunkt der Diskussion oder Quell neuer Kontroverse zur Entstrickungsbesteuerung?, IStR 2012, 94; Blumers/Zillmer, Das neue BMF-Schreiben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, BB 2010, 1375; Bodden, Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG im Gesamtgefüge der Einkommensbesteuerung, FR 2012, 68; Bodden, Die Neuregelung des § 50i EStG durch das StÄndAnpG-Kroatien, DB 2014, 2371; Boller/Eilinghoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Boller/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG ist doch ein zahnloser Tiger – Replik zu Frotscher (IStR 2009, 593), IStR 2009, 852; Brandenberg, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, DStZ 2015, 393; Brinkmann/Reiter, National Grid Indus: Auswirkungen auf die deutsche Entstrickungsbesteuerung, DB 2012, 16; Brocke/Peter/Albrecht, Schicksal einer Schlussbesteuerung in den Händen wegziehender Gesellschaft, IWB 2011, 939; Bron, Betriebsbegriff und beschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Zinsschrankenregelung der §§ 4h EStG und 8a KStG, IStR 2008, 14; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 592; Buciek, Zuordnung einer Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen und die Reichweite einer tatsächlichen Verständigung, HFR 2008, 685; Bullinger, Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie ab 2005: Erweiterung des Anwendungsbereichs und verbleibende Probleme, IStR 2004, 406; Carlé, Rechtsprechungstendenzen beim gewerblichen Grundstückshandel, DStZ 2009, 278; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personalgesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten – Ableitung einer rechtsformneutralen Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im internationalen Steuerrecht, Diss., Berlin 2004; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im internationalen Steuerrecht durch das Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz, DStR 2017, 281; Ditz/Tcherveniachki, Zuordnung von Beteiligungen an KapGes. zur Betriebsstätte einer Holding-PersGes., DB 2015, 2897; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Das Jahressteuergesetz 2009 – Ausgewählte Aspekte der Unternehmensbesteuerung, BB 2009, 580; Dorn, Sondervergütungen im Abkommensrecht: Führt der „neue“ § 50d Abs. 10 EStG endlich ans gewünschte Ziel?, BB

928 | Mick/Dyckmans

Beteiligung an inländischen Personengesellschaften | Kap. 9 2013, 3038; Eckert, Besteht die Gefahr der Gewerblichkeit bei einer multinationalen Rechtsanwaltssozietät?, IStR 1999, 478; Ege, Beschränkte Steuerpflicht – Systematik und aktuelle Entwicklungen, DStR 2010, 1205; Engers/Dyckmans, Die Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG, Ubg 2011, 929; Feldgen, Die Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, IWB 2010, 232; Fischer, B., Grenzüberschreitende Einkünfte in Betriebsstätten, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 163; Fischer, B., Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG – Bewertung aus Sicht eines international tätigen deutschen Personengesellschaftskonzerns, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung – FS für Schaumburg, Köln 2009, 319; Fischer, P., Gedankensplitter zu den Typen „Gewerbebetrieb“ und „Vermögensverwaltung“, DStR 2009, 398; Franz/Voulon, „Der BFH stellt § 50d Abs. 10 EStG auf das Abstellgleis“ – Zugleich eine Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010 – I R 74/ 09, BB 2011, 166; Franz/Voulon, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Status quo und Perspektiven, BB 2011, 1111; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; FW, Anmerkung zu BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, IStR 1994, 80; Gebhardt/Quilitzsch, Erste höchstrichterliche Entscheidung zu § 50d Abs. 10 EStG – Implikationen und offene Fragen, BB 2011, 669; Gebhardt, Zur Anwendung von § 50d Abs. 10 EStG im Hinblick auf aktives und passives Sonderbetriebsvermögen (II), IStR 2015, 808; Gocksch, Die Anwendbarkeit von § 1 AStG auf Entnahmesachverhalte, IStR 2002, 181; Goebel/Eilinghoff/Schmidt, Grenzüberschreitend gezahlte Sondervergütungen – § 50d Abs. 10 EStG greift im Inboundfall nicht, DStZ 2011, 74; Goebel/Liedtke/Schmidt, FG München: Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG im Inboundfall, IWB 2010, 7; Goebel/Ungemach, Gewerblich geprägte Personengesellschaft abkommensrechtlich kein Unternehmen – Anmerkung zum Urteil des FG Köln vom 13.8.2009, DStZ 2010, 257; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer/Internationales Steuerrecht/Doppelbesteuerung – FS für Wassermeyer, München 2005, 263; Gosch, Keine „Steuerentstrickung“ bei Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – Praxis-Hinweise zur BFH-Entscheidung I R 77/06 vom 17.7.2008, BFH-PR 2008, 499; Gosch, Über das Nichtanwenden höchstrichterlicher Rechtsprechung – aufgezeigt am Beispiel der Spruchpraxis des I. 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Kap. 9 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften ten vom 16.4.2010, DStR 2010, 1357; Hruschka, Anmerkung zum EuGH-Urteil v. 29.11.2011 – C-371/10, DStR 2011, 2443; Hruschka, Anmerkung zum EuGH-Urteil C-371/10 vom 29.11.2011, DStR 2011, 2343; Hruschka, Das neue BMF-Schreiben zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften, DStR 2014, 2421; Hruschka, Das neue BMF-Schreiben zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften, IStR 2014, 785; Huschke/Hartwig, Das geplante Jahressteuergesetz 2009: Auswirkungen auf Vermietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 745; Ismer/Baur, Verfassungsmäßigkeit von Treaty Overrides, IStR 2014, 421; Ismer/Kost, Sondervergütungen unter dem DBA-USA, IStR 2007, 120; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 5. 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Die Besteuerung grenzüberschreitender Mitunternehmerschaften geht in die nächste Runde, IStR 2013, 801; Kudert/ Kahlenberg, Musterfälle zu Treaty Override-Regelungen im EStG und KStG (Teil 1), PIStB 2014, 158; Kudert/Kahlenberg/Mroz, Umfassende Verschärfung von § 50i EStG im Rahmen des „Kroatiengesetzes“, ISR 2014, 257; Kudert/Hagemann/Kahlenberg, Anwendung von DBA auf Personengesellschaften, IWB

930 | Mick/Dyckmans

Beteiligung an inländischen Personengesellschaften | Kap. 9 2014, 892; Kudert/Schade, Steuerliche Behandlung von Beteiligungsveräußerungen an deutschen Immobilienpersonengesellschaften im Abkommensrecht, IStR 2017, 605; Kussmaul/Ruiner/Schappe, Problemfälle bei der Anwendung der Zinsschranke auf Personengesellschaften, DStR 2008, 904; Lang, Betriebsstättenvorbehalt und Ansässigkeitsstaat, in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), FS für Raupach, Köln 2006, 601; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lange, Die abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen, GmbH-StB 2009, 128; Lange, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften – Wie sind die Aussagen des BMF einzuordnen?, EStB 2010, 226; Lehner, Treaty Override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lendewig/Jaschke, Die Erneuerung der allgemeinen Entstrickungsvorschriften durch das JStG 2010, StuB 2011, 90; Letzgus, Das BMF-Schreiben vom 16.4.2010 zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, Ubg 2010, 425; Letzgus, Erste Judikatur zum BMF-Schreiben vom 16.4.2010 – vom Kampf der Gewalten, Ubg 2010, 513; Lieber, Personengesellschaften mit grenzüberschreitenden Rechtsbeziehungen, IWB 2010, 351; Liekenbrock, „Steuerfreie“ Entstrickung oder § 50i EStG?, IStR 2013, 690; Liekenbrock, §50i EStG reloaded! Was ist nun zu tun?, DStR 2017, 172; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Loose/Oskamp, Entlastung von deutschen Abzugsteuern nach Tz. 2.1.2. der Neufassung des BMF-Schreibens zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, Ubg 2014, 630; Loose/Wittkowski, Folgen der aktuellen BFH-Rechtsprechung zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Wegzugsfälle nach § 6 AStG, IStR 2011, 68; Löwenstein/Heinsen, Anwendung der Grundsätze zum Dotationskapital auch bei grenzüberschreitenden mitunternehmerischen Beteiligungen an Personengesellschaften?, IStR 2007, 301; Lüdemann/Wildfeuer, Einkünftequalifikation bei Laborarztpraxen, BB 2000, 589; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/98, 449; Lüdicke, Anmerkung zu dem BFH-Urteil I R 14/01 vom 7.11.2001, DStR 2002, 671; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Lüdicke, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Schön/Hüttemann (Hrsg.), Die Personengesellschaft im Steuerrecht – Gedächtnissymposium für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln, 2011, 95; Lüdicke, Gedanken zu § 50i EStG, FR 2015, 128; Meining, Gesellschaft mit überwiegend aus Grundbesitz bestehendem Vermögen i.S.d. deutschen Doppelbesteuerungsabkommen im Inbound-Fall, Ubg 2017, 34; Meining/Telg, Zweifelsfragen bei der Anwendung der Zinsschranke auf beschränkt steuerpflichtige Objektkapitalgesellschaften mit abweichendem Wirtschaftsjahr, IStR 2008, 507; Mensching, Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 – Auswirkungen auf beschränkt steuerpflichtige Investoren, DStR 2009, 96; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Meyer/Sterner, Thesaurierung und Nachversteuerung – BMF-Schreiben und JStG 2009, Ubg 2008, 733; Mitschke, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2008, 1144; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BHF-Urteil I R 77/06, FR 2009, 266; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Mitschke, Das Treaty Override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Mitschke, Keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung der Entstrickungsregelungen des JStG 2010, FR 2011, 706; Mitschke, Kommentar zu BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, FR 2011, 182; Mitschke, Das EuGH-Urteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Mitschke, National Grid Indus – Ein Phyrrussieg für die Gegner der Sofortversteuerung?, IStR 2012, 6; Mitschke, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei PersGes und gewerblich geprägte PersGes im internationalen Steuerrecht nach dem AmtshilfeRL-UmsG, FR 2013, 694; Mitschke, Deutsche Zahlungsstreckungsmethode ist europarechtskonform, IStR 2015, 443; Mitschke, Anmerkung zum BVerfG-Beschluss 2 BvL 1/12 vom 15.12.2015, DStR 2016, 359; Mitschke, Schlussurteil zu Verder LabTec: Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG ist rechtmäßig und unionsrechtskonform, IStR 2016, 126; Möller-Gosoge/Kaiser, Die deutsche Exit-Besteuerung bei Wegzug von Unternehmen ins Ausland, BB 2012, 803; Mössner, §50d Abs. 10 EStG und die Anrechnung ausländischer Steuern, IStR 2015, 204; Müller, Marion, Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, 751; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Musil, Anmerkung zum EuGH-Urteil v. 29.11. 2011 – C-371/10, FR 2012, 32; Nitzschke, Folgerungen aus der Rechtsprechung des BFH zu gewerblich geprägten Personengesellschaften für Umwandlungen, IStR 2011, 838; Oepen/Münch, Die Gewerbesteuer als Türöffner zum DBA-Schutz? – Zur Abkommensberechtigung deutscher Personengesellschaften unter dem

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Kap. 9 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften DBA-Indien, IStR 2009, 55; Paus, Gewinnthesaurierung bei Übertragung von WG und Betrieben – Sonderregelungen eröffnen neue Gestaltungsspielräume, EStB 2008, 365; Piltz, Freiberufliche Tätigkeit einer Personengesellschaft – Anmerkung zu dem BFH-Urteil VIII R 254/80 vom 11.6.1985, DStZ 1986, 120; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty-shopping, BB 1987, Beilage 14/1987 zu Heft 18/1987, 1; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Piltz, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei Personengesellschaften, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 137; Piltz, Anmerkung zu dem Urteil des FG Baden-Württemberg 12 K 252/00 vom 21.04.2004, IStR 2005, 172; Pohl, Besteuerung grenzüberschreitender Sondervergütungen gem. § 50d X EStG i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG, DB 2013, 1572; Pohl, Die „vermögensverwaltende“ Personengesellschaft im Abkommensrecht – Rechtsänderungen durch den neuen § 50i EStG, IStR 2013, 699; Pohl, § 50d Abs. 10 EStG – Ein Eigentor des Gesetzgebers?, IWB 2013, 378; Portner/Bödefeld, Besteuerung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei grenzüberschreitender Tätigkeit überörtlicher Rechtsanwaltssozietäten, IWB Fach 3, Gruppe 3, 1037; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Prinz, Besteuerung der Personengesellschaften – unpraktikabel und realitätsfremd?, FR 2010, 736; Prinz, Ertragsteuerliche Entwicklungen der Personengesellschaften – Personengesellschaften und DBA, JbFStR 2010/2011, 491; Prinz, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften, DB 2011, 1415; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381; Prinz, Steuerliches Entstrickungskonzept – gelungen oder reparaturbedürftig?, GmbHR 2012, 195; Prinz, Der neue § 50i EStG: Grenzüberschreitende „Gepräge-KG“ zur Verhinderung einer Wegzugsbesteuerung, Prinz/Hoffmann, Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl., München 2014; DB 2013, 1378; Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Wittmann, BB-Rechtsprechungsreport – Internationales Steuerrecht 2010/2011, BB 2012, 357; Pyszka, Lizenzund Zinszahlungen einer Personengesellschaft an ihre ausländischen Mitunternehmer, IStR 1998, 745; Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, Diss., Herne/Berlin 2001; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Ribbrock, Dreieckssachverhalte im Internationalen Steuerrecht, Diss., Hamburg 2004; Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Richter/ John, Können ausländische Buchführungspflichten zu derivativen inländischen Buchführungspflichten nach § 140 AO führen?, ISR 2014, 37; Richter/John, Mitunternehmer und Betriebsstätten, FR 2015, 142; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf – Zivilrechtliche und steuerrechtliche Gestaltungspraxis, München 2003; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Rogall/Schwan, Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen im Inbound-Fall und bei Inbound-Akquisitionen, DStR 2015, 2633; Rohler, Personengesellschaften im DBARecht – Ihre Behandlung nach dem BMF-Schreiben vom 16.4.2010, GmbH-StB 2010, 294; Rosenberg/Placke, Verbliebene Zweifelsfragen zu § 50d X EStG nach dem BMF-Schreiben zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften, DB 2014, 2434; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Ruf, Die Betriebsaufspaltung über die Grenze, IStR 2006, 232; Ruiner, Überlegungen zur deutschen Wegzugsbesteuerung von Gesellschaften im Licht des EuGH-Urteils in der Rs. National Grid Indus BV, IStR 2012, 49; Salzmann, § 50d Abs. 10 EStG – ein fiskalischer Blindgänger?, IWB Gruppe 3, Fach 3, 1539; Salzmann, Zinsen einer inländischen Personengesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter im Abkommensrecht – Anmerkung zu BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 399; Salzmann, Weitere Treaty Overrides aufgrund des AmtshilfeRLUmsG, IWB 2013, 405; Salzmann, Keine abkommensrechtliche Auslegung des innerstaatlichen Betriebsstättenbegriffs, IStR 2016, 309; Schaden/Franz, Qualifikationskonflikte und Steuerplanung – einige Beispiele, Ubg 2008, 452; Schaden/ Käshammer, Der Zinsvortrag im Rahmen der Regelungen zur Zinsschranke, BB 2007, 2317; Scheunemann/ Dennisen, Änderungen im Unternehmenssteuerrecht durch das Jahressteuergesetz 2010, BB 2011, 220; Schiffer, Anmerkungen zum Anwendungsschreiben zur Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nach § 34a EStG, DStR 2008, 1805; Schlichte, Die Zulässigkeit der Ltd. & Co. KG, DB 2006, 87; Schmidt, C., Personengesellschaften im Abkommensrecht (Teil 1), WPG 2002, 1134; Schmidt, C., Zinsen einer inländischen Personengesellschaft an ihre ausländischen Gesellschafter im Abkommensrecht – Anmerkung zu BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 290; Schmidt, C., Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften – Eine Analyse des BMF-Schreibens vom 16.4.2010, IStR 2010, 413; Schmidt, C., (Weitere) Infragestellung des BMF-Schreibens vom 16.4.2010 „Anwendung der Doppel-

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Beteiligung an inländischen Personengesellschaften | Kap. 9 besteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften“ durch zwei neue Entscheidungen des BFH, IStR 2010, 520; Schmidt, C., Sondervergütungen auf Abkommensebene – Was nun, Finanzverwaltung und Gesetzgeber? – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 8.9.2010, I R 74/09, DStR 2010, 2436; Schmidt, C., Anmerkung zum BFH-Urteil vom 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 691; Schmidt, C., Personengesellschaften und DBA – das BMF-Schreiben vom 16. April 2010, in Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Aufbruch oder Konsolidierung?, Köln 2011, 185; Schmidt, S., Aktualisiertes BMF-Schrieben zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften (Teil 1), PIStB 2014, 66; Schmidt/Dendorfer, Beteiligungen an US-amerikanischen Immobilienfonds, IStR 2000, 46; Schmitt-Homann, Das BMF-Schreiben vom 16.4. 2010 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften – Kritische Anmerkung zum Aufsatz von Hruschka in DStR 2010, 1357, DStR 2010, 2545; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Schnitger, Aktuelle Entwicklungen bei der beschränkten Steuerpflicht und internationalen Personengesellschaften, in Lüdicke (Hrsg.), Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, Köln 2009, 183; Schnitger, Generalthema II: Praktische Probleme bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen, IStR 2011, 653; Schnitger/Bildstein, Praxisfragen der Betriebsstättenbesteuerung, Ubg 2008, 444; Schnittker, Der neue § 50i Abs. 2 EStG – „Umgehungsvermeidungstatbestand“ oder „Bereichsausnahme“ für gewerblich geprägte oder infizierte Personengesellschaften, FR 2015, 134; Schönfeld, Keine „Wegzugsbesteuerung“ bei Wegzug mit einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, IStR 2011, 142; Schwenke, Treaty override und kein Ende?, FR 2012, 443; Scott/Weigel, Britische Qualifikation einer deutschen stillen Gesellschaft, IStR 1998, 614; Sieker, Folgerungen aus „National Grid Indus“ für die Besteuerung der Betriebsverlegung ins Ausland nach nationalem Recht, FR 2012, 352; Sonnleitner/Winkelhog, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften – weitere Präzisierungen sind notwendig!, BB 2014, 473; Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, Band 3, 5. Aufl., Berlin 2009; Stein, Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) im Internationalen Steuerrecht, in Lüdicke (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, Köln 2008, 75; Suchanek, Anmerkung zum BFH-Urteil v. 25.5.2011 – I R 95/10, GmbHR 2011, 1008; Thömmes, Wegzugsbesteuerung von Gesellschaften verstößt gegen Unionsrecht, IWB 2011, 896; Töben, § 50i EStG n.F. – Fälle und Unfälle – Wegzugsbesteuerung nach neuen Regeln außerhalb des § 6 AStG, IStR 2013, 682; Töben/Fischer, Fragen zur Zinsschranke aus der Sicht ausländischer Investoren, insbesondere bei Immobilieninvestitionen von Private-Equity-Fonds, Ubg 2008, 149; Töben/Lohbeck/Fischer, Aktuelle Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen, FR 2009, 151; Ulmer, Gläubigerschutz bei Scheinauslandsgesellschaften – Zum Verhältnis zwischen gläubigerschützendem nationalem Gesellschafts-, Delikts- und Insolvenzrecht und der EG-Niederlassungsfreiheit, NJW 2004, 1201; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten der Zinsschranke bei Personengesellschaften, DStR 2008, 2341; Vees, Die Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, DB 2010, 1422; von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, IntGesR; Wachter, Anmerkung zum Urteil des FG Niedersachsen 2 K 835/01 vom 16.3.2005, GmbHR 2005, 1181; Wacker, Notizen zur Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG, FR 2008, 605; Wagner/Fischer, Anwendung der Zinsschranke bei Personengesellschaften, BB 2007, 1811; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, in Achatz/Ehrke-Rabel/Heinrich/ Leitner/Taucher (Hrsg.), Steuerrecht/Verfassungsrecht/Europarecht – FS für Ruppe, Wien 2007, 681; Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176; Wassermeyer, Zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, DK 2008, 338; Wassermeyer, Gesetzliche Neuregelung der Vermietung inländischen Grundbesitzes in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, IStR 2009, 238; Wassermeyer, Nochmal: Das Darlehen des ausländischen Mitunternehmers an seine deutsche Personengesellschaft und § 50d Abs. 10 EStG – Kritik an den Ausführungen von Kramer, IStR 2010, 241; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Nachträgliche „ausländische“ Einkünfte, IStR 2011, 361; Wassermeyer, Keine erweiterte Kürzung bei Beteiligung an Zebragesellschaft, DStR 2011, 361; Wassermeyer, Die BFH-Rechtsprechung zur Betriebsstättenbesteuerung vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV, IStR 2015, 37; Watermeyer, GmbH & Co. KG mit ausländischem Gesellschafter, GmbH-StB 2000, 277; Wendt, Anmerkung zum BFH-Urteil XI R 15/05 vom 14.03.2007, HFR 2007, 652; Winkler/Käshammer, Betrieb und Konzern im Sinne der Zinsschranke (§ 4h EStG) – Überlegungen zur Abgrenzung des für die Zinsschranke relevanten Konsolidierungskreises, Ubg 2008, 478; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Aufl., München 2015; Wittkowski/Hielscher, Wesentliche Änderungen der Unternehmensbesteuerung durch das Jahressteuergesetz 2010, BC 2010, 569; Wittkowski/Loose,

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Kap. 9 Rz. 9.1 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Gewerblich geprägte Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, DB 2010, 2411; Wolff, Auslegung von DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer/Internationales Steuerrecht/Doppelbesteuerung – FS für Wassermeyer, München 2005, 647.

A. Einführung 9.1 Ausländer, die über ein unternehmerisches Engagement in Deutschland nachdenken, werden i.d.R.

zunächst die Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Auge fassen. Denn auch wenn inländische Personengesellschaften einen weitreichenden Gestaltungsfreiraum1 bieten, schränken die stärkere Einbindung der Gesellschafter und die damit verbundenen Haftungsrisiken die Attraktivität dieser Rechtsform für ausländische Investoren in nicht unerheblichem Maße ein. Hinzu kommen die im Ausland häufig anzutreffende Skepsis gegenüber Personengesellschaften als Gesellschaften zur Ausübung unternehmerischer Aktivitäten sowie die weitreichenden steuerrechtlichen Folgen eines solchen Engagements, die auch von dem steuerlichen Berater eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangen: Dass der ausländische Gesellschafter in Deutschland mit seinen regelmäßig gewerblichen Einkünften beschränkt steuerpflichtig werden wird, stellt dabei sicherlich noch eines der weniger gewichtigen Hemmnisse dar. Die Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft kann jedoch für den investitionsinteressierten Ausländer auch steuerliche Vorteile bringen, die eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsform lohnenswert erscheinen lassen. Durch eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft lässt sich bspw. die Gewerbesteuerpflicht der Einkünfte vermeiden. So ist die Beteiligung von Ausländern an grundbesitzenden deutschen Personengesellschaften eine häufig zu beobachtende Gestaltungskonstellation. Andererseits lösen gerade Personengesellschaften im internationalen Steuerkontext schwierigste steuerliche Fragestellungen aus, die abkommensrechtlich nur schwer greifbar sind. Insoweit besteht auch steuerplanerisch bei Beteiligungen an Personengesellschaften weit weniger Rechtssicherheit als bei Kapitalgesellschaftsbeteiligungen.

9.2 Das folgende Kapitel behandelt die Besteuerung ausländischer Gesellschafter von inländischen Per-

sonengesellschaften. Als Personengesellschaft kennt das deutsche Recht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB), die Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB), die (atypische) stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB), die Partnerschaftsgesellschaft (§§ 1 ff. PartGG), die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (Art. 1 ff. EWIV-VO;2 §§ 1 ff. EWIVG3) und die Partenreederei (§§ 489 ff. HGB).4 Um eine inländische Personengesellschaft handelt es sich, wenn sie ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in Deutschland hat.

9.3 Natürliche Personen können unabhängig von ihrer Nationalität oder Ansässigkeit Gesellschafter deutscher Personengesellschaften sein.5 Gesellschaftsrechtlich bestehen diesbezüglich keine Einschränkungen.

9.4 Ebenso können aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ausländische Gesellschaften Gesellschafter deutscher Personengesellschaften sein, wenn nach deutschem Gesellschaftsrecht die Beteiligung einer

1 Vgl. dazu Prinz, FR 2010, 736 (737) m.w.N. 2 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates v. 25.7.1985, ABl. Nr. L 199, 1. 3 Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung v. 14.4.1988, BGBl. I 1988, 514, zuletzt geändert durch Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 4 Bei einer Bau-Arbeitsgemeinschaft (sog. ARGE) handelt es sich abhängig von der konkreten Ausgestaltung entweder um eine BGB-Gesellschaft oder eine OHG; vgl. ausführlich zur ARGE Mantler/Noreisch in Gummert/Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts4, Bd. 1, § 26 Rz. 12 ff. 5 K. Schmidt in MünchKomm4, § 105 HGB Rz. 83; Gummert in Gummert, MAH Personengesellschaftsrecht2, § 4 Rz. 20.

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A. Einführung | Rz. 9.5 Kap. 9

vergleichbaren inländischen Gesellschaft zulässig ist1. Einer ausländischen juristischen Person muss zudem auch im Inland die Rechtsfähigkeit zuerkannt werden können.2 Nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centros,3 Überseering4 und Inspire Art5 ist die einer EU-Gesellschaft in ihrem Heimatstaat zugesprochene Rechtsfähigkeit von anderen Mitgliedstaaten zu respektieren. Damit sind jedenfalls ausländische Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten als mögliche Gesellschafter inländischer Personengesellschaften grundsätzlich anzuerkennen.6 Gleiches gilt aufgrund staatsvertraglicher Regelungen7 auch für US-amerikanische Gesellschaften.8 Nach überzeugender Auffassung gelten die voranstehenden Grundsätze ebenso für eine Beteiligung als Komplementärin an einer Kommanditgesellschaft.9 Entscheidend für die Qualifikation als Steuerausländer ist, dass sich der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt – bei einer natürlichen Person – bzw. der Sitz und die Geschäftsleitung – bei einer juristischen Person – im Ausland befinden. Auch in- oder ausländische Personengesellschaften können Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft sein (siehe hierzu Rz. 9.12).

1 Anerkannt für juristische Personen, aber auch für Gesamthandsgemeinschaften wie OHG und KG (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt37, § 105 HGB Rz. 28), GbR (vgl. Müller in Beck’sches HdB PersG4, § 4 Rz. 7 ff.; K. Schmidt in MünchKomm4, § 105 HGB Rz. 96 ff. – m.w.N.), Vor-GmbH und VorAG (vgl. BGH v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, NJW 1981, 1373; K. Schmidt in MünchKomm4, § 105 HGB Rz. 86) und EWIV (Müller in Beck’sches HdB PersG4, § 4 ff.; vgl. aber Art. 3 2 EWIV-VO). Nicht Gesellschafterinnen einer Personengesellschaft können hingegen eine Erbengemeinschaft und eine eheliche Gütergemeinschaft sowie die Bruchteilsgemeinschaft und (definitionsgemäß) die stille Gesellschaft sein, vgl. K. Schmidt in MünchKomm4, § 105 HGB Rz. 104 ff.; Müller in Beck’sches HdB PersG4, § 4 Rz. 8 f. 2 Hopt in Baumbach/Hopt37, Anh § 177a HGB Rz. 11; Gummert in MAH Personengesellschaftsrecht2, § 4 Rz. 28; BayObLG v. 21.3.1986 – BReg 3 Z 148/85, NJW 1986, 3029 (3030 f.) (englische private limited company als Komplementärin einer deutschen KG); OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647 (Schweizer AG als Komplementärin einer deutschen KG); LG Stuttgart v. 11.5.1993 – 2 AktE 1/92, BB 1993, 1541 (1542) (Schweizer GmbH als Gesellschafterin einer deutschen KG); LG Bielefeld v. 11.8.2005 – 24 T 19/05, NZG 2006, 504 (englische Ltd. als Komplementärin einer deutschen KG). 3 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126. 4 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632. 5 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512. 6 Für Gesellschaften aus Drittstaaten ist hingegen umstritten, ob sich ihre Rechtsfähigkeit nach der Sitz(vgl. die wohl noch h.M.: BGH v. 30.1.1970 – V ZR 139/68, NJW 1970, 998 (999); v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, NJW 2002, 3539 (3540); v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, NJW 2009, 289 (290); OLG Hamburg v. 30.3.2007 – 11 U 231/04, NZG 2007, 597 (597 f.); Altmeppen, NJW 2004, 97 (99); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202 f.)) oder der Gründungstheorie (vgl. OLG Hamm v. 26.5.2006 – 30 U 166/05, BB 2006, 2487 (2487) – für Gesellschaften nach Schweizer Recht [aufgehoben durch BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, BB 2009, 14 (15) u. v. 27.10.2008 – II ZR 290/07, IPrax 2009, 259]; Jung, NZG 2008, 681) beurteilt (ausführlich Kindler in MünchKomm6, IntGesR Rz. 351 ff.). 7 Art. 25 Abs. 5 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954, vgl. Gesetz v. 7.5.1956, BGBl. II 1956, 487; ausführlich dazu Kindler in MünchKomm6, IntGesR Rz. 313 ff. 8 Schäfer in Staub5, § 105 HGB Rz. 94. 9 Grunewald in MünchKomm4, § 161 HGB Rz. 105 m.w.N.; BayObLG v. 21.3.1986 – Breg. 3 Z 148/85, WM 1986, 968 (971); OLG Stuttgart v. 30.3.1995 – 8 W 355/93, IPrax 1995, 397 (399); OLG Saarbrücken v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, NJW 1990, 647 (647 f.); Ulmer in MünchKomm7, § 705 BGB Rz. 76; Schlichte, DB 2006, 87 (89 f.); a.A. Großfeld in Staudinger, IntGesR Rz. 544; Schäfer in Staub5, § 105 HGB Rz. 94; Kindler in MünchKomm6, IntGesR Rz. 552 m.w.N.; kritisch auch K. Schmidt in MünchKomm4, § 105 HGB Rz. 89 m.w.N.

Mick/Dyckmans | 935

9.5

Kap. 9 Rz. 9.6 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

B. Grundzüge der Besteuerung ausländischer Gesellschafter inländischer Personengesellschaften I. Überblick über die Besteuerung von Personengesellschaften im deutschen Steuerrecht 1. Grundsatz: Einkommensteuerliche Transparenz

9.6 Eine Personengesellschaft ist im deutschen Ertragsteuerrecht kein eigenständiges Steuersubjekt

und mithin weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig. Vielmehr werden die Einkünfte der Personengesellschaft ihren Gesellschaftern anteilig zugerechnet. Dabei kann es sich entweder um die Zurechnung eines Gewinnanteils (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) oder eines Anteils am Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten handeln. Die zugerechneten Einkünfte unterliegen dann auf Ebene der Gesellschafter der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, wenn diese nach § 1 EStG oder nach §§ 1, 2 KStG unbeschränkt oder beschränkt einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig sind. Für ertragsteuerliche Zwecke ist die Personengesellschaft also transparent.1 Zwar werden die erzielten Einkünfte auf Ebene der Personengesellschaft qualifiziert und dort auch einheitlich ermittelt (vgl. Rz. 9.221 ff.), diese werden jedoch allein den Gesellschaftern als originäre Einkünfte zugerechnet und von diesen versteuert.2 2. Steuerliche Grundformen der Personengesellschaften

9.7 Abhängig von der Einkünftequalifikation können mehrere Personengesellschaftstypen unterschie-

9.8

den werden: – Die (ausschließlich oder auch) gewerblich tätige Personengesellschaft. Liegt eine solche vor, erzielen ihre Gesellschafter gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG). Im deutschen Steuerrecht wird der gewerblich tätigen die gewerblich geprägte Personengesellschaft gleichgestellt. Eine Personengesellschaft ist gewerblich geprägt, wenn sie zwar nicht originär gewerblich tätig wird, bei ihr aber ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG).3 – Die vermögensverwaltende Personengesellschaft. Diese entfaltet im Gegensatz zur gewerblichen Personengesellschaft unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Verhältnisse lediglich vermögensverwaltende Tätigkeiten.4 Eine vermögensverwaltende Personengesellschaft liegt dann vor, wenn sie weder land- oder forstwirtschaftliche (§ 13 EStG) noch gewerbliche (§ 15 EStG) oder freiberufliche (§ 18 EStG) Tätigkeiten ausübt und sie bzw. ihre Gesellschafter im Rahmen gesamthänderischer Verbundenheit Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung oder Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§§ 22 i.V.m. 23 EStG) beziehen.5

1 Zum Transparenzprinzip vgl. Hey in T/L, Steuerrecht22, § 10 Rz. 10 ff.; Kempermann, GmbHR 2002, 200 (200); Groh, ZIP 1998, 89 (91 ff.); Tiede in H/H/R, § 15 EStG Anm. 450; Friedrich in Beck’sches HdB PersG4, § 6 Rz. 1; ausführlich auch Hennrichs, FR 2010, 721 ff. – Dieser Grundsatz wird im Rahmen der GewSt durchbrochen, da der Gewerbeertrag auf Ebene der Personengesellschaft der Besteuerung unterliegt. 2 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681); v. 29.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420 (423 f.). 3 Zur gewerblich geprägten Personengesellschaft vgl. Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Anm. 1435 ff.; Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 165 ff.; Friedrich in Beck’sches HdB PersG4, § 6 Rz. 7. 4 Zur Abgrenzung von Gewerbetrieb und (privater) Vermögensverwaltung vgl. BFH v. 5.3.2008 – X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463 (1465); v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (292); v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (619); v. 25.6.1984 – GrS 1/82, BStBl. II 1984, 751 (761); Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 130 ff.; Hartrott, FR 2008, 1095. 5 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.5.

936 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.12 Kap. 9

Übt eine Personengesellschaft auch gewerbliche Tätigkeiten aus, so ist sie insgesamt gewerblich tätig (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). – Die Freiberufler-Personengesellschaft, deren Gesellschafter Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)1 erzielen. Um eine gewerbliche Infektion der gesamten Tätigkeit der Gesellschaft zu vermeiden, ist jedoch erforderlich, dass jeder Mitunternehmer die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllt.2 Neben der notwendigen beruflichen Qualifikation ist dafür eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit erforderlich.3

9.9

Aufgrund der praktischen Bedeutung soll zudem als Sonderfall die Immobilienpersonengesellschaft betrachtet werden, deren Vermögen aus Grundstücken besteht. Je nach Ausgestaltung handelt es sich bei ihr um eine gewerbliche (bzw. gewerblich geprägte oder infizierte) oder eine vermögensverwaltende Personengesellschaft.

9.10

II. Beschränkte Steuerpflicht im Nicht-DBA-Fall (rein nationales Recht) 1. Grundsätzliches Nach nationalem Recht ist für die Einkünfteermittlung auf Ebene einer inländischen Personengesellschaft, die ausschließlich inländische Einkünfte erzielt, grundsätzlich unerheblich, ob an dieser Gesellschaft (auch) ausländische Gesellschafter beteiligt sind. Es gelten die gleichen Grundsätze, die auch in rein innerdeutschen Sachverhalten Anwendung finden. Insbesondere wird der ausländische Gesellschafter in die einheitliche und gesonderte Gewinnermittlung miteinbezogen4 (Rz. 9.221 ff.).

9.11

Dabei richtet sich die Einordnung der deutschen Gesellschaft als Personengesellschaft allein nach deutschem Recht. Die Qualifikation durch den Heimatstaat der Gesellschafter ist unerheblich. So bleibt bspw. eine deutsche KG für das deutsche Steuerrecht eine Personengesellschaft, auch wenn das Ausland diese als Körperschaft ansieht und besteuert.5 Diese deutsch-steuerliche orientierte

9.12

1 Unter Umständen können auch Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bezogen werden; vgl. dazu Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 9.30 f. 2 BFH v. 8.4.2008 – VIII R 73/05, DStR 2008, 1187 (1188), auch zur Verfassungsmäßigkeit (1190); auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, WM 2004, 2364; Stuhrmann in K/S/ M, § 18 EStG Rz. E 9; Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 282; teilweise a.A. Paus, DStZ 1986, 120; Lüdemann/Wildfeuer, BB 2000, 589 (592). Allenfalls bei einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Einkünfte an den Gesamteinkünften können diese ausnahmsweise unschädlich sein, vgl. BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/96, BStBl. II 2000, 229 (230); vgl. auch Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 286. 3 BFH v. 11.6.1985 – VIII R 254/80, BStBl. II 1985, 584 (585 f.); v. 17.1.1980 – IV R 115/76, BStBl. II 1980, 336 (337); v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, DStR 2015, 345 ff. Zu den Anforderungen an die einzelnen Voraussetzungen/Merkmale, vgl. ausführlich Güroff in L/B/P, § 18 EStG Rz. 269 ff.; Stuhrmann in K/S/M, § 18 EStG Rz. E 9 ff. Zur nicht ausreichenden rein kapitalistischen Beteiligung vgl. BFH v. 8.4. 2008 – VIII R 73/05, BStBl. II 2008, 681 (683); OFD Hannover v. 1.7.2007 – G 1401 - 24 - StO 252, DB 2007, 1897. 4 Grützner, IStR 1994, 65 (66); Prinz, DB 2011, 1415 (1416); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 358; Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 16. 5 Die Niederlande qualifizieren ausländische Rechtsformen ebenfalls anhand eines Typenvergleichs. Für die Frage der steuerlichen Transparenz einer Gesellschaft kommt es dort u.a. maßgeblich auf die Frage an, ob die Anteile an der Gesellschaft frei übertragbar sind. Ist dies der Fall, so ist die Gesellschaft nicht transparent und als Kapitalgesellschaft zu behandeln. Vor diesem Hintergrund kann auch eine deutsche KG unter Umständen als Kapitalgesellschaft nach niederländischem Recht qualifizieren, vgl. Spierts/Stevens in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 25.9 f. – zur Qualifikation einer deutschen atypischen stillen Gesellschaft nach britischem Recht vgl. Scott/Weigel, IStR 1998, 614.

Mick/Dyckmans | 937

Kap. 9 Rz. 9.13 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Einordnung führt dann zu Anwendungsproblemen, wenn die deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Steuerausländers als nicht-transparent gilt. Der ausländische Staat wird die Einkünfte der deutschen Personengesellschaft in diesem Fall der (intransparenten) Personengesellschaft zurechnen. Erst bei Ausschüttung erzielt dann der Gesellschafter (Dividenden-)Einkünfte aus seiner deutschen Beteiligung, sog. subjektiver Qualifikations- und Zurechnungskonflikt (vgl. ausführlich Rz. 1.166 ff.).

9.13 Qualifikations- und Zurechnungskonflikte treten aber auch dann auf, wenn zwar die deutsche Per-

sonengesellschaft von den beteiligten Staaten einheitlich als transparent angesehen wird, aber der (ausländische) Gesellschafter eine hybride Gesellschaftsform hat, die aus deutscher und ausländischer Sicht unterschiedlich beurteilt wird. Ob die ausländische Gesellschaft als Personen- oder Kapitalgesellschaft zu behandeln ist, bestimmt sich aus deutscher Sicht wiederum ausschließlich nach deutschem Steuerrecht, es gelten die Grundsätze des Rechtstypenvergleichs.1 Sind bspw. zwei Briten Partner einer britischen Limited Partnership, die ihrerseits Gesellschafterin einer deutschen OHG ist, so ist nicht die britische Gesellschaft, sondern es sind die beiden Briten in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig. Handelt es sich bei der britischen Gesellschaft dagegen um eine Private company limited by shares (Ltd.), so wäre diese beschränkt körperschaftsteuerpflichtig,2 ihre Gesellschafter wären mit ihrem Gewinnanteil in Deutschland nicht steuerpflichtig. Die Einordnung nach dem Recht des ausländischen Staats ist nicht maßgebend.3 Qualifikations- und Zurechnungskonflikte liegen im Verhältnis zu den Staaten nahe, die in ihrem Staat errichtete Personengesellschaften als Steuersubjekte behandeln und auch ausländische, d.h. deutsche Personengesellschaften, nach eigenem Recht qualifizieren.

9.14 In Deutschland sind die ausländischen Gesellschafter mit ihren inländischen Einkünften nach

Maßgabe der §§ 1 Abs. 4 i.V.m. 49 EStG oder § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG beschränkt steuerpflichtig. 2. Besteuerung des Gewinnanteils und der Sondervergütungen a) Gewerbliche Personengesellschaften

9.15 Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG unterliegen der beschränkten Steuerpflicht „Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17), für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.“ Durch die Verweisung auf § 15 EStG wird klargestellt, dass zunächst alle Voraussetzungen vorliegen müssen, die von der Einkunftsart des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch bei rein nationalen Sachverhalten vorausgesetzt werden. aa) Gewerbliche Einkünfte als Grundvoraussetzung

9.16 Für die Frage, ob der Steuerausländer gewerbliche Einkünfte oder Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, nichtselbständiger Arbeit o.Ä. erzielt, ist allein das deutsche Steuerrecht ausschlaggebend.4 Wie diese Einkünfte nach ausländischem Steuerrecht qualifiziert werden, ist im Rahmen von § 49 EStG unerheblich.

9.17 Grundvoraussetzung ist mithin, dass die deutsche Personengesellschaft ein gewerbliches Unter-

nehmen i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG mit der Absicht betreibt, Gewinn zu erzielen, 1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2; zur Qualifikation ausländischer Personenvereinigungen vgl. Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 483 ff. 2 Vgl. RFH v. 22.3.1933 – I A 395/31, RStBl. 1933, 1318 (1319) – zu einer dänischen Kapitalgesellschaft. 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2. 4 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 144, Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 660; M. Klein/M. Link in H/H/R, § 49 Rz. 800; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 357.

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.20 Kap. 9

oder dass es sich um eine gewerblich infizierte oder geprägte Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG handelt. Da § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht zwischen in- und ausländischen Kapitalgesellschaften unterscheidet, ist auch eine ausländische Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter geeignet, die (inländische) Personengesellschaft gewerblich zu prägen,1 wenn sie aufgrund des Rechtstypenvergleichs nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht.2 Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen deswegen bspw. dann vor, wenn an einer (ausschließlich) vermögensverwaltenden deutschen Personengesellschaft eine US-Corporation oder eine Schweizer AG als einzige Komplementärin beteiligt sind. Nicht von Bedeutung ist, ob die ausländische Kapitalgesellschaft selbst gewerbliche Einkünfte erzielt.3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen die ausländischen Gesellschafter einer deutschen Personengesellschaft schließlich auch dann, wenn die Gesellschaft neben anderen Tätigkeiten – wenn auch nur in geringem Umfang4 – gewerblich tätig ist (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Die ausländischen Gesellschafter müssen außerdem als Mitunternehmer der inländischen Personengesellschaft anzusehen sein. Auch insoweit gelten die Regelungen des nationalen Rechts. Die Gesellschafter müssen mithin Mitunternehmerinitiative entfalten und Mitunternehmerrisiko tragen.5 Deshalb ist auch der Steuerausländer, der an einer deutschen Personengesellschaft atypisch still beteiligt ist, als Mitunternehmer anzusehen und bezieht Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen können.6

9.18

Die Mitunternehmerschaft kann auch durch eine nur mittelbare Beteiligung an der deutschen Personengesellschaft begründet werden (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Deshalb ist z.B. auch der Gesellschafter einer britischen Partnership, die ihrerseits Gesellschafterin einer deutschen Personengesellschaft ist, unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG als deren Mitunternehmer anzusehen.

9.19

Der in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG enthaltene Verweis auf § 15 EStG hat zur Folge, dass auch Sondervergütungen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte sein können. Bei solchen handelt es sich – wie auch in rein innerstaatlichen Sachverhalten – um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.7 Daraus folgt eine erhebliche Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht von Gesellschaftern im Vergleich zu Nicht-Gesellschaftern.8

9.20

Beispiel 1: Der an der gewerblich tätigen OHG beteiligte Steuerausländer (Nicht-DBA-Fall) gewährt der Gesellschaft ein verzinstes Darlehen, für das keine inländische Grundbesitzsicherung besteht. 1 BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BB 2007, 1882 (1883); v. 17.12.1997 – I R 34/97, BB 1998, 781 (781); Lüdicke, DStR 2002, 671 (672); Kessler/Eicke, DStR 2005, 2101 (2106); Wachter, GmbHR 2005, 1181 (1182 ff.); Wendt, HFR 2007, 652 (653); Ege, DStR 2010, 1205 (1208); Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1437; Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 216; Bitz in L/B/P, § 15 EStG Rz. 174; a.A. Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 272. 2 Zur gewerblichen Prägung durch hybride Gesellschaftsformen wie die US-LLC, US-LLP oder UK-LLP vgl. Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 10.30. 3 BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BB 1998, 781 (781). 4 Vgl. BFH v. 10.8.1994 – I R 133/93, BStBl. II 1995, 171; v. 19.2.1998 – IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603 (604); zur Bagatellgrenze zuletzt v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, DStR 2015, 345ff; Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 188; Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1426. 5 BFH v. 3.5.1993 – GrS 3-92, BStBl. II 1993, 616 (621). 6 FG Nds. v. 8.11.1990 – VI 174/89, RIW 1992, 79 (79) (rkr.); zur atypisch stillen Gesellschaft: Haep in H/H/R, § 15 EStG Anm. 391 ff. 7 RFH v. 30.11.1938 – I 42/38, RStBl. 1939, 544; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 (212), Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 59; Piltz in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 137 (144); Kramer, IStR 2014, 21 (22). 8 Das innerstaatliche deutsche Recht sieht in diesen Fällen keine Möglichkeiten vor, eine etwaige Doppelbesteuerung zu verhindern.

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Kap. 9 Rz. 9.21 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Die Darlehenszinsen sind als Sondervergütung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig. Hätte hingegen ein Ausländer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, das Darlehen eingeräumt, läge mangels inländischer Sicherung keine beschränkte Steuerpflicht vor (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG). Beispiel 2: Der an der gewerblich tätigen OHG beteiligte Steuerausländer ist für die Gesellschaft als angestellter Ingenieur tätig. Für seine Tätigkeit, die er ausschließlich im Ausland ausübt, bezieht er ein Gehalt. Der Arbeitslohn stellt eine Sondervergütung dar, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegt, wenn sich die Tätigkeit der inländischen Betriebsstätte zuordnen lässt. Anderenfalls entfällt das deutsche Besteuerungsrecht (Rz. 9.29). Das von einem Steuerausländer, der nicht zugleich auch Gesellschafter ist, bezogene Gehalt fiele hingegen nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG und wäre mithin in Deutschland nicht steuerbar.1

9.21 Die beschränkte Steuerpflicht von Sondervergütungen kann auch durch das Zwischenschalten ei-

ner Kapitalgesellschaft, über die Erträge an den Gesellschafter weitergereicht werden, nicht vermieden werden. Gibt bspw. eine ausländische substanzlose Kapitalgesellschaft einer deutschen gewerblichen Personengesellschaft ein Darlehen und ist an beiden Gesellschaften der Steuerausländer beteiligt, stellen die Darlehenszinsen keine quellensteuerfreien Kapitaleinkünfte der Kapitalgesellschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG), sondern steuerpflichtige Sondervergütungen des Gesellschafters dar.2 Der Fall ist mithin so zu behandeln, als sei das Darlehen unmittelbar vom ausländischen Gesellschafter gewährt worden. Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG ändert nicht die Qualifikation der Einkünfte als Zinseinkünfte. Darüber hinaus wendet die Rechtsprechung § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch auf Vergütungen an, die bei einer GmbH & Co. KG der Kommanditist dafür erhält, dass er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Geschäfte der KG führt. Vergütungen an den Gesellschafter-Kommanditisten sind wirtschaftlich einem Gewinnvorab vergleichbar und deshalb steuerlich nicht anders zu behandeln.3 bb) Betriebsstätte als inländisches Anknüpfungsmerkmal

9.22 Neben dem Vorliegen gewerblicher Einkünfte im vorgenannten Sinne ist für eine beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erforderlich, dass für das von der deutschen Personengesellschaft betriebene Gewerbe im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.4

9.23 Die bloße Beteiligung eines Steuerausländers an einer deutschen Personengesellschaft begründet für sich noch keine Betriebsstätte. Vielmehr bestimmt sich das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte nach § 12 AO.5 Nicht gewerblich tätige Personengesellschaften können schon deshalb keine Betriebsstätte unterhalten, weil eine Betriebsstätte immer gewerbliche (oder als gewerblich fingierte) Einkünfte erfordert.6 Aber auch eine gewerblich tätige Personengesellschaft unterhält nicht notwendigerweise eine Betriebsstätte im Inland.7 So hat z.B. eine deutsche KapG & Co. KG, die im Inland lediglich ihren Handelsregistersitz und eine Postadresse unterhält, keine Betriebsstätte im Inland.8 1 2 3 4 5 6 7 8

BFH v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383 (384). BFH v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (606 f.). BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191 (193). Zur Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen „Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft“ und „inländischer Betriebsstätte“ vgl. BFH v. 29.1.1964 – I 154/61 S, BStBl. III 1964, 165. Vgl. Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (444 f.) m.w.N. Frotscher in S/P, § 12 AO Rz. 2; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 17. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3; Vees, DB 2010, 1422 (1423). FG Berlin v. 3.12.1969 – VI 86/69, EFG 1970, 327 (327) (rkr.).

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.26 Kap. 9

Regelmäßig werden jedoch bei einer deutschen Personengesellschaft, die im Inland gewerblich tätig ist, die Voraussetzungen des § 12 AO und damit eine inländische Betriebsstätte vorliegen.1 Dies insbesondere dann, wenn sich in Deutschland der Ort der Geschäftsleitung befindet.2 Das FG München3 hat bei einer betriebsverpachtenden GbR (Ex-OHG) eine inländische Betriebsstätte am Ort der Geschäftsleitung und damit eine beschränkte Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters angenommen.4 Eine inländische Betriebsstätte liegt immer dann vor, wenn der deutschen Gesellschaft die Verfügungsmacht über die feste Geschäftseinrichtung oder die Anlagen zusteht, als auch, wenn nur der ausländische Gesellschafter die Verfügungsmacht besitzt oder Gesellschaft und Gesellschafter gemeinsam die Verfügungsmacht haben.5

9.24

Besteht für eine gewerblich tätige Personengesellschaft weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter im Inland unterliegen die laufenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Veräußerungsgewinne im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa und bb Satz 1 EStG der beschränkten Steuerpflicht. Voraussetzung ist aber, dass die Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG gewerblich tätig ist.6 Ist dies nicht der Fall, z.B. bei einer KG, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und die Grundvermögen vermietet, haben die ausländischen Gesellschafter beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG (Rz. 9.31 ff.).

9.25

Wird inländischer Grundbesitz im Wege einer Betriebsaufspaltung an das Betriebsunternehmen überlassen, liegen gewerbliche Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 f Doppelbuchst. aa EStG vor (allgemein zur Betriebsaufspaltung noch Rz. 9.218 ff.).7

9.26

Beispiel: Die Steuerausländer A und B sind Gesellschafter einer deutschen GbR, der ein Grundstück gehört, das an eine deutsche produzierende GmbH vermietet ist. Gesellschafter der GmbH sind ebenfalls A und B mit gleicher Beteiligungsquote. Bei den von A und B erzielten Mieteinnahmen handelt es sich um inländische gewerbliche Einkünfte. Diese unterliegen der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur, wenn die GbR eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Allein durch die Vermietung des im Inland belegenen Grundstückes wird eine solche jedoch nicht begründet.8 Liegen die Voraussetzungen – wie wohl im Regelfall – nicht vor, so folgt die beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG.9 1 Zum Betriebsstättenbegriff vgl. umfassend: BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, DStRE 1998, 60 (61) mit Anm. Kreutziger, DStR 1998, 1122; Maier in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 137, 151; vgl. auch Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1377). 3 FG München v. 24.9.1990 – 13 K 13707/85, EFG 1991, 328 (rkr.). 4 Wohl nicht vereinbar mit BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494, wonach die Wohnsitzverlegung eines gewerblichen Verpächters ins Ausland zur Umqualifizierung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in solche aus Vermietung und Verpachtung führt und folglich in der Auswanderung eine Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG zu sehen ist. 5 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (938); v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577 (579); ausführlich zur Betriebsstättenzuordnung Hock, Personengesellschaften, 59 ff. 6 Ausführlich dazu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 130 ff.; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/ 10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.2. 7 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77 (78 ff.); FG Düsseldorf v. 22.5.1979 – IX 694/77 G, EFG 1980, 34 (rkr.); FG BW v. 21.4.2004 – 12 K 252/00, IStR 2005, 172 (rkr.) mit Anm. Piltz; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; Ruf, IStR 2006, 232; Haverkamp, IStR 2008, 165. 8 BFH v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18 (20); v. 17.7.1991 – I R 98/88, BStBl. II 1992, 246 (247). 9 Vor Einführung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG war umstritten, ob auf Grundlage der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG eine Qualifizierung der Mieteinkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in Betracht kam, vgl. dazu: Haverkamp, IStR 2008, 165 (167) – m.w.N.

Mick/Dyckmans | 941

Kap. 9 Rz. 9.27 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

9.27 Nur wenn die inländische GmbH über die Pflichten als Mieter hinaus wirtschaftliche Interessen der GbR hinsichtlich Erhaltung, Erneuerung oder Erweiterung des Grundstückes übernommen hat, kann sie als ständige Vertreterin angesehen werden.1

9.28 Abgesehen von diesem Spezialfall hat aber bei einer inländischen Personengesellschaft mit auslän-

dischen Gesellschaftern der ständige Vertreter als Anknüpfungsmerkmal zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht keine praktische Bedeutung. Die deutsche Personengesellschaft wird im Regelfall nicht ständige Vertreterin ihrer ausländischen Gesellschafter sein, weil sie nicht den Sachweisungen ihrer (ausländischen) Gesellschafter unterliegt.2 Als ständiger Vertreter der ausländischen Gesellschafter kann zwar der Geschäftsleiter der Personengesellschaft angesehen werden. In diesen Fällen wird jedoch regelmäßig zugleich auch eine inländische Betriebsstätte vorliegen, hinter die das Anknüpfungsmerkmal des ständigen Vertreters als subsidiär zurücktritt.3 cc) Umfang der beschränkt steuerpflichtigen gewerblichen Einkünfte

9.29 Der beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

EStG unterliegen sämtliche Einkünfte, die der inländischen Betriebsstätte der deutschen Gesellschaft zuzurechnen sind. Dazu zählen diejenigen Einkünfte, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte stehen.4 Unterhält die deutsche Personengesellschaft hingegen auch im Ausland Betriebsstätten, so wird dieser Gewinnanteil der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet und unterliegt nicht der (deutschen) beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Gesellschafters.5

9.30 Unsicherheit besteht über die Frage, ob auch vorweggenommene und nachträgliche (negative) Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Rz. 9.47).6

b) Vermögensverwaltende Personengesellschaft

9.31 Vergütungen, die zivilrechtlich der inländischen, nicht gewerblichen Personengesellschaft zustehen, sind steuerlich unmittelbar deren ausländischen Gesellschaftern zuzurechnen. Für jeden der Gesellschafter ist gesondert die beschränkte Steuerpflicht anhand des Katalogs des § 49 Abs. 1 EStG zu prüfen. Gesellschafter ein und derselben vermögensverwaltenden Personengesellschaft können damit im Einzelfall auch unterschiedliche oder keine steuerbaren Einkünfte erzielen (vgl. Rz. 9.43). Ebenso ist für jede einzelne Vergütung der Personengesellschaft an ihren ausländischen Gesellschafter die beschränkte Steuerpflicht nach dem Katalog des § 49 Abs. 1 EStG gesondert zu prüfen. Regelungen über Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 EStG kommen – mangels gewerblicher Tätigkeit – nicht zur Anwendung.7

1 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 (497); FG BW v. 21.4.2004 – 12 K 252/00, IStR 2005, 172 (rkr.) (zum insoweit vergleichbaren Art. 5 Abs. 4 DBA-Schweiz). 2 Vgl. Koenig in Pahlke/Koenig2, § 13 AO Rz. 3; zur Möglichkeit einer Personengesellschaft als ständige Vertreterin vgl. Frotscher in S/P, § 13 AO Rz. 5; Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 231. 3 Frotscher in S/P, § 13 AO Rz. 8. 4 RFH v. 28.11.1933 – I A 456/31, RStBl. 1934, 620 (620 f.); BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133 (133 f.); Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 241; Viebrock in L/B/P, § 49 EStG Rz. 56; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 357. 5 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664) – für einen Schweizer Gesellschafter einer deutschen KG mit Betriebsstätte in Borneo; v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389) – Schweizer Gesellschafter einer deutschen GbR mit Betriebsstätte in der Schweiz; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 2000, 1076, Tz. 1.1.5.5; Fischer in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 163 (186 f.). 6 BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551 (552); Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4143; Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 53, 341; H 34d EStH 2015; mit beachtlichen Argumenten a.A. Wassermeyer, IStR 2011, 361 u. zuvor schon Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 7.23. Zur abkommensrechtlichen Behandlung vgl. noch Rz. 9.73. 7 Vgl. für Inlandsachverhalte BFH v. 7.4.1987 – IX R 103/85, BStBl. II 1987, 707 (709).

942 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.36 Kap. 9

Als in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Einkünfte eines ausländischen Gesellschafters aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten, inländischen Personengesellschaft kommen zunächst solche aus Kapitalvermögen in Betracht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Die Einkünfte werden so besteuert, als seien sie unmittelbar vom Steuerausländer vereinnahmt worden. Zinseinkünfte unterliegen danach nur insoweit der deutschen Besteuerung, als das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz etc. dinglich gesichert ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG).

9.32

Bei Einkünften aus der Beteiligung als (typisch) stiller Gesellschafter oder aus partiarischem Darlehen, Wandelanleihen oder Gewinnobligationen mit inländischem Wohnsitz/Sitz des Schuldners erfolgt die Erhebung der Steuer regelmäßig durch Steuereinbehalt (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 u. Nr. 3 EStG). Andernfalls erfolgt die Erhebung der Steuern durch Steuerveranlagung.1 Auch Dividendeneinkünfte aus Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften unterliegen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG) durch Kapitalertragsteuerabzug (vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Handelt es sich bei dem ausländischen Gesellschafter um eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft i.S. des § 2 Nr. 1 KStG, so können 2/5 der einbehaltenen Steuer auf Antrag erstattet werden (§ 44a Abs. 9 EStG).

9.33

Neben Einkünften aus Kapitalvermögen kann der ausländische Gesellschafter aufgrund seiner Beteiligung an der deutschen Personengesellschaft auch solche aus Vermietung und Verpachtung (insbesondere von unbeweglichem Vermögen und aus der Nutzung von Rechten; § 21 EStG) erzielen. Diese unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG der beschränkten Steuerpflicht, soweit sie nicht zu den Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 1–5 EStG gehören und der Mietgegenstand im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen ist oder in einer inländischen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung verwertet wird.

9.34

Während Vermietungseinkünfte aus inländischem Immobilienvermögen im Rahmen der Veranlagung zu erklären sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50 EStG), werden Einkünfte aus der Nutzung von Rechten2 (bspw. Lizenzgebühren) durch einen Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG besteuert.

9.35

Bei Vermietung von beweglichen Sachen im Inland durch die Personengesellschaft unterliegt der ausländische Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG. Die anfallende Steuer wird nach h.M. nicht mehr im Wege des Steuerabzugs (so noch § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG a.F.), sondern im Veranlagungsverfahren erhoben.3 Dem an einer inländischen vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten ausländischen Gesellschafter können schließlich auch Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG) zugerechnet werden. In Betracht kommen dabei Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit inländischen Grundstücken (bzw. grundstücksgleichen Rechten) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG. Die Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist immer dann erfüllt, wenn entweder die Gesellschaft das Grundstück innerhalb der Frist veräußert, oder wenn der Gesellschafter seine Beteiligung an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft vor Ablauf von zehn Jahren veräußert (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG).4 Soweit an der Personengesellschaft eine ausländische Körperschaft beteiligt ist, erfolgt insoweit eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns unabhängig von der Zehnjahresfrist. Hier erfolgt die Besteuerung unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG. 1 Anders jedoch in den Fällen des § 43 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG. 2 Nicht jedoch aus der Überlassung von beweglichen Sachen oder aus der Veräußerung von Rechten; vgl. Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (205). 3 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.61; Loschelder in Schmidt36, § 50a EStG Rz. 13; a.A. Klein in H/H/R, § 49 EStG Anm. 1080. 4 Vgl. auch Tischbirek in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1213.

Mick/Dyckmans | 943

9.36

Kap. 9 Rz. 9.37 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

9.37 Veräußerungsgewinne aus von der Personengesellschaft gehaltenen Beteiligungen an inländi-

schen Kapitalgesellschaften sind bei ihren ausländischen Gesellschaftern beschränkt steuerpflichtig, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre eine mittelbare oder unmittelbare Beteiligung i.H.v. mindestens 1 % am Kapital der Gesellschaft bestand (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG). Eine Besteuerung erfolgt unabhängig davon, ob die Anteile im ausländischen Betriebs- oder Privatvermögen gehalten werden.1 Für die Höhe der Beteiligungsquote ist nicht isoliert auf die Beteiligung der vermögensverwaltenden Personengesellschaft abzustellen, sondern unter Berücksichtigung der quotalen Beteiligung auf den hinter ihr stehenden Gesellschafter (sog. „Bruchteilsbetrachtung“).2 Ein vom Gesellschafter direkt gehaltener Anteil an der Kapitalgesellschaft und der auf ihn entfallende Bruchteil aus der Beteiligung an der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sind zusammenzurechnen.3

Beispiel: Die inländische vermögensverwaltende X-OHG ist zu 3 % am Kapital der ebenfalls inländischen Y-GmbH beteiligt. Gesellschafter der X-OHG sind zu 1/ 2 der Steuerausländer A und zu je 1/4 die Steuerausländer B und C. B hält zudem eine direkte Beteiligung an der Y-GmbH i.H.v. 0,5 %. Die X-OHG veräußert ihre Beteiligung an der Y-GmbH. Bei einer bruchteilsmäßigen Betrachtung sind von der 3 %igen Beteiligung der X-OHG an der Y-GmbH dem A ein Anteil von 1,5 % und B und C von je 0,75 % zuzurechnen. Für B ist dazu seine direkt gehaltene Beteiligung i.H.v. 0,5 % hinzuzurechnen, sodass seine Gesamtbeteiligung an der Y-GmbH 1,25 % beträgt. Ein aus der Beteiligungsveräußerung entstehender Gewinn unterliegt mithin bei A und B, nicht jedoch bei C der beschränkten Steuerpflicht (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, 17 EStG). Bei einer (mittelbaren) Beteiligungsquote von unter 1 % des Kapitals entfällt die beschränkte Steuerpflicht. § 20 Abs. 2 EStG ist mangels Bezugnahme in § 49 EStG nicht auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.

c) Freiberufler-Personengesellschaft

9.38 Auch an Freiberufler-Personengesellschaften ist eine Beteiligung ausländischer Gesellschafter mög-

lich. Da bereits die Beteiligung eines einzigen Berufsfremden zu einer gewerblichen Infektion der gesamten Einkünfte der inländischen Personengesellschaft führt, müssen auch die ausländischen Gesellschafter eine selbständige Tätigkeit ausüben. Keine Schwierigkeiten bestehen, wenn der ausländische Mitunternehmer die für die freiberufliche Tätigkeit erforderliche deutsche Qualifikation besitzt (z.B. in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen oder als Arzt approbiert ist). Ebenfalls ausreichend ist, wenn der ausländische Mitunternehmer eine dem deutschen Recht vergleichbare Berufserlaubnis nach dem Recht seines Herkunftsstaates besitzt oder zumindest im Ausland der Kontrolle durch eine Berufsorganisation unterliegt.4

9.39 Auch ausländische Kapitalgesellschaften können sich grundsätzlich an inländischen Freiberufler-

Personengesellschaften beteiligen. Eine gesetzliche Fiktion, die sämtliche Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft als gewerbliche qualifizieren und damit die gesamten Einkünfte der Freiberufler-Personengesellschaft infizieren würde, existiert nicht: § 8 Abs. 2 KStG, der sämtliche Einkünfte einer Kapitalgesellschaft als gewerblich einordnet, findet nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften Anwendung,5 und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG gilt ausweislich seines klaren Wortlauts nur für die in Satz 1 genannten Einkünfte aus Vermietung und 1 BFH v. 13.12.1989 – I R 40/87, BStBl. II 1990, 381 (382). 2 BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686 (688 ff.); v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312 (314). 3 Rapp in L/B/P, § 17 EStG Rz. 83; Weber-Grellet in Schmidt36, § 17 EStG Rz. 58. 4 Vgl. zu dieser Problematik BFH v. 28.8.2003 – IV R 69/00, FR 2004, 224; Eckert, IStR 1999, 478 (479 f.); Korn/Strahl, NWB Fach 3, 13417 (13420); Hemmelrath in Haarmann/Hemmelrath, Gestaltung und Analyse, 623 (637 f.); Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 158 f.; Kempermann in FS Wassermeyer, 333. 5 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, IStR 1994, 239 (239); Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (152); Lang in D/P/M, § 8 Abs. 2 KStG Rz. 18.

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.42 Kap. 9

Verpachtung sowie Veräußerung.1 Die Beteiligung der ausländischen Kapitalgesellschaft muss jedoch so ausgestaltet sein, dass die Personengesellschaft hierdurch nicht gewerblich geprägt wird. Beteiligt sich die beschränkt steuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaft an einer FreiberuflerPersonengesellschaft, bleibt die Frage zu klären, ob sie Einkünfte aus selbständiger, insbesondere freiberuflicher Tätigkeit erzielen kann. Dies ist jedenfalls für Tätigkeiten zu verneinen, die höchstpersönlich erbracht werden müssen.2 Solche Tätigkeiten kann die Kapitalgesellschaft nicht selbst erbringen. Sie kann sich vielmehr nur dazu verpflichten, die Leistung durch andere erbringen zu lassen. Ob hingegen anderes bei vertretbaren Dienstleistungen gelten kann, ist umstritten.3 Da dort nicht die Tätigkeit als solche, sondern das Ergebnis im Vordergrund stehe, wird teilweise angenommen, dass diese auch von Kapitalgesellschaften erbracht werden könnten, wenn sie die Leistungen als Gesellschaft erbringen kann (und auch tatsächlich erbringt) und wenn sie die erforderlichen berufsrechtlichen Voraussetzungen in eigener Person erfüllt.4

9.40

Gewinne aus freiberuflicher (selbständiger i.S.d. § 18 EStG) Tätigkeit einer inländischen Freiberufler-Personengesellschaft unterliegen bei ihren ausländischen Gesellschaftern unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG der beschränkten Steuerpflicht. Danach werden alle Tätigkeiten erfasst, die im Inland ausgeübt oder verwertet5 werden oder worden sind oder für die im Inland eine feste Einrichtung6 oder Betriebsstätte7 unterhalten wird. Im Fall einer inländischen Personengesellschaft wird regelmäßig eine Betriebsstätte/feste Einrichtung im Inland vorliegen, die eine beschränkte Steuerpflicht der ausländischen Mitunternehmer zu begründen vermag. Der beschränkten Steuerpflicht unterliegt dann nur der in der inländischen Betriebsstätte/festen Einrichtung erwirtschaftete und auf den ausländischen Mitunternehmer entfallende Gewinnanteil (vgl. Rz. 9.29 f.).8

9.41

d) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften Beteiligt sich ein Steuerausländer an einer deutschen Personengesellschaft, die Einnahmen aus der Vermietung und/oder Veräußerung von im Inland belegenem, unbeweglichem Vermögen erzielt, stellt sich die Frage, inwieweit die ihm zurechenbaren Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Von Bedeutung ist hierfür auch, ob die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte oder solche aus privater Vermögensverwaltung erzielt. 1 Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 7.22. 2 Vgl. BFH v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213 (214 f.); Clausen in H/H/R, § 49 EStG Anm. 1251. 3 So Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 334; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Anm. 1251; wohl a.A. Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 292. 4 Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 7.22; a.A. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101 (102), wonach eine Kapitalgesellschaft nie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erziele; ebenso Gosch in FS Wassermeyer, 263 (275); Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 241 f.; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 38. 5 Nach Aufnahme des Betriebsstättenprinzips in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG haben die Varianten der Ausübung und Verwertung nur noch eine geringe Bedeutung; vgl. zu den beiden Merkmalen BFH v. 15.11.1971 – GrS 1/71, BStBl. II 1972, 68 (70); v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372 (373); Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 670 ff.; Loschelder in Schmidt36, § 49 EStG Rz. 44. 6 Der Begriff der „festen Einrichtung“ orientiert sich wohl an Art. 14 OECD-MA vor 2000 und ist inhaltsgleich mit dem Begriff der „Betriebsstätte“, sodass ihm vorliegend keine eigenständige Bedeutung zukommt; vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 147; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Anm. 691; Gosch in Kirchhof16, § 49 EStG Rz. 55. 7 Zum Betriebsstättenbegriff vgl. Rz. 9.22 ff. 8 Ausführlich zu den verschiedenen Gewinnverteilungsmodellen Richter in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 7.42 ff.

Mick/Dyckmans | 945

9.42

Kap. 9 Rz. 9.43 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften aa) Gewerbliche oder vermögensverwaltende Tätigkeit

9.43 Die Abgrenzung einer privaten Vermögensverwaltung durch Vermietung und Verpachtung sowie

durch private Veräußerungsgeschäfte von gewerblicher Tätigkeit erfolgt nach dem „Gesamtbild der Verhältnisse und der Verkehrsanschauung“.1 Von einem Gewerbebetrieb ist i.d.R. dann auszugehen, wenn über die reine Vermietung hinaus noch weitere Sonderleistungen (z.B. Service-, Wartungs- oder Werbeleistungen) durch die Personengesellschaft erbracht werden.2 Die Größe des Vermietungsobjekts stellt dagegen ebenso wenig ein geeignetes Abgrenzungskriterium dar wie eine große Zahl von Mietverhältnissen.3

9.44 Ebenfalls keine private Vermögensverwaltung liegt vor, wenn die Tätigkeit die Schwelle zum gewerb-

lichen Grundstückshandel überschreitet. Hierfür stellt die Rechtsprechung auf die sog. Drei-ObjektGrenze ab.4 Danach wird eine gewerbliche Tätigkeit vermutet, wenn der Steuerpflichtige in einem engen zeitlichen Zusammenhang mehr als drei Objekte veräußert. Ein enger zeitlicher Zusammenhang soll vorliegen, wenn sowohl zwischen Anschaffung und Veräußerung als auch zwischen den einzelnen Veräußerungen i.d.R. nicht mehr als fünf Jahre liegen. Ein gewerblicher Grundstückshandel kann aber auch dann vorliegen, wenn die Drei-Objekt-Grenze nicht erfüllt ist. Dies insbesondere dann, wenn die unbedingte Absicht besteht, das Grundstück weiterzuveräußern;5 z.B. wenn der Steuerpflichtige plant, das Grundstück zuerst zu bebauen und danach wieder zu veräußern.6 Die von § 15 Abs. 2 EStG vorausgesetzte Nachhaltigkeit kann zudem auch bei der Veräußerung eines einzelnen Grundstückes erfüllt sein, etwa wenn der Steuerpflichtige zur Durchführung des Geschäfts eine Vielzahl von verschiedenen Einzeltätigkeiten entfaltet, die gemeinsam die Annahme einer nachhaltigen Tätigkeit rechtfertigen.7 Sind die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels erfüllt, so liegt ein Gewerbebetrieb bereits ab dem Erwerb der Grundstücke vor.

9.45 Die Voraussetzungen der Drei-Objekt-Grenze sind zunächst nur auf Ebene der inländischen Per-

sonengesellschaft selbst zu prüfen. Auf eventuelle Grundstücksveräußerungen durch den ausländischen Gesellschafter kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.8 Daneben kann jedoch auch der einzelne Gesellschafter selbst einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben.9 Dafür können ihm Grundstücksverkäufe10 der Personengesellschaft zugerechnet werden,11 wenn er entweder an ihr zu mindestens 10 % beteiligt ist oder der auf ihn aufgrund seiner Gesellschaftsbetei1 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761); v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (292); Fischer, DStR 2009, 398 (399). 2 FG Schl.-Holst. v. 28.1.2002 – I 333/01, EFG 2002, 456 (456 f.) (rkr.); Bode in Blümich, § 15 EStG Rz. 114. 3 BFH v. 6.3.1997 – IV R 21/96, BFH/NV 1997, 762 (763); v. 20.10.2009 – X B 241/08, BFH/NV 2010, 198 (199). 4 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291 (293); v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244 (245); Carlé, DStZ 2009, 278; Buge in H/H/R, § 15 EStG Anm. 1123 ff.; BMF v. 24.2.2004 – IV A 6 - S 2240 - 26/03, BStBl. I 2004, 434, Rz. 5. 5 BFH v. 17.12.2008 – IV R 77/06, DStR 2009, 963 (965) m.w.N.; Buge in H/H/R, § 15 EStG Anm. 1138 ff. 6 BFH v. 18.9.2002 – X R 5/00, BStBl. II 2003, 286 (286); v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811 (812). 7 BFH v. 9.12.2002 – VIII R 40/01, BStBl. II 2003, 294 (297); Buge in H/H/R, § 15 EStG Anm. 1138. 8 BFH v. 15.6.2004 – VIII R 7/02, BStBl. II 2004, 914 (918 f.); Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 70 ff. 9 Bei mehrstufigen Personengesellschaftsstrukturen können auch Grundstücksveräußerungen der Untergesellschaft der jeweiligen Obergesellschaft zugerechnet werden; vgl. FG Hamburg v. 1.12.2008 – 7 K 19/04, EFG 2009, 557 (561) (rkr.). 10 Ob dagegen auch die Veräußerung einer Beteiligung an einer Immobilienpersonengesellschaft wie die Veräußerung des Grundstücks selbst anzusehen ist, ist umstritten; vgl. Tischbirek in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1213 m.w.N. 11 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 (620 f.); v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250 (254 f.); FG Hamburg v. 1.12.2008 – 7 K 19/04, EFG 2009, 557 (560 f.) (rkr.).

946 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.48 Kap. 9

ligung entfallende Anteil am veräußerten Grundstück oder der Verkehrswert seiner Gesellschaftsanteile 250.000 Euro übersteigt.1 Schließlich ist auch bei der Immobilienpersonengesellschaft zu beachten, dass bereits eine geringe gewerbliche Tätigkeit zu einer gewerblichen Infektion der gesamten Einkünfte führt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; vgl. Rz. 9.17). Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG liegt zudem eine gewerblich geprägte Gesellschaft vor (vgl. Rz. 9.7). Erzielt nach diesen Grundsätzen nicht bereits die Immobiliengesellschaft selbst gewerbliche Einkünfte, so fingiert § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG die Gewerblichkeit von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung2 oder Veräußerung von inländischen Grundstücken, wenn die Einkünfte von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft i.S. des § 2 Abs. 1 KStG erzielt werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG vergleichbar ist. Im Unterschied zu der bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften geltenden Regelung des § 8 Abs. 2 KStG erfasst § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG jedoch nicht sämtliche Einkünfte der ausländischen Körperschaft, sondern nur diejenigen aus der Vermietung und Verpachtung oder Veräußerung von inländischem Immobilienvermögen. Auch auf die Immobilienpersonengesellschaft selbst hat diese Fiktion keine Auswirkung. Insbesondere gilt diese nicht selbst als gewerblich, sodass ihre inländischen Gesellschafter (oder ausländische Gesellschafter, für die die Fiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG keine Anwendung findet, z.B. natürliche Personen) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG) erzielen. Die Einkünfte der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln. Erst in einem zweiten Schritt werden die Einnahmen auf Ebene der ausländischen Körperschaft gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert. Die Gesellschafter der Personengesellschaft können mithin der Art nach unterschiedliche Einkünfte erzielen.

9.46

bb) Beschränkte Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG Liegen nach diesen Grundsätzen gewerbliche Einkünfte vor,3 so sind die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung oder aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichen Vermögen in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG).4

9.47

§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG stellt nunmehr mit Wirkung zu Beginn des VZ 2017 klar, dass auch die Veräußerung eines Anteils an einer vermögensverwaltenden (und entprägten) deutschen Immobilienpersonengesellschaft der beschränkten Steuerpflicht unterliegt.

9.48

Beispiel: Die in Deutschland beschränkt steuerpflichtige und nach niederländischem Recht gegründete B-B.V. ist Gesellschafterin der vermögensverwaltenden und entprägten K-KG, die inländische Immobilien hält. Nach Ablauf von zehn Jahren veräußerte die B-B.V. ihren Anteil an der K-KG. Nach Ansicht des FG München fiel die Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, die sich – ohne in irgendeiner Weise gewerblich tätig zu sein – ausschließlich mit der Verwaltung der in ihrem Eigentum befindlichen inländischen Immobilien beschäftigt, nicht unter die beschränkte Steuerpflicht des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG a.F. (nun Satz 3).5 Die Übertragung eines Anteils an einer Personengesellschaft könne nicht mit dem direkten Verkauf inländischen Grund1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 26/03, BStBl. I 2004, 434 Rz. 14, 17 f. 2 Zwar verweist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG – im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG – nicht auf § 21 EStG, dennoch sollten die dort geltenden Grundsätze Anwendung finden können, da der Gesetzgeber mit der Neuregelung keine Änderung diesbezüglich bezweckte; vgl. auch Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 619. 3 Wassermeyer, IStR 2009, 238 (240). 4 Andernfalls ist die Immobilienpersonengesellschaft lediglich vermögensverwaltend tätig, vgl. dazu Rz. 9.31 ff. 5 FG München v. 29.7.2013 – 7 K 190/11, EFG 2013, 1852 (rkr.).

Mick/Dyckmans | 947

Kap. 9 Rz. 9.49 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften besitzes gleichgestellt werden. Ab dem VZ 2017 gilt für diese Fälle nunmehr § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG n.F., der auf die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG verweist. Damit gilt die Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft nunmehr auch im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG als mittelbare Veräußerung der im Eigentum der Personengesellschaft stehenden inländischen Immobilien und unterliegt insofern der beschränkten Steuerpflicht.1

9.49 Die Einnahmen sind auf Basis der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG zu ermitteln.2 Die Gewinnermittlung kann durch Einnahmeüberschussrechnung (§4 Abs. 3 EStG) oder Bestandsvergleich (§ 4 Abs.1 EStG) erfolgen. Jedoch ist umstritten, ob sich die Verpflichtung zur Führung von Büchern nach § 140 AO nur aus inländischen oder auch aus ausländischen Rechtsnormen ergeben kann.3 Die Annahme gewerblicher Einkünfte bedeutet nicht, dass eine (fiktive) inländische Betriebsstätte begründet wird.4

9.50 Auch im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG kommt eine Teilwertabschreibung des

Immobilienbesitzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in Betracht.5 Keine Bedeutung dürfte hingegen die Übertragung von stillen Reserven auf Reinvestitionsgüter oder die Bildung einer Rücklage nach §§ 6b Abs. 1 und Abs. 3, 6c EStG haben, da dafür nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören müssen.6 Besteht jedoch eine inländische Betriebsstätte, so kommt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG aufgrund des Vorrangs von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht in Betracht.7

9.51 Da aufgrund der Gewerblichkeit der Einkünfte vom Vorliegen von Betriebsvermögen auszugehen

ist,8 kann – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – für Gebäude die AfA i.H.v. 3 % geltend gemacht werden (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).9 Die AfA-Bemessungsgrundlage soll demgegenüber 1 Fraglich ist, ob die Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG n.F. auch rückwirkend Geltung entfalten kann, vgl. Kudert/Schade, IStR 2017, 605 (607). 2 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 633; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (747); Bron, DB 2009, 592 (593); für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG a.F. bereits BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344 (345 f.); v. 5.6.2002 – I R 105/00, BFH/NV 2002, 1433 (1434); OFD Münster v. 24.7.2008 – S 1300 - 169 - St 45-32, GmbHR 2008, 1007. Zu Fragen der Bewertung der inländischen Grundstücke (insbesondere bei erstmaliger Anwendung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa EStG zum 1.1. 2009) vgl. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 634; Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154); Mensching in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 8.43 ff. (auf Grundlage einer getrennten Gewinnermittlung). 3 Vgl. einerseits BMF v. 16.5.2011 – IV C 3-S 2300/08/10014 – DOK 2011/0349521, BStBl. I 2011, 530, Rz. 3, wonach ausländische Rechtsnormen ausreichend sind, und andererseits BFH v. 15.10.2015 – I B 33/15, BStBl. II 2016, 66. 4 So ausdrücklich OFD NRW v. 5.9.2017 – S 1300-2010/0007-St 122, Nr. 2, DB 2017, 2384. 5 Ebenso Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 634; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, DB 2009, 593 (594); auf Grundlage einer getrennten Gewinnermittlung a.A. Mensching, DStR 2009, 96 (98); Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154). 6 BFH v. 22.6.2017 – VI R 84/14, DStR 2017, 1864; BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014 – DOK 2011/0349521, BStBl. I 2011, 530, Rz. 11; ebenso Bayerisches Landesamt für Steuern v. 8.6.2011 – S 2300.2.1-4/13 St32, IStR 2011, 599 Rz. 11. 7 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 634; Bron, DB 2009, 593 (594), der jedoch eine Anwendung aufgrund gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorranges für denkbar hält; Töben/Lohbeck/Fischer, FR 2009, 151 (154) mit anderer Begründung; a.A. Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749). 8 Auch die Gewerblichkeitsfiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG vermag die für die Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG vorausgesetzte Eigenschaft als Betriebsvermögen zu begründen; vgl. Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Anm. 634; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (747) – auch zum Umfang des Betriebsvermögens; a.A. Wassermeyer, IStR 2009, 238 (239). 9 BMF v. 16.5.2011 – IV C 3 - S 2300/08/10014 – DOK 2011/0349521, BStBl. I 2011, 530, Rz. 12; Mensching, DStR 2009, 96 (98); Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 634; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, DB 2009, 593 (594); Ege, DStR 2010, 1205 (1208).

948 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.55 Kap. 9

nach Ansicht der Finanzverwaltung unverändert bleiben, maßgeblich für die AfA sind folglich weiterhin die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten.1 3. Besteuerung im Verlustfall Kommt es auf Ebene der inländischen Personengesellschaft zu Verlusten, so sind diese ihren ausländischen Mitunternehmern ebenso zuzurechnen wie etwaige Gewinne. Vorbehaltlich spezieller Verlustverrechnungsbeschränkungen können grundsätzlich auch beschränkt Steuerpflichtige die ihnen zurechenbaren Verluste mit anderen inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG verrechnen (§ 2 Abs. 3 EStG). Übersteigen die durch die Personengesellschaftsbeteiligung (anteilig) entstandenen Verluste die im gleichen Veranlagungszeitraum erzielten inländischen Einkünfte, so ist auch der beschränkt Steuerpflichtige zum Verlustausgleich nach § 10d EStG berechtigt.

9.52

Auch die Abzugsbeschränkungen des § 2a EStG sind auf beschränkt Steuerpflichtige anwendbar.2 Sie werden jedoch nur in den seltenen Fällen zum Tragen kommen, in denen beschränkt Steuerpflichtige im Inland mit Einkünften aus Drittstaaten besteuert werden.3

9.53

Ist die Haftung des ausländischen Gesellschafters beschränkt, gilt auch für ihn die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung des § 15a EStG.4 Sein anteiliger Verlust kann nur insoweit mit anderen Einkünften ausgeglichen oder nach § 10d EStG abgezogen werden, als dadurch kein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Darüber hinausgehende Verluste können nur mit zukünftigen Gewinnen aus der Mitunternehmerschaft verrechnet werden. Bei beschränkt Steuerpflichtigen ist zu beachten, dass sich § 15a EStG nur auf die inländischen Einkünfte bezieht.5 Während im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter i.d.R. weitere Einkünfte im Inland haben werden und deshalb bemüht sein werden, die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkungen des § 15a EStG zu vermeiden, können für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, die keine weiteren inländischen Einkünfte erzielen, die Rechtsfolgen des § 15a EStG gegenüber denen des § 10d EStG sogar vorteilhaft sein. Sollte es in den folgenden Jahren zu Gewinnen aus der Gesellschaftsbeteiligung kommen, so unterliegen die verrechenbaren Verluste im Gegensatz zu ausgleichsfähigen Verlusten nicht der Mindestbesteuerung des § 10d EStG.6

9.54

Problematisch sind Fälle, in denen der Verlust durch eine inländische Personengesellschaft veranlasst wird, diese Personengesellschaft aber zum Zeitpunkt der Verlustentstehung noch nicht oder nicht mehr besteht und/oder tatsächlich auch nie bestehen wird. Ein vorweggenommener Verlust wird bspw. durch den Gründungsaufwand einer Personengesellschaft verursacht. Auch kann sich während der Gründungsphase herausstellen, dass die geplanten Aktivitäten wirtschaftlich unrentabel sind und es deshalb gar nicht zur Umsetzung des Projekts kommt. Nachträgliche Verluste entstehen zu einem Zeitpunkt, in dem die Personengesellschaft bereits ihre gewerblichen Tätigkeiten eingestellt hat. All diesen Fällen ist gemein, dass die Verlustentstehung lediglich durch die Tätigkeiten der Personengesellschaften veranlasst ist, ohne dass diese bei Verlustentstehung schon oder noch besteht oder auch jemals bestehen wird. Wäre der zeitlich vor- oder nachgelagerte Aufwand dem Betriebsstättenstaat Deutschland zuzurechnen, so wäre dieser in Deutschland steuerlich zu berücksichtigen, andernfalls wäre er dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters zuzurechnen. Letztlich geht es bei dem hier beschriebenen Problem um die Methode der

9.55

1 OFD Münster v. 5.9.2011 – S 1300 – 169-St 45-32, juris, unter I.3.2. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 363; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 5; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 14; Dreyer in L/B/P, § 2a EStG Rz. 40. 3 Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.43; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 363; Heinicke in Schmidt36, § 2a EStG Rz. 4. 4 Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 46; Korn/Heißenberg in Korn, § 15a EStG Rz. 14. 5 Korn/Heißenberg in Korn, § 15a EStG Rz. 14; v. Beckerath in K/S/M, § 15a EStG Rz. A 23. 6 Ausführlich dazu – auch zu Möglichkeiten der Steuerplanung Frey in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 18.47 ff.

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Kap. 9 Rz. 9.56 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätte der Personengesellschaft und ihrem ausländischen Gesellschafter. Beispiel: Die beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen A, B und C planen in 01 die Errichtung einer Heilpraktikerpraxis in der Rechtsform einer GbR in Deutschland. Die Umsetzung bleibt zunächst erfolglos. Nach Ausscheiden des Gesellschafters A gründen die beiden verbliebenen Gesellschafter die GbR und realisieren das Projekt in 03. Die Gesellschafter A, B und C machen die entstandenen Aufwendungen aus 01 geltend, B und C darüber hinaus auch den Gründungsaufwand aus 03. Abwandlung: Wie im Beispielsfall aber die Gesellschafter A, B und C planen die Errichtung eines gewerblichen Unternehmens in Deutschland.

9.56 Nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. 18 EStG liegen steuerbare inländische Einkünfte aus selbstständiger

Arbeit vor, wenn sie im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine Betriebsstätte unterhalten wird. Folgt man dem Wortlaut dieser Vorschrift scheitert die steuerliche Berücksichtigung der negativen Einkünfte im Ausgangsfall für 01 schon daran, dass in 01 Heilbehandlungen weder ausgeübt noch verwertet worden sind. Unentgeltlich erbrachte Vorbereitungshandlungen stellen keine solchen Einkünfte dar. Auch wurde in 01 noch keine feste Einrichtung oder Betriebsstätte unterhalten. Wassermeyer weist zu Recht darauf hin, dass die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG gegenwartsbezogen formuliert ist.1 Nach dem Wortlaut reicht allein der bloße Zukunftsbezug der Einkünfteerzielung nicht aus. Die gleichen Überlegungen gelten auch im Falle der Abwandlung: Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG setzt beschränkte Steuerpflicht von Einkünften aus Gewerbebetrieb voraus, dass im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Auch diese Regelung fordert einen Gegenwartsbezug mit einer tatsächlich unterhaltenen festen Einrichtung oder Betriebsstätte2. Nach dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 EStG ist damit der Gründungsaufwand der Gesellschafter A, B und C in 01 und 03 steuerlich nicht zu erfassen. Tatbestandlich fordert § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a und Nr. 3 EStG damit eine bereits existente Betriebsstätte.3

9.57 Nach Ansicht des BFH soll die Gewinnabgrenzung jedoch nach dem Veranlassungszusammenhang erfolgen. Ob (negative) Einkünfte im Betriebsstätten- oder Ansässigkeitsstaat steuerlich zu erfassen sind, beurteilt sich danach, ob die Einkünfte bereits durch die noch zu errichtende Betriebsstätte bzw. durch die ehemals existente Betriebsstätte veranlasst sind. Eine veranlassungsbezogene Zuordnung setzt nur eine zielgerichtete Mittelverwendung voraus nicht hingegen einen zeitlichen Zusammenhang. Besteht dieser Zusammenhang, so sind die Aufwendungen auch unabhängig davon, ob die Betriebsstätte/feste Einrichtung jemals errichtet worden ist, steuerlich im Betriebsstättenstaat zu berücksichtigen. Hiernach wäre für alle Gesellschafter A, B und C der Gründungsaufwand Deutschland zuzuordnen. Für A ist sogar unerheblich, dass sich das Vorhaben für ihn niemals realisiert hat.4

In den vom BFH entschiedenen Fällen ging es um die Zurechnung von Gründungsaufwand bzw. nachträglichem Aufwand im Zusammenhang mit ausländischen Betriebsstätten von im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen.5 Auch hier wendet der BFH die Grundsätze des Veranlassungszusammenhangs an und setzt sich damit über den Wortlaut des § 34c Abs. 1–5 EStG hinweg. Denn auch diese Regelungen setzen für ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb voraus, dass sie durch eine in einem ausländischen Land gelegene Betriebsstätte erzielt werden. 1 2 3 4

Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). Wassermeyer, IStR 2015, 37 (38). BFH v. 26.02.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. Zur „einfachen Betriebsstätte“ vgl. auch Hagemann, DB 2016, 1217ff., der gegenüber dem BFH eine etwas differenziertere Auffassung vertritt. 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 26.02.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703.

950 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.60 Kap. 9

Die Auffassung des BFH führt dazu, dass negative Einkünfte einer fiktiven Betriebsstätte zugerechnet werden, wenn es am Ende nicht zur Errichtung der Personengesellschaft/Betriebsstätte kommt. Hierdurch entstehen fiktive (negative) betriebsstättenlose Einkünfte, deren Existenz gerade auch vom BFH angezweifelt wird.1 Gerade in der Planungsphase der Gründung einer unternehmerischen Tätigkeit, lässt sich die Zuordnung von Aufwendungen zu einer künftigen ausländischen Betriebsstätte zumeist nicht eindeutig klären, zumal wenn die maßgeblichen Vorbereitungshandlungen im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters vorgenommen werden. Auch nachlaufende Ausgaben, die auf einer ehemals aktiven Tätigkeit einer Personengesellschaft beruhen, können im (ehemaligen) Betriebsstättenstaat nur dann berücksichtigt werden, wenn sie als solche tatbestandlich von § 49 Abs. 1 EStG erfasst werden. Während § 49 Abs. 1 Nr. 3 auch Einkünfte aus selbstständiger Arbeit einbezieht, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird „oder worden ist“, besteht ein solcher Vergangenheitsbezug für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht. Vielmehr liegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur dann vor, wenn für diese im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass nachträgliche inländische Betriebsstätteneinkünfte von der beschränkten Steuerpflicht nicht erfasst werden. Auch in diesem Fall würde der BFH aber wohl die nachträglichen Aufwendungen aufgrund der Veranlassungsbezogenheit der beschränkten Steuerpflicht unterwerfen.2 Mit dem Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a EStG lässt sich diese Auffassung bei gewerblichen Einkünften (anders als für Einkünfte aus selbstständiger Arbeit) nicht vereinbaren. Auch lässt sich diese Betrachtungsweise nur schwer mit den AOA Grundsätzen begründen, wonach für die Gewinnabgrenzung zwischen Betriebsstätten in erster Linie eine Geschäftseinrichtung maßgebend ist, in der Personalfunktionen ausgeübt werden. Eine Betriebsstätte besteht dann nicht, wenn durch Beendigung ihrer Tätigkeit auch keine Personalfunktion mehr ausgeübt wird. Gleichzeitig wird regelmäßig bei Beendigung der gewerblichen Tätigkeiten eine Entnahme/Entstrickung oder Verkauf der Wirtschaftsgüter erfolgen. Diese Maßnahmen werden damit zu einer Zäsur des Veranlassungszusammenhangs führen. Eine weitere nachträgliche Steuerverhaftung ist hiernach jedenfalls ausgeschlossen.

9.58

4. Drittstaateneinkünfte Besonderheiten sind zu beachten, wenn neben dem Ausland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und dem Inland als Sitzstaat der Personengesellschaft weitere Staaten ein Besteuerungsrecht beanspruchen. Angesprochen sind damit die Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft Einkünfte aus Drittstaaten erzielt. Beansprucht in diesem Fall auch der Drittstaat ein Besteuerungsrecht für die erzielten Einkünfte, so stellt sich die Frage, ob und bejahendenfalls auf welche Weise eine doppelte (oder gar dreifache) Besteuerung der Einkünfte (unter Außerachtlassung der DBA-rechtlichen Sonderregelungen) verhindert werden kann.

9.59

Teilweise wird eine doppelte- oder mehrfache Besteuerung bei Drittstaateneinkünften schon dadurch vermieden, dass nur bestimmte Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Erzielt etwa die inländische Personengesellschaft Einnahmen, die einer in dem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind, handelt es sich nicht um inländische Einkünfte i.S.v. § 49 EStG. Zweck dieser Regelung ist es, nur im Inland erzielte Einkünfte zu erfassen.3 Daran fehlt es jedoch, wenn die Einkünfte von der inländischen Gesellschaft durch eine ausländische Betriebsstätte erzielt werden.4 Eine etwaige Doppelbesteuerung zwischen dem Quellenstaat und dem Ansässigkeitsstaat

9.60

1 2 3 4

BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791. BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, IStR 2015, 883. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664 f.). BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (665); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.5; Schnitger in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.54.

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Kap. 9 Rz. 9.61 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften kann in diesem Fall nicht durch Deutschland, sondern allenfalls durch den Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters vermieden werden.

9.61 Stammen die Einnahmen hingegen aus in dem Drittstaat gelegenem, unbeweglichen Vermögen, ist fraglich, ob diese in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Soweit es sich um eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft handelt, können inländische Einkünfte nicht angenommen werden. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6 EStG bezieht ausdrücklich nur Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen ein. Ist die Personengesellschaft hingegen gewerblich tätig und hat sie einzig eine inländische Betriebsstätte, sind sämtliche Einnahmen dieser Betriebsstätte zuzuordnen und nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig.1

9.62 Durch die Regelung des § 50 Abs. 3 EStG ermöglicht jedoch das deutsche innerstaatliche Recht,

eine etwaige Doppelbesteuerung zu verhindern oder zumindest abzumildern. Danach ist auf Gewinneinkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen § 34c Abs. 1–3 EStG anzuwenden, wonach die im Ausland gezahlte Steuer entweder auf die inländische Steuer anzurechnen oder wahlweise bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen ist. Voraussetzung ist, dass im Inland ein Betrieb unterhalten wird, dem die fraglichen Einkünfte zuzurechnen sind.2 Für den vorliegend zu betrachtenden Fall eines ausländischen Gesellschafters einer inländischen Gesellschaft ist mithin erforderlich, dass die Gesellschaft eine Betriebsstätte im Inland unterhält.3 Weiter verlangt § 50 Abs. 3 EStG, dass es sich nicht um Einkünfte aus einem ausländischen Staat handelt, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang zu einer Steuer vom Einkommen4 herangezogen wird. Daneben müssen – abgesehen von der aufgrund von § 50 Abs. 3 EStG entbehrlichen unbeschränkten Steuerpflicht – auch die Voraussetzungen des § 34c EStG vorliegen.5 Beispiel: Der im Ausland ansässige A ist Kommanditist der deutschen D-KG, die originär gewerblich tätig ist und Dividenden aus einem Drittstaat bezieht. Es soll davon ausgegangen werden, dass der Drittstaat auf Dividendenzahlungen eine Quellensteuer erhebt. A unterliegt mit den Dividendeneinkünften in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht. Eine Anrechnung der im Drittstaat gezahlten Quellensteuer nach § 34c Abs. 1 EStG kommt nicht in Betracht, da A in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hingegen kann eine Anrechnung grundsätzlich gem. §§ 50 Abs. 3 i.V.m. 34c EStG erfolgen. Wird jedoch A im Wohnsitzstaat mit den anteiligen Einkünften, die die D-KG vereinnahmt hat in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang besteuert, so scheidet eine Anrechnung oder ein Abzug der Drittstaaten-Quellensteuer in Deutschland aus. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist es in diesen Fällen vielmehr Sache desjenigen Staates, der von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgeht, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.6 Abwandlung 1: A ist zwar in dem ausländischen Staat unbeschränkt steuerpflichtig, dieser besteuert jedoch aufgrund seines nationalen Besteuerungsrechts Einkünfte, die aus dem Ausland herrühren, generell nicht. 1 Frotscher in Frotscher/Geurts, § 49 EStG Rz. 69; a.A. Kleineidam, IStR 1993, 349 (350); Helde, Dreiecksverhältnisse, 20, wonach zuvorderst auf den Belegenheitsort abzustellen sei und deshalb ausländische Einkünfte vorlägen. Das Gesetz sieht einen solchen Vorrang nicht ausdrücklich vor, sondern ordnet sämtliche Einkünfte, die der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, dem deutschen Besteuerungsrecht zu. 2 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 6; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 117; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Anm. 410. 3 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 6; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 61. 4 Der deutschen Einkommensteuer entsprechen grundsätzlich solche Ertragsteuern, für die ein DBA gilt; vgl. R 50.2 Satz 2 EStR 2008. 5 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Anm. 432. 6 BT-Drucks. 8/3648, 22 (zu Nr. 10, Buchst. a); Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 2; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 118.

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.65 Kap. 9 Nach überwiegender Ansicht1 soll es nicht ausreichen, dass der Steuerpflichtige im Ausland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Erforderlich sei vielmehr, dass die konkreten, einer inländischen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzurechnenden Einkünfte dort tatsächlich in einem der unbeschränkten Steuerpflicht ähnlichen Umfang herangezogen werden können.2 Daran fehle es jedoch immer dann, wenn der ausländische Staat die konkreten Einkünfte nicht besteuert – sei es aufgrund nationaler Regelungen (aufgrund des Territorialprinzips) oder aufgrund von DBA. Die auf die Dividendenzahlungen angefallene Quellensteuer ist mithin nach § 50 Abs. 3 EStG anzurechnen.

Fraglich ist, ob § 50 Abs. 3 EStG auch zur Anwendung kommen kann, wenn die von einem Drittstaat erhobene Steuer im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen angerechnet wird. Neben nationalen Regelungen können insbesondere auch DBA zwischen dem Wohnsitzstaat des im Inland beschränkt Steuerpflichtigen und dem Drittstaat, aus dem die Einkünfte stammen, eine Anrechnung der Drittstaatensteuer vorsehen.

9.63

Abwandlung 2: Wie im Beispielsfall aber die im Drittstaat erhobene Quellensteuer rechnet der Wohnsitzstaat auf die von A zu zahlende Steuer an. Die Anrechnung der Drittstaatensteuern im Heimatland des Gesellschafters sollte einer Anrechnung in Deutschland gemäß §§ 50 Abs. 3, 34c Abs. 1–3 EStG nicht entgegenstehen.3 Ein eine Anrechnung ausschließender Ermäßigungsanspruch i.S.v. § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG besteht schon deshalb nicht, weil vorliegend nicht die ausländische Steuer – hier also die Quellensteuer – ermäßigt wird, sondern die auf das Welteinkommen des A erhobene Steuer.4 Durch eine Anrechnung der Quellensteuer sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Inland kommt es auch nicht zu einer ungerechtfertigten doppelten Entlastung des Steuerpflichtigen. Dieser wird vielmehr nicht nur in dem die Quellensteuer erhebenden Drittstaat, sondern noch in zwei weiteren Staaten mit den ausländischen Einkünften zur Steuer herangezogen. Wird der Steuerpflichtige aber insgesamt dreimal zur Steuer herangezogen (im Drittstaat, im Wohnsitzstaat und im Inland), so führt eine doppelte Entlastung zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die betreffenden Einkünfte (genau) nur einmal mit Steuer belastet werden.

III. Verteilung des Besteuerungsrechts im DBA-Fall 1. Grundsätzliches Die vorstehend dargestellten Grundsätze stellen allein die Situation nach innerstaatlichem Recht dar. Ob und in welchem Umfang Deutschland sein Besteuerungsrecht ausüben darf, ist vielfach zusätzlich durch DBA geregelt.5

9.64

Für die nachfolgende Darstellung wird eine Rechtslage zugrunde gelegt, wie sie für die dem OECD-MA entsprechenden DBA gilt. Danach kann die Personengesellschaft zwar Person i.S. des DBA sein (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA),6 jedoch mangels eigener Einkommen- und Körperschaftsteuerpflicht keine „ansässige Person“ (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Als ansässig und abkommensberechtigte Person sind viel1 Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 7; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Anm. 430. 2 Dass eine mögliche Besteuerung tatsächlich erfolgt, ist hingegen nicht erforderlich; vgl. Herkenroth/ Striegel in H/H/R, § 50 EStG Anm. 430. 3 Ebenso FG Düsseldorf v. 15.12.1992 – 6 K 110/88 K, EFG 1993, 447 (rkr.); Herkenroth/Striegel in H/ H/R, § 50 EStG Anm. 430; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50 EStG Rz. 173; a.A. Piltz in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. F 133. 4 Anderes könnte möglicherweise gelten, wenn bspw. aufgrund eines DBA zwischen A und B im Staat B die einbehaltene Quellensteuer erstattet würde; § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG stünde dann wohl einer Anrechnung im Inland entgegen. 5 Eine Übersicht über den aktuellen Stand der von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen DBA zum 1.1.2018 findet sich im BMF v. 17.1.2018 – IV B 2 - S 1301/07/10017-09 – DOK 2018/ 0042503, BStBl. I 2018, 239. 6 Vgl. Art. 3 Tz. 2 Satz 5 OECD-MK.

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9.65

Kap. 9 Rz. 9.66 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften mehr ihre Gesellschafter anzusehen, soweit sie nicht selbst Personengesellschaften sind.1 Dagegen sind deutsche Personengesellschaften Gewerbesteuersubjekt und insoweit auch DBA-berechtigt. Die Gewerbesteuerpflicht begründet jedoch keine Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA, da die Gewerbesteuer eine Objektsteuer ist und an den inländischen, stehenden Gewerbebetrieb und nicht an die Ansässigkeit der Person geknüpft ist (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA).2

9.66 Dieser Transparenzgedanke führt dazu, dass grundsätzlich alle durch die deutsche Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte dem ausländischen Gesellschafter zuzurechnen sind. Die Qualifikation der Einkünfte, die der ausländische Gesellschafter über seine inländische Personengesellschaftsbeteiligung erzielt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Verteilungsnormen des DBA. Ist die Personengesellschaft in Deutschland gewerblich tätig, erzielt der ausländische Gesellschafter Unternehmensgewinne unter den Voraussetzungen des Art. 7 OECD-MA; handelt es sich um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, so kommen die Art. 6, 10, 11, 12, 13 oder 21 OECD-MA zur Anwendung.

9.67 Die steuerliche Transparenz einer Personengesellschaft wirkt sich auch auf die Abkommens-

berechtigung aus. Als ansässige und damit abkommensberechtigte Personen sind alleine die Gesellschafter anzusehen, soweit sie nicht selbst Personengesellschaften sind. Handelt es sich bei dem Gesellschafter wiederum um eine transparente Personengesellschaft, ist auf die Gesellschafter der Obergesellschaft abzustellen.3 Ist Gesellschafter eine ausländische Gesellschaft, ist zunächst nach dem Rechtstypenvergleich festzustellen, ob diese nach deutschem Verständnis als Personenoder Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist. Für den Fall, dass hiernach die deutsche Qualifikation der ausländischen Qualifikation widerspricht (Gesellschafter ist aus deutscher Sicht transparent und aus ausländischer Sicht nicht oder umgekehrt), ist die deutsche Betrachtung maßgeblich. Deutschland als Anwenderstaat entscheidet damit über die Abkommensberechtigung des ausländischen Gesellschafters nach Maßgabe der Art. 3 und 4 OECD-MA. Auf die Personengesellschaft kommt es selbst dann nicht an, wenn das ausländische Recht auf diese abstellen würde.

9.68 Im scheinbaren Widerspruch hierzu steht § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, wonach in den Fällen, in de-

nen nach deutschem oder ausländischem Recht eine Zurechnung der erzielten Einkünfte zu einer anderen Person als dem zivilrechtlichen Gläubiger der Kapitalerträge oder Vergütungen erfolgt, der Anspruch auf völlige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag oder nach § 50a EStG nur der Person zusteht, der die Kapitalerträge oder Vergütungen nach den Steuergesetzen des anderen Vertragsstaates als Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person zugerechnet werden. Hiernach entscheidet das ausländische und nicht das deutsche Recht über den- oder diejenige, die zur Geltendmachung des Anspruchs auf Kapitalertragsteuererstattung berechtigt ist. Für ausländische Gesellschaften, die nach deutscher Sicht transparent sind (Rechtstypenvergleich), aber nach ausländischem Recht als intransparent behandelt werden, wird für die Frage der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf das ausländische Recht abgestellt. In diesem Spezialfall der Erstattung von Kapitalertragsteuern geht jedoch die herrschende Literaturmeinung davon aus, dass lediglich bei einem bereits bestehenden Erstattungsanspruch die erstattungsberechtigte Person bestimmt wird. Es wird daher nicht die nationale Sichtweise durchbrochen und die Einkünftezurechnung nach Maßgabe des ausländischen Rechts bestimmt.4 Vielmehr regelt die Vorschrift nur eine verfahrensrechtliche Wirkung für Zwecke der Geltendmachung des

1 Vgl. Art. 1 Tz. 6.4 OECD-MK; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.1; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358); Wassermeyer, IStR 2011, 85 (85). 2 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 25, 46; Art. 1 OECD-MA Rz. 17; Oepen/Münch, IStR 2009, 55 (57); vgl. aber zum DBA-Indien die Rechtsauffassung des Income Tax Appellate Tribunal (Mumbai, Indien) v. 4.7.2008 (Nachweis bei Oepen/Münch, IStR 2009, 55); offenlassend: Schmidt, PIStB 2014, 66 (67). 3 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.1.1. 4 Kopec/Rothe, IStR 2015, 372 m.w.N.; Gosch in Kirchhof16, § 50d EStG Rz. 10b; Loschelder in Schmidt36, § 50d EStG Rz. 38.

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.70 Kap. 9

Erstattungsanspruchs durch hybride ausländische Gesellschaften. Danach ordnet § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG lediglich an, dass die ausländische (hybride) Personengesellschaft den Erstattungsanspruch der Gesellschafter geltend machen kann, soweit die Erstattungsvoraussetzungen bei den Gesellschaftern vorliegen. Diese Sichtweise stützt sich u.a. auf den Wortlaut der Vorschrift, der einen bereits entstandenen Entlastungsanspruch voraussetzt. Materiell-rechtlich bleibt es hingegen beim anwenderstaatsorientierten Ansatz, wonach die Abkommensberechtigung des ausländischen Rechtsträgers in einem anderen Vertragsstaat irrelevant ist. Von Teilen der Literatur1 wird diese Auffassung abgelehnt und § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG so interpretiert, als habe die Vorschrift materiell-rechtliche Wirkung. Damit steht der ausländischen hybriden Personengesellschaft selbst ein originärer Erstattungsanspruch zu. Zur Begründung wird teilweise auf die von der OECD herausgearbeiteten Auslegungsgrundsätze verwiesen, die eine Bindungswirkung des Quellenstaates an die steuerliche Einordnung einer Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat vorsieht.2 Auch die Finanzverwaltung entnimmt dem Wortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG offensichtlich einen originären Entlastungsanspruch zugunsten der ausländischen Personengesellschaft, wenn die Einkünfte nach dem Recht des betreffenden Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind. Dies kann auch eine Personengesellschaft sein.3 Einige deutsche DBA sprechen der Personengesellschaft selbst ausdrücklich die Abkommensberechtigung zu4 (vgl. auch Rz. 9.126 ff.). Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass die Personengesellschaft sowohl als „Person“ als auch als „ansässig“ i.S. des jeweiligen Abkommens definiert wird. In diesen Fällen ist dann bspw. nicht mehr der ausländische Gesellschafter als „Unternehmer“ anzusehen, dem im Inland durch die Personengesellschaft eine Betriebsstätte vermittelt wird, sondern die inländische Personengesellschaft selbst. Das deutsche Besteuerungsrecht für auf die inländische Betriebsstätte entfallenden Einkünfte folgt somit nicht mehr aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2, Satz 2 OECD-MA, sondern aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 OECD-MA.

9.69

2. Besteuerung des Gewinnanteils a) Gewerblich tätige Personengesellschaften Für den vorliegend zu betrachtenden Fall einer inländischen Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern kann der Anteil an der Personengesellschaft dem beschränkt steuerpflichtigen Ausländer ein ausländisches Unternehmen mit deutscher Betriebsstätte vermitteln.5 Jeder (ausländische) Gesellschafter einer gewerblich tätigen Personengesellschaft betreibt mithin ein Unternehmen.6 Ob im Einzelfall eine Tätigkeit ihrer Art nach „unternehmerisch“ ist, bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht im Anwenderstaat (Art. 3 Abs. 3 OECD-MA).7 Der Gewinnanteil 1 Kudert/Kahlenberg, PIStB 2014, 158 (160); Loose/Oskamp, Ubg 2014, 633. 2 Vgl. Art. 1 Tz. 5 und 6 OECD-MK. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2; Art. 1 Tz. 5 OECD-MK; OECD-Partnership-Report, Rz. 28 ff.; Krabbe, IWB, Fach 3, Gruppe 2, 863 (864). 4 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien (für die OHG, KG und Partenreederei); Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Finnland. Zu den Sonderregelungen vgl. ausführlich BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10009 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Anlage. 5 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 F, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (937 f.); v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631 (633 f.); v. 18.12.2002 – I R 92/01, HFR 2003, 645 (646); BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2, 2.2.3; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 365 f.; Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1379); Vees, DB 2010, 1422 (1423); Richter/John, FR 2015, 142 (145). 6 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1359); Lieber, IWB 2010, 351 (352); Schmidt, IStR 2010, 413 (420) m.w.N. 7 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. – Zu den Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit durch Geschäftsleitungsaktivitäten und Holdinggesellschaften vgl. Hruschka, DStR 2014, 2421 (2424); Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2899).

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9.70

Kap. 9 Rz. 9.71 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften ausländischer Gesellschafter aus gewerblich tätigen Personengesellschaften fällt damit unter Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 OECD-MA.1 Danach steht das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne, die auf eine inländische Betriebsstätte entfallen,2 dem Betriebsstättenstaat zu. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA sind der inländischen Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die erzielt worden wären, wenn eine gleiche Geschäftstätigkeit unter vergleichbaren Bedingungen durch ein selbständiges, unabhängiges Unternehmen ausgeübt worden wäre. Abkommensrechtlich erfolgt mithin die Einkünfteabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsätzen.3 Dabei kann jedoch auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA – wie DBA generell – weder einen Steueranspruch begründen noch einen bestehenden in seinem Umfang erweitern.4 Er regelt lediglich Fragen der Gewinnabgrenzung i.S. einer abkommensrechtlichen Begrenzung des nach innerstaatlichen Grundsätzen bestehenden Besteuerungsanspruchs.

9.71 Erforderlich für die Anwendung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 OECD-MA ist, dass die

Personengesellschaft selbst im Inland eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA unterhält, sodass diese – und die daraus erzielten Einkünfte – dem einzelnen Mitunternehmer zugerechnet werden können.5 In einzelnen Abkommen wird zudem ausdrücklich klargestellt, dass auch Mitunternehmerschaften dem Regelungsbereich der jeweils Art. 7 OECD-MA entsprechenden Vorschrift unterfallen.6

9.72 Ein deutsches Besteuerungsrecht besteht in diesen Konstellationen jedoch nur, wenn die inländi-

sche Betriebsstätte nicht nur – zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht – den Voraussetzungen des § 12 AO genügt, sondern zugleich auch denjenigen des Art. 5 OECD-MA.7

Beispiel: An der deutschen X-OHG sind die Steuerausländer A und B beteiligt. Einziger Zweck der XOHG ist, für ihre Gesellschafter in Deutschland Waren einzukaufen. Dafür unterhält sie im Inland sowohl Geschäftsräume als auch ein Lager. A und B sind in Deutschland beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), da die Geschäftsräume und das Warenlager der X-OHG nach § 12 Satz 2 Nr. 5 und Nr. 6 AO eine inländische Betriebsstätte darstellen. Anders jedoch nach Abkommensrecht: Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und Buchst. d OECD-MA gelten beide Einrichtungen nicht als Betriebsstätte, weshalb Deutschland kein (beschränktes) Besteuerungsrecht zusteht.8 1 Ausführlich Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 66 ff. m.w.N.; ebenso Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (940); v. 4.4.2007 – I R 110/05, BFH/NV 2007, 1417 (1418). 2 Einkünfte, die die deutsche Personengesellschaft durch ausländische Betriebsstätten erzielt, unterliegen bereits nach innerstaatlichem Recht nicht der deutschen Besteuerung. 3 Zur Reichweite dieser Grundsätze vgl. ausführlich Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung, 47 ff. u. 114 ff. 4 Keine „self-executing“-Wirkung vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 (532 f.). Zu einer ausnahmsweisen „self-executing“-Wirkung vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 6.96. 5 Zu Recht weist Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 2.35, darauf hin, dass der Anteil an der Personengesellschaft allein mangels fester Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätte darstellen kann. 6 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich, Art. 7 Abs. 4 DBA-Liechtenstein; Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich. 7 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 365; Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (447); Letzgus, Ubg 2010, 425 (427). Gleiches gilt für einen inländischen Vertreter, vgl. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. – Gegen eine abkommensrechtliche Auslegung des innerstaatlichen Betriebsstättenbegriffs vgl. FG Bremen v. 25.6.2015 – 1 K 68/12, EFG 2016, 88; Salzmann, IStR 2016, 309. 8 Zu den Unterschieden des nationalen Betriebsstättenbegriffs und desjenigen nach DBA vgl. Schnitger/ Bildstein, Ubg 2008, 444 (447 f.). Zur GewSt vgl. aber FG Köln v. 7.5.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558, aber zu Recht ablehnend Lüdicke, IStR 2015, 770.

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.76 Kap. 9

Eine abkommensrechtliche Qualifikation als Unternehmensgewinn i.S.v. Art. 7 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA setzt voraus, dass das Unternehmen im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung betrieben wird. „Nachträgliche“ Unternehmensgewinne – also solche, die zu einem Zeitpunkt erzielt werden, in dem das Unternehmen nicht mehr betrieben wird – fallen u.E. schon gar nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und auch abkommensrechtlich nicht unter Art. 7 OECDMA, sondern sind nach Art. 21 Abs. 1 OECD-MA zu beurteilen. Solche Einnahmen können mithin nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden.1

9.73

b) Auch gewerblich tätige Personengesellschaften Schwieriger stellt sich die Situation bei deutschen Personengesellschaften dar, die neben gewerblichen Tätigkeiten auch solche Tätigkeiten ausführen, die nicht gewerblicher Natur sind.

9.74

Beispiel: An der deutschen X-KG sind die Steuerausländer A und B beteiligt. Die Gesellschaft betreibt ein gewerbliches Unternehmen mit einer Betriebsstätte in Deutschland. Daneben hält die X-KG – ohne Bezug zum Gewerbe – Beteiligungen an deutschen Kapitalgesellschaften und bezieht Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren von einer deutschen Bank. Nach nationalem Recht beziehen A und B ausschließlich gewerbliche Einkünfte, die der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Für die Dividenden- und Zinseinkünfte folgt dies aus der gewerblichen Infektion gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG.

Fraglich ist jedoch, ob diese Art der gewerblichen Infektion auch auf das Abkommensrecht durchschlägt und zur Anwendung von Art. 7 OECD-MA führt oder ob abkommensrechtlich eine Aufspaltung in die einzelnen Einkunftsarten (Art. 7, 10, 11 OECD-MA) zu erfolgen hat.

9.75

Die Finanzverwaltung2 – und ihr folgend auch Meinungen im deutschen Schrifttum3 – griffen ursprünglich auch im Abkommensrecht auf den nationalen Gewerblichkeitsbegriff zurück und kamen damit zu einer einheitlichen Einordnung sämtlicher von der gewerblich infizierten Personengesellschaft erzielten Gewinne unter Art. 7 OECD-MA. Begründet wurde dies mit Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, wonach jeder im Abkommen nicht definierte Begriff nach nationalen Gesichtspunkten auszulegen sei. Im Beispielsfall bestünde mithin auch für die Dividenden- und Zinseinkünfte – ebenso wie für Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft – ein deutsches Besteuerungsrecht. Die Gegenansicht in Literatur4, höchstrichterlicher Rechtsprechung5 und nunmehr auch Finanzverwaltung6 wenden dagegen § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Abkommensrecht zu Recht nicht an. Stattdessen sind die Einkunftsarten unter die Spezialartikel des DBA zu subsumieren. Die Definition der Gewerblichkeit kann sich nicht über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ergeben. Vielmehr verdeutlicht Art. 7 Abs. 4 OECD-MA einen Anwendungsvorrang der Spezial-

1 Ausführlich Wassermeyer, IStR 2011, 361 (367). Zur Zuordnung nachträglicher Einkünfte vgl. auch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 (vorhergehend FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878). 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/1003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1 (ersetzt durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258). 3 Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 32; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 24, 33; FW, IStR 1994, 80. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 36, 43, 86 ff.; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECDMA Rz. 35; Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2546 f.); Lange, EStB 2010, 226 (228); Sonnleitner/ Winkelhog, BB 2014, 473 (475); in diese Richtung auch Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1376 f.). 5 FG Hamburg v. 10.2.1997 – V 212/94, EFG 1997, 987 (988 f.); nachfolgend BFH v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296. 6 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.

Mick/Dyckmans | 957

9.76

Kap. 9 Rz. 9.77 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften artikel vor der allgemeinen Einkunftsart des Art. 7 OECD-MA. Aus dieser Vorschrift folgt, dass im Gegensatz zum nationalen Recht, in dem oftmals gewerbliche Einkünfte den Vorrang genießen (vgl. §§ 20 Abs. 8; 21 Abs. 3; 23 Abs. 2; 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; 8 Abs. 2 KStG), im Abkommensrecht gerade der Vorrang anderer Einkunftsarten vor der allgemeinen Einkunftsart des Art. 7 OECDMA gilt. Nur wenn zwischen den Tätigkeiten ein solch enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass nur eine einheitliche Beurteilung der Betätigung möglich ist, ist die Gesamtbetätigung auch abkommensrechtlich einheitlich zu qualifizieren. Entscheidend ist dann der Schwerpunkt der Tätigkeit.1 Von einer – auch abkommensrechtlich – ausschließlich gewerblichen Tätigkeit kann damit dann ausgegangen werden, wenn die persönliche Arbeitsleistung nicht mehr im Vordergrund der Tätigkeit steht. Ansonsten lägen bei Personengesellschaften mit teilweise gewerblichen und teilweise anderen Einkünften aus Sicht des DBA unterschiedliche Einkünfte vor. Im Beispielsfall werden deshalb neben Einkünften nach Art. 7 OECD-MA auch solche nach Art. 10 und 11 OECDMA erzielt.

9.77 Trotz der Geltung des Spezialitätsgrundsatzes im Abkommensrecht kann es gleichwohl aufgrund

der in einzelnen DBA-Regelungen vorgesehenen Betriebsstättenvorbehalte zur Anwendung von Art. 7 OECD-MA kommen. Denn Art. 7 OECD-MA ist wiederum dann anzuwenden, wenn der Empfänger der Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren in dem anderen (Quellen-)Staat eine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt und die Stammrechte tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören (vgl. Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECD-MA).2 Entscheidend für eine Einordnung als Unternehmensgewinn i.S.v. Art. 7 OECD-MA ist die tatsächliche Zugehörigkeit zur inländischen Betriebsstätte. Dabei muss ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut (Beteiligung, Forderung, Lizenz oder andere Rechte) und der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit bestehen.3 c) Gewerblich geprägte Personengesellschaften

9.78 Auch bei einer nach deutschem Recht gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3

Nr. 2 EStG) stellt sich die Frage, welche Einkunftsart einem ausländischen Gesellschafter durch diese Beteiligung vermittelt wird. Beispiel: Einziger Kommanditist der nicht gewerblich tätigen X-GmbH & Co. KG ist der nicht zur Geschäftsführung befugte Steuerausländer A. Die X-GmbH & Co. KG unterhält in Deutschland eine feste Einrichtung. Aus einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft und aus Darlehensforderungen gegenüber deutschen Schuldnern erzielt die KG Veräußerungs- und Zinseinkünfte. Aus nationaler Sicht erzielt A gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Fraglich ist jedoch, wie diese Einkünfte abkommensrechtlich zu qualifizieren sind.

1 BFH v. 7.11.1991 – IV R 17/90, BStBl. II 1993, 324 (325 f.); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 86. 2 Für Veräußerungsgewinne kommen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA und für sonstige Einkünfte Art. 21 Abs. 2 OECD-MA zu einem vergleichbaren Ergebnis, vgl. aber Rz. 9.69. 3 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (565); v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053 (1054); v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771 (772); v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (419 f.); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4; v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 162 ff.; Görl in V/L6, vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40; a.A. Piltz, IStR 1996, 457, der von einem „tatsächlichen Gehören“ schon immer dann ausgeht, wenn das Stammrecht zum Gesamthandsvermögen der deutschen Personengesellschaft gehört.

958 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.80 Kap. 9

Die deutsche Finanzverwaltung1 – und ihr folgend ein Teil der Literatur2 – gingen zunächst davon aus, dass auch für das Abkommensrecht der nationale Gewerblichkeitsbegriff maßgeblich sei (vgl. Rz. 9.74 ff.) und kamen somit auch bei einer gewerblich geprägten Personengesellschaft zu Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 OECD-MA.3 Die Argumentation war gleichlaufend mit der zuvor zur „gewerblich infizierten Personengesellschaft“ dargestellten. Insbesondere wurde der Anwendungsvorrang der Spezialregelungen (Art. 10, 11 und 12 OECD-MA) durch Art. 7 Abs. 4 OECD-MA wegen der überlagernden Betriebsstättenvorbehalte abgelehnt. Nach dieser Auffassung erzielt A im Beispiel Einkünfte i.S.v. Art. 7 OECD-MA. Die Veräußerung der Beteiligung unterläge nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA und der Zins nach Art. 11 Abs. 4 OECD-MA in Deutschland der Besteuerung.

9.79

Bereits im Urteil v. 28.4.2010 hatte der BFH entschieden, dass § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG für die abkommensrechtliche Einordnung von Einkünften keine Bedeutung hat.4 Wie die Finanzverwaltung und auch der Gesetzgeber hierauf reagieren würden, blieb lange Zeit unklar. Die Finanzverwaltung hat zwischenzeitlich ihre Auffassung geändert5 und befürwortet nunmehr wie die Mehrzahl der Vertreter im Schrifttum6 eine autonome Abkommensauslegung.7 Ob diese Auffassung damit begründet wird, dass der Begriff der „Unternehmensgewinne“ auch im nationalen Recht nicht verwandt wird und schon deshalb sogar eine vollständige Eigenständigkeit des Abkommensrechts anzunehmen sei8 oder damit, dass durch die autonome Auslegung dem Gebot der Entscheidungshar-

9.80

1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1 (ersetzt durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258) – ausdrücklich ablehnend BFH v. 4.5.2011 – II R 51/09, IStR 2011, 635 (637). Für eine Selbstbindung der Finanzverwaltung bis zur Aufgabe der eigenen Rechtsauffassung vgl. Kaminski, Stbg 2011, 338 (339). Eine Änderung der Verwaltungsauffassung unter Übernahme der Ansicht des BFH erwarten Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Wittmann, BB 2012, 357 (358). 2 Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 24, 33; Krabbe, IStR 2002, 145 (148); Schmidt/Dendorfer, IStR 2000, 46 (49); Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 48; Hruschka, IStR 2010, 1357 (1358); differenzierend: Schmidt, IStR 2010, 413 (418). 3 Zum gleichen Ergebnis gelangt man über die in den Spezialartikeln enthaltenen Betriebsstättenvorbehalte (vgl. z.B. Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECD-MA), vgl. Wolff in FS Wassermeyer, 647 (654). 4 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 = BStBl. II 2014, 754. 5 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a, 49; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 85; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen, 153 ff. m.w.N.; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (416); Wassermeyer, DK 2008, 338 (341); Hoheisel, IWB Fach 10, Gruppe 2, 2009 (2012); Richter, FR 2010, 544 (552 f.); Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2546 f.); Haun/Reiser/Mödinger, GmbhR 2010, 637 (639); Lieber, IWB 2010, 351 (353); Prinz, JbFStR 2010/2011, 491 (505); Prinz, FR 2012, 381 (383); Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (137); ähnlich Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.234; wohl auch Lang, IStR 2007, 606 (609); Wittkowski/Loose, DB 2010, 2411 (2413 f.). 7 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 (1222) = BStBl. II 2014, 754; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 (158) mit Anm. Schmidt, IStR 2010, 520; v. 9.12.2010 – I R 49/09, DStR 2011, 449 (451); v. 4.5.2011 – II R 51/09, IStR 2011, 635 (637) im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 DBA-Schweiz; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 (691) mit Anm. Schmidt, IStR 2011, 691; v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925 (927); FG Köln v. 13.8.2009 – 15 K 2900/05, EFG 2009, 1819 (bestätigt durch BFH v. 4.5.2011 – II R 51/09) mit Anm. Goebel/Ungemach, DStZ 2010, 257; FG Schl.-Holst. v. 28.3.2006 – 5 K 291/04, EFG 2004, 824 – aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben durch BFH v. 24.4.2007 – I R 33/06, BFH/NV 2007, 2236; FG Hamburg v. 22.8.2006 – 7 K 255/04, DStR 2007, 665 (667) (rkr.). 8 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 30 ff.; Hemmelrath, IStR 1995, 570 (572 f.); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht9, 545; ähnlich auch Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 43 ff.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 318; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 f.; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 32 ff.; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen, 156.

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Kap. 9 Rz. 9.81 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften monie besser Rechnung getragen werden kann als mit der Übertragung von deutschen Einkunftstypenfiktionen in das DBA-Recht, kann letztlich dahingestellt bleiben. Unter Beachtung von Art. 7 Abs. 4 OECD-MA ist ein eigenständiger Typusbegriff zu finden, unter den jedenfalls die gewerbliche Prägung nicht gefasst werden kann.1 Der Betriebsstättenvorbehalt setzt die Existenz einer Betriebsstätte voraus, die nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA unternehmerische Tätigkeit (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA) verlangt. An Letzterem fehlt es jedoch, da eine lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaft – abkommensrechtlich – nicht unternehmerisch tätig ist.2

9.81 Die abkommensrechtliche Qualifikation von Einkünften einer gewerblich geprägten Personenge-

sellschaften hat auch Auswirkungen auf die Frage, ob durch die Gründung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG vermieden werden kann.

Beispiel: Der Steuerinländer A ist einziger Gesellschafter der X-GmbH. Für die im Privatvermögen gehaltene Beteiligung hatte A Anschaffungskosten von 100. Der gemeine Wert liegt bei 1.000. A möchte seinen Wohnsitz in einen Nicht-EU/EWR-Staat unter Aufgabe seines deutschen Wohnsitzes verlegen. Er überlegt, seine Beteiligung vor dem Wegzug in eine vermögensverwaltende, gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit deutscher Betriebsstätte einzulegen. Unstreitig ist, dass § 6 AStG nicht für solche Beteiligungen gilt, die der auswandernde Steuerpflichtige im deutschen Betriebsvermögen hält.3 Eine deutsche GmbH & Co. KG mit inländischer Betriebsstätte begründet inländisches Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters4, so dass eine Anwendbarkeit von § 6 AStG ausscheidet.5

9.82 Eine Abschirmwirkung durch die Personengesellschaft vor gewinnrealisierenden Wegzugsfolgen gelingt aber nur dann, wenn DBA-rechtliche Unternehmensgewinne vorliegen, für die der Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht hat. Nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung vermittelten gewerblich geprägte Personengesellschaften Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA. Eine Entstrickung durch Wegzug kam damit nicht in Betracht. In der Vergangenheit hatte die Finanzverwaltung diese Rechtsauffassung meist auch verauskunftet.

Durch die Änderung der Rechtsprechung in dem bereits angesprochenen Urteil des BFH vom 28.4.20106 ist eine nur gewerbliche Prägung der Personengesellschaft nicht mehr ausreichend um die Gewerblichkeit zu begründen und den Ausschluss des Besteuerungsrechts durch den Wegzug zu vermeiden.7

9.83 Damit ist auch das in der Vergangenheit intensiv genutzte GmbH & Co. KG-Modell für Wegzugsfälle ungeeignet. Nur eine originäre Gewerblichkeit der KG (ggf. als geschäftsleitende Holding) kann hier noch Entstrickungsschutz bieten.8

Fraglich ist jedoch, wie in den Altfällen zu verfahren ist: Ausgehend von dem ursprünglichen Verständnis, dass bei gewerblicher Prägung das deutsche Besteuerungsrecht auf Kapitalanteile trotz 1 Darüber hinaus fehlt es auch mangels aktiver Tätigkeit an der tatsächlichen Zugehörigkeit; ebenso: Nitzschke, IStR 2011, 838 (839); Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (70); a.A. Schönfeld, IStR 2011, 142. 2 Im Ergebnis ebenso: Nitzschke, IStR 2011, 838 (839). 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Anm. 42; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 33. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3. 5 Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (68); a.A. Prinz zu Hohenlohe/Rautenstrauch/Wittmann, BB 2012, 357 (358); Suchanek, GmbHR 2011, 1008; Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (138); die u.E. zu Unrecht eine Anwendung des § 6 AStG für möglich halten. Auf die Frage, ob eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach nationalem Recht inländisches Betriebsvermögen begründet, sollte die abkommensrechtliche Beurteilung nicht durchschlagen. Fraglich ist vielmehr, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG zur Anwendung kommen. 6 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754. 7 Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (71); Nitzschke, IStR 2011, 838 (839). 8 Vgl. auch Loose/Wittkowski, IStR 2011, 68 (71); Prinz, FR 2012, 381 (383).

960 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.85 Kap. 9

Wegzugs erhalten bleibe, drohte durch die geänderte Rechtsprechung des BFH der endgültige Verlust des deutschen Besteuerungsrechts. Denn im Wegzugszeitpunkt verzichtete die Finanzverwaltung auf eine Wegzugsbesteuerung. Eine nachträgliche Besteuerung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen zumeist nicht möglich, da der Steuerpflichtige seine Rechtsauffassung häufig durch eine verbindliche Auskunft absichern ließ oder das Wegzugsjahr bereits festsetzungsverjährt ist. Nach Wegzug kommt ein deutsches Besteuerungsrecht nicht mehr in Frage, da die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nicht mehr Art. 13 Abs. 2 OECD-MA sondern Art. 13 Abs. 4 OECDMA folgt und damit der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das ausschließliche Besteuerungsrecht auf Veräußerungsgewinne erhält. Um diese Besteuerungslücke zu schließen, schaffte der Gesetzgeber mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20131 § 50i EStG, um das deutsche Besteuerungsrecht (nachträglich) abzusichern.2 Schon nach kurzer Zeit erwies sich die Vorschrift als unzureichend präzise und rechtsfolgentechnisch gestaltungsanfällig, da dem Wegzug nachfolgende Umwandlungsfälle steuerneutral vollzogen werden konnten und demzufolge die Regelung im Ergebnis leerlaufen konnte.3 Der Gesetzgeber ergänzte § 50i EStG deshalb durch das StÄndAnpG-Kroatien4 um einen Abs. 2, der für bestimmte Umstrukturierungsmaßnahmen eine sofortige Gewinnrealisation durch Aufdeckung der im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven vorsah.5 Mit Gesetz vom 20.12.20166 wurde § 50i EStG erneut geändert.

9.84

Die Vorschrift greift in den Altfällen – Überführung und Übertragung von Wirtschaftsgütern oder Anteilen nach § 17 EStG vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG – und ordnet mittels treaty override die Besteuerung in Deutschland bei der Veräußerung oder Entnahme sowie auch der laufenden Einkünfte nach dem 29.6.2013 an. In seiner aktuellen Fassung erfasst § 50i EStG die nachfolgenden Fälle:

9.85

– Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme von Wirtschaftsgütern oder Anteilen nach § 17 EStG, die vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG steuerneutral übertragen oder überführt worden sind, wenn das inländische Besteuerungsrecht aus der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter oder Anteile – bei Nichtgeltung des § 50i Abs. 1 EStG – bis zum 31.12.2016 ausgeschlossen oder beschränkt worden ist (§ 50i Abs. 1 Satz 1 EStG). Gleiches gilt, wenn ein (Teil-)Betrieb oder Mitunternehmeranteil nach § 20 UmwStG von einer originär gewerblichen Personengesellschaft vor dem 29.6.2013 in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wurde und die Personengesellschaft nach der Einbringung als solche i.S. des § 15 Abs. 3 EStG fortbesteht wenn dadurch – bei Nichtgeltung des § 50i Abs. 1 EStG – bis einschließlich 31.12.2016 ein inländisches Besteuerungsrecht aus der Veräußerung oder Entnahme der neuen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt worden wäre (§ 50i Abs. 1 Satz 2 EStG).7 – Besteuerung der laufenden Einkünfte aus der Beteiligung an einer Gesellschaft, die unter § 50i Abs. 1 EStG fällt (vgl. § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG). – Besteuerung der Gewinne einer Besitzpersonengesellschaft bei Betriebsaufspaltung in Fällen des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. § 50i Abs. 1 Satz 4 EStG).8 1 AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 2 Vgl. dazu: Prinz, DB 2013, 1378; Liekenbrock, IStR 2013, 690; Töben, IStR 2013, 682; Pohl, IStR 2013, 699. 3 Vgl. ausführlich Köhler, ISR 2014, 317. 4 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (StÄndAnpG-Kroatien) vom 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266. 5 Zu verfassungsrechtlichen Implikationen vgl. Bodden, DB 2014, 2371 (2372). 6 BGBl. I 2016, 3000. 7 Vgl. Kudert/Kahlenberg/Mroz, ISR 2014, 257 (258,259 ff.). 8 Vgl. Bodden, DB 2014, 2371 (2373 f); Kudert/Kahlenberg/Mroz, ISR 2014, 257 (260).

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Kap. 9 Rz. 9.86 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften – Ausschluss der Buchwertfortführung bei Einbringungen i.S. des § 20 UmwStG, soweit Gesellschaften i.S. des § 50i Abs. 1 EStG betroffen sind1 und das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile oder hinsichtlich der mit diesen im Zusammenhang stehenden Anteile i.S. des § 22 Abs. 7 UmwStG ausgeschlossen oder beschränkt ist (d.h. insbesondere in einem DBA- Staat ansässige Anteilseigner).

9.86 § 50i Abs. 1 EStG beschränkt sich nunmehr auf Strukturen, die vor dem 29.6.2013 begründet

wurden und bei denen bis zum Ablauf des 31.12.2016 – ohne Anwendung von § 50i Abs. 1 EStG – eine Entstrickung erfolgt wäre. Sind Wirtschaftsgüter bzw. Anteile nach dem 28.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden, ist der Tatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG nicht erfüllt. In diesem Fällen kommen jedoch die allgemeinen Entstrickungstatbestände (§§ 4 Abs. 1 Satz 3, 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 12 KStG) in Betracht. Außerdem ist § 50i Abs. 1 EStG nach der Neufassung nicht anwendbar, wenn bzw. soweit es zu keinem Verlust bzw. zu keiner Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts vor dem 1.1.2017 gekommen ist. Auch für diese Fälle – z.B. Wegzug ab dem 1.1.2017 – finden die allgemeinen Entstrickungsregelungen Anwendung.2 d) Vermögensverwaltende Personengesellschaften

9.87 Der Umgang mit ausschließlich vermögensverwaltend tätigen, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften bereitet abkommensrechtlich keine Probleme. Insbesondere stehen hier nicht personengesellschaftsspezifische Fragen bei der Auslegung über Umfang und Reichweite einzelner Artikel des DBA im Vordergrund. Die vermögensverwaltende Personengesellschaft vermittelt ihren Gesellschaftern abkommensrechtlich Dividenden-, Zins-, Lizenzeinkünfte oder Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6, 10–12 OECD-MA).3 Bei der Veräußerung von Nichtbetriebsvermögen findet darüber hinaus Art. 13 Abs. 1, 4 oder 5 OECD-MA Anwendung. Subsidiär greift Art. 21 OECD-MA. Abgrenzungsprobleme bei der Zuordnung von Einkünften unter DBA-Recht bestehen gleichwohl und sind allgemeiner Natur (insbesondere bei der Abgrenzung von Dividenden- bzw. Zinseinkünften). Sie hängen nicht mit der Besteuerung von Personengesellschaften im Speziellen zusammen. e) Freiberufler-Personengesellschaften

9.88 Das OECD-MA enthielt bis zum Jahr 2000 in Art. 14 eine Regelung für Einkünfte aus selbstän-

diger Tätigkeit. Die Vorschrift wurde ersatzlos gestrichen. Für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gilt jetzt Art. 7 OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA). Gleichwohl hat Art. 14 OECD-MA noch praktische Bedeutung, da sich eine Vielzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA noch an Art. 14 OECD-MA orientiert. aa) Behandlung gemäß Art. 14 OECD-MA vor 2000

9.89 Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. bestimmte, dass „Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige

Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, […] nur in diesem Staat besteuert werden [können], es sei denn, daß der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so können die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.“ In dem Fall einer deutschen Freiberufler-Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ist fraglich, ob Deutsch1 Vgl. Liekenbrock, DStR 2017, 177 (181). 2 Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 281 (292). 3 Vgl. auch Vees, DB 2010, 1422 (1423); Lange, EStB 2010, 226 (228); Lieber, IWB 2010, 351 (357).

962 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.92 Kap. 9

land das Besteuerungsrecht der der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegenden Einkünfte aus einer deutschen Betriebsstätte zusteht. Dabei ist umstritten, ob neben dem Bestehen einer festen Einrichtung1 noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Teilweise wird angenommen, dass dem Belegenheitsstaat ein Besteuerungsrecht nur zusteht, soweit der jeweilige Freiberufler in der festen Einrichtung auch tatsächlich eine Tätigkeit ausübt.2 Dafür könnte der persönliche Einschlag der freien Berufe sprechen sowie die Tatsache, dass (jedenfalls nach deutschem Recht) die Personengesellschaft nicht selbst abkommensberechtigt ist und deshalb die Tätigkeit einzelner Gesellschafter anderen Mitgesellschaftern nicht zugerechnet werden kann. Danach bestünde ein deutsches Besteuerungsrecht nur hinsichtlich solcher Steuerausländer, die auch tatsächlich in der inländischen festen Einrichtung eine Tätigkeit ausüben. Mit der herrschenden Gegenansicht ist diese Einschränkung indes abzulehnen.3 Schon die Tätigkeit eines einzigen Gesellschafters in der inländischen, festen Einrichtung genügt, um ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates hinsichtlich aller Mitgesellschafter für sämtliche der festen Einrichtung zuzuordnenden Einkünfte zu begründen. Dies folgt aus der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter und daraus, dass Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. nicht die höchstpersönliche Tätigkeit durch jedes Mitglied der Freiberufler-Personengesellschaft voraussetzt. Auch die OECD ist der Ansicht, dass die Streichung von Art. 14 OECD-MA und die nunmehrige Anwendung von Art. 7 OECD-MA zu keiner materiellen Änderung geführt habe.4

9.90

bb) Behandlung gemäß Art. 7 OECD-MA Nach Streichung des Art. 14 OECD-MA erfolgt die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nunmehr aus Art. 7 OECD-MA. In diesen Fällen ist deshalb unstreitig das Betriebsstättenprinzip maßgeblich.5 Hinsichtlich des Besteuerungsrechts gelten die zuvor für gewerblich tätige Personengesellschaften dargestellten Grundsätze.6

9.91

f) Sonderfall: Immobilienpersonengesellschaften Abkommensrechtlich fallen die Einkünfte einer Immobilienpersonengesellschaft unter Art. 6 OECD-MA (insbesondere Mietzinsen) oder Art. 13 Abs. 1 OECD-MA (Veräußerungsgewinne). Das gilt wegen Art. 6 Abs. 4 OECD-MA ausdrücklich auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, die ein Unternehmen erzielt. Deshalb sind auch Einkünfte, die eine Immobilienpersonengesellschaft mit einer Kapitalgesellschaft als (Mit-)Gesellschafter aus Vermietung und Verpachtung erzielt und die nach deutschem Recht als gewerblich qualifiziert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG), abkommensrechtlich nicht als Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA einzuordnen.7 Das Besteuerungsrecht steht dem Staat zu, in dem das Grundstück liegt. 1 Der Begriff der festen Einrichtung ist weitgehend inhaltsgleich mit dem der Betriebsstätte; vgl. Art. 14 Tz. 4 OECD-MK (2008). 2 Sog. Arbeitsortsprinzip; vgl. Bödefeld in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 102 f.; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 30; Portner/Bödefeld, IWB, Fach 3, Gruppe 3, 1037 (1041). 3 Sog. Betriebsstättenprinzip; vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 50; Bellstedt, IWB Fach 2, 521 (524); Bellstedt, IStR 1995, 361 (364); Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten, 260 ff.; Krabbe, FR 1995, 691 (693). § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG stützt die Vermutung, dass auch die Finanzverwaltung dem Betriebsstättenprinzip zuzuneigen scheint. 4 Vgl. Einleitung Tz. 35 OECD-MK. Zur (eingeschränkten) Bedeutung der Auffassung der OECD vgl. Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 9.61. 5 Vgl. Rz. 9.90 erste Fn. 6 BMF 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1; Vees, DB 2010, 1422 (1423). 7 Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Wassermeyer, IStR 2009, 238 (240).

Mick/Dyckmans | 963

9.92

Kap. 9 Rz. 9.93 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Nach überwiegender Meinung1 ist im Fall einer Beteiligungsveräußerung an einer Grundstückspersonengesellschaft abkommensrechtlich steuerlich auf das dahinterstehende Grundvermögen abzustellen. Die Veräußerung des Personengesellschaftsanteils stellt mithin eine mittelbare Veräußerung des unbeweglichen Vermögens der Personengesellschaft dar, sodass das Besteuerungsrecht dem Belegenheitsstaat zusteht (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA). Art. 13 Abs. 4 OECD-MA (Veräußerung von Beteiligungen an Immobiliengesellschaften) findet hingegen nur bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, die Immobilienbesitz halten, Anwendung.2 Vereinzelt erstrecken sich die einschlägigen Klauseln in den DBA aber auch auf Anteile an Personengesellschaften (z.B. Art. 13 Abs. 2 DBA-Großbritannien, Art. 13 Abs. 4 DBA-Kanada, Art. 13 Abs. 2 DBA-USA). 3. Besteuerung von Sondervergütungen a) DBA mit Sonderregelungen zu Sondervergütungen

9.93 Sondervergütungen deutscher Personengesellschaften an ihre ausländischen Personengesellschafter

unterliegen nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. Rz. 9.22 f.).3 Weitgehend unproblematisch ist die abkommensrechtliche Beurteilung in den (wenigen) Fällen, in denen das jeweilige DBA für Sondervergütungen eine ausdrückliche Regelung enthält.4 Diese beziehen Sondervergütungen einer Personengesellschaft an ihren Gesellschafter in die Unternehmensgewinne nach Art. 7 OECD-MA mit ein, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.5 Im Ergebnis wird damit die nach nationalem deutschen Recht geltende Rechtslage auch im Abkommensrecht nachvollzogen. Die Sondervergütungen werden den Unternehmensgewinnen und zugleich der jeweiligen Betriebsstätte zugeordnet (ohne dass eine Zuordnung zu den spezielleren Artikeln über Zins-, Miet- oder Lizenzeinnahmen möglich wäre). Im Gegensatz zum nationalen Recht, in dem auch im Rahmen von Freiberuflerpersonengesellschaften Sondervergütungen möglich sind (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG), gelten die in den DBA enthaltenen Sonderregelungen immer nur für Unternehmensgewinne, nicht jedoch für Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sofern insoweit eine Art. 14 OECD-MA a.F. entsprechende Sonderregelung besteht.6 b) Dem OECD-MA entsprechende DBA

9.94 Die Mehrzahl der von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten jedoch – wie auch das OECDMA – keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung von nach deutschem Steuerrecht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften.

1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 ff., Tz. 3.2; Meining, Ubg 2017, 34 (38); Kudert/Schade, IStR 2017, 605 (m.w.N.); a.A. Kraft/Hohage, IStR 2014, 605 (607). 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 123c. 3 Nach Kramer, BB 2011, 2467, sollen hingegen inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht vorliegen, weil die dem ausländischen Mitunternehmer gezahlten Sondervergütungen nicht in der inländischen Betriebsstätte erwirtschaftet seien. Sofern nicht ein anderer Tatbestand einschlägig sei (für Lizenzgebühren etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG), seien die Sondervergütungen deshalb in Deutschland nicht steuerbar. 4 Z.B. Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Ghana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. 5 Da die jeweiligen Sonderregelungen an die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der (Sonder-)Vergütung anknüpfen, können sie für nachträgliche Einkünfte keine Anwendung finden; ebenso Franz/ Voulon, BB 2011, 1111 (1113). 6 In den deutschen DBA finden sich verbreitet noch auf Art. 14 OECD-MA a.F. beruhende Spezialartikel für Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

964 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.98 Kap. 9 Beispiel: An der deutschen gewerblich tätigen X-KG ist u.a. der Steuerausländer A als Kommanditist beteiligt. A gibt der X-KG ein verzinsliches Darlehen. Die Frage, ob das Besteuerungsrecht für die einem ausländischen Mitunternehmer zufließenden Sondervergütungen Deutschland oder dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zusteht, ist eine der in den letzten Jahren meist diskutierten des Internationalen Steuerrechts.

aa) Ausgangslage Hinsichtlich der abkommensrechtlichen Behandlung von nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften stehen sich grundsätzlich zwei Auffassungen gegenüber, die zu konträren Ergebnissen hinsichtlich der Ausübung des Besteuerungsrechts führen.

9.95

Die ältere deutsche Rechtsprechung1, Teile des Schrifttums2 und die frühere Finanzverwaltungsauffassung3 sahen in nach deutschem Recht als Sondervergütungen zu qualifizierenden Einkünften Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA, die der deutschen Betriebsstätte zugerechnet werden können. Sie unterlagen damit unbegrenzt der deutschen beschränkten Steuerpflicht. Begründet wurde diese Ansicht mit Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, wonach im Abkommen nicht definierte Begriffe nach dem Recht des jeweiligen Anwenderstaates auszulegen sind. Diese Rechtsauffassung steht in engem Zusammenhang mit der bereits aufgezeigten Argumentation der Finanzverwaltung betreffend die abkommensrechtliche Qualifizierung von Einkünften aus gewerblich infizierten oder gewerblich geprägten Personengesellschaften. Auch bei den Sondervergütungen wurde der Vorrang der übrigen Verteilungsnormen vor Art. 7 OECD-MA verneint.

9.96

Problematisch an dieser Sichtweise ist u.a., dass der Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters das deutsche Besteuerungskonzept der Sondervergütungen zumeist nicht kennt und seinerseits die Einkünfte unter Art. 10 ff. OECD-MA einordnen wird, mit der Konsequenz, dass beide Staaten ein Besteuerungsrecht aus dem jeweiligen DBA herzuleiten versuchen. Die Finanzverwaltung löste solche Qualifikationskonflikte durch eine Qualifikationsverkettung.4 Danach vermeidet der Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters die Doppelbesteuerung, indem er der Auslegung des DBA durch den Nichtansässigkeitsstaat (Deutschland) folgt und im Ergebnis auf sein Besteuerungsrecht verzichtet.5

9.97

Der BFH6 und ihm folgend das herrschende Schrifttum7 beurteilen dagegen die als Sondervergütungen einzustufende Einkünfte ausschließlich nach Abkommensrecht. Danach sind alle Ein-

9.98

1 RFH v. 30.11.1938 – I 42/38, RStBl. 1939, 544 (544) bzgl. Zinsen; BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166) bzgl. Lizenzen; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605 (606) bzgl. Gewinnanteilen für Stille Beteiligungen und Darlehenszinsen; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 (212 f.) bzgl. Zinsen. 2 Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 97; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (655 ff.); Krabbe, StbJb 2000/2001, 183 (198 ff.); Krabbe, FR 2001, 129; Deabtin, BB 1992, 1181 (1184); Ismer/Kost, IStR 2007, 120 (122 f.); Schmidt, IStR 2008, 290 (292). 3 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 5.1 (ersetzt durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258); v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.3; zur Selbstbindung der Finanzverwaltung bis zur Aufgabe dieser Rechtsauffassung, vgl. Kaminski, Stbg 2011, 338 (340). 4 OECD-Partnership-Report, Rz. 102 ff.; kritisch dazu Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1114). 5 Eine Qualifikationsverkettung ausdrücklich ablehnend: BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 – mit Anmerkungen Schmidt, IStR 2011, 691 u. Suchanek, GmbHR 2011, 1008; ebenso Lüdicke, IStR 2011, 91 (96); vgl. zur Qualifikationsverkettung Rz. 1.166 f. 6 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300; v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 525 (526 f.) = BStBl. II 2014, 754; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; v. 8.11.2010 – I R 106/09, IStR 2011, 157 (157 f.); v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222. 7 Müller, BB 2009, 751 (752 ff.); Korn, IStR 2009, 641 (642); Gosch in FS Spindler, 423; Wassermeyer, IStR 2011, 85 (89); in diese Richtung auch Haun/Reiser, GmbHR 2007, 915 (921); Salzmann, IStR

Mick/Dyckmans | 965

Kap. 9 Rz. 9.99 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften künfte anhand ihrer originären Qualifikation unter einen der Spezialartikel zu fassen. Fraglich ist jedoch, ob aufgrund der Anwendung eines Betriebsstättenvorbehalts eine Qualifikation als Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 OECD-MA zu erfolgen hat (vgl. dazu Rz. 9.82). Aufgrund der Betriebsstättenvorbehalte werden Einkünfte nicht dem Spezialartikel, sondern Unternehmensgewinnen nach Art. 7 OECD-MA zugeordnet, wenn der Empfänger im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte unterhält und die Einkünfte tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören (vgl. z.B. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Dem ausländischen Gesellschafter wird durch seine Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft regelmäßig eine Betriebsstätte im Inland vermittelt (vgl. dazu Rz. 9.22). Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob die Einkünfte „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören.“

9.99 Während die älteren Literaturstimmen Sondervergütungen aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

EStG generell der Betriebsstätte der Gesellschaft zuordnen wollen,1 verlangen die Vertreter einer abkommensautonomen Auslegung über eine rechtliche Zugehörigkeit hinaus eine „tatsächliche Zugehörigkeit“ zu der Betriebsstätte der Gesellschaft. Die Einkünfte müssen mit der in der Personengesellschafts-Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit in einem funktionalen Zusammenhang stehen.2 Dabei sei es unerheblich, ob das entsprechende Abkommen eine „tatsächliche Zugehörigkeit“ ausdrücklich verlangt (wie bspw. Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Auch in den Fällen, in denen die einschlägige Abkommensbestimmung nur auf die „Zuordnung zum Betriebsstättenvermögen“ (z.B. Art. 10 Abs. 2 DBA-Frankreich) oder schlicht auf die „Zurechnung zur Betriebsstätte“ (z.B. Art. 11 Abs. 3 DBA-Großbritannien) abstellt, sei ein tatsächlich-funktionaler Zusammenhang mit der Personengesellschafts-Betriebsstätte erforderlich.3

9.100 Von einer solchen funktional-tatsächlichen Zugehörigkeit (im Gegensatz zu einer (steuer-) rechtlichen Zugehörigkeit) zur Betriebsstätte geht der BFH in seiner ständigen Rechtsprechung nur dann aus, wenn die fragliche Forderung, die Beteiligung oder das Recht aus Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bildet.4

Vor diesem Hintergrund scheidet eine funktionale Zuordnung der Sondervergütungen zu der Betriebsstätte der Personengesellschaft regelmäßig aus, da der Aktivposten nicht bei der Personengesellschaft, sondern bei dem Gesellschafter zu bilden ist. Auf Grundlage der speziellen Abkommensartikel unterliegen Sondervergütungen inländischer Personengesellschaften an ihre ausländischen Gesellschafter dann jedoch regelmäßig der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Deutschland steht allenfalls ein Quellenbesteuerungsrecht zu.

1 2

3 4

2008, 399 (399 f.); a.A. Kramer, IStR 2010, 239 und DB 2011, 1882, der von betriebsstättenlosem Betriebsvermögen (dagegen: BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer, IStR 2010, 241) oder einer Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte des Mitunternehmers ausgeht und so bereits nach innerstaatlichem Recht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) mangels inländischer Einkünfte eine deutsches Besteuerungsrecht verneint. Vgl. die in Rz. 9.96 genannten Stimmen. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (302 f.); v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 21.7.1999 – I R 110/98, DStR 1999, 1894 (1896 f.); zustimmend aus der Literatur Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 367 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 101; Pyszka, IStR 1998, 745 (746 ff.). BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, IStR 2008, 300 (302 f.); v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (765) – zum DBA-Frankreich; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BFH/NV 2007, 831 (835) – zum DBA-Großbritannien. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (939); v. 21.7.1999 – I R 110/98, DStR 1999, 1894 (1896); zur Problematik bei eigenkapitalersetzenden Darlehen vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 9.16 ff.; Schaden/Franz, Ubg 2008, 452 (460).

966 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.102 Kap. 9

bb) Sonderregelung des § 50d Abs. 10 EStG (1) Entwicklung und Verfassungsmäßigkeit Bereits 2009 wollte der Gesetzgeber eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes in Inbound-Fällen aufgrund der von Rechtsprechung. und Literatur vertretenen abkommensautonomen Auslegung nicht länger hinnehmen und reagierte deshalb im JStG 2009 mit der rechtsprechungsbrechenden Regelung des § 50d Abs. 10 EStG.1 Wegen ihrer unzureichenden Regelungstechnik wurde diese Norm jedoch heftig kritisiert. Die Kritik umfasste insbesondere, dass § 50d Abs. 10 EStG a.F. keine funktional tatsächliche Zugehörigkeit der Sondervergütung zu dem inländischen Betriebsstättengewinn normiere und mithin auch kein deutsches Besteuerungsrecht begründen könne.2 Der Gesetzgeber reagierte auf die umfassende Kritik und ergänzte im Rahmen des AmtshilfeRLUmsG3 § 50d Abs. 10 EStG umfassend.

9.101

Wie bereits bei der Vorgängerregelung bestehen auch bei §50d Abs. 10 n.F. EStG erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit4, da die Neuregelung auf alle noch nicht bestandskräftigen Einkommen- und Körperschaftsteuerfestsetzungen auch für VZ vor 2009 bzw. 2013 (vgl. § 52 Abs. 59a Satz 8 EStG 2002 bzw. § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG 2009) anzuwenden ist und damit ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und mithin gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vorliegen könnte. Die Gesetzesbegründung5, sowie die Finanzgerichte München und Düsseldorf sind der Auffassung, dass § 50d Abs. 10 EStG verfassungskonform und materiell wirksam sei.6 Überwiegende Teile des Schrifttums halten die Vorschrift hingegen für verfassungswidrig oder zweifeln zumindest an ihrer Verfassungsgemäßheit.7

9.102

1 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, 23 f.; äußerst kritisch zu dieser Regelung Wassermeyer, IStR 2011, 85 (90). 2 Salzmann, IWB, Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1550 ff.); Meretzki, IStR 2009, 217 (219); Hils, DStR 2009, 888 (890 f.); Lohbeck/Wagner, DB 2009, 423 (425); Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (114 f.); Boller/Schmidt, IStR 2009, 852; Richter, FR 2010, 544 (553); Schmidt, IStR 2010, 413 (430); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2437); Lange, GmbH-StB 2009, 128 (133 ff.); Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7 (10 f.); Lieber, IWB 2010, 351 (359); Haun/Reiser/Mödinger, GmbHR 2010, 637 (642); Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2549); Prinz, DB 2011, 1415 (1417); Häck, IStR 2011, 71 (75 ff.); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (671 f.); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (77); Schnitger, IStR 2011, 653 (658); Herbst/ Loose, BB 2012, 947; Möbus/Altrichter-Herzberg in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1132; Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (203); Gosch in FS Spindler, 424; wohl a.A. Vees, DB 2010, 1422 (1428); Feldgen, IWB 2010, 232 (239); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1116 f.); Kammeter, IStR 2011, 35 (37); Mitschke, FR 2011, 182 (182 f.); Frotscher, IStR 2009, 593 (595). 3 Art. 2 Nr. 36 Buchst. c des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes (AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 (1819 f.). 4 Ausführlich Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596 (603 f.); ebenso Hils, DStR 2009, 888 (891); Frotscher, IStR 2009, 593 (598 ff.); a.A. Mitschke, DB 2010, 303 (305). 5 BT-Drucks. 16/11108, 29 (zur alten Regelung); BR-Drucks. 139/13, 148 (zum Jahressteuergesetz 2013). 6 FG München v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, IStR 2009, 864 (aufgehoben durch BFH v. 8.9.2010 – I R 74/ 09, BStBl. II 2014, 788) – mit Anm. Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7; FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 ff.) aus anderen Gründen aufgehoben von BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; ebenso Mitschke, DB 2010, 303 (305 f.). Offengelassen von BFH v. 8.11.2010 – I R 106/09, DStR 2011, 14 (15); v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, FR 2011, 179 (182); v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222. 7 Für die Verfassungswidrigkeit der Norm: Zuber/Ditsch in L/B/P, § 50d EStG Rz. 198; Frotscher, § 50d EStG Rz. 266; Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (206); Hils, DStR 2009, 888 (891). Andere zweifeln zumindest an ihrer Verfassungsgemäßheit: Prinz, GmbHR 2014, 729 (732); Pohl, DB 2013, 1572 (1578); Herbst/Loose, BB 2012, 947; Franz/Voulon, BB 2011, 166 (167 f.); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (79); Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. L 26; Gosch in Kirchhof16, § 50d EStG Rz. 49; a.A. Mitschke, DB 2010, 303 (305 f.); Reiß in Kirchhof16, § 15 EStG Rz. 313 und Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (673), die aufgrund der abweichenden Ansicht der Finanzverwaltung die Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens ablehnen.

Mick/Dyckmans | 967

Kap. 9 Rz. 9.103 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

9.103 Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob § 50d Abs. 10 EStG abkommensver-

drängenden Charakter hat und damit einen sog. Treaty Override1 enthält.2 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Treaty Override sollte jedoch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.20153 zur Regelung des § 50d Abs. 8 EStG geklärt sein. Darin hat das BVerfG entschieden, dass im Regelfall eine Überschreibung völkerrechtlicher Vereinbarungen durch eine nationale Regelung weder gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit noch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße.4

9.104 Unseres Erachtens ist der Beschluss des BVerfG auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit an-

derer Kategorien von Treaty Overrides zu übertragen, sodass jeder Treaty Override verfassungsgemäß ist, vorausgesetzt, dass sachliche Rechtfertigungsgründe für die durch die vertragsüberschreibende Norm eintretende Ungleichbehandlung bestehen.

9.105 Der BFH hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit der alten und neuen Fassung des § 50d Abs. 10

EStG dem BVerfG vorgelegt.5 Nach Auffassung des I. Senats des BFH verstößt § 50d Abs. 10 EStG gegen das Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG (Rückwirkungsverbot) und gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit.6 Mit einer Entscheidung des BVerfG ist frühestens im Jahr 2018 zu rechnen.7 (2) Anwendungsbereich von § 50d Abs. 10 EStG

9.106 Für Abkommenszwecke sollen gemäß § 50d Abs. 10 EStG jegliche Einkünfte, die nach nationalem

Recht als Sondervergütung zu qualifizieren sind, als Unternehmensgewinne anzusehen sein. Neben den in der Praxis häufigen Fällen der Zinszahlung bei Gesellschafterdarlehen werden auch Entgelte für die Erbringung von Tätigkeiten und Dienstleistungen sowie für die Überlassung von Rechten, Lizenzen und sonstigen Wirtschaftsgütern (z.B. Verpachtung des Betriebsgeländes) des jeweiligen Gesellschafters an seine Personengesellschaft von dem Tatbestand der Norm erfasst.

1 Zum Begriff des Treaty Override vgl. Schwenke, FR 2012, 443 (443). 2 Für die Annahme eines Treaty Override: BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 ff., Rz. 36; FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (880 f.), aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; Salzmann, IWB, Gruppe 3, Fach 3 (Deutschland), 1539 (1548 f.); Hils, DStR 2009, 888 (892); Frotscher, IStR 2009, 593 (597); Blumers/Zillmer, BB 2010, 1375 (1380); Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (584); Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596 (603 f.); Haas, IStR 2011, 353 (358); Franz/Voulon, BB 2011, 166 (168); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1117); Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438); Prinz, DB 2011, 1415 (1415, 1417); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (673); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (79); Schwenke, FR 2012, 443 (444); Pohl, DB 2013, 1572 (1577); Hagena/Klein, ISR 2013, 267 (272f); Lehner, IStR 2012, 389 (396); Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (197); Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (205); Lüdicke in Schön/Hüttemann, Personengesellschaft im Steuerrecht, 95 (109); zweifelnd Mitschke, DB 2010, 303 (305); Meretzki, IStR 2009, 217 (224 f.); gegen die Annahme eines Treaty Override: Reiß in Kirchhof16, § 15 EStG Rz. 313; Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111 f.); Mitschke, FR 2011, 182 (183); Korn, IStR 2009, 641 (643), jedoch vergleichbar zu behandeln; offengelassen von BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222; Lange, GmbH-StB 2009, 128 (133); differenzierend Goebel/Liedtke/Schmidt, IWB 2010, 7 (8 f.) und Mössner, IStR 2015, 204 (205). Letzterer bejaht einen Treaty Override stets im Fall von Gewerbesteuerfallgestaltungen. In Bezug auf Körper- und Einkommensteuertatbestände sieht er in der Regelung hingegen keine Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts, sondern die Durchsetzung eines etwaigen höheren deutschen Steuerniveaus. Zusammenfassend zu den Folgen Schmidt, DStR 2010, 2436 (2438). 3 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 ff. 4 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 ff. mit Anm. Mitschke; für die Verfassungsgemäßheit des Treaty Override auch Ismer/Baur, IStR 2014, 421 m.w.N. 5 Die Vorlage ist beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 15/14 anhängig. 6 Ausführlich hierzu: BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 (795 ff.), Rz 29 ff. 7 Vgl. Jahresvorausschau des BVerfG für 2017 unter http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfah ren/Jahresvorausschau/vs_2017/vorausschau_2017_node.html (zuletzt abgerufen am 20.11.2017).

968 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.109 Kap. 9

Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG gelten Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 und Nr. 3 Halbs. 2 EStG für Abkommenszwecke ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns des vergütungsberechtigen Gesellschafters, wenn auf die Sondervergütungen die Vertragsbestimmungen eines DBA Anwendung finden und das jeweilige Abkommen keine ausdrückliche spezielle Regelung diesbezüglich enthält.1

9.107

Beispiel: An der deutschen gewerblich tätigen K-KG ist der im Ausland ansässige K als Kommanditist beteiligt. K gewährt der K-KG ein verzinsliches Darlehen und erhält angemessene Zinsen i.H.v. jährlich 10.000 Euro. Bei den Zinseinnahmen des K handelt es sich nach innerstaatlichem, deutschen Recht um Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. Satz 1 Nr. 2 EStG. Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG sind die Sondervergütungen für Zwecke der Anwendung des DBA ausschließlich als Unternehmensgewinne zu behandeln.

Bereits vor der Neuregelung wurde bezweifelt, ob die Vorschrift auch für Abkommen Geltung habe, die – wie insbesondere ältere Abkommen – anstelle von Unternehmensgewinnen auf „Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen“, „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“ o.Ä. abstellen.2 Weder die Neuregelung noch das BMF-Schreiben vom 26.9.20143 oder der BFH äußern sich zu dieser Fragestellung.4 Unseres Erachtens dürfte dieser Einwand jedoch nicht durchgreifen5, da die Abkommen trotz unterschiedlicher Formulierung nicht auf unterschiedliche Einkunftsarten und Inhalte abzielen.

9.108

§ 50d Abs. 10 Satz 1 EStG ist nicht anwendbar, wenn ein DBA ausdrückliche Regelungen zur Behandlung von Sondervergütungen trifft. Das BMF-Schreiben vom 26.9.2014 zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften enthält eine Aufstellung derjenigen DBA, die eine ausdrückliche Regelung zu der Behandlung von Sondervergütungen enthalten.6 Die Mehrzahl der aufgeführten Abkommen weist die Sondervergütungen, die ein Gesellschafter erhält, den Unternehmensgewinnen zu, wenn die Vergütungen nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates (im Inbound-Fall: Deutschland) den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden.7 Von den Sonderregelungen in den aufgeführten DBA sind ausschließlich Vergütungen umfasst,

9.109

1 Zu den Präzisierungen des Wortlauts von § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG vgl. Salzmann, IWB 2013, 405 (408f.). Zweifelnd, dass die Neufassung des Satzes 1 den BFH zu einer anderen Auslegung führt, Pohl, DB 2013, 1572 (1574). Kritisch zum Zirkelschlussargument des BFH mit Verweis auf den Begriff „ausschließlich“ in § 50d Abs. 10 Satz 1 a.F. und auch n.F., Pohl, IWB 2013, 378 (381). 2 Vgl. Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111); Goebel/Eilinghoff/Schmidt, DStZ 2011, 74 (77). 3 Das BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 ff. lässt eine Vielzahl an Fragen hinsichtlich der Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG unbeantwortet. Siehe zu einer Auseinandersetzung mit den verbliebenen Zweifelsfragen: Rosenberg/Placke, DB 2014, 2434 ff. 4 Der BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788 hat diese Frage offengelassen. 5 Ebenso FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878 (879) (aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222); FG München v. 30.7.2009 – 1 K 1816/09, DStR 2009, 2363 (2365 f.) (aus anderen Gründen aufgehoben durch BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301 (304); Franz/Voulon, BB 2011, 166 (167); Franz/Voulon, BB 2011, 1111 (1116); Gebhardt/Quilitzsch, BB 2011, 669 (671); Mitschke, FR 2013, 694 (695); Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. L 24 geht davon aus, dass der „Unternehmensgewinn“ einen Typusbegriff darstellt. Ähnlich auch Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 285. 6 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 ff., Tz. 5.2. Hierzu gehören die DBA mit Algerien, Belarus, Ghana (entgegen der Angabe im BMF-Schr. findet sich die Regelung über die Behandlung von Sondervergütungen in Art. 7 Abs. 7 der DBA mit Ghana, Kasachstan, Liechtenstein, Mauritius 2011, Oman, Österreich, Schweiz, Singapur, Tadschikistan, Türkei 2011, Uruguay 2010, Usbekistan, Zypern 2011 und Syrien. Das DBA-Syrien wird im BMF-Schr. nicht genannt. Die Regelung zu den Sondervergütung ist in dem Protokoll zum DBA-Syrien Rz. 4 Buchst. d normiert und findet nur Anwendung, wenn Deutschland Betriebsstättenstaat ist. 7 Die Bezugnahme auf die steuerrechtliche Behandlung bzw. Zuordnung der Vergütungen im Betriebsstättenstaat fehlt in den DBA mit der Türkei 2011 und Zypern.

Mick/Dyckmans | 969

Kap. 9 Rz. 9.110 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von dieser für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht. Die Sonderregelungen in den aufgeführten DBA entfalten jedoch keine Wirkung in Bezug auf nachträgliche Sondervergütungen, durch Sonderbetriebsvermögen veranlasste Erträge und Aufwendungen, sowie auf Vergütungen im Fall einer mittelbaren Mitunternehmerschaft, sodass diesbezüglich weiterhin § 50d Abs. 10 EStG Anwendung findet.1

9.110 Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 1 EStG sind Sondervergütungen nunmehr ungeachtet eines

DBA derjenigen Betriebsstätte zuzurechnen, die auch den korrespondierenden Aufwand trägt. Regelmäßig ist somit die Inlandsbetriebsstätte der betroffenen Personengesellschaft Zuordnungsobjekt. Unerheblich ist eine funktional tatsächliche Zuordnung des der Sondervergütung zugrunde liegenden Wirtschaftsguts zu der inländischen Betriebsstätte.2 Damit begegnet der Gesetzgeber der Kritik des BFH aus seinen Urteilen von 2010 und 2011, wonach § 50d Abs. 10 EStG a.F. nicht zu einer abkommensrechtlichen Zurechnung der Einkünfte zu der Betriebsstätte führe.3

9.111 § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG erweitert den Anwendungsbereich der Qualifikationsfiktion des Satzes 1 auf die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen. Diese sollen auch als Unternehmensgewinne behandelt werden. Neben Sondervergütungen sind wegen des weiten Wortlauts der Vorschrift auch andere Sonderbetriebseinnahmen von der Umqualifizierung erfasst. Im Rahmen der Aufwendungen können nunmehr auch Zinsaufwendungen oder Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter, die von dem ausländischen Gesellschafter der Personengesellschaft überlassen werden, von den Unternehmensgewinnen abgezogen werden.

Beispiel (Fortführung von Rz. 9.107): K hat den Erwerb seiner Beteiligung an der K-KG vollständig fremdfinanziert und zahlt an die in Großbritannien ansässige Bank Zinsen i.H.v. (umgerechnet) 9.000 Euro.

Bei den Zinsausgaben des K handelt es sich um Sonderbetriebsausgaben, die gemäß § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG von den Unternehmensgewinnen abgezogen werden können. Durch die in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG normierte Fiktion darf Deutschland die Zinsen i.H.v. 10.000 Euro als Unternehmensgewinne besteuern, von denen durch die Fiktion des § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG der Zinsaufwand i.H.v. 9.000 Euro abzuziehen ist. Die Differenz i.H.v. 1.000 Euro ist der inländischen Betriebsstätte des K zuzuordnen. Einen doppelten Abzug der Sonderbetriebsausgaben in Deutschland und im Ausland verhindert der mit Wirkung ab 1.1.2017 eingeführte § 4i EStG (vgl. Rz. 9.152). Unklar ist, ob auch Erträge und Aufwendungen aus dem Sonderbetriebsvermögen II von dieser Regelung erfasst sind. Der weite Wortlaut der Norm könnte eine solche Auslegung zumindest andeuten.4 In dem Entwurf zum späteren BMF-Schreiben vom 26.9.20145 fand sich noch die ausdrückliche Regelung, dass § 50d Abs. 10 EStG nicht für das Sonderbetriebsvermögen II gelte. Eine Begründung für die Streichung dieser ausdrücklichen Regelung ist nicht veröffentlicht worden. Es liegt nahe die finale Fassung des Schreibens derart auszulegen, dass beide Sonderbetriebsvermögen von dem Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG umfasst sein sollen.6 Für eine einschränkende Auslegung spricht hingegen, dass die Zuordnungsfiktion des Satzes 2 Bezug auf Satz 1 nimmt, der wiederum eine Sondervergütung voraussetzt. Auf dieses Auslegungsergebnis deutet 1 Zuber/Ditsch in L/B/P, § 50d EStG Rz. 195; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. L 25; Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 801 (808). 2 Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 296; Adrian/Franz, BB 2013, 1879 (1883). 3 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; v. 7.12.2011 – I R 5/11, IStR 2012, 222 ff. 4 Dies bejahend: wohl BFH v. 12.06.2013 – I R 47/12, BFHE 242, 107 im obiter dictum; Hagemann/ Kahlenberg, IStR 2015, 734 (735); Rogall/Schwan, DStR 2015, 2633 (2638f.); Kudert/Kahlenberg, IStR 2013, 801 (803); Dorn, BB 2013, 2038 (2040); Salzmann, IWB 2013, 405 (409); offengelassen: Frotscher, EStG, § 50d Rz 289; dagegen aber Gebhardt, IStR 2015, 808 (809); Brandenberg, DStZ 2015, 393 (397); Hruschka, IStR 2014, 785 (791). 5 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.1. 6 Kudert/Hagemann/Kahlenberg, IWB 2014, 892 (900).

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B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.114 Kap. 9

auch der Verweis in Satz 3 Halbs. 2 hin. Nach diesem Teilsatz richtet sich die Zuordnung der durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen nach der Zuordnung der jeweiligen Sondervergütung zu einer Betriebsstätte. Sondervergütungen gibt es im Rahmen von Sonderbetriebsvermögen II jedoch nicht.1 Somit fehlt es auch an einem mit der Sondervergütung korrespondierendem Aufwand, nach dem sich die Zuordnung der Sondervergütung richtet.2 Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob eine anteilige Zuordnung von Aufwendungen auf partiell genutzte bewegliche Wirtschaftsgüter3 des Sonderbetriebsvermögens im Rahmen von § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG möglich ist. Gemäß § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG sind Aufwendungen, die durch das Sonderbetriebsvermögen veranlasst sind, den Sondervergütungen zuzuordnen. Fraglich ist jedoch, ob insofern auch eine Mitveranlassung ausreichend ist. In diesem Fall würde das in den USA bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgut und die von ihm verursachten Abschreibungen zu 10 % dem Sonderbetriebsvermögensbereich der X-Inc. bei der deutschen K-KG zugeordnet werden. In Deutschland wären dann lediglich 1.000 Euro steuerpflichtig (Lizenzgebühr i.H.v. 10.000 Euro abzüglich anteilige Abschreibung [10 % von 90.000 Euro]). Durch die Neufassung des § 50d Abs. 10 EStG ist nunmehr in Satz 4 Var. 1 klargestellt, dass die vorliegende Regelung auf einen mittelbar beteiligten Gesellschafter einer Personengesellschaft mithin auch im Fall einer doppelstöckigen Personengesellschaft Anwendung findet. Wohl als Reaktion auf die enge, ausschließlich am Wortlaut orientierte Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG a.F. durch den BFH normiert § 50d Abs. 10 Satz 4 Var. 2 EStG darüber hinaus, dass auch nachträgliche Sondervergütungen, wie z.B. Pensionszahlungen an frühere Gesellschafter, von der Regelung des § 50d Abs. 10 EStG erfasst sind. § 50d Abs. 10 Satz 7 Nr. 2 EStG erweitert den Anwendungsbereich der Sätze 1 bis 3 auf Freiberufler-Personengesellschaften.4 Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen, werden hingegen wegen des ausdrücklichen Wortlauts nicht als Unternehmensgewinne umqualifiziert, obwohl auch auf diese Einkünfte gemäß § 13 Abs. 7 EStG die Norm des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Anwendung findet.

9.112

§ 50d Abs. 10 Satz 7 Nr. 1 EStG schließt ausdrücklich die Anwendung für gewerblich geprägte Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG aus und übernimmt somit die Ansicht des BFH, dass die gesetzliche Fiktion einer gewerblichen Tätigkeit auf Abkommensebene unbeachtlich ist.5 Fraglich bleibt jedoch weiterhin die Anwendung der Norm auf grenzüberschreitende Betriebsaufspaltungen und gewerblich infizierte Personengesellschaften.6

9.113

Durch den Treaty Override des § 50d Abs. 10 EStG provoziert der deutsche Gesetzgeber geradezu eine Doppelbesteuerung von Sondervergütungen im grenzüberschreitenden Austausch, wenn der Ansässigkeitsstaat des vergütungsberechtigten Gesellschafters die durch Satz 1 erfolgte Umqualifizierung der Einkünfte als Unternehmensgewinne nicht ebenfalls vornimmt und die Einkünfte stattdessen selbst besteuert. Vorausgesetzt ein DBA trifft selbst keine Regelungen zur Behandlung von Sondervergütungen (Satz 6), rechnet Deutschland dann die der deutschen Einkommensteuer

9.114

1 Siehe hierzu ausführlich Gebhardt, IStR 2015, 808 (809). 2 Kudert/Hagemann/Kahlenberg, IWB 2014, 892 (900). 3 Für nationale Sachverhalte widerspricht der Betriebsstätten-Erlass einer Aufteilung der Erträge und Aufwendungen nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang beweglicher Wirtschaftsguter, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4. 4 Holthaus in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 50d EStG Rz. 36 stimmt der Anwendung aus regelungssystematischen Gründen zu, kritisiert aber die Formulierung des § 50d Abs. 10 Satz 7 Nr. 1 EStG. 5 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220 (1222) = BStBl. II 2014, 754; 6 Für eine Anwendung der Vorschrift, da gewerblich infizierte Personengesellschaften originär Einkünfte aus Gewerbebetrieb und somit Unternehmensgewinne erzielen: Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 277. Dagegen: Pohl, DB 2013, 1572 (1576); Adrian/Franz, BB 2013, 1879 (1884).

Mick/Dyckmans | 971

Kap. 9 Rz. 9.115 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften entsprechende ausländische und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte Steuer, die ein Steuerpflichtiger, der in einem anderen Vertragsstaat als ansässig gilt, dort für die Sondervergütungen entrichten muss, bis zur Höhe der anteilig auf die Sondervergütungen entfallende deutsche Einkommensteuer an (§ 50d Abs. 10 Satz 5 EStG). Die Anrechnung in Deutschland setzt den Nachweis voraus, dass die Vergütungen in dem anderen Staat ohne Anrechnung einer auf die Sondervergütungen entfallenden deutschen Steuer besteuert wurden, die ausländische Steuer der deutschen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer entspricht und jene Steuern im anderen Staat tatsächlich festgesetzt und gezahlt wurden.1 Eine Regelung zu einem Vor- oder Rücktrag der so ermittelten Anrechnungsbeträge enthält die vorliegende Norm nicht.2 Aus der gesetzlichen Regelung geht nicht hervor, wie die Anrechnung im Detail durchzuführen und wie die einzelnen Beträge zu ermitteln sind. Auch legt § 50d Abs. 10 EStG nicht fest, wie der erforderliche Nachweis zu erbringen ist. Denkbar ist die analoge Anwendung der § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 68b EStG.3

9.115 Der in § 50d Abs. 10 Satz 6 EStG formulierte Ausschluss der Anwendung des Anrechnungsverfah-

rens setzt voraus, dass ein DBA eine „ausdrückliche Regelung für solche Einkünfte“ trifft. Unseres Erachtens bezieht sich Satz 6 nicht auf DBA, die eine ausdrückliche Regelung für Sondervergütungen enthalten, da diese generelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 50d Abs. 10 EStG in seiner Gesamtheit bereits in Satz 1 normiert ist. Satz 6 bezieht sich vielmehr auf DBA, die spezielle Regelungen zu der Behandlung von Qualifikationskonflikten enthalten.4 Nach § 7 Satz 6 GewStG ist § 50d Abs. 10 EStG auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden. Eine Anrechnung im Rahmen der Gewerbesteuer erfolgt jedoch nicht, da § 7 Satz 2 GewStG nur auf die Ermittlung des Gewerbeertrags Anwendung findet.5

9.116 Gemäß § 52 Abs. 59a Satz 10 EStG i.d.F. des Gesetzes v. 26.6.2013 ist § 50d Abs. 10 EStG n.F. in

allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommen- und Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Wenn das BVerfG im Rahmen der Beantwortung der oben erläuterten Vorlagefrage die Anwendungsnorm des § 50d Abs. 10 EStG n.F. für verfassungswidrig erklärt, entfällt die Rückwirkung der neuen Regelung, sodass gemäß der allgemeinen Regel aus § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 26.6.2013 die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG n.F. erst für die VZ ab 2013 gilt. Auch die Frage der Vereinbarung eines Treaty Override mit dem Völkerrecht und dem Verfassungsrecht ist weiterhin offen (vgl. aber auch Rz. 9.101).6 4. Besteuerung im Verlustfall

9.117 Der abkommensrechtliche Begriff des „Gewinns“ umfasst nach überwiegender Ansicht sowohl po-

sitive als auch negative Einkünfte.7 Das OECD-MA enthält keine Regelungen für die Ermittlung und Verrechnung von Verlusten. Es sind deshalb die nationalen Vorschriften anzuwenden. Im Fall einer deutschen Personengesellschaft sind dies insbesondere die inner- (§ 2 Abs. 3 EStG) und interperiodische (§ 10d EStG) Verlustverrechnung. Bei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften ist zudem § 15a EStG zu beachten (vgl. zum Ganzen bereits Rz. 9.52 f.). 1 Die Anrechnungsmethode lehnt sich an die Regelung aus § 34c EStG an. Siehe zu den Problemen bei der Ermittlung der ausländischen Steuer, die auf die Sondervergütungen entfallen: Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 298 ff. 2 Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 300. 3 Pohl, DB 2013, 1572 (1576). 4 Salzmann, IWB 2013, 405 (408). 5 Mössner, IStR 2015, 204 (205). 6 Zu möglichen Bedenken gegen ein „Nachbessern“ durch den Gesetzgeber ausführlich Schmidt, DStR 2010, 2436 (2439 ff.); Schmidt in Lüdicke, Internationales Steuerrecht, 185 (208 ff.); kritisch auch Letzgus, Ubg 2010, 513 (517). 7 BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382 (383); v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659 (659); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 151; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 370; Bernütz/Loll, DStR 2015, 1226 (1227); kritisch Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 52 ff.

972 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.121 Kap. 9

5. Drittstaateneinkünfte a) Problemstellung und Lösung auf Grundlage des OECD-MA Problematisch ist die Behandlung der Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft Einkünfte aus einem dritten Staat, also weder aus dem Wohnsitzstaat des ausländischen Gesellschafters noch aus dem Inland, bezieht.

9.118

Beispiel: An der deutschen, gewerblich tätigen K-KG ist der in A-Land ansässige Steuerausländer A beteiligt. Die K-KG bezieht der deutschen Betriebsstätte zuzurechnende Dividenden und Zinsen aus dem D-Staat, der auf diese eine Quellensteuer i.H.v. 15 % erhebt. Sowohl zwischen Deutschland und A-Land als auch zwischen Deutschland und D-Staat sowie zwischen A-Land und D-Staat soll ein DBA bestehen, das dem OECD-MA entspricht. Unstreitig ist zunächst, dass es sich bei den Dividenden- und Zinseinkünften nach innerstaatlichem Recht um beschränkt steuerpflichtige Einkünfte des A handelt (vgl. zum innerstaatlichen Recht bereits Rz. 9.59 ff.). Fraglich ist jedoch, wie in diesen Konstellationen eine Doppelbesteuerung – durch den Wohnsitzstaat A-Land, das Inland als Ansässigkeitsstaat der Personengesellschaft und durch den D-Staat – vermieden werden kann.

Auf Grundlage des OECD-MA kann sich die K-KG selbst weder auf das DBA zwischen A-Land und Deutschland noch auf dasjenige zwischen D-Staat und Deutschland berufen. Nach Art. 1 OECD-MA finden diese nur Anwendung auf Personen, die zumindest in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Zwar ist auch eine Personengesellschaft eine Person i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, sie ist jedoch keine ansässige Person, da sie in keinem der drei Länder steuerpflichtig ist. Demnach kann die K-KG selbst keine Entlastung von den Quellensteuern unter dem DBA-Deutschland/D-Staat verlangen.

9.119

A kann sich hingegen sowohl auf das DBA-Deutschland/A-Land als auch auf das DBA-A-Land/DStaat berufen, da er als natürliche Person in A-Land unbeschränkt steuerpflichtig ist (Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Hingegen kann sich auch er nicht auf das DBADeutschland/D-Staat berufen, weil er weder in Deutschland noch in D-Staat ansässig ist. Eine Anrechnung der Quellensteuern aufgrund des DBA-Deutschland/D-Staat kommt somit nicht infrage.

9.120

Eine etwaige Doppelbesteuerung könnte mithin nur auf der Grundlage des DBA-A-Land/D-Staat und DBA-A-Land/Deutschland vermieden werden. Im Verhältnis zwischen A-Land und Deutschland richtet sich die Verteilung der Besteuerungsrechte hinsichtlich der Gewinnanteile aus der gewerblich tätigen K-KG nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA, wenn es sich nicht um Einkünfte handelt, die in anderen Verteilungsartikeln geregelt sind (vgl. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).1

9.121

Dividenden- und Zinseinkünfte, die aus Drittstaaten stammen, werden von den speziellen Verteilungsnormen in den Art. 10 ff. OECD-MA nicht erfasst, da diese stets voraussetzen, dass die jeweiligen Einnahmen aus einem der beiden Vertragsstaaten stammen.2 Nach ganz überwiegender Ansicht handelt es sich bei solchen quellensteuerpflichtigen Drittstaateneinkünften aus Sicht des A um andere Einkünfte i.S.v. Art. 21 OECD.3 Soweit die Dividenden- und Zinseinkünfte einer in 1 Von einem solchen Vorrang ist nach der Rspr. auch dann auszugehen, wenn das DBA eine Art. 7 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung nicht enthalten sollte; vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/ 06, BStBl. II 2008, 510 (511) – zum DBA-Niederlande; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl. II 2009, 758 (764) – zum DBA-Frankreich. 2 Art. 10 Tz. 8 OECD-MK; Art. 11 Tz. 6 OECD-MK; Art. 12 Tz. 5 OECD-MK; auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 1. 3 Art. 21 Tz. 4 OECD-MK; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 (564 f.); v. 19.2.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 65; Rust in V/ L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 4; Ribbrock, Dreieckssachverhalte, 62 f.; a.A. Helde, Dreiecksverhältnisse, 80 m.w.N., die Art. 7 Abs. 1 OECD-MA unmittelbar für anwendbar hält, da es sich bei den Drittstaateneinkünften nicht um Dividenden (Zinsen) handle.

Mick/Dyckmans | 973

Kap. 9 Rz. 9.122 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften einem Vertragsstaat gelegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, sind die Besteuerungsrechte nach Art. 7 OECD-MA zu verteilen (vgl. Art. 21 Abs. 2 OECD-MA).1

9.122 Für die Anrechnung der ausländischen Quellensteuern nach dem DBA-A-Land/Deutschland

müsste sich A darauf berufen, dass es sich bei den vereinnahmten Zinseinkünften um solche nach Art. 10 OECD-MA handelt, da in diesem Fall Art. 23A Abs. 2 OECD-MA eine Anrechnungsmöglichkeit vorsieht. Nach überwiegender Auffassung fehlt es jedoch gerade hieran.2 Nach Art. 23A Abs. 2 OECD-MA hat eine Anrechnung nur dann zu erfolgen, wenn es sich um „Einkünfte, die nach den Artikeln 10 und 11 im anderen Vertragsstaat besteuert werden können“, handelt. Bei den hier fraglichen Einkünften handelt es sich jedoch nach den zuvor genannten Grundsätzen um solche nach Art. 21 Abs. 2, Art. 7 OECD-MA, für die nach dem klaren Wortlaut von Art. 23A OECD-MA die Freistellungsmethode greift.3 Die Zinseinkünfte werden über eine deutsche Betriebsstätte vereinnahmt und gehören somit nicht zu den Einkünften nach Art. 10 OECD-MA, sondern zu den Einkünften nach Art. 7 OECD-MA, für die die Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 und nicht Abs. 2 OECD-MA gilt. Aus diesem Grund vermag die im Schrifttum vertretene Auffassung nicht zu überzeugen, dass sich die Betriebsstättenvorbehalte (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 21 Abs. 2 OECD-MA) nur an den Betriebsstättenstaat richtet, es sich im Übrigen jedoch weiterhin um Dividenden- oder Zinseinkünfte handle, die der Ansässigkeitsstaat nicht freistellen müsse.4

9.123 Im Verhältnis zwischen A-Land/D-Staat finden aufgrund von Art. 7 Abs. 4 OECD-MA für die

Dividenden- und Zinseinkünfte Art. 10 und 11 OECD-MA Anwendung, da die ausschüttende Gesellschaft bzw. der Schuldner in einem Vertragsstaat (hier: D-Staat) ansässig ist. Danach steht dem D-Staat ggf. ein eingeschränktes Quellenbesteuerungsrecht zu. Eine etwaige Doppelbesteuerung wird durch eine Anrechnung der im D-Staat gezahlten (Quellen-)Steuer durch A-Land vermieden (vgl. Art. 23A Abs. 2 OECD-MA bzw. Art. 23B OECD-MA). Damit kann eine tatsächliche Doppelbesteuerung im Verhältnis von Quellen- und Ansässigkeitsstaat aber nur dann vermieden werden, wenn die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat (hier: A-Land) tatsächlich besteuert werden. Stellt dieser die Dividenden- und Zinseinkünfte aufgrund eines zwischen ihm und Deutschland bestehenden DBA wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23B OECD-MA frei, läuft eine Anrechnung mangels Steuerbelastung in A-Land ins Leere.5

9.124 Findet hingegen sowohl im Verhältnis von A-Land zu D-Staat wie auch A-Land zu Deutschland die Anrechnungsmethode Anwendung, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis A-Land die Steuern aus Deutschland und D-Staat anrechnet, wenn die anzurechnenden Steuern die in ALand zu zahlenden Steuern übersteigen.

Beispiel (Fortführung von Rz. 9.118): Die aus D-Staat bezogenen Dividenden betragen 100, die darauf entfallende Quellensteuer in D-Staat 15. Die Steuer in Deutschland soll 35 betragen, die in A-Land 30. Die K-KG erzielt keine weiteren Einkünfte. Der Höchstbetrag der anrechenbaren Steuer errechnet sich nach der Höhe der im anderen Staat erzielten Einkünfte (sog. „per country limitation“). Er beträgt für Deutschland und D-Staat jeweils 30. Darüber hinausgehende (deutsche) Steuern sind in A-Land nicht anrechenbar, sodass A deutsche Steuern 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 62 ff. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 366; Lang in FS Raupach, 601; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.4b; der BFH hat diese Frage bisher offengelassen, vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848 (849); v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510 (512 f.); v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 3 Ebenso Schnitger in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 16.35. Anderes kann möglicherweise dann gelten, wenn das Abkommen – in Abweichung zu Art. 23A Abs. 2 OECD-MA – nicht auf Art. 10 u. 11 OECD-MA, sondern auf „Dividenden- und Zinseinkünfte“, verweist. 4 Vgl. dazu Wassermeyer in FS Ruppe, 685 ff. 5 Schnitger in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.41; Ribbrock, Dreieckssachverhalte, 72; Helde, Dreiecksverhältnisse, 80.

974 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.127 Kap. 9 (jedenfalls) i.H.v. 5 zu tragen hat. Außerdem übersteigen die grundsätzlich anrechenbaren Steuern aus Deutschland und D-Staat i.H.v. insgesamt 45 die in A-Land zu zahlenden Steuern i.H.v. 30. Steuern i.H.v. (weiteren) 15 können mithin in A-Land nicht angerechnet werden. Unklar ist, in welchem Verhältnis diese auf Steuern aus D-Staat und Deutschland entfallen. Hierbei erscheint eine verhältnismäßige Aufteilung angemessen, sodass vorliegend auf die in A-Land zu entrichtende Steuer i.H.v. 30 deutsche Steuer i.H.v. 20 und Quellensteuer aus D-Staat i.H.v. 10 anzurechnen ist. Die darüber hinausgehende (deutsche und D-staatliche) Steuer i.H.v. 20 hat A zu tragen.1

Wie gezeigt, können die Verteilungs- oder Methodenartikel der Abkommen diese Fälle grundsätzlich nicht lösen, da die Personengesellschaft keine ansässige Person im abkommensrechtlichen Sinne ist und auch der Gesellschafter in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Teilweise wird ein Rückgriff auf das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 23 Abs. 3 OECDMA) befürwortet, das eine Schlechterstellung von Betriebsstätten gegenüber im Vertragsstaat ansässigen Unternehmen verbietet. Deshalb müsse das mit D-Staat bestehende DBA auch zugunsten der Personengesellschaft angewandt werden.2 Schließlich könnten auch die Grundfreiheiten des EUV eine Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs des DBA zwischen dem Sitzstaat der Gesellschaft und dem Quellenstaat dahin gehend verlangen, dass auch die Personengesellschaft als ansässige Person anzusehen ist.3

9.125

Für den hier interessierenden Fall einer inländischen Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ermöglicht jedenfalls die innerstaatliche Regelung des § 50 Abs. 3 EStG eine Anrechnung der im Drittstaat gezahlten Quellensteuern auf die beschränkt steuerpflichtigen Betriebsstätteneinkünfte (vgl. dazu Rz. 9.62 ff.). Die Regelung kommt auch bei Bestehen eines DBA zur Anwendung4 und verhindert eine doppelte Besteuerung der Dividenden- und Zinseinkünfte im Quellenstaat und im Inland. b) Abkommensspezifische Sonderregelungen Es steht den Vertragsstaaten eines DBA frei, abweichend von dem OECD-MA auch die Personengesellschaft als ansässige Person zu definieren. In diesem Fall kann sich die Gesellschaft selbst auf den Abkommensschutz berufen und dadurch eine Doppelbesteuerung auch im Verhältnis vom Sitzstaat der Personengesellschaft zum Quellenstaat vermeiden.

9.126

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien sind auch deutsche offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Partenreedereien eine in einem Vertragsstaat ansässige Person, wenn sich ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland befindet. Unabhängig von der Ansässigkeit ihrer Gesellschafter können sich damit diese Gesellschaften selbst auf das Abkommen berufen.

9.127

Beispiel: Der in A-Land ansässige A ist an der deutschen O-OHG beteiligt, welche Einkünfte aus Belgien bezieht, die dort einer Quellenbesteuerung unterliegen. Nach den zuvor genannten Grundsätzen können im Verhältnis von A-Land und Deutschland sowie zwischen A-Land und Belgien bestehende DBA Anwendung finden und eine Doppelbesteuerung regelmäßig vermeiden. Darüber hinaus kann sich die O-OHG selbst auf das DBA-Belgien berufen, wonach Deutsch1 Das innerstaatliche Recht (des A-Landes) kann hingegen einen Vor- oder Rücktrag von Anrechnungsüberhängen vorsehen, der es ermöglicht, die übersteigende ausländische Steuer in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen; vgl. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 254. 2 Vgl. Schnitger in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 16.44 ff., die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass dadurch keinesfalls eine Bindungswirkung für den Quellenstaat begründet werden könne. 3 Ausführlich Schnitger in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 16.49 ff. 4 Vgl. auch Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. F 3; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 367 f.; R 50.2 Satz 1 EStR 2008.

Mick/Dyckmans | 975

Kap. 9 Rz. 9.128 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften land eine in Übereinstimmung mit Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 DBA-Belgien erhobene belgische Quellensteuer anrechnet (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Belgien). Die Anrechnung erfolgt auf die von A im Rahmen seiner beschränkten Steuerpflicht zu entrichteten deutschen Einkommensteuer. Dieses Ergebnis gilt auch unter Anwendung von § 50 Abs. 3 EStG (sofern Gewinneinkünfte). Jedoch geht die Abkommensberechtigung noch darüber hinaus. So wird u.a. der Quellenstaat aufgrund des DBA dazu verpflichtet, den Quellensteuersatz gegenüber dem Gläubiger (O-OHG) zu reduzieren.

9.128 Vergleichbare Regelungen finden sich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Aserbaidschan i.V.m. Pro-

tokoll Nr. 2. Auch nach den deutschen DBA mit Island (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 4 Abs. 4 DBA-Island), Polen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Polen) und Slowenien (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Slowenien) sind Personengesellschaften in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Verteilungsartikel finden jedoch nur auf das Einkommen oder Vermögen der Gesellschaft Anwendung, das in ihrem Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt (jeweils Art. 4 Abs. 4 Satz 2 der DBA). Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 4 Abs. 4 DBA-Finnland ist eine Personengesellschaft in dem Vertragsstaat ansässig, nach dessen Recht sie gegründet wurde. Gemäß Art. 3, 4 DBA-Liberia i.V.m. Protokoll Nr. 5 gilt Gleiches für in Deutschland errichtete Personengesellschaften.1 Unter dem DBA-Italien sind Personengesellschaften schließlich dann in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie nach dem Recht dieses Staates gegründet wurden oder sich der Hauptgegenstand ihrer Tätigkeit dort befindet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien i.V.m. Protokoll Nr. 2). In all diesen Fällen kann sich die deutsche Personengesellschaft selbst auf das jeweilige Abkommen berufen und so i.d.R. eine Entlastung von in Drittstaaten gezahlter Quellensteuer erlangen.

9.129 Einen rechtssystematisch anderen Weg geht das DBA-Portugal. Nach Art. 4 Abs. 4 des Abkom-

mens werden die Gesellschafter von Personengesellschaften, die in einem der Vertragsstaaten den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben, so behandelt, als seien sie selbst in diesem Vertragsstaat ansässig.2 Die Abkommen enthalten mithin nicht eine Sonderregelung zur Ansässigkeit der Personengesellschaft, sondern für ihre Gesellschafter. Selbst in einem Drittstaat ansässige Gesellschafter deutscher Personengesellschaften können sich bei Vorliegen portugiesischer Einkünfte auf das DBA-Portugal berufen.3 Eine Besteuerung im anderen Vertragsstaat ist jedoch dann möglich, wenn die Einkünfte in Deutschland nicht der Besteuerung unterliegen (Art. 4 Abs. 4 Satz 2 DBA-Portugal).

9.130 Einen Sonderweg geht auch das DBA-Schweiz. Dieses enthält zwar keine Sonderregelungen, die

eine Abkommensberechtigung von Personengesellschaften begründen könnten. Auch Personengesellschaften können jedoch die in den Art. 10–12 DBA-Schweiz vorgesehenen Entlastungen von den Steuern des anderen Vertragsstaates beanspruchen, wenn mindestens × der Gewinne der Gesellschaft Personen zustehen, die in dem Staat ansässig sind, nach dessen Recht die Gesellschaft errichtet ist.4

Beispiel: An der deutschen K-KG sind der in Deutschland ansässige D zu 4/5 und der im Ausland ansässige A zu 1/ 5 beteiligt. Die K-KG bezieht Dividendeneinkünfte aus der Schweiz, die ihrer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind und die in der Schweiz einer Quellensteuer unterliegen. Unproblematisch auf das DBA-Schweiz berufen und damit Entlastung von den einbehaltenen Quellensteuern erlangen kann sich D, da er selbst in Deutschland ansässig ist. Fraglich ist jedoch, ob auch A, 1 Das DBA-Südafrika enthält hingegen nur für südafrikanische Gesellschaften eine Sonderregelung (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. aa DBA-Südafrika), die für die hier untersuchten Fälle von inländischen Personengesellschaftern mit ausländischen Gesellschaftern keine Bedeutung hat. 2 Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal nimmt jedoch Ausschüttungen der Gesellschaft von dieser Regelung aus. 3 Vgl. auch Raber in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Portugal Rz. 21 ff. 4 Vgl. Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971 zu Art. 10–12 sowie Verständigungsvereinbarung v. 26.11. 1971 u. v. 26.1.1972, jeweils abgedruckt in Beck’sche Textausgaben DBA, Schweiz 0.1. Ausführlich dazu auch Hamminger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 47; Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 48.

976 | Mick/Dyckmans

B. Grundzüge der Besteuerung ausl. Gesellschafter inl. Personengesellschaften | Rz. 9.134 Kap. 9 der in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist, eine Anrechnung der Schweizer Quellensteuer auf die inländische Steuer erreichen kann. Weder A selbst noch die K-KG sind mangels Ansässigkeit in Deutschland oder der Schweiz unter dem DBA-Schweiz abkommensberechtigt. Da A jedoch nur Minderheitsgesellschafter der K-KG ist und im Übrigen an dieser zu über 75 % Personen beteiligt sind, die unter dem DBA-Schweiz abkommensberechtigt sind, kann die zuvor genannte Vereinfachungsregelung zur Anwendung kommen. Die K-KG kann deshalb für alle hinter ihr stehenden Gesellschafter – mithin auch für A – Entlastung von der Schweizer Quellensteuer auf Grundlage von Art. 10 DBA-Schweiz verlangen.

6. Qualifikationskonflikte Als Qualifikationskonflikt soll hier der subjektive Qualifikationskonflikt behandelt werden, der durch unterschiedliche Regelungen zur Steuersubjektqualität bestimmter Rechtsträger auftritt, insbesondere wenn ein Staat eine (Personen-)Gesellschaft als transparent behandelt, während der andere Staat diese Gesellschaft als intransparentes Steuersubjekt ansieht oder umgekehrt. Aus diesem Konflikt unterschiedlicher Ansätze über die Steuersubjektqualität ergibt sich ein Zurechnungskonflikt, da die Einkünfte nach dem Recht des einen Staates den Gesellschaftern und nach dem Recht des anderen Staates der Personengesellschaft zugerechnet werden.1

9.131

In dem hier zu behandelnden Inbound-Fall kann ein subjektiver Qualifikationskonflikt entweder dadurch auftreten, dass eine deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als nicht-transparentes Körperschaftsteuersubjekt angesehen wird oder eine deutsche Kapitalgesellschaft aus Sicht des ausländischen Gesellschafters als Personengesellschaft zu qualifizieren ist. Erzielt die Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat, so kann auch die Sichtweise des Drittstaates für die steuerliche Beurteilung der Steuersubjektqualität entscheidend sein. Somit muss auf bis zu drei Ebenen über die Steuersubjektqualität einer Gesellschaft entschieden werden (Quellenstaat der Einkünfte, Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft und Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter). Zumeist werden die Staaten völlig autonom nach eigenem, nationalen Steuerrechtsverständnis die Steuersubjektqualifikation vornehmen. Abgesehen von Sonderfällen zwingt sie auch das DBA-Recht nicht, ausländische Qualifikationen für eigene Besteuerungszwecke zu übernehmen (vgl. dazu ausführlich Rz. 1.166 ff.).

9.132

Wenn keine rechtlich verbindliche Qualifikationsverkettung besteht, sind internationale Besteuerungskonflikte vorprogrammiert: Wird etwa eine deutsche Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Gesellschafters als eigenes Steuersubjekt behandelt, so werden nach dem ausländischen Steuerrecht die Einkünfte dieser Gesellschaft zugerechnet. Der Gesellschafter wird einer Besteuerung erst bei Ausschüttung unterworfen. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaats der Gesellschaft werden die Einkünfte hingegen sofort den Gesellschaftern zugerechnet ohne Besteuerungsrecht auf die Ausschüttung. Im Falle einer deutschen Kapitalgesellschaft würde der Konflikt darin bestehen, dass der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht auf Ebene der Gesellschaft und ein weiteres Besteuerungsrecht bei Ausschüttung für sich einfordert, während der Gesellschafter bereits bei Einkünfteerzielung durch die Gesellschaft besteuert würde.

9.133

Bei den deutschen Inbound-Gestaltungen ist die Behandlung von subjektiven Qualifikationskonflikten weniger problematisch, da es hier nicht um die deutsch-steuerliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften geht (Outbound-Fall) und die deutschen Personengesellschaften nach deutschem Steuerrecht immer als transparent gegenüber ihren Gesellschaftern angesehen werden. Aus deutscher Sicht wird insbesondere eine deutsche Personengesellschaft niemals als Steuersubjekt angesehen, nur weil in dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter diese Gesellschaft als intransparent behandelt wird. Auch im umgekehrten Fall würde eine deutsche Kapitalgesellschaft für deutsch-steuerliche Zwecke immer als intransparentes Steuersubjekt anzusehen sein, un-

9.134

1 Im Gegensatz hierzu steht der objektive Qualifikationskonflikt, in dem es insbesondere um unterschiedliche Einkünftequalifikationen geht. Dieser kann aber auch auf einen subjektiven Qualifikationskonflikt zurückzuführen sein.

Mick/Dyckmans | 977

Kap. 9 Rz. 9.135 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften abhängig von der Behandlung im Ausland. Es ist in diesem Fall Aufgabe des ausländischen Staates, mögliche Qualifikationskonflikte zu vermeiden, indem er bspw. die deutsche Qualifikation übernimmt (Qualifikationsverkettung) oder etwa durch Steueranrechnung eine Doppelbesteuerung vermeidet. Teilweise wird etwa in der deutschen Literatur vertreten, dass die Qualifikation der Gesellschaft auf die Gesellschafter durchschlagen müsse.1 Diese Auffassung wird jedoch in dieser Allgemeinheit zu Recht abgelehnt,2 soweit sie nicht ausnahmsweise DBA-rechtlich geboten ist (so insbesondere aber Art. 1 Abs. 7 DBA-USA). Liegt die Einkünftequelle in einem Drittstaat, so kann neben dem Qualifikationskonflikt zwischen dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft und dem/ den Gesellschafter(n) auch noch ein Konflikt mit dem Quellenstaat treten.

9.135 Beispiel: Eine KG erzielt a) gewerbliche inländische Einkünfte, b) inländische Dividendeneinkünfte,

c) Dividendeneinkünfte aus einem Drittland. Gesellschafter der KG ist A, der in einem Staat ansässig ist, der die KG als intransparentes Steuersubjekt behandelt. Auch das Drittland behandelt die KG als Steuersubjekt. Aus deutscher Sicht werden die Einkünfte der KG als gewerbliche Einkünfte qualifiziert, die dem Mitunternehmer A steuerlich zuzurechnen sind.

Bezüglich der Dividendeneinkünfte aus Drittstaaten ist die Lösung aus deutscher Sicht nicht anders zu beurteilen als bei inländischen Dividendeneinkünften. Allein der Umstand, dass die Einkünfte aus einem Quellenland bezogen werden, das die Personengesellschaft wiederum als Kapitalgesellschaft behandelt, bedeutet aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht nicht, dass die Dividendenerträge unter das deutsche Körperschaftsteuerregime fallen würden. Es gibt hierzu grundsätzliche keine DBA-rechtliche Verpflichtung. Hiervon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob wiederum das Quellenland für die Abkommensberechtigung davon ausgehen muss, dass Empfänger der Dividende ein – aus seiner Sicht – Körperschaftsteuersubjekt ist. Hier ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Quellenstaat als Anwenderstaat die DBA-Berechtigung wiederum nach eigenem nationalem Steuerrecht beurteilt, ohne an die deutsche Steuersubjektqualität gebunden zu sein. Etwas ganz anderes gilt nur dann, wenn der Quellenstaat eine Auslandsgesellschaft als transparent behandelt, während der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft diese als intransparent behandelt. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass ein Quellenstaat eine ausländische Personengesellschaft dann als abkommensberechtigt anzusehen hat, wenn sie in ihrem Ansässigkeitsstaat ein eigenständiges Steuersubjekt darstellt.3 Dieser Fall kann jedoch beim Beziehen ausländischer Quelleneinkünfte durch eine deutsche Personengesellschaft nicht auftreten. Allenfalls wenn Bezieher der Dividenden eine deutsche GmbH wäre, die aus dem Quellenland Einkünfte bezieht und in dem Quellenland als transparent eingestuft würde, könnte sich die GmbH nach DBA-Recht auf ihre deutsche Steuersubjektqualität gegenüber dem Quellenstaat berufen.

C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft 9.136 Der Erwerb eines bereits existierenden Anteils an einer deutschen Personengesellschaft durch einen Steuerausländer weist hinsichtlich seiner steuerlichen Behandlung keine Besonderheiten gegenüber dem Erwerb durch einen Steuerinländer auf.4 Zwar handelt es sich zivilrechtlich um den Erwerb von (Personen-)Gesellschaftsanteilen, steuerrechtlich wird der Erwerb dieser Anteile jedoch wie ein Erwerb der einzelnen Wirtschaftsgüter behandelt.5 Der Gesellschafterwechsel lässt die Gesamthandsbilanz der Personengesellschaft grundsätzlich unverändert.6 Die Anschaffungskos-

Vgl. etwa Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 32a m.w.N. Eine Qualifikationsverkettung ablehnend auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688. Vgl. aber Art. 1 Tz. 2 ff. OECD-MK. Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 124. 5 Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 2; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 190. 6 Abgesehen von der Umschreibung des Kapitalkontos. 1 2 3 4

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C. Erwerb von Anteilen an einer inländischen Personengesellschaft | Rz. 9.138 Kap. 9

ten des neu eintretenden Gesellschafters sind diesem vielmehr individuell zuzuordnen. In einer steuerlichen Ergänzungsbilanz sind diese auf die erworbenen Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven zu verteilen; ggf. ist ein Geschäftswert zu aktivieren.1 Finanzierungskosten, die der Steuerausländer zum Erwerb der Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft aufwendet und die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit beschränkt steuerpflichtigen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG), sind grundsätzlich im Inland als Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten abziehbar. Sollte die deutsche Personengesellschaft im Ausland als intransparent behandelt werden, so kann dieser Qualifikationskonflikt aber nicht dazu führen, dass die Finanzierungsaufwendungen sowohl im Inland als auch im Ausland steuerlich geltend gemacht werden können. Einen doppelten Abzug der Sonderbetriebsausgaben in Deutschland und im Ausland verhindert der mit Wirkung ab 1.1.2017 eingeführte § 4i EStG (vgl. Rz. 9.152). Besonderheiten können sich jedoch im Gründungsfall ergeben, wenn der ausländische Gesellschafter eine Sacheinlage tätigt, die aus seinem ausländischen Betriebsvermögen stammt. In rein innerstaatlichen Sachverhalten erfolgt die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus einem anderen Betriebsvermögen des Gesellschafters in seine Personengesellschaft zwingend zum Buchwert (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG). Dies gilt jedoch nicht für eine Einlage aus ausländischem Betriebsvermögen, da in diesen Fällen des Besteuerungsrecht vom Sitzstaat des Steuerausländers nach Deutschland wechselt.

9.137

Beispiel: Der Steuerausländer A gründet mit dem in Deutschland ansässigen D die deutsche O-OHG. A und D haben im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass A aus seinem ausländischen Unternehmen verschiedene Produktionsmaschinen in die O-OHG einlegt. Die Maschinen sind nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates des A bereits voll abgeschrieben, haben jedoch noch einen Fremdvergleichswert/gemeinen Wert/Teilwert von zusammen 100.000 Euro. Da durch die Sacheinlage in das Gesamthandsvermögen der O-OHG erstmals ein deutsches Besteuerungsrecht begründet wird, sind die Produktionsmaschinen mit ihrem Teilwert von 100.000 Euro zu aktivieren (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG).2 Ein Bewertungswahlrecht besteht nicht. Es besteht auch keine Korrespondenz zur Bewertung nach ausländischem Recht, d.h., es ist unerheblich, ob das ausländische Steuerrecht in der Überführung einen Realisationstatbestand sieht oder nicht.

Ein inländischer Gesellschafter, der Anteile an einer Personengesellschaft erwirbt, kann sämtliches, nicht notwendiges Betriebsvermögen mit steuerlicher Wirkung entnehmen (z.B. Barmittel). Fraglich ist, ob dies auch für einen ausländischen Erwerber gilt oder ob insoweit Einschränkungen zu beachten sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll ein beschränkt Steuerpflichtiger nach dem Erwerb von Anteilen an inländischen Personengesellschaften die Eigenkapitalausstattung nicht willkürlich zulasten der Betriebsstätte verringern können.3 Die bisherige Dotation durch den Altgesellschafter sei als betriebsnotwendiger Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Eine darüber hinausgehende Entnahme des Neugesellschafters führt nach dieser Ansicht dazu, dass die Erträge der entnommenen Wirtschaftsgüter gleichwohl weiterhin dem Betriebsstättenergebnis (fiktiv) zugerechnet werden. Andererseits findet aber die Regelung des § 12 BsGaV über das Dotationskapital von inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen keine Anwendung, da diese im Verhältnis zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter keine Geltung haben (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). In der Literatur wird teilweise bezweifelt, dass die Sichtweise der Finanzverwaltung mit dem Gesetz vereinbar sei.4 Vielmehr stehe es einem Gesellschafter frei, wie er seine Gesellschaft 1 Ausführlich dazu Rödder/Hötzel in Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf/Unternehmensverkauf, § 27 Rz. 51, 21 ff.; Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform5, 527 ff. 2 Die gesetzliche Regelung greift mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 2007. Vergleichbar war zuvor aufgrund von Verwaltungsanweisung der „Ansatz zum Fremdvergleichspreis“; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6.3. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.5.2. 4 Löwenstein/Heinsen, IStR 2007, 301; Watermeyer, GmbH-StB 2000, 277 (280).

Mick/Dyckmans | 979

9.138

Kap. 9 Rz. 9.139 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften finanziell ausstattet. Einschränkung erfahre diese Finanzierungsfreiheit lediglich durch die auch im Verhältnis zu Steuerausländern geltende Regelung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a EStG, die durch eine Zinsabzugsbeschränkung mittelbar eine bestimmte Finanzausstattung der Gesellschaft sicherstelle.

9.139 Neben dem Erwerb von Anteilen oder der Gründung einer Personengesellschaft können Steueraus-

länder auch dadurch an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt werden, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft rechtsformwechselnd in eine deutsche Personengesellschaft umgewandelt oder eine Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird (vgl. dazu Rz. 11.59 ff.).

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters I. Grundsatz 9.140 Die Einkünfte des ausländischen Gesellschafters einer inländischen gewerblichen Personengesell-

schaft sind im Grundsatz ebenso zu ermitteln wie inländische Betriebsstätteneinkünfte von Steuerausländern. Die Personengesellschaft ist zwar selbst Betriebsstätteninhaber. Aufgrund ihrer Transparenz werden ihre Betriebsstätten aber den Mitunternehmern anteilig zugerechnet. Jeder Mitunternehmer muss sich also die von der Personengesellschaft unterhaltene Betriebsstätte wie eine eigene zurechnen lassen. Nach Auffassung der Rechtsprechung genügt es dabei, dass entweder die Personengesellschaft oder ein Gesellschafter Verfügungsmacht hat.1 Jedoch lässt sich schon bei rein nationalen Sachverhalten die vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Gleichstellung des Mitunternehmers mit einem Einzelunternehmer nicht gänzlich durchhalten. Insbesondere im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind Modifikationen erforderlich. Auch bei ausländischen Gesellschaftern können die Grundsätze der Betriebsstättengewinnermittlung nur mit gewissen Besonderheiten angewendet werden.

II. Buchführungspflicht 9.141 Eine deutsche OHG oder KG ist gemäß § 140 AO i.V.m §§ 238 Abs. 1, 6 Abs. 1 HGB verpflichtet,

Bücher zu führen. Eine Beteiligung von im Ausland ansässigen Gesellschaftern ändert daran nichts. Nach Auffassung des BFH können ausländische Rechtsnormen keine Buchführungspflicht nach § 140 AO begründen.2

Handelt es sich bei der deutschen Personengesellschaft nicht um eine OHG oder KG, besteht die Buchführungspflicht des § 140 AO nur, wenn die Gesellschaft die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens darstellt (§§ 13d ff. HGB). Daneben besteht eine steuerrechtliche Verpflichtung zum Führen von Büchern gemäß § 141 AO immer dann, wenn eine inländische Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO besteht und die Finanzbehörde darauf hingewiesen hat, dass die in § 141 AO genannten Grenzen überschritten werden.3 Dabei beziehen sich die dort genannten Grenzen auf die Gesellschaft als solche und nicht auf den auf den Gesellschafter entfallenden Anteil.4 1 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165 (166); v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937 (938); hierzu auch Wassermeyer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 2.32 ff. 2 BFH v. 15.10.2015 – I B 93/15, BStBl. II 2016, 66; a.A. Finanzverwaltung: Bay. Landesamt für Steuern, Verf. v. 8.6.2011 – S 2300.2.1-4/13 St32, IStR 2011, 599 und Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 7; dagegen zu Recht die überwiegende Literaturmeinung Görke in H/H/Sp, § 140 AO Rz. 11; Dißars in S/P, § 140 AO Rz. 2; Richter/John, ISR 2014, 37. 3 Vgl. FG Köln v. 7.7.1993 – 6 K 4693/87, EFG 1994, 138 (139) (aus anderen Gründen aufgehoben von BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238); Drüen in T/K, § 141 AO Rz. 6; Dißars in S/P, § 141 AO Rz. 9. 4 Drüen in T/K, § 141 AO Rz. 2; Görke in H/H/Sp, § 141 AO Rz. 16; Dißars in S/P, § 141 AO Rz. 8.

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D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.146 Kap. 9

Ort der Buchführung ist grundsätzlich das Inland (§ 146 Abs. 2 AO). Währungsprobleme – wie sie bei Beteiligungen von Inländern an ausländischen Personengesellschaften entstehen können (vgl. hierzu Rz. 6.191 ff.) – stellen sich nicht, da die (inländische) Gesellschaft nur in Euro bilanzieren darf.1 Im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen zur Währungsumrechnung (bspw. bei Bezug von Zinsen in fremder Währung).2

9.142

III. Gesamthandsvermögen Auch die inländische Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern ist hinsichtlich der Ermittlung ihres Gesamthandsvermögens (Gewinnermittlung auf erster Stufe) selbst Subjekt der Gewinnermittlung.3 Die Gewinnermittlung hat mithin grundsätzlich nach den §§ 4, 5 Abs. 1 EStG zu erfolgen.4

9.143

Aus der Tatsache, dass an der inländischen Gesellschaft auch im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich für Geschäfte, die die Gesellschaft mit Dritten abschließt, keine Besonderheiten.5 Auch Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern werden auf dieser ersten Stufe der Gewinnermittlung anerkannt. Unerheblich ist, ob die der Personengesellschaft zufließenden Erträge aus dem Inland, dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter oder aus Drittstaaten stammen. Ebenso wenig ist entscheidend, ob Aufwand nach Deutschland, in das Heimatland der Gesellschafter oder in Drittstaaten fließt. Bezieht die Gesellschaft Entgelte aus dem Ausland, die dort einer Quellensteuer unterliegen (i.d.R. Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren), so können jedoch Doppelbesteuerungsprobleme entstehen (vgl. dazu noch Rz. 9.118 ff.).

9.144

Unterhält die deutsche Personengesellschaft neben einer inländischen Betriebsstätte auch Betriebsstätten im Ausland (bspw. im Heimatstaat der ausländischen Gesellschafter), muss der Gesamtgewinn verursachungsgerecht auf die einzelnen Betriebsstätten aufgeteilt werden.6 Es liegen zwei Betriebsstätten der Personengesellschaft vor, die sich jeder Mitunternehmer als eigene steuerlich zurechnen lassen muss (vgl. Rz. 9.140). Auf eine inländische Personengesellschaftsbetriebsstätte sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze anzuwenden, die für die Gewinnermittlung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern gelten.7

9.145

Beispiel: Die in den Niederlanden ansässige N-B.V. ist Kommanditistin der deutschen D-KG, die die von ihr hergestellten Produkte weltweit über Dritte vertreiben lässt. Die N-B.V. finanziert in den Niederlanden eine große Werbeaktion für diese Produkte. Die Kosten für die Werbeaktion sind bei der Gewinnermittlung der D-KG (jedenfalls zum Teil) abzugsfähig. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn es sich um eine einfache deutsche Betriebsstätte der niederländischen N-B.V. handeln würde.8

Auch für Entnahmen aus dem Gesamthandsvermögen der inländischen Personengesellschaft durch die ausländischen Gesellschafter gelten grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze, die in Inlandssachverhalten Anwendung finden, insbesondere auch die Regelungen für Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG.9 Sonderregelungen können jedoch bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern mit stil1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. § 244 HGB. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 49. Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 401 ff. Vgl. zur Betriebsstätte BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 (142); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.3.1a, 1.1.5.5, 2.8.1. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 358. BFH v. 18.12.2003 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389 f.). Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2 u. 3; Fischer in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, 163 (167). Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.7, 3.2.1, 3.2.2. Maier in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, D. Rz. 356.

Mick/Dyckmans | 981

9.146

Kap. 9 Rz. 9.147 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften len Reserven zu beachten sein (vgl. dazu Rz. 9.174 ff.; zur „Entnahmebeschränkung“ ausländischer Erwerber inländischer Personengesellschaften vgl. Rz. 9.138).

IV. Sonderbetriebsvermögen 9.147 Für den Sonderbetriebsbereich des ausländischen Gesellschafters gelten die innerdeutschen Regelungen zum Sonderbetriebsvermögen sowie den Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben. Besonderheiten können sich aber durch die Anwendung eines DBA ergeben.

9.148 Wie bereits zuvor dargestellt, handelt es sich bei Sonderbetriebseinnahmen nach der Rechtspre-

chung und herrschenden Literatur nur dann um im Inland steuerpflichtige Unternehmensgewinne in Sinne von Art. 7 OECD-MA, wenn sich die Vergütung der inländischen Personengesellschaftsbetriebsstätte zuordnen lässt. Sofern das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen keine ausdrückliche Regelung zu Behandlung von Sondervergütungen enthält, fingiert § 50d Abs. 10 EStG sowohl die Qualifikation der Sonderbetriebseinnahmen als Unternehmensgewinne im Sinne von Art. 7 OECD-MA als auch die erforderliche Zuordnung zu einer inländischen Betriebsstätte, sofern diese den korrespondierenden Aufwand getragen hat.

9.149 Sonderbetriebsausgaben sind bereits nach nationalem Recht nur dann steuerlich zu berücksichti-

gen, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG).1 Soweit die Ausgaben in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen, kann der Steuerausländer diese ebenso absetzen wie ein Steuerinländer.2 Beispiel: Der ausländische Gesellschafter hat für den Erwerb eines Anteils an einer deutschen KG ein Darlehen bei einer Bank seines Heimatstaates aufgenommen. Die von ihm an die Bank zu zahlenden Zinsen mindern vorbehaltlich § 4h EStG seine inländischen Einkünfte.

9.150 Für Sonderbetriebsausgaben gelten damit grundsätzlich die gleichen Regelungen, die auch im Zu-

sammenhang mit einfachen inländischen Betriebsstätten von Steuerausländern zur Anwendung kommen.3 Auch dort kommt es für den Betriebsausgabenabzug bei der Gewinnermittlung der inländischen Betriebsstätte nicht darauf an, ob die Aufwendungen im Inland oder im Ausland angefallen sind. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aufwendungen mit der inländischen Betriebsstätte in einem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang stehen. Bei Sonderbetriebsausgaben handelt es sich nur um einen durch die Rechtsform der Personengesellschaft bedingten Spezialfall, der im Grundsatz nicht anders behandelt werden kann. Dies gilt unabhängig davon, wie die Sonderbetriebsausgaben im Heimatstaat des Gesellschafters behandelt werden. Folgt dieser der deutschen Beurteilung, wonach ein Abzug in Deutschland erfolgt, so liegt es nahe, dieselben Ausgaben im Heimatstaat des Gesellschafters vom Abzug auszuschließen. Einen doppelten Abzug der Sonderbetriebsausgaben in Deutschland und im Ausland verhindert der mit Wirkung ab 1.1.2017 eingeführte § 4i EStG (vgl. Rz. 9.152).

9.151 Besteht hingegen kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit inländischen Einkünften, scheidet ein

Abzug der Sonderbetriebsausgaben im Inland aus. Gleiches gilt, wenn die Sonderbetriebsausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen (vgl. § 3c EStG). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Sondervergütungen als Zins- oder Dividendeneinkünfte i.S. eines DBA zu qualifizieren sind.4 1 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 38, 50 „Personengesellschaften“; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.5.5. 2 Beispiele bei Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 645. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Müller, BB 2009, 751 (756 f.). 4 Vgl. auch Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (191 f.).

982 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.153 Kap. 9 Beispiel: Der ausländische Gesellschafter einer inländischen KG hat dieser ein Darlehen gegen Zinsen gewährt, das er seinerseits bei einer ausländischen Bank refinanziert hat. Soweit die Zinsen gemäß § 50d Abs. 10 EStG als Sonderbetriebseinnahmen den Unternehmensgewinnen der inländischen Personengesellschaftsbetriebsstätte zuzurechnen sind, unterliegen sie der deutschen Besteuerung nach Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. In diesem Fall ist auch der mit den Zinseinnahmen zusammenhängende Refinanzierungsaufwand als Sonderbetriebsausgabe abzugsfähig. Gleiches gilt in einem Nicht-DBA-Fall. Soweit § 50d Abs. 10 EStG nicht zur Anwendung kommt, weil das anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen eine Sonderregelung enthält, besteht – abhängig von der Sonderregelung – nach Auffassung des BFH und der ganz überwiegenden Ansicht in der Literatur an den Zinseinkünften nach dem DBA kein deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 7 OECD-MA, da die Regelungen über die Zinseinkünfte (vgl. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA) vorrangig sind (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA). In diesem Fall scheidet dann aber auch ein Abzug der Sonderbetriebsausgaben darstellenden Refinanzierungszinsen aus (§ 3c Abs. 1 EStG).1

Eine Einschränkung des Sonderbetriebskostenabzugs bei Vorgängen mit Auslandsbezug enthält der durch das Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz2 mit Wirkung zum 1.1.2017 eingeführte § 4i EStG. Mit Wirkung zum 25.6.2017 wurde die Vorschrift geringfügig umgestaltet und präzisiert.3 Danach dürfen Aufwendungen nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern. Ein Abzug gemäß § 4i Satz 2 EStG ist dagegen zulässig, soweit die Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei ihm sowohl der inländischen Besteuerung als auch nachweislich einer tatsächlichen Besteuerung im Ausland unterliegen. Dadurch soll ein doppelter Abzug von Sonderbetriebsausgaben verhindert werden.

9.152

Beispiel: Die M Ltd. mit Sitz in Großbritannien hält 100 % der Kommanditanteile an der in Deutschland ansässigen originär gewerblichen K KG. Die M Ltd. hat die Kommanditanteile von einem fremden Dritten erworben. Zur Finanzierung des Anteilserwerbs hat die M Ltd. ein Bankdarlehen von einer britischen Bank aufgenommen. Die Einkünfte der M Ltd. aus dem Mitunternehmeranteil an der K KG unterliegen der inländischen beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Zu den Einkünften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören auch die Sondervergütungen, die die M Ltd. von der K KG erhält. Die Zinszahlungen der M Ltd. im Zusammenhang mit dem zur Finanzierung aufgenommenen Bankdarlehen stellen Sonderbetriebsausgaben dar, die grundsätzlich steuerlich abzugsfähig sind. Dies gilt auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, da die Zinszahlungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den inländischen Einnahmen stehen. Da Großbritannien das deutsche Konzept der Sonderbetriebsausgaben unbekannt ist, können aus britischer Sicht die Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben der M Ltd. ebenfalls steuermindernd geltend gemacht werden. Diesen doppelten Betriebsausgabenabzug verhindert nunmehr § 4i Satz 1 EStG, der den Sonderbetriebsausgabenabzug in Deutschland versagt, soweit die Ausgaben die ausländische (hier: die britische) Steuerbemessungsgrundlage gemindert haben. Dabei greift das Abzugsverbot auch dann, wenn der Betriebsausgabenabzug im anderen Staat in einem vorhergehenden oder einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum (Steuer-/Wirtschaftsjahr) geltend gemacht wird. Durch § 4i Satz 2 EStG wird eine überschießende Wirkung in den Fällen verhindert, in denen die entsprechenden Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei ihm sowohl der inländischen als auch tatsächlich und nachweislich der ausländischen Besteuerung unterliegen. Die tatsächliche Besteuerung ist vom Steuerpflichtigen nachzuweisen, wobei die erhöhten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO gelten.

Auch die nach nationalem Recht geltenden Regelungen über Sonderbetriebsvermögen sind anwendbar, wenn an der Personengesellschaft beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind. Ein deutsches Besteuerungsrecht nach Art. 7 OECD-MA besteht, wenn das Wirtschaftsgut der (in1 Vgl. für den Fall, dass unter Beachtung des Zinsartikels ein eingeschränktes Quellensteuerrecht verbleibt: Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (193 f.). 2 Gesetz zur Umsetzung der Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 3 Gesetz v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682.

Mick/Dyckmans | 983

9.153

Kap. 9 Rz. 9.154 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften ländischen) Betriebsstätte der Gesellschaft zugeordnet werden kann und es sich um Unternehmensgewinne handelt. Hier fingiert § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG mangels Bestehens einer Sonderregelung im DBA sowohl die Qualifikation als Sonderbetriebsvermögen als auch die Zuordnung zur inländischen Betriebsstätte, sofern dieser der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegenden Leistung zuzuordnen ist.

9.154 Beispiel: Der Steuerausländer A ist sowohl an der deutschen X-GmbH & Co. KG als auch an deren

deutschen Komplementärin, der X-GmbH, beteiligt. Die Beteiligung an der X-GmbH stellt für A Sonderbetriebsvermögen dar mit der Folge, dass ein uneingeschränktes deutsches Besteuerungsrecht nur dann besteht, wenn die Beteiligung an der X-GmbH der Betriebsstätte der X-GmbH & Co. KG tatsächlich zugeordnet werden kann (vgl. Art. 10 Abs. 4 OECD-MA).

Unabhängig von der tatsächlichen funktionalen Zugehörigkeit der Beteiligung zur GmbH & Co. KG wird die Zurechnung nach § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG fingiert.

V. Übertragung von Wirtschaftsgütern 1. Grundsätzliches

9.155 Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen dem ausländischen Gesellschafter und seiner in-

ländischen Gesellschaft folgt im Grundsatz den für nationale Sachverhalte entwickelten Regelungen. Fraglich ist jedoch, ob und in welchem Umfang es zu einer Realisierung von stillen Reserven kommt.

Im Einzelnen kann die Übertragung wie auch bei rein nationalen Fällen die folgenden Vermögenssphären betreffen: – das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft (Betriebsvermögen), – das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, – anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters, – das Privatvermögen des Gesellschafters.

9.156 Die für nationale Fälle geltenden steuerlichen Grundsätze für die Übertragungen zwischen diesen

Vermögenssphären lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Übertragung wird wie ein Geschäft unter fremden Dritten behandelt, wenn angemessene Bedingungen vereinbart wurden. Bei unangemessenen Bedingungen ist zwingend der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsgutes fortzuführen, solange es Betriebsvermögen bleibt (unabhängig, ob als Gesamthandsvermögen, als Sonderbetriebsvermögen oder als anderes Betriebsvermögen). Bei Übertragungen in das und aus dem Privatvermögen sind die Entnahme- und Einlagegrundsätze anzuwenden. Diese Grundsätze können auch auf inländische Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern übertragen werden. Zusätzliche Gewinnrealisierungen können jedoch in den Fällen eintreten, in denen das Wirtschaftsgut zwar von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird, das empfangende Betriebsvermögen aber nicht der deutschen Steuerhoheit unterliegt. 2. Zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern

9.157 Für Übertragungen zwischen dem Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen der Gesellschaft,

Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters, anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters) und dem Privatvermögen des Gesellschafters gelten keine Besonderheiten. Sie werden wie in rein nationalen Sachverhalten behandelt. Beispiele: 1) Die inländische Personengesellschaft veräußert einen zu ihrem Gesamthandsvermögen gehörenden Pkw an ihren ausländischen Gesellschafter zum Verkehrswert.

984 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.161 Kap. 9 Es handelt sich um einen gewinnrealisierenden Verkauf wie unter fremden Dritten. Liegt der Preis unter dem Teilwert, liegt eine Entnahme vor. 2) Der ausländische Gesellschafter vermietet der Personengesellschaft ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück. Scheidet er aus der Gesellschaft aus, verliert das Grundstück seine Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen und es liegt eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme vor (§ 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG).

Übertragungen von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen der inländischen Gesellschaft in das Betriebsvermögen ihres ausländischen Gesellschafters wurden von der älteren Rechtsprechung des BFH jedenfalls dann als Entnahme angesehen, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens in eine ausländische Betriebsstätte in einem DBA-Staat mit Freistellungsmethode überführt wurde.1 Auf Grundlage dieser sog. finalen Entnahmetheorie waren die in einem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven bei der Überführung des Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte durch den Ansatz des Teilwerts aufzudecken.

9.158

In seinem Urteil vom 17.7.2008 hat der BFH die Theorie der finalen Entnahme ausdrücklich aufgegeben.2 Allein die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmers führt nicht zur Lösung des bisherigen betrieblichen Funktionszusammenhangs und kann deshalb mangels Außenumsatzes nicht als Realisationstatbestand angesehen werden.3

9.159

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung liegt auch in Fällen der Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer inländischen Personengesellschaft in das Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters grundsätzlich keine Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vor.4

9.160

In dem Urteil zur Aufgabe der finalen Entnahmetheorie musste sich der BFH nicht mit der Frage auseinandersetzen, welche Konsequenzen seine geänderte Rechtsprechung auf die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG haben wird. Die Vorschrift, die erst durch das SEStEG vom 7.12.2006 in das EStG eingeführt wurde, besagt, dass eine Entnahme immer dann vorliegt, wenn deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgut ausgeschlossen oder beschränkt wird. Große Teile des Schrifttums äußerten Zweifel, dass durch diese Regelung bei Übertragunsgvorgängen von Betriebsvermögen der inländischen Gesellschaft in das Betriebsvermögen ihres ausländischen Gesellschafters tatbestandlich eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG vorliegt.5 Vielmehr laufe die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in den fraglichen Fällen leer, da das inländische Besteuerungsrecht hinsichtlich der im Inland erwirtschafteten stillen Reserven bestehen bleibe.

9.161

1 Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175 (176); v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760 (761 f.); v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187 (188); v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94 (96); v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509 (511); BMF v. 20.12. 1977 – IV B 2 - S 2241 - 231/77, BStBl. I 1978, 8 Rz. 55; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.6.1 Buchst. b (vor Änderung durch BMF v. 25.8. 2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888). 2 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BB 2008, 2452 (2455); zustimmend Wassermeyer, DStR 2011, 361 (365); Ditz, IStR 2009, 115 (116 ff.) m.w.N.; Schnitger in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, 183 (185 f.). 3 Ebenso Kessler/Huck, StuW 2005, 193 (198); Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 149/1 ff. 4 Kritisch Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 12.6 m.w.N.; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.6.3. 5 Vgl. Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.9; Gosch, BFH-PR 2008, 499 (500 f.); Roser, DStR 2008, 2389 (2393 f.); Prinz, DB 2009, 807 (810 f.); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (28); Wassermeyer, DB 2006, 1176; Wassermeyer, IStR 2008, 176; Gosch in FS Spindler, 396; in diese Richtung auch Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483).

Mick/Dyckmans | 985

Kap. 9 Rz. 9.162 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

9.162 Auf die insoweit entstandene Verunsicherung über die Reichweite der erst wenige Jahre zuvor eingeführten Entstrickungstatbestände reagierte der Gesetzgeber im JStG 20101 mit der Einführung eines neuen § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG.2 Danach liegt ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere dann vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Unerheblich ist dabei, ob die Betriebsstättengewinne der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode unterliegen.3 Aus Sicht des Gesetzgebers4 wird hiermit nur die Rechtslage bestätigt, die bereits durch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG geregelt werden sollte.5

9.163 Ein durch eine fingierte Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG entstandener Gewinn kann durch die Bildung eines Ausgleichspostens über einen Zeitraum von fünf Jahren gestreckt werden, wenn das betreffende Wirtschaftsgut in eine EU-Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen überführt wird (vgl. § 4g EStG).

Beispiel: An der deutschen X-KG sind zu gleichen Teilen der Inländer D und der in Frankreich ansässige F beteiligt. Im Frühjahr werden zwei Pkw der X-KG in das Betriebsvermögen des F überführt. Der Buchwert der Pkw betrug jeweils 20.000 Euro; der auf Basis der Wiederverkaufspreismethode ermittelte Fremdvergleichspreis jeweils 30.000 Euro. Den einen Pkw veräußert F im Sommer des Jahres für 35.000 Euro; der andere Pkw wird wenig später bei einem Brand vollständig zerstört. Er war nicht versichert. Nach Ansicht der Finanzverwaltung, die der Gesetzgeber nunmehr durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG gesetzlich kodifiziert hat, ist im Zeitpunkt der Überführung6 der beiden Pkw ein Gewinn i.H.v. 20.000 Euro zu realisieren (Fremdvergleichspreis i.H.v. 30.000 Euro abzüglich Buchwert von 20.000 Euro je Pkw).

9.164 Fraglich ist jedoch, ob insoweit ein Ausgleichsposten nach § 4g EStG gebildet werden kann. Han-

delt es sich – wie im Beispielsfall – um Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens, so ist der Ausgleichsposten in der Gesamthandsbilanz zu bilden.7 Da § 4g EStG nur für unbeschränkt Steuerpflichtige gilt,8 ist zweifelhaft, ob in Fällen der Beteiligung des ausländischen Gesellschafters F ein Ausgleichsposten überhaupt gebildet werden kann. Teilweise wird die quotale Bildung eines Ausgleichspostens für möglich gehalten.9 Vorliegend könnte damit die X-KG einen Ausgleichsposten i.H.v. 10.000 Euro bilden. Es wird jedoch zu Recht bezweifelt, dass § 4g EStG die Bildung eines

1 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Zur erstmaligen Anwendung vgl. § 52 Abs. 8b EStG. Die in § 52 Abs. 8b Satz 2 EStG normierte Anwendung auch für Veranlagungszeiträume vor 2006 für verfassungswidrig hält Musil, FR 2011, 545 (550); dagegen Mitschke, FR 2011, 706 (707 ff.). 2 Vgl. dazu BMF v. 18.11.2011 – IV C – S 2134/10/100004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. Zur Vereinbarkeit mit Europarecht vgl. Musil, FR 2011, 545 (548 f.); ausführlich noch Rz. 9.166. 3 Scheunemann/Dennisen, BB 2011, 220 (222); Wittkowski/Hielscher, BC 2010, 569 (572). 4 Stellungnahme des Bundesrates v. 22.9.2006, BR-Drucks. 542/06 (B). 5 Ob dies gelungen ist, ist in der Literatur umstritten; dafür Musil, FR 2011, 545 (549 f.); dagegen Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 90 (94); Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157); Ditz in Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 12.10; kritisch auch Gosch in FS Spindler, 396. 6 Zu diesem Zeitpunkt Wassermeyer, IStR 2008, 176 (179), der von einem „nahtlosen Übergang“ ausgeht. 7 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15; a.A. Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, 68 f. 8 Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 6; Heinicke in Schmidt36, § 4g EStG Rz. 2. Diese Beschränkung begegnet in der Literatur verbreitet europarechtlichen Bedenken, vgl. Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 6; Hoffmann in L/B/P, § 4g EStG Rz. 12; Heinicke in Schmidt36, § 4g EStG Rz. 2. 9 Hoffmann in L/B/P, § 4g EStG Rz. 21; Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. B 6; Hoffmann, DB 2007, 652 (653).

986 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.166 Kap. 9

solchen quotalen Ausgleichspostens ermöglicht.1 Sind einzelne Gesellschafter nicht unbeschränkt steuerpflichtig, dürfen sie keinen Ausgleichsposten bilden und an einem solchen auch nicht (anteilig) partizipieren. Es ist deshalb in der Gesamthandsbilanz ein ungekürzter Ausgleichsposten zu bilden, der jedoch in einer Ergänzungsbilanz der ausländischen Gesellschafter durch einen „negativen“ Ausgleichsposten anteilig zu kompensieren und korrespondierend aufzulösen ist. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters übertragen, so kann ein Ausgleichsposten nur gebildet werden, wenn dieser Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig ist.2 Die Frage der Europarechtskonformität der deutschen Entstrickungsregelungen ist spätestens seit der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus B.V.3 in den Mittelpunkt einer vielschichtigen und kontroversen Diskussion gerückt. Der Entscheidung lassen sich aus steuerrechtlicher Sicht drei Kernelemente entnehmen:4 (1.) keine Steuerneutralität für die wegziehende Körperschaft, (2.) Rechtmäßigkeit einer Wegzugsbesteuerung und (3.) Unverhältnismäßigkeit der sofortigen Einziehung der Wegzugssteuer. Umstritten war insbesondere, ob der in § 4g EStG vorgesehene Aufschub der Besteuerung den vom EuGH postulierten Anforderungen genügt.5 Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Verder LabTec6 dürfte zumindest die gestreckte Besteuerung über fünf Jahre (§ 4g Abs. 2 Satz 1 EStG) keinen europarechtlichen Bedenken mehr begegnen.7

9.165

Für den umgekehrten Fall – Übertragung eines Wirtschaftsgutes aus dem (Sonder-) Betriebsvermögen des ausländischen Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen der inländischen Gesellschaft – gilt:

9.166

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG liegt eine fiktive Einlage vor, wenn hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts ein deutsches Besteuerungsrecht (erstmals) begründet wird. Dies gilt aber nicht bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens des ausländischen Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen, da insofern gemäß § 50d Abs. 10 EStG bereits vor der Überführung ein deutsches Besteuerungsrecht an den überge1 2 3 4 5

Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15. Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15. EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus B.V., ECLI:EU:C:2011:785. Vgl. Prinz, GmbHR 2012, 195 (197). Ebenso Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94 (95); Körner, IStR 2012, 1 (4 ff.); wohl auch Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Möller-Gosoge/Kaiser, BB 2012, 803 (808); Kessler/Philipp, DStR 2011, 1888 (1889); Thömmes, IWB 2011, 896 (903); vgl. auch FG Köln v. 16.11.2011 – 10 V 2336/11, IStR 2012, 184; FG Rh.Pf. v. 7.1.2011 – 1 V 1217/10 (rkr.), DStRE 2011, 1065 zu § 12 KStG; a.A. (Beschränkung europarechtskonform) Mitschke, IStR 2012, 6 (8 f.); Mitschke, DStR 2012, 629 (630 ff.); differenzierend Ruiner, IStR 2012, 49 (51), der einen zehnjährigen Aufschub für angemessen hält; ähnlich auch Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15) und Sieker, FR 2012, 353 (354), die einen Zeitraum von 15 Jahren befürwortet; offenlassend Musil, FR 2012, 32 (32 f.); Kessler/Philipp, DStR 2012, 267 (272); Kessler/Philipp/Eicke, PISTB 2012, 67 (72); Hruschka, DStR 2011, 2343 (2344); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19). Die Beschränkung auf Anlagegüter für problematisch halten Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); a.A. Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15). Das Erfordernis der einheitlichen Wahlrechtsausübung für problematisch halten Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (15); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (19); Brocke/Peter/Albrecht, IWB 2011, 939 (943); a.A. Mitschke, DStR 2012, 629 (632). Zur Zulässigkeit einer Sicherheitengestellung oder Verzinsung: Mitschke, IStR 2012, 6 (10 f.); Mitschke, DStR 2012, 629 (634 f.); gegen die generelle Zulässigkeit Prinz, GmbHR 2012, 195 (198); Körner, IStR 2012, 1 (5); differenzierend Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94 (96), die eine Verzinsung für grds. unzulässig und eine Sicherheitsleistung nur in Ausnahmefällen für zulässig halten. 6 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331 = IStR 2015, 443 mit Anm. Mitschke. 7 Ebenso FG Düsseldorf v. 19.11.2015 – 8 K 3664/ F, IStR 2016, 118 = IStR 2016, 126 mit Anm. Mitschke.

Mick/Dyckmans | 987

Kap. 9 Rz. 9.167 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften gangenen Wirtschaftsgütern gemäß Art. 7 OECD-MA bestand. Der Annahme einer fiktiven Einlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG steht dann entgegen, dass das deutsche Besteuerungsrecht durch die Übertragung nicht erstmals begründet würde. Nichts anderes folgt aus dem Urteil des BFH vom 17.7.2008.1 Zu bewerten ist die fiktive Einlage mit dem gemeinen Wert des übertragenen Wirtschaftsguts (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).2

9.167 Übertragungen zwischen dem Privatvermögen des ausländischen Gesellschafters und dem Be-

triebsvermögen – sei es Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters oder anderes Betriebsvermögen des Gesellschafters – werden grundsätzlich wie rein nationale Sachverhalte behandelt. Bei (teilweise) unentgeltlicher Übertragung liegt eine Einlage vor, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert anzusetzen ist. Im umgekehrten Fall – entgeltliche Übertragung aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen des Gesellschafters – liegt ein Entnahme vor,3 die ebenfalls zum Teilwert erfolgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG, der in diesem Fall wohl Halbs. 2 vorgehen sollte). 3. Zwischen Gesellschaftern

9.168 Die entgeltliche Übertragung eines zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehören-

den Wirtschaftsgutes auf seinen Mitgesellschafter führt zu einem steuerpflichtigen Gewinn, soweit der Veräußerungspreis den Buchwert übersteigt. In rein nationalen Fällen erfolgt die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG zum Buchwert und führt somit nicht zu einer Realisation stiller Reserven. Gleiches sollte auf Grundlage von § 50d Abs. 10 EStG auch dann gelten, wenn ein inländischer Gesellschafter ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens an seinen ausländischen Mitgesellschafter überträgt. Beispiel: Der Steuerinländer D und sein im DBA-Ausland ansässiger Mitgesellschafter A sind Kommanditisten der inländischen K-KG. D schenkt ein der K-KG gegen Entgelt zur Nutzung überlassenes Patent dem A, der dieses weiterhin der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Soweit § 50d Abs. 10 EStG Anwendung findet, unterliegen sowohl die laufenden Einkünfte als auch solche aus der Veräußerung des Patents weiterhin dem deutschen Besteuerungsrecht. Eine Realisation von stillen Reserven sollte mithin nicht erfolgen. Nur sofern § 50d Abs. 10 EStG keine Anwendung findet (etwa weil das anwendbare DBA eine entsprechende Sonderregelung enthält), kommt es zu einem Verlust des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der laufenden Einkünfte, sodass durch die Übertragung eine Realisierung der stillen Reserven eintritt. In einem Nicht-DBA Fall erfolgt in keinem Fall eine Realisation der stillen Reserven.

VI. Anwendung des § 1 AStG 1. Regelungsbereich

9.169 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG sind Einkünfte, die ein Steuerpflichtiger aus einer Geschäftsbeziehung

zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person erzielt, zu berichtigen, wenn der Ermittlung der Einkünfte Bedingungen zugrunde gelegt werden, die unabhängige Dritte unter vergleichbaren Voraussetzungen nicht vereinbart hätten.4 Steuerpflichtige i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG sind auch beschränkt

1 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.16; a.A. Roser, DStR 2008, 2389 (2394). 2 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.16; vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076; geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/100004, BStBl. I 2009, 888. 3 BFH v. 30.6.1987 – VIII R 353/82, BStBl. II 1988, 418 (420). 4 Zur Frage der Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG Ditz, IStR 2009, 115 (121 f.).

988 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.172 Kap. 9

Steuerpflichtige i.S.v. § 49 EStG.1 Vor der Neufassung von § 1 Abs. 1 AStG durch das AmtshilfeRLUmsG2 war unklar, ob eine Personengesellschaft selbst für die Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG als Steuerpflichtiger anzusehen ist oder nur auf ihre Gesellschaft abgestellt werden kann.3 § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG stellt nunmehr klar, dass auch eine Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft Steuerpflichtiger im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG ist.4 Diese Regelung findet Anwendung ab dem VZ 2013 und erfasst sowohl Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften, die Einkünfte nach §§ 13, 15 oder 18 EStG erzielen, als auch Personengesellschaften, die keine Mitunternehmerschaften sind, weil sie bspw. ausschließlich Einkünfte nach § 21 EStG erzielen.5 Auf Geschäftsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter und seiner Personengesellschaft findet § 1 Abs. 5 AStG keine Anwendung (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). § 1 Abs. 5 AStG, der den Authorised OECD Approach („AOA“) in deutsches Recht umsetzt, betrifft lediglich Geschäftsbeziehungen zwischen dem Stammhaus und rechtlich unselbständigen Betriebsstätten. Anders als Stammhaus und Betriebsstätte können zwischen Gesellschafter und seiner Personengesellschaft jedoch zivilrechtlich wirksame Verträge geschlossen werden. Auf die Geschäftsbeziehung zwischen Gesellschafter und seiner Personengesellschaft findet deshalb § 1 Abs. 1 AStG Anwendung.6

9.170

Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG wird nunmehr zudem klargestellt, dass eine Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft auch nahestehende Person i.S.v. § 1 Abs. 2 AStG sein kann, wenn sie die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 AStG erfüllt.7 Mithin ist auch eine Beteiligung an einer Personengesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG möglich. Voraussetzung ist jedoch gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG, dass eine wesentliche Beteiligung von mindestens 25 % an der Personengesellschaft besteht. Nach dem nunmehr eindeutigen Wortlaut kann auch eine rein vermögensverwaltende Personengesellschaft nahestehende Person im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG sein.8

9.171

Beispiel: Die inländische K GmbH & Co. KG ist originär gewerblich tätig und hält sämtliche Anteile an der in den Niederlanden ansässigen N N.V. An der K GmbH & Co. KG sind A zu 80 % und der beschränkt steuerpflichtige B zu 20 % beteiligt. B gewährt der N N.V. ein zinsloses Darlehen. Fraglich ist, ob B und die N N.V. nahestehende Personen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG sind. Dies ist vorliegend zu verneinen, da B lediglich zu 20 % mittelbar über die K GmbH & Co. KG an der N N.V. beteiligt ist und damit die Mindestbeteiligungsquote von 25 % nicht erfüllt ist. Wenn auch die Voraussetzungen der § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AStG nicht vorliegen, sind B und N N.V. keine nahestehenden Personen.

Da § 1 AStG nur eine Einkünftekorrektur zulasten des Steuerpflichtigen normiert,9 kann die Vorschrift nur Anwendung finden, wenn es zu einer Minderung der inländischen Einkünfte des (ausländischen) Gesellschafters kommt.10

1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 114; i.d.S. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.4. 2 Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 29.6.2013, BStBl. I 2013, 1809. 3 Vgl. Kaminski, StuW 2008, 337 (339). 4 Vgl. Heurung/Bresgen, GmbHR 2014, 187 (190). 5 BT-Drs. 17/10000 v. 19.6.2012, 62. 6 Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.22. 7 Ebenso bereits vor Einführung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG: Pohl in Mössner/Fuhrmann2, § 1 AStG Rz. 100. 8 Ebenso Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 12.24; Kraft in Kraft, § 1 AStG Rz. 170; a.A. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 838, da die Mitunternehmerstellung (Unternehmerinitiative und -risiko) immer zugleich zu einem Nahestehen führe; ablehnend auch Boller in Wöhrle/Schelle/Gross, § 1 AStG Rz. 24. 9 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 381 ff. 10 Heurung/Bresgen, GmbHR 2014, 187 (191) m.w.N.

Mick/Dyckmans | 989

9.172

Kap. 9 Rz. 9.173 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Beispiel: Die deutsche O-OHG veräußert die von ihr hergestellten Maschinen an eine ausländische nahestehende Person über Preis. Mangels Minderung der inländischen Einkünfte ist eine Einkünftekorrektur nicht geboten. Erfolgt die Veräußerung unter Preis, ist § 1 Abs. 1 AStG hingegen einschlägig.

Im Wesentlichen lassen sich zwei Grundkonstellationen unterscheiden: Die inländische Personengesellschaft unterhält Geschäftsbeziehungen zu ihr nahestehenden ausländischen Personen, die nicht Gesellschafter der Personengesellschaft sind, oder die inländische Personengesellschaft unterhält Geschäftsbeziehungen zu ihren ausländischen Gesellschaftern. 2. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu nahestehenden ausländischen Personen

9.173 Voraussetzung für eine Berichtigung der Einkünfte nach § 1 Abs. 1 AStG ist eine Geschäftsbezie-

hung zum Ausland. Als Geschäftsbeziehungen i.d.S. sind nach § 1 Abs. 4 Abs. 1 Nr. 1 AStG zunächst einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehenden Person, die Teil einer Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder der nahestehenden Person sind, auf die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn sich der Geschäftsvorfall im Inland unter Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen und einer inländischen nahestehenden Person ereignet hätte und denen keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zugrunde liegt. Ebenfalls als Geschäftsvorgänge in diesem Sinne gelten Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG).

Beispiel 1: An der inländischen K KG sind der Steuerausländer A und der Steuerinländer B zu jeweils 50 % beteiligt. Die K KG ist alleinige Gesellschafterin der niederländischen N N.V., der sie ein zinsloses Darlehen überlässt. Durch die Zinslosigkeit des Darlehens werden inländische Einkünfte des A i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gemindert. Diese Minderung beruht auf einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer nahestehenden Person, da die N N.V. in den Niederlanden ansässig ist und A an ihr – zumindest mittelbar – beteiligt ist. Ein DBA steht der Einkünftekorrektur der Höhe nach nicht entgegen, wenn es eine Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung enthält.1 Beispiel 2: Die inländische K KG gewährt das Darlehen an die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige B AG, an der der Ausländer A beherrschend beteiligt ist. Zwar werden auch in diesem Fall inländische Einkünfte des A gemindert, es fehlt jedoch an einer Geschäftsbeziehung zum Ausland. Eine solche besteht vorliegend nur zwischen der inländischen K KG und der ebenfalls inländischen B AG, mithin ausschließlich im Inland. Der allein durch das Gesellschaftsverhältnis begründete Auslandsbezug genügt nicht, um eine Geschäftsbeziehung zum Ausland i.S.v. § 1 Abs. 1 AStG anzunehmen.2

3. Geschäftsbeziehungen der Personengesellschaft zu ihren ausländischen Gesellschaftern

9.174 Durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG3 wird klargestellt, dass § 1 AStG auch auf Geschäftsbeziehungen

zwischen der inländischen Personengesellschaft und ihren ausländischen Gesellschaftern Anwen-

1 Ausführlich dazu Kaminski, StuW 2008, 337 (342 f.) – auch zu den Grenzen von Art. 9 OECD-MA; vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/19, DStR 2015, 466 und Nichtanwendungserlass BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 – S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 2 Vgl. auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 134. 3 Zur Rechtlage vor Einführung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG ablehnend siehe Piltz in Mössner u.a, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. F 83 (3. Aufl. dieses Werks); Gocksch, IStR 2002, 181 (183); in diese Richtung auch Schmidt, IStR 2008, 290 (292).

990 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.177 Kap. 9

dung finden kann.1 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass rein gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen keine Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 4 AStG darstellen. Nicht der Einkünftekorrektur unterliegen deshalb Beiträge des Gesellschafters zur Begründung seiner Gesellschafterstellung, etwa durch (offene) Einbringungen und Einlagen.2 Diese Vorgänge berühren allein das Gesellschaftsverhältnis.3 Ebenso wenig stellen (offene) Entnahmen Geschäftsbeziehungen i.S.v. § 1 Abs. 5 AStG dar. Zu Konkurrenzfragen kann es auch nicht bei offenen Entnahmen kommen, weil diese stets privat veranlasst sind.4

9.175

Als problematisch verbleiben damit die Fälle, in denen die Einlage oder Entnahme durch ein entgeltliches Rechtsgeschäft überdeckt wird (verdeckte Einlage oder Entnahme). § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG stellt ausdrücklich klar, dass eine Berichtigung nach § 1 AStG auch neben anderen Korrekturvorschriften Anwendung finden kann, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz zu weitergehenden Berichtigungen führt. Im Ergebnis folgt daraus, dass eine Berichtigung zunächst auf Grundlage der anderen Berichtigungsvorschriften zu erfolgen hat. Sollte der Fremdvergleichsgrundsatz zu einer weitergehenden Korrektur führen, so ist diese daneben auf Grundlage von § 1 AStG vorzunehmen.5 Hierbei stellt das Rechtsgeschäft, das die Einlage verdecken soll, die für die Anwendung des § 1 AStG erforderliche Geschäftsbeziehung dar. Für die Beurteilung der hier zu untersuchenden Inbound-Fälle folgt daraus:

9.176

Eine (verdeckten) Einlage führt bei einem ausländischen Gesellschafter grundsätzlich nur dann zu einer inländischen Gewinnkorrektur, wenn Deutschland ein Besteuerungsrecht auf diese Einkünfte hat.

9.177

Beispiel: Verdeckte Einlage Der ausländische Gesellschafter veräußert einen zum ausländischen Betriebsvermögen gehörenden Pkw an seine inländische Personengesellschaft unter Marktwert. Durch den Veräußerungsvorgang liegt zwar eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Gesellschafter und der Personengesellschaft als nahestehende Person vor, die von den Bedingungen abweicht, die fremde Dritte vereinbart hätten. Mangels inländischer Gewinnminderung führt die (verdeckte) Einlage auf Ebene des Gesellschafters aber nicht zur Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG. Umgekehrt führt aus Sicht der Personengesellschaft die verdeckte Einlage zu einer Vermögensmehrung, sodass hier nur die Rechtsfolgen der Einlage anzusetzen sind. Beispiel: Nutzungsüberlassung Der ausländische Gesellschafter A überlässt seiner K-KG eine Maschine für 5 zur Nutzung. Der gemeine Wert des Nutzungsvorteils sei 20, der Teilwert hingegen 10. Gegenstand verdeckter Einlagen können nur solche Vermögenszuwendungen sein, die in die Bilanz aufgenommen werden können. Nutzungen oder Dienstleistungen, die ein Gesellschafter gegenüber seiner Gesellschaft erbringt, sind hingegen nicht einlagefähig.6 Eine verdeckte Einlage kommt insoweit nicht in Betracht. Gleichwohl kann § 1 Abs. 1 AStG zur Anwendung kommen, weshalb die Einkünfte des A i.H.v. 15 zu korrigieren wären.7 Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn das Besteuerungsrecht an den als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizierenden Nutzungsentgelt im Inland liegt, da andernfalls keine inländische Steuerminderung vorliegt. 1 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 134; Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 12.21 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 838 f. 2 Vgl. ausführlich Ditz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 12.20, wonach auch die Erhöhung des Nominalkapitals eine nicht an § 1 AStG zu messende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung darstellt. 3 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 839; Cortez in Wöhrle/Schelle/Gross, Vorbem. § 1 AStG Rz. 33. 4 Gocksch, IStR 2002, 181 (183); in diese Richtung auch BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 (324). 5 Vgl. dazu: Kaminski, StuW 2008, 337 (339) – auch zu europarechtlichen Aspekten, 344 f. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348 (352 ff.); Rosner in Gosch3, § 8 KStG Rz. 106. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 456; wohl auch: Heurung/Bresgen, GmbHR 2014, 187 (191).

Mick/Dyckmans | 991

Kap. 9 Rz. 9.178 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften

9.178 Im Unterschied zur Einlage von Nutzungen ist die Entnahme von Nutzungen möglich.1 In Höhe

des Teilwertes der Nutzungen liegt mithin eine Entnahme vor. Auch in diesem Fall kann eine darüber hinausgehende Korrektur nach § 1 AStG erfolgen, wenn der Fremdvergleichspreis den Teilwert übersteigt.2

Beispiel: Verdeckte (Nutzungs-)Entnahme Die inländische K-KG überlässt ihrem ausländischen Gesellschafter A Maschinen zur Hälfte der marktüblichen Miete. Für steuerliche Zwecke erfolgt eine Anpassung nach § 1 AStG auf den Fremdvergleichspreis.

VII. Auslandsbetriebsstätten der Personengesellschaft 9.179 Zu einer (fiktiven) Entnahme kommt es, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer inländischen Betriebs-

stätte der Personengesellschaft in eine Auslandsbetriebsstätte der Gesellschaft überführt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG). § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG stellt klar, dass eine mit dem gemeinen Wert zu bewertende fiktive Entnahme vorliegt.3 Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der inländischen O-OHG beteiligt, die Betriebsstätten sowohl in Deutschland als auch in Italien unterhält. Die O-OHG verbringt eine bisher in einer deutschen Betriebsstätte genutzte Fertigungsmaschine in ihre italienische Betriebsstätte. Mit Überführung der Maschine in die italienische Betriebsstätte werden auf Ebene der O-OHG stille Reserven realisiert (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG). Wird das Wirtschaftsgut in eine Anrechnungsbetriebsstätte z.B. in ein Nicht-DBA-Land verbracht, sind die Rechtsfolgen dieselben. Das verbrachte Wirtschaftsgut rechnet fortan zu der Auslandsbetriebsstätte, deren Einkünfte nicht zu den inländischen Einkünften des ausländischen Gesellschafters gehören.

VIII. Beteiligung an Kapitalgesellschaften 9.180 Sind Gesellschafter der Personengesellschaft ausländische Privatpersonen und sind diese über eine

vermögensverwaltende deutsche Personengesellschaft an inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt, so erzielen die Gesellschafter aus den inländischen Kapitalbeteiligungen Dividenden, die nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG beschränkt steuerpflichtig sind, und Veräußerungsgewinne, die nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG der deutschen Besteuerung unterliegen. Die Besteuerung deutscher Dividenden erfolgt durch Kapitalertragsteuerabzug i.H.v. 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) und gilt hierdurch als abgegolten (§ 50 Abs. 2 EStG). Veräußerungsgewinne unterliegen dem Teileinkünfteverfahren. Auslandsdividenden und Veräußerungsgewinne von ausländischen Beteiligungen unterliegen nicht der deutschen beschränkten Steuerpflicht und deshalb auch nicht der deutschen Kapitalertragsteuer. Ist die Personengesellschaft gewerblich tätig, unterliegen die Dividenden und Veräußerungsgewinne als gewerbliche Einkünfte, die einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind, gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei ihrem ausländischen Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht. Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG findet in diesem Fall das Teileinkünfte-

1 BFH v. 24.5.1989 – I R 213/85, BStBl. II 1990, 8 (9); Winnefeld, Bilanzhandbuch5, Rz. C 515; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 454, 456. 2 Ebenso Cortez in Wöhrle/Schelle/Gross, Vorbem. § 1 AStG Rz. 35; kritisch BFH v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 (324), der es für ernstlich zweifelhaft hält, ob eine Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die Annahme einer Geschäftsbeziehung i.S.v. § 1 AStG erlaubt. Vgl. auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 457, wonach die Korrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG der Annahme einer Nutzungsentnahme vorgehe. 3 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 („Betriebsstättenerlass“), BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.6.3, wonach auf den „Fremdvergleichspreis“ abzustellen sei, welcher jedoch regelmäßig dem gemeinen Wert entspreche (vgl. dort Rz. 2.2).

992 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.184 Kap. 9

verfahren Anwendung.1 Durch die einbehaltene Kapitalertragsteuer gilt die deutsche Steuer nicht als abgegolten (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Sind Gesellschafter der Personengesellschaft ausländische Kapitalgesellschaften, die in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, werden im Ergebnis 95 % der Dividendeneinkünfte und Veräußerungsgewinne von der Besteuerung ausgenommen (vgl. § 8b Abs. 6 KStG). Dies gilt für Dividendeneinkünfte jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahrs eine Mindestbeteiligung von 10 % am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Gesellschaft bestand (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Dividenden kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 50 Abs. 3 i.V.m. 34c Abs. 1 EStG erfolgen.

9.181

Beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften kann auf Antrag beim BZSt 2/5 der regulär einzubehaltenden Kapitalertragsteuer erstattet werden (§ 44a Abs. 9 EStG), sodass Dividenden im Ergebnis nur mit 15 %2 Kapitalertragsteuern belastet werden, was dem inländischen Körperschaftsteuersatz entspricht. Für bestimmte in einem EU-Staat ansässige Körperschaften ermöglicht § 43b EStG eine vollständige Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug.3 § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG verlangt hierfür jedoch eine „unmittelbare“ Beteiligung am Kapital der (deutschen) Tochtergesellschaft. Für Beteiligungen, die über eine (inländische) Personengesellschaft gehalten werden, kann diese Begünstigung mithin keine Anwendung finden.4

9.182

Diese Besteuerungsgrundsätze werden durch geltendes DBA-Recht erheblich eingeschränkt: Gemäß Art. 10 Abs. 1 OECD-MA können Dividenden grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners besteuert werden. Dem Ansässigkeitsstaat der auszahlenden Gesellschaft steht dagegen ein beschränktes Quellenbesteuerungsrecht zu (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA). Der Quellensteuersatz beträgt 15 % (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-MA). Er ist auf 5 % reduziert, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft unmittelbar über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividende zahlenden Gesellschaft verfügt (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA). Wie die nationale Regelung des § 43b EStG verlangt damit auch die abkommensrechtliche Bestimmung – zumindest bei wörtlicher Auslegung – eine unmittelbare Beteiligung der Mutter- an der Tochtergesellschaft.

9.183

In der deutschen Literatur mehren sich jedoch die Stimmen, die Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA auch in Fällen einer mittelbaren Beteiligung anwenden wollen.5 Die Anhänger dieser Auffassung verweisen darauf, dass sowohl die deutsche Rechtsprechung6 wie auch der deutsche Gesetzgeber7 die Schachtelprivilegierungen in den letzten Jahren auf Fälle nur mittelbarer Beteiligungen über Personengesellschaften ausgeweitet hätten. Dies gelte sowohl für die Dividendenfreistellung nach innerstaatlichem Recht (§ 8b Abs. 6 KStG und § 9 Nr. 7 GewStG) als auch für die Quellenbesteuerung im internationalsteuerlichen Kontext. So werde beispielsweise in dem Revisionsprotokoll zum DBA-Schweiz vom 12.3.2002 „klargestellt“, dass „das Halten von Anteilen an

9.184

1 Zur Anwendbarkeit des Teileinkünfteverfahrens auf beschränkt Steuerpflichtige vgl. Nacke in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 27; Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 2. 2 Zuzüglich Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % (vgl. § 3 Nr. 5 SolZG). 3 Voraussetzung ist, dass die EU-Körperschaft eine Gesellschaft ist, die in Anlage 2 zu § 43b EStG aufgeführt ist und zu mindestens 10 % am Nennkapital der deutschen Kapitalgesellschaft beteiligt ist. 4 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 5.45; Lindberg in Blümich, § 43b EStG Rz. 26; Jesse, IStR 2005, 151 (158); wohl a.A. Bullinger, IStR 2004, 406 (409). 5 Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 5.47; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 74; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 121 f.; a.A. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 92. 6 BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. I 2001, 685 – zu § 9 Nr. 7 GewStG, der jedoch eine „unmittelbare“ Beteiligung gerade nicht verlangt. 7 Einführung von § 8b Abs. 6 KStG.

Mick/Dyckmans | 993

Kap. 9 Rz. 9.185 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften einer Gesellschaft über eine Personengesellschaft“ der Anwendung des Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz „nicht entgegenstehe“.1 Gleichwohl verlangt Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz – wie Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA – ausdrücklich eine unmittelbare Beteiligung. Wenngleich das genannte Revisionsprotokoll verbindlich nur Aussagen zum DBA-Schweiz treffen kann, erschiene es doch wenig überzeugend, dass für gleichlautende Bestimmungen in anderen Abkommen anderes gelten soll. Zumindest aus deutscher Sicht sollte mithin davon ausgegangen werden können, dass das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die fragliche Beteiligung mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten wird. Dass andere Staaten in der Situation als Quellenstaat eine strengere Interpretation des Unmittelbarkeitserfordernisses vornehmen und das Schachtelprivileg nicht gewähren, lässt sich jedoch nicht ausschließen. Das Revisionsprotokoll zum DBA-Schweiz kann insoweit jedenfalls keinerlei (Indiz-)Wirkung entfalten. Beispiel: Die in den USA ansässige US-Corp. ist als einzige Kommanditistin allein am Vermögen der vermögensverwaltenden K-KG beteiligt, welche ihrerseits 50 % der Geschäftsanteile an der im Inland ansässigen D-GmbH hält. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-USA verlangt für eine Reduzierung des Quellensteuersatzes auf 5 % eine unmittelbare Beteiligung an der Dividenden zahlenden Gesellschaft i.H.v. mindestens 10 %. Nach hier vertretener Ansicht sollte der US-Corp. trotz der zwischengeschalteten K-KG das abkommensrechtliche Schachtelprivileg zugutekommen. Es ist davon auszugehen, dass nach deutschem Abkommensverständnis eine unmittelbare Beteiligung auch dann vorliegt, wenn diese durch eine zwischengeschaltete Personengesellschaft gehalten wird.

Gleiches sollte erst recht in all jenen Fällen gelten, in denen das jeweilige DBA eine unmittelbare Beteiligung nicht ausdrücklich verlangt (vgl. z.B. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich).

9.185 Der Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Befreiung oder Ermäßigung von Kapitalertrag-

steuern aufgrund Doppelbesteuerungsabkommen oder § 43b EStG wird durch die nationale Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 50d Abs. 3 EStG eingeschränkt.2 Danach besteht für die ausländische Gesellschaft eine Entlastungsberechtigung nur, wenn – und soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung auch zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, oder

– mit den Anteilen an der ausländischen Gesellschaft ein regelmäßiger und wesentlicher Handel an einer anerkannten Börse stattfindet oder die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes Anwendung finden (§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG) oder – und soweit die Erträge der ausländischen Gesellschaft aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen oder – für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe in Bezug auf diese Erträge bestehen und die ausländische Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftsbetrieb angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.3 1 Revisionsprotokoll v. 12.3.2002 zum DBA-Schweiz, Art. VI Protokoll Nr. 1b zu Art. 10 Abs. 3, Gesetz v. 8.3.2003, BGBl. II 2003, 67. 2 § 50d Abs. 3 EStG findet ebenfalls Anwendung auf die Regelung nach § 44a Abs. 9 EStG, vgl. § 44a Abs. 9 Satz 2 EStG. 3 Vgl. im Einzelnen BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 – S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171; Engers/Dyckmans, Ubg 2011, 929. – Das FG Köln hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 50d Abs. 3 EStG mit dem Europarecht vereinbar ist (zu § 50d Abs. 3 EStG 2007: FG Köln v. 8.7.2016 – 2 K 2995/12, EFG 2016, 1801; Az. des EuGH C-504/16; FG Köln v. 31.8.2016 – 2 K 721/13, EFG 2017, 51; Az. des EuGH C-613/16; zu § 50d Abs. 3 EStG 2012: FG Köln v. 17.5.2017 – 2 K 773/16, Az. des EuGH C-440/17). Mit Urteil vom 20.12.2017 hat der EuGH entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG 2007

994 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.189 Kap. 9

IX. Besonderheiten im Zusammenhang mit der Zinsschranke (§ 4h EStG) 1. Personengesellschaften als Betrieb im Sinne der Zinsschranke Mit der Unternehmensteuerreform 20081 hat der Gesetzgeber den Betriebsausgabenabzug für Zinsaufwendungen durch die Einführung von § 4h EStG beschränkt. Danach sind Zinsaufwendungen, die den im gleichen Wirtschaftsjahr erwirtschafteten Zinsertrag des Betriebs übersteigen, grundsätzlich nur i.H.v. 30 % des verrechenbaren (steuerlichen) EBITDA abzugsfähig (§ 4h Abs. 1 EStG). Ein unbeschränkter Zinsabzug ist nur möglich, wenn (a) der negative Zinssaldo weniger als drei Millionen Euro beträgt, oder (b) keine Konzernzugehörigkeit besteht oder – bei Konzernzugehörigkeit – (c) die Eigenkapitalquote des Betriebes diejenige des Konzerns um nicht mehr als zwei Prozentpunkte unterschreitet (§ 4h Abs. 2 EStG). Die Regelung greift gleichermaßen für Personenunternehmen wie auch für Kapitalgesellschaften (vgl. § 8a KStG). Sie ist als allgemeine Vorschrift zur Einkünfteermittlung auch auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.

9.186

Nach Ansicht des BFH ist § 4h EStG wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.2 Er hat die Vorschrift deshalb dem BVerfG vorgelegt3 und bereits zuvor AdV gewährt.4 Die Finanzverwaltung lehnt jedoch auch nach dem Vorlagebeschluss des BFH die Gewährung von AdV weiterhin grundsätzlich ab.5

9.187

Die Regelung des § 4h Abs. 1 EStG knüpft dabei nicht an die Zinsaufwendungen einer Rechtspersönlichkeit oder eines (beschränkt) Steuerpflichtigen an, sondern an diejenigen eines Betriebes – ohne jedoch selbst den Begriff des Betriebs auch nur ansatzweise zu umschreiben. Seine Definition ist im Einzelnen umstritten.6 Einigkeit besteht jedoch, dass eine Anwendung von § 4h EStG nur im Rahmen von Gewinneinkünften – gleich welcher Art – in Betracht kommt.7 Lediglich für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften findet § 4h EStG auch im Rahmen von Überschusseinkünften Anwendung (vgl. § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG). Über das Vorliegen von Gewinneinkünften hinaus wird teilweise verlangt, dass auch ein betrieblicher Organismus in der Art eines gewerbesteuerlichen Gewerbebetriebes vorliegen müsse (sog. zweistufiger Betriebsbegriff).8 Letzteres ist insbesondere in den Fällen problematisch, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur fingiert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

9.188

Eine Mitunternehmerschaft kann stets nur einen Betrieb unterhalten,9 dem auch das Sonderbetriebsvermögen zuzurechnen ist.10 Keinen Betrieb i.S. der Zinsschranke unterhalten dagegen aus-

9.189

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

nicht mit dem Europarecht vereinbar ist (EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 und C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009). Die Entscheidung zu § 50d Abs. 3 EStG 2012 steht noch aus. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. BFH v. 14.10.2015 – I R 20/15, BFHE 252, 44 = DStR 2016, 301. Az des BVerfG: 2 BvL 1/16. BFH v. 18.12.2013 – I B 85/13, BStBl. II 2014, 947. BMF v. 13.11.2014 – IV C 2 - S 2742-a/07/10001 :009 – DOK 2014/0612649, BStBl. I 2014, 1516. Vgl. zum Meinungsstand Bron, IStR 2008, 14 (14); Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 22 ff.; Förster in Gosch3, § 8a KStG Rz. 78 ff. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 2; Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1309); Förster in Gosch3,§ 8a KStG Rz. 26; Hick in H/H/R § 4h EStG Anm. 22. Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.4; Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 8a KStG Rz. 45. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 6; Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 25; Grotherr, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, 1489 (1498); Köhler, DStR 2007, 597 (598). Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 29.

Mick/Dyckmans | 995

Kap. 9 Rz. 9.190 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften schließlich vermögensverwaltende Personengesellschaften.1 Halten die Gesellschafter ihre Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft jedoch im Betriebsvermögen, so kommt auf Ebene der Gesellschafter eine Anwendung von § 4h EStG in Betracht.2

9.190 Auch gewerblich geprägte Personengesellschaften sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung ei-

nen Betrieb unterhalten können.3 Dagegen fehlt es an einer Aussage zu gewerblich infizierten Personengesellschaften. Da diese jedoch insoweit mit gewerblich geprägten Personengesellschaften vergleichbar sein sollten, sollte davon ausgegangen werden können, dass die Finanzverwaltung auch insoweit § 4h EStG anwenden wird.4 Sowohl bei der gewerblich geprägten wie auch bei der gewerblich infizierten Personengesellschaft fingiert das Gesetz über § 15 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG nicht nur das Vorliegen von gewerblichen Einkünften, sondern auch einen Gewerbebetrieb. Für Unternehmen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geht die Finanzverwaltung für die Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG davon aus, dass die Kommanditgesellschaft und die Komplementär-GmbH grundsätzlich als ein Betrieb anzusehen sind, wenn sich die Tätigkeit der GmbH in der Haftungsübernahme auf Ebene der KG beschränkt und weder die KG noch die GmbH anderweitig zu einem Konzern gehören.5

Beispiel: An einer inländischen KG ist neben dem Steuerausländer A als Kommanditist die britische LLtd. als alleinige Komplementärin beteiligt. A ist zugleich alleiniger Gesellschafter der L-Ltd. Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass es sich bei der KG wie auch der L-Ltd. jeweils um einen eigenständigen Betrieb i.S.v. § 4h EStG handelt. Die Folge wäre, dass § 4h Abs. 1 EStG Anwendung fände, wenn der negative Zinssaldo drei Millionen Euro übersteigt und der Eigenkapitalvergleich nicht erfüllt wird. Die Finanzverwaltung geht jedoch davon aus, dass die KG und die L-Ltd. einen einheitlichen Betrieb bilden,6 solange die L-Ltd. keine eigenständige Geschäftstätigkeit entfaltet.7 Mangels Konzernzugehörigkeit scheidet dann die Anwendung der Zinsschrankenregelung aus (vgl. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG).

9.191 Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind die nach § 4h EStG nicht abziehbaren Zinsaufwendungen betriebsbezogen zu ermitteln;8 mithin im Falle einer Personengesellschaft für Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen einheitlich. Zinsaufwendungen und -erträge, die im Sonderbereich eines Mitunternehmers entstanden sind, sind mit Zinsaufwendungen und -erträgen des Gesamthandsbereichs zu verrechnen.9 Diese Sichtweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die

1 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718 Rz. 5; Meining/Telg, IStR 2008, 507 (508); van Lishaut/Schumacher/Heinemann, DStR 2008, 2341; Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 25; Förster in Gosch3, § 8a KStG Rz. 26; Hoffmann in L/B/P, § 4h EStG Rz. 76. 2 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 43; vgl. dazu noch Rz. 9.186. 3 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 5; zustimmend Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 25; Hoffmann in L/B/P, § 4h EStG Rz. 76; Förster in Gosch3, Exkurs § 4h EStG Rz. 50. 4 Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.8; ebenso Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 25; Förster in Gosch3,§ 8a KStG Rz. 80; Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2319); Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1309); a.A. Winkler/Käshammer, Ubg 2008, 478 (479). 5 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 66: Die GmbH darf insbesondere keine eigene Geschäftstätigkeit entfalten. Insoweit legt die Finanzverwaltung strenge Maßstäbe an; schon die Zuordnung von Zinsaufwendungen zur GmbH soll zwei eigenständige Betriebe begründen. 6 Vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 66, wonach bei ausländischen Rechtsformen, die mit der einer GmbH & Co. KG vergleichbar sind, ebenfalls von einem einzigen, einheitlichen Betrieb auszugehen ist. 7 Falls diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, vgl. Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.9. 8 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/100001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 51. 9 Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 29 – auch mit einem Berechnungsbeispiel.

996 | Mick/Dyckmans

D. Ermittlung der (inländischen) Einkünfte des ausländischen Gesellschafters | Rz. 9.194 Kap. 9

Personengesellschaft einen einheitlichen Betrieb unterhält, zu dem auch das Sonderbetriebsvermögen gehört.1 2. Betriebseigenschaft bei beschränkter Steuerpflicht Die unter Rz. 9.186 ff. dargestellten Grundsätze gelten auch bei Beteiligungen von ausländischen Steuerpflichtigen an deutschen Personengesellschaften. Handelt es sich bei der Personengesellschaft um eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte/infizierte Personengesellschaft, erzielt diese gewerbliche (Gewinn-)Einkünfte. Unterhält sie zudem einen inländischen Betrieb, bestehen bezüglich der Anwendung der Zinsschranke keine Bedenken (siehe Rz. 9.188 zum zweistufigen Betriebsbegriff). Insoweit greift die DBA-rechtliche Betrachtungsweise nicht. Gerade bei ausländischen Investoren besteht aber häufig die Besonderheit, dass die Begründung eines deutschen Gewerbebetriebs zur Vermeidung von Gewerbesteuer vermieden werden soll. In der Praxis typisch sind solche Modelle insbesondere bei Immobilienerwerben. In solchen Situationen stellt sich die Frage, ob schon ein ausländischer Betrieb ausreicht, um einen Betrieb i.S. der Zinsschranke zu begründen. Darüber hinaus ist die Frage zu beantworten, wie sich die gesetzlichen Fiktionen der § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG sowie § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG auf das Vorliegen eines Betriebs auswirken.

9.192

Die nachfolgenden Beispiele sollen den Anwendungsbereich von § 4h EStG verdeutlichen, wenn beschränkt Steuerpflichtige an Grundbesitz haltenden inländischen Personengesellschaften beteiligt sind. Dabei sind für die Anwendung der Zinsschranke immer zwei Ebenen – die der Personengesellschaft und die des Personengesellschafters – zu prüfen. Als Ausgangspunkt soll eine inländische, nicht gewerblich geprägte, vermögensverwaltende Personengesellschaft dienen, die im Inland grundstücksverwaltend tätig ist.2

9.193

Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der inländischen nicht gewerblich geprägten/infizierten K-KG als Kommanditist beteiligt. Die K-KG erzielt Einkünfte aus Vermietung inländischer Immobilien. A hält seine Beteiligung 1) im Privatvermögen, 2) im (ausländischen) (Konzern-)Betriebsvermögen. In Fall 1) erzielt A aufgrund der laufenden Mieteinnahmen beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG. Auf Ebene der K-KG scheidet eine Anwendung von § 4h EStG schon deshalb aus, weil eine vermögensverwaltende Personengesellschaft keinen Betrieb unterhält.3 Auch auf Ebene des A liegt ein Betrieb nicht vor, weil er nur Überschuss- und keine Gewinneinkünfte (wie etwa § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) erzielt.

Im Fall 2) scheidet die Anwendung der Zinsschranke auf Ebene der vermögensverwaltenden Personengesellschaft mangels Betrieb ebenfalls aus. A erzielt wiederum Einkünfte, die in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG). Fraglich ist jedoch, ob auf Ebene des (ausländischen) Gesellschafters eine Umqualifizierung in Gewinneinkünfte erfolgen muss. Für einen Steuerinländer, der die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft im Betriebsvermögen hält, ist anerkannt, dass die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft anteilig in seiner Buchführung zu erfassen sind und dabei Überschusseinkünfte auf Grundlage der §§ 4 ff. EStG in Gewinneinkünfte umzurechnen sind.4 Für den Steuerinländer ist damit im Rahmen dieser 1 Überzeugend Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 29. Zu in der Literatur diskutierten, abweichenden Lösungsmöglichkeiten Loschelder in Schmidt36, § 4h EStG Rz. 9; Kussmaul/Ruiner/Schappe, DStR 2008, 904. 2 Vgl. zum Ganzen Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309. 3 Teilweise wird vertreten, dass dies auch dann gelte, wenn die Personengesellschaft einer Kapitalgesellschaft nachgeordnet ist; vgl. Meining/Telg, IStR 2008, 507 (508); Wagner/Fischer, BB 2007, 1811 (1812). 4 BFH v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 (681); Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 204.

Mick/Dyckmans | 997

9.194

Kap. 9 Rz. 9.195 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Umrechnung auch die Zinsschrankenregelung des § 4h EStG zu beachten.1 Die aus § 49 Abs. 2 EStG folgende isolierte Betrachtungsweise hat jedoch zur Folge, dass vermögensverwaltende Einkünfte eines gewerblich tätigen Steuerausländers im Inland so zu versteuern sind, als wenn sie außerhalb des Gewerbebetriebs erzielt worden wären.2 Eine Umqualifizierung von Überschuss- in Gewinneinkünfte erfolgt insoweit gerade nicht. Bleibt es für den Steuerausländer bei Überschusseinkünften, so kommt eine Anwendung von § 4h EStG auch auf Ebene des Gesellschafters nicht in Betracht.3

9.195 Abwandlung: Bei dem ausländischen Gesellschafter handelt es sich um eine niederländische N N.V.

(Kapitalgesellschaft). In der Abwandlung erzielt die niederländische N N.V. gewerbliche Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 3 EStG und damit Gewinneinkünfte. Dass die Einkünfte über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft erzielt werden, dürfte unerheblich sein, da es nur darauf ankommt, dass die Kapitalgesellschaft die Einkünfte erzielt (und nicht die Einkünfte von der Kapitalgesellschaft ermittelt werden wie bei § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG). Die Erweiterung der Gewinneinkünfte durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG lässt die Fiktion des § 8a Abs. 1 Satz 4 KStG ab Veranlagungszeitraum 2009 zwar ins Leere laufen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die N N.V. einen betrieblichen Organismus nach Art eines gewerbesteuerlichen Gewerbebetriebs auch im Ausland unterhalten kann (vgl. Rz. 9.188). Der Gesetzgeber regelt diese Frage nicht ausdrücklich und auch die Finanzverwaltung trifft hierzu keine eindeutige Aussage. Stimmen aus der Finanzverwaltung deuten aber an, dass auch Betriebsvoraussetzungen, die im Ausland verwirklicht werden, für Zwecke der Begründung eines Betriebs i.S.v. § 4h EStG ausreichen sollen.4 Es ist somit nicht erforderlich, dass es sich um einen inländischen Betrieb handelt. Hierfür spricht, dass der Gesetzgeber beschränkt Steuerpflichtige mit nicht betrieblichen Direktinvestitionen in Deutschland nicht besser stellen wollte als inländische Investoren. § 49 Abs. 2 EStG ist nicht verletzt, da es hier nicht um die Besteuerungsmerkmale für § 49 EStG geht.5 Folgt man dieser Auffassung wäre die Anwendung der Zinsschranke auf Ebene der N N.V. zu bejahen, unabhängig davon, ob die N N.V. die Immobilieneinkünfte direkt oder über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft bezieht.

3. Zinsaufwendungen/Zinserträge

9.196 Nach BMF-Schr. v 4.7.2008 stellen Zinsaufwendungen, die im Inland steuerpflichtige Sonderver-

gütungen eines Mitunternehmers i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind, weder Zinsaufwendungen der Mitunternehmerschaft noch Zinserträge des Mitunternehmers dar.6 Damit hängt die Nichtanwendung der Zinsschranke für Zinsaufwendungen davon ab, dass es sich um „im Inland steuerpflichtige“ Sondervergütungen handelt. Aufgrund der Neuregelung von § 50d Abs. 10 EStG sollten bei einem Mitunternehmer in einem DBA-Land diese Voraussetzungen regelmäßig vorliegen, da für die Sondervergütungen nunmehr ein inländisches Besteuerungsrecht normiert wird (vgl. hierzu ausführlich Rz. 9.101 ff.).

X. Zeitliche Zurechnung der Einkünfte 9.197 Bezüglich der zeitlichen Zurechnung der Einkünfte, die ein ausländischer Gesellschafter durch seine Beteiligung an einer inländischen Personengesellschaft erzielt, bestehen keine Besonderheiten zu rein nationalen Sachverhalten. Gewerbliche Einkünfte sind deshalb in dem Jahr steuerlich zu erfassen, in dem sie entstanden sind. Darauf, ob oder wann sie dem Gesellschafter zufließen (bspw. durch eine Überweisung ins Ausland), kommt es nicht an. Für im Rahmen von ausschließlich ver1 2 3 4

Vgl. Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1310). BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. Kröner/Bolik, DStR 2008, 1309 (1310). Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.15. 5 Möhlenbrock in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 17.15. 6 BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 – a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Rz. 19; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (583).

998 | Mick/Dyckmans

E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG | Rz. 9.201 Kap. 9

mögensverwaltend tätigen Personengesellschaften erzielte Einkünfte kommt es hingegen grundsätzlich auf den Zufluss an (vgl. aber § 44 Abs. 2 EStG). Unerheblich ist dabei, wann die jeweiligen Einkünfte nach dem ausländischen Recht im Sitzstaat des Steuerausländers steuerpflichtig sind. Beispiel: Das ausländische Steuerrecht qualifiziert die deutsche K-KG, an der der Steuerausländer A als Kommanditist beteiligt ist, als Kapitalgesellschaft und besteuert den bei der K-KG entstandenen Gewinn erst im Zeitpunkt der Ausschüttung an A als Dividenden. In Deutschland hingegen wird der (anteilige) thesaurierte Gewinn bereits im Jahr der Gewinnentstehung besteuert. Nachfolgende „Ausschüttungen“ an A unterliegen dagegen im Inland nicht der Steuer.

E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG Der durch die Unternehmensteuerreform 20081 eingeführte § 34a EStG soll Personenunternehmen die Möglichkeit geben, trotz Beibehaltung der Rechtsform an der niedrigen Thesaurierungsbelastung von Kapitalgesellschaften teilzuhaben. Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine zweistufige Steuererhebung innerhalb der Einkommensteuer.2 Dazu gewährt § 34a Abs. 1 EStG auf der ersten Stufe die Möglichkeit, nicht entnommene Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit ganz oder teilweise mit einen Steuersatz von 28,25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) zu versteuern. Für Mitunternehmeranteile kann der Steuerpflichtige den ermäßigten Steuersatz nur beantragen, wenn diese ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 EStG ermitteln und sein Anteil am Gewinn entweder mehr als 10 % beträgt oder 10.000 Euro übersteigt (§ 34a Abs. 1 Satz 3). So begünstigt besteuerte Gewinne werden auf einer zweiten Stufe immer dann mit einem Steuersatz von 25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag) besteuert, wenn und soweit der positive Saldo aus Entnahmen und Einlagen den steuerbilanziellen Gewinn des Jahres übersteigt (§ 34a Abs. 4 EStG).3

9.198

Weder § 34a EStG noch § 50 EStG sehen Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit der Thesaurierungsbesteuerung auf beschränkt Steuerpflichtige vor.4 Auch im Inland beschränkt steuerpflichtige Steuerausländer können mithin das Wahlrecht des § 34a Abs. 1 EStG ausüben.

9.199

Fraglich ist jedoch, in welchem Umfang § 34a EStG auf beschränkt Steuerpflichtige Anwendung finden kann. Problematisch ist dies nicht zuletzt deshalb, weil § 34a Abs. 1 EStG voraussetzt, dass der beschränkt Steuerpflichtige den Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelt und es sich um Gewinneinkünfte nach § 49 EStG handeln muss.5

9.200

I. Begünstigte Besteuerung im Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns Der ausländische Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft kann für die auf ihn entfallenden Gewinne die begünstigende Besteuerung nach § 34a EStG in Anspruch nehmen. Inwie1 Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 In der Literatur wird vielfach kritisiert, dass eine Belastungsneutralität in vielen Fällen nicht erreicht wird; vgl. Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 9; Stein in H/H/R, § 34a EStG Anm. 8 m.w.N. 3 Ausführlich zu den Voraussetzungen der Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 31 ff.; Stein in H/H/R, § 34a EStG Anm. 30 ff.; vgl. auch BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838; weiterführend zur Stellung von § 34a EStG Bodden, FR 2012, 68. 4 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838, Rz. 1, Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 90 f.; Stein in H/H/R, § 34a EStG Anm. 18; Lindberg in Frotscher/Geurts, § 34a EStG Rz. 3; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 29; Fischer in FS Schaumburg, 340; Bäumer, DStR 2007, 2089 (2093); Meyer/Sterner, Ubg 2008, 733 (739). 5 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838, Rz. 2; Stein in H/H/R, § 34a EStG Anm. 18; Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 91; Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz. 29; Fischer in FS Schaumburg, 340; Meyer/Sterner, Ubg 2008, 733 (739).

Mick/Dyckmans | 999

9.201

Kap. 9 Rz. 9.202 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften weit die Vorschrift für den Steuerpflichtigen tatsächlich zu einer Verringerung der Steuerbelastung führt, hängt entscheidend von der Besteuerungssituation des Gesellschafters in seinem Wohnsitzstaat ab. Beispiel: Der Steuerausländer A erzielt aufgrund seiner Beteiligung an der inländischen K-KG einen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtigen Gewinn i.H.v. 100. Er tätigt keinerlei Entnahmen. 1) Zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland besteht kein DBA oder ein DBA, nach dem die Anrechnungsmethode zur Anwendung kommt; und a) der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat beträgt 20 %; b) der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat beträgt 35 %. 2) Zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland besteht ein DBA, nach dem die Freistellungsmethode zur Anwendung kommt.

9.202 Besteht kein DBA oder ein DBA mit Anrechnungsmethode, so ist es Sache des Wohnsitzstaates des Gesellschafters, eine Doppelbesteuerung zu verhindern. Davon unabhängig kann auf den deutschen Besteuerungsanspruch § 34a EStG Anwendung finden, der die effektive deutsche Steuerbelastung des A (zumindest temporär) verringert.

9.203 Die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbesteuerung bringt A dann Vorteile, wenn das ausländische Steuerniveau unter dem inländischen begünstigten Steuersatz von 28,25 % liegt. In diesem Fall kann A durch die Thesaurierungsbesteuerung den Anrechnungsüberhang reduzieren und damit die effektive Steuerbelastung (zumindest temporär) verringern. Im Beispielsfall beträgt die ausländische Steuerbelastung des A in seinem Wohnsitzstaat 20. Für darüber hinausgehende deutsche Steuern kommt eine Anrechnung mithin nicht in Betracht. Durch die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung kann A mithin die darüber hinausgehende deutsche Steuer, die er mangels Anrechnungsmöglichkeit zu tragen hat, bis zum Zeitpunkt der Nachversteuerung verringern.

9.204 Liegt der individuelle Steuersatz des A in seinem Wohnsitzstaat hingegen über der deutschen The-

saurierungssteuer, ist der Vorteil bei Ausübung des Wahlrechts nach § 34a EStG fraglich. Beträgt die ausländische Steuerbelastung des A 35 %, führt die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung zu keinem Vorteil. Die vorübergehende inländische Thesaurierungsbegünstigung wird durch die Heraufschleusung auf die höhere ausländische Steuer wirkungslos. Mit Blick auf eine eventuelle Nachbesteuerung, die in jedem Fall spätestens bei Beendigung des unternehmerischen Engagements in Deutschland anfällt und deren Anrechenbarkeit auf im Wohnsitzstaat gezahlte Steuer bestenfalls fraglich ist, wird die Thesaurierungsbesteuerung insgesamt zu einer höheren Steuerbelastung führen.1 Besteht keine Möglichkeit der Anrechnung der Nachsteuer im Ausland, wäre noch zu überlegen, die Thesaurierungsbegünstigung betragsmäßig so zu beschränken, dass insgesamt die inländische Steuerbelastung exakt der Höhe der im Wohnsitzstaat zu zahlenden (ausländischen) Steuer entspricht.2 Damit kann die im Zeitpunkt der Entstehung der Gewinne zu zahlende ausländische Steuer reduziert werden, ohne dass Anrechnungspotenzial im Ausland ungenutzt bliebe.

9.205 Gilt hingegen aufgrund des DBA die Freistellungsmethode, so hat die Wahl der Thesaurierungsbegünstigung keine steuerlichen Konsequenzen im Ansässigkeitsstaat3 – wohl auch dann nicht, wenn die Freistellung mit Progressionsvorbehalt gewährt wird.

1 Fischer in FS Schaumburg, 342; Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 92; Stein in H/H/R, § 34a EStG Anm. 18; Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744). 2 So auch Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744 f.). 3 Fischer in FS Schaumburg, 342; Stein in Lüdicke Unternehmensteuerreform 2008, 92; Kessler/Jüngling/ Pfuhl, Ubg 2008, 741 (744).

1000 | Mick/Dyckmans

E. Thesaurierungsbesteuerung, § 34a EStG | Rz. 9.208 Kap. 9

II. Nachversteuerung 1. Nachversteuerung auslösende Ereignisse Nach § 34a EStG kommt es insoweit zu einer Nachversteuerung von bisher begünstigt besteuerter Gewinne, als der positive Saldo der Entnahmen und Einlagen eines Wirtschaftsjahres den Gewinn des Wirtschaftsjahres übersteigt.

9.206

Nach Ansicht der Finanzverwaltung führt auch die Überführung eines Wirtschaftsgutes aus der inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus oder in weitere ausländische Betriebsstätten zu einer Entnahme i.S.v. § 34a Abs. 2 EStG. Die mit der Entnahme aus dem inländischen Betriebsvermögen korrespondierende Einlage in das zugehörige Auslandsvermögen bleibt bei der Ermittlung des nicht entnommen Gewinns aber unberücksichtigt, da die Anwendung des § 34a EStG auf den beschränkt steuerpflichtigen Gewinn nach § 49 EStG (Betriebsstättengewinn) beschränkt und kein inländischer Steuerbezug gegeben sei.1 Im Schrifttum wird diese Sichtweise überwiegend abgelehnt, da im umgekehrten (Outbound-)Fall die Finanzverwaltung2 eine Gesamtbetrachtung zwischen Entnahme und korrespondierender Einlage vornimmt.3 2. Steuerbelastung im Zeitpunkt der Nachversteuerung Im Fall einer Nachversteuerung unterliegt der überentnommene Gewinn der deutschen Nachsteuer i.H.v. 25 %. Da das Steuerobjekt der Nachversteuerung der ursprüngliche Betriebsstättengewinn ist, unterliegt dieser nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht.

9.207

Besteht zwischen dem Wohnsitzstaat des Gesellschafters und Deutschland als Betriebsstättenstaat ein DBA, das die Freistellungsmethode vorsieht, ergeben sich bezüglich der Nachsteuer keine Probleme. Anders hingegen, wenn ein DBA die Anrechnungsmethode vorsieht oder kein DBA besteht. Da sich die Nachsteuern auf Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte des ausländischen Gesellschafters beziehen, sollte einer Anrechenbarkeit nichts im Wege stehen. In der Praxis könnte jedoch problematisch sein, dass sich diese Steuer auf Einnahmen bezieht, die der Wohnsitzstaat bereits in den Vorjahren – damals unter Anrechnung der Thesaurierungssteuer – besteuert hat. Ob der ausländische Vertragsstaat aber nachträglich eine Anrechnung vornehmen wird, ist im Einzelfall ungewiss.4 Sofern dies nicht erfolgt – etwa weil ein solcher Anrechnungsrücktrag nicht vorgesehen ist – bliebe allein die Möglichkeit, die Nachsteuer im Jahr der Nachversteuerung anzurechnen. Da in diesem Jahr aufgrund der Nachsteuer eine überproportional hohe anrechenbare Steuer entstehen wird, besteht jedoch die Gefahr, dass es zu nicht unerheblichen Anrechnungsüberhängen kommt.5 In Anrechnungsfällen wird die Nachsteuer deshalb häufig zu einer echten Belastung führen. Besonders deutlich wird dies bei Aufgabe oder Veräußerung der Gesellschafterstellung, da in diesem Fall neben einem Veräußerungsgewinn die volle Nachsteuer auf die in den Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinne fällig wird, sodass erhebliche Anrechnungsüberhänge entstehen können.6 Eine Anrechnung der Nachsteuer gänzlich ablehnen könnte der Wohnsitzstaat schließlich dann, wenn er die Nachversteuerung als Quellensteuer auf die Gewinnentnahme ansieht.7

9.208

1 BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838 Rz. 36; ebenso Schiffer, DStR 2008, 1805 (1813); Bodden in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 19.18; Stein in Korn, § 34a EStG Rz. 18, 49. 2 Vgl. BMF v. 11.8.2008 – IV C 6 - S 2290a/07/100001 – DOK 2008/0431405, BStBl. I 2008, 838, Rz. 35. 3 Paus, EStB 2008, 365 (366); Meyer/Sterner, Ubg 2008, 733 (739); zumindest für den Transfer von Bargeld auch Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008. 741 (745 f.); vgl. auch Wacker, FR 2008, 605 (609). 4 Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 93; Fischer in FS Schaumburg, 342; Bodden in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 19.98, 19.92. 5 Kessler/Jüngling/Pfuhl, Ubg 2008, 741 (746); Fischer in FS Schaumburg, 342. 6 Ausführlich zum Ganzen Fischer in FS Schaumburg, 342. 7 Stein in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008, 93; Bodden in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 21.98, 21.92.

Mick/Dyckmans | 1001

Kap. 9 Rz. 9.209 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften Insbesondere aufgrund der Unsicherheiten bezüglich einer Anrechnung der Nachsteuer, sollte die Wahl der Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG bei Bestehen eines DBA und Geltung der Anrechnungsmethode gründlich überdacht werden.

F. Beendigung und Strukturwechsel I. Allgemeines 9.209 Die nachfolgenden Ausführungen zur Beendigung und Strukturwechsel beschränken sich auf sol-

che Vorgänge, die sich außerhalb des Umwandlungssteuergesetzes vollziehen. Die sich bei Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder bei Verschmelzungen von Personengesellschaften ergebenden Fragen werden an anderer Stelle behandelt (vgl. Rz. 11.1 ff.).

II. Veräußerung 9.210 Veräußert der ausländische Gesellschafter seine Beteiligung an der inländischen Mitunternehmer-

schaft, so ist ein erzielter Gewinn in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verweist auch auf den Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG.1 Dabei wird nach nationalem Recht neben dem Gewinn aus der Veräußerung des Gesamthandsvermögens unstreitig auch der Gewinn aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen erfasst.2 Auch die Tarifbegünstigung des § 34 EStG ist zugunsten des beschränkt Steuerpflichtigen uneingeschränkt anwendbar, da auf sie in § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht verwiesen wird.3 Dagegen kommt eine Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG nicht in Betracht (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG). Erzielt der beschränkt Steuerpflichtige einen Verlust, so ist dieser auch mit anderen beschränkt steuerpflichtigen Einnahmen verrechenbar (vgl. Rz. 9.52 f.). Handelt es sich bei dem Gesellschafter um eine ausländische Kapitalgesellschaft, ist der Veräußerungsgewinn beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und ggf. auch gewerbesteuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GewStG).

9.211 Im Abkommensfall regelt Art. 13 OECD-MA die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen. Zwar handelt es sich auch bei Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG begrifflich um Unternehmensgewinne, für die Art. 7 OECD-MA anzuwenden ist. Gemäß Art. 7 Abs. 4 OECD-MA sind die Regelungen der Art. 6 ff. OECD-MA insoweit jedoch vorrangig. Bei der Veräußerung von Anteilen an einer Mitunternehmerschaft handelt es sich abkommensrechtlich um die Veräußerung der dem Mitunternehmer zuzurechnenden Betriebsstätte der Personengesellschaft, sodass Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zur Anwendung kommt.4 Soweit auch unbewegliches Vermögen mitveräußert wird, gilt Art. 13 Abs. 1 OECD-MA.5 Somit darf Deutschland

1 Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 144, 166; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 59; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 397 – zu Besonderheiten bei der Veräußerung von Anteilen an inländischen immobilienverwaltenden Personengesellschaften durch ausländische Gesellschafter vgl. Kraft/Hohage, IStR 2014, 605. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 92; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 394; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 80. Ist das Sonderbetriebsvermögen hingegen einer ausländischen Betriebsstätte der inländischen Personengesellschaft zuzuordnen, so ist ein darauf entfallender Veräußerungsgewinn in Deutschland nicht steuerbar; vgl. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 6.104. 3 Roth in H/H/R, § 49 EStG Anm. 144, 166; Geissler in H/H/R, § 16 EStG Anm. 12; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 397; Graf in L/B/P, § 34 EStG Rz. 40. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 162; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.338; Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Lieber, IWB 2010, 351 (357); BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 (955). 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 65; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.338; wohl auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK

1002 | Mick/Dyckmans

F. Beendigung und Strukturwechsel | Rz. 9.215 Kap. 9

neben Gewinnen aus im Inland belegenen Grundstücken (vgl. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA)1 auch Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens besteuern, das einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen ist (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Dabei ist es abkommensrechtlich unerheblich, ob der Gesellschafter seinen gesamten Anteil oder nur einen Teil veräußert. In beiden Fällen ist Art. 13 Abs. 2 OECD-MA anzuwenden.2 Dies gilt zumindest für aus der Veräußerung von Gesamthandsvermögen entstehende Gewinne. Lange Zeit war auch fraglich, wie das Abkommensrecht die Besteuerungsrechte verteilt, wenn die Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen herrühren.

9.212

Nach Ansicht des BFH waren für die Zuordnung von Betriebsvermögen im Rahmen von Art. 13 OECD-MA die innerstaatlichen Maßstäbe heranzuziehen.3 Darin lag nach Ansicht des BFH auch kein Widerspruch zu seiner Rechtsprechung zur abkommensrechtlichen Behandlung von Sondervergütungen, wonach die innerstaatliche Qualifikation als Sondervergütung nicht ausreiche, um eine tatsächliche Zuordnung zu der durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zu begründen. In der Literatur wurde diese BFH-Entscheidung kritisiert.4 In der Tat überzeugt es nicht, für Besteuerungsrechte aus laufenden Einnahmen und aus der Veräußerung unterschiedliche Grundsätze anzunehmen.5 Zwischenzeitlich hat sich diese Diskussion durch § 50d Abs. 10 EStG erledigt. Aus Satz 2 der Vorschrift folgt, dass das Sonderbetriebsvermögen der Betriebsstätte zugerechnet werden soll, der auch die Erträge oder der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegenden Leistung zuzuordnen sind. Insoweit besteht eine Gleichbehandlung zu den laufenden Einkünften aus dem Sonderbetriebsvermögensbereich zugunsten der Qualifikation als Teil des Unternehmensgewinns gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA (vgl. Rz. 9.107).

9.213

Für nachträgliche Betriebseinnahmen und -ausgaben, die nach Veräußerung der Personengesellschaftsbeteiligung entstehen, gelten die gleichen Regeln, wie sie bei der Auflösung einfacher Betriebsstätten gelten.

III. Aufgabe Gibt der ausländische Gesellschafter seine Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft auf, bspw. indem die Gesellschaft liquidiert wird oder indem die Voraussetzungen des § 12 AO wegfallen,6 ist dies ein unter § 16 Abs. 3 EStG fallender Vorgang. Jeglicher daraus resultierender Gewinn unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht und ggf. der Gewerbesteuerpflicht. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA begründet auch in diesem Fall ein deutsches Besteuerungsrecht am beweglichen Vermögen, das der inländischen Betriebsstätte zuzuordnen war. Für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen folgt dies aus Art. 13 Abs. 1 OECD-MA.

9.214

Im Ergebnis ebenso zu behandeln sind die Fälle, in denen die inländische Personengesellschaft sämtliche Wirtschaftsgüter verkauft. Der erzielte Veräußerungsgewinn unterliegt bei dem auslän-

9.215

1 2 3 4 5 6

2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.4.2 (ersetzt durch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/ 10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258); wohl a.A. Kraft/Hohage, IStR 2014, 605 (607). Das gilt unabhängig von der Frage, ob das inländische Grundvermögen einer deutschen Betriebsstätte der Personengesellschaft zuzuordnen ist; so zu Recht Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 79. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 zum DBA-Schweiz. Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 6.107; kritisch auch Schnitger/Bildstein, Ubg 2008, 444 (451); wohl auch a.A. Schmitt-Homann, DStR 2010, 2545 (2547). A.A. Buciek, HFR 2008, 685. Vgl. Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 265 f.

Mick/Dyckmans | 1003

Kap. 9 Rz. 9.216 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften dischen Gesellschafter der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer und bei der Gesellschaft der Gewerbesteuer. Die Auskehrung des Veräußerungsgewinnes an die Gesellschafter ist in Deutschland kein steuerrelevanter Vorgang.

IV. Realteilung 9.216 Eine Personengesellschaft kann dadurch gespalten bzw. geteilt werden, dass sie als Gesellschaft

liquidiert wird, aber die Gesellschafter Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft übernehmen und diese in ihrem eigenen Betrieb als Betriebsvermögen fortführen (vgl. § 123 UmwG).

9.217 Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG hat eine Realteilung grundsätzlich zu Buchwerten zu erfolgen.

Dies unabhängig davon, ob die Gesellschafter Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in ihr eigenes Betriebsvermögen übernehmen. Anderes gilt jedoch, wenn die Besteuerung der stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen des Gesellschafters nicht sichergestellt ist oder falls die übernommenen Wirtschaftsgüter binnen drei Jahren nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung veräußert oder entnommen werden (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Erfolgt eine Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern auf eine Kapitalgesellschaft, so ist in jedem Fall der gemeine Wert anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG).

Beispiel: An der deutschen O-OHG sind zu gleichen Teilen der in Frankreich ansässige F und die englische Kapitalgesellschaft GB-Ltd. beteiligt. F und GB-Ltd. möchten die O-OHG nicht länger gemeinsam weiterführen. Stattdessen soll F den einen und die GB-Ltd. einen davon getrennten, anderen Betriebszweig der Gesellschaft weiterführen. F kann sämtliches Vermögen der O-OHG, das er im Wege der Teilung erhält, in seinem Betriebsvermögen zu Buchwerten weiterführen, soweit dieser Betrieb in Deutschland besteht und daher die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Soweit GB-Ltd. Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile erhält, gilt für sie Gleiches. Stille Reserven in einzelnen Wirtschaftsgütern, die die GB-Ltd. im Rahmen der Teilung der O-OHG erhält, müssen dagegen realisiert werden.

V. Betriebsaufspaltung 9.218 In Betracht kommt schließlich auch eine Aufspaltung des Betriebs auf ein Unternehmen (sog. Be-

sitzunternehmen), das wesentliche Betriebsgrundlagen an ein gewerblich tätiges Unternehmen (sog. Betriebsunternehmen) überlässt. Beherrschen eine oder mehrere Personen sowohl das Besitz- wie auch das Betriebsunternehmen in der Weise, dass sie in beiden einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen können, erzielt das Besitzunternehmen nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht nicht Vermietungseinkünfte nach § 21 EStG, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 EStG).1 Von einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung spricht man, wenn sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen Personengesellschaften sind.2 Beispiel: Die Steuerausländer A und B sind Gesellschafter der deutschen O-OHG. Diese verpachtet sämtliche für die Produktion wesentliche Maschinen an die gewerblich tätige, deutsche K-KG, deren Gesellschafter ebenfalls A und B in gleicher Beteiligungsquote sind. Unterhält die O-OHG in Deutschland eine Betriebsstätte, so sind die Pachtzinsen in Deutschland als gewerbliche Einkünfte beschränkt steuerpflichtig (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). 1 Vgl. BFH v. 11.9.2003 – X B 103/02, BFH/NV 2004, 180; v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 (vorhergehend FG Berlin-Brandenburg v. 2.9.2010 – 9 K 2510/04 B, EFG 2011, 415); vgl. ausführlich zur Betriebsaufspaltung auch Gluth in H/H/R, § 15 EStG Anm. 770 ff.; Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 800 ff. 2 Ausführlich zur Frage der Betriebsaufspaltung über die Grenze Gluth in H/H/R, § 15 EStG Anm. 776; Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 862.

1004 | Mick/Dyckmans

G. Verfahrensfragen | Rz. 9.221 Kap. 9 Handelt es sich bei dem Besitzunternehmen um eine ausländische Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern, die inländischen Grundbesitz an eine deutsche Schwesterpersonengesellschaft überlässt, so ist zweifelhaft, ob eine grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung überhaupt vorliegen kann.1 In einem Inbound-Fall dürften die Voraussetzungen eher zweifelhaft sein: Eine Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist nur bei Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte gegeben, die regelmäßig nicht vorliegen wird. Die Betriebsstätte der inländischen Betriebsgesellschaft ist jedenfalls keine Betriebsstätte der ausländischen Besitzgesellschaft.2 Auch ist zweifelhaft, ob unter Geltung des § 49 Abs. 2 EStG das Tatbestandsmerkmal der personellen Verflechtung bei ausländischen Gesellschaftern erfüllbar ist. Wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint,3 so erzielen die ausländischen Personengesellschafter beschränkt steuerpflichtige Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Ab VZ 2009 qualifiziert § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG bestimmte Vermietungseinkünfte zwar als gewerbliche Einkünfte. Diese Einkünftequalifikation ergibt sich aber kraft Gesetzes und nicht aufgrund der Betriebsaufspaltungsgrundsätze.

Falls die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen sollten, ist fraglich, wie das Besteuerungsrecht abkommensrechtlich aufzuteilen ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die innerstaatliche Umqualifikation der Vermietungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte schlage auch auf das Abkommensrecht durch.4 Deshalb fände Art. 7 OECD-MA Anwendung. Lediglich für die Überlassung von unbeweglichem Vermögen sei Art. 6 OECD-MA vorrangig, der jedoch für im Inland belegene Grundstücke ebenfalls ein deutsches Besteuerungsrecht normiert (vgl. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA).

9.219

Nach a.A. soll die aufgrund innerstaatlicher Wertungen erfolgte Umqualifikation der Vermietungseinkünfte hingegen nicht ohne Weiteres auf das Abkommensrecht übertragen werden können.5 Dieser Ansicht haben sich ausdrücklich der BFH6 und die Finanzverwaltung7 angeschlossen. Geht die Tätigkeit der Besitzgesellschaft über eine reine Vermögensverwaltung nicht hinaus, liegen nach dieser Ansicht abkommensrechtlich Einkünfte bspw. nach Art. 6, 12 oder 21 OECD-MA vor. Für die zuletzt genannte Ansicht spricht, dass – zumindest nach überwiegender Meinung – auch in anderen Fällen Gewerblichkeitsfiktionen nach innerstaatlichem Recht nicht in das Abkommensrecht übertragen werden.8

9.220

G. Verfahrensfragen Gemäß §§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 179 Abs. 2 Satz 2 EStG werden die Einkünfte der ausländischen Gesellschafter aus der Beteiligung an der inländischen Personengesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt. Die Feststellung umfasst neben den laufenden Gewinnanteilen auch die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Mitunternehmeranteilen nach § 16 EStG. Gegenstand der Feststellung ist darüber hinaus, ob beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S.v. § 49 EStG erzielt wurden9 sowie wer ausländischer Mitunternehmer ist, wenn mehrere in Betracht 1 Zum Meinungsstand Haverkamp, IStR 2008, 165 (166). 2 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983,77; Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 862; vgl. auch Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 6.119. 3 So insbesondere Wacker in Schmidt36, § 15 EStG Rz. 862. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34; Buciek in F/W/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 57. 5 Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 2.68 f.; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 6.115; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.236; Becker/Günkel in FS Schmidt, 494; Prinz, FR 2012, 381 (383). 6 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688 – mit zustimmender Anm. Gosch, BFH-PR 2011, 402 (403). 7 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl I 2014, 1258, Rz. 2.3.1. 8 Vgl. zur gewerblich geprägten und gewerblich infizierten Personengesellschaft Rz. 9.76 u. Rz. 9.80 sowie zu Sondervergütungen Rz. 9.98. 9 FG München v. 24.9.1990 – 13 K 13211/85, DStR 1991, 24 – bestätigt durch BFH v. 27.10.1993 – I R 108/91 (n.v.); BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, IStR 2003, 388 (389 f.).

Mick/Dyckmans | 1005

9.221

Kap. 9 Rz. 9.222 | Beteiligung an inländischen Personengesellschaften kommen.1 Eine gesonderte und einheitliche Feststellung findet nicht statt, wenn die Einkommensteuer durch den Steuerabzug gemäß § 50a EStG als abgegolten gilt.2

9.222 Mit in die einheitliche und gesonderte Feststellung einzubeziehen sind allerdings nur solche Ein-

künfte, die bei dem ausländischen Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.3 Im DBA-Fall ist im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung zudem auch zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Gewinne der deutschen Besteuerung unterliegen. Gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO hat die Feststellung auch dann zu erfolgen, wenn die Einkünfte abkommensrechtlich zwar von der Besteuerungsgrundlage auszunehmen sind, sie aber gleichwohl aufgrund eines Progressionsvorbehalts für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes von Bedeutung sind.4 Beispiel: Der Steuerausländer A ist an der deutschen K-KG beteiligt. Neben einer deutschen Betriebsstätte unterhält die K-KG auch eine Betriebsstätte in Frankreich. Die der französischen Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte unterliegen bei A nicht der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Sie sind deshalb nicht mit in die einheitliche und gesonderte Feststellung miteinzubeziehen.5 Eine Einbeziehung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO kommt mangels Steuerbarkeit in Deutschland ebenfalls nicht in Betracht.

9.223 Auch die ausländischen Gesellschafter haben in Deutschland eine Steuererklärung abzugeben

(§ 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, § 149 AO), die grundsätzlich eigenhändig zu unterschreiben ist (§ 25 Abs. 3 Satz 4 EStG). Der dauernde Aufenthalt im Ausland kann jedoch als Fall längerer Abwesenheit i.S.v. § 150 Abs. 3 Satz 1 AO angesehen werden,6 sodass die Steuererklärung auch von einem Bevollmächtigten unterschrieben werden kann. Ist die deutsche Einkommensteuerschuld bereits durch Steuerabzug abgegolten, bedarf es keiner Abgabe einer Steuererklärung.7

1 2 3 4 5 6

BFH v. 6.12.1995 – I R 131/94, BFH/NV 1996, 592 (592). BFH v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185 (186), Frotscher in S/P, § 180 AO Rz. 22. Söhn in H/H/Sp, § 180 AO Rz. 161; Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 56. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 103; Frotscher in S/P, § 180 AO Rz. 22. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663 (664 f.); Frotscher in S/P, § 180 AO Rz. 22. BFH v. 10.4.2002 – VI R 66/98, BStBl. II 2002, 455 (456); nicht entscheidend ist, ob der beschränkt Steuerpflichtige im Ausland ggf. postalisch zu erreichen wäre. 7 Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internatioanlen Steuerrecht2, Rz. 24.9.

1006 | Mick/Dyckmans

Kapitel 10 Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . I. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . II. Subjektive Steuerpflicht im Inland . B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besteuerung im Inland I. Besteuerung der Gesellschaft . . . . . II. 1. 2. 3.

Besteuerung der Gesellschafter Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . Entlastung von der Kapitalertragsteuer nach MTR oder DBA . . . . a) Mutter-Tochter-Richtlinie . . . b) DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . aa) Schachtelbeteiligungen . . . bb) Streubesitz . . . . . . . . . . . cc) Betriebsstättenvorbehalt . . 4. Kapitalertragsteuer-Entlastungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

.. .. . . . . . .

. . . . . .

..

III. Missbrauchsausschluss (Treaty Shopping) 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländische Gesellschaft . . . . . . b) Persönliche Entlastungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sachliche Entlastungsberechtigung aa) Eigene Wirtschaftstätigkeit . . bb) Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe und angemessener Geschäftsbetrieb . cc) Konzernverhältnisse . . . . . .

__ _ _ _ __ __ __ __ _ __ _ __ _ __

10.1 10.2

3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit EU- bzw. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .

10.4

IV. Verluste der inländischen Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . .

10.7

V. Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Körperschaftsteuerliche Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbesteuerliche Organschaft . . .

10.9

10.12 10.15 10.17 10.18 10.22 10.24 10.25 10.26 10.27

10.31 10.37 10.39 10.40 10.43 10.44 10.49 10.52

D. Besteuerung im Ausland I. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . II. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mutter-Tochter-Richtlinie . . . . . . E. Veräußerung und Liquidation I. Veräußerung 1. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Liquidation 1. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . a) Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . b) Anteilseigner aa) Ohne inländische Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mit inländischer Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . 2. DBA-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verweisung auf das Recht des Quellenstaats . . . . . . . . . . . . . b) Keine Verweisung auf das Recht des Quellenstaats . . . . . . . . . .

. . . . . . .

_ _ _ _ __ _ _ _ __ __ _ __ _ _

10.53 10.55 10.57 10.58 10.59 10.66 10.69 10.71 10.72

10.74 10.80 10.85 10.86 10.88 10.93 10.96 10.97 10.99

Literatur: Bullinger, Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie ab 2005: Erweiterung des Anwendungsbereiches und verbleibende Probleme, IStR 2004, 406; Cloer/Kahlenberg, Die Gruppenbesteuerung in der EU im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, SteuK 2014, 511 (514); de Diego, Die Mobilität der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) im EG-Binnenmarkt, EWS 2005, 448; Demleitner, Auswirkungen des BEPS-Aktionspunktes 7 auf bestehende Vertriebsstrukturen, BB 2016, 599; Frotscher, Treaty Override und § 50d Absatz 10 EStG, IStR 2009, 593; Gosch, Über das Treaty Overriding – Bestandsaufnahme – Verfassungsrecht – Europarecht, IStR 2008, 413; Haarmann, Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 1994; Heurung/Schmidt/Kollmann, Mögliche Auswirkungen des EuGH-Urteils Groupe Steria auf die deutsche Organschaft unter besonderer Berücksichtigung der EAV-Problematik, GmbHR 2016, 449; Hey, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer und die Zukunft der deutschen Organschaft, GmbHR 2006, 113; Hirte, Die Europäische Aktiengesellschaft, NZG 2002, 1; Jacob, Das revidierte DBAUSA – Eckpfeiler – Fortentwicklungen – Neuland (Teil I), IStR 2011, 45; Jansen/Weidmann, Treaty Overriding und Verfassungsrecht – Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Treaty Overrides am Beispiel des § 50d EStG, IStR 2010, 596; Kempf/Hohage, Gedanken zu § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG bei beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2010, 806; Kessler/Arnold, National begrenzte Organschaft, IStR 2016, 226;

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Kap. 10 Rz. 10.1 | Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften Lehner, Treaty Override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lüdicke, Der missratene § 50d Absatz 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 81; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 24.1. 2012: Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Absatz 3 EStG), IStR 2012, 148; Lutter, Europäische Aktiengesellschaft – Rechtsfigur mit Zukunft?, BB 2002, 1; Nitzschke, Veräußerung direkt gehaltener Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige – Führt § 8b Abs. 3 KStG zur partiellen Besteuerung eines Veräußerungsgewinns?, IStR 2012, 125, Pache/Englert, „Das Spiel ist aus!“ – Kein positives Signal des EuGH für ein binnenmarktorientiertes Konzernbesteuerungsrecht, IStR 2007, 844; Plewka/Renger, Verstößt § 50d III EStG tatsächlich gegen die Grundfreiheiten?, GmbHR 2007, 1027; Polatzky/Seitner, Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG auf US-Inbounds-Strukturen nach Deutschland vor dem Hintergrund des US-Steuerrechts, Ubg 2013, 285; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629; Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen Internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843; Scheunemann, Europaweite Verlustberücksichtigung im Konzern: Steine statt Brot durch die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro vom 7.4.2005 im Fall Marks & Spencer?, IStR 2005, 303; Schneider/Schmitz, Ausschluss der Verlustberücksichtigung bei Organschaft, GmbHR 2013, 281; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004, 804; Schnittker/Steinbiß, Geplante Änderungen des US-Musterabkommens, IStR 2015, 686; Schoppe/Reichel, Vertreterbetriebsstätten ab 2017, BB 2016, 1245; Schulz/Geismar, Die Europäische Aktiengesellschaft – Eine kritische Bestandsaufnahme, DStR 2001, 1078; Schulz-Trieglaff, Steuerfreie Dividenden und Betriebsstättenvorbehalt, IStR 2015, 717; Stöber, Grenzüberschreitende Organschaften im Lichte abkommensrechtlicher Diskriminierungsverbote und der Niederlassungsfreiheit, BB 2011, 1943; Stoschek/Peter, § 50d Abs. 3 EStG – erste Rechtsprechung zu einer verfehlten Missbrauchsvorschrift – Vereinbarkeit von § 50d Abs. 5 EStG mit Europarecht? –, IStR 2002, 656; Suchanek/Jansen, Änderungen bei der Stille-Reserven-Klausel des § 8c KStG durch das Jahressteuergesetz 2010, GmbHR 2011, 174; Wagner/Herzig, EuGH-Urteil „Marks & Spencer“ – Begrenzter Zwang zur Öffnung nationaler Gruppenbesteuerungssysteme für grenzüberschreitende Sachverhalte, DStR 2006, 1; Wagner/Liekenbrock, Organschaft und Ausschluss der doppelten Verlustberücksichtigung im In- und Ausland nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG n.F.; Witt, Reform der Konzernbesteuerung, FR 2009, 1045.

A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft 10.1 Ausländische Unternehmen strukturieren ihr Inlandsengagement regelmäßig in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft. Die Kapitalgesellschaft ist eine inländische juristische Person, ihre Rechte und Pflichten bestehen unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter im Inland oder im Ausland ansässig sind. Sie genießt gem. Art. 19 Abs. 3 GG den Schutz der Grundrechte, soweit diese ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind.1

I. Rechtliche Grundlagen 10.2 Kapitalgesellschaften des deutschen Rechts sind die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit

beschränkter Haftung (GmbH), die Unternehmergesellschaft (UG), die Europäische Aktiengesellschaft (SE) und als Sonderform der AG die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Sie zählen neben den Genossenschaften und Vereinen (Vereine des bürgerlichen Rechts und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit) zu den Körperschaften. Im Gegensatz zu den Personengesellschaften sind sie durch ihre Verselbständigung (Fortdauer bei Tod und Austritt, Vertretung durch Dritte, Mehrheitsentscheidungen in Versammlungen) charakterisiert.2 Im Vordergrund stehen die Aktiengesellschaft, die gem. § 1 AktG definiert ist als eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital, für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern 1 Zur Inlandsanknüpfung des Art. 19 Abs. 3 GG siehe Remmert in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 1 f., unter Hinweis auf die Problematik des Grundrechtsschutzes bei EU/EWR-Gesellschaften. 2 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 3 I 2; hierbei handelt es sich um den gesetzlichen Idealtypus, nicht notwendigerweise um die tatsächliche Ausgestaltung in der Realität, wie allein die häufig vorkommende Mischform der GmbH & Co. KG zeigt.

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A. Subjektive Steuerpflicht der inländischen Kapitalgesellschaft | Rz. 10.4 Kap. 10

nur das Gesellschaftsvermögen haftet, und die GmbH, die definiert wird als eine Gesellschaft, die aus einem oder mehreren Gesellschaftern besteht, eine eigene Rechtspersönlichkeit und ein in Stammeinlagen zerlegtes Stammkapital hat.1 Die Europäische Aktiengesellschaft oder Societas Europaea (SE) wurde durch die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO)2 geschaffen und durch das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.20043 in das deutsche Recht eingeführt. Das SEEG ergänzt die unmittelbar anwendbare SE-VO und wird seinerseits ergänzt durch die Vorschriften des AktG.4 Die SE ist eine Handelsgesellschaft, deren Kapital in Aktien zerlegt ist (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SE-VO), und ist juristische Person (Art. 1 Abs. 3 SE-VO). Sie kann in vier Varianten gegründet werden:

10.3

1) durch Verschmelzung von in der EU ansässigen (d.h. Sitz und Hauptverwaltung in der EU) Aktiengesellschaften aus mindestens zwei EU-Staaten, 2) durch Gründung einer Holding-SE durch in der EU ansässige AGs oder GmbHs aus mindestens zwei EU-Staaten, 3) durch Gründung einer Tochter-SE durch in der EU ansässige Gesellschaften aus mindestens zwei EU-Staaten und 4) durch formwechselnde Umwandlung einer in der EU ansässigen AG mit einer mindestens zweijährigen Beteiligung an einer in der EU ansässigen Tochtergesellschaft.5 Wird die SE nach deutschem Recht gegründet (SE mit Registereintragung und Satzungssitz in Deutschland), ist sie inländische Kapitalgesellschaft. Ihr Satzungssitz muss in dem EU-Staat liegen, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet (Art. 7 Satz 1 EO-VO),6 ihre Sitzverlegung richtet sich nach Art. 8 SE-VO.7

II. Subjektive Steuerpflicht im Inland Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind inländische Kapitalgesellschaften die SE, die AG, die KGaA und die GmbH. Die subjektive Körperschaftsteuerpflicht der Kapitalgesellschaften beginnt mit der Errichtung der notariellen Satzung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt mangels Erfüllung des konstitutiven Erfordernisses der Eintragung noch keine Kapitalgesellschaft, sondern erst eine sog. Vorgesellschaft entstanden ist.8 Die Körperschaftsteuerpflicht wird aus Praktikabilitätsgesichtspunkten auf den Zeitraum zwischen der notariellen Errichtung der Satzung und der Eintragung vorverlegt, 1 Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 33 I. 2 VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG v. 10.11.2001, Nr. L 294, 1(SE-VO) = Sonderbeilage zu NZG 2002, Heft 1, 3. 3 SEEG v. 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675 ff.; das SEEG beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, ABl. EG v. 10.11.2001, Nr. L 294, 1 ff. (SE-VO) und enthält als Art. I das Gesetz zur Ausführung der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz – SEAG). 4 Zur Entwicklungsgeschichte Oechsler/Mihaylova in MüKo AktG4, Vor Art. 1 SE-VO Rz. 1 ff.; Lutter, BB 2002, 1 ff. 5 Vgl. Übersicht bei Kindler in MüKo BGB IntGesR7, Rz. 75 ff. m.w.N. 6 Damit hat sich die SE-VO für die sog. Sitztheorie entschieden, Kindler in MüKo BGB IntGesR7, Rz. 77; Schulz/Geismar, DStR 2001, 1078 (1079); a.A. Hirte, NZG 2002, 1 (4); krit. de Diego, EWS 2005, 448. 7 Um ein Auseinanderfallen von Satzungssitz und Hauptverwaltung (mit der Folge der Auflösung gem. Art. 64 SE-VO) zu vermeiden, muss die SE bei Verlegung ihres Satzungssitzes auch ihre Hauptverwaltung in den Zuzugsstaat verlegen, vgl. Oechsler/Mihaylova in MüKo AktG4, Art. 8 SE-VO Rz. 54. 8 BFH v. 13.12.1989 – I R 98/86, BStBl. II 1990, 468 (469); Streck in Streck8, § 1 KStG Rz. 20; Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 35.

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10.4

Kap. 10 Rz. 10.5 | Beteiligung an inländischen Kapitalgesellschaften um eine – i.d.R. nur kurzzeitige – Besteuerung nach Mitunternehmergrundsätzen zu vermeiden.1 Für den ausländischen Gesellschafter folgt hieraus, dass er bei einer erfolgreichen Gesellschaftsgründung in Deutschland ausschließlich eine Beteiligung erwirbt und bereits die Vorgesellschaft die steuerliche Abschirmwirkung vermittelt, er also keine inländische Betriebsstätte begründet.

10.5 Die steuerliche Subjektfähigkeit der Gesellschaft endet nicht, bevor nicht auch die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit endet.2 Zivilrechtlich ist das der Zeitpunkt der Eintragung des Auflösungsbeschlusses oder die Löschung im Handelsregister.3 Steuerlich bleibt das Gebilde auch danach noch während der gesamten Abwicklungsphase körperschaftsteuerpflichtig;4 folglich bleibt für den ausländischen Gesellschafter die steuerliche Abschirmwirkung bis zur Beendigung der Abwicklungsphase bestehen.

10.6 Die subjektive Steuerpflicht i.S.d. § 1 KStG ist unabhängig davon zu bestimmen, ob ihre Gesell-

schafter im In- oder Ausland ansässig sind. Für die früher vom RFH vertretene Konzerntheorie – Gesellschaften innerhalb eines Konzerns können wie Betriebsstätten besteuert werden5 – und die Filialtheorie bzw. Organtheorie – inländische Organgesellschaften ausländischer Gesellschaften sind wie Betriebsstätten zu besteuern6 – gibt es keine gesetzliche Grundlage.7 Die inländische Kapitalgesellschaft kann jedoch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ständiger Vertreter i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und abhängiger Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ihres ausländischen Gesellschafters sein (sog. Vertreterbetriebsstätte).8 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung des Aktionspunkts 7 des BEPS-Projekts der OECD zukünftig zu einer deutlichen Herabsetzung der Schwelle für Vertreterbetriebsstätten führen wird, wenn und soweit der neue Standard in das entsprechende DBA implementiert wird.9

B. Erwerb einer inländischen Kapitalgesellschaft 10.7 Nach inländischem Gesellschaftsrecht kann sich der Anteilserwerb im Wege des Anteilskaufs, also

des Erwerbs bestehender Anteile vom bisherigen Gesellschafter, oder der Zeichnung neuer Anteile im Wege der Gründung einer neuen Gesellschaft oder der Kapitalerhöhung an einer bestehenden Gesellschaft vollziehen. Werden neue Anteile gegen Einbringung bestehender Anteile erworben, liegt ein sog. Anteilstausch vor (zur steuerlichen Behandlung des Anteilstauschs siehe Rz. 11.236 ff.).

10.8 Der ausländische Erwerber wird im Rahmen seiner steuerlichen Erwerbstrategie Folgendes berücksichtigen:

– Bei Erwerb von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft wird er die Anschaffungskosten in seinem Ansässigkeitsstaat i.d.R. nicht durch Abschreibung